Pathobiologie/Pathobiochemie Teil 1 Lektion 1 20.09.10 Einführung und Grundlagen Lektion 2 27.09.10 Gedächtnisstörungen Pathobiologie der Sucht Lektion 3 4.10.10 Lektion 4 11.10.10 Pathobiologie der Sinnesorgane Augenkrankheiten Lektion 5 18.10.10 Herz-Kreislaufkrankheiten Lektion 6 25.10.10 Pathobiologie des Schmerzes Lektion 7 1.11.10 Neurodegenerative Erkrankungen und andere Erkrankungen des Nervensystems (Selbststudium) Hautkrankheiten 1 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 1 Stoff aus dem Lehrbuch zu Lektion 5 G. Thews, E. Mutschler, P. Vaupel Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen (6. Auflage) Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2007. Grundlagen aus der Anatomie/Physiologie: Kapitel 8 und 9: Seiten 191-221 und 239-277 Pathophysiologie des Herzens: Kapitel 8: Seiten 221-237 Pathophysiologie des Gefässsystems: Kapitel 9: Seiten 277-294 2 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 2 Rekapitulation Bedeutung eines intakten Blutgefässbaums - Metabolismus: Ernährung, Entsorgung - Entzündung/Immunreaktion: Leukozytenrekrutierung - Hämostase: Thrombose - Hämorrhagie 3 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 3 * Pathophysiologie des Gefässsystems • Kongenitale Anomalien Arteriovenöse Fisteln (Kurzsschlussverbindungen zwischen arteriellen und venösen Gefässen) • Gefässverletzungen Hämostase, Reparaturprozesse, Intima-Verdickung • Thrombosen Bildung von Thromben; Embolien • Arteriosklerose Bildung und Stadien arteriosklerotischer Plaques Behandlungsmöglichkeiten • Hypertonie Essentielle Hypertonie Sekundäre Hypertonie (renal, endokrin, kardiovask., neurol.) • Entzündungen, Vaskulitis Arteriitis temporalis (giant cell arteritis), KawasakiKrankheit, Wegener Granulomatose u.a.m. • Aneurysmen Aneurysma der abdominalen Aorta • Varizen Krampfadern • Tumoren des Gefässsystems Benigne Tumoren: Hämangiome, Lymphangiom Niedrig-maligne Tumoren: Kaposi-Sarkom Maligne Tumoren: Angiosarkom 4 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 4 Rekapitulation Blutgefässe Robbins Funktionsspezifische Spezialisierung der Ausgestaltung des vaskulären Systems. Obwohl sich die Grundstruktur aller Gefässe gleicht, unterscheiden sich die verschiedenen Gefässe in der Schichtdicken und der zellulären Zusammensetzung, je nach Funktion. 5 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 5 Rekapitulation Wandaufbau der Blutgefässe Aufbau und Zusammensetzung der Gefässwand variieren in den verschiedenen Abschnitten des Gefässsystems. Das Endothel ist eine überall einschichtige “Zelltapete”, wogegen die Dicke der glatten Muskulatur und der Gehalt an Faserstrukturen sehr unterschiedlich ist. Der Tonus der Gefässmuskulatur kann durch Signalübertragung an myoendothelialen Kontaktstellen (Gap junctions) und durch Substanzen beeinflusst werden, die von Endothelzellen gebildet werden. Tunica interna (Intima): Endothel, Basalmembran Tunica media (Media): glatte Muskulatur Tunica externa (Adventitia): externe elastische Lamina und Bindegewebe Wandaufbau der Gefässe. A: Arterie vom elastischen Typ. B: Arterie vom muskulären Typ. C: Vene. D: Kapillare Endothel: regulierbare Barriere, selektive Permeabilität, beteiligt an der Angiogenese und Wundheilung Glatte Gefässmuskulatur: “Motor” der Gefässwand, aktive Spannunsgentwicklung (Tonus), spontane Kontraktionsrhythmik (Vasomotion) Innervation der Gefässe: Vasomotoren (sympath. Nerv.), noradrenerge (α1- und α2Rezeptoren) und adrenerge (β-Rezeptoren) Stimulation, peptiderge Modulation Nicht-zelluläre Bestandteile: Basalmembran, elastische und kollagene Fasern, Grundsubstanz 6 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 6 Rekapitulation Kontraktion der Blutgefässe Klinke/Silbernagl 7 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 7 Rekapitulation Typen des Kapillarendothels Klinke/Silbernagl / Robbins Wand einer kleinen Arterie im Myokard Das Endothel (E) ist von der glatten Muskulatur durch eine dünne Membran (ET; internal elastic lamina) getrennt. H: perivaskulärer Fibroblast L: Gefässlumen N: Zellkern SM: glatte Muskelzelle 8 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 8 (*) Gefässverletzung Robbins Auf Verletzung reagieren die Gefässe mit der Bildung einer Neointima, und zwar mittels (1) Migration von glatten Muskelzellen von der Media zur Intima, (2) Proliferation von Intimazellen und (3) Synthese von extrazellulärer Matrix. Die wandernden Zellen verlieren ihre Kontraktionsfähigkeit, aber sie gewinnen Proliferationsfähigkeit. Überschiessende Proliferation führt zur Verdickung der Intima. Kleine Lücken im Endothel werden durch Nachbar-Endothelzellen geschlossen; bei grossen Lücken sind die Reparaturmechanismen komplexer. Funktionen und Rolle der Endothelzellen Endothelzellaktivierung 9 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 9 (*) Blutungen (Hämorrhagien) Robbins Hämorrhagien können extern oder in einem Gewebe ablaufen: Akkumulation von Blut in einem Gewebe wird als Hämatom bezeichnet. • Kleine Hämorrhagien (1-2 mm) in der Haut oder Schleimhaut werden als Petechien bezeichnet und kommen durch lokal erhöhten intravaskulären Druck, niederen Blutplättchengehalt oder defekte Plättchenfunktion zustande. • Etwas grössere Hämorrhagien (≥3 mm) werden als Purpura bezeichent und können dieselben Ursachen wie Petechien haben oder durch Traumen, Vaskulitis oder andere Gefässstörugen (z.B. Amyloidose) ausgelöst werden. • Grössere (>1 bis 2 cm) subkutane Hämatome werden als Ecchymosen bezeichnet und sind charakteristisch für Traumen. Die Erythrozyten in diesen Hämatomen werden durch Makrophagen phagozytiert. Das Hämoglobin wird enzymatisch in Bilirubin abgebaut (blau-grüne Farbe) und schliesslich in Hämosiderin (gold-braune Farbe), was die Farbveränderung eines Hämatoms erklärt. • Grosse Hämatome in Körperhöhlen tragen verschiedene Namen (Hämothorax, Hämoperitoneum etc.). A: Petechien in der Schleimhaut des Darm-Kolons (die Hämorrhagie trat infolge Thrombozytopenie ein). B: Fatale intrazerebrale Blutung 10 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 10 * Ablauf einer Hämostase Robbins Primäre Hämostase: Stillstand kleinerer Blutungen durch Vasokonstriktion und Abdichtung des Gefässdefektes durch Thrombozyten. Sekundäre Hämostase: charakterisiert durch Ausbildung eines Fibringerinnsels über das exogene und endogene Gerinnungssystem. A: Nach einer Verletzung kommt es durch lokale neurohumorale Faktoren zu einer Vasokonstriktion. B: Thrombozyten adhärieren an extrazelluläre Matrix (ECM) via von Willebrandfaktor (vWF) und werden aktiviert (shape change). C: Lokale Aktivierung der Koagulationskaskade, Fibrinpolymerisierung und Fixierung der Blutplättchen in den hämostat. Pfropf. 11 18/10/10 D: Gegenregulation mit Ausschüttung von Plasminogenaktivator (t-PA) und Thrombomodulin (Limitierung des hämostat. Prozesses). Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 11 Rolle des Endothels Robbins Schematische Darstellung der Pro- und Anti-Koagulationseffekte der Endothelzellen (nicht eingezeichnet die pro- und antifibrinolytischen Aktivitäten). vWF: von Willebrand-Faktor; PGI2: Prostacyclin; NO: Stickstoffmonoxyd; t-PA: Gewebe-(tissue) Plasminogen-Aktivator; Thrombinrezeptor = Protease-aktivierter Rezeptor (PAR). 12 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 12 Adhäsion und Aktivierung von Thrombozyten Links oben: (1) Adhäsion der Blutplättchen an subendotheliale Strukturen (der von Willebrandfaktor (vWF) bildet die Adhäsionsbrücke zwischen subendothelialem Kollagen und dem GpIbPlättchenrezeptorkomplex). (2) Reversible Plättchenaggregation über Fibrinbrücken, in welche der GpIIb-IIIa-Komplex involviert ist. (3) Ausbildung eins irreversiblen Thrombozytenpfropfs und (4) Aktivierung von Gerinnungsfaktoren nach Kontakt mit Phospholipidmatrix der Zellmembran. Rechts unten: Siehe oberen Text; zusätzliche Angabe von verschiedenen Defekten, die zu Krankheiten führen. 13 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 13 Koagulationskaskade Robbins Schematische Darstellung der Konversion von Faktor X zum Faktor Xa, der Faktor II (Prothrombin) zum Faktor Iia (Thrombin) konvertiert. Der erste Komplex, der sich auf der Plättchenoberfläche bildet, besteht aus einem Enzym (Faktor IXa), einem Substrat (Faktor X), einem Reaktionsbeschleuniger (Faktor VIIIa) und Ca2+-Ionen. Aktivierter Faktor Xa ist selbst das Enzym im zweiten Komplex, in welchem Thrombin gebildet wird. Zentrale Rolle des Thrombins in der Hämostase Thrombin spaltet Fibrinogen zum Fibrin und aktiviert Faktor XIII, was die Ausbildung eines Fibringerüsts ermöglicht. Thrombin induziert die Plättchenaggregation und -Sekretion (z.B. von TxA2) aber auch direkt. Ferner aktiviert Thrombin das Endothel, sodass Leukozyten-Adhäsionsmoleküle und verschiedene fibrinolytische (t-PA) und vasoaktive Moleküle (NO, PGI2) oder Zytokine (PDGF) gebildet werden. Ebenso aktiviert Thrombin monozytäre Immunzellen. 14 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 14 Fibrinolyse Robbins Defekte im Fibrinolyse-System können zu Thromboseneigung führen 15 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 15 * Thrombosen, Embolien Robbins Embolus = Blutpfropf, der an einen distalen Ort geschwemmt wird. Embolie = Verlegung eines Gefässlumens durch einen Embolus. Grosser Embolus in einer tiefen Beinvene Mögliche Folgen einer venösen Thrombose 16 18/10/10 Thrombose in Arterie (A: H&E-Färbung; B: Färbung für elastisches Gewebe) Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 16 * Infarkt Robbins Infarkt = Gewebebereich mit ischämischer Nekrose, verursacht durch fehlende (verlegte) arterielle Blut-(Sauerstoff)-Versorgung oder verlegten venösen Abfluss. A: Hämorrhagischer Infarkt in der Lunge (aufgrund einer venösen Okklusion) B: Scharf begrenzter weisser Infarkt in der Milz (aufgrund einer arteriellen Okklusion) Vernarbter Cortex der Niere: Folge eines früheren Infarkts. 17 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 17 * Arteriosklerose Robbins Klinischer Verlauf der Arteriosklerose-Entwicklung Plaques entwickeln sich meist langsam und schleichend über viele Jahre, beginnend bereits im Jugendalter. Von sog. Fatty Streaks über fibröse Plaques können sich schliesslich komplexe Plaques ausbilden, die klinische Konsequenzen nach sich ziehen. 18 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 18 (*) Arteriosklerose Robbins Arteriosklerotische Plaque Besteht aus proliferierenden glatten Muskelzellen, Makrophagen, Lymphozyten, Schaumzellen und extrazellulärer Matrix. Das nekrotische Zentrum besteht aus totem Zellmaterial, extrazellulären Lipiden mit Cholesterinkristallen und Schaumzellen. Stufen der arteriosklerotischen Plaques 19 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 19 * 20 18/10/10 Arteriosklerose Endotheliale Dysfunktion Fatty Streaks arteriosklerotische Plaque Plaqueruptur from: R. Ross, Atherosclerosis - an inflammatory disease. 1999. New Engl J Med 340:115 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 20 * Zelluläre Beteiligungen in der Arteriosklerose Robbins 21 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 21 (*) Vulnerable Plaque Robbins Plaque-Ruptur A: Plaque-Ruptur ohne Thrombus-Beteiligung (eines Patienten, der plötzlich starb). B: Akute koronare Thrombose aufgrund einer Plaque-Ruptur. Es kam dabei zu einem fatalen Myocardinfarkt. Vergleich zwischen vulnerabler und stabiler Plaque. Stabile Plaques haben kollagenöse, verdickte fibröse Caps mit geringem Entzündungszustand und kleinerem Lipidanteil. Vulnerable Plaques sind ruptur-gefährdet, weil sie dünne fibröse Caps und grosse Lipidvolumina besitzen und gleichzeitig einen höheren Entzündungszustand aufweisen. 22 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 22 * Klinische Manifestationen der Arteriosklerose Klinische Komplikationen der Arteriosklerose Fatty Streak A: Aorta mit Fatty Streak C: Fatty Streak mit Schaumzellen Arteriosklerotische Plaque A: milde Form B: fortgeschrittene Form 23 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 23 * Klinische Manifestationen der Arteriosklerose Organmanifestationen der Arteriosklerose betroffenes Organ Herz ZNS akuter, irreversibler Verschluss mit Parenchymnekrose Myokardinfarkt akuter, reversibler Verschluss ohne Parenchymnekrose Angina pectoris zerebrovaskulärer Insult transient ischämische Pseudobulbärparalyse vaskul. Demenz Attacke Extremitäten PAVK IV chronischprogredienter Verschluss Herzinsuffizienz - Claudicatio intermittens Nieren Niereninfarkt “prärenale Niereninsuffizienz” Retina ZentralarterienThrombose Amaurosis fugax chronische Niereninsuffizienz art. Hypertonie - Darm Mesenterialinfarkt (ischämische Colitis) Angina abdominalis Histologie einer arteriosklerotischen Plaque einer Koronararterie. A: Übersicht, mit fibrösem Deckel (F) und einem zentralen Lipidteil (C). Das Lumen (L) ist mässig reduziert. Der Pfeil zeigt den plaque-freien Teil der Arterienwand. Kollagen ist hier blau angefärbt. B: Höhere Vergrösserung des Plaque-Teils. C: Noch höhere Vergrösserung des Übergangs vom Deckel zum Lipidteil zeigt verstreute Entzündungszellen. 24 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 24 (*) Arteriosklerose: Risikofaktoren Gegebene Risikofaktoren Wichtige Faktoren Zusätzliche Faktoren • Zunehmendes Alter • Adipositas • Männliches Geschlecht • Physische Inaktivität • Familiäre Vorbelastung • Stress • Genetische Defekte • Postmenopausale Östrogentherapie Kontrollierbare Risikofaktoren Wichtige Faktoren Zusätzliche Faktoren • Hyperlipidämie • Alkohol • Hypertonie • Lipoprotein Lp(a) • Zigaretten rauchen • Einnahme von viel gesättigten Fettsäuren • Diabetes • Chlamydia-Pneumonie 25 18/10/10 Geschätztes Risiko, bei Kumulation verschiedener Risikofaktoren innerhalb von 10 Jahren eine Koronarerkrankung zu entwickeln Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 25 Arteriosklerose: Medikamentöse Therapie Zusammenstellung: B. Biedermann, Bruderholzspital BL A. Alle Patienten Primärprävention • Antihypertensiva - Diuretika - β-Blocker • Nikotinstop Sekundärprävention • Aspirin • Statine • ACE -Hemmer (HOPE) • Nikotinstop B. Diabetiker Primärprävention • Fibrate • Antihypertensiva • Aspirin • Glucosekontrolle • Nikotinstop Sekundärprävention • Statine/Fibrate • Antihypertensiva • Aspirin • Nikotinstop 26 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 26 Arteriosklerose: Behandlungspflichten Zusammenstellung: B. Biedermann, Bruderholzspital BL Patient akute oder chronische Arteriosklerose - Diabetes mellitus + Aspirin BD-Kontrolle + Aspirin (akute KHK: Statine, β-Blocker) Cholesterin↓ Arterielle Hypertonie - + (Glucosekontrolle) Diuretika β-Blocker - Diabetes mellitus + BD-Kontrolle Cholesterin↓ 27 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 27 * Blutdruck: Grundlagen Fölsch / Kap 9 Der Blutdruck (BD) ist das Produkt von Herzzeitvolumen (HZV) und peripherem Widerstand (R). BD (mm Hg) = HZV (l/min) x R (dyn x cm-5/s) Systolischer Blutdruck (SBD) wird durch den vom linken Ventrikel geleisteten maximalen Auswurfdruck bestimmt. Diastolischer Blutdruck (DBD) ist die Resultante der Elastizität der Aorta und der grossen Arterien. Diese dehnen sich in der Systole aus und geben den Druck in der Diastole wieder ab, sodass ein kontinuierlicher Blutfluss gewährleistet ist. Akute Regulation des BD (Sekunden) - Barorezeptoren: Dehnungsrezeptoren in den Wänden der A. carotis und des Arterienbogens werden ab 80 mm bis 180 mm zunehmend aktiviert: Inhibition der sympatischen Nervenaktivität ( Vasodilatation, Reduktion der Herzfrequenz) und Stimulation der vagalen Efferenzen ( Verstärkung der Bradykardie). Folge: Abfall des erhöhten BD. - Chemorezeptoren registrieren hohe CO2-/Laktat-Spiegel und lösen eine sehr starke Sympatikusstimulation aus (maximale Vasokonstriktion zur Gewährleistung der Hirndurchblutung). Hormonelle Regulation des BD - Catecholamin-System (sympatisch vermittelt) (Minuten/Stunden) - Renin-Angiotensin-System - Vasopressin-System - Endothelin/NO-System 28 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 28 * Blutdruckregulation Robbins In der Regulation des Blutdrucks spielen der kardiale Ausstoss (Herzzeitvolumen) und der periphere Gefässwiderstand eine wichtige Rolle. 29 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 29 * Blutdruckregulation Robbins Zusammenspiel des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems und des natriuretischen Peptids (ANP) bei der hormonalen Blutdruckregulation. 30 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 30 (*) Hormonale Blutvolumenregulation Robbins Wirkung auf den Blutdruck von Störungen im Renin-Angiotensin-System Rot: Genetische Störungen, die zu Enzymdefekten führen. Blaugrün: Erworbene Störungen ENaC: Epithelialer Natriumkanal 31 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 31 Blutdruckmessung Klinke/Silbernagl 32 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 32 (*) Blutdrucknormalwerte Fölsch / Abb 9.1 Altersabhängige Blutdrucknormalwerte für Männer und Frauen 33 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 33 (*) Blutdruck und Lebenserwartung Fölsch / Abb 9.4/9.5 Abhängigkeit der Letalität von der systolischen und diastolischen Blutdruckhöhe. Lebenserwartung 35- und 55-jähriger Männer in Abhängigkeit von ihrem Blutdruck (die Erhebung dieser Zahlen liegt einige Jahre zurück, doch die relativen Werte treffen nach wie vor zu). 34 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 34 Multifaktorielle hormonale Regulation 35 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 35 (*) Definition und Formen der Hypertonie Hypertonie = chronische Erhöhung des diastolischen (und meist auch des systolischen) Blutdrucks auf >90 (>140) mm. Essentielle (primäre) Hypertonien Umfassen 90-95% aller Hypertonien; diverse ätiologische und pathogenetische Faktoren Sekundäre Hypertonien Nierenerkrankungen, endokrin aktive Tumoren, Medikamente 36 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 36 (*) Essentielle Hypertonie: Klassifikation & Ursachen Eine arterielle (essentielle, primäre) Hypertonie entsteht dann, wenn bestimmte Störungen das Verhältnis zwischen Blutvolumen und dem totalen peripheren Gefässwiderstand verändern. Die essentielle Hypertonie ist eine komplexe kardiovaskuläre Erkrankung, deren Ausprägung multifaktoriell ist, wobei genetische und Umweltfaktoren zusammenspielen. Das Vorliegen einer essentiell oder auch idiopathisch genannten Hypertonie kann nur durch Ausschluss einer sekundären Hypertonie angenommen werden. 37 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 37 Gefässpathologie bei Hypertonie Robbins Gefässpathologie bei Hypertonie A: Hyalin-Arteriosklerose. Die Wand der Arteriole ist hyalinisiert und das Gefässlumen ist markant reduziert. Die Hyalin-Arteriosklerose wird häufig bei älteren Patienten beobachtet, sowohl bei normotensiven als auch bei hypertensiven Personen. Es wird vermutet, dass diese Gefässe für gewisse Plasmakomponenten durchlässig geworden sind, weshalb die Gefässwand extrazelluläre Matrix zum Abdichten bildet. B: Hyperplastische Arteriosklerose mit völligem Verschwinden des Gefässlumens. Sekundär resultieren ischämische Veränderungen.Die hyperplastische Arteriosklerose wird bei stark erhöhtem Blutdruck beobachtet (diastolischer Druck > 110 mm Hg). 38 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 38 * Sekundäre Hypertonien Hypertonie als Folge einer erworbenen oder angeborenen klar zuzuordnenden Ursache (sekundäre Hypertonie) ist relativ selten (<10%). Im Kindesalter (>30%) und abnehmend bis zum 40. Lebensjahr sind sekundäre Ursachen jedoch häufiger. Formen der sekundären Hypertonie • Portale Hypertonie (Pfortaderhochdruck der Leber) aufgrund eines (1) prähepatischen, (2) intrahepatischen oder (3) posthepatischen Blocks. Folgen: Bildung von Kollateralkreisläufen und inneren Varizen (Ösophagusvarizen). • Renale Hypertonie (Nierenhochdruck) aufgrund von (1) renoparenchymatöse Erkrankungen (Glomerulonephritis) oder (2) vaskulären Erkrankungen (arteriosklerotische Stenosen). • Pulmonale Hypertonie (s. unten bei Herzkrankheiten). • Endokrine Hypertonieformen aufgrund von (1) Dysfunktionen der Nebennierenrinde (Cushing, primärer Aldosteronismus, kongenitale Nebennierenhyperplasie), (2) exogen zugeführte Steroidhormone), (3) Tumoren (z.B. Phäochromozytome), (4) Schilddrüsendysfunktionen, (5) Akromegalie. • Kardiovaskuläre Ursachen (s. vorherige Seiten). • Zentrale Ursachen aufgrund (1) erhöhtem Hirndruck, (2) Schlafapnoe, (3) akuter Stress (inkl. Operationen); (4) psychogene Ursachen. • Medikamentöse Cyclosporin A Hypertonie: Ovulationshemmer, Glyzyrrhetin-Säure, Erythropoietin, 39 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 39 (*) Renovaskuläre Hypertonie Robbins Mutationen in Ionentransportern der Niere, die zu einer sekundären (nephrogenen) Hypertonie führen. 40 18/10/10 CCT: kortikaler Tubulus; DCT: distaler Tubulus (Konvolut); TAL: distaler Tubulus (dicker aufsteigender Ast der HenleSchlaufe); AI: Angiotensin I; AII: Angiotensin II; ACE: Angiotensin Converting Enzyme; MR: Mineralocorticoid-Rezeptor; GRA: Glucocorticoid-remediable Aldosteronismus; PHA1: Pseudohypoaldosteronismus Typ-1; AME: Apparent Mineralocorticoid Excess; 11β-HSD2: 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase; DOC: Deoxycorticosteron. Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 40 (*) Vaskulitis Robbins Vaskulitis ist eine Entzündung der Gefässwand, die verschiedene Krankheitsformen auslöst. Eine davon ist die Arteriitis temporalis (s. unten). Schematische Darstellung mit den bevorzugten Gefässarten der verschiedenen Vaskulitis-Formen Arteriitis temporalis (giant cell arteritis) 41 A: Giant cells an der degenerierten elastischen Membran; diese Degeneration ist auch sichtbar in der spezifischen Färbung für elastisches Gewebe (B), das auch die Verdickung der Intima (IT) darstellt. Klinisch tritt die Krankheit ab 50 Jahren auf, mit Symptomen wie Gesichts- und Kopfschmerzen, in schweren Fällen Visus-Beeinträchtigung. 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 41 (*) Varizen Robbins Krampfadern (Varizen) sind erweiterte, oberflächlich verlaufende Venen. Von der Varikosis sind fast 50% der Frauen und 25% der Männer betroffen; an Ulcus cruris (offenes Bein; meist nach erlittenen Thrombosen) leiden 1-2%. In den Beinen wird zwischen dem oberflächlichen und dem tiefliegenden Venensystem unterschieden, die über die Verbundvenen (Perforansvenen) miteinander verbunden sind. Der Blutrückfluss wird mittels Venenklappen, Muskelpumpe und Arterienpulswelle aufrecht erhalten. Varizenbildung siehe unten. Primäre Risikofaktoren: Erbliche Veranlagung (90%), Geschlecht, hormonelle Einflüsse (Östrogene, Schwangerschaft). Sekundäre Risikofaktoren: Alter, Übergewicht, langes Stehen und Sitzen, Bewegungsmangel, ungünstige Kleidung. Therapiemöglichkeiten: (1) Allgemeinmassnahmen, (2) Physikalische Therapie, Kompressionsbehandlung, (3) Medikamentöse Behandlung, (4) Verödung, (5) Varizenchirurgie. Varizen bilden sich aufgrund von Venenerweiterungen (z.B. infolge Bindgewebsschwäche) oder Venenklappeninsuffizienz (primäre Varikose) oder aufgrund von anderen Venenerkrankungen (z.B. tief liegende Thrombosen) (sekundäre Varikose). Varizen können sich in verschiedenen Ausprägungen manifestieren: Stammvenenvarikosis, Seitenastvarikosis, retikuläre (netzförmige) Varikosis, Besenreiser (Mikrovarizen in der Haut), Perforansvarikosis (mit undichter Venenklappe); von links nach rechts. Stadium 1: geringfügige Varikose; Stadium 2: Varizen, leichte Beschwerden; Stadium 3: deutliche Varikose mit Komplikationen in der Haut; Stadium 4: ausgedehnte Varikose, Ulcus cruris. Zu den Komplikationen gehören Venenentzündungen, Risse/Blutungen, Hautveränderungen. 42 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 42 (*) Aneurysmen Robbins Aneurysma Ausweitung eins arteriellen Blutgefässes infolge angeborener oder erworbener Gefässwandveränderung. Morphologisch unterschiedliche Formen: sackförmig, spindelförmig, kahnförmig oder geschlängelt. Pathologisch-anatomisch ebenfalls verschiedene Formen. Gefahr der Ruptur. Ursachen: Angeborene Fehlbildung v.a. im Bereich der Hirnbasisarterien (intrakranielles Aneurysma), Arteriosklerose (Aneurysma der Aorta abdominalis), Medianekrose, Vaskulitis u.a.m. Aneurysma der Aorta abdominalis mit Rissbildung A: Sicht von aussen; der Pfeil weist auf den Aortenriss. B: Blick ins Gefässinnere; der Riss ist im oberen Bereich sichtbar. Siehe auch die dünne Gefässwand im Aneurysmabereich. 43 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 43 Hämangiom Robbins Das Hämangiom ist ein (besonders in der Jugend) häufig auftretender benigner Tumor mit einer erhöhten Zahl von normalen und abnormen Blutgefässen. Meist kommt es in der Pubertät zu einer Regression des Tumors. A: Hämangiom der Zunge. B: Pyogenes Granulom der Lippe. C: Juveniles kapilläres Hämangiom (1:200 Neugeborene ist betroffen). D: Kavernöses Hämangiom (Blutschwamm). Dieses kann auch grössere Hautbereich erfassen. 44 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 44 (*) Kaposi-Sarkom Robbins Kaposi-Sarkom ausgelöst durch das Tumorvirus KSHV (Kaposi-Sarkomassoziiertes Herpes Virus) A: Rote Plaques auf der Haut. B: Die Histologie zeigt proliferierende spindelförmige Zellen mit vaskulären Zwischenräumen. Schematische Darstellung des progressiven Verlaufs des Kaposi-Sarkoms 45 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 45 (*) Maligne Tumoren Robbins Angiosarkom A: Übersicht eines Angiosarkoms des rechten Herzventrikels. B: Mikroskopische Aufnahme des Angiosarkoms, das dichte Klumpen von anaplastischen Zellen irregulärer Form und vaskuläre Lumen zeigt. C: Antikörper-Färbung des exprimierten Endothelzellmarkers CD31, das den endothelialen Ursprung dieser Zellen nachweist. 46 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 46 Prinzipien der Herz-Dysfunktion • Störungen der Pumpleistung Ungenügende Kontraktion des Herzmuskels, ungenügende Kammerentleerung, ungenügende Muskelrelaxation • Flussbehinderung Klappendysfunktion, erhöhter ventrikulärer Kammerdruck (bei Stenosen der Herzklappen, systemische Hypertension, Aorten-Koaktation (Volumeneinengung)) • Rückfluss ungenügender Herzklappenverschluss macht zusätzliche Pumpleistung nötig • Rhythmusstörungen Arrhythmien, ventrikuläre Fibrillation, ineffiziente Kontraktion • Verletzungen des Herz-Gefässsystems Wunden, die zu Blutverlust aus den Gefässen führen 47 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 47 Rekapitulation Gliederung des Herzens Lippert 48 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 48 Herzkrankheiten • Herzrhythmusstörungen Sinustachykardien, Sinusbradykardien, Sinusarrhythmien Erregungsbildungsstörungen, Erregungsleitungsstörungen • Herzinsuffizienz Linksseitig: Ischämie, Hypertonie, Aorten- und Klappendefekte, nicht-ischämische Myokarderkrankungen Rechtsseitig: Folge der linksseitigen Insuffizienz oder einer pulmonalen Hypertonie • Hypertensive Herzenkrankheit Linksseitige/rechtsseitge Hypertension Linksventrikuläre/rechtsventrikuläre Hypertrophie • Ischämische (koronare) Herzkrankheiten Angina pectoris, Myokardinfarkt, chronische ischämische Herzkrankheit • Herzklappenfehler Mitral-, Trikuspidal-, Aorten- und Pulmonalklappenfehler • Kardiomyopathien Kongestive (dilatative) Kardiomyopathie (CCM od. DCM) Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) Restriktive (obliterative) Kardiomyopathie (RCM od. OCM) • Perikarderkrankungen Perikarditis • Angeborene Herzkrankheiten Klappenstenosen, Septumdefekte, Transposition, multiple Vitien • Tumoren des Herzens Myxome, Lipome, Papilläre Fibroelastome, Sarkome 49 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 49 Rekapitulation Erregungsbildung und Erregungsleitung Fölsch Schematische Darstellung des Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystems des Herzens Die Koordination der Herzmuskelzellen erfolgt mit Hilfe von elektrischen Signalen, die normalerweise rhythmisch autonom im Sinusknoten des Herzens entstehen (= physiologischer Schrittmacher). Von dort erreichen die Signale über das Erregungsleitungssystem die Ventrikel, um dann von Zelle zu Zelle weitergeleitet zu werden, bis das gesamte Ventrikelmyokard erregt ist. (rechter) (linker) Purkinje-Fasern AV-: Atrioventrikular-(Knoten) 50 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 50 * Erregungsbildung und -leitung Mutschler Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem des Herzens, mit den Aktionspotentialformen, die für die jeweiligen Fasern charakteristisch sind. 51 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 51 Rekapitulation Herzerregung Klinke/Silbernagl 52 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 52 * EKG-Verlauf (I) P Erregungsausbreitung in den Vorhöfen. PQ vollständige Vorhoferregung, Überleitung auf das His-Bündel. Q Erregungsausbreitung in der Kammerscheidewand. R Erregung erfasst grosse Teile der Ventrikel bis zur Herzspitze. S Erregungsausbreitung in den Ventrikelwänden in Richtung auf die Herzbasis. ST vollständige Ventrikelerregung. T Erregunsrückbildung in den Ventrikeln, beginnend an der Herzspitze. 53 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 53 * EKG-Verlauf (II) Mutschler Vereinfachte Darstellung des EKG-Verlaufs. Dunkelblau: Flächen kennzeichnen die erregten Myokardanteile. Die Potentialdifferenzen an der Erregungsfront werden nach Grösse und Richtung durch einen Integralvektor (Pfeil) dargestellt, dessen Projektion auf die Ableitungsrichtung (rechter Arm, linkes Bein) die EKG-Amplitude bestimmt. P Erregungsausbreitung in den Vorhöfen. PQ vollständige Vorhoferregung, Überleitung auf das His-Bündel. Q Erregungsausbreitung in der Kammerscheidewand. R Erregung erfasst grosse Teile der Ventrikel bis zur Herzspitze. S Erregungsausbreitung in den Ventrikelwänden in Richtung auf die Herzbasis. ST vollständige Ventrikelerregung. T Erregunsrückbildung in den Ventrikeln, beginnend an der Herzspitze. 54 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 54 Rekapitulation Herzzyklus Mutschler Aktionsphasen des Herzens: Blutströmungen (Stromzeitvolumina): Zeitliche Zuordnung wichtiger Funktionsparameter: In den Koronararterien und im Sinus coronarius sowie Druckverläufe im linken Ventrikel und in der Aorta während der Herzaktion. 1 Anspannungsphase 2 Austreibungsphase 3 Entspannunsgphase 4 Füllungsphase Die gelben Querbalken markieren die Verschlussdauer der betreffenden Klappen SV Schlagvolumen RV Restblutvolumen 55 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 55 * Störungen der Erregungsbildung & Erregungsleitung Störungen der Erregungsbildung abnorm herabgesetzte Automatie Störungen der Erregungsleitung abnorm gesteigerte Automatie Blockierungen getriggerte Aktivität kreisende Erregungen (Reentry) bradykarde Herzrhythmusstörungen tachykarde Herzrhythmusstörungen Bradykardie = verlangsamte Herzfrequenz Tachykardie = Beschleunigung der Herzfrequenz (< 60 / min) (> 100 / min) 56 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 56 Veränderte Automatie Abnorm gesteigerte Automatie Werden Zellmembranen der Arbeitsmyokardzellen durch Ischämie, Hypoxie, Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt, Elektrolytverschiebung etc. “undicht”, sind sie nicht mehr in der Lage, die Ionengradienten aufrecht zu erhalten. Ausserdem nimmt die “OffenWahrscheinlichkeit” eines am normalen Repolarisationsprozess beteiligten K+-Kanals ab. Das Zusammenspiel beider Mechanismen lässt das maximale diastolische Potenzial auf weniger negative Werte ansteigen. Wenn es den Schwellenwert von etwa -60 mV (Öffnung der schnellen Na+-Kanäle) erreicht, kommt es zu einem vorzeitigen Aktionspotenzial. Abnorm herabgesetzte Automatie Ischämie oder degenerative Erkrankungen können die Automatie nicht nur steigern, sondern unter bestimmten Umständen auch herabsetzen. Jedoch muss die Störung den Sinusknoten mitbetreffen, denn erst, wenn seine Führungsrolle ausfällt, können die Störungen der untergeordneten Schrittmacherzellen demaskiert werden. Die elektrophysiologischen Ursachen konnten bisher nicht befriedigend geklärt werden. Denkbar sind Mechanismen, welche die Ca2+-Einwärtsströme hemmen oder die K+-Auswärtsströme verstärken. 57 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 57 Getriggerte Aktivität Getriggerte Aktivität Fölsch / Abb 6.3 Auslöser für eine getriggerte Aktivität sind spontane Oszillationen der transmembranären Spannung des Membranpotenzials des vorausgehenden Aktionspotenzials, die als Nachdepolarisationen oder Nachpotenziale bezeichnet werden. Man unterscheidet eine frühe Form (EAP: early afterdepolarization; treten in der Phase 3 auf und unterbrechen den normalen Repolarisationsvorgang) und eine späte Form (LAP, late afterdepolarization; treten in der Phase 4 auf, wegen Ca2+-Überladung der Zelle). a: normales Aktionspotenzial b: EAP (early afterdepolarization) Kommt es in der Phase 3 zu einer Verminderung des K+-Ausstroms oder zu einem anhaltenden Na+- bzw. Ca2+-Einstrom, entstehen Oszillationen (frühe Nachdepolarisationen), die ein neues Aktionspotenzial triggern können. Ursachen: Hypoxie, Azidose, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie. c: LAP (late afterdepolarization) Kommt es während der Phase 4 zu einer intrazellulären Ca2+-Überladung der Zelle, wird ein ausgleichender Na+-Einstrom aktiviert, der nach abgeschlossener Repolarisation ein neues Aktionspotenzial initiieren kann. Ursachen: Hyperkalziämie, Hypokaliämie, Hyponatriämie, hohe Catecholaminkonzentration. 58 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 58 (*) Störungen der Erregungsleitung Normale Erregungsleitung Störungen der Erregungsleitung erfolgt über elektrische Ströme. Zwischen einer bereits depolarisierten Zelle und der benachbarten, nicht erregten Zelle entsteht eine Spannungsdifferenz und damit ein lokaler elektrischer Stromkreis, wodurch die ruhende Zelle bis zum Schwellenpotenzial depolarisiert und ein Aktionspotenzial ausgelöst wird. Die Myokardzellen sind durch gap junctions verbunden. Blockierungen kreisende Erregungen (Reentry) bradykarde Herzrhythmusstörungen tachykarde Herzrhythmusstörungen Überleitungsstörungen Reentry (kreisende Erregung) SA-Block Überleitung vom Sinusknoten zum Vorhofmyokard AV-Knoten-Reentry-Tachykardien, z.B. kreisende VA-Block Überleitung von den Vorhöfen auf die Kammern Erregung um ein anatomisches Hindernis oder Schenkelblock (innerhalb des His-Purkinje-Systems) um ein funktionelles Hindernis Ursachen: Störungen des autonomen Nervensystems Können in allen Herzstrukturen auftreten z.B. in den iatrogen: Digitalis, Betablocker, Ca2+-Antagonisten Vorhöfen als Vorhofflattern, im Ventrikelmyokard Ischämie, degenerative und postentzündliche Prozesse als Kammerflattern 59 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 59 Störungen der Erregungsleitung Fölsch / Abb 6.4 Schematische Darstellung einer “klassischen” kreisenden Erregung (Reentry) aufgrund unterschiedlicher Leitungseigenschaften (“dual pathway”) zweier benachbarten Myokardabschnitte (α und β). α ist ein langsam leitender Abschnitt mit kurzer Refraktärzeit und β ist ein schnell leitender Abschnitt mit längerer Refraktärzeit (a). Bei zeitlich normal eintreffenden Impulsen haben die Unterschiede keine Konsequenz (b). Im Falle einer verzögerten Erregung (Extrasystole; Pfeil) ist β noch refraktär, α jedoch bereits wieder erregbar (c). Die Erregungswelle wird antegrad ausschliesslich über α geleitet (d) und kann anschliessend retrograd in β eintreten (e) und so den Erregungskreis schliessen (f). Dieser kann wiederholt durchlaufen werden, solange die Erregungsfront erregbares Gewebe, die “erregbare Lücke”, findet. Da die Bahn β antegrad zunächst refraktär, retrograd aber wegen der zeitlichen Verzögerung wieder erregbar ist, spricht man von einem “unidirektionalen Block”. 60 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 60 (*) EKG bei Störungen d. Erregungsbildung & -leitung Extrasystolen: plötzliche Veränderung im Grundrhythmus des EKG Vorhofflattern: der EKG-Verlauf ist von kleinen Potentialschwankungen überlagert Vorhofflimmern: höherfrequentige Potentialschwankungen und unregelmässige Folge der Kammerteile (absolute Arrhythmie) Kammerflattern: totale EKG-Deformation; Synchronisation noch erkennbar Kammerflimmern: gänzlich unregelmässige Potentialschwankungen AV-Block: I. Grad: Verlängerung der PQ-Dauer II. Grad: vereinzelt Ausfälle des Kammerkomplexes III. Grad: P-Welle tritt im Sinusrhythmus und die Kammerkomplexe im langsameren Kammerrhythmus auf Normalzustand 61 18/10/10 Vorhofflimmern http://de.wikipedia.org/wiki/Vorhofflimmern Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 61 (*) Vorhofflimmern (Atrial Fibrillation) Vorhofflimmern • Häufig (>2 Mio. in den USA) und altersabhängig (5-10% der >65-Jährigen) • Signifikant erhöhtes Risiko für Herzschlag (4% pro Jahr) • Hohes Embolierisiko bei Kardioversion (Regularisierung des Herzrhythmus durch Medikamente oder Elektrotherapie) Ursachen • Hypertensive Herzkrankheit • Ischämische Herzkrankheit • Valvuläre Herzkrankheit (rheumatisch: Mitralstenose; nicht-rheumatisch: Aortenstenose, mitrale Regurgitation (Rückströmung)) • Perikarditis • Herztumoren • Sick Sinus-Syndrom • Kardiomyopathie • Folgen von koronarer Bypass-Chirurgie • Lungenembolie, Pneumonie • Hyperthyroidismus • Elektrolytungleichgewicht • Alkoholintoxikation Klinische Probleme • Risiko für Embolie und Schlaganfall • Herzdurchblutungsstörungen • Vorhofmyopathie und -vergrösserung • Chronische Symptome des Unwohlseins • Hospitalisation bei Auftreten der Symptome • Antikoagulation, insb. bei älteren Patienten 62 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 62 * Herzrhythmusstörungen Störungen der Erregungsbildung abnorm herabgesetzte Automatie Störungen der Erregungsleitung abnorm gesteigerte Automatie Blockierungen kreisende Erregungen getriggerte Aktivität bradykarde Herzrhythmusstörungen tachykarde Herzrhythmusstörungen z.B. proximale z.B. z.B. distale z.B. AV-Blockierung Vorhofflimmern AV-Blockierung Kammerflimmern supraventrikuläre Arrhythmien ventrikuläre Arrhythmien Herzrhythmusstörungen 63 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 63 * Herzrhythmusstörungen URSACHEN Angeborene Rhythmusstörungen Akzessorische Leitungsbahnen (z.B. beim Präexzitationssyndrom) Erworbene Rhythmusstörungen Postentzündliche, degenerative und ischämische Herzkrankheiten Direkte Schädigung des Myokards (z.B. durch Herzinfarkt) oder sekundär als Folge von Herzerkrankungen, die zu einer Überdehnung der Vorhöfe oder Ventrikel führen. UNTERTEILUNG Bradykarde supraventrikuläre Rhythmusstörungen Bradykarde ventrikuläre Rhythmusstörungen Tachykarde supraventrikuläre Rhythmusstörungen Tachykarde ventrikuläre Rhythmusstörungen Störung der AV-Überleitung Blockierung der Tawara-Schenkel BEGRIFFE Extrasystolen Vorzeitige Depolarisationen des Herzens (“premature beats”). Dabei ist das Intervall zwischen dem letzten Normalschlag und dem ektopen Schlag kürzer als das Intervall zwischen zwei Normalschlägen. Je nach Anzahl vorzeitiger Schläge wird zwischen singulären Extrasystolen, Couplets, Salven oder anhaltender Tachykardien unterschieden. Ersatzschläge Abnorm lange Intervalle zwischen zwei Herzschlägen (“escape beats”), wobei man je nach Dauer des Ausfalls der normalen Erregungsbildung und/oder der Erregungsleitung von singulären Ersatzschlägen oder von Ersatzrhythmen spricht. (Kardiale) Synkope Anfallartige, kurzdauernde Bewusstlosigkeit infolge Minderdurchblutung des Gehirns aufgrund von Rhythmusstörungen, Herzinsuffizienz oder Herzfehlern. 64 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 64 (*) Supra-/ventrikuläre Extrasystole Fölsch / Abb 6.6 Supraventrikuläre Extrasystole Ventrikuläre Extrasystole Extrasystolen: Bei Extrasystolen treten Herzschläge ausserhalb des regulären Grundrhythmus auf, die ihren Ursprung nicht im Sinusknoten haben (ektopischer Herd). Supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen; kompensatorische Pause. 65 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 65 Ventrikuläre Tachykardie Fölsch Schnelle ventrikuläre Tachykardie (a) Schnelle ventrikuläre nicht anhaltende Tachykardie Mit Beginn der Tachykardie kommt es durch die verkürzte diastolische Füllungszeit zu einem Blutdruckabfall. (b) Ventrikuläre Asystolie Blutdruckabfall durch die extrem lange Diastole. Anhaltende ventrikuläre Tachykardie Herzfrequenz >100 Schläge/min; QRS breit (>120 ms) 66 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 66 Herzschrittmacher Schrittmacher-Code 1. Buchstabe: Ort der Stimulation A: Vorhof; V: Kammer; D: Vorhof und Kammer 2. Buchstabe: Ort der Wahrnehmung A: Vorhof; V: Kammer; D: Vorhof und Kammer 3. Buchstabe: Ort der Antwort auf die Wahrnehmung I: inhibierend; T: triggernd; D: inhibierend und triggernd; 0: keine 4. Buchstabe: Frequenzmodulierung R: Frequenzanpassung; 0: keine Der Herzschrittmacher ist das klassische Hilfsmittel, wenn das Herz eines Patienten zu langsam schlägt, sei es durch eine Herzinsuffizienz oder auch in Folge einer Ablationstherapie bei atrialen Tachyarrhythmien. Auch Kammerflattern und -flimmern lassen sich so stabilisieren (hier: Abgabe eines Elektroschocks). Der Herzschrittmacher in einer kleinen Operation unter der Haut eingebaut. Der Herzschrittmacher besteht aus dem Aggregat, das den Impulsgenerator, die Elektronik und die Batterie enthält, sowie einer oder mehrere Elektroden. An das Aggregat, das nur etwa 3,5 x 4,5 cm gross und etwas flacher als eine Streichholzschachtel ist, werden je nach Typ ein oder zwei dünne Elektrodenkabel angeschlossen, die im Herz entweder in den Vorhof, in die Kammer oder in beide führen, wo bei der Implantation eine elektrische Verbindung zum Herzmuskel hergestellt wird. Die dünnen Elektrodenkabel lassen sich so formen, dass eine optimale Positionierung im Atrium (Vorhof) oder im Ventrikel (Herzkammer) möglich ist. Ein Elektrodentyp ist an seinem Ende ankerartig ausgebildet, so dass sich dieses Elektrodenende in den Trabekeln (Wülste aus Muskelfasern) der rechten Herzkammer "festhakt". Ein anderer Elektrodentyp wird mit einer winzigen Schraube im Muskelgewebe des Herzvorhofs (Atrium) fixiert. Beide Elektrodentypen gehen nach einiger Zeit eine feste Verbindung mit dem Herzmuskel ein, bereits nach wenigen Wochen sind sie nur noch schwer zu entfernen. 67 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 67 Plötzlicher Herzstillstand Kammerflattern Therapeutische Massnahmen: (>300/min) Kammerflimmern - Bei plötzlichem Herzstillstand kann nur die rasche Abgabe von Stromstössen mittels Defibrillator das Leben des Opfers vor plötzlichem Herztod retten. Kammerflimmern Asystolie - Kardiopulmonale Massnahmen (Wiederbelebung; transthorakale Stimulation). Medikamente: Asystolie Adrenalin (1 mg i.v., alle 3-5 min wiederholen), dann Atropin (1 mg i.v., alle 3-5 min wiederholen, bis Dosis von 0.04 mg/kg erreicht ist). 68 18/10/10 Literatur: U. Wiegand et al (2001). Die Akuttherapie des Herzstillstands. Internist 42: 1599-1609 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 68 * Herzinsuffizienz Eine Herzinsuffizienz liegt dann vor, wenn eine nachweisbare kardiale Funktionsstörung zu einer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit führt. Es wird unterschieden zwischen Rechts-, Links- oder Rechts-Links-Insuffizienz; akute vs. chronische Insuffizienz; Belastungs- vs. Ruhe-Insuffizienz (betrifft Schweregrad der Insuffizienz). Ursachen: Beispiele: • Schädigung des Arbeitsmyokards Mangelversorgung, Myokardischämie, Herzinfarkt • Erregungsbildungs- und Erregungsleitungsstörungen Eingeschränkte Pumpleistung • Behinderung der Ventrikelfüllung Blutung in den Herzbeutel, extreme Tachykardie, Klappenstenose • Akute Druck- oder Volumenbelastung Lungenembolie • Chronische Druck- oder Volumenbelastung Pulmonalklappenstenose, pulmonale Hypertonie (rechts), konzentr. Hypertrophie (links) • Systolische Herzinsuffizienz Störung der Myokardkontraktion • Diastolische Herzinsuffizienz Erniedrigte Compliance (Dehnbarkeit) des linken Ventrikels Folgen: • Minderperfusion diverser Organe • Venöse Stauungen (Ödeme) in den betroffenen Kreislaufabschnitten 69 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 69 (*) Hypertrophie des Herzens Robbins Hypertrophie des linken Herzventrikels A: Durch Druck ausgelöste Hypertrophie wegen Obstruktion im Bereich der Valva aorta. B: Hypertrophie (links) im Vergleich mit dem normalen linken Ventrikel (Mitte) und dilatierte Form einer Ventrikelhypertrophie (rechts). Das durch Druck hypertrophierte Herz hat eine vergrösserte Masse und dickere Wände, während das dilatierte Herz zwar eine grössere Masse, aber dünnere Wände aufweist. 70 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 70 (*) Hypertrophie des Herzens Robbins Verlauf der Hypertrophie-Bildung Ursachen und zelluläre und extrazelluläre Mechanismen, welche die Progression der Hypertrophie beeinflussen. Die linksseitige Hypertrophie ist häufiger und hat verschiedene Ursachen. Die rechtsseitige Hypertrophie findet sich v.a. bei der pulmonalen Hypertonie (s. Lektion 9) sowie sekundär aufgrund einer linksseitigen Hypertrophie. 71 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 71 (*) Hypertensive Herzkrankheit Robbins Linksseitige Hypertension ist charakterisiert durch: 1. Hypertrophie der linken Herzkammer 2. Systemische Hypertonie Die systemische Hypertonie führt zu einem Druckanstieg in der linken Herzkammer, was Ursache für die Hypertrophie ist. Rechtsseitige (pulmonale) Hypertension ist charakterisiert durch: 1. Hypertrophie und Dilatation der rechten Herzkammer 2. Vorliegen einer Hypertension der Lungen Pulmonale Hypertension kann bei einer massiven Lungenembolie akut auftreten, während sich die chronische Form bei langandauernder Schädigung der pulmonalen Arterien mit Aufbau eines Gegendrucks im rechten Herzen entwickelt. Linksseitige hypertensive Herzkrankheit Die markante konzentrische Verdickung der linken Kammerwand (rechte Bildseite) führt zu einer Verkleinerung des Kammervolumens. Im rechten Ventrikel endet ein Schrittmacher (Pfeil). 72 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 72 (*) Koronare Herzkrankheit Die koronare Herzkrankheit wird durch eine Reduktion der Koronarreserve ausgelöst. Ursache ist meist eine Koronarsklerose (Bildung von arteriosklerotischen Plaques in Koronararterien), die verschiedene Ursachen haben kann (Arrhythmien, Herzinsuffizienz, erhöhter Sauerstoffbedarf infolge gesteigerter Herzleistung bei Hypertonie, Herzklappenfehlern) oder zu niedrigem Sauerstoffgehalt bei Anämien. Formen: • Asymptomatische Form • Angina pectoris Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und -verbrauch (Koronarinsuffizienz). Der Anginapectoris-Anfall ist charakterisiert durch ein Druckgefühl hinter dem Brustbein (“Schraubstock”Gefühl; “Enge der Brust”), mit Ausstrahlung in obere Bereiche. Betroffen sind endokardnahe Schichten des linken Herzens. - stabile Angina pectoris (manifestiert sich unter Belastung; verschwindet bei beendeter Belastung) - instabile Angina pectoris (Häufigkeit und Schwere der Symptome wechselnd) - Ruhe-Angina pectoris (manifestiert sich auch ohne Belastung) • Herzinfarkt (Myokardinfarkt): irreversibler Myokardschaden aufgrund einer markanten Sauerstoffunterversorgung, ausgelöst durch einen thrombotischen Verschluss mit nachfolgender schwerer Myokardischämie. Risikofaktoren: • Rauchen • Hypertonie • Hyperlipoproteinämie • Übergewicht • Diabetes mellitus • Hyperchromocysteinämie (Endothelschäden) Postmortem-Angiogramm eines Herzens eines Infarkt-Patienten. Die distale rechte Koronararterie weist einen totalen Block auf (Pfeil). 73 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 73 (*) Koronare Herzkrankheit Robbins Koronarsklerose Verlauf der Bildung und Ruptur einer arteriosklerotischen Plaque in einer Koronararterie. Zu Beginn liegt eine stabile Plaque vor, die typisch ist für den Zustand der Angina pectoris. Beispiele der Ruptur von arteriosklerotischen Plaques in Koronararterien, die bei den betroffenen Patienten zu einem Myokardinfarkt führten. 74 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 74 (*) Myokardnekrose Robbins Myokardnekrose nach Verschluss einer Koronararterie Die Nekrose beginnt in einem kleinen Bereich des Myokards unter dem betroffenen Gefäss, und zwar im Zentrum der Ischämie. Das ganze Versorgungsgebiet des betroffenen Gefässes ist Risikozone für eine Schädigung. Die innerste Myokardschicht ist von der Nekrose nicht betroffen, da sie direkt aus dem Myokard mit Sauerstoff versorgt werden kann. Akuter Myokardinfarkt (rechts oben, mit darunter liegender Blutung) im linken Ventrikel, nachgewiesen mit der TTCFärbung (intaktes Gewebe erscheint rot). 75 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 75 * Myokardinfarkt Robbins Folgen eines Myokardinfarkts • Kontraktionsstörungen • Arrhythmien • Myokardruptur • Perikarditis • Rechtsventrikulärer Infarkt • Infarktausweitung • Thromboembolien • Ventrikuläre Aneurysmen • Papillarmuskel-Dysfunktionen • Progrediente Herzinsuffizienz Beispiel: Herzruptur nach akutem Myokardinfarkt A: Myokardruptur nach aktuem Infarkt. B: Ruptur im ventrikulären Septum. C: Ruptur eines Papillenmuskels der Herzinnenwand. 76 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 76 (*) Myokardinfarkt Robbins Effekt der Reperfusion bei einem Myokardinfarkt: Permanente Okklusion (A), vorübergehende Okklusion (B). Freisetzung von Proteinen aus den Myozyten beim Myokardinfarkt, die als diagnostische Marker dienen. 77 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 77 Ischämische Herzkrankheit Robbins Schematische Darstellung der Zusammenhänge der einzelnen Faktoren, die bei der Progression der ischämischen Herzkrankheit eine Rolle spielen. 78 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 78 (*) Ischämische Herzkrankheit Science 2010 Refugee Receptors Switch Sides G.W. Dorn, Science 2010, 327, 1586-87 Bei der ischämischen Krankheit und dem Herzversagen kommt es zu einer Veränderung der Membranen von Myozyten, welche dazu führt, dass die T-Tubules verloren gehen und deshalb die β1- und die β2-Rezeptoren nicht mehr räumlich getrennt ihre Signale vermitteln, sondern synergistisch zu hohen generellen und cytotoxischen intrazellulären cAMP-Spiegeln führen. 79 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 79 Herzkrankheiten • Herzrhythmusstörungen Sinustachykardien, Sinusbradykardien, Sinusarrhythmien Erregungsbildungsstörungen, Erregungsleitungsstörungen • Herzinsuffizienz Linksseitig: Ischämie, Hypertonie, Aorten- und Klappendefekte, nicht-ischämische Myokarderkrankungen Rechtsseitig: Folge der linksseitigen Insuffizienz oder einer pulmonale Hypertonie • Hypertensive Herzenkrankheit Linksseitige/rechtsseitge Hypertension Linksventrikuläre/rechtsventrikuläre Hypertrophie • Ischämische (koronare) Herzkrankheiten Angina pectoris, Myokardinfarkt, chronische ischämische Herzkrankheit • Herzklappenfehler; Endokarditis Mitral-, Trikuspidal-, Aorten- und Pulmonalklappenfehler • Kardiomyopathien Kongestive (dilatative) Kardiomyopathie (CCM od. DCM) Hypertrophische Kardiomyopathie (HCM) Restriktive (obliterative) Kardiomyopathie (RCM od. OCM) • Perikarderkrankungen Perikarditis • Angeborene Herzkrankheiten Klappenstenosen, Septumdefekte, Transposition, multiple Vitien • Tumoren des Herzens Myxome, Lipome, Papilläre Fibroelastome, Sarkome 80 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 80 Herzklappenfehler Mutschler Erworbene Herzklappenfehler • Mitralklappenfehler (50% aller Herzklappenfehler) Mitralklappenstenose (rheumatische Herzkrankheit) Mitralklappeninsuffizienz (Mitralklappenprolaps) • Trikuspidalklappenfehler (selten) Trikuspidalklappenstenose und -insuffizienz • Aortenklappenfehler Aortenklappenstenose (Kalzifizierung) Aortenklappeninsuffizienz (Dilatation der aufsteigenden Aorta, abhängig von Hypertonie und Alter) • Pulmonalklappenfehler Pulmonalklappenstenose und -insuffizienz Druckprofile bei linksseitigen Herzklappenfehlern A: Aortenklappenstenose (systolisch erhöhter Anstieg des Ventrikeldrucks). B: Aortenklappeninsuffizienz (diastolisch steiler Abfall des Aortendrucks). C: Mitralklappenstenose (systolisch verminderter Anstieg des Ventrikel- und Aortendrucks). D: Mitralklappeninsuffizienz (spätsystolisch vorzeitiger Abfall des Ventrikeldrucks bei stark erhöhtem Vorhofdruck). 81 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 81 Mitralklappenfehler Robbins Mitralklappenprolaps-Syndrom A: Schnitt durch den linken Ventrikel, welche den Prolaps (Vorwölbung) der Mitralklappensegel in den linken Vorhof zeigt. B: Geöffnete Mitralklappe, auf der thrombotische Plaques angesiedelt sind. C: Vorgewölbte Mitralklappen eines Patienten mit plötzlichem Herztod. 82 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 82 * Endokarditis Robbins Endokarditis = Entzündung des Endokards (Herzinnenhaut), die durch entzündliche Veränderungen der Klappensegel zu Herzklappenfehlern führt. • Nicht-infektiöse Endokarditis Rheumatisches Fieber (RF) kann z.B. nach Tonsillitis (Angina, Mandelentzündung; durch Streptokokken ausgelöst) als akute, immunologisch ausgelöste Entzündung auftreten. Sie kann in eine chronische Endokarditis (RHD: Rheumatic heart disease) übergehen. Charakteristikum: fokale inflammatorische Läsionen (Aschoff-Knötchen), die zu fibrösen Vernarbungen führen können. • Infektiöse Endokarditis Besiedelung der schlecht mit Blut versorgten, oft vorgeschädigten Herzklappen oder des Endokards mit +/- virulenten Bakterien oder Pilzen. Die akute Form kann nach Operationen oder allgemeiner Abwehrschwäche auftreten, die subakute Form nach Zahnextraktionen. Pathogenese der nicht-infektiösen Endokarditis 83 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 83 Nicht-infektiöse Endokarditis Robbins Akute und chronische Endokarditis A: Akute Mitral-Valvulitis, die einer chronischen Endokarditis überlagert ist. Kleine Verrucae im Schliessbereich der Mitralklappen. B: Histologisches Bild der Aschoff-Geipel-Knötchen eines Patienten mit akuter Endokarditis. C, D: Mitralstenose bei chronischer Endokarditis mit diffuser fibrinöser Verdickung und Verschiebung/Deformierung der Mitralklappen, Fusionen von Spalten (Pfeile); Aschoff-Knötchen werden zu fibrösen Narben. Chronische Endokarditis ist die Hauptursache für 84 Mitralstenose (99%). 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 84 Infektiöse Endokarditis Robbins Subakute und akute bakterielle Endokarditis A: Subakute Endokarditis der Mitralklappe, ausgelöst durch eine Streptococcus viridans Infektion. Bakterielle Besiedelung: Pfeile. B: Akute Endokarditis, ausgelöst durch eine Staphylococcus areus Infektion, mit ausgedehnter Schädigung im Klappenbereich. C: Histologie einer Endokarditis mit akuter Entzündung und Fibrinbildung. D: Verheilte Endokarditis mit bleibenden Schäden im Klappenbereich. 85 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 85 (*) Myokarderkrankungen Robbins Kardiomyopathie-Formen: Dilatierte Kardiomyopathie (DCM) hat einen linksventrikulären Ausstoss von <40% (häufigste Form), die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) von 50-80% und die restriktive Form von 45-90%. Dilatierte Kardiomyopathie (DCM) DCM ist charakterisiert durch eine progressive Herzerweiterung und einhergehend systolische Kontraktionsstörungen. A: Ansicht eines DCM-Herzens, bei dem die beiden Ventrikel und Vorhöfe dilatiert und hypertrophiert sind. Die Koronararterien sind nicht beschädigt. B: Das histologische Bild zeigt Myozyten verschiedener Hypertrophiegrösse und interstitielle Fibrose (Kollagen blau gefärbt). 86 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 86 Myokarderkrankungen Robbins Ursachen und Konsequenzen der dilatierten und der hypertrophen Kardiomyopathie. 87 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 87 Myokarderkrankungen Robbins Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM). Die HCM ist charakterisiert durch Hypertrophie des Myokards, abnormalen diastolischen Füllvorgang und ventrikuläre Abflussbehinderung. Mutierte Schlüsselproteine bei HCM in blau, verglichen mit Mutationen bei dilatierter Kardiomyopathie (in rot). A: Der Muskel des Septums ragt in den linken Ventrikel und der linke Vorhof ist vergrössert. B: Die Histologie zeigt extreme Hypertrophie der Kardiomyozyten; interstitielle Fibrose. 88 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 88 (*) Angeborene Herzfehler Robbins Angeborene Septum-Defekte (congenital left-to-right shunts). A: Atrium-Septumdefekt (ASD). B: Ventrikulärer Septumdefekt (VSD). C: Patent ductus arteriosus (PDA). D: Atrioventrikulärer Septumdefekt. E: Grosser VSD mit irreversibler pulmonaler Hypertonie. Hier findet sich eine Umkehrung des Flusses (right-to-left shunt). Beispiele für angeborene Herzfehler: • Aortenklappenstenose, Aortenisthmusstenose • Pulmonalklappenstenose • Vorhof-, Ventrikelseptumdefekte • Transposition der grossen Arterien • Mehrfachvitien (Mehrfachdefekte) Angeborene Transposition der grossen Arterien 89 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 89 (*) Tumoren des Herzens Myxome Robbins sind bei Erwachsenen die häufigsten primären Tumoren des Herzens. Zu 90% sind sie in den Atrien lokalisiert, 4x häufiger links als rechts. Sie entstehen aus pluripotenten Mesenchymalzellen und bilden benigne Tumoren. Myxom des linken Vorhofs Die Histologie zeigt eine starke Bildung amorpher extrazellulärer Matrix, in welche vereinzelt Myxomzellen eingelagert sind. Pfeil: abnorme Gefässbildung. 90 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 90 Schock und Mikrozirkulationsstörungen Formen: - distributiv - hypovolämisch - kardiogen - extrakardial-obstruktiv Fölsch / Kap 10 Neurohumorale und parakrine/ autokrine Kompensationsmechanismen Neurohumorale und para/autokrine Adaptation im Schock Schockformen Gestörte Makrozirkulation und (schwerwiegender) Mikrozirkulation Proinflammatorische Zytokine, reaktive Sauerstoffverbindungen, Stickoxid Schockmechanismen: Störungen der Zirkulation Vermittler des Schockgeschehens Reduktion von Sauerstoffangebot und -verwertung; Hemmung mitochondrialer Atmungsenzyme u.a.m. Schockmechanismen: Störungen des Zellstoffwechsels 91 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 91 Schockformen Fölsch / Abb 10.1 Distributiver Schock: Verlust der Vasomotorenkontrolle mit Vasodilatation. Hypovolämischer Schock: im Verhältnis zur Gefässkapazität vermindertes zirkulierendes Blutvolumen. Kardiogener Schock: Pumpversagen durch eingeschränkte Myokardkontraktilität, Verlust an funktionsfähiger Myokardmasse. Extrakardial-obstruktiver Schock: Flussobstruktion im Herz-KreislaufSystem, entweder durch eine Behinderung der diastolischen Füllung oder eine Nachlasterhöhung. Durch neurohumorale und Entzündungsreaktionen versucht der Organismus, den Schock zu kompensieren. Bei länger anhaltendem Volumenmangel schädigen diese Adaptationsmechanismen den Organismus: SIRS steht v.a. beim hypovolämischtraumatischen Schock nach Unfällen mehr im Vordergrund als der Volumenmangel. SIRS: Systemisches tions-Syndrom Inflammations-Reak- MAP: Arterieller Mitteldruck MODS: Multiorgandysfunktionssyndrom 92 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 92 Mediatoren im septischen Schock Robbins Zum septischen Schock führt die massive Freisetzung von inflammatorischen Mediatoren nach einer Infektion (gilt auch für nichtinfektiöse Stimuli wie Trauma, hypovolämischen Schock und Pankreatitis). Aktivierte zirkulierende und sessile Mediatorzellen wie Monozyten, Makrophagen und Lymphozyten setzen primäre Mediatoren in Form der Zytokine TNF-α, IL-1 und IL-6 frei. Die primären Mediatoren aktivieren weitere Zielzellen (neutrophile Granulozyten u. Endothelzellen), die nun ihrerseits aggressive “finale” Mediatoren freisetzen (Sauerstoffradikale, HOCl, PAF, PG, NO). Die Aktivierung des Komplement- und Gerinnungssystems, die Proteasefreisetzung aus Blutzellen und die Bildung von kardiodepressiven Faktoren komplettieren das Mediatorenspektrum, welches - gedacht zur körpereigenen Schockabwehr und Schockbekämpfung - im Falle einer überschiessenden Reaktion zur MODS (Multiorganversagen) führt und damit den Schock aggraviert. ARDS: adult respiratory distress syndrome. 93 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 93 Wirkung von ROS und NO Radikalen Fölsch / Abb 10.5 Reaktive Sauerstoffverbindungen (ROS) und Stickoxid-Radikale (NO) im Schockgeschehen Die Bildung von ROS aus O2 erfolgt durch aktivierte neutrophile Granulozyten mittels des Enzyms NADPH-Oxidase und in ischämischem Gewebe - katalysiert durch Xanthinoxidase durch den Abbau von Hypoxanthin und Xanthin. Superoxiddismutase wandelt das Superoxidanion O2- in Wasserstoffperoxid H2 O2 um. Die Myeloperoxidase katalysiert in neutrophilen Granulozyten die Umwandlung von H2O2 in hypochlorige Säure HOCl. Den Abbau der ROS katalysieren die Enzyme Katalase und Glutathionperoxidase. NO kann enzymatisch und nicht-enzymatisch aus Nitrit gebildet werden. NO aktiviert die Guanylatzyklase GC und steigert damit die Produktion von cGMP. NO und ROS verbinden sich zu dem hochreaktiven Oxidans Peroxinitrit ONOO-. 94 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 94 Neurohumorale Schockadapation Fölsch / Abb 10.6 Neurohumorale Schockadaptation Der Schock führt stadienabhängig zur Aktivierung der kardiovaskulären Sensoren, welche - zentralnervös gesteuert - ihre Informationen an die Effektorsysteme Sympathikus und Endokrinium weiterleiten. Ziel ist die Wiederherstellung stabiler HerzKreislaufverhältnisse. 95 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 95 Hirnkreislauf & Blut-Hirnschranke Fölsch / Kap 11 Formen des Schlaganfalls: - Ischämischer Insult/Hirninfarkt: 70-80% - Zerebrale Blutung: 15-20% - Subarachnoidalblutung: 2-3% Ein Anstieg des intrakranialen Drucks durch Hirnödem führt zu eingeschränkter Durchblutung Liquor und intrakranialer Druck Schlaganfall Schädigung des Hirngewebes wird verursacht durch Zusammenwirken von Azidose, Ca2+-Überladung der Zellen, freien Radikalen, Neurotransmittern, Eikosanoiden Dauerhafte Schädigung durch Läsionen, Strahlenschäden, Tumoren oder reversible Öffnung Ischämische Schädigung Schädigung der Blut-Hirn-Schranke Vasogenes Hirnödem Zytotoxisches Hirnödem Durchlässigkeit der BlutHirnschranke für Plasma und Na+ erhöht. Zellschwellung infolge Versagens der Membranpumpen Ischämisches Hirnödem 96 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 96 Hirnfunktion bei Ischämie Fölsch / Abb 11.1/11.2 Oben: Latenzzeiten bis zum Auftreten von Schädigungen bei globaler Ischämie Links: Abhängigkeit der Gewebsschädigung von Dauer und Ausmass der Ischämie. Je niedriger die Durchblutung im ischämischen Areal, desto schlechter die Überlebenschance des Gewebes. Je länger die Ischämie andauert, desto geringer muss die Durchblutungsabnahme sein, um einen irreversiblen Zellschaden hervorzurufen. 97 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 97 Ischämische Kaskade Fölsch / Abb 11.4 Rückkopplungskreise verstärken die Tendenz zu wiederholten Depolarisationen und beschleunigen damit die Schädigung. 98 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 98 Zelluläre Veränderungen bei zerebr. Ischämie Fölsch / Abb 11.5 99 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 99 Entstehung des Hirnödems Fölsch / Abb 11.6 Mechanismen der Entstehung des Hirnödems Das Schema zeigt, dass möglicherweise sowohl das früh auftretende zytotoxische Ödem, als auch das später auftretende vasogene Ödem auf die Entwicklung ähnlicher Noxen zurückgeführt werden kann, welche einerseits an Neuronen und Glia (zytotoxisches Ödem), andererseits an Endothelzellen (vasogenes Ödem) wirksam werden. Bei Hypoxie (infolge verminderter Sauerstoffzufuhr, z.B. bei Ertrinkungsunfall) kommt es neben allgemeinen Gewebeschäden, Lungenödem und Arrhythmien auch zu einem zytotoxischen Hirnödem. 100 18/10/10 Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 100 Beispiel zur Entstehung eines Hirnödems Tauchunfall 15-jähriger Patient; schnorchelt im Gewässer - atmet in 4 m Wassertiefe aus einem Pressluftgerät eines Tauchers - Aufstieg an die Wasseroberfläche - plötzlich Bewusstlosigkeit und Herz-Kreislaufstillstand - primär erfolgreiche Reanimation - Diagnose: Beinaheertrinken / Aspiration - Zwei Tage nach Unfall: Anisokorie (verschieden grosse Pupillen links/rechts) - cranial CT: Hirnschwellung mit Infarzierungen - ICP-Sonde: 40 mm Hg (Hirndruck) - massive Hirndrucktherapie (Mannitol, Barbiturate; Kühlung) - Oberkörperhochlagerung; moderate Hyperventilation - Stabilisierung des klinischen Zustandes - Entlassung des Patienten nach mehreren Wochen in klinisch gutem Zustand. Pulmonales Barotrauma; arterielle Gasembolie Lungenüberdehnung beim Auftauchen: Parenchymruptur. Als Folge arterielle Gasembolie mit Hirninfarkt insbesondere in der rechten Hemisphäre; periphere Ischämien/Durchblutungsstörungen. 101 18/10/10 Arterielle Gasembolie: bei zu schnellem Auftauchen nach Atmung aus Pressluftgerät kann es zu einer arteriellen Gasembolie kommen. Insbesondere in der rechten Hemisphäre des Gehirns sind Infarkte möglich; Bildung eines Hirnödems, Anstieg des Hirndrucks. Pathobiologie - HS 2010 - Lektion 5 101