Brahms, der Fortschrittliche - Hochschule für Musik Saar

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5. HFM-Woche der Kammermusik
„Brahms, der Fortschrittliche“
Kammermusik von Johannes Brahms und Arnold Schönberg
13. bis 17. Juni 2012
Hochschule für Musik Saar
PROGRAMM
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„Brahms, der Fortschrittliche“
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ie 5. Woche der Kammermusik an der Hochschule für Musik Saar widmet sich der Musik
zweier Komponisten, die sich nie begegnet sind, obwohl sich ihre Lebensdaten um immerhin
24 Jahre überschneiden: Johannes Brahms und Arnold Schönberg.
Die Begeisterung für Brahms rührt belegbar aus jungen Jahren Schönbergs und manifestiert sich
kompositorisch beispielsweise in der 1939 erstellten Orchestrierung des Klavierquartetts in g-moll
op. 25. In einigen aufschlussreichen Texten, vor allem in dem Artikel von 1947 „Brahms der Fortschrittliche“, entstanden aus einem Beitrag Schönbergs für den Rundfunk aus dem Jahr 1933, zeigt
sich der jüngere der beiden Komponisten auch in seinen späteren Jahren noch immer als glühender
Verehrer des älteren.
Vergleichsweise dynamisch verlief Schönbergs erst im Jahre 1913
erwachte Begeisterung für Gustav Mahler, wie er sie 1913 nach der
Uraufführung von Mahlers vierter Symphonie geradezu überschwänglich notiert: „Ich glaube fest und unerschütterlich daran, dass Gustav
Mahler einer der größten Menschen und Künstler war.“ Den ersten
drei Symphonien Mahlers war er noch mit Spott und Unverständnis
begegnet.
In welchen Diskurs sich Schönberg mit seinem Artikel über Brahms
begibt, wird deutlich, wenn man die Gegenpositionen vergleicht,
- etwa diejenige des Musikwissenschaftlers Alfred Einstein, der in
einem Text über Liszt und Brahms beide Komponisten (in diesem Fall
in Hinblick auf Wagner) kontrastierend positioniert: „Brahms: sich der
Johannes Brahms
Vorbildlichkeit der Vergangenheit immer mehr bewusst werdend und
(1833 - 1897)
immer weiter in sie zurückgreifend; Liszt der Rhapsode; Brahms, der
Anhänger gegebener fester Form von Anfang bis zum Ende.“ Im weiteren Verlauf der Ausführungen
über Brahms diagnostiziert Einstein dem Werk des Komponisten immer deutlicher die Lenkrichtung
in die stilistische Sackgasse - er liest dessen Musik als die einer nachempfundenen Klassik, allerdings
mit der Verbindlichkeit „neuer Gefühle“.
Mit diesen teilweise unbelegten Thesen zeichnet Einstein mitverantwortlich für manches bis ins
20. Jahrhundert dauernde Klischee über Brahms und seine Musik. Obwohl Schönbergs Text früher
datiert, könnte er auch als Gegenposition zu Einstein gelesen werden. So erklärt er in Hinblick auf
ungradtaktige Phrasen bei Brahms: „Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass Brahms, ohne auf Schönheit und Gefühl zu verzichten, zu einem Zeitpunkt, als alle an ‚Ausdruck‘ glaubten, sich auf einem
Gebiet als fortschrittlich erwies, dass seit einem halben Jahrhundert brach gelegen hatte.“
Auch Wilhelm Furtwängler sieht bei Brahms - vor allem in seinem Alterswerk - die Tendenz zur
„Schlichtheit in der Empfindung“ und meint damit wohl nichts anderes, als dass dieser Komponist
sich bestimmte Affekte absparte, um seiner Musik das Gewand einer vergangenen Zeit anzuziehen.
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
An diesem Punkte verbinden sich die Kompositionen Brahms‘
und Schönbergs auch im Programm: Dessen frühes Streichsextett
„Verklärte Nacht“ beispielsweise entstand nur zwei Jahre nach dem
Tod von Johannes Brahms und zeigt innerhalb der jugendlich-hypernervösen und spannungsreichen Faktur doch in jedem Takt die enge
Verbundenheit mit dem alten Brahms; mit der Idee der „entwickelnden Variation“, mit den bereits erwähnten ungradtaktigen Phrasenkonstruktionen.
Im Zentrum dieser Woche der Kammermusik stehen verschiedene
repräsentative Werke zweier Komponisten, die sich jeweils auf der
anderen Seite einer imaginären Trennlinie zwischen Romantik und
Moderne befinden. Man könnte Brahms noch Reger und Schönberg
Arnold Schönberg
(1874 - 1951)
noch Berg zur Seite stellen und hätte die wichtigsten deutschsprachigen Kammermusikkomponisten dieser ereignisreichen „Fin de siècle“-Zeit versammelt.
Das Bindeglied zwischen den einzelnen von Professoren und Studenten der HFM dargebrachten
Werken ist die Verbundenheit und Vertrautheit Schönbergs mit der Musik Brahms‘ - in der aktuellen
Diktion würde man eher von einer Kompatibilität sprechen. Diese vermag den Zuhörer über bestimmte stilistische Adaptionen zu erreichen, die man auch in den später entstandenen, atonalen Werken
Schönbergs wieder finden kann - freilich nicht nach den Kriterien der Harmonielehre.
Prof. Dr. Jörg Abbing (HFM)
Ausstellung innerhalb der Woche der Kammermusik
Begleitend zur Kammermusik-Woche werden in der HFM vom 12. bis 20. Juni 2012
Bildtransformationen zur Musik Arnold Schönbergs ausgestellt, die der Künstler Nikola Dimitrov
geschaffen hat. Die Abbildungen in diesem Programmheft sind Dimitrovs Bilderzyklus
„Pierrot Lunaire“ entnommen, welcher im Mittelpunkt der Ausstellung steht.
Impressum
Herausgeber: Hochschule für Musik Saar - Bismarckstr. 1, 66111 Saarbrücken
Texte des Programmheftes (soweit nicht anders gekennzeichnet): Eva Karolina Behr
Abbildungen: Nikola Dimitrov
Redaktion und Gestaltung: Thomas Wolter (HFM-Pressestelle)
Künstlerische Leitung der Kammermusikwoche: Prof. Tatevik Mokatsian
www.hfm.saarland.de
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Mittwoch, 13. Juni 2012 | 18.00 Uhr (FuF-Konzert)
Johannes Brahms
Sonate für Klavier und Klarinette Es-dur op.120 Nr. 2
Allegro amabile
Allegro appassionato
Andante con moto - Allegro
Tatevik Mokatsian, Klavier
Johannes Gmeinder, Klarinette
Wie Mozart ließ sich auch Brahms von einem berühmten Musiker zu seinen Kompositionen für Klarinette inspirieren: von Richard Mühlfeld – damaliger Klarinettist
des Meininger Hoforchesters, mit dem Brahms eine lange Freundschaft verband
und den er selbst als „Nachtigall des Orchesters“ bezeichnete. Im Jahr 1894, also
ein Jahr bevor die Klarinettensonate entstand, wollte Brahms mit seinen Volksliedern (WoO 33) eigentlich seine kompositorische Laufbahn abschließen. Obwohl
die Klarinettensonate also nicht mehr für die Öffentlichkeit bestimmt sein sollte, hat
Brahms mit diesem Werk entscheidend zur Emanzipation der Klarinette beigetragen; denn er führte sie in den Bereich der Duo-Sonate ein. Bisher war sie nur in
kompositorisch freieren Formen in Erscheinung getreten, doch mit dieser Komposition verschaffte Brahms erstmals einem Blasinstrument den Eintritt in die Sonaten-Gattung und stellte
die Klarinette somit an die Seite von Violine und Cello. Die Klarinettensonate Es-dur ist die zweite der
beiden Sonaten op. 120 und steht vom Charakter her im Gegensatz zur ersten. Sie ist serenadenartig
und sehr weich im Klang. Die „amabile“-Bezeichnung des 1.Satzes scheint für das gesamte Stück zu
gelten. Ist das Menuett des 2. Satzes noch durch eine starke Verinnerlichung des Tons geprägt, so ist
in dem darauf folgenden Trio ein drängendes Aufbegehren hörbar. Ist das Menuett geprägt von der
weichen Mittellage der Klarinette, verbindet sich im Trio der erdige Klang ihres tiefen Registers innig
mit dem Klavier. Mit dem Finale hat Brahms wohl einen seiner vielschichtigsten Sätze geschrieben.
Aus einem schlichten Andante-Thema heraus entstehen fünf Variationen mit Coda. Bis Variation 3 beschleunigt Brahms das thematische Material, was nicht heißt, dass er das Tempo erhöht. Er verkürzt
lediglich die Notenwerte, sodass beim Hörer der Eindruck einer Beschleunigung entsteht. Diese bricht
ab und Variation 4 stellt den langsamsten Abschnitt dieser Variationsfolge dar. So als wolle Brahms
den Schluss herauszögern und Spannung erzeugen, schließt sich nach dieser Retardierung die fünfte
Variation mit sprudelnden Sechzehnteln an. Die Coda greift alle Bewegungsarten nochmals auf und
fasst - wie so oft bei Brahms´schen Schlusssätzen - alles Charakteristische noch einmal zusammen.
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
Johannes Brahms
Zwei Gesänge op. 91 für Altstimme, Viola und Klavier
Gestillte Sehnsucht (Friedrich Rückert)
Geistliches Wiegenlied (Emanuel Geibel nach Lope de Vega)
Rosemarie Bühler-Fey, Alt
Jone Kaliunaite, Viola
Matthias Wierig, Klavier
„Brahms ist ein ganz ausnahmsweises Kompositionstalent und eine Natur, wie sie
nur in der verborgensten Zurückgezogenheit sich in vollster Reine entwickeln konnte; rein wie Demant, weich wie Schnee.“, so schrieb Joseph Joachim über Brahms.
Seit dem ersten Treffen 1853 entwickelte sich zwischen dem Geiger
Joachim und Brahms eine tiefe Freundschaft, vor allem eine lebenslange künstlerische Beziehung. So schenkte Brahms Joachim und seiner Frau Amalie zur Taufe
ihres Kindes 1864 das Geistliche Wiegenlied (op.91/2). 20 Jahre später, heißt
es, habe Brahms mit dem Stück Gestillte Sehnsucht (op. 91/1) versucht, Einfluss
auf die bereits zum Scheitern verurteilte Ehe zwischen Joachim und seiner Frau
Amalie, einer Altistin, zu nehmen. Gerade in diesem 1.Satz vereinen sich die instrumentale und vokale Altstimme über der Klavierbegleitung in innigster und kunstvollster Verwebung.
Aus einem einfachen Motiv heraus entwickelt die Bratsche ein ausgedehntes Vorspiel, das durch seine
dunkle Färbung und ausdrucksstarke, aber ruhige Melodieführung fasziniert. Dieser Charakter wird im
kompletten A-Teil beibehalten. Erst als im Mittelteil die Frage gestellt wird, wann das Wünschen und
Sehnen im Herzen endlich zur Ruhe kommt, verändert sich die Tonart nach d-Moll und das rastlose
Herz findet seine erregte Expressivität in einer scheinbaren Beschleunigung der Instrumentalstimmen. Der dritte Formteil wiederholt den A-Teil. Das zweite Stück Geistliches Wiegenlied basiert
auf einem alten Weihnachtslied aus dem 14.Jahrhundert: Joseph, lieber Joseph mein, hilf mir
wieg´n mein Kindlein fein. Doch die ursprüngliche Melodie taucht nur einmal im Vorspiel der
Bratsche auf. Der weitere Verlauf des Stückes zeigt Brahms´ spezielle motivisch-entwickelnde Kompositionsweise in besonderem Maße. Er spaltet verschiedene Motive ab und entwickelt daraus den
Altpart und die Klavierstimme. Textlich greift er nicht auf das Weihnachtslied zurück; hier verwendet
er einen Text des spanischen Dichters Lope de Vega Die ihr schwebet unter Palmen. Trotz der
expressiven Zuspitzung im Mittelteil ist dieser Satz durch den wiegenden 6/8 - Rhythmus gänzlich
von der Volksliednähe geprägt.
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Arnold Schönberg
„Verklärte Nacht“ für Streichsextett op.4 (in einem Satz)
nach einem Gedicht von Richard Dehmel
Felix Wulfert und Lorenz Blaumer, Violine
Ji-Soo Park und Friederike Kurth, Viola
Hyun-Mi Kim und Woolee Jang, Violoncello
„Gestern Abend hörte ich die ‚Verklärte Nacht‘, und ich würde es als Unterlassungssünde empfinden, wenn ich Ihnen nicht ein Wort des Dankes für Ihr wundervolles Sextett sagte. Ich hatte mir vorgenommen, die Motive meines Textes in Ihrer
Composition zu verfolgen; aber ich vergaß das bald, so wurde ich von der Musik
bezaubert.“, so schrieb Richard Dehmel im Dezember 1912 an Schönberg. Dehmels
Gedicht „Verklärte Nacht“ besteht wie alle anderen Gedichte seines Zyklus´ Weib
und Welt aus drei wesentlichen Aspekten. Zwei Menschen – eine Sie und ein Er
– und die Naturwelt. Sie befreien sich von alten Konventionen und werden in ihrer
Triebhaftigkeit eins mit der Natur. Erotik und Sexualität werden um die Jahrhundertwende zum Thema von Kunst, Literatur und Forschung; Persönlichkeiten wie Gustav
Klimt, Sigmund Freud oder Arthur Schnitzler sind prägende Zeitgenossen Schönbergs und Dehmels.
„Ihre Gedichte haben auf meine musikalische Entwicklung entscheidenden Einfluß ausgeübt. Durch
sie war ich zum ersten Mal genötigt, einen neuen Ton in der Lyrik zu suchen.“, so Schönberg
gegenüber Dehmel. Es entstand daraufhin ein einsätziges, dennoch in fünf Abschnitte unterteiltes
Stück „Programmmusik“, zwei musikalische Monologe und drei Naturstrophen. Im Rahmen einer
Schallplatteneinspielung hat Schönberg 1950 Programm-Anmerkungen formuliert, die sich explizit an
eine breite Hörerschaft richten. In Anlehnung daran sollen folgende Erläuterungen einen groben
Abriss des Werkes darstellen.
Zwei Menschen gehn durch kahlen, kalten Hain;
der Mond läuft mit, sie schaun hinein.
Der Mond läuft über hohe Eichen;
kein Wölkchen trübt das Himmelslicht,
in das die schwarzen Zacken reichen.
Die Stimme eines Weibes spricht:
Ich trag ein Kind, und nit von Dir,
ich geh in Sünde neben Dir.
Ich hab mich schwer an mir vergangen.
Ich glaubte nicht mehr an ein Glück
und hatte doch ein schwer Verlangen
nach Lebensinhalt, nach Mutterglück
und Pflicht; da hab ich mich erfrecht,
da ließ ich schaudernd mein Geschlecht
von einem fremden Mann umfangen,
und hab mich noch dafür gesegnet.
Nun hat das Leben sich gerächt:
nun bin ich Dir, o Dir, begegnet.
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Tiefe Streicher gestalten orgelpunktartig die „kalte“,
„kahle“ Stimmung, die als Metapher für die emotionale
Isolation der beiden Menschen steht. Darüber entfaltet
sich das melodische Hauptmotiv, das durch seine
abwärtsgerichtete Linie die Beklemmung dieser Situation
zum Ausdruck bringt.
Das erste Thema beginnt etwas stockend in der Viola, der
die erste Violine zur Seite tritt. Die zweite Violine zeigt
das Thema als Kontrapunkt. Der weitere Verlauf dieses
„Satzes“ ist von dynamischer Zurückhaltung, vielen
Ritardandi, chromatischem Abstieg und stockenden
Einsätzen geprägt.Verzweiflung, Selbstanklage und
Ernüchterung sind zu spüren. Aber auch Erregung klingt
mit, wenn sich die Satzstruktur verdichtet und sich eine
„drängende“ und „etwas unruhigere“ Stimmung breit
macht. So als entfalte sich eine Tragödie, steuert der
melodische Verlauf „rascher“ auf einen Höhepunkt zu,
retardiert „sehr breit“ und findet in der nachklingenden
Chromatik ihren katastrophalen Ausgang.
„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
Sie geht mit ungelenkem Schritt.
Sie schaut empor; der Mond läuft mit.
Ihr dunkler Blick ertrinkt in Licht.
Die Stimme eines Mannes spricht:
„Schwer betont“ sind zwar die Schritte der beiden,
doch die Natur legt sich still über die vorangegangene
Erregung und Verzweiflung.
Das Kind, das Du empfangen hast,
sei Deiner Seele keine Last,
o sieh, wie klar das Weltall schimmert!
Es ist ein Glanz um alles her;
Du treibst mit mir auf kaltem Meer,
doch eine eigne Wärme flimmert
von Dir in mich, von mir in Dich.
Die wird das fremde Kind verklären,
Du wirst es mir, von mir gebären;
Du hast den Glanz in mich gebracht,
Du hast mich selbst zum Kind gemacht.
Er faßt sie um die starken Hüften.
Ihr Atem küßt sich in den Lüften.
Zwei Menschen gehn durch hohe, helle Nacht.
Der Monolog des Mannes beginnt in D-Dur, wendet
sich bald nach Fis-Dur. Weit entfernt also von der
bisherigen durch b-Tonarten geprägten Stimmung.
Zarte Flageolett-Klänge deuten bereits auf das selbstlose Verständnis des Mannes hin. Obwohl in diesem
Abschnitt durchaus Motive des Schmerzes aus vorherigen Themenbereichen erklingen, verwandelt sich
die Nacht des Schmerzes und der Verzweiflung hier in
die Verklärte Nacht. Die Ruhe des ersten Teils kehrt
wieder ein. Thematische Motive des Anfangs werden
wieder aufgegriffen. Beide hängen in Gedanken dem
eben Erlebten nach.
- PAUSE -
Johannes Brahms Ausgewählte Lieder
An eine Äolsharfe (Eduard Möricke), op. 19, Nr. 5
Es hing der Reif (Klaus Groth), op. 106, Nr. 3
Die Mainacht (Ludwig Hölty), op. 42, Nr. 2
Rosemarie Bühler-Fey, Alt
Matthias Wierig, Klavier
An eine Äolsharfe
Die Liebeslieder des Opus 19 sind von der zögerlichen und letztendlich entsagenden Neigung des
jungen Brahms zu der Göttinger Professorentocher Agathe von Siebold inspiriert und zeichnen sich
insbesondere durch einen resignierenden Unterton aus. „An eine Äolsharfe“ ist ein melancholischer
Nachklang und gibt dem Zwiespalt von Frühlingslaut und Todestrauer, der Moerickes Gedicht erfüllt,
wohllautenden Ausdruck.
Es hing der Reif
Das Opus 106, aus dem das Lied „Es hing der Reif“ entnommen ist, gehört zu den letzten Liedvertonungen Johannes Brahms und darf als musikalische Nachlese angesehen werden. „Es hing der Reif“
nimmt in diesem Sinne das alte Thema der Liebesklage wieder auf.
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Die Mainacht
„Die Mainacht“ nach einem Gedicht von Ludwig Hölty ist ein Bekenntnis unerfüllbarer Dichtersehnsucht nach der idealen Geliebten. Auch dieses Lied weist eine Dreiteiligkeit auf. Der Mittelteil ist von
Moll-Klange überschattet, die wiederkehrende Hauptmelodie wird in eine großartige Schlußsteigerung geführt.
(Texte: Prof. Matthias Wierig)
Johannes Brahms
Quintett für Klarinette, zwei Violinen, Viola und Violoncello h-moll op. 115
Allegro
Adagio - piu lento
Andantino - presto non assai, ma con sentimento
Con moto
Johannes Gmeinder, Klarinette
Lena Neudauer, Violine
Velislava Taneva, Violine
Benjamin Rivinius, Viola
Mario Blaumer, Violoncello
Das Klarinettenquintett op. 115 ist eine weitere der vier Klarinettenkompositionen, die Brahms für
Richard Mühlfeld geschrieben hat. Ebenso wie die Klarinettensonate op. 120 beginnt der erste Satz
mit einer langsamen Einleitung, die keineswegs nur eröffnende Funktion hat, sondern bereits wesentliches thematisches Material vorstellt. Die Motive entwickeln sich stetig aus sich selbst heraus und
bilden die Basis für den weiteren Verlauf des Satzes. Die Gestalt jeder melodischen Linie übernimmt
unentwegt neue Funktionen. War sie zunächst noch Begleitung, tritt sie einige Takte später als Hauptstimme hervor oder wird als Umkehrung erkennbar. Auch in den beiden Mittelsätzen verfolgt Brahms
stringent sein variierendes Formprinzip. Ist dies im 2. Satz durch Variation im Klang der Klarinette
erkennbar – indem Brahms alle Möglichkeiten der klanglichen Entfaltung ausschöpft – so ist die
Variation der Form charakteristisch für den 3. Satz. Der 4. Satz fasst als strenge Variationsfolge alle
Motive noch einmal zusammen und umschließt das Werk als Ganzes. Versuchten Komponisten der
Wiener Klassik eine Gegensätzlichkeit der Sätze zu erreichen so „sehen wir Brahms bemüht, die vier
Sätze in leisen Stimmungsübergängen einander zu nähern.“ (Eduard Hanslick). Und diese Annäherung spiegelt auch die Besetzung wider: Zu Beginn des ersten Satzes ebnen die Streicher im kanonischen Einsatz der Klarinette den Weg; sie scheint geradezu aus deren Klang emporzusteigen.
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
Donnerstag, 14. Juni 2012 | 18.00 Uhr
Johannes Brahms
Trio für Klavier, Violine und Violoncello c-moll op.101
Allegro energico
Presto non assai
Andante grazioso
Allegro molto
Tatevik Mokatsian, Klavier
Lena Neudauer, Violine
Mario Blaumer, Violoncello
Auch wenn Brahms in Bezug auf die kammermusikalische Besetzung viele
Neuerungen schuf, galt es für ihn, auch tradierte Formen wie Streichquartett und
Klaviertrio zu erhalten. Anders als seine Kammermusik für Streicher, die meist
bestimmten Schaffensphasen zuzuordnen ist, bestimmte die Trio-Kammermusik
sein gesamtes Oeuvre - vom Klaviertrio op. 8 bis hin zum Klarinettentrio op. 114.
Das Klaviertrio op. 101 ist das dritte von insgesamt drei Klaviertrios und entstand
während des Sommeraufenthaltes 1886 am Thuner See. Es kann als eine Art
Zusammenfassung der Brahms‘schen Klaviertrio-Tradition gesehen werden.
Standen sich op. 8 mit seiner jugendlichen Leichtigkeit und op. 87 mit meisterlicher Reife gegenüber, so vereint op. 101 beides in sich. Gerade der 1. Satz ist
stürmisch und expressiv, aber dennoch formal aufs Äußerste verknappt. Der 2. Satz – eindeutig als
Scherzo einzuordnen, auch wenn Brahms den Satz nicht so überschrieb – bildet mit seiner
verhaltenen Zartheit einen starken Kontrast zum leidenschaftlichen 1. Satz; er mutet an als
Überleitung zum 3. Satz. Das Andante grazioso des 3. Satzes spielt auf wirkungsvolle Weise mit
dem Wechsel zwischen Drei-und Zweitaktigkeit. Das Hauptthema des Finales fasziniert durch seine
energetische Leidenschaftlichkeit, gepaart mit sprudelnden Rhythmen. Doch diese Impulsivität wird
immer wieder durch klangliche Eintrübungen unterbrochen, was für Brahms´ Spätstil charakteristisch ist. Erst die Coda schafft Versöhnung und endet nach einer Schlusssteigerung in C-Dur. Über
op. 101 schrieb Clara Schumann im Juni 1887 in ihr Tagebuch: „Welch ein Werk ist das! Genial
durch und durch in der Leidenschaft, der Kraft der Gedanken, der Anmut, der Poesie! Noch kein
Werk von Johannes hat mich so ganz und gar hingerissen, so sanft auch bewegt der zweite Satz,
der ganz wunderbar poetisch ist. Wie glücklich war ich heute Abend wie lange nicht.“
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Johannes Brahms
Sextett für zwei Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli G-dur op. 36
Allegro non troppo
Scherzo, allegro non troppo, presto giocoso
Poco adagio
Poco allegro
Yuki Janke und Valentina Pilny, Violine
Jone Kaliunaite und Indre Zelenyte, Viola
Gustav Rivinius und Theresia Rosendorfer, Violoncello
Brahms sagte einem Freund in der Zeit, als das Streichsextett entstand: „Da habe ich mich von meiner letzten Liebe losgemacht.“ Die Rede war von Agathe von Siebold, einer jungen Sängerin, in die
sich Brahms nach seiner schmerzhaften Trennung von Clara Schumann Hals über Kopf verliebte und
die er sogar heiraten wollte. Auch wenn die Widmung nicht im Titel des Werks vermerkt ist, so ist sie
deutlich im Seitenthema des 1. Satzes als Motiv erkennbar: a-g-a-h-e. Doch wäre es zu banal, Opus
36 ausschließlich darauf zu reduzieren. Die Besonderheit des Werks ist eine vorherrschende
Introvertiertheit - weit weg von den sehr orchestralen Tönen, die noch im ersten Streichsextett
angeschlagen wurden. Brahms nutzt den instrumentalen Klang lediglich zur Verwirklichung seiner
motivischen Ideen und Variationen. Und diese sind auf Vereinheitlichung und Konzentration hin
angelegt. Das Ende des 1. Satzes bereitet den Themenkopf des Scherzos vor, seine Anfangsphrasen
tauchen als motivische Varianten zu Beginn des 3. Satzes wieder auf. Eine zentrale Rolle spielt auch
der Kontrapunkt, der in Form einer Fuge sowohl im 2. als auch im 4. Satz in Erscheinung tritt. Die
polyphone Technik lässt Brahms auch im 3. Satz nicht aus, wie die dritte Variation zeigt: Sie ist als
mehrstimmiger Kanon gesetzt. Bedeutend - vor allem für den 1. Satz - ist der harmonische Farbenreichtum, der seinen Ursprung bereits in den ersten Takten findet. Die mediantische Wendung G-Es-G
ist der Impuls für die auslandend harmonische Verarbeitung in der Durchführung.
Der 2. Satz – von Brahms als Scherzo bezeichnet – steht entgegen aller Tradition im 2/4 Takt und
zeigt eher Intermezzo-Charakter. Erst das Presto weist einen Scherzo-Gestus auf. Das Finale wirkt
entzweit und hebt sich von den ersten drei Sätzen ab; die einzelnen Stimmen wirken wie in einem
heftigen Wettstreit: Polyphone Verzahnungen und rhythmische Verwirrungen treiben diesen zum
Höhepunkt. Bedenkt man, dass zwischen der Entstehung des Poco Allegro und den ersten drei Sätzen
neun Monate lagen und in dieser Zeit Brahms´ Mutter verstarb, mag die Struktur dieses letzten Satzes
nachvollziehbar erscheinen.
- PAUSE -
Podiumsgespräch:
Prof. Dr. Stefan Litwin (Hochschule für Musik Saar)
und Dr. Andreas Bayer (Hochschule der Bildenden Künste Saar)
über „Pierrot Lunaire“
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
Arnold Schönberg
„Pierrot Lunaire“
Dreimal sieben Gedichte aus Albert Girauds »Pierrot lunaire« (1912 - Übers.: Otto Erich Hartleben)
für eine Sprechstimme, Klavier, Flöte (auch Piccolo), Klarinette (auch Bassklarinette), Geige (auch
Bratsche) und Violoncello op.21
Mondestrunken - Columbine - Der Dandy -Eine blasse Wäscherin - Valse de Chopin - Madonna Der kranke Mond - Nacht - Gebet an Pierrot - Raub - Rote Messe - Galgenlied - Enthauptung - Die Kreuze
Heimweh - Gemeinheit - Parodie - Der Mondfleck - Serenade - Heimfahrt (Barcarole) -O alter Duft
Stefan Litwin, Leitung
Nadja Steinhardt, Sprechstimme
Henrike von Heimburg, Klavier
Elisabeth Hartschuh, Flöte (auch Piccolo)
Antonia Uerschels, Klarinette (auch Bassklarinette)
Marie Pospichalova, Violine
Andre Généreux, Bratsche
Thomas Auner, Violoncello
Die Commedia dell´arte - auch als italienische Stehgreifkomödie bekannt – war
gerade im 16. Jahrhundert äußerst populär. Figuren wie Harlekin, Pantalon und
Colombine repräsentieren durch ihre standardisierten Kostümierungen und
Maskierungen bestimmte Charaktere. Eine der bekanntesten Figuren ist wohl
Pierrot. Nach dem Niedergang der Commedia dell´arte gab es im 18. Jahrhundert in
Frankreich erste Bemühungen, gerade die Figur des Pierrot zurück auf die Bühne zu
holen. In Komödien Molières, der Opéra comique, in zahlreichen Theaterstücken
oder als Figur der Pantomime konnte sich Pierrot allmählich etablieren. Kennt man
ihn heute als eine Figur mit melancholischen Zügen, so interpretiert ihn Albert
Giraud als ambivalenten Typus für seinen1884 erschienenen Gedichtszyklus Pierrot
lunaire: Rondels bergamasques. Auf Anregung der Schauspielerin Albertine Zehme machte sich
Schönberg daran, 21 – genau genommen drei mal sieben – Gedichte des Zyklus´ zu vertonen.
Schönberg baute erstmals eine melodramatische Sprechstimme in eine seiner Kompositionen ein, weil
sich laut Albertine Zehme „die Singstimme nicht zu starkem Gefühlsausbruch eignet.“ Die Sprechkunst stand gerade in diesen Jahren als Symbol für Bereiche des Traums, des Übersinnlichen und
Metayphysischen. Girauds Gedichte stehen außerdem in der tradierten Rondelform, in der sich der 1.
Vers als 7. und 13. wiederholt und der 2. Vers an 8. Stelle wiederkehrt. Diese besondere Strophenform lässt zahlreiche Bezugsmöglichkeiten zu, gerade weil die Besetzung von fünf „autonomen“
Instrumentengattungen eine gewisse Vielfalt bietet. „Die Klänge werden hier ein geradezu tierisch
unmittelbarer Ausdruck sinnlicher und seelischer Bewegungen.“ Die „Farbe ist alles, die Noten gar
nichts.“ (Schönberg). So repräsentieren die Melodieinstrumente nicht nur klangliche Bereiche,
sondern stehen auch für bestimmte inhaltliche Sphären. Die Flöte beispielsweise ist eng mit dem
Bereich des Mondes verbunden, das Piccolo mit Handlungen des Pierrot, das Cello hingegen mit
melancholischen und sentimentalen Äußerungen. Inhaltlich ist Schönbergs Plan so angelegt, dass er
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drei große Abteilungen schafft, wobei die erste für die Thematik des Künstlers und die Gleichsetzung
des Mondes mit dessen innerer Gedankenwelt steht. Der zweite Teil trägt schaurige Züge, was durch
den ausgiebigen Gebrauch polyphoner Formen zum Ausdruck kommt. Im dritten Teil fasst Pierrot in
der Erinnerung an seine Heimat neuen Mut und das Werk schließ mit der „Heimfahrt“ nach Bergamo.
Wegen des „historischen“ Stoffs bricht Schönberg die Atonalität des Stücks und nimmt Bezüge auf
tradierte Formen wie Fuge, Passacaglia, Kanon, Variation, Barcarole, Polka und Walzer. Doch nicht nur
im Formbereich greift Schönberg auf alte Muster zurück; auch im melodischen, harmonischen und
rhythmischen Bereich kristallisieren sich semantische Bezüge heraus. Diese Mischung aus tradierten
Mustern und neuen Techniken verhalf dem Werk von Anfang an zu enormem Erfolg. Jedoch erinnert
sich Eduard Steuermann, Pianist bei der Uraufführung schmunzelnd an die Proben mit Albertine
Zehme: „Was mich betrifft, so werde ich nie diese Wochen und Monate vergessen, wenn alle paar
Tage die Acht-Uhr-Post mir handgeschriebene Blätter eines neuen Stückes von dem Werk brachte.
Fieberhaft probierte ich es am Klavier und eilte in das Studio von Frau Zehme mit der ziemlich schwierigen Aufgabe, es mit ihr zu studieren. Sie war eine intelligente und künstlerische Frau, aber von Beruf
Schauspielerin und nur so musikalisch wie die gut erzogenen deutschen Damen dieser Zeit. Ich
erinnere mich, wie ich sie manchmal, verzweifelnd, ob ich ihr jeden genauen Unterschied zwischen
Dreiviertel- und Vierviertelrhythmus beibringen würde, bat, ein paar Takte eines Walzers und dann
einer Polka zu tanzen, in immer kürzeren Abständen zwischen beiden wechselnd und schließlich die
ersten Takte des ‚Dandy‘ versuchend.“
Freitag,15. Juni 2012 | 18.00 Uhr
Johannes Brahms
Trio für Horn, Violine und Klavier Es-dur op.40
Andante - poco animato
Scherzo. Allegro
Adagio mesto
Allegro con brio
Marius Meisterjahn, Horn
Marie Pospichalova, Violine
Young-Wha Jeon, Klavier
Über die Entstehung des Horntrios ist so gut wie nichts bekannt, was angesichts der ungewöhnlichen
Besetzung durchaus verwundert. Wahrscheinlich ist Brahms Motivation beim Instrument als solchem
zu suchen: Durch seinen warmen, vollen Klang und seine Fähigkeit Nähe und Entfernung zum Ausdruck zu bringen, galt das Horn als die musikalische Stimme romantischer Weltanschauung und fand
nicht nur unter den Musikern viele Bewunderer. In zahlreichen Gedichten Eichendorffs steht das Horn
als Metapher für Fernweh, Tod, Sehnsucht und Naturverbundenheit. Vielleicht waren solche Topoi der
Grund dafür, dass Brahms solch eine ungewöhnliche Besetzung wählte, war doch drei Monate vor der
Entstehung des Werkes Brahms´ Mutter verstorben. Um dem weichen Hornklang nahe zu kommen,
forderte Brahms in der Partitur auch ein Naturhorn statt des modernen Ventilhorns. Brahms geht es
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
in op. 40 nicht vorrangig um das virtuose Spiel, sondern um den besonderen, sich von den anderen
Instrumenten abhebenden Klang, der die Trauer um einen geliebten Menschen zum Ausdruck bringt.
Besonderheiten weist vor allem der 1. Satz auf. Grundsätzlich stützen sich Brahms‘sche Kopfsätze
bis dahin auf eine stabile Formkonzeption, wie die der Sonatenform. Doch hier ist die Tendenz zur
Formauflösung klar erkennbar: Brahms nimmt von der Sonatenform Abstand und schafft eine Art
Reihungsform: Mit seiner locker gefügten Struktur hat dieser Satz Ähnlichkeit mit einer Fantasie.
Ungewöhnlich ist auch der ausschließlich auf die Begleitfunktion begrenzte Klavierpart. Das Scherzo
als dreiteilige Form mit Trio, das schwermütige Adagio als Trauergesang und das Finale in Sonatenform wirken im Gegensatz zum ersten Teil wesentlich vertrauter. Schon zu Zeiten Brahms´ stellte
dieses Trio höchste Anforderungen an den Hornisten, sodass Clara Schumann 1866 nach einer Aufführung an Brahms schrieb: „ Dein Trio hatten wir schön einstudiert, und der Hornist war vortrefflich!
Ich glaube er hat nicht einmal gekiekst, und das will doch viel sagen; freilich hatte er das Ventilhorn,
zum Waldhorn war er nicht zu bringen!“
Johannes Brahms Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello c-moll op. 60
Allegro non troppo
Scherzo. Allegro
Andante
Finale. Allegro comodo
Et Arsis-Quartett
Hristina Taneva, Klavier
Velislava Taneva, Violine
Ainis Kasperavičius, Viola
Diego Hernández Suárez, Violoncello
Obwohl bei Brahms‘schen Kompositionen eine lange und komplizierte Entstehungsgeschichte
keine Seltenheit ist, ist sie beim Klavierquartett op. 60 dennoch außergewöhnlich. Die erste
Fassung entstand bereits mit den ersten beiden Quartetten in den 1850er Jahren. Die
abgeschlossene Komposition schickte er 1874 einem Freund mit folgenden Worten: „Das
Quartett wird bloß als Kuriosum mitgeteilt! Etwa eine Illustration zum letzten Kapitel vom
Mann im blauen Frack und gelber Weste.“ Gemeint es Goethes Werther. Dieser Hinweis
verwundert, da Brahms so gut wie nie außermusikalische Bilder zum besseren Werkverständnis gebraucht und wenn, sind diese eher humorvoll zu betrachten. Aber gepaart mit den
Zeilen an Simrock wird offensichtlich, wie ernst es Brahms meint. „Außerdem dürfen sie auf
dem Titelblatt ein Bild anbringen - nämlich einen Kopf - mit der Pistole davor. Nun können sie
sich einen Begriff von der Musik machen!“. Diese Musik ist düster, schmerzerfüllt und
melancholisch. Brahms hält mit außergewöhnlicher Stringenz an der Tonart c-moll fest. Der 1. Satz beginnt mit
Seufzermotiven in den Streichern. Das Klavier gibt immer wieder neue Impulse, die die erschütternde Dramatik
vorantreiben: Der pochende Schmerz wird durch das liebliche Seitenthema zwar für einen Moment unterbrochen,
doch in der Reprise wirkt auch dieses wehmütig und nimmt im abschließenden Fugato geradezu beklemmende
Züge an. Das Scherzo kann durch jagende Rhythmen, Akzentuierungen und weitreichende Dynamik als
Steigerung des ersten Satzes gelten. Der 3. Satz schließt sich dem in unendlicher Schönheit an. Transzendental
entrückt scheinen die Streicher zu schweben. Doch angesichts der vorangegangenen Tragödien und der
bevorstehenden „Katastrophe“ weckt auch das Andante keine Hoffnung auf Erlösung, sondern verstärkt den
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___________________________________________________ 5. HFM-Woche der Kammermusik
Schmerz bis an die Grenze des Erträglichen. Erinnert man sich beim Finale an die Werther-Reminiszenz, ist die
entgegen jeder musikgeschichtlichen Tradition geradezu „scheiternde“ Form nachvollziehbar. So heißt es im
letztes Kapitel: „Er lag gegen das Fenster entkräftet auf dem Rücken, sein Gesicht schon wie eines Toten, er
rührte kein Glied. Die Lunge röchelte noch fürchterlich, bald schwach, bald stärker; man erwartete sein Ende.“
- PAUSE -
Arnold Schönberg Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello D-dur (1897)
Allegro molto
Intermezzo. Andantino grazioso
Andante con moto
Allegro - Presto
Theresa Clauberg, Violine
Daniel Stoll, Violine
André Généreux, Viola
Mario Blaumer, Violoncello
„Meine Originalität kommt daher, daß ich alles Gute, das ich gesehen, sofort nachgeahmt habe.“
(Schönberg). Schönbergs erstes Streichquartett D-Dur steht noch unverkennbar in der Tradition der
großen Streichquartette des 19. Jahrhunderts. Doch von einer reinen Nachahmung zu sprechen,
wäre nicht angebracht. Obwohl Schönberg in dieser Zeit Mozart, Brahms, Beethoven und Dvorák zu
seinen Vorbildern zählte und das Quartett D-Dur nach eigener Aussage unter dem Einfluss Dvoráks
und Brahms´ steht, ist man dennoch keineswegs einer Analyse enthoben. Mit beschwingtem Gestus
eröffnen die Streicher im unisono den Kopfsatz, der rein formal betrachtet ein Musterbeispiel eines
Sonatenhauptsatzes darstellt. Auf kleinerer Ebene sind jedoch Prinzipien erfassbar, die eng mit der
Brahms´schen motivisch-thematischen Verarbeitungstechnik verbunden sind, welche Schönberg
später als „entwickelnde Variation“ bezeichnen wird. Melodisch findet man Anklänge an Dvoráks
„Amerikanisches Streichquartett“. Schönberg stellt gerade in der Exposition viele thematische
Gruppen nebeneinander, die er durch motivische Entwicklung miteinander verbindet. Dieses Prinzip
legt Schönberg auch allen anderen Sätzen zu Grunde. Der 2. Satz - ein Intermezzo - greift vor allem
die Klangfarbe Brahms´ auf. Alle Streicher spielen mit Dämpfer, was den verhaltenen Klang und
schwebenden Charakter dieses Satzes unterstreicht. Das Thema des 3. Satzes ist einzigartig in der
Variationstradition. Völlig unbegleitet gestaltet das Cello das erste Thema, wodurch die harmonische
Ausrichtung des Satzes völlig in der Schwebe bleibt. Das harmonische Fundament klärt sich erst
mit dem Hinzutreten der Bratsche, die eine kontrapunktische Linie zum Cello gestaltet. Diese stark
polyphone Technik setzt sich im gesamten Satz durch. Das mitreißende Hauptthema des Finalsatzes
hat aufgrund seiner folkloristischen Elemente ebenso wie der 1. Satz Gemeinsamkeiten mit Dvoráks
Streichquartett. Das überschäumende Sonatenrondo gibt dem Werk einen fulminanten Abschluss. So
kann man dieses Streichquartett ambivalent betrachten: Zum einen steht es für Schönbergs Verständnis der Traditionen Brahms´ und Beethovens, zum anderen ist die Tendenz, sich von diesen Konventionen zu lösen und etwas Neues zu schaffen, ganz deutlich zu spüren.
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
Johannes Brahms
Quintett für Klavier, zwei Violinen, Viola und Violoncello f-moll op.34
Allegro non troppo
Andante, un poco Adagio
Scherzo. Allegro
Allegro non troppo
Kristin Merscher, Klavier
Yuki Janke, Violine
Lorenz Blaumer, Violine
Jone Kaliunaite, Viola
Gustav Rivinius, Violoncello
Opus 34 ist eines der üppigsten Kammermusikwerke Brahms: Seine orchestrale
Klanggestaltung übertrifft bei Weitem alles, was man bisher von ihm kannte. Vor
allem im ersten Satz fallen die häufigen Unisono-Passagen der Streicher auf, die ein
eigenartiges Klangbild ergeben, so als solle eine bestimmte Aussage unterstrichen
werden. Im Gegensatz zum expressiven 1. Satz klingt der 2. verhalten, fast
verschleiert. Das thematische Material ist durch kontrapunktische Stimmgestaltung
und besondere Rhythmik nicht beim ersten Hören zu fassen. Der im Dreivierteltakt
gehaltene Satz wirkt wie ein bruchstückhafter Walzer. Brahms war in diesen Jahren
gerade erst nach Wien gekommen, nicht selten spricht man vom „Wiener Gestus
aus Sicht des Norddeutschen.“ Das Scherzo triftet nicht wie andere Scherzi bei
Brahms vom eigentlichen Charakter ab, sondern kann als Paradebeispiel gelten; bohrende Rhythmen
im Klavier, zahlreiche Synkopen in den Streichern und expressive Thematik, die durch Akkordpassagen
immer mehr gesteigert werden. Im Anschluss daran wirkt die langsame Einleitung des Finalsatzes
geradezu kontemplativ und ihr lamentohafter Charakter prägt den gesamten Rondosatz. Opus 34 ist
somit ein wahres Feuerwerk an klanglicher Vielfältigkeit. Vielleicht erklärt dies die lange Unentschlossenheit Brahms in Bezug auf die Besetzung. Zuerst als Streichquintett mit zwei Celli konzipiert,
schrieb er es später zur Sonate für zwei Klaviere um. Doch bald wird er den weichen Streicherklang
vermisst haben und fand nicht zuletzt auf Anraten Clara Schumanns zur endgültigen Besetzung.
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___________________________________________________ 5. HFM-Woche der Kammermusik
Samstag, 16. Juni 2012 | 18.00 Uhr
Johannes Brahms
Sonate für Klavier und Violoncello F-dur op. 99
Allegro vivace
Adagio affettuoso
Allegro passionato
Allegro molto
Henrike von Heimburg, Klavier
Thomas Auner, Violoncello
Brahms´ zweite Cellosonate gehört zu seinen meist gespielten KammermusikWerken und wird auf Grund ihres pathetischen Charakters und ihrer Formstrenge
oftmals in die Nähe Beethoven‘scher Kompositionen gerückt. Trotz ihrer klaren formalen Struktur stellt diese Sonate hohe Anforderungen an die Auffassungsgabe des
Hörers. Gerade der 1. Satz repräsentiert das entwickelnde Formprinzip Brahms´ in
besonderem Maße. Arnold Schönberg hat sich in einem Rundfunkbeitrag über seine
eigenen Orchestervariationen op. 31 auf das Hauptthema dieses 1.Satzes bezogen.
„Als Beispiel eines rasch entwickelnden Themas – Sie erwarten gewiß nun, daß
ich Ihnen ein extrem modernes Thema nennen werde, aber Sie irren – ich nenne
Brahms, F-Dur-Cellosonate. Und dieses Thema entwickelt sich zu allem Unglück
zu rasch, und seine Motivik ist fast nicht durch das Ohr, sondern erst auf dem Papier zu enträtseln.“
Zwar wird man vollends von der Leidenschaftlichkeit dieses Satzes gefangen genommen, doch auf
Grund der vielen rhythmischen Verschiebungen, schwer eingängiger Intervallfolgen und variierender
Zwei- und Dreitongruppierungen ist dieser Satz nur schwer verständlich. Der 2. Satz hält an der
starken Expressivität des 1. Satzes fest, welche für Brahms´ Spätwerk in solcher Beharrlichkeit eher
ungewöhnlich ist. Das Klavier eröffnet mit einer Kantilene, in die das Cello im warmen, tiefen Register
einsetzt. Und von da an entwickelt sich ein tiefgehendes, geradezu anrührendes Intermezzo zwischen
Klavier und Cello. Die Eckteile des 3. Satzes (Allegro passionato) verkörpern eine enge Verstrickung
von Cello- und Klavierpart, die tragische Züge annimmt. Der kontrastierende, friedvolle Mittelteil in
Dur spiegelt die andere Seite des Passionato wider. Liebe und Schmerz, Hingabe und Enttäuschung
liegen in diesem Satz nicht weit auseinander. Das Hauptthema des 4. Satzes greift auf ein patriotisches Studentenlied zurück, welches Brahms bereits im Schlusssatz seiner 1. Sinfonie verarbeitet
hat: „Ich habe mich ergeben, mit Herz und Hand“. Später hat Gustav Mahler dieses Thema in seine
3.Sinfonie mit aufgenommen. Wahrscheinlich wollte er damit genauso auf Brahms Bezug nehmen,
wie Brahms mit diesem letzten Sinfoniesatz auf Beethovens Neunte. Auf Fragen hinsichtlich dieser
Adaption äußerte er sich seinerzeit ironisch: „Jawohl, und noch merkwürdiger ist, daß das jeder Esel
gleich hört!“.
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
Arnold Schönberg
Kammersymphonie op.9 in der Fassung für Klavierquintett von Anton Webern
(in einem Satz)
Christoph Maisch, Flöte
Nathalie Ludwig, Klarinette
Inna Maslova, Violine
Thomas Auner, Violoncello
Grigor Asmaryan, Klavier
„1906. Webern kam vom Urlaub zurück, sah Kammersymphonie, sagte er habe darüber nachgedacht,
wie moderne Musik sein soll. Er sähe, daß die Kammersymphonie diesem Gedanken entspreche.“
(Schönberg). Für Anton von Webern, einem Schüler Schönbergs, ging von dem Werk solch eine Faszination aus, dass er eine Transkription für Klavierquintett verfasste. Doch was macht das Opus 9 zum
„Schlüsselwerk“ der Neuen Musik? Schönberg äußerte gleich nach Fertigstellung seiner 1. Kammersymphonie: „Jetzt habe ich meinen Stil begründet. Ich weiß jetzt, wie ich komponieren muß.“ Und
wahrhaftig hat Schönberg mit diesem Werk grundlegende Neuerungen geschaffen. Das Werk kann
sozusagen als Schnittstelle gelten: Es steht für das letzte einsätzige Werk von Schönbergs tonaler
Phase, dennoch zeigen sich in ihm erste Merkmale einer Technik, die viel später als dodekaphonische Prinzipien ausformuliert wurden. Es ist auf der einen Seite eine Symphonie, auf der anderen
Seite Kammermusik. Das Werk vereint, trotz seiner Einsätzigkeit, alle Formen einer Symphonie: Mit
der Folge Exposition – Scherzo – Durchführung – Adagio – Reprise weitet Schönberg die Sonatenformstruktur auf das gesamte Werk aus und verknüpft durch die Wiederholung der „Hauptthemen“
auch das Rondo indirekt mit dieser Struktur. Ausdrücklich als Werk für 15 Soloinstrumente bezeichnet,
suggeriert dies die stark kammermusikalische Faktur des Werkes. Gerade die wollte Webern in seiner
Transkription in der „traditionellen“ Kammermusikbesetzung des Klavierquintetts spezifisch herausarbeiten. Das mehrdimensionale Denken äußert sich außerdem in der Fülle des thematischen Materials
(Alban Berg entdeckte in seiner Analyse 20 Themen) und der ausladenden Harmonik (Dur-Moll-Tonalität, Ganzton- und Quartenharmonik). Gerade diese Aspekte der „Unterschiedlichkeit in der Einheit“
unterscheiden das Werk zum einen von vielen zeitgenössischen Kompositionen dieser Zeit, die fast
ausschließlich auf Kontrast hin ausgerichtet waren und zum anderen von spätromantischen Orchesterwerken. Schönberg glaubte, dass mit Opus 9 „alle Probleme gelöst wären, sodaß ein Weg aus
den verwirrenden Problemen gewiesen wäre, in die wir jungen Komponisten durch die harmonischen,
formalen, orchestralen und emotionalen Neuerungen Richard Wagners verstrickt waren.“ In der Tat
herrschte gerade innerhalb des Schönberg-Kreises Begeisterung über das Werk, und die Uraufführung
war trotz scharfer Anwürfe der konservativen Musikkritiker ein Triumph über die Gegner des Werkes.
Dennoch gestaltete es sich schwierig, geeignete Aufführungsmöglichkeiten zu finden: war Schönberg
doch der Überzeugung, dass das Werk erst durch häufige Proben und mehrmaliges Hören verstanden
werden könne. Im Rahmen dieser Konflikte entstand der berühmte „Verein für musikalische Privataufführungen“, der die Aufführungspraxis der Neuen Musik begründete. „Das ist ja nicht ein Werk
wie ein anderes. Das ist ein Markstein der Musik, genug für eine ganze Generation.“ (Alban Berg).
- PAUSE -
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___________________________________________________ 5. HFM-Woche der Kammermusik
Johannes Brahms
Sonate für Klavier und Violine d-moll op.108
Allegro
Adagio
Un poco presto e con sentimento
Presto agitato
Svetlana Kosenko, Klavier
Inna Maslova, Violine
Mit Klaviermusik hat Brahms seine kompositorische Tätigkeit begonnen und mit
dem Klavier endet sein Oeuvre. Brahms schrieb in den letzten Jahren seines
Schaffens zwar keine Klaviersonaten mehr, aber in seinen Instrumentalsonaten - so
auch in den Violinsonaten (alle ausdrücklich als Sonaten für Klavier und Violine
betitelt) - dominiert das Klavier oder es tritt der Violine zumindest als ebenbürtiger
Partner gegenüber. Die Sonate op. 108 gilt als die technisch anspruchsvollste der
insgesamt drei Violinsonaten Brahms´ . Sie ist virtuos, zugleich leidenschaftlich und
spannungsgeladen. Teile der Sonate sind bereits im Sommer 1886 entstanden als
Brahms noch an der zweiten Violinsonate op. 100 und der Cellosonate op. 99
arbeitete. So verwundert es nicht, dass sich Bezüge zwischen diesen drei Werken
herstellen lassen. Theodor Billroth, ein Freund Brahms´ bemerkte: „Sehr verwandt sind die D-mollSonate und die F-dur-Cellosonate. Brüder, fast Zwillinge, doch beide kräftig.“ Die Eröffnungstakte des
1. Satzes gründen auf Motiven aus dem 1. Satz der Cellosonate und lassen sich im 2. Satz der
Violinsonate op. 100 wieder finden. Der 1. Satz weicht wie viele späten Kopfsätze Brahms´ von der
festen Sonatenform ab. Extreme Veränderung erfährt vor allem der Durchführungsteil.
Seine eigentliche Aufgabe liegt normalerweise in der motivisch-thematischen Verarbeitung des
Expositionsmaterials und der zielgerichteten Hinführung zur Reprise. Brahms setzt diesen steigernden
Verlauf gänzlich außer Kraft. Die gesamte Durchführung entfaltet sich über einem Orgelpunkt und
verweigert sich so jeglicher harmonischen Entfaltung. Die beiden äußerst kurzen Mittelsätze hat
Brahms wie in vielen anderen Werken vertauscht. Auf das elegische, an eine Kavatine erinnerndes
Adagio, folgt ein flüchtiges Scherzo, dessen Melodien nur kurz angerissen werden. Kaum scheint sich
eine gesangliche Linie zu entwickeln, wird diese durch rhythmisch unruhige Passagen unterbrochen.
Dieser ständige Wechsel verleiht dem Satz einen ironischen Charakter. Doch den Höhepunkt bildet
unstrittig der rhapsodische Finalsatz. Die leidenschaftliche Dramatik dominiert den gesamten Satz
und bleibt auch in den wenigen lyrischen Momenten spürbar. Eduard Hanslick empfand ihn als „eine
wie heiße Lava hinströmende Tonflut“.
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
Johannes Brahms
Serenade Nr. 2 für 14 Instrumente A-dur op.16
Allegro moderato
Scherzo. Vivace
Adagio non troppo
Quasi Menuetto
Rondo. Allegro
Gaby Pas-Van Riet, Christoph Maisch und Marie Puzzuoli, Flöte
Stephane Egeling und Han Wang, Oboe
Johannes Gmeinder und Simone Weber, Klarinette
Guilhaume Santana und Soo-Yeon Kim, Fagott
Ludwig Rast und Liu Yang Ma, Horn
Ainis Kasperavicius, Viola
Woolee Jang, Violoncello
Wolfgang Harrer, Kontrabass
Die Gattung der Serenade hat eine lange Tradition, die über die reinen Bläserserenaden in Freiluftoder Harmoniemusiken bis hin zu den reinen Streicherserenaden bei Beethoven (Septett) und Schubert (Oktett) reicht. Selbst wenn jene ihre Werke nicht explizit als Serenaden bezeichneten, können
ihre Kompositionen dennoch zu dieser Tradition gezählt werden. In der Romantik haben Komponisten
wie Strauss und Elgar diese Gattung wiederentdeckt und sich den verschiedenen Besetzungstraditionen angeschlossen. So auch Brahms: Unter dem Eindruck der hervorragenden Bläser der Hofkapelle
Detmold ließ er sich zu dieser Komposition inspirieren und nutzte diese „leichtere“ Gattung, um
Klangexperimente in Bezug auf die Mischung von Bläsern und Streichern zu wagen. Der Kopfsatz
stellt die Bläser- der Streichergruppe antithetisch gegenüber. Mit den einleitenden Bläsern mischen
sich die „dunklen“ Streicherklänge äußerst homogen, denn Brahms hat in Opus 16 keine Violinen
gesetzt. Hauptgestaltungsmittel des Kopfsatzes ist die Sequenzierung des Hauptthemas. Zu dieser
einfachen - aber gerade deshalb so geschickt gearbeiteten - melodischen Gestaltung kommt der
Brahms´sche Einfallsreichtum im rhythmischen Bereich: So mischen sich in diesem Satz rhythmische
Vielfalt und melodische Schlichtheit. Im 2. Satz - einem Scherzo mit Trio - dominiert der rhythmische
Aspekt. Obwohl das Scherzo im Dreivierteltakt gesetzt ist, sind die Themen fast durchgängig hemiolisch notiert, was dem Ganzen herbe Züge verleiht. „Was soll ich Dir über das Adagio sagen? Mir ist
dabei, als könnte ich kein Wort finden für die Wonne, die mir dies Stück schafft, und nun will ich recht
viel hören! Es ist wunderbar schön!“, so schreibt Clara Schumann an Brahms. Die Ausgeglichenheit
des 3. Satzes ist vor allem durch den formalen Aufbaus des A-Teils geprägt. Dieser basiert auf einem
zweitaktigen, leichmäßig rhythmisierten Bassthema und besitzt somit eine Chaconne-artige Struktur.
Gattungsabweichungen gibt es auch im darauf folgenden Quasi Menuetto und Trio, was das Wörtchen „quasi“ zu suggerieren scheint. Trotz einfacher Da-Capo-Form weist der Satz manche Eigenheiten in Bezug auf Metrik, Rhythmus, Harmonik und Thematik auf und wirkt so „eher nachdenklichlaunisch als unmittelbar tänzerisch“(Brahms-Handbuch). Das Rondo setzt auf den Dialog zwischen
den einzelnen Gruppen: Instrumentale Soli heben sich immer wieder zwischen einzelnen
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___________________________________________________ 5. HFM-Woche der Kammermusik
Tuttieinwürfen hervor. Auch der Kontrast zwischen dem vitalen, geradezu sprudelndem Refrain und
den eher lyrischen Couplets macht dieses Spannungsverhältnis spürbar. Als Brahms später die Serenade op.16 für zwei Klaviere arrangierte, konnte man die Begeisterung über sein Werk in den folgenden
Worten förmlich spüren: „Mit solcher Lust habe ich selten Noten geschrieben, die Töne drangen so
liebevoll und weich in mich, dass ich durch und durch heiter war.“
Sonntag, 17. Juni 2012 | 11.00 Uhr
Johannes Brahms
Sonate für Klavier und Violine A-dur op.100
Allegro amabile
Andante tranquillo - Vivace
Allegretto grazioso (quasi andante)
Min-Jeong Kang, Klavier
Theresa Clauberg, Violine
Die A-dur-Sonate ist ebenso wie Opus 99 und Opus 101 in der Schweiz am Thuner
See entstanden - Brahms´ Sommerdomizil im Jahr 1886. Er scheint bei den
Satzbezeichnungen Amabile, Tranquillo und Grazioso von der Schönheit und Idylle
dieser Landschaft angeregt worden zu sein. Oder stehen sie eher in einem Zusammenhang mit Brahms´ Äußerung, die Sonate sei „in Erwartung der Ankunft einer
geliebten Freundin“ entstanden? Eines ist jedoch offensichtlich oder besser gesagt
offen „hörbar“: Die Sonate op. 100 ist introvertierter, lieblicher und lyrischer als die
anderen beiden in diesem Sommer entstandenen Werke. Dies kommt nicht nur in
den einzelnen Sätzen zum Ausdruck, sondern auch in der Gestaltung der Satzübergänge. „Was haben sie da Liebes und Behagliches gemacht, das ist ja eine wahre
Liebkosung, das ganze Stück, und mit welcher Freude begrüßte und umarmte ich im ersten Satz die
Melodie, des Klaus Groth‘schen Liedes!“, so schreibt Elisabet von Herzogenberg an Brahms. Die
Melodie, die sie im ersten Satz erkannt hat, ist das Brahms‘sche Lied „Wie Melodien zieht es mir leise
durch den Sinn“, welches Brahms im Seitenthema des 1. Satzes verarbeitet. Brahms hat dieses Lied
für Hermine Spies geschrieben, eben jene „geliebte Freundin“, die er in Thun erwartete. Auch im
Hauptthema des I. Satz sind einige Liedmotive erkennbar, nämlich Motive aus dem „Preislied“
Walther von Stoltzings aus Wagners „Meistersingern von Nürnberg“. Aber genau genommen
erinnern nur die ersten drei Akkorde im 1.Takt des Klavierparts daran und es ist sehr fraglich, ob
Brahms sich bewusst an Wagner orientieren wollte. Der 2. Satz lässt eine interessante Formbildung
erkennen: Er verknüpft Formen des langsamen Liedsatzes und des Scherzos. Dieses Zweierpaar
– deutlich unterscheidbar anhand der Taktart und des Charakters – erklingt drei Mal: Die erste
Wiederholung variiert die einzelnen Formteile, in der zweiten Wiederholung werden beide stark
verkürzt. Hat man den stürmisch-leidenschaftlichen Finalcharakter der meisten Brahms´schen
Schlusssätze im Ohr, wundert man sich über dieses Allegretto grazioso, quasi Andante. Auch Elisabet
von Herzogenberg und der Geiger Joseph Joachim wunderten sich, als sie diesen Schlusssatz das
erste Mail hörten: „Mit dem Finale ging es uns ganz eigen: Joachim und ich hätten uns ja so gerne
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
ein zweites Thema gefallen lassen. Wir spitzten die Ohren und den Mund – da war´s vorüber, und das
wirklich ganz schöne Hauptthema trat wieder auf.“ Die beiden vermissen ein zweites Thema in den
Couplets der Rondoform dieses Finalsatzes. Das zwölftaktige Hauptthema ist in den Refrainteilen
jedes Mal deutlich erkennbar, jedoch weisen die Couplets eher Durchführungscharakter auf. Doch
gerade die Konzentration auf das liebliche Hauptthema macht den Grazioso-Charakter dieses
Schluss-Satzes aus.
Johannes Brahms
aus dem Trio für Klavier, Violine und Violoncello h-Dur op.8
Allegro con brio
Scherzo. Allegro molto
Trio Invierno
Rick Ginkel, Klavier
Katharina Ginkel, Violine
Daria Fussl, Violoncello
Kurz vor Vollendung des ersten Brahms´schen Klaviertrios, erschien Robert Schumanns berühmter Artikel „Neue Bahnen“. Darin kündigt er Brahms als denjenigen
an, „der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen
wäre.“ Diese Verheißung stellte den damals noch weitestgehend unbekannten und
selbstkritischen Brahms unter Druck. So schrieb er an Schumann: „Das öffentliche
Lob, das sie mir spendeten, wird die Erwartung des Publikums auf meine Leistungen
so außerordentlich gespannt haben, daß ich nicht weiß, wie ich denselben einigermaßen gerecht werden kann. Vor allen Dingen veranlaßt es mich zur größten
Vorsicht bei der Wahl der herauszugebenden Sachen. Ich denke keines meiner Trios
herauszugeben.“ Ob damit auch das Klaviertrio op.8 gemeint war, ist nicht mit
Sicherheit zu sagen. Es wurde zwar einige Monate nach dem Brief an Schumann veröffentlicht,
jedoch begegnete Brahms diesem Werk sein Leben lang mit Zweifeln, weshalb er es 35 Jahre später
grundlegend revidierte. Solch eine radikale Überarbeitung ist in Brahms´ Oeuvre einmalig. Somit steht
Opus 8 als einzigartiges Zeugnis für die Verwebung alter und neuer musikalischer Gedanken. Brahms
Spontaneität und Unbekümmertheit der Jugendzeit, welche sich in rhapsodischen Wendungen und
einer romantisch-schwärmerischen Sprache wiederfinden, verbinden sich mit der klassizistischen
Strenge der reifen Jahre. Vor allem der I. Satz unterlag grundlegenden Änderungen. Das impulsive
Hauptthema der ersten Fassung trifft in der Überarbeitung auf ein neues Seitenthema. Gerade durch
diese Gegenüberstellung wird die Janusköpfigkeit des Werkes deutlich. Das Scherzo hat Brahms
unverändert in die zweite Fassung übernommen. Sein Hauptthema leitet sich aus dem Hauptthema
des ersten Satzes ab, doch durch die rasenden melodischen Konturen und die scharfe Artikulation ist
das nicht beim ersten Hören erkennbar. Das versonnene Trio schließt sich dem bedrohlichen A-Teil in
starkem Kontrast an. Es „schwelgt in seiner betörend schönen Melodie im Volkston so unverhohlen,
wie es sich Brahms später kaum noch gestattet hat.“ (Reclam). Obwohl laut Brahms dem H-dur-Trio
„die Haare ein wenig gekämmt und geordnet“ wurden, lässt es den stürmisch-aufrührenden
Charakter der Jugendjahre nicht missen und gelangt zu einem geschlossen Ganzen.
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Johannes Brahms
aus dem Trio für Klavier, Violine und Violoncello A-dur op. posth
Moderato
Vivace
Wenzel Gummel, Klavier
Eva Csizmadia, Violine
Dimitris Karagiannakidis, Violoncello
Hinter der Urheberschaft des vorliegenden A-dur-Trios steht ein gewisses Fragezeichen. Eine 1924 gefundene und 1938 schon wieder verlorene Abschriftensammlung
enthielt es. Ein Vermerk auf den Komponisten fehlte jedoch auf den Notenblättern.
Nicht einmal die Person des Abschreibers konnte ermittelt werden. Man war also
gezwungen, die musikalische Analyse zur Bestimmung des Autor heranzuziehen,
und ordnete das Werk schließlich dem jungen Brahms zu. Es soll um 1853 entstanden sein, als ein Vorläufer des H-dur-Trios op. 8, zu dem es einige Parallelen
aufweist. Für einen echten Brahms sprechen außerdem der Klaviersatz, sowie der
Motivaufbau aus kleinen Motivzellen.
So perfektionistisch Brahms seine Musik konstruierte, so akribisch war er bei der Vernichtung der
Werke, die er die Öffentlichkeit nicht hören lassen wollte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben wir
hier das Glück, eine Ahnung von den Schätzen zu bekommen, die Brahms dem Feuer überantwortet
hat. Der erste Satz, Moderato, kontrastiert weite Kantilenen mit rhythmisch zuckenden Passagen.
Das düstere Vivace rankt sich um einen idyllischen Kern. Der unbewegte Beginn des Lento steht einer
grandiosen Entwicklung offen. Das überschwängliche Finale, Presto, kommt trotz allen Ringens um
Erlösung nicht zur Ruhe.
Der Herausgeber des Trios, Karl Hasse, lenkt in seinem Vorwort das Augenmerk aus die Satzfolge
„langsam, schnell, langsam, schnell“, die an diejenige der „von Bach vertieften und individualisierten Kammersonate erinntert, deren Nachfolge Brahms zugleich mit der von Beethovens Sonatenart
antritt“. (Text: Wenzel Gummer )
- PAUSE -
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„Brahms, der Fortschrittliche“ _______________________________________________________
Arnold Schönberg
Fantasie für Violine und Klavier op. 47
Ah-Ra Ko, Violine
Yo-Han Yu, Klavier
Auf Anregung des Geigers Adolf Koldofsky schrieb Schönberg im März 1949 sein
letztes Kammermusikwerk, die Fantasie op.47. Die Gattung der „Fantasie“ war ihm
geläufig. War Opus 47 zwar seine erste und letzte Fantasie, ordnete er sie jedoch in
seinem Lehrwerk Formbildende Tendenzen der Harmonie der Rubrik
„sogenannte freie Formen“ zu. Das Wort „sogenannt“ suggeriert die Unentschlossenheit über die tatsächliche „Freiheit“ dieser Form. Doch nicht nur in Bezug auf
die Gattungsfrage beschäftigte sich Schönberg während der Entstehung dieses
Werks spezifisch mit Titelüberlegungen. Äußerst aussagekräftig ist auch die
Besetzung: Im Deutschen wird meist die gebräuchliche Übersetzung „für Violine
und Klavier“ gebraucht, doch eigentlich hat Schönberg das Werk „for Violin with
Piano accompaniment“ komponiert, also für Violine mit Klavierbegleitung, was einen bedeutenden
semantischen Unterschied macht. Und tatsächlich ist autographen Schriften zu entnehmen, dass
Schönberg zuerst den reinen Geigenpart schrieb, bevor er die Klavierbegleitung hinzu komponierte.
Zwar hat Schönberg das Werk von einer horizontalen Linie ausgehend konstruiert, was für einen in
einem dodekaphonischen und so durch und durch kontrapunktischen Satz durchaus ungewöhnlich
ist, jedoch wird dem Klavierpart dadurch eine ganz außergewöhnlich Rolle zugesprochen: Das Klavier
verdeutlicht das, was in der Violine durch schnelle Wechsel kaum hörbar war oder nimmt eine
kommentierende Instanz ein.
Das Stück lässt sich grob in vier Teile gliedern, die Umrisse einer Sonatenform aufweisen. Der erste
motivbildende Teil stellt den sechstaktigen Hauptgedanken vor, der spiegelsymmetrisch angelegt ist.
Zentral ist das rhythmisch geprägte Motiv der Geige im ersten Takt: eine Achtel mit Achtelpause und
anschließender Viertelnote. Dieses taucht im Verlauf des Stückes – wenn auch teilweise variiert –
immer wieder auf. Darauf folgt nach einer Überleitung zu einem vierteiligen 2.Teil der in einer Sonate
den langsamen Satz darstellen würde. Es schließt sich ein Scherzando-Teil an, gefolgt von einer
Coda. Schönbergs Werk besitzt kein Thema im eigentlichen Sinne und somit auch keine Entwicklung
motivisch-thematischen Materials. Das harmonische und rhythmische Verhältnis der „zwölf nur
aufeinander bezogenen Töne“ der Reihenstruktur lässt gerade im Rahmen der Gattung „Fantasie“
„unbegrenzte“ klangliche Möglichkeiten zu. Somit repräsentiert dieses Werk Schönbergs geistige
Vorstellung von „Unbegrenztheit“ in ihrer klanglichen Realisierung. „Wenn man sich fragt, warum
wir überhaupt für die Musik die Zeit messen, so kann darauf nur geantwortet werden: weil wir sie
sonst nicht darstellen können. Wir messen sie, um sie uns ähnlicher zu machen, um sie zu begrenzen.
Wir können nur das Begrenzte wiedergeben. Aber die Phantasie kann sich das Unbegrenzte oder
wenigstens scheinbar Unbegrenzte vorstellen. Wir geben also in der Kunst immer ein Unbegrenztes
durch ein Begrenztes wieder.“ (Schönberg, Harmonielehre)
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Johannes Brahms
Klarinettentrio a-moll op.114 in der Fassung für Klavier, Viola und Violoncello
Allegro
Adagio
Go-Yun Jung, Klavier
Indre Zelenyte, Viola
Dae-Youn Kim, Violoncello
in der Original-Fassung
Andantino grazioso
Allegro
Torun-Trio
Sara Derman, Klavier
Simone Weber, Klarinette
Anna Catharina Nimczik, Violoncello
„Brahms Spätliebe für die Klarinette scheint zu förmlicher Brautschaft gediehen. Carl Maria von
Weber und Brahms begegnen sich in der Liebe für dieses Organ schwärmerischer Romantik; sogar
die Tatsache persönlicher Anregung durch einen idealen Klarinettisten. Weber hatte ihn in Baermann,
Brahms in Herrn Richard Mühlfeld gefunden.“, so der Kritiker Eduard Hanslick. Richard Mühlfeld,
damaliger Klarinettist der Meininger Hofkapelle, hat Brahms zu insgesamt vier Kompositionen für
Klarinette angeregt. „Man kann nicht schöner Klarinette blasen, als es der hiesige Mühlfeld tut.“,
verlautete Brahms gegenüber Clara Schumann und gab ihm liebevoll den Kosenamen „Fräulein Klarinette“. Diese Liebe zur Klarinette spürt man vor allem in Opus 114. Brahms gelingt eine faszinierend
heterogene Mischung aus dem warmen Timbre der Klarinette und dem sanften Klang des Cellos.
Zunächst beginnt das Trio erst einmal „gewöhnlich“: Ein aufsteigender Molldreiklang im Cello führt
schließlich zum Grundton zurück. Dann tritt die Klarinette hinzu und dieser Anfang bekommt eine
ganz andere Wendung. Mit dem gleichen Motiv wie im Cello begonnen, entwickelt sich das Motiv
nun weiter und wird durch Wiederholung intensiviert. Diesmal kehrt es nicht zum Anfangspunkt
zurück, sondern steigt in die Tiefen hinab, wo es langsam verklingt. Dennoch empfindet man keinen
wirklichen Abschluss. Es bleibt die Frage im Raum, was nun folgen mag. Und diese wird sogleich
durch eine rhythmische Bewegung im Klavier beantwortet, welche den Anstoß für die weitere
Entwicklung dieses ersten Satzes gibt. Kernstück des Trios ist aber der 2. Satz, indem sich über der
figurativen Thematik des Klaviers ein geradezu beseeltes Intermezzo zwischen Klarinette und Cello
entwickelt. Das Andante grazioso mit seinem volkstümlichen Charakter wirkt danach fast trivial. Die
ersten Takte des letzten Satzes scheinen ein stürmisches Finale zu verheißen. Doch so schnell wie sich
diese sprudelnde Bewegung entfaltet, so plötzlich kommt sie auch wieder ins Stocken und das nun
einsetzende zweite Thema im Cello ist durch und durch von Zurückhaltung geprägt. Wie von weit
her erklingen Motive aus Brahms 4. Sinfonie. Doch diese milden Töne sind nicht von langer Dauer: In
äußerster Verknappung, ohne die Themen recht zu verarbeiten, bringt Brahms diesen Satz zu einem
hastigen Ende. Man spürt gerade bei diesem letzten Satz Brahms´ Zwiespältigkeit der späten Jahre.
„der Mut, auf einem solchen Zweifel zu beharren, ist der eines älteren Mannes, vieles andere könnte
auch von einem jungen, etwas mutwilligen Komponisten stammen. Aber dieser melancholische
Schluss, gelassen wiederholte Zweifel, das ist Brahms 1891.“ (Jan Reichow)
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