BEWUSSTSEINSSTÖRUNGEN IM KINDESALTER

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BEWUSSTSEINSSTÖRUNGEN IM KINDESALTER
A) Störungen der Bewusstseinslage: Somnolenz, Sopor, Koma
B) Störungen des Bewusstseinsinhaltes: Verwirrtheit (z. B.: Meningitis, Intoxikation), Delir,
Dämmerzustand (z. B.: postiktal)
Für den Notarzt relevant sind vorwiegend Störungen der Bewusstseinslage, insbesondere das Koma.
Die Aufrechterhaltung einer klaren Bewusstseinslage ist an die Intaktheit beider Großhirnhemisphären
und der im Hirnstamm lokalisierten Formatio reticularis gebunden.
Einteilung der Störungen der Bewusstseinslage
Somnolenz
Abnorme Schläfrigkeit des Patienten, verlangsamte Reaktionen, Umweltreize werden träge
und mit erhöhter Reizschwelle beantwortet.
Sopor
Reaktion nur noch auf grobe Umweltreize wie Schmerzreize, eindringliche Fragen. Dann
sofort Rückfall in Schläfrigkeit. Reflexe sind erhalten.
Koma
Koma bedeutet Bewusstlosigkeit , der Patient ist durch äußere Reize nicht erweckbar.
Unbewusste, reflektorische Vorgänge können je nach Tiefe des Komas in unterschiedlichem
Ausmaß provozierbar und vegetative Funktionen können intakt sein.
Prozesse, die eine Störung der Bewusstseinslage hervorrufen können, sind von ihrer Lokalisation her
in drei Gruppen zu unterteilen :
1)Supratentorielle Prozesse
Komprimieren und verdrängen Hirngewebe z. B.: Sub- und Epiduralhämatom, Hirnabszess,
Tumor.
2) Subtentorielle Prozesse
Führen zu einer Funktionsstörung der Formatio reticularis und somit zu einer Störung der
Bewusstseinslage. z. B.: Blutung, Tumor.
3) Metabolische Störungen bzw. Intoxikationen
Führen zu einer diffusen Schädigung des Hirngewebes. z. B.: Hypoglykämie, diabetische
Ketoazidose, Urämie, Elektrolytstörungen, Alkohol, Barbiturate, angeborene
Stoffwechseldefekte beim Neugeborenen.
Die häufigsten Ursachen einer Bewusstseinsstörung im Kindesalter sind:
Schädel - Hirntrauma :
Commotio cerebri, Contusio cerebri, Epidural,- Subduralhämatom ,
intrazerebrales Hämatom
Intoxikationen :
Alkohol, Barbiturate, Opiate etc.
Infektionen :
Meningitis, Enzephalitis, Sepsis
Metabolische Störungen : Hypoglykämie, diab. Ketoazidose, Urämie, Elektrolytentgleisungen
Kreislaufstörungen :
Schock, hypertensive Enzephalopathie
Respiratorisches Versagen :Atemwegsobstruktion, Lungenerkrankung, SIDS
Andere Ursachen :
Tumor, Krampfanfälle (nicht konvulsiver Status epilepticus, postiktal).
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Diagnostik
Eine einfache Beurteilung der Komatiefe ist anhand der motorischen Reaktion auf
Schmerzreize möglich:
 Grad 1: auf Schmerzreize gezielte Abwehrbewegungen
 Grad 2: auf Schmerzreize ungezielte Abwehrbewegungen
 Grad 3: keine Abwehrbewegungen, aber stereotype durch
Schmerzreize ausgelöste Automatismen
( Beuge - oder Strecksynergismen )
 Grad 4: fehlende motorische Reaktion auf Schmerzreize
Abb1: Beuge u. Strecksynergismen
Die Glasgow - Koma - Scale dient einer genaueren Beurteilung des Ausmaßes der
Bewusstseinsstörung sowie insbesondere der Verlaufskontrolle. Bei komatösen Patienten ist die
Summe der Beurteilungspunkte 7 oder weniger, 50% aller Patienten mit 8 Punkten sind ebenfalls
komatös. Patienten mit 9 oder mehr Punkten sind nicht komatös. Für Kinder unter 2 Jahren gelangt
ein modifiziertes Schema zur Anwendung. Bei einer Gesamtpunkteanzahl von 7 oder weniger ist eine
Intubation erforderlich.
Glasgow - Coma - Scale
Punktwert
Kind über 24 Monate
Kind unter 24 Monate
Augen öffnen
4
3
2
1
spontan
auf Anruf
auf Schmerzreiz
nicht
spontan
auf Anruf
auf Schmerzreiz
nicht
beste verbale Antwort
5
4
3
2
1
orientiert, spricht verständlich
verwirrt, spricht unverständlich
inadäquate Antwort, Wortsalat
unverständlich, nur Laute
nicht vorhanden
erkennt, lacht, fixiert, verfolgt
erkennt und fixiert nicht sicher
nur zeitweise weckbar
motorisch unruhig, weckbar
nicht vorhanden
beste motorische Antwort ( auf Aufforderung / Schmerzreiz )
6
5
4
3
2
1
befolgt Aufforderungen
gezielte Abwehr auf Schmerz
ungezielte Beugebewegungen
Beugen der Arme
Beugen der Arme, Strecken der Beine
nicht vorhanden
greift gezielt
gezielte Abwehr auf Schmerz
ungezielte Beugebewegungen
Beugen der Arme
Beugen der Arme, Strecken der Beine
nicht vorhanden
Die Punktewerte aus den einzelnen Gruppen werden addiert. Maximalwert = 15 = gesunder Patient,
Minimalwert = 3 = tief komatöser Patient.
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Vor jeder neurologischen Untersuchung muß die Möglichkeit einer HWS-Verletzung überlegt werden
Bei der genauen neurologischen Untersuchung erfolgt eine Begutachtung der Pupillen (Weite,
Lichtreaktion, Symmetrie), der Bulbusstellung (z. B.: einseitige Bulbusdeviation), der Optomotorik
(oculcephaler Reflex), der Motorik (Paresen ?), der Reflexe (PSR, BSR, Babinski, Cornealreflex), der
Atmung (Typ, Tiefe, Frequenz), der Reaktion auf Schmerzreize und Überprüfung auf Meningismus.
Differentialdiagnose primär cerebrale – metabolische bzw. toxische Genese einer
Bewusstseinsstörung:
Eine im ZNS lokalisierte Ursache der Bewusstseinsstörung zeigt eine konstante Seitendifferenz, einen
erhöhten Muskeltonus und verstärkte Reflexe.
Ein Koma metabolischer oder toxischer Genese zeigt keine konstanten Herdzeichen, in der Regel
gleichweite und auf Licht reagierende Pupillen, der Muskeltonus und die Reflexe sind herabgesetzt.
Inkonstante Herdzeichen können auch beim metabolischen oder toxischen Koma bestehen. An eine
mögliche pharmakologische Beeinflussung der Pupillenweite und Lichtreaktion muß gedacht werden
(z. B.: Opioide, Atropin).
In der Anamnese sind noch folgende Fragen zu klären




Verlauf einer vor dem Auftreten des Komas bestehenden Krankheit bzw. eines Unfalles
bestehen chron. Krankheiten, insbesondere Anfälle ?
ist ein Medikamentenabusus bekannt ?
Beschaffenheit des sozialen Umfeldes, liegt möglicherweise eine Kindesmisshandlung vor ?
Primärversorgung des bewusstseinsgestörten Kindes:
Leitsatz: Es gibt kein neurologisches Problem, das vor der Stabilisierung der Vitalfunktionen
Vorrang hätte !
In der ersten Behandlungsphase müssen die lebenswichtigen Funktionen stabilisiert weden, um
sekundäre Folgeschäden zu verhindern. Das heißt
 Großzügige Indikation zur Intubation und Beatmung bei beeinträchtigter Spontanatmung. Bei
ausreichender Spontanatmung muß das Kind in eine stabile Seitenlage gebracht werden.
 Kreislaufstabilisierung und Aufrechterhaltung eines adäquaten Blutdrucks durch Volumenzufuhr
z.B. Ringerlaktat.
 Sofortige Blutzuckermessung.
 Bei Hypoglykämie 20 % Glucose 2 ml / kg KG i.v.
 Bei Opiat-bzw. Benzodiazepinintoxikation Verabreichung der entsprechenden Antagonisten
( Narcanti® 0,01 mg/kg iv , Anexate® 0,01 mg/kg iv). Wiederholungsgaben sind bei beiden
Medikamenten möglich ).
 Antikonvulsive Therapie bei Status epilepticus.
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Zerebrale Krampfanfälle im Kindesalter
Krampfanfälle sind ein häufiger pädiatrischer Notfall. Etwa 5 % aller Kinder und Jugendlichen haben in
den ersten 16 Lebensjahren zumindest einen Anfall.
Zumeist handelt es sich um Gelegenheitskrämpfe (z.B.: Fieberkrampf, bei Hypoxie, Meningitis,
Intoxikation, Trauma, Hypoglykämie, Elektrolytstörungen). Diese treten meist als große generalisierte
tonisch-klonische Anfälle von kurzer Dauer auf.
Im Gegensatz zum Gelegenheitskrampf steht die Epilepsie, die durch chronisch-rezidivierende
cerebrale Anfälle gekennzeichnet ist und an der 0.5-1% aller Menschen leiden.
Unter einem Status epilepticus versteht man einen länger als 30 min dauernden Anfall bzw.eine Serie
von Anfällen, während der der Patient das Bewußtsein nicht wiedererlangt.
Therapie der Krampfanfälle
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


Sicherung der Atemwege, Sauerstoffzufuhr
Kreislaufstabilisierung
Vermeidung von Verletzungen (z. B.: entsprechende Lagerung, Kleider lockern etc.)
Blutzucker bestimmen, bei Hypoglykämie 2 ml/kg Körpergewicht 20% Glucose iv.
Antikonvulsive Therapie:
A) Bei Nichtvorhandensein eines venösen Zuganges:
1) Diazepam (Stesolid®) rectal:
Körpergewicht unter 15 kg: 5 mg Stesolid®, Körpergewicht über 15 kg: 10 mg Stesolid®
oder
2) Midazolam (Dormicum®) intranasal:
0,2 mg/kg KG
Eine Wiederholungsgabe in der gleichen Dosierung ist bei beiden Medikamenten möglich.
B) Nach Legen bzw. bei Vorhandensein eines venösen Zuganges:
1) Benzodiazepine: Diazepam (Valium®) 0,3 mg/kg KG iv (max Einzeldosis 10 mg) oder
Clonazepam (Rivotril®) 0,03 mg/kg KG iv oder
Midazolam (Dormicum®) 0,1 mg/kg KG iv (max ED 5 mg)
Eine Wiederholungsgabe in der gleichen Dosierung ist bei allen drei
Medikamenten möglich.
Bei Fortbestehen des Anfalles:
2) Phenobarbital (Luminal®) 10 mg/kg KG als ED bis max. 40 mg/kg KG Gesamtdosis.
Nachdosierung alle 10 min.
Bei Fortbestehen des Anfalles:
3) Phenytoin (Epanutin®) 10-15 mg/kg KG iv (in 10 min), Wirkung erst nach 15-20 min.
Nur mit physiologischer NaCl mischen, eigener Zugang.
Nebenwirkungen vor allem bei zu rascher Injektion: Hypotonie, AV-Blockierung,
Kammerflimmern, Asystolie.
Bei Fortbestehen des Anfalles:
4) Thiopentalnarkose: Initialdosis 5-10 mg/kg KG
Erhaltungsdosis 1-3 mg/kg/Stunde.
Bei einer Thiopentalnarkose ist eine Intubation und Beatmung obligatorisch.
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Grundsätzlich muss mit zunehmender Medikamentendosis sowie bei Kombinationstherapie mit einer
Ateminsuffizienz sowie Blutdruckabfall gerechnet werden und somit eine Intubation, Beatmung und
entsprechende Kreislauftherapie möglich sein.
Bei tonischen Krämpfen sind Benzodiazepine kontraindiziert, daher Therapiebeginn mit Phenobarbital
oder Phenytoin.
Fieberkrämpfe:
Bei Säuglingen und Kleinkindern mit Fieberkrampf wird Diazepam rektal oder Midazolam intranasal
verabreicht. Wenn das Kind bei Eintreffen des Notarztes nach einem Fieberkrampf einen
Dämmerzustand zeigt und nicht mehr krampfbereit ist, muß kein Antiepileptikum verabreicht werden.
Es wird dann eine Fiebersenkung angestrebt [Paracetamol (Mexalen®) rektal, Abdecken,
Wadenwickel]. Sollte das Kind noch krampfbereit sein wird Diazepam oder Midazolam gegeben. In
weiterer Folge bei Fortbestehen des Anfalles Vorgehen wie oben beschrieben.
Krampfanfälle in der Neugeborenenperiode:
Häufigste Ursachen:
Asphyxie, Hirnblutungen, Infektionen (Meningitis), metabolische Störungen (Hypoglykämie,
Hypokalzämie, Hypo,-Hypernaträmie, angeborene Stoffwechseldefekte), Drogenentzug.
Therapie:
 bei respiratorischer Insuffizienz Sauerstoffzufuhr, evtl. Intubation und Beatmung.
 Blutzucker bestimmen, bei Hypoglykämie ( Bz < 40 mg%) 2 ml/kg Glucose 20% iv., dann
5 ml Glucose 10% /kg/Stunde als Dauerinfusion.
Medikamentöse Therapie:
 Phenobarbital 15-20 mg/kg KG über 5 -10 min iv.
bei Fortbestehen des Anfalles:
 nochmals Phenobarbital bis zu 10 mg/kg langsam iv (Nebenwirkung: Atemdepression)
bei Fortbestehen des Anfalles:
 Phenytoin 20 mg/kg in 30 min iv.
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