Analysis 3 Anton Deitmar Wintersemester 2014/15 Inhaltsverzeichnis 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 5 11 14 Integration 2.1 Integrale positiver Funktionen . . 2.2 Integrale komplexer Funktionen . 2.3 Parameter und Riemann-Integrale 2.4 Komplexwertige Maße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 31 37 41 45 Lp -Räume 3.1 Einige Ungleichungen . . . . . . . . . . 3.2 Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Hilbert-Räume . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Der Satz von Lebsgue-Radon-Nikodym . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 49 51 55 65 4 Produktintegral 4.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Produktmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Der Satz von Fubini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 70 72 77 5 Allgemeine Topologie 5.1 Abstrakte Topologie . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Kompaktheit und das Lemma von Urysohn 5.4 Erzeuger und Abzählbarkeit . . . . . . . . . 5.5 Initial- und Final-Topologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 81 84 86 91 94 Differentialformen 6.1 Mannigfaltigkeiten . . . . . . . . . . . 6.2 Derivationen . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Multilineare Algebra . . . . . . . . . . 6.4 Zurückziehen von Differentialformen 2 3 6 7 Maßtheorie 1.1 σ-Algebren . . . . . . . 1.2 Messbare Abbildungen 1.3 Maße . . . . . . . . . . . 1.4 Das Lebesgue-Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 . 99 . 103 . 109 . 117 Der Satz von Stokes 7.1 Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Teilung der Eins . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Orientierung von Hyperflächen . . . . . . 7.4 Der Stokessche Satz für den Rn . . . . . . . 7.5 Holomorphe Funktionen . . . . . . . . . . 7.6 Poincaré Lemma . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Die Stokes-Formel für Mannigfaltigkeiten 7.8 Der Brouwersche Fixpunktsatz . . . . . . . 7.9 De Rham Kohomologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 120 120 124 130 133 136 141 143 145 148 Analysis 3 1 2 Maßtheorie 1.1 σ-Algebren Eine σ-Algebra ist ein System von Teilmengen einer gegebenen Menge X, das abgeschlossen ist unter abzählbaren Vereinigungen und Komplementbildung. Dies sind die grundlegenden Mengensysteme, auf denen Maße definiert werden können. Definition 1.1.1. Eine σ-Algebra A auf einer Menge X ist eine Teilmenge A ⊂ P(X) der Potenzmenge so dass • ∅∈A, • A ∈ A ⇒ Ac ∈ A , • A1 , A2 , · · · ∈ A ⇒ ∞ [ A j ∈ A . j=1 Hierbei wird wie üblich das Komplement einer Menge A als Ac = X r A geschrieben. Ein Paar (X, A ) bestehend aus einer Menge X und einer σ-Algebra A auf X heißt Messraum. Die Mengen in A nennt man messbare Mengen. Man beachte, dass nur abzählbare Vereinigungen wieder in der σ-Algebra liegen, nicht beliebige Vereinigungen, wie bei einer Topologie. Lemma 1.1.2. Ist A eine σ-Algebra auf X und sind A1 , A2 , . . . Elemente von T A , dann ist auch der Schnitt ∞ j=1 A j in A . Sind A, B ∈ A , so ist auch die mengentheoretische Differenz A r B in A . Analysis 3 3 Beweis. Jedes Acj liegt in A und damit auch \ j Beispiele 1.1.3. c [ A j = Acj und A r B = A ∩ Bc . j • Für jede Menge X sind {∅, X} und P(X) selbst schon σ-Algebren. • Sei X eine überabzählbare Menge und sei A das System aller Teilmengen A ⊂ X so dass entweder A oder Ac abzählbar ist. Dann ist A eine σ-Algebra, genannt die abzählbar-coabzählbar σ-Algebra. Definition 1.1.4. Man macht sich leicht klar, dass der Schnitt einer beliebigen Familie von σ-Algebren wieder eine σ-Algebra ist. Ist daher E ⊂ P(X) irgendeine Teilmenge, so existiert eine kleinste σ-Algebra A (E ), die E enthält, genannt die von E erzeugte σ-Algebra. Man erhält sie, indem man alle σ-Algebren, die E enthalten, schneidet: \ A (E ) = B. B⊃E B ist σ-Algebra Beispiel 1.1.5. Ist (X, O) ein topologischer Raum, dann nennt man die von der Topologie O erzeugte σ-Algebra die Borel-σ-Algebra. Sie enthält alle offenen und alle abgeschlossenen Mengen. Die Elemente dieser Algebra heißen Borel-messbare Mengen. Proposition 1.1.6. Die Borel-σ-Algebra auf R wird erzeugt von • der Menge aller offenen Intervalle (a, b), oder der Menge aller abgeschlossenen Intervalle [a, b], • der Menge aller links halboffenen Intervalle (a, b], oder der Menge aller rechts halboffenen Intervalle [a, b), Analysis 3 4 • der Menge aller Intervalle der Form (−∞, a) mit a ∈ R, oder der Menge aller Intervalle (−∞, a], • der Menge aller Intervalle der Form (a, ∞) mit a ∈ R, oder der Menge aller Intervalle [a, ∞). Die analogen Resultate gelten für die erweiterten reellen Zahlen [−∞, +∞] = R ∪ {−∞, +∞}. Später in Satz 1.4.13 wird gezeigt, dass nicht jede Teilmenge von R zur Borel σ-Algebra gehört. Beweis. Sei O die Topologie auf R und sei J die Menge aller offenen Intervalle. Da J ⊂ O, folgt A (J ) ⊂ A (O). Andererseits ist jede offene Menge eine abzählbare Vereinigung von offenen Intervallen, also ist auch A (O) ⊂ A (J ). Jedes abgeschlossene Intervall [a, b] ist ein abzählbarer Schnitt von offenen Intervallen: [a, b] = \ n∈N 1 1 a − ,b + . n n Andererseits ist jedes offene Intervall (a, b) eine abzählbare Vereinigung abgeschlossener Intervalle: (a, b) = [ n∈N 1 1 a + ,b − . n n Damit erzeugen die abgeschlossenen Intervalle dieselbe σ-Algebra wie die offenen. Die anderen Fälle werden ähnlich behandelt. Analysis 3 1.2 5 Messbare Abbildungen Definition 1.2.1. Sind (X, A ) und (Y, B) Messräume, so heißt eine Abbildung f : X → Y eine messbare Abbildung, falls f −1 (B) ∈ A für jedes B ∈ B. Mit anderen Worten, eine Abbildung ist messbar, wenn Urbilder messbarer Mengen messbare Mengen sind. Diese Definition steht in perfekter Analogie zur Definition der Stetigkeit von Abbildungen zwischen topologischen Räumen. Eine Abbildung f : X → Y von einem Messraum in einen topologischen Raum Y nennt man Borel-messbar, wenn sie bezüglich der Borel-σ-Algebra messbar ist. Proposition 1.2.2. Seien (X, A ) und (Y, B) Messräume. Ist E ein Erzeuger der σ-Algebra B, so ist eine Abbildung f : X → Y genau dann messbar, wenn f −1 (E) ∈ A für jedes E ∈ E. Insbesondere ist jede stetige Abbildung zwischen topologischen Räumen messbar, wenn man Definitionsbereich und Bildbereich mit der jeweiligen Borel-σ-Algebra versieht. Beweis. Ist f messbar, so ist die Bedingung klar. Für die Umkehrung sei f −1 (E ) ⊂ A . Setze n o f∗ A = B ⊂ Y : f −1 (B) ∈ A . Die Menge f∗ A ist eine σ-Algebra auf Y, denn zunächst ist ∅ ∈ f∗ A , denn f −1 (∅) = ∅ ∈ A . Ist weiter B ∈ f∗ A , dann folgt Analysis 3 6 f −1 (Bc ) = f −1 (B)c ∈ A . Seien schließlich B1 , B2 , . . . in f∗ A , dann ist [ [ f −1 B j = f −1 (B j ) ∈ A , j also folgt S j Bj j ∈ f∗ A . Damit ist f∗ A eine σ-Algebra, die den Erzeuger E enthält, damit enthält sie auch B und daher ist f messbar. Insbesondere folgt, dass eine Abbildung f von einem Messraum in einen topologischen Raum genau dann Borel-messbar ist, wenn für jede offene Menge U das Urbild f −1 (U) messbar ist. Satz 1.2.3. Seien X, Y, Z Messräume und seien f : X → Y und g : Y → Z messbare Abbildungen. Dann ist g ◦ f : X → Z messbar. Beweis. Sei C ⊂ Z messbar, dann ist g−1 (C) ⊂ Y messbar, also ist (g ◦ f )−1 (C) = f −1 g−1 (C) ⊂ X messbar. Definition 1.2.4. Eine messbare Abbildung f : X → R oder f : X → C von einem Messraum X heißt messbare Funktion. Hierbei werden R und C mit der jeweiligen Borel-σ-Algebra versehen. Satz 1.2.5. Seien u, v : X → R messbare Funktionen und sei Φ : R2 → Y eine stetige Abbildung in einen topologischen Raum Y. Definiere h(x) = Φ (u(x), v(x)) für x ∈ X. Dann ist h : X → Y messbar. Analysis 3 7 Beweis. Auch R2 wird mit der Borel-σ-Algebra versehen, also der σ-Algebra, die von den offenen Mengen in R2 erzeugt wird. Sei f (x) = (u(x), v(x)), dann ist f eine Abbildung von X nach R2 . Nach Proposition 1.2.2 und Satz 1.2.3 reicht es, zu zeigen, dass f messbar ist. Ist R = I × J ein offenes Rechteck in R2 , dann ist f −1 (R) = u−1 (I) ∩ v−1 (J), also ist f −1 (R) messbar. jede offene Menge V in R2 ist eine abzählbare Vereinigung von offenen Rechtecken Ri und da ∞ ∞ [ [ −1 −1 f (V) = f Ri = f −1 (Ri ) i=1 i=1 messbar ist, ist die Abbildung f messbar. Proposition 1.2.6. a) Ist f = u + iv, wobei u, v reellwertige messbare Funktionen sind, dann ist f eine komplexwertige messbare Funktion. b) Ist f = u + iv eine komplexwertige messbare Funktion, dann sind u, v und | f | messbare Funktionen. c) Sind f, g komplexwertige messbare Funktionen, so sind f + g und f g messbar. d) Ist A ⊂ X eine messbare Menge, dann ist 1A eine messbare Funktion. Hierbei ist 1 1A (x) = 0 x ∈ A, x < A, die charakteristische Funktion der Menge A. e) Ist f eine komplexe messbare Funktion, dann existiert eine komplexe messbare Funktion α mit |α| = 1 so dass f = α| f |. Beweis. (a) folgt aus Satz 1.2.5 mit Φ(x, y) = x + iy. (b) und (c) folgen ebenfalls leicht aus diesem Satz. (d) ist offensichtlich. Analysis 3 8 Für (e) sei A = f −1 ({0}), dann ist A messbar und also 1A messbar. Sei φ(z) = z/|z| für z , 0 und setze α(x) = φ f (x) + 1A (x) . Dann hat α die verlangten Eigenschaften. Definition 1.2.7. Zum Begriff des Limes Superior: Sei a1 , a2 , . . . eine Folge reeller Zahlen und sei n o bn = sup an , an+1 , . . . Dann ist die Folge bn ∈ R ∪ {+∞} monoton fallend. Daher existiert der Limes limn→∞ bn in [−∞, +∞]. Er wird der Limes superior der Folge (ak ) genannt und in der Form lim supn→∞ an oder limn→∞ an geschrieben. Das heißt, es gilt lim an = lim sup an = lim sup ak . n n n k≥n Analog definiert man den Limes inferior als lim an = lim inf an = lim inf ak . n→∞ n→∞ n k≥n Es gilt stets limn an ≤ limn an und die Folge (an ) konvergiert genau dann in [−∞, +∞], wenn die beiden gleich sind. Ferner ist der Limes inferior der kleinste Häufungspunkt der Folge und der Limes superior der größte. Sei fn eine Folge von Funktionen auf X mit Werten in [−∞, ∞]. Dann sind supn fn und limn fn die Funktionen (sup fn )(x) = sup fn (x) , n n (lim fn )(x) = lim fn (x) . n n Analysis 3 9 Konvergiert die Folge fn (x) für jedes x, dann wird die Funktion f (x) = lim fn (x) n der punktweise Limes der Folge fn genannt. Satz 1.2.8. Ist fn : X → [−∞, ∞] messbar für jedes n ∈ N, dann sind die Funktionen g = lim fn und n h = lim fn n messbar. Beweis. Es reicht, die Messbarkeit von g einzusehen. Der Beweis fuer h geht dann analog. Zunächst ist g −1 ∞ [ ∞ \ −1 (a, ∞] = fn (a, ∞] . k=1 n=k Um dies einzusehen betrachte x ∈ R, es gilt x ∈ g−1 ((a, ∞]) ⇔ g(x) > a ⇔ lim fn (x) > a n ⇔ fn (x) > a für unendlich viele n ⇔ für jedes n gibt es ein k ≥ n mit fk (x) > a ⇔ für jedes n gibt es ein k ≥ n mit x ∈ fk−1 ((a, ∞]) [ ⇔ für jedes n gilt x ∈ fk−1 ((a, ∞]) k≥n ⇔x∈ ∞ [ \ fk−1 ((a, ∞]). n=1 k≥n Die Menge fk−1 ((a, ∞]) ist für jedes k messbar, daher ist für jedes n die Analysis 3 Menge S 10 −1 k≥n fk ((a, ∞]) messbar, also ist auch die Menge ∞ [ \ fk−1 ((a, ∞]) = g−1 ((a, ∞]) n=1 k≥n messbar. Die Intervalle der Form (a, ∞] erzeugen nach Proposition 1.1.6 die σ-Algebra auf [−∞, ∞] und nach Proposition 1.2.2 ist g messbar. Korollar 1.2.9. a) Der punktweise Limes von messbaren komplexen Funktionen ist messbar. b) Sind f, g : X → [−∞, ∞] messbar, dann sind auch max( f, g) sowie min( f, g) messbar. Insbesondere sind f+ = max( f, 0) und f− = − min( f, 0) messbar. Beweis. (a) Sei f = limn fn . Man zerlegt f und die Funktionen fn in Realund Imaginärteil und kann so annehmen, dass alle Funktionen reellwertig sind. Dann ist aber f = limn fn und damit messbar nach dem Satz. Die Aussage (b) folgt aus Satz 1.2.5, da die Funktion Φ(x, y) = max(x, y) stetig ist. Definition 1.2.10. Eine einfache Funktion auf einem Messraum X ist eine messbare Funktion s : X → C, die nur endlich viele Werte annimmt, für die es also disjunkte messbare Mengen A1 , . . . , An ⊂ X gibt, so dass s= n X j=1 für eindeutig bestimmte c j ∈ C. c j 1A j Analysis 3 11 Satz 1.2.11. Sei f : X → [0, ∞] eine messbare Funktion. Dann gibt es einfache Funktionen sn : X → [0, ∞) so dass die Folge (sn ) punktweise gegen f konvergiert und stets sn ≤ sn+1 gilt. Das heißt, jede nichtnegative messbare Funktion ist punktweise monotoner Limes von einfachen Funktionen. Beweis. Für n ∈ N und 1 ≤ j ≤ n2n sei " !! j j − 1 , und En, j = f −1 2n 2n Setze Fn = f [n, ∞] . −1 n2n X j−1 sn = 1En, j + n1Fn . 2n j=1 Die Mengen En, j und Fn sind messbar und die Folge sn konvergiert monoton wachsend gegen f . 1.3 Maße Ein Maß ist eine abzählbar additive Funktionen auf einer σ-Algebra. Additivität auf beliebigen Familien wäre zuviel verlangt, denn dann wäre jedes Maß, das einelementige Mengen {x} auf Null abbildet, schon identisch Null. Definition 1.3.1. Ein Maß auf einer σ-Algebra A ist eine Abbildung µ : A → [0, ∞], Analysis 3 12 die σ-additiv ist, d.h., es gilt ∞ ∞ [ X µ A j = µ(A j ), j=1 j=1 falls die A j ∈ A disjunkt sind. Um das triviale Beispiel auszuschließen, verlangt man noch, dass es ein A ∈ A gibt, mit µ(A) < ∞. Ein Maß µ heißt endlich, wenn µ(X) < ∞ gilt. Beispiele 1.3.2. • Das Zählmaß auf einer beliebigen Menge X ist erklärt durch |A| falls A endlich, µ(A) = ∞ sonst. Das Zählmaß ist auf der ganzen Potenzmenge P(X) erklärt. • Ist X eine Menge und x0 ∈ X ein Punkt, dann ist die Abbildung δx0 : P(X) → R, 1 x0 ∈ A, δx0 (A) = 0 x < A, ein Maß, genannt das Punktmaß in x0 . • Nun ein Beispiel eines Maßes, das nicht auf der ganzen Potenzmenge erklärt ist. Sei X eine überabzählbare Menge und A die (co-)abzählbar σ-Algebra. Definiere ein Maß µ auf A durch 0 falls A abzählbar, µ(A) = 1 falls Ac abzählbar. • Ist (X, O) ein topologischer Raum, so heißt ein Maß µ, das auf der Borel-σ-Algebra erklärt ist, ein Borel-Maß auf X. • Später wird gezeigt werden, dass es ein Borel-Maß λ auf R gibt, so Analysis 3 13 dass λ [a, b] = b − a für alle a < b in R gilt. Analog gibt es ein Borel-Maß λn auf Rn , das jedem Quader sein natürliches Volumen zuordnet. Das Maß λn ist eindeutig bestimmt, es wird das Lebesgue-Maß auf Rn genannt. Es folgt, dass λ({x}) = 0 für jedes x ∈ R und folglich ist λ(M) = 0 für jede abzählbare Menge M ⊂ R. Definition 1.3.3. Ein Tripel (X, A , µ) bestehend aus einer Menge X, einer σ-Algebra A auf X und einem Maß µ auf A nennt man einen Maßraum. Satz 1.3.4. Sei (X, A , µ) ein Maßraum. a) Es gilt µ(∅) = 0. b) Das Maß µ ist endlich additiv, d.h. für paarweise disjunkte Mengen A1 , . . . , An ∈ A gilt µ(A1 ∪ · · · ∪ An ) = µ(A1 ) + · · · + µ(An ). c) Das Maß ist monoton, d.h. für A, B ∈ A mit A ⊂ B gilt µ(A) ≤ µ(B). d) Das Maß µ ist stetig von unten, d.h., ist (An )n∈N eine aufsteigende S Familie messbarer Mengen, also An ⊂ An+1 und gilt A = ∞ n=1 An , so konvergiert µ(An ) für n → ∞ gegen µ(A). e) Das Maß µ ist bedingt stetig von oben, d.h., ist A = T∞ n=1 An An ∈ A und An ⊃ An+1 , und gilt außerdem µ(A1 ) < ∞, so konvergiert µ(An ) für n → ∞ gegen µ(A). mit Analysis 3 14 Bemerkung: Die Bedingung µ(A1 ) < ∞ im letzten Beispiel ist wirklich erforderlich, wie das Beispiel des Lebesgue-Maßes λ zeigt, denn mit An = (n, ∞) hat man A = ∅, aber λ(An ) = ∞ für jedes n. Beweis. (a) Nach Voraussetzung gibt es ein A ∈ A mit µ(A) < ∞. Sei nun A1 = A und A2 = A3 = · · · = ∅. Dann sind die A j paarweise disjunkt und es folgt ∞ X j=1 [ µ(A j ) = µ A j = µ(A1 ) = µ(A) < ∞. j Daraus folgt µ(∅) = µ(A2 ) = 0. Die Aussage (b) ist klar indem man Ak = ∅ für k > n setzt und die σ-Additivität ausnutzt. Teil (c) folgt aus · und also µ(B) = µ(A) + µ(C) ≥ µ(A). (b), denn mit C = B r A ist B = A∪C Für (d) sei Bn = An r An−1 , falls n ≥ 2 und B1 = A1 . Dann ist A die P disjunkte Vereinigung der B j und also konvergiert µ(An ) = nj=1 µ(B j ) gegen µ(A). Für (e) sei Bn = A1 r An , dann ist Bn ⊂ Bn+1 und S n Bn = A1 r A. Also konvergiert µ(Bn ) = µ(A1 ) − µ(An ) gegen µ(A1 ) − µ(A), da µ(A1 ) < ∞, folgt µ(An ) → µ(A). 1.4 Das Lebesgue-Maß Das Ziel dieses Abschnitts ist es, ein Maß auf der Borel-σ-Algebra von R zu konstruieren, das den Intervallen ihre Länge zuordnet, sowie die Eindeutigkeit eines solchen Maßes zu zeigen. Ein vernünftiger Ansatz scheint zu sein, eine beliebige Menge durch Intervalle zu überdecken, deren Längen zu addieren und das Infimum über alle Überdeckungen zu nehmen. Analysis 3 15 Definition 1.4.1. Für A ⊂ R setze ∞ ∞ X [ η(A) = inf L(I ) : I Intervalle, A ⊂ I . j j j j=1 j=1 Hierbei bezeichnet L(I) die Länge eines Intervalls I. Proposition 1.4.2. Die Abbildung η hat folgende Eigenschaften: a) η(∅) = 0, b) η ist monoton, d.h.: A ⊂ B ⇒ η(A) ≤ η(B), S P∞ c) η ist abzählbar subadditiv, d.h. η ∞ A j=1 j ≤ j=1 η(A j ). Beweis. (a) Für A = {a1 , a2 , . . . } und gegebenes ε > 0 definiere die P Intervalle I j = (a j − 2 εj+1 , a j + 2 εj+1 ). Dann ist η(A) ≤ j L(I j ) ≤ ε. Da ε beliebig ist, folgt η(A) = 0. Die Aussage (b) ist klar. Teil (c) folgt aus der Tatsache, dass man abzählbare Überdeckungen der A j zu einer abzählbaren Überdeckung der Vereinigung zusammenfassen kann. Die Abbildung η, ist sogar auf der ganzen Potenzmenge definiert, allerdings ist sie nur subadditiv. Es wird sich allerdings zeigen, dass sie auf der Borel-σ-Algebra tatsächlich ein Maß ist. Dazu betrachtet man allgemeiner Abbildungen, die die oben genannten Eigenschaften von η haben und zeigt, dass sie auf geeigneten σ-Algebren schon Maße sind. Definition 1.4.3. Sei X eine Menge. Ein äußeres Maß ist eine Abbildung η : P(X) → [0, ∞] mit • η(∅) = 0, • η ist monoton: gilt A ⊂ B, so ist η(A) ≤ η(B), Analysis 3 16 • η ist σ-subadditiv: für jede Folge A j von Teilmengen von X ist ∞ ∞ [ X η An ≤ η(An ). n=1 n=1 Der nun folgende Messbarkeitsbegriff stammt von dem griechischen Mathematiker Constantin Carathéodory und stellt einen ebenso geschickten, wie überraschenden Kunstgriff dar. Definition 1.4.4. sei η ein äußeres Maß auf X. Eine Menge E ⊂ X heißt η-messbar, falls für jede Teilmenge Q ⊂ X gilt η(Q) = η(Q ∩ E) + η(Q ∩ Ec ). Da η subadditiv ist, ist diese Eigenschaft äquivalent zu η(Q) ≥ η(Q ∩ E) + η(Q ∩ Ec ). Sei L die Menge aller η-messbaren Teilmengen von X. Proposition 1.4.5. a) E ∈ L ⇔ Ec ∈ L . b) ∅ ∈ L und X ∈ L . c) η(E) = 0 ⇒ E ∈ L . d) E, F ∈ L ⇒ E ∪ F ∈ L . e) E, F ∈ L ⇒ E ∩ F ∈ L , E r F ∈ L . Beweis. (a) ist klar, da die Definition symmetrisch ist. Aussage (b) ist klar. Für (c) sei η(E) = 0. Für eine beliebige Teilmenge Q ⊂ X folgt wegen der Monotonie, dass 0 ≤ η(Q ∩ E) ≤ η(E) = 0, Analysis 3 17 also η(Q ∩ E) = 0 und damit, wieder wegen Monotonie η(Q) ≥ η(Q ∩ Ec ) = η(Q ∩ E) + η(Q ∩ Ec ), also ist E messbar. Für (d) seien E, F ∈ L und sei Q ⊂ X beliebig. Wegen der Messbarkeit von E und F ergibt sich η Q ∩ (E ∪ F)) + η(Q ∩ (E ∪ F)c = η(Q ∩ (E ∪ F) ∩ E) + η(Q ∩ (E ∪ F) ∩ Ec ) + η(Q ∩ Ec ∩ Fc ∩ E) + η(Q ∩ Ec ∩ Fc ∩ Ec ) | {z } =∅ = η(Q ∩ E) + η(Q ∩ F ∩ Ec ) + η(Q ∩ Ec ∩ Fc ) | {z } =η(Q∩Ec ) = η(Q ∩ E) + η(Q ∩ Ec ) = η(Q). Damit ist (d) bewiesen. Schließlich folgt (e) aus E ∩ F = (Ec ∪ Fc )c und E r F = E ∩ Fc . Satz 1.4.6. Sei η ein äußeres Maß auf einer Menge X und sei L das System der η-messbaren Mengen. Dann ist L eine σ-Algebra und η|L ist ein Maß. Beweis. Das System L enthält die leere Menge und ist stabil unter Komplementbildung. Es bleibt also zu zeigen, dass es stabil unter abzählbaren Vereinigungen ist. Seien E1 , E2 , · · · ∈ L . Es ist zu zeigen, S S dass E = j E j in L liegt. Die Mengen Fn = En r j<n E j liegen in L und ihre Vereinigung ist E, so dass angenommen werden kann, dass die E j paarweise disjunkt sind. Analysis 3 18 Lemma 1.4.7. Für jedes Q ⊂ X gilt n n [ X η Q ∩ E j = η(Q ∩ E j ) j=1 j=1 und ebenso für n → ∞, ∞ ∞ [ X η Q ∩ E j = η(Q ∩ E j ) j=1 j=1 Beweis. Da En ∈ L , gilt n n n [ [ [ η Q ∩ E j = η Q ∩ E j ∩ En + η Q ∩ E j ∩ Ecn j=1 j=1 j=1 n−1 [ = η(Q ∩ En ) + η Q ∩ E j . j=1 Mit Induktion folgt die erste Aussage des Lemmas. Für die zweite beachte n n ∞ [ [ X η(Q ∩ E j ). E j = η Q ∩ E j ≥ η Q ∩ j=1 j=1 j=1 Mit n → ∞ wird daraus η Q ∩ S∞ j=1 E j ≥ P∞ j=1 η(Q ∩ E j ). Die andere Ungleichung folgt aus der Subadditivität. Zum Beweis des Satzes sei Q ⊂ X und sei E = S j E j. Dann gilt c n n n [ [ X η(Q) = η Q ∩ E j + η Q ∩ E j ≥ η(Q ∩ E j ) + η(Q ∩ Ec ). j=1 j=1 j=1 Analysis 3 19 Für n → ∞ folgt ∞ X η(Q) ≥ η(Q ∩ E j ) + η(Q ∩ Ec ) = η(Q ∩ E) + η(Q ∩ Ec ). j=1 Damit ist E messbar und also ist L eine σ-Algebra. Schließlich, dass η|L in Maß ist, folgt aus Lemma 1.4.7 mit Q = X. Nun zurück zu X = R und dem äußeren Maß η, das durch Überdeckungen durch Intervalle definiert ist. Das äußere Maß η wird das Lebesguesche äußere Maß genannt. Proposition 1.4.8. Sei η das Lebesguesche äußere Maß auf R. Für jedes Intervall I ⊂ R gilt η(I) = L(I). Ferner ist jedes Intervall η-messbar. Beweis. Man kann I durch sich selbst überdecken und erhält also S η(I) ≤ L(I). Ist andererseits I ⊂ j I j mit Intervallen I j , so folgt P j L(I j ) ≥ L(I). Für die zweite Aussage ist zu zeigen, dass für ein Intervall I und jede Teilmenge Q ⊂ R die Abschätzung η(Q ∩ I) + η(Q ∩ Ic ) ≤ η(Q) gilt. Sei nun ε > 0 und Q ⊂ S j Ij eine abzählbare Überdeckung durch Intervalle mit η(Q) ≤ X L(I j ) < η(Q) + ε. j Dann ist I j ∩ I eine abzählbare Überdeckung von Q ∩ I durch Intervalle, P also gilt η(Q ∩ I) ≤ j L(I j ∩ I). Jedes I j ∩ Ic ist die Vereinigung von höchstens zwei Intervallen. Die Summen der Längen dieser Intervalle wird mit L(I j ∩ Ic ) bezeichnet. Es folgt L(I j ) = L(I j ∩ I) + L(I j ∩ Ic ). Analysis 3 20 Die Folge (I j ∩ Ic ) ist eine abzählbare Überdeckung von Q ∩ Ic durch P Intervalle, also folgt auch η(Q ∩ Ic ) ≤ j L(I j ∩ Ic ). Zusammen gibt das η(Q ∩ I) + η(Q ∩ I ) ≤ c X L(I j ∩ I) + L(I j ∩ I ) = j c X L(I j ) < η(Q) + ε. j Da ε beliebig ist, folgt η(Q ∩ I) + η(Q ∩ Ic ) ≤ η(Q), also ist I messbar. Definition 1.4.9. Eine Menge E ⊂ R heißt Lebesgue-messbar, wenn sie messbar bezüglich des Lebesgueschen äußeren Maßes η ist. Die Menge aller L Lebesgue-messbaren Teilmengen von R wird auch die Lebesgue-σ-Algebra genannt. Satz 1.4.10. L ist eine σ-Algebra, die die Borel-σ-Algebra umfasst und die translationsinvariant ist in dem Sinne dass A + x ∈ L gilt für jedes A ∈ L und jedes x ∈ R. Ferner ist λ = η|L ein Maß, das translationsinvariant ist, d.h., λ(A + x) = λ(A) für jedes A ∈ L . Beweis. Das äußere Maß η ist translationsinvariant, da die Längenfunktion auf Intervallen translationsinvariant ist. Die Translationsinvarianz von L folgt aus der Translationsinvarianz von η. Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass L eine σ-Algebra ist, also folgt schon, dass es die Borel-σ-Algebra B umfasst, da L alle Intervalle enthält, die ja die σ-Algebra B erzeugen. Satz 1.4.11 (Eindeutigkeit des Lebesgue-Maßes). Ist B die Borel-σ-Algebra auf R und ist µ ein Maß auf B mit µ(I) = L(I) für jedes Intervall, dann ist µ = η|B . Analysis 3 21 Beweis. Sei µ wie im Satz und sei A ∈ B. Ist A ⊂ S j Ij eine abzählbare Überdeckung durch Intervalle, dann ist X [ X µ(A) ≤ µ I j ≤ µ(I j ) = L(I j ). j j j Nimmt man das Infimum der rechten Seite, erhält man für jede Teilmenge A ⊂ R die Abschätzung µ(A) ≤ η(A). Für k ∈ Z sei Ak = A ∩ [k, k + 1). Dann gilt 1 − µ(Ak ) = µ [k, k + 1) r Ak ≤ η [k, k + 1) r Ak = 1 − η(Ak ), also µ(Ak ) ≥ η(Ak ), mithin also µ(Ak ) = η(Ak ), woraus folgt µ(A) = X k µ(Ak ) = X η(Ak ) = η(A). k Analog sieht man, dass auf Rn genau ein Borel-Maß existiert, das jedem Quader sein euklidisches Volumen zuordnet. Die Existenz nichtmessbarer Mengen Hier soll gezeigt werden, dass die Lebesgue-σ-Algebra L nicht gleich der ganzen Potenzmenge von R ist. Das heißt also, dass es Mengen gibt, die nicht Lebesgue-messbar sind. Definition 1.4.12. Sei ∼ eine Äquivalenzrelation auf einer Menge M. Ein Vertretersystem von ∼ ist eine Teilmenge R ⊂ M so dass es zu jedem m ∈ M genau ein r ∈ R gibt, so dass m ∼ r. Das heißt also, dass R jede Äquivalenzklasse in genau einem Punkt schneidet. Die Existenz eines Vertretersystems für jede Äquivalenzrelation folgt aus dem Auswahlaxiom. Analysis 3 22 Satz 1.4.13. Es gibt Teilmengen von R, die nicht Lebesgue-messbar sind. Beweis. Auf dem Einheitsintervall [0, 1] betrachte die Äquivalenzrelation x∼y ⇔ y − x ∈ Q. Sei R ⊂ I ein Vertretersystem. Dann ist R nicht Lebesgue-messbar, denn angenommen, R ist messbar, dann ist das Maß λ(R) definiert. Da R ⊂ [0, 1], ist 0 ≤ λ(R) ≤ 1. Sei [ M= (q + R) q∈Q∩[−1,1] da q + R und q0 + R disjunkt sind falls q , q0 , so folgt λ(M) = X X λ(q + R) = q∈Q∩[−1,1] λ(R), q∈Q∩[−1,1] wobei im letzten Schritt die Translationsinvarianz von λ benutzt wurde. Da diese Summe unendlich ist, folgt λ(M) = 0 oder λ(M) = ∞, je nachdem, ob λ(R) = 0 oder nicht. Es gilt aber [0, 1] ⊂ M ⊂ [−1, 2], was also 0 < λ(M) < ∞ zur Folge hat, ein Widerspruch! Satz 1.4.14. a) Jede offene Menge U ⊂ R ist eine disjunkte abzählbare Vereinigung offener Intervalle. b) Ist U = [ · ∞ j=1 I j wie in (a), so folgt λ(U) = ∞ X j=1 L(I j ). Analysis 3 23 c) Für jede Lebesgue-messbare Menge E ⊂ R gilt λ(E) = inf λ(U). U⊃E U offen Man sagt hierzu, das Lebesgue-Maß ist regulär von außen. d) Für jede Lebesgue-messbare Menge A ⊂ R, gilt λ(A) = sup λ(K). K⊂A K kompakt Man sagt hierzu, das Lebesgue-Maß ist regulär von innen. Beweis. Sei ∅ , U ⊂ R offen. Für jedes x ∈ U sei Ux = [ I. x∈I⊂U I offenes Intervall Dann ist Ux eine Vereinigung offener Mengen, also offen. Die Menge U ist sogar ein Intervall, denn mit a, b ∈ Ux und a ≤ b folgt [a, b] ⊂ Ux wie man leicht sieht, indem man die Fälle a ≤ x ≤ b, sowie a ≤ b ≤ x und x ≤ a ≤ b separat betrachtet. Es wird nun gezeigt, dass die Intervalle Ux paarweise gleich oder disjunkt sind, somit also U disjunkt in offene Intervalle zerlegen. Hierzu reicht es zu zeigen, dass für je zwei x, y ∈ U gilt Ux = U y oder Ux ∩ U y = ∅. Es gelte also Ux ∩ U y , ∅. Es reicht Ux ⊂ U y zu zeigen, denn die Umkehrung gilt dann aus Symmetriegründen. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit werde x < y angenommen. Da Ux und U y Intervalle sind, Analysis 3 24 gibt es also ein x < z < y mit z ∈ Ux ∩ U y . Sei nun a ∈ Ux beliebig und sei L ⊂ Ux ein offenes Intervall, das x und a enthält. Sei I ⊂ Ux ein offenes Intervall mit x, z ∈ I und sei J ⊂ U y ein offenes Intervall mit z, y ∈ J. Dann ist I ∪ J ∪ L ein offenes Intervall in U, das x, y, z und a enthält. Damit folgt a ∈ U y , also aus Symmetrie Ux = U y . S Es gilt demnach U = · α∈M Uα mit offenen Intervallen Uα . Da die Vereinigung disjunkt ist, können nur abzählbar viele von diesen Intervallen eine Länge > 1 n haben für gegebenes n ∈ N. Da dies für jedes n gilt, gibt es nur abzählbar viele solcher Intervalle , ∅. (b) ist klar. (c) Sei E ⊂ R Lebesgue-messbar. Ist λ(E) = ∞, so ist auch λ(U) = ∞ für jedes offene U ⊃ E und die Behauptung folgt. Sei also λ(E) < ∞. Sei S ε > 0 und sei (In ) eine Folge von Intervallen mit E ⊂ n In und λ(E) ≤ ∞ X L(In ) < λ(E) + ε/2. n=1 Zu jedem n wähle ein offenes Intervall Un ⊃ In mit Länge L(Un ) = L(In ) + ε/2n+1 . Dann ist λ(E) ≤ ∞ X L(Un ) < λ(E) + ε. n=1 Es existiert also eine offene Menge U ⊃ E mit λ(E) ≤ λ(U) < λ(E) + ε, S nämlich die offene Menge U = n Un . Die Aussage (c) folgt. Nun zu (d). Sei A ⊂ R Lebesgue-messbar und sei An = [−n, n] ∩ A. Angenommen, es gilt (d) für die beschränken Mengen An , dann gibt es zu jedem n eine Folge von Kompakta Knj mit Knj ⊂ Knj+1 ⊂ An so dass Analysis 3 25 λ(An ) = lim j λ(Knj ). Dann ist λ(A) = lim λ(An ) = lim lim λ(Knj ), n n j woraus (d) folgt. Es reicht also, (d) für eine beschränkte Menge A zu zeigen. Sei also A ⊂ (−T, T) für ein T > 0. Es ist dann λ(A) = 2T − λ((−T, T) r A) = 2T − inf λ(U). U⊃B | {z } U offen =B Es reicht, das Infimum über solche U zu erstrecken, die in (−T, T) liegen. Für ein solches U ist die Menge KU = (−T, T) r U kompakt, zumindest nach eventueller Vergrößerung von T, und es gilt KU ⊂ A. Ferner ist λ(U) = 2T − λ(KU ), also λ(A) = 2T − inf (2T − λ(KU )) U⊃B U offen = 2T − 2T + sup λ(KU ) ≤ U⊃B U offen sup λ(K) ≤ λ(A). K⊂A K kompakt Definition 1.4.15. Sei (X, A , µ) ein Maßraum. Eine Menge N ∈ A mit µ(N) = 0 heißt µ-Nullmenge oder einfach nur Nullmenge. Eine Eigenschaft, die außerhalb einer Nullmenge gilt gilt fast überall, oder µ-fast überall. Sind zum Beispiel zwei Funktionen f, g gleich außerhalb einer Nullmenge, sagt man, dass f = g fast überall gilt. Eine messbare Funktion f , die fast überall gleich Null ist, nennt man auch Nullfunktion. Die Menge der C-wertigen Nullfunktionen ist ein komplexer Vektorraum. Eine Nullmenge bezüglich des Lebesgue-Maßes heißt Lebesgue-Nullmenge. Beispiel 1.4.16. Das Cantor-Diskontinuum ist eine Analysis 3 26 Lebesgue-Nullmenge, die besondere Bedeutung hat, da sie auf Grund ihrer Eigenschaften für viele Aussagen als Gegenbeispiel dient. Es sei C0 := [0, 1] und C1 entstehe aus C0 indem man das offene innere Drittel (1/3, 2/3) entfernt. Als nächstes entsteht C2 aus C1 indem man aus jedem der beiden Teilintervalle das mittlere offene Drittel entfernt. Durch Wiederholung dieses Prozesses entsteht eine Folge Cn von Mengen, wobei Cn aus 2n abgeschlossenen Intervallen besteht und Cn+1 entsteht aus Cn , indem man bei jedem Teilintervall das mittlere offene Drittel entfernt. C0 [ C1 [ C2 [ ] ] [ ] [ ] [ ] ] [ ] Cn 3 Cn 3 Man kann den Konstruktionsschritt auch durch Cn+1 := ∪ + T∞ ausdrücken. Die Menge C := n=1 Cn wird das Cantor-Diskontinuum 2 3 genannt. Es gilt • Für x ∈ R gilt x ∈ C genau dann, wenn x= ∞ X xn 3−n , xn ∈ {0, 2} für alle n ∈ N, n=1 • Die Menge C hat die gleiche Kardinalität wie R, • Es gilt λ(C) = 0. Beweis. Das Cantor-Diskontinuum ist als Schnitt von abgeschlossenen Mengen wieder abgeschlossen, also messbar. Da Cn+1 aus Cn durch Entnahme eines Drittels entsteht, gilt λ(Cn+1 ) = 23 λ(Cn ), also λ(Cn ) = (2/3)n und diese Folge geht gegen Null, also ist C eine Nullmenge. Analysis 3 27 Nun zur triadischen Entwicklung. Ist x ∈ C0 , etwa x = beginnt die triadische Entwicklung von 2 3 x 3 P∞ −n n=1 xn 3 , dann mit einer Null und die von + x3 mit einer 2. Also enthält C1 genau die Zahlen mit einer triadischen Entwicklung, die mit einer 0 oder einer 2 beginnt. Dies setzt sich fort, so dass Cn genau die Zahlen mit einer triadischen Entwicklung enthält, deren erste n Ziffern nur aus Zweien und Nullen bestehen. Im Limes folgt die Behauptung. Schließlich folgt aus dem Vergleich der triadischen Entwicklung mit der dyadischen, dass die Abbildung C → [0, 1], ∞ X n=1 −n xn 3 7→ ∞ X x n −n n=1 2 2 eine Bijektion ist. Also ist C gleichmächtig zum Einheitsintervall und dies wiederum ist gleichmächtig zu R. Satz 1.4.17. Eine Menge A ⊂ R ist genau dann Lebesgue-messbar, wenn es zu jedem ε > 0 eine abgeschlossene Teilmenge C ⊂ R und eine offene Teilmenge U ⊂ R gibt, so dass C ⊂ A ⊂ U und λ(U r C) < ε gilt. Jede Lebesgue-messbare Menge A ist von der Gestalt A = F ∪ L, wobei F Borel-messbar ist und L ist Teilmenge einer Borel-messbaren Nullmenge. Die Lebesgue σ-Algebra L ⊂ P(R) hat die gleiche Mächtigkeit wie P(R). Man kann zeigen, dass die Borel-σ-Algebra B auf R die Mächtigkeit |R| hat. Die Algebra L ist also erheblich größer. Beweis. Sei A Lebesgue-messbar und sei ε > 0. Für k ∈ Z sei Ak = A ∩ [k, k + 1). Nach Satz 1.4.14 existiert ein Kompaktum Kk ⊂ Ak mit Analysis 3 28 λ(Ak r Kk ) < ε/2|k|+2 . Die Menge C = λ(A r C) < X S k Kk ist abgeschlossen und es gilt ε/2|k|+2 = ε/2. k∈Z Wieder nach Satz 1.4.14 existiert für jedes k ∈ Z eine offene Menge S Uk ⊃ Ak mit λ(Uk r Ak ) < ε/2|k|+2 . Mit der Bezeichnung U = k∈Z Uk folgt λ(U r A) ≤ X λ(Uk r Ak ) < ε/2. k∈Z Zusammen folgt λ(U r C) < ε. Für die umgekehrte Richtung sei zunächst festgehalten, dass jede Menge der Gestalt A = F ∪ L wie im Satz Lebesgue-messbar ist, da jede Teilmenge L einer Borel-messbaren Nullmenge eine Lebesgue-messbare Menge ist. Nun sei A ⊂ R so dass die Bedingung des Satzes gilt. Für jedes n ∈ N gibt es dann eine abgeschlossene Menge Cn und eine offene Un mit Cn ⊂ A ⊂ Un und S T λ(Un r Cn ) < n1 . Sei F = n Cn , und E = n Un . Dann sind F und E Borel-messbar, es gilt F ⊂ A ⊂ E, und λ(E r F) = 0. Sei also N = E r F, dann ist N eine Nullmenge. Sei L = A r F, dann ist L ⊂ N, also ist L eine Teilmenge einer Nullmenge und A = F ∪ L ist Lebesgue-messbar. Für die Zusatzaussage sei C das Cantor-Diskontinuum. Dies ist eine Nullmenge λ(C) = 0, die die gleiche Mächtigkeit wie R hat, also folgt L ⊃ P(C) und wegen |P(C)| = |P(R)| folgt die Behauptung. Satz 1.4.18. Sei (X, A , µ) ein Maßraum. Sei Abdas System aller Teilmengen der Form A ∪ L, wobei L eine Teilmenge einer µ-Nullmenge ist. Analysis 3 29 Dann ist Abeine σ-Algebra und b µ(A ∪ L) = µ(A) ein Maß b µ auf Ab, das µ fortsetzt. Man nennt (X, Ab, b µ) die Vervollständigung von (X, A , µ). Beweis. Sei A ∪ L ∈ Abund sei N eine Nullmenge, die L enthält. Dann ist (A ∪ L)c = Ac ∩ Lc = (Ac ∩ Nc ) ∪ (Ac ∩ (N r L)) . | {z } ⊂N Daher ist (A ∪ L)c wieder in Ab. Seien nun A j ∈ Abfür j ∈ N, etwa A j = B j ∪ L j mit L j ⊂ N j und µ(N j ) = 0. Dann ist [ j [ [ A j = B j ∪ Ll . j j | {z } ⊂ S j Nj S S Da µ( j N j ) = 0 ist auch j A j wieder in Ab. µ muss zunächst die Wohldefiniertheit bewiesen werden. Für das Maß b Hierfür sei A ∪ L = A0 ∪ L0 mit Nullmengen N ⊃ L und N0 ⊃ L0 . Es ist zu zeigen, dass µ(A) = µ(A0 ) gilt. Hierzu beachte A r A0 ⊂ (A ∪ L) r A0 ⊂ [(A ∪ L) r (A0 ∪ L0 )] ∪L0 ⊂ N0 . | {z } =∅ Also ist µ(A r A0 ) = 0 und aus Symmetriegründen auch µ(A0 r A) = 0, was bedeutet, dass µ(A) = µ(A0 ) ist. Dass die so definierte Funktion b µ ein Maß ist, ist sofort klar, dass sie µ fortsetzt auch. Analysis 3 30 Korollar 1.4.19. Das Lebesgue-Maß λ ist die Vervollständigung des auf die Borel-Mengen eingeschränkten Lebesgue-Maßes. Beweis. Dies ist klar nach Satz 1.4.17 und Satz 1.4.18. Analysis 3 2 31 Integration 2.1 Integrale positiver Funktionen Definition 2.1.1. Für eine einfache Funktion s= n X c j 1A j , c j > 0, j=1 mit paarweise verschiedenen c j und paarweise disjunkten A j wird die Zahl Z s(x) dµ(x) = n X X c j µ(A j ) ∈ [0, ∞] j=1 das Integral von s genannt. Hierbei ist die Darstellung von s in der P Form s = nj=1 c j 1A j nicht eindeutig, da man zum Beispiel eines der A j in zwei disjunkte Teile zerlegen kann, wegen der Additivität von µ ist das Integral aber eindeutig bestimmt. Lemma 2.1.2. Seien s, t einfache Funktionen mit Werten in [0, ∞), dann gilt Z Z s≤t ⇒ s(x) dµ(x) ≤ t(x) dµ(x), X sowie Z X Z s(x) + t(x) dµ(x) = X Z s(x) dµ(x) + X t(x) dµ(x). X Ist c ≥ 0, so gilt Z Z cs(x) dµ(x) = c X s(x) dµ(x). X Beweis. Indem man die Urbilder s−1 (x) und t−1 (x) schneidet, findet man eine disjunkte Familie A1 , . . . , An von messbaren Teilmengen , ∅, so Analysis 3 32 dass sich s und t in der Form s= n X c j 1A j , t= n X j=1 d j 1A j j=1 schreiben lassen. Ist dann s ≤ t, so folgt c j ≤ d j für jedes j, woraus die P erste Aussage folgt. Wegen s + t = nj=1 (c j + d j )1A j folgt die zweite Aussage. Die dritte ist trivial. Definition 2.1.3. Ist f : X → [0, ∞] eine messbare Funktion, so definiert man das Integral durch Z Z s(x) dµ(x), f (x) dµ(x) = sup X X s≤ f wobei das Supremum über alle einfachen Funktionen s mit 0 ≤ s ≤ f erstreckt wird. Ist A ⊂ X messbar, so setze R R f (x) dµ(x) = 1 (x) f (x) dµ(x). Wenn Verwechslungen nicht zu A X A befürchten sind, schreibt man auch einfacher Z f dµ A statt R A f (x) dµ(x). Der Funktionswert +∞ wird hierbei aus beweistechnischen Gründen zugelassen. Beispiele 2.1.4. • Ist µ das Zählmaß und f ≥ 0, so gilt Z X f dµ = f (x), X x∈X wobei die rechte Seite durch X x∈X definiert ist. f (x) = sup X E⊂X x∈E endlich f (x) Analysis 3 33 Proposition 2.1.5. Seien f, g : X → [0, ∞] messbare Funktionen. a) Ist f ≤ g, so folgt R A f dµ ≤ R A g dµ. b) Ist f : X → [0, ∞] messbar, sind weiter A, B ⊂ X messbar und disjunkt, so gilt Z Z Z f dµ + f dµ = c) Sind C ⊂ D messbar, so gilt B A A∪B R f dµ. R f dµ ≤ D f dµ R R d) ist 0 ≤ c < ∞ eine Konstante, so gilt A c f dµ = c A f dµ. R e) Ist µ(A) = 0, dann ist A f dµ = 0, sogar wenn f (x) = ∞ für jedes x ∈ A. R f) Ist X f dµ < ∞, dann ist die Menge f −1 (∞) = {x ∈ X : f (x) = ∞} eine C Nullmenge und für jedes c > 0 hat die Menge f −1 ((c, ∞)) endliches Maß. Beweis. Die Aussage (a) ist klar, falls f und g einfache Funktionen sind. Sind f, g beliebige messbare Funktionen mit Werten in [0, ∞], dann gilt für jede einfache Funktion s ≤ f schon s ≤ g, daher folgt die Behauptung. (b) Es gibt Folgen einfacher Funktionen 0 ≤ sn , tn , pn ≤ f , so dass Z Z Z Z Z Z sn % f, tn % f und pn % f. A A B B A∪B A∪B Wobei verlangt werden kann, dass sn ≡ 0 außerhalb von A und tn ≡ 0 außerhalb von B und pn ≡ 0 außerhalb von A ∪ B gilt. Indem man sn durch max(s1 , . . . , sn ) ersetzt, kann man sn als punktweise monoton wachsend voraussetzen und ebenso für tn und pn . Indem man alle drei durch max(sn , tn , pn ) ersetzt, kann man annehmen, dass sie alle drei gleich sn sind. Die Aussage ist für sn klar, damit folgt sie für f . Analysis 3 34 Die Aussage (c) folgt aus R D = R + C R DrC und dem letzten Teil. Aussage (d) ist klar, da sie für einfache Funktionen gilt. Für (e) sei g die Funktion, die nur den Wert ∞ annimmt. Dann gilt 0 ≤ f ≤ g und es reicht zu R zeigen, dass A g dµ = 0 ist. Nun ist sn = n1A eine Folge einfacher Funktionen, die monoton wachsend gegen g1A konvergiert, also ist Z Z Z g1A dµ = lim sn dµ = 0, g dµ = n X A X da jedes einzelne Integral Null ist. Für (f) schließlich sei A = f −1 (∞), R R dann ist c1A ≤ f für jedes c > 0. also ist cµ(A) = X c1A dµ ≤ X f dµ < ∞ für jedes c > 0. Es folgt µ(A) = 0. Schließlich sei c > 0 und R R A = f −1 ((c, ∞)), so gilt µ(A) = 1c X c1A (x) dµ(x) ≤ 1c X f (x) dx < ∞. Satz 2.1.6 (Satz von der monotonen Konvergenz). Es sei fn : X → [0, ∞] eine Folge messbarer Funktionen mit fn ≤ fn+1 . Sei f (x) = limn fn (x) für jedes x ∈ X, dann ist f messbar und Z Z lim fn dµ = f dµ. n X X Beweis. Die Messbarkeit von f wurde in Satz 1.2.8 bewiesen. Da nun R R R f ≤ f , gibt es ein α ∈ [0, ∞] mit f dµ → α. Da fn ≤ f folgt X nR X n+1 X n α ≤ X f dµ. Sei s eine einfache Funktion mit 0 ≤ s ≤ f und sei c eine Konstante mit 0 < c < 1. Für n ∈ N definiere En = {x ∈ X : fn (x) ≥ cs(x)}. Dann ist jedes En messbar und es gilt E1 ⊂ E2 ⊂ E3 ⊂ . . . , sowie Analysis 3 X= S n En . 35 Weiter gilt Z Z Z s dµ fn dµ ≥ c fn dµ ≥ En En X R Mit n → ∞ wird daraus α ≥ c X s dµ. Da dies für jedes 0 < c < 1 gilt, R folgt α ≥ X s dµ. Da dies für jedes einfache s mit 0 ≤ s ≤ f gilt, folgt R schließlich α ≥ X f dµ. Proposition 2.1.7. Seien f, g : X → [0, ∞] messbar. a) Es gilt R X f dµ = limn R s dµ X n für jede Folge von einfachen Funktionen, sn die monoton wachsend gegen f konvergiert. R R R b) Es ist X ( f + g) dµ = X f dµ + X g dµ. R R c) Ist c ≥ 0, so gilt X c f (x) dµ(x) = c X f (x) dµ(x). Beweis. Teil (a) ist ein Spezialfall des Satzes von der monotonen Konvergenz. Für Teil (b) gilt nach Lemma 2.1.2 für einfache Funktionen. Seien dann sn % f und tn % g Folgen einfacher Funktionen, die nach Satz 1.2.11 existieren. Dann konvergiert sn + tn monoton wachsend gegen f + g und also gilt ! Z Z Z Z ( f + g) dµ = lim (sn + tn ) dµ = lim sn dµ + tn dµ n n X X X X Z Z Z Z = lim sn dµ + lim tn dµ = f dµ + g dµ. n X n X X X Teil (c) folgt ähnlich. Korollar 2.1.8. Seien fn : X → [0, ∞] messbare Funktionen. Dann gilt Z X ∞ X n=1 fn dµ = ∞ Z X n=1 fn dµ. X Analysis 3 36 Insbesondere gilt für alle Doppelfolgen ai, j ≥ 0, i, j ∈ N, ∞ X ∞ X ai, j = i=1 j=1 ∞ X ∞ X ai, j . j=1 i=1 Beweis. Die erste Aussage folgt durch Anwendung des Satzes der P monotonen Konvergenz auf die Folge gn = nj=1 f j . Das Beispiel der Doppelfolgen ergibt sich, wenn man X = N und als µ das Zählmaß wählt. Satz 2.1.9. Sei f : X → [0, ∞] messbar und für A ∈ A sei Z τ(A) = f dµ. A Dann ist τ ein Maß auf A und es gilt R g dτ = X R X g f dµ für jede messbare Funktion g : X → [0, ∞]. Man schreibt die zweite Aussage auch sinnfällig als dτ = f dµ. Beweis. Es gilt τ(∅) = 0. Seien A1 , A2 , . . . disjunkte Elemente von A und S P sei A = j A j . Dann gilt 1A f = j 1A j f. Es folgt τ(A) = Z X X j 1A j f dµ = XZ j Aj f dµ = X τ(A j ) j nach dem Satz der monotonen Konvergenz. Damit ist τ also ein Maß. R R Schließlich gilt X g dτ = X g f dµ, falls g = 1A für eine messbare Menge A. Wegen Linearität gilt es dann für einfache Funktionen und nach dem Satz der monotonen Konvergenz gilt die Formel allgemein. Analysis 3 2.2 37 Integrale komplexer Funktionen Definition 2.2.1. Sei L 1 (µ) die Menge aller messbaren Funktionen f : X → C für die gilt Z | f | dµ < ∞, X wobei | f | die Funktion x 7→ | f (x)| ist. Man nennt die Funktionen in L 1 (µ) Lebesgue-integrierbar oder einfach nur integrierbar. Definition 2.2.2. Ist h eine reellwertige Funktion, so setze h+ (x) = max(h(x), 0), h− (x) = max(−h(x), 0). Dann sind h+ und h− positiv und es gilt h = h+ − h− sowie h+ h− = 0. Lemma 2.2.3. Ist f = u + iv eine C-wertige messbare Funktion, wobei u, v reellwertig sind und ist f ∈ L 1 (µ), dann sind auch u± , v± in L 1 (X). In diesem Fall definiert man Z Z Z Z Z f dµ = u+ dµ − u− dµ + i v+ dµ − i v− dµ ∈ C. X X X X X Beweis. Die Messbarkeit der Funktionen u und v ist in Proposition 1.2.6 bewiesen worden. Die Messbarkeit von u± und v± folgt aus derselben Aussage oder aus Satz 1.2.5. Schließlich gilt 0 ≤ u+ (x) ≤ | f (x)|, was die Integrierbarkeit von u+ beweist. Für die anderen Funktionen gilt dasselbe. Satz 2.2.4. Seien f, g ∈ L 1 (µ) und α, β ∈ C. Dann ist α f + βg ∈ L 1 (µ) Analysis 3 38 und es gilt Z Z Z f dµ + β α f + βg dµ = α g dµ. X X X Beweis. Die Messbarkeit von α f + βg folgt aus Proposition 1.2.6. Es gilt Z Z |α|| f | + |β||g| dµ |α f + βg| dµ ≤ XZ X Z | f | dµ + |β| |g| dµ < ∞. = |α| X X Also ist α f + βg ∈ L 1 (µ). Die Linearität des Integrals folgt aus Proposition 2.1.7. R R Satz 2.2.5. Ist f ∈ L 1 (µ), dann gilt X f dµ ≤ X | f | dµ. Beweis. Sei z = R X f dµ ∈ C. Dann existiert α ∈ C mit |α| = 1 und αz = |z|. Sei u der Realteil von α f . Dann ist u ≤ |α f | = | f |. Also Z Z Z Z Z f dµ = α f dµ = α f dµ = u dµ ≤ | f | dµ. X X X X X Lemma 2.2.6 (Lemma von Fatou). Sei fn : X → [0, ∞] eine Folge messbarer Funktionen, dann gilt Z Z (lim fn ) dµ ≤ lim X n n fn dµ. X R R Beweis. Sei gk (x) = inf j≥k f j (x). Dann gilt gk ≤ fk , also X gk dµ ≤ X fk dµ R R und damit limk X gk dµ ≤ limk X fk dµ. Ferner ist die Folge gk monoton Analysis 3 39 wachsend, also folgt nach dem Satz der monotonen Konvergenz, Z Z Z Z gk dµ ≤ lim (lim fn ) dµ = lim gk dµ = lim fk dµ. X n X k k X k X Satz 2.2.7 (Satz von der dominierten Konvergenz). Sei fn eine Folge von messbaren komplexwertigen Funktionen auf X so dass der Limes f (x) = limn→∞ fn (x) für jedes x ∈ X existiert. Es existiere eine Funktion g ∈ L 1 (µ) so dass | fn | ≤ g für jedes n ∈ N. Dann gilt f ∈ L 1 (µ) und Z Z lim fn dµ = f dµ. n X X Dieser Satz ist auch unter dem Namen Satz von Lebesgue bekannt. Beweis. Da | f | ≤ g und g integrierbar ist, ist f ∈ L 1 (µ). Da | fn − f | ≤ 2g, kann man das Lemma 2.2.6 auf die Funktionen 2g − | fn − f | anwenden und erhält Z Z Z Z 2g dµ − lim | fn − f | dµ. 2g dµ ≤ lim (2g − | fn − f |) dµ = X n X X n X R R Nach Subtraktion von X 2g dµ erhält man limn X | fn − f | dµ ≤ 0. Also R folgt limn X | fn − f | dµ = 0. Wegen Z Z Z f dµ − f dµ | fn − f | dµ → 0 n ≤ X X X folgt die Behauptung. Satz 2.2.8. Sei fn eine Folge messbarer Funktionen mit P∞ R P∞ | f | dµ < ∞. Dann konvergiert die Reihe f (x) = n n=1 X n=1 fn (x) für fast Analysis 3 40 alle x ∈ X. Sei f (x) = 0 falls die Reihe in x nicht absolut konvergiert. Die so definierte Funktion f liegt in L 1 (µ) und es gilt Z f dµ = X Beweis. Sei φ(x) = ∞ Z X n=1 fn dµ. X P∞ n=1 | fn (x)|. Nach dem Satz der monotonen R Konvergenz und der Voraussetzung gilt X φ(x) dµ < ∞. Sei N = {x ∈ X : φ(x) = ∞}. Nach Proposition 2.1.5 ist N eine Nullmenge, also konvergiert die Reihe f (x) außerhalb einer Nullmenge absolut. Da P PN | f (x)| ≤ φ(x), ist f ∈ L 1 (µ) und wegen | N n=1 fn (x)| ≤ n=1 | fn (x)| ≤ φ(x) folgt die letzte Aussage aus dem Satz der dominierten Konvergenz. Satz 2.2.9. a) Sei f : X → [0, ∞] messbar mit R X f dµ = 0. Dann ist f eine Nullfunktion. b) Sei f ∈ L 1 (µ) und R E f dµ = 0 für alle messbaren E ⊂ X. Dann ist f eine Nullfunktion. R R c) Ist f ∈ L (µ) mit X f dµ = X | f | dµ. Dann existiert eine 1 Konstante α ∈ C mit |α| = 1, so dass α f = | f | fast überall in x gilt. Beweis. (a) Für n ∈ N sei En = {x ∈ X : f (x) ≥ n1 }. Dann ist En messbar und es gilt Z µ(En ) = S n En f dµ = 0. 1 dµ ≤ n En Daher ist auch E = Z En eine Nullmenge. Außerhalb von E verschwindet f , ist also eine Nullfunktion. Analysis 3 41 R (b) Setze f = u + iv und E = {x ∈ X : u(x) ≥ 0}. Der Realteil von E f dµ ist R dann E u+ dµ und aus (a) folgt, dass u+ eine Nullfunktion ist. Analog sieht man, dass u− , v+ , v− und schließlich f Nullfunktionen sind. R R (c) Es existiert α so dass α X f dµ = X | f | dµ. Aus der Voraussetzung folgt, dass α mit |α| = 1 gewählt werden kann. Seien u, v Real- und Imaginärteil von α f , also α f = u + iv. Es muss gezeigt werden, dass fast überall α f = u+ gilt, dass also v und u− Nullfunktionen sind. Es ist R R R R R | f | dµ = α X f dµ = X u dµ + i X v dµ, also X v dµ = 0 und RX R √ u dµ = u2 + v2 dµ, woraus sich ergibt, dass v eine Nullfunktion X X R R R R R ist. Weiter ist X u+ dµ − X u− dµ = X |u| dµ = X u+ dµ + X u− dµ, also ist u− eine Nullfunktion. 2.3 Parameter und Riemann-Integrale In diesem Abschnitt werden nützliche Kriterien hergeleitet, die sicherstellen, dass Integrale über Funktionen, die von einem Parameter abhängen, stetige oder differenzierbare Funktionen liefern und dass Limiten und Differentiale mit dem Integral vertauscht werden dürfen. Ferner wird gezeigt, dass Riemann-Integrale auch als Lebesgue-Integrale verstanden werden können, die Lebesguesche Theorie also in der Tat allgemeiner ist. Satz 2.3.1 (Stetige Abhängigkeit von einem Parameter). Sei (X, A , µ) ein Maßraum. Sei T ein metrischer Raum und die Funktion f : T × X → C habe folgende Eigenschaften: a) Für jedes t ∈ T ist f (t, ·) ∈ L 1 (µ), b) Für µ-fast alle x ∈ X ist f (·, x) : T → C stetig im Punkte t0 ∈ T. Analysis 3 42 c) Es gibt eine integrierbare Funktion g auf X, so dass für jedes t ∈ T gilt µ − fast überall. | f (t, ·)| ≤ g Hierbei darf die Ausnahmemenge Nt von t abhängen. Die Vereinigung aller Nt braucht keine Nullmenge mehr zu sein. Dann ist die Funktion F : T → C, Z f (t, x) dµ(x) F(t) = X stetig im Punkt t0 . Beweis. Sei tn eine Folge in T mit Limes t0 . Eine Anwendung des Satzes der dominierten Konvergenz auf die Folge fn (x) = f (tn , x) liefert die Behauptung. Hierbei wird der Satz außerhalb der Nullmenge N = N0 ∪ [ Ntn n∈N angewendet, wobei N0 die Ausnahmemenge von Bedingung (b) ist, d.h., für jedes x ∈ X, das nicht in der Nullmenge N liegt, ist f (·, x) in t0 stetig. Satz 2.3.2 (Differentiation unter dem Integralzeichen). Seien I ⊂ R ein Intervall, t0 ∈ I und f : I × X → C habe folgende Eigenschaften: a) Für jedes t ∈ I gilt f (t, ·) ∈ L 1 . b) Die partielle Ableitung ∂f ∂t (t0 , x) existiert für fast alle x ∈ X Analysis 3 43 c) Es gibt g ∈ L 1 so dass für jedes t ∈ I gilt f (t, x) − f (t0 , x) ≤ g(x) fast überall in x ∈ X. t − t0 Hierbei darf die Ausnahmemenge Nt von t abhängen. Die Vereinigung aller Nt braucht keine Nullmenge mehr zu sein. Dann ist die Funktion F : I → C, Z f (t, x) dµ(x) F(t) = X im Punkt t0 differenzierbar, ∂f ∂t (t0 , ·) Z F0 (t0 ) = ist integrierbar und es gilt ∂f (t0 , x) dµ(x). X ∂t Zusatz. Die Bedingung (c) kann durch folgende Bedingung ersetzt werden: (c*) Für jedes t existiert ∂f ∂t (t, x) fast überall in X und es gibt g ∈ L 1 mit ∂ f ∂t (t, x) ≤ g(x) fast überall in x ∈ X. Hierbei darf die Ausnahmemenge von t abhängen. Beweis. Sei tn → t0 eine Folge in I. Die Aussage folgt mit dem Satz über majorisierte Konvergenz. Der Zusatz folgt mit dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung. Analysis 3 44 Satz 2.3.3. Sei f auf dem kompakten Intervall [a, b] ⊂ R Riemann-integrierbar. Dann ist f messbar und Lebesgue-integrierbar und es gilt b Z Z f (x) dx = a f (x) dλ(x). [a,b] Beweis. Die Gleichheit der Integrale ist klar für Riemannsche Treppenfunktionen. Seien sn und tn Riemannsche Treppenfunktionen mit tn ≤ tn+1 ≤ f ≤ sn+1 ≤ sn für jedes n und R Rb t − s dλ = t − sn → 0. Die Folge tn − sn ist ≥ 0 und monoton n [a,b] n a n fallend. Sei g ≥ 0 ihr punktweiser Limes. Nach dem Satz der R R dominierten Konvergenz ist [a,b] g dλ = limn [a,b] tn − sn dλ = 0. nach Satz 2.2.9 ist g eine Nullfunktion, also gibt es eine Nullmenge N mit g ≡ 0 außerhalb von N, d.h., außerhalb von N konvergiert die Folge tn − sn punktweise gegen Null, also konvergiert sn auf Nc gegen f . Insgesamt ist die Folge sn monoton wachsend und beschränkt, konvergiert also punktweise gegen eine messbare Funktion f˜. Es gilt f˜ = f außerhalb einer Nullmenge, also ist auch f Lebesgue-messbar und es gilt Z Z f˜ dλ = lim f dλ = [a,b] [a,b] n Z b Z sn = a b f (x) dx. a Satz 2.3.4 (Uneigentliche Integrale). Sei I ein Intervall und f : I → C sei Riemann-integrierbar auf jedem kompakten Teilintervall von I. Es gilt: f ist genau dann über I in Lebesgueschem Sinne integrierbar, wenn | f | uneigentlich Riemann-integrierbar über I ist. In diesem Fall stimmt das uneigentliche Riemann-Integral von f über I mit dem Lebesgue-Integral überein. Analysis 3 45 Da in diesem Satz die uneigentliche Integrierbarkeit von | f | und nicht die von f verlangt wird, kann es uneigentliche Riemann Integrale R∞ geben, die keine Lebesgue-Integrale sind. Ein Beispiel ist 1 sinx x dx. Beweis. Es reicht, den Fall eines offenen Intervalls zu betrachten, da der Fall eines halboffenen Intervalls ähnlich behandelt wird. Es es seien also I = (a, b) mit −∞ ≤ a < b ≤ ∞ und a < an < bn < b Folgen mit an & a und bn % b. Dann ist f = limn f 1[an ,bn ] ein punktweiser Limes messbarer Funktionen also messbar. Weiter gilt nach dem Satz der monotonen Konvergenz Z bn Z | f (x)| dx = lim lim n Z n an | f |1[an ,bn ] dλ = | f | dλ. I I Ist | f | uneigentlich Riemann-integrierbar, dann ist die linke Seite endlich, also auch die rechte und f ist Lebesgue-integrierbar. Ist umgekehrt die Funktion f Lebesgue-integrierbar, so ist die rechte Seite endlich, also auch die linke und f ist uneigentlich Riemann-integrierbar. Ist dies der Fall, so liefert der Satz über die majorisierten Konvergenz mit Majorante | f |, Z bn lim n 2.4 Z Z f (x) dx = lim n an f 1[an ,bn ] dλ = I f dλ. I Komplexwertige Maße Definition 2.4.1. Sei (X, A ) ein Messraum. Ein komplexwertiges Maß auf A ist eine Abbildung µ : A → C, die σ-additiv ist, die also ∞ ∞ [ X µ(E j ) µ E j = j=1 j=1 Analysis 3 46 für jede Folge E j ∈ A paarweise disjunkter Mengen erfüllt, wobei die Summe absolut konvergiert. Zur Unterscheidung werden Maße mit Werten in [0, ∞] in diesem Abschnitt positive Maße genannt. Beispiel 2.4.2. Beispiel: Sei µ ein positives Maß und sei f ∈ L1 (µ). Dann ist Z τ(E) = f dµ E ein komplexes Maß, wie aus dem Satz der dominierten Konvergenz folgt. Es soll nun gezeigt werden, dass jedes komplexwertige Maß von dieser Form ist, also als Integral einer Funktion über ein positives Maß geschrieben werden kann. Zunächst kann jedes komplexwertige Maß in Real- und Imaginärteil zerlegt werden, diese sind dann reellwertige Maße. Definition 2.4.3. Eine messbare Teilmenge N ⊂ X heißt µ-Nullmenge für ein komplexwertiges Maß µ, falls µ(S) = 0 für jede messbare Teilmenge S ⊂ N. Satz 2.4.4 (Hahns Zerlegungssatz). Sei τ : A → R ein reellwertiges Maß. Dann gibt es disjunkte messbare Mengen X− , X+ ⊂ X mit X = X− ∪ X+ , so dass τ(A ∩ X+ ) ≥ 0 und τ(A ∩ X− ) ≤ 0 für jedes messbare A ⊂ X gilt. Man definiert τ+ (A) = τ(A ∩ X+ ) und τ− (A) = −τ(A ∩ X− ) Analysis 3 47 Dann sind τ+ und τ− positive Maße und τ = τ+ − τ− . Sei f = 1X+ − 1X− dann folgt Z τ(A) = f d|τ|, A wobei |τ| das positive Maß τ+ + τ− ist. Die Mengen X± sind bis auf Nullmengen eindeutig festgelegt. Definition 2.4.5. Man nennt das positive Maß |τ| auch die Totalvariation von τ. Eine messbare Menge P ⊂ X heißt τ-positive Menge, falls τ(T) ≥ 0 für jede messbare Teilmenge T von P. Lemma 2.4.6. Jede messbare Teilmenge A ⊂ X enthält eine positive Teilmenge P ⊂ A mit τ(P) ≥ τ(A). Beweis des Lemmas. Ist τ(A) ≤ 0, so kann man P = ∅ wählen. Sei also τ(A) > 0 angenommen. Zunächst wird gezeigt: Zu jedem ε > 0 gibt es eine Teilmenge A[ε] mit τ(A[ε]) ≥ τ(A) und τ(T) > −ε für jede messbare Teilmenge T ⊂ A[ε]. Angenommen, für ein ε > 0 gäbe es eine solche Menge A[ε] nicht. Dann enthält jede messbare Teilmenge C ⊂ A mit τ(C) ≥ τ(A) eine messbare Menge B mit τ(B) ≤ −ε. Induktiv erhält man eine Folge messbarer Mengen B1 ⊂ A, Bk ⊂ A r (B1 ∪ · · · ∪ Bk−1 ) so dass τ(Bk ) ≤ −ε. Da die Bk S disjunkt sind, folgt τ( k Bk ) = −∞, Widerspruch! Sei nun A1 = A[1] und induktiv sei An+1 = An [1/n] gesetzt. Dann ist (An ) T eine fallende Folge von Mengen mit τ(An ) ≥ τ(A) so dass P = n An positiv ist und τ(P) ≥ τ(A) gilt. Beweis des Satzes. Sei α = sup{τ(A) : A ∈ A } ∈ [0, ∞]. Dann existiert eine Analysis 3 48 Folge positiver Mengen Pn mit τ(Pn ) → α. Die Menge X+ = S n Pn ist positiv und X− = X r X+ muss strikt negativ sein, denn sobald sie eine Teilmenge A positiven Maßes enthält, folgt τ(X+ ∪ A) > α, was ein Widerspruch ist. Nun zum Schluss die Eindeutigkeit der Zerlegung. Sei X+0 ∪ X−0 eine zweite Zerlegung, es ist dann zu zeigen, dass X+ ∆X+0 und X− ∆X−0 Nullmengen sind. Beide sind Teilmengen von X+ ∩ X−0 vereinigt mit X− ∩ X+0 . Die Menge X+ ∩ X−0 ist positiv als Teilmenge von X+ , aber auch negativ als Teilmenge von X−0 , also ist sie eine Nullmenge. Ebenso ist X− ∩ X+0 eine Nullmenge. Definition 2.4.7. Sind µ, ν komplexwertige Maße auf X, so schreibt man µ ⊥ ν, · gibt, wobei A eine falls es eine disjunkte Zerlegung X = A∪B µ-Nullmenge und B eine ν-Nullmenge ist. Analysis 3 49 3 Lp-Räume 3.1 Einige Ungleichungen In diesem Abschnitt werden die Ungleichungen von Hölder und Minkowski bewiesen. Die Minkowski-Ungleichung ist gerade die Dreiecksungleichung der Lp -Norm, die im nächsten Abschnitt betrachtet wird. Lemma 3.1.1. Seien 1 < p, q < ∞ mit p1 + 1 q = 1. Für alle 0 ≤ a, b ≤ ∞ gilt dann die Abschätzung ab ≤ p1 ap + 1q bq . Beweis. Ist eine der beiden Zahlen a, b gleich Null oder Unendlich, dann ist die Abschätzung trivialerweise erfüllt. Sei also 0 < a, b < ∞. Für fest gewähltes a ist zu zeigen, dass die stetig differenzierbare Funktion f (x) = 1p ap + 1q xq − ax für jedes x > 0 die Ungleichung f (x) ≥ 0 erfüllt. Es 1 ist f 0 (x) = xq−1 − a und damit hat f ein Minimum an der Stelle x0 = a q−1 . Es ist also 1 1 1 1 1 1 f (x) ≥ f (x0 ) = ap + (a q−1 )q − aa q−1 = ap + ap − ap = 0. p q p q Satz 3.1.2. Seien 1 < p, q < ∞ mit p1 + 1 q = 1. Für messbare Funktionen f, g : X → [0, ∞] gelten dann a) die Hölder-Ungleichung Z X !1/q gq dµ f p dµ f g dµ ≤ und !1/p Z Z X X Analysis 3 50 b) die Minkowski-Ungleichung !1/p Z ( f + g)p dµ !1/p Z f p dµ ≤ + . gp dµ X X X !1/p Z Beweis. Seien A und B die beiden Faktoren auf der rechten Seite der Hölder-Ungleichung. Ist A = 0, so ist f eine Nullfunktion, damit ist f g eine Nullfunktion und und die linke Seite von der Ungleichung verschwindet. Für A = ∞ ist die Ungleichung ebenfalls trivial. Es reicht g f also, den Fall 0 < A, B < ∞ zu betrachten. Setze F = A , G = B , dann ist R R p F dµ = X Gq dµ = 1. Lemma 3.1.1 liefert F(x)G(x) ≤ 1p F(x)p + 1q G(x)q . X R Durch Integration folgt X FG dµ ≤ 1p + 1q = 1. Dies ist die behauptete Hölder-Ungleichung. Zum Beweis der Minkowski-Ungleichung schreibe ( f + g)p = f ( f + g)p−1 + g( f + g)p−1 . Die Hölder-Ungleichung liefert Z !1/p Z Z f ( f + g)p−1 ≤ X !1/q ( f + g)(p−1)q fp X . (∗) X Sei (∗∗) dieselbe Ungleichung mit f und g vertauscht. Da (p − 1)q = p ist, ergibt die Addition von (∗) und (∗∗), !1/q Z !1/p !1/p Z ( f + g)p ≤ ( f + g)p fp + gp X X X X !1−1/p Z !1/p !1/p Z Z = ( f + g)p fp + gp . Z Z X X X Analysis 3 51 1−1/p R p p ( f + g) dividiert werden, ( f + g) , 0, ∞, so kann durch X X R was die Behauptung liefert. Ist X ( f + g)p = 0, so ist die Ist R Minkowski-Ungleichung trivialerweise erfüllt. Ist schließlich R ( f + g)p = ∞, so liefert die Konvexität der Funktion tp für 0 < t < ∞ X f +g p die Ungleichung 2 ≤ 21 ( f p + gp ). Folglich ist in diesem Fall auch die rechte Seite der Minkowski-Ungleichung gleich ∞. 3.2 Vollständigkeit Definition 3.2.1. Für 1 ≤ p < ∞ und eine komplexwertige messbare Funktion f auf X sei !1/p Z f = | f |p dµ . p x Es sei L p (µ) die Menge aller f mit f p < ∞. Ist g : X → C messbar so setzt man g = inf{a > 0 : |g| ≤ a fast überall }. ∞ Man nennt g∞ die wesentliche Schranke von g oder auch die ∞-Norm. Es bezeichne L ∞ (µ) die Menge aller messbaren Funktionen g : X → C mit g < ∞. ∞ Satz 3.2.2. Seien 1 ≤ p, q ≤ ∞ mit 1p + 1 q = 1. a) Ist f ∈ L p (µ) und g ∈ L q (µ), so ist f g ∈ L 1 (µ) und es gilt f g ≤ f g . q p 1 b) Sind f, g ∈ L p (µ), so gilt f + g ≤ f + g . p p p Analysis 3 52 Beweis. (a) Für 1 < p < ∞ ist dies die Hölder-Ungleichung für | f | und |g|. Für p = ∞ beachte, dass für fast alle x die Ungleichung | f (x)g(x)| ≤ f ∞ |g(x)| gilt. Durch Integration folgt die Behauptung. (b) Für 1 < p < ∞ folgt dies aus der Minkowski-Ungleichung, sonst ist die Aussage trivial. Ist f ∈ L p (µ) und α ∈ C, so gilt α f = |α| f , p p also ist α f wieder in L p (µ), damit ist L p (µ) ein komplexer Vektorraum. Definition 3.2.3. Sei 1 ≤ p ≤ ∞ und sei N der Raum der Nullfunktionen. Offensichtlich gilt N ⊂ L p (µ). Sei Lp (µ) der Quotientenraum Lp (µ) B L p (µ)/N . Anders gesagt, ist Lp (µ) = L p (µ)/ ∼, wobei ∼ die Äquivalenzrelation f ∼g bezeichnet. ⇔ f (x) = g(x) fast überall in x Analysis 3 53 Satz 3.2.4 (Satz von Riesz-Fischer). Sei 1 ≤ p ≤ ∞. Dann ist Lp (µ) mit ||·||p ein normierter Vektorraum. Dieser ist vollständig, d.h., ein Banach-Raum. Beweis. Jetzt sieht man auch den Grund, weshalb die Nullfunktionen herausgeteilt werden mussten, denn auf dem Raum der Nullfunktionen ist die p-Norm gleich Null. Andererseits ist für f ∈ L p (µ), f = 0 p f ∈N. ⇔ Daher ist die p-Norm auf Lp (µ) in der Tat definit. Die Vollständigkeit muss noch gezeigt werden. Sei also fn eine Cauchy-Folge in Lp (µ). Es ist zu zeigen, dass sie konvergiert. Es existiert eine Teilfolge ( fnk ) so dass für k ∈ N die Ungleichung fnk+1 − fnk < 21k gilt. Setze p gk = k X g= | fn j+1 − fn j |, j=1 ∞ X | fn j+1 − fn j |. j=1 Es folgt, gk p < 1 für jedes k ∈ N. Aus der Tatsache, dass die Norm eines normierten Vektorraums eine stetige Abbildung ist, folgert man g ≤ 1. Insbesondere ist g(x) < ∞ fast überall, so dass die Reihe p f (x) = fn1 (x) + ∞ X fn j+1 (x) − fn j (x) j=1 für fast alle x ∈ X absolut konvergiert. In den Punkten, in denen die Reihe nicht absolut konvergiert, setzt man f (x) = 0. Es folgt f (x) = lim fn j (x) j→∞ f.ü. Analysis 3 54 Wegen f p ≤ fn1 p + gp < ∞ ist f ∈ Lp (µ) und nach Definiton konvergiert fnk in der p-Norm gegen f . Wenn allerdings eine Teilfolge einer Cauchy-Folge konvergiert, so konvergiert die ursprüngliche Folge auch, damit ist Lp (µ) vollständig. Der Beweis enthält ein Teilresultat, das wichtig genug ist, separat erwähnt zu werden Satz 3.2.5. Ist 1 ≤ p ≤ ∞ und fn eine Cauchy-Folge in Lp (µ) mit Limes f , dann besitzt ( fn ) eine fast überall gegen f konvergente Teilfolge. Proposition 3.2.6. Sei µ ein endliches Maß. Für 1 ≤ p ≤ q ≤ ∞ ist Lq (µ) ⊂ Lp (µ). · wobei | f | ≤ 1 in Beweis. Sei zunächst q < ∞. Sei f ∈ Lq (µ). Sei X = A∪B, A gilt, sowie | f | > 1 in B. In B gilt dann insbesondere | f |p < | f |q . Daher folgt Z Z | f |q dµ < ∞. p | f | dµ ≤ B Ferner ist B Z Z 1 dµ = µ(A) < ∞. | f |p dµ ≤ A A Zusammen folgt: f ∈ Lp (µ). Schließlich betrachte den Fall p < q = ∞. Da | f | ≤ f ∞ auf dem Komplement einer Nullmenge gilt, folgt Z Z p p p f ∞ dµ = µ(X) f ∞ < ∞. | f | dµ ≤ X Beispiele 3.2.7. X • Betrachte den Maßraum R mit dem Analysis 3 55 Lebesgue-Maß. Für s > 0 sei −s x fs (x) = 0 x ≥ 1, x < 1. Dann gilt fs ∈ L1 (λ) ⇔ s > 1. Für 1 ≤ p < ∞ gilt | fs |p = fps . Da ferner gilt f ∈ Lp ⇔ | f |p ∈ L1 , folgt fs ∈ Lp • Für s > 0 sei ⇔ fps ∈ L1 −s x gs (x) = o ⇔ 1 p> . s 0 < x < 1, sonst. Es gilt dann gs ∈ L1 (λ) ⇔ s < 1. ↔ 1 p< . s Analog zum ersten Beispiel gilt gs ∈ Lp (λ) Sind 1 < p , q < ∞, so kann man mit diesen Beispielen Funktionen basteln, die in Lp , aber nicht in Lq liegen und umgekehrt. Beachtet man ferner, dass gs nie in L∞ liegt, fs aber immer, kann man dies auf 1 ≤ p , q ≤ ∞ ausdehnen. 3.3 Hilbert-Räume Erinnerung: Ein normierter Vektorraum über C ist ein komplexer Vektorraum V mit einer Abbildung ||·|| : V → [0, ∞) so dass für v, w ∈ V und λ ∈ R gilt: Analysis 3 56 • ||v|| = 0 ⇔ v = 0 (Definitheit) • ||λv|| = |λ| ||v|| (Multiplikativität) • ||v + w|| ≤ ||v|| + ||w|| (Dreiecksungleichung). Mit der Metrik d(x, y) = x − y wird V dann ein metrischer Raum. Ein normierter Raum, der vollständig ist, heisst Banach-Raum. Beispiele 3.3.1. • Ist X ein metrischer Raum, dann ist der Vektorraum Cb (X) aller beschränkten stetigen Funktionen f : X → C ein Banach-Raum mit der Norm f = sup | f (x)|. X x∈X Beweis. Die Normeigenschaften sind trivial. Es ist Vollständigkeit zu zeigen. Sei also ( fn ) eine Cauchy-Folge. Dann gilt für jedes x ∈ X, | fn (x) − fm (x)| ≤ sup | fn (y) − fm (y)| = fn − fm X . y∈X Also ist ( fn (x))n∈N eine Cauchy-Folge in C, konvergiert also. Nennen wir den Limes f (x). Sei ε > 0, dann gibt es n0 so dass für alle n, m ≥ n0 und alle x ∈ X gilt | fn (x) − fm (x)| < ε. Mit m → ∞ folgt, dass für jedes n ≥ n0 und jedes x ∈ X gilt | fn (x) − f (x)| ≤ ε. Das bedeutet aber, dass fn gleichmässig gegen f konvergiert. Analysis 3 57 Damit ist f stetig. Es ist leicht einzusehen, dass f auch beschränkt ist, also f ∈ Cb (X), womit die Vollständigkeit gezeigt wäre. • Für jedes 1 ≤ p ≤ ∞ und jeden Maßraum (X, A , µ) ist Lp (µ) ein Banach-Raum. Definition 3.3.2. Für lineare Abbildung T : V → W zwischen normierten Räumen sei ||T||op = sup ||T(v)|| ∈ [0, ∞] ||v||=1 die Operatornorm. Die Abbildung T heisst beschränkte lineare Abbildung, falls ||T||op < ∞. Man spricht statt von einer linearen Abbildung auch von einem linearen Operator. Ist der Zielraum W gleich C, so spricht man auch von einem linearen Funktional. Satz 3.3.3. Für jeden linearen Operator T : V → W zwischen normierten Räumen und jedes v ∈ V gilt ||T(v)|| ≤ ||T||op ||v|| . Ein linearer Operator T ist genau dann stetig, wenn er beschränkt ist. Beweis. Die Abschätzung ist trivialerweise erfüllt, wenn v = 0 ist. Ist 1 v , 0, ist auch ||v|| , 0 und man kann schreiben v = ||v|| ||v|| v. Der Vektor 1 v ||v|| hat Norm 1 und daher ist v v = ||v|| T ≤ ||v|| ||T||op . ||T(v)|| = T ||v|| ||v|| ||v|| Analysis 3 58 Wir zeigen zunächst, dass eine lineare Abbildung T : V → W zwischen normierten Räumen genau dann stetig ist, wenn sie im Nullpunkt stetig ist. Ist T stetig, dann ist T stetig in Null. Sei umgekehrt T linear und stetig in Null. Sei vn → v eine in V konvergente Folge, dann konvergiert vn − v gegen Null, also konvergiert auch T(vn ) − T(v) = T(vn − v) gegen Null, d.h. T(vn ) geht gegen T(v), somit ist T in v stetig und da v beliebig ist, ist T schlechthin stetig. Wir zeigen, dass ein stetiger Operator beschränkt ist. Sei also T stetig und nimm an, er ist nicht beschränkt. Dann existiert eine Folge v j von Vektoren mit v j = 1 und T(v j ) → ∞. Nehmen wir an, dass T(v j ) , 0 für alle j, dann geht die Folge 1 v j gegen Null, also folgt ||T(v j )|| 1 1 T(v j ) = T v j → 0. T(v j ) T(v j ) Diese Vektoren haben aber Norm 1, Widerspruch! Sei umgekehrt T beschränkt und v j eine Nullfolge, das heisst, dass v j gegen Null geht. Dann gilt T(v j ) ≤ ||T||op v j → 0. Also geht T(v j ) gegen Null, T ist also stetig in Null, also stetig. Erinnerung: Ein Skalarprodukt auf einem komplexen Vektorraum V ist eine Abbildung h·, ·i : V × V → C mit folgenden Eigenschaften: • Für w ∈ V ist die Abbildung V → C; v 7→ hv, wi linear. • Es gilt hw, vi = hv, wi für alle v, w ∈ V. • Für v ∈ V ist hv, vi ≥ 0 und hv, vi = 0 ⇔ v = 0. Analysis 3 59 Definition 3.3.4. Ein komplexer Vektorraum V mit einem Skalarprodukt h., .i heisst Prä-Hilbert-Raum. Das einfachste Beispiel nach dem Nullraum ist V = C mit α, β = αβ̄. Oder allgemeiner V = Ck mit k ∈ N und hv, wi = vt w̄, Die Norm auf einem Prä-Hilbert-Raum V ist definiert durch ||v|| = p hv, vi, v ∈ V. In der linearen Algebra wird bewiesen, dass dies in der Tat eine Norm ist. Ausserdem wird dort die Cauchy-Schwarz-Ungleichung | hv, wi | ≤ ||v|| ||w|| ∀v,w∈V bewiesen. Lemma 3.3.5. Das Skalarprodukt ist eine stetige Abbildung V × V → C. Beweis. Beweis seien v j → v und w j → w konvergente Folgen in V. Dann ist nach der Cauchy-Schwarz-Ungleichung D D E E D E D E v j , w j − hv, wi ≤ v j , w j − v, w j + v, w j − hv, wi D E D E = v j − v, w j + v, w j − w ≤ v j − v w j + ||v|| w j − w . | {z } | {z } |{z} →0 beschränkt →0 Definition 3.3.6. Ein Hilbert-Raum ist ein Prä-Hilbert-Raum, der vollständig bzgl der induzierten Norm ist. Proposition 3.3.7. Jeder endlich-dimensionale Prä-Hilbert-Raum ist vollständig. Analysis 3 60 Beweis. In der Linearen Algebra wird gezeigt, dass jeder endlich-dimensionale Prä-Hilbert-Raum zu Cn isomorph ist, wobei n die Dimension ist. Dieser Raum ist vollständig. Beispiel 3.3.8. Ist (X, A , µ) ein Maßraum, so ist L2 (µ) ein Hilbert-Raum mit dem Skalarprodukt Z f, g = f (x)g(x) dµ(x). X Von besonderem Interesse sind die sogenannten `2 -Räume. Sei S irgendeine Menge und ζ das Zählmaß auf P(S). Dann sei `2 (S) = L2 (ζ), also ist `2 (S) die Menge aller Abbildungen f : S → C so dass X | f (s)|2 < ∞. s∈S Hierbei ist die Summe zu verstehen als X | f (s)| = sup 2 X | f (s)|2 . E⊂S s∈E endlich s∈S Lemma 3.3.9. Sei S eine beliebige Menge und sei φ : S → [0, ∞) eine Funktion. Dann ist die Aussage X φ(s) < ∞ s∈S genau dann erfüllt, wenn die Menge S,0 = {s ∈ S : φ(s) , 0} abzählbar ist und P ,0 | es gilt |Sj=1 φ(s j ) < ∞ für eine (und damit jede) Abzählung (s j ) von S,0 . Beweis. Es gelte C = P s∈S φ(s) < ∞. Für n ∈ N sei Sn die Menge aller s ∈ S mit φ(s) > n1 . Sei E eine endliche Teilmenge von Sn . Dann gilt |E| = n X1 s∈E n <n X s∈En φ(s) ≤ n X s∈S φ(s) = nC. Analysis 3 61 Da dies für jede endliche Teilmenge gilt, ist Sn selbst endlich mit S |Sn | < nC. Daher ist S,0 = ∞ n=1 Sn eine abzählbare Vereinigung endlicher Mengen, also abzählbar. Sei nun N ∈ N0 ∪ {ℵ0 } die Mächtigkeit von S,0 und sei (sn ) eine Abzählung von S,0 . Dann gilt für jedes endliche m ≤ N, m X φ(sn ) ≤ n=1 X φ(s) = C. s∈S Im Grenzübergang folgt N X φ(sn ) ≤ C < ∞. n=1 Die Umkehrung ist trivial. Definition 3.3.10. Ein Orthonormalsystem oder ONS in einem Hilbert-Raum V ist eine Familie von Vektoren (ei )i∈I für die gilt D E 1 falls i = j, ei , e j = 0 sonst. Ein Orthonormalsystem (ei )i∈I heisst vollständiges ONS, oder Orthonormalbasis ONB, falls der Orthogonalraum der ei aufgespannte Untervektorraum dicht liegt in V. Analysis 3 62 Satz 3.3.11. Jeder Hilbert-Raum hat eine Orthonormalbasis. Für jede ONB (ei )i∈I und jeden Vektor v ∈ V gilt: Ist ci (v) = hv, ei i , so sind nur abzählbar viele dieser Koeffizienten ungleich Null und die Reihe X ci (v)ei i∈I konvergiert in jeder Reihenfolge gegen v. Es gilt X |ci (v)|2 = ||v||2 . i∈I Beweis. Mit dem Lemma von Zorn beschafft man sich ein maximales ONS (ei )i∈I . Dessen Orthogonalraum (ei )⊥ i∈I = {v ∈ V : hv, ei i = 0 ∀i∈I } muss Null sein, denn ist u , 0 im Orthogonalraum, dann ist f = u/ ||u|| ein neuer Vektor, um den man das ONS erweitern kann, was der Maximalität widerspricht. Sei also (ei )i∈I ein ONS mit trivialem Orthogonalraum und sei v ∈ V. Für eine endliche Teilmenge E ⊂ I setze vE = X ci (v)ei . i∈E Dann gilt hvE , vi = hvE , vE i = X i∈E |ci (v)|2 , Analysis 3 63 wie man leicht sieht. Also ist ||v − vE ||2 = hv − vE , v − vE i = ||v||2 − hv, vE i − hvE , vi + hvE , vE i X 2 = ||v|| − |ci (v)|2 . i∈E Da dies ≥ 0 ist, folgt X |ci (v)|2 ≤ ||v||2 . i∈E Also X |ci (v)|2 ≤ ||v||2 . i∈I Damit folgt, dass nur abzählbar viele ci (v) ungleich Null sind und dass die Reihe der |ci (v)|2 konvergiert. Wir wollen zeigen, dass die Reihe P i∈I ci (v)ei in jeder Reihenfolge konvergiert. Sei also c1 , c2 , . . . eine Nummerierung der Koeffizienten , 0, so gilt für n ≤ m in N, 2 m m X X ci (v)ei = |ci (v)|2 , n=n i=n woraus folgt, dass Pn i=1 ci (v)ei eine Cauchy-Folge in V ist, also konvergiert. Wir zeigen, dass der Limes gleich v ist. Für j ∈ I rechne + * X D E e j, v − ci (v)ei = e j , v − c j (v) = 0. i∈I Also ist der Vektor v − P i∈I ci (v)ei im Orthogonalraum des ONS, also gleich Null, die Summe konvergiert also in der Tat gegen v. Insbesondere ist der von (ei ) aufgespannte Unterraum dicht. Es folgt *X + X X ci (v)ei , ci (v)ei = |ci (v)|2 . ||v||2 = i∈I i∈I i∈I Analysis 3 64 Satz 3.3.12. (a) Sei V ein Hilbert-Raum und U ein abgeschlossener Unterraum. Dann gilt V = U ⊕ U⊥ , wobei U⊥ = {v ∈ V : hv, Ui = 0} der Orthogonalraum zu U ist. (b) Sei V ein Hilbert-Raum und sei L : V → C ein stetiges lineares Funktional. Dann existiert ein eindeutig bestimmter Vektor w ∈ V mit L(v) = hv, wi für jeden Vektor v ∈ V. Beweis. (a) Wie in der Linearen Algebra sieht man U ∩ U⊥ = 0. Da U ein abgeschlossener Unterraum ist, ist U selbst wieder ein Hilbert-Raum. Sei (ei ) eine ONB von U und setze für v ∈ V: P(v) = X hv, ei i ei . i∈I Dann ist P : V → U eine lineare Abbildung mit P(u) = u falls u ∈ U, also P2 = P. Der Kern von P ist U⊥ . Sei v ∈ V, dann ist v − P(v) ∈ ker P = U⊥ , also folgt V = U ⊕ U⊥ . (b) Sei L : V → C ein stetiges lineares Funktional. Ist L = 0, so folgt w = 0. Ist L , 0, dann ist U = ker(L) ein abgeschlossener Unterraum von V. Daher ist V = U ⊕ U⊥ und da U , V, ist U⊥ , 0. Sei also w0 ∈ U⊥ mit Analysis 3 65 ||w0 || = 1. Dann ist L(w0 ) = c , 0. Setze w = cw0 . Dann ist L(w0 ) = c = hw0 , wi . Da L einen Isomorphismus U⊥ → C induziert, ist U⊥ = Cw0 , also insbesondere ist jedes v ∈ V von der Form v = αw0 + u mit u ∈ U. Daher ist L(v) = αc = α hw0 , wi = hv, wi . Dies zeigt die Existenz. Für die Eindeutigkeit nimm an, es gebe einen weiteren Vektor w0 mit L(v) = hv, w0 i. Dann gilt für jedes v ∈ V, dass 0 = hv, w − w0 i. Insbesondere für v = w − w0 folgt w − w0 = 0. 3.4 Der Satz von Lebsgue-Radon-Nikodym Der Satz von Lebesgue-Radon-Nikodym gibt ein Kriterium an, wann ein Maß durch Integration aus einem anderen entsteht. Definition 3.4.1. Sei (X, A ) ein Messraum und seien µ, η Maße auf A . Man sagt, dass η absolut stetig bezüglich µ ist und schreibt η µ, falls jede µ-Nullmenge auch eine η-Nullmenge ist, wenn also gilt µ(A) = 0 ⇒ η(A) = 0. Ferner schreibt man für Maße τ, µ: τ ⊥ µ, · in messbare Mengen gibt, so falls es eine disjunkte Zerlegung X = A∪B Analysis 3 66 dass µ(B) = 0 und τ(A) = 0. • Sei δ das Dirac-Maß in Null auf R, also 1 falls 0 ∈ E, δ(E) = 0 falls 0 < E. Beispiele 3.4.2. Dann gilt δ ⊥ λ, wobei λ das Lebesgue-Maß ist. • Ist (X, A , µ) ein Maßraum und φ : X → [0, ∞] messbar, so definiert man ein Maß Z η(E) = φ dµ. E Dann gilt η µ. Definition 3.4.3. Ein Maß µ auf X heißt σ-endlich, falls es messbare Mengen E1 , E2 , . . . gibt, so dass X= ∞ [ Ej und µ(E j ) < ∞ für jedes j. j=1 Satz 3.4.4 (Lebesgue-Radon-Nikodym). Sei (X, A ) ein Messraum und µ, η zwei σ-endliche Maße. Dann gibt es eindeutig bestimmte Maße ηa und ηs auf X, so dass η = ηa + ηs , ηa µ, ηs ⊥ µ. Das Maß ηs heißt µ-singulärer Teil von η. Es gibt ein messbare Funktion h : X → [0, ∞] so dass für jedes messbare E ⊂ X gilt Z ηa (E) = h dµ. E Analysis 3 67 Die Funktion h ist bis auf die Addition einer µ-Nullfunktion eindeutig bestimmt. Definition 3.4.5. Die Zerlegung η = ηa + ηs heißt Lebesgue-Zerlegung von η. Die Funktion h heißt Radon-Nikodym-Dichte von ηa bezüglich µ. Man schreibt dηa = h dµ oder h = dηa . dµ Korollar 3.4.6. Aus dem Satz folgt insbesondere: Gilt für σ-endliche Maße: η µ, so hat η eine Radon-Nikodym Dichte bezüglich µ. Beweis. Die Eindeutigkeit von h folgt aus Satz 2.2.9. Für die Eindeutigkeit der Zerlegung seien zwei solcher Zerlegungen gegeben: η = ηa + ηs = η0a + η0s . Es gibt µ-Nullmengen N und N0 mit ηs (Nc ) = 0 = η0s ((N0 )c ). Man kann beide durch N ∪ N0 ersetzen und kann also annehmen, das es eine µ-Nullmenge N gibt, so dass ηs (Nc ) = η0s (Nc ) = 0. Für eine beliebige messbare Teilmenge A folgt µ(A ∩ N) = 0, also auch ηa (A ∩ N) = 0 = η0a (A ∩ N). Damit folgt ηs (A) = ηs (A ∩ N) = η(A ∩ N) = η0s (A ∩ N) = η0s (A) und ηa (A) = ηa (A ∩ Nc ) = η(A ∩ Nc ) = η0a (A ∩ Nc ) = η0a (A). Also ist die Zerlegung eindeutig. Da η und µ beide σ-endlich sind, kann man X in abzählbar viele Teilmengen zerlegen auf deren jeder η und µ endlich sind. Hat man die Behauptung auf diesen Teilen, setzt man alles wieder fein zusammen, Analysis 3 68 so dass man im Endeffekt den Satz nur unter der Voraussetzung, dass η und µ endlich sind, zu beweisen braucht. Seien also η und µ endlich. Sei τ = η + µ. Für f ∈ L2 (τ) liefert die Hoelder-Ungleichung !1/2 Z Z Z Z (τ(X))1/2 . f dη ≤ | f | dη ≤ | f | dτ ≤ | f |2 dτ X X X Daher ist die Abbildung f 7→ R X X f dη ein beschränktes lineares Funktional auf L2 (τ). Es gibt also eine Funktion h ∈ L2 (τ) mit Z D E Z f h dτ. f dη = f, h = X X Für eine messbare Menge E ⊂ X folgt durch Einsetzen von f = 1E , dass R R 1 h dτ ≤ 1. Damit gilt τ-fast η(E) = E h dτ. Da η(E) ≤ τ(E) folgt 0 ≤ τ(E) E überall 0 ≤ h ≤ 1, so dass 0 ≤ h(x) ≤ 1 für jedes x ∈ X angenommen werden kann. Es gilt also Z Z Z f dη = f h dη + f h dµ, X oder X X Z Z f (1 − h) dη = X f h dµ. X Seien A = {x ∈ X : h(x) < 1} und B = {x ∈ X : h(x) = 1}. Definiere ηa (E) = η(E ∩ A) und ηs (E) = η(E ∩ B) für jedes messbare E ⊂ X. Dann ist η = ηa + ηs . Für E ⊂ A setze f = 1E 1−h . Analysis 3 69 Dann folgt Z Z f (1 − h) dη = ηa (E) = η(E) = X Damit ist ηa µ und ηa hat die Dichte h 1−h h dµ. E 1−h bezüglich µ. Weiter setze f = 1B und erhalte Z Z Z B dµ = µ(B), h dµ = (1 − h) dη = 0= B B wobei h ≡ 1 auf B ausgenutzt wurde. Also ist B eine µ-Nullmenge. Ferner ist A eine ηs -Nullmenge, also folgt ηs ⊥ µ. Beispiel 3.4.7. Das folgende Beispiel zeigt, dass die σ-Endlichkeit im Satz von Radon-Nikodym eine unverzichtbare Voraussetzung ist: Sei µ das Zählmaß auf R und λ das Lebesgue-Maß. Dann gilt λ µ, aber λ hat keine Dichte bezüglich µ. Analysis 3 4 70 Produktintegral 4.1 Vorbemerkungen Sei X eine Menge. Ein Mengensystem E ⊂ P(X) heißt schnittstabil, wenn A, B ∈ E ⇒ A∩B ∈ E. Satz 4.1.1. Sei E ⊂ P(X) schnittstabil und sei A (E ) die von E erzeugte σ-Algebra. Sei D ⊂ P(X) ein Mengensystem mit E ⊂ D ⊂ A (E ) und a) ∅ ∈ D, b) M ∈ D ⇒ Mc ∈ D, c) M1 , M2 , · · · ∈ D disjunkt ⇒ M = S n Mn ∈ D. Dann gilt D = A (E ). Beweis. Eine Teilmenge D ⊂ P(X), die (a), (b) und (c) aus dem Lemma erfüllt, heißt Dynkin-System. Lemma 4.1.2. a) Ist D ein Dynkin-System und A, B ∈ D, mit B ⊂ A, so liegt auch die Differenz A r B in D. b) Ein schnittstabiles Dynkin-System ist eine σ-Algebra. · c. Beweis. (a) Es ist A r B = (Ac ∪B) (b) Sei D ein schnittstabiles Dynkin-System. Sind A, B ∈ D, so auch · in D. Seien nun A r B = A ∩ Bc ∈ D. Damit liegt auch A ∪ B = (A r B)∪B Analysis 3 71 M1 , M2 , · · · ∈ D nicht notwendig disjunkt. Dann ist Nn = Mn r (Mn−1 ∪ · · · ∪ M1 ) ∈ D und es ist S S · N j ∈ D. M = j j j Ebenso wie bei σ-Algebren gilt, dass zu einer beliebigen Teilmenge E ⊂ P(X) die Menge D(E ) = \ D D⊃E D ist Dynkin-System ein Dynkin-System ist. Es ist das kleinste Dynkin-System, das E enthält, man nennt es das von E erzeugte Dynkin-System. Lemma 4.1.3. Ist E ⊂ P(X) schnittstabil, so ist das von E erzeugte Dynkin-System gleich der von E erzeugten σ-Algebra. Beweis. Nach dem letzten Lemma reicht es, zu zeigen, dass das von E erzeugte Dynkin-System D schnittstabil ist. Für D ∈ D sei Q(D) = {M ⊂ X : M ∩ D ∈ D}. Dann ist Q(D) wieder ein Dynkin-System, denn für M ∈ Q(D) ist Mc ∩ D = D r (M ∩ D) ∈ D nach Lemma 4.1.2. Für jedes E ∈ E ist E ⊂ Q(E), denn E ist schittstabil. Daher ist jedes D ∈ D schon in Q(E), damit aber auch E ∈ Q(D)! Daher ist auch D ⊂ Q(D), also ist D schnittstabil. Nun folgt der Satz, denn in der Situation des Satzes gilt E ⊂ D(E ) ⊂ D ⊂ A (E ) = |{z} nach Lemma 4.1.3 D(E ), Analysis 3 72 also folgt D = A (E ). 4.2 Produktmaße Es wird ein kanonische Weg vorgestellt, wie man aus Maßen auf X und Y ein Maß auf dem Produkt X × Y konstruiert. Im folgenden seien (X, A , µ) und (Y, B, ν) Maßräume. Sei A ⊗ B die σ-Algebra auf X × Y erzeugt von den messbaren Rechtecken: A × B, A ∈ A , B ∈ B. Definition 4.2.1. Sei X eine Menge. Eine Teilmenge E ⊂ P(X) heisst Komplement-abgeschlossen, falls aus A ∈ E folgt, dass Ac ∈ E ist. Lemma 4.2.2. a) Sind E und F Komplement-abgeschlossene Erzeuger der σ-Algebren A und B, so wird die Produkt-σ-Algebra von allen Mengen der Form E × F mit E ∈ E und F ∈ F erzeugt. b) Sind X, Y topologische Räume, versehen mit den Borel-σ-Algebren und ist jede offene Menge U ⊂ X × Y eine abzählbare Vereinigung offener Rechtecke, dann ist die Produkt-σ-Algebra auf X × Y gleich der Borel-σ-Algebra bezüglich der Produkttopologie. Insbesondere folgt, dass die Produkt-σ-Algebra auf Rn = R × · · · × R gleich der Borel-σ-Algebra von Rn ist. Beweis. (a) Aus E × F ⊂ A × B folgt sofort A (E × F ) ⊂ A (A × B) = A ⊗ B. Für die umgekehrte Inklusion wird zunächst A (E × F ) = A (E × B) Analysis 3 73 gezeigt. Hierzu sei B ∈ B und E ∈ E . Es ist zu zeigen: E × B ∈ A (E × F ). Wir machen uns klar, dass die Menge n o S := Q ⊂ Y : E × Q, Ec × Q ∈ A (E × F ) eine σ-Algebra ist. Abzaehlbare Vereinigungen sind klar. Fuer die Komplement-Abgeschlossenheit sei Q ∈ S , so ist E × Qc = (Ec × Q)c ∩ E × X und damit ist Qc ∈ S . Nun ist klar, dass S die Menge F umfasst, also umfasst sie B und B liegt in ihr, was zu beweisen war. Aus Symmetriegründen folgt nun auch A (E × B) = A (A × B). (b) Nach Teil (a) ist die Produkt-σ-Algebra von den Rechtecken der Form A × B erzeugt, wobei A und B offen oder abgeschlossen sind. Sind beide offen oder beide abgeschlossen, so ist auch A × B offen oder abgeschlossen, liegt also in der Borel-σ-Algebra von X × Y. Ist hingegen etwa A abgeschlossen und B offen, dann ist A × B = X × B r Ac × B eine Differenz offener Mengen, liegt also auch in der Borel-σ-Algebra des Produktes X × Y. Da schliesslich eine gegebene offene Menge in X × Y eine abzählbare Vereinigung offener Rechtecke ist, liegt sie schon in der Produkt-σ-Algebra, die damit gleich der Borel-σ-Algebra ist. Lemma 4.2.3. Eine Abbildung f : Z → X × Y von einem Messraum Z ist genau dann messbar, wenn beide Projektionen f1 = Pr1 ◦ f : Z → X, f2 = Pr2 ◦ f : Z → Y Analysis 3 74 messbar sind. Beweis. Ist f messbar, so sind f1 und f2 als Kompositionen messbarer Abbildungen messbar. Seien andersherum f1 und f2 messbar und sei A × B ein messbares Rechteck in X × Y. Dann ist f −1 (A × B) = f1−1 (A) ∩ f2−1 (B) messbar. Da die messbaren Rechtecke die σ-Algebra erzeugen, ist f messbar. Satz 4.2.4. Sind µ und µ beide σ-endlich, so gibt es ein eindeutig bestimmtes Maß µ ⊗ ν auf der σ-Algebra A ⊗ B mit µ ⊗ ν(A × B) = µ(A)ν(B). Das Maß µ ⊗ ν wird das Produktmaß genannt. Beweis. Das in Frage stehende Maß wird wie folgt durch ein äußeres Maß gegeben. Sei die Abbildung η : P(X × Y) → [0, ∞] durch ∞ X [ η(S) B inf µ(A )ν(B ) : S ⊂ A × B j j j j j=1 j definiert, wobei das Infimum über alle Folgen messbarer Rechtecke A j × B j läuft. Lemma 4.2.5. η ist ein äußeres Maß, also a) η(∅) = 0, b) A ⊂ B ⇒ η(A) ≤ η(B), Analysis 3 c) η S 75 ∞ j=1 E j ≤ P j η(E j ). Beweis. Der Beweis läuft genauso wie bei den Intervallen in Proposition 1.4.2. Um die Existenz des Produktmaßes sicherzustellen, ist zu zeigen dass alle messbaren Rechtecke schon η-messbar sind und dass η die Produkteigenschaft η(A × B) = µ(A)ν(B), A ∈ A , B ∈ B, hat. Sei also R = A × B ein messbares Rechteck und sei Q ⊂ X × Y. Es ist zu zeigen η(Q ∩ R) + η(Q ∩ Rc ) ≤ η(Q). Sei Q ⊂ S j Rj = S j Aj × B j eine abzählbare Überdeckung durch messbare Rechtecke. Definitionsgemäß ist η(Q) gleich dem Infimum über alle Ausdrücke der Form X µ(A j )ν(B j ) = X + X + X + X µ(A j ∩ A)ν(B j ∩ B) j j µ(A j ∩ A)ν(B j ∩ Bc ) j µ(A j ∩ Ac )ν(B j ∩ B) j µ(A j ∩ Ac )ν(B j ∩ Bc ). j Die erste Summe entspricht der Überdeckung von Q ∩ R durch die Rechtecke R j ∩ R. Die weiteren drei Summen entsprechen der Überdeckung von Q ∩ Rc durch die Rechtecke (A j ∩ A) × (B j ∩ Bc ), sowie (A j ∩ Ac ) × (b j ∩ B) und (A j ∩ Ac ) × (B j ∩ Bc ), so dass man durch Analysis 3 76 Infimumsbildung zu η(Q) ≥ η(Q ∩ R) + η(Q ∩ Rc ) gelangt. Also ist jedes messbare Rechteck auch η-messbar. Die Produkteigenschaft ist klar, da man das Rechtecke einfach durch sich selbst überdecken kann. Nun zur Eindeutigkeit. Sei π ein weiteres Maß auf A ⊗ B, das die Produkteigenschaft π(A × B) = µ(A)ν(B) für messbare Rechtecke hat. Ist E ⊂ X × Y messbar und ist S E ⊂ j A j × B j eine Überdeckung durch Rechtecke, dann gilt π(E) ≤ X j π(A j × B j ) = X µ(A j )ν(B j ). j S Damit folgt π ≤ η. Sei nun X = n Xn mit Xn ⊂ Xn+1 und µ(Xn ) < ∞, S sowie Y = n Yn mit Yn ⊂ Yn+1 und ν(Yn ) < ∞. Setze Rn = Xn × Yn . Sei E ⊂ X × Y messbar, und sei En = E ∩ Rn , dann folgt π(En ) = π(Rn )−π(Rn rEn ) = η(Rn )−π(Rn rEn ) ≥ η(Rn ) = η(Rn rEn ) = η(En ) und damit π(E) = limn π(En ) ≥ limn η(En ) = η(E). Korollar 4.2.6. Sind die Maße nicht beide σ-endlich, so gibt es immer noch ein Maß π auf A ⊗ B mit der Produkteigenschaft π(A × B) = µ(A)ν(B), aber dieses ist nicht notwendig eindeutig. Unter allen Maßen mit der Produkteigenschaft gibt es jedoch ein größtes, das das Produktmaß µ ⊗ ν genannt wird. Analysis 3 77 Beweis. Folgt aus dem Beweis des Satzes. Beispiel 4.2.7. Das Lebesgue-Maß λn auf Rn ist das n-fache Produktmaß des Lebesgue-Maßes λ auf R. Dies ergibt sich aus der Eindeutigkeit des Produktmaßes. 4.3 Der Satz von Fubini Seien (X, A , µ) und (Y, B, ν) Maßräume. Der Satz von Fubini sagt, dass man über X × Y integrieren kann, indem man zuerst über X und dann über Y integriert, oder umgekehrt. Man muss allerdings verlangen, dass die Maße σ-endlich sind. Satz 4.3.1 (Fubini). Seien µ und ν beide σ-endlich und sei f eine messbare Funktion auf dem Produkt X × Y. R a) Ist f ≥ 0, dann definieren die partiellen Integrale X f (x, y) dx und R f (x, y) dy messbare Funktionen und die Fubini-Formel Y Z Z Z f (x, y)dµ ⊗ ν(x, y) = X×Y f (x, y) dy dx ZX Z Y = f (x, y) dx dy Y X gilt. b) Ist f komplexwertig und eines der iterierten Integrale Z Z Z Z | f (x, y)| dy dx oder | f (x, y)| dx dy X Y Y X ist endlich, dann ist f integrierbar. Ist f integrierbar, so existieren auch die iterierten Integrale und die Fubini-Formel gilt. Analysis 3 78 Beweis. Man zerlegt X = S n Xn in disjunkte Teile von endlichem Maß und verfährt ebenso mit Y. Ist die Behauptung für jede Menge der Gestalt Xn × Ym gezeigt, folgt sie allgemein. Man kann also annehmen, dass beide Maße endlich sind, nach Skalieren kann man sogar µ(X) = ν(Y) = 1 annehmen. Lemma 4.3.2. Ist M ⊂ X × Y messbar, so ist für jedes y ∈ Y die Menge M y = {x ∈ X : (x, y) ∈ M} messbar in X. Die Abbildung y 7→ µ(M y ) ist messbar auf Y und es gilt Z µ ⊗ ν(M) = µ(M y ) dν(y). Y M y My Beweis. Nach Lemma 4.2.3 ist die Abbildung X → X × Y, x 7→ (x, y) messbar. Damit ist das Urbild von M, also M y , messbar. Um zu zeigen, dass φM : y 7→ µ(M y ) messbar ist, wird das sogenannte Prinzip der guten Mengen benutzt. Dieses Prinzip kann stets verwendet werden, wenn man zeigen will, dass alle Mengen einer bestimmten σ-Algebra A eine bestimmte Eigenschaft E haben. Man zeigt einfach, dass alle Mengen mit der Eigenschaft E ihrerseits eine σ-Algebra bilden und dass diese Σ-Algebra ein Erzeugendensystem von A enthält. Dann enthält sie auch A und damit ist bewiesen, dass Analysis 3 79 alle Mengen von A die Eigenschaft E haben. In unserem Fall sei P die Menge aller M ⊂ X × Y, für die φM messbar ist. Dann gilt a) ∅ ∈ P, b) M ∈ P ⇒ Mc ∈ P, c) M1 , M2 , · · · ∈ P paarweise disjunkt, ⇒ M = S n Mn ∈ P, d) P enthält alle messbaren Rechtecke. Die Aussage (a) ist klar. (b) gilt wegen φMc = 1 − φM . (c) folgt aus P φM = n φMn . Die Aussage (d) schließlich gilt wegen φA×B = µ(A)1B . Sei R die Menge der messbaren Rechtecke. Dann ist R schnittstabil und mit Satz 4.1.1 folgt P = A (R) = A ⊗ B. Die rechte Seite der Identität Z µ ⊗ ν(M) = µ(M y ) dν(y) Y definiert ein Maß auf A ⊗ B, das auf Rechtecken mit µ ⊗ ν übereinstimmt, daher stimmt die rechte Seite für jedes M mit der linken überein. Das Lemma folgt dann aus der Eindeutigkeit in Satz 4.2.4. Nun zum Beweis des Satzes. Formel (a) folgt aus dem Lemma, wenn f eine einfache Funktion ist. Ein beliebiges f ist aber ein monotoner Limes einfacher Funktionen, damit folgt (a) allgemein. Für Teil (b) zerlegt man f = u + iv und reduziert damit die Behauptung auf reellwertige Funktionen. Weiter schreibt man f = f+ − f− . Ist etwa Z Z | f (x, y)| dy dx < ∞, X Y Analysis 3 80 so folgt Z Z f+ (x, y) dy dx < ∞ X Y und die Fubini-Formel gilt für f+ und ebenso für f− . Zusammen folgt die Behauptung. • Für x, y > 0 ist Beispiele 4.3.3. x2 − y2 x ∂2 arctan = , y (x2 + y2 )2 ∂x∂y also gilt 1 Z 0 Z 0 1 ! x2 − y2 π dy dx = , 4 (x2 + y2 )2 Z 1 1 Z 0 0 ! x2 − y2 π dx dy = − . 4 (x2 + y2 )2 Die iterierten Integrale existieren beide, sich aber nicht gleich, also ist diese Funktion nicht im Produktmaß integrierbar. • Dieses Beispiel zeigt, dass die σ-Endlichkeit im Satz von Fubini erforderlich ist. Sei X = Y = [0, 1] und versehe X mit dem Lebesgue-Maß, den zweiten Faktor Y aber mit dem Zählmaß ζ, welches nicht σ-endlich ist. Sei f (x, y) = 1 falls x = y und f (x, y) = 0 sonst. Dann gilt Z Z Z f (x, y) dλ(x) dζ(y) = [0,1] aber Z 0 dζ(y) = 0. [0,1] [0,1] Z Z f (x, y) dζ(y) dλ(x) = [0,1] [0,1] 1 dλ(x) = 1. [0,1] Analysis 3 5 81 Allgemeine Topologie 5.1 Abstrakte Topologie Zur Erinnerung: Ein System O von Teilmengen einer gegebenen Menge X heißt Topologie, falls es unter endlichen Schnitten und beliebigen Vereinigungen abgeschlossen ist, genauer wenn • ∅, X ∈ O, • A, B ∈ O ⇒ A ∩ B ∈ O, • Ai ∈ O ∀i∈I ⇒ S i∈I Ai ∈ O. In Anlehnung an den Fall eines metrischen raums nennt die Elemente von O auch die offenen Mengen der Topologie. Ein Tupel (X, O) bestehend aus einer Menge X und einer Topologie auf X heißt topologischer Raum. Beispiele 5.1.1. • Das System der offenen Mengen eines metrischen Raumes ist eine Topologie. • Die triviale Topologie kann man auf jeder Menge X installieren, in ihr sind ∅ und X die einzigen offenen Mengen. • Die diskrete Topologie auf einer Menge X besteht aus allen Teilmengen, also O = P(X). Damit ist jede Menge offen. • Die Co-endlich-Topologie. Hier ist X eine unendliche Menge und A ⊂ X ist offen falls entweder A = ∅ oder falls das Komplement X r A endlich ist. Definition 5.1.2. Sei X ein topologischer Raum und sei x ∈ X. Eine offene Umgebung von x ist eine offene Menge U ⊂ X, die x enthält. Eine Analysis 3 82 Umgebung ist eine Menge V ⊂ X, die eine offene Umgebung umfasst. Ein topologischer Raum X heißt Hausdorff-Raum, falls es zu je zwei Punkten x , y in X Umgebungen U von x und V von y gibt, so dass U ∩ V = ∅. Das Bild illustriert diesen Sachverhalt. x • y • U Proposition 5.1.3. V a) Jeder metrische Raum ist ein Hausdorff-Raum. b) Die Co-endlich-Topologie auf einer unendlichen Menge ist nicht hausdorffsch. c) Die Co-endlich-Topologie ist nicht von einer Metrik induziert. Beweis. Für (a) sei X ein metrischer Raum und x , y zwei Punkte darin. Sei ε = d(x,y) 2 > 0, so sind die beiden offenen Umgebungen U = Bε (x) und V = Bε (y) disjunkt, denn ist z ∈ Bε (x), dann ist d(x, z) < ε also ist d(y, z) ≥ d(x, y) − d(x, z) > 2ε − ε = ε also ist z nicht in Bε (y) und X ist damit hausdorffsch. Sei nun X eine unendliche Menge und O die Co-endlich-Topologie auf X. Seien x, y ∈ X und U eine Umgebung von x und V eine Umgebung von y. Dann sind U und V beide co-endlich, also ist auch ihr Schnitt V ∩ V co-endlich, denn es gilt (U ∩ V)c = Uc ∪ V c , Analysis 3 83 wobei Uc = X r U das Komplement von U ist. Insbesondere ist also U ∩ V nicht die leere Menge, damit X also nicht hausdorffsch. Der Teil (c) folgt aus (a) und (b). Definition 5.1.4. Ist Y ⊂ X und ist X ein topologischer Raum, so wird Y zu einem topologischen Raum, indem man eine Teilmenge A ⊂ Y genau dann offen nennt, wenn es eine offene Teilmenge B ⊂ X gibt mir A = Y ∩ B. Diese Topologie auf Y nennt man die Teilraumtopologie von Y in X. Beispiel 5.1.5. Ist (X, d) ein metrischer Raum und ist A ⊂ X eine Teilmenge, dann ist d auf A ebenfalls eine Metrik und induziert dort eine Topologie. Andererseits erhält A die Teilraumtopologie von X. Diese beiden Topologien auf A stimmen überein. Beweis. Sei U ⊂ A offen in der Metrik. Zu jedem x ∈ U gibt es einen n o Radius r(x) > 0, so dass der offene Ball a ∈ A : d(a, x) < r(x) in U enthalten ist. Für x ∈ X sei Br (x) der offene Ball um x mit Radius r als Teilmenge von X. Die Menge V= [ Br(x) (x) x∈U ist offen in X, denn sie ist eine Vereinigung von offenen Bällen. Es folgt dann U = A ∩ V, also ist U offen in der Teilraumtopologie. Sei umgekehrt U ⊂ A offen in der Teilraumtopologie, also existiert eine offene Menge V ⊂ X so dass U = A ∩ V. Ist dann x ∈ U, so existiert ein r > 0 so dass Br (x) ⊂ V gilt und damit Br (x) ∩ A ⊂ U. Die Menge Br (x) ∩ A ist aber gerade der offene Ball mit Radius r um x in dem metrischen Raum (A, d), so dass U auch in der Metrik auf A eine offene Menge ist. Ist X ein topologischer Raum, I eine Indexmenge und ist für jedes i ∈ I Analysis 3 84 eine abgeschlossene Menge Ai ⊂ X gegeben, so ist der Schnitt T A = i∈I Ai wieder eine abgeschlossene Menge, denn das Komplement c [ \ c A = Ai = Aci i∈I i∈I ist als Vereinigung offener Mengen wieder offen. Zu jeder Menge A ⊂ X gibt es daher eine kleinste abgeschlossene Menge A, die A enthält, genauer ist A= \ C. C⊃A C⊂X abgeschlossen Diese Menge A wird der Abschluss von A in X genannt. Nach Definition liegt A in jeder abgeschlossenen Menge, die A umfasst. Lemma 5.1.6. Sei A eine Teilmenge des topologischen Raums X. Ein Punkt x ∈ X gehört genau dann zum Abschluss A von A, wenn A ∩ U , ∅ für jede Umgebung U von x gilt. Beweis. Sei x ∈ X. Gibt es eine Umgebung U, die disjunkt zu A ist, dann kann man U als offen annehmen und dann ist A ⊂ Uc und Uc ist abgeschlossen, also folgt A ⊂ Uc und damit ist x < A. Ist umgekehrt x < A, dann muss es eine abgeschlossene Teilmenge C ⊂ X geben, die A umfasst und x nicht enthält. Dann ist aber U = X r C eine offene Umgebung von x, die disjunkt zu A ist. 5.2 Stetigkeit Definition 5.2.1. Eine Abbildung f : X → Y zwischen topologischen Räumen heißt stetig, wenn für jede offene Menge U ⊂ Y das Urbild f −1 (U) ⊂ X offen ist. Analysis 3 85 Indem man zu Komplementen übergeht, sieht man, dass eine Abbildung genau dann stetig ist, wenn für jede abgeschlossenen Menge C ⊂ Y das Urbild f −1 (C) ⊂ X abgeschlossen ist. Lemma 5.2.2. Seien f, g komponierbare Abbildungen zwischen topologischen Räumen. Sind f und g stetig, dann ist auch die Komposition f ◦ g stetig. Beweis. Seien g : X → Y und f : Y → Z und sei U ⊂ Z eine offene Menge, dann ist f −1 (U) offen, da f stetig ist. Da überdies g stetig ist, ist dann auch ( f ◦ g)−1 = g−1 f −1 (U) offen. Definition 5.2.3. Eine Abbildung f : X → Y zwischen topologischen Räumen heißt offene Abbildung, falls Bilder offener Mengen offen sind, wenn also f (U) ⊂ Y offen ist für jede offene Menge U ⊂ X und f heißt abgeschlossene Abbildung, falls f (C) abgeschlossen ist für jedes abgeschlossene C ⊂ X. Eine bijektive Abbildung f : X → Y heißt ein Homöomorphismus, falls f stetig und offen ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn sowohl f als auch ihre Umkehrabbildung stetig sind. Zwei topologische Räume X, Y heißen homöomorph, wenn es einen Homöomorphismus X → Y gibt. Beispiele 5.2.4. • Die Abbildung f : R → R, x 7→ x2 ist stetig, aber nicht offen, denn das Bild des offenen Intervalls (−1, 1) ist das Intervall [0, 1), welches nicht offen ist. • Jedes nichtleere offene Intervall (a, b) ⊂ R ist homöomorph zur reellen Geraden R, denn die Abbildung x 7→ 1 1 + a−x b−x ist ein Homöomorphismus von (a, b) nach R. Analysis 3 86 • Ein Rechteck [a, b] × [c, d] ⊂ R2 mit a < b, c < d ist homöomorph zur abgeschlossenen Kreisscheibe B1 (0) = {(x, y) ∈ R2 : x2 + y2 ≤ 1}. Die Konstruktion eines Homöomorphismus sei dem Leser zur Übung gelassen. Definition 5.2.5. (Punktweise Stetigkeit) Sei f : X → Y eine Abbildung zwischen topologischen Räumen und sei x ∈ X. Die Abbildung f heißt stetig im Punkt x, falls es zu jeder offenen Umgebung V von f (x) eine offene Umgebung U von x gibt, die nach V abgebildet wird, d.h. dass f (U) ⊂ V gilt. Lemma 5.2.6. Eine Abbildung f : X → Y zwischen topologischen Räumen ist genau dann stetig, wenn sie in jedem Punkt stetig ist. Beweis. Sei f stetig und V eine offene Umgebung von f (x), dann ist U = f −1 (V) eine offene Umgebung von x, die nach V abgebildet wird. Sei umgekehrt f in jedem Punkt stetig und sei V ⊂ Y eine offene Menge sowie U = f −1 (V) das Urbild. Es ist zu zeigen, dass U offen ist. Dazu sei x ∈ U, so existiert, da f in x stetig ist und V eine offene Umgebung von f (x) ist, eine offene Umgebung Ux von x, mit f (Ux ) ⊂ V oder S Ux ⊂ f −1 (V) = U. Es folgt, dass U = x∈U Ux eine Vereinigung von offenen Mengen, also offen ist. 5.3 Kompaktheit und das Lemma von Urysohn Ist X eine beliebige Menge ausgestattet mit der trivialen Topologie, dann ist jede stetige Funktion von X nach R konstant. Dies ist ein Beispiel für einen Raum, der nur wenige stetige Funktionen besitzt. Das Lemma von Urysohn gibt nun eine Klasse von Räumen an, auf denen es hinreichend viele stetige Funktionen gibt, um zum Beispiel Punkte zu trennen, d.h. dass es zu je zwei Punkten x , y eine stetige Funktion f Analysis 3 87 mit f (x) , f (y) gibt. Die folgende Definition verallgemeinert die Definition von Kompaktheit in metrischen Räumen. Definition 5.3.1. Eine Teilmenge K eines topologischen Raums X heißt kompakt, falls jede offene Überdeckung eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Das heißt, K ist genau dann kompakt, wenn es zu jeder Familie (Ui )i∈I S von offenen Mengen in X mit K ⊂ i∈I Ui eine endliche Teilmenge E ⊂ I S gibt, so dass bereits K ⊂ i∈E Ui gilt. Insbesondere ist der Raum X selbst kompakt, wenn es zu jeder Familie S (Ui )i∈I von offenen Mengen mit X = i∈I Ui eine endliche Teilmenge S E ⊂ I gibt, so dass bereits X = i∈E Ui gilt. Definition 5.3.2. Man sagt: eine Familie abgeschlossener Teilmengen des topologischen Raums X hat die endliche Schnitteigenschaft, falls T i∈E Ai , ∅ für jede endliche Teilmenge E ⊂ I gilt. In dem man von offenen Mengen zu deren Komplementen übergeht, erhält man: Lemma 5.3.3. Ein topologischer Raum X ist genau dann kompakt, wenn für jede Familie (Ai )i∈I abgeschlossener Mengen mit der endlichen T Schnitteigenschaft der Gesamtschnitt nichtleer ist, also i∈I Ai , ∅ gilt. Beweis. Ist T i∈I Ai = ∅, dann bilden die Komplemente Ui = X r Ai eine offene Überdeckung von X. Zu dieser gibt es eine endliche T Teilüberdeckung, also eine endliche Teilmenge E ⊂ I mit i∈E Ai = ∅. Lemma 5.3.4. Sei X ein topologischer Raum, dann gilt (a) Ist X kompakt und ist K ⊂ X eine abgeschlossene Teilmenge, dann ist K kompakt. Analysis 3 88 (b) Ist X ein Hausdorff-Raum und ist K ⊂ X kompakt, dann ist K abgeschlossen. (c) Stetige Bilder kompakter Mengen sind kompakt. Das heißt, ist f : X → Y stetig und ist K ⊂ X kompakt, dann ist f (K) ⊂ Y kompakt. Beweis. (a) Sei (Ui )i∈I eine Überdeckung von K, wobei jedes Ui eine offene Teilmenge von X ist. Dann ist (Ui )i∈I ∪ {X r K} eine offene Überdeckung von X. Da X kompakt ist, existieren Indizes i1 , . . . , il so S S dass X ⊂ (X r K) ∪ lj=1 Ui j , also K ⊂ lj=1 Ui j . (b) Sei x ∈ X r K. Es ist zu zeigen, dass es eine offene Umgebung U von x gibt, so dass U ∩ K die leere Menge ist. Da X ein Hausdorff-Raum ist, gibt es zu jedem y ∈ K offene Umgebungen V y von y und U y von x mit V y ∩ U y = ∅. Dann ist (V y ) y∈K eine offene Überdeckung von K, also gibt S T es y1 , . . . , yl ∈ K mit K ⊆ lj=1 V y j . Dann ist U = lj=1 U y j eine offene Umgebung von x mit U ∩ K = ∅. (c) Sei (Ui )i∈I eine offene Ueberdeckung von f (K), dann sind die Urbilder ( f −1 (Ui ))i∈I eine offene Ueberdeckung von K. Es reichen also endlich viele. Sei K ⊂ f −1 (Ui1 ) ∪ · · · ∪ f −1 (Uin ), dann folgt f (K) ⊂ Ui1 ∪ · · · ∪ Uin . Daher ist f (K) kompakt. Definition 5.3.5. Ein topologischer Raum X heißt lokalkompakt, falls jeder Punkt x ∈ X eine kompakte Umgebung besitzt. Beispiele 5.3.6. • Die Menge Rn ist lokalkompakt, da jeder Punkt x eine kompakte Umgebung, etwa [x1 − 1, x1 + 1] × · · · × [xn − 1, xn + 1] besitzt. Analysis 3 89 • Hier ein Beispiel für einen nicht lokalkompakten metrischen Raum. Der Raum C [0, 1] aller stetigen Funktionen von [0, 1] nach C ist mit der Supremumsnorm ein normierter Vektorraum, also ein metrischer Raum. Dieser Raum ist nicht lokalkompakt. Beweis. Es reicht zu zeigen, dass die konstante Funktion 0 ∈ C [0, 1] keine kompakte Umgebung besitzt. Angenommen, es gebe eine kompakte Umgebung K der Null. Dann enthält K einen offenen Ball B2r (0) um Null, dieser enthält den abgeschlossenen Ball B = Br (0), der als abgeschlossene Teilmenge des Kompaktums K selbst wieder kompakt ist. Man konstruiert nun eine Folge f j in B, die keine konvergente Teilfolge besitzt, was nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß zu einem Widerspruch führt. Für n ∈ N sei f : [0, 1] → [0, r] die stetige Funktion, die außerhalb des Intervalls i hn 1 1 , 2n 2n−1 gleich Null ist und in diesem Intervall den Graphen r 1 2n 1 2n−1 hat. In der Supremumsnorm ist einerseits fn [0,1] = r für jedes n ∈ N, also fn ∈ K, und andererseits gilt lim fm − fn [0,1] = r n→∞ für jedes m ∈ N, so dass es zu jedem m ein n0 gibt, so dass fm − fn ≥ r/2 fü r jedes n ≥ n0 gilt. Damit besitzt die Folge ( fn ) keine Teilfolge, die eine Cauchy-Folge ist, also keine konvergente Teilfolge. Analysis 3 90 Definition 5.3.7. Eine Teilmenge A ⊂ X eines topologischen Raums heißt relativ kompakt, falls der Abschluss A ⊂ X kompakt ist. Lemma 5.3.8 (Lemma von Urysohn). Sei X ein lokalkompakter Hausdorff-Raum. Sei K ⊂ X kompakt und A ⊂ X abgeschlossen mit K ∩ A = ∅. (a) Es existiert eine relativ kompakte offene Umgebung U von K so dass K ⊂ U ⊂ U ⊂ X r A. (b) Es gibt eine stetige Abbildung mit kompaktem Träger f : X → [0, 1] mit f ≡ 1 auf K und f ≡ 0 auf A. Beweis. (a) Sei a ∈ A. Für jedes k ∈ K gibt es eine offene, relativ kompakte Umgebung Uk von k und eine Umgebung Uk,a von a mit Uk ∩ Uk,a = ∅. Die Familie (Uk )k∈K ist eine offene Überdeckung von K. Da K kompakt ist, reichen endlich viele. Sei V die Vereinigung dieser endlich vielen offenen Mengen und sei W der Schnitt der entsprechenden endlich vielen Uk,a . Dann sind V und W offene Umgebungen von K und a und V ist relativ kompakt. Eine Wiederholung dieses Argumentes mit K in Rolle von a und V ∩ A in der Rolle von K liefert disjunkte offene Umgebungen U0 von K und W 0 von V̄ ∩ A. Die Menge U = U0 ∩ V erfüllt Teil (a) des Lemmas. (b) Wähle ein U das (a) erfüllt und ersetze A durch X r U. Hierdurch sieht man, dass es reicht, (b) zu beweisen ohne die Forderung nach kompaktem Träger. Wähle also wieder ein U, das Teil (a) erfüllt und benenne dieses U mit U 1 . Wiederrum nach (a) existiert eine relativ kompakte offene 2 Umgebung U 1 von U 1 so dass U 1 ⊂ U 1 ⊂ U 1 ⊂ Ac . Sei R die Menge aller 4 Zahlen der Gestalt 2 k 2n 2 4 4 im Intervall [0, 1). Formal setze U0 = Ac . Durch Analysis 3 91 Iteration der obigen Konstruktion erhält man offene Mengen Ur , r ∈ R, mit K ⊂ Ur ⊂ Ur ⊂ Us ⊂ Ac für alle r > s in R. Für x ∈ A setze f (x) = 0 und für x < A sei f (x) = sup{r ∈ R : x ∈ Ur }. Dann gilt f ≡ 1 auf K. Für r > s in R gilt [ f (s, r) = −1 Us0 r Us00 , s<s0 <s00 <r dies ist eine offene Menge. Ähnlich sieht man, dass f −1 [0, s) und −1 f (r, 1] offen sind. Da die Intervalle der Form (r, s), [0, s) und (r, 1] die Topologie auf [0, 1] erzeugen, ist f stetig. 5.4 Erzeuger und Abzählbarkeit Für ein gegebenes System von Teilmengen E ⊂ P(X) existiert eine kleinste Topologie, die E enthält, nämlich den Schnitt über alle Topologien, die E enthalten, OE = \ O. O ⊃E O Topologie Man nennt OE die von E erzeugte Topologie. Die Tatsache, dass OE in der Tat eine Topologie ist, ist leicht einzusehen, so gilt etwa ∅, X ∈ OE , weil diese Mengen in allen Topologien liegen. Weiter seien etwa A, B ∈ OE , dann liegen A und B in allen Topologien, die E enthalten. Diese Topologien enthalten dann auch alle den Schnitt A ∩ B, der demzufolge in OE liegt. Vereinigungen werden ebenso behandelt. Lemma 5.4.1. Sei E ⊂ P(X) beliebig. Sei dann S ⊂ P(X) das System aller Mengen der Form A1 ∩ · · · ∩ An , Analysis 3 92 wobei A1 , . . . , An ∈ E . Als nächstes sei T 0 das System aller Mengen der Form [ Si , i∈I mit Si ∈ S für jedes i ∈ I. Schließlich setze T = T 0 ∪ {∅, X}. Dann gilt OE = T . Beweis. Jede Topologie, die E enthält, enthält auch S und T , also T ⊂ OE . Wenn man andererseits zeigt, dass T selbst eine Topologie ist, folgt, da T den Erzeuger E enthält, schon T ⊃ OE . Es bleibt also zu zeigen, dass T eine Topologie ist. • ∅, X ∈ T gilt nach Definition. • Beliebige Vereinigungen von Elementen von T sind wieder Elemente von T . • Man zeigt A, B ∈ T ⇒ A ∩ B ∈ T . Ist eine der beiden Mengen gleich ∅ oder X, so ist die Behauptung klar. Seien also A= [ Si , B= Tj j∈J i∈I mit Si , T j ∈ S . Dann ist A ∩ B = [ S I∈I j∈J Si ∩ T j . Mit Si , T j ∈ S folgt aber Si ∩ T j ∈ S , also ist A ∩ B ∈ T . Damit ist der Beweis abgeschlossen. Definition 5.4.2. Eine Umgebungsbasis eines Punktes x ∈ X ist eine Familie (Ui )i∈I von Umgebungen von x so dass jede Umgebung U eines der Ui umfasst. Ist jedes Ui offen, so spricht man von einer offenen Umgebungsbasis. Man sagt, ein topologischer Raum X genügt dem ersten Analysis 3 93 Abzählbarkeitsaxiom, wenn jeder Punkt x eine abzählbare Umgebungsbasis besitzt. • Sei (X, d) ein metrischer Raum. Für jedes x ∈ X ist die Familie der Bälle B1/n (x) n∈N eine Umgebungsbasis von x. Also Beispiele 5.4.3. genügt jeder metrische Raum dem ersten Abzählbarkeitsaxiom. • Die Co-endlich Topologie auf einer überabzählbaren Menge X genügt nicht dem ersten Abzählbarkeitsaxiom. Definition 5.4.4. Eine Basis der Topologie oder Topologie-Basis ist eine Familie (Ui )i∈I von offenen Mengen, so dass jede offene Menge als Vereinigung von Mitgliedern Ui der Familie geschrieben werden kann. Ein Beispiel ist die Menge B aller offenen Intervalle (a, b) in R, wobei a und b rationale Zahlen sind. Die Menge B ist eine Topologie-Basis von R. Definition 5.4.5. Ein topologischer Raum genügt dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom, wenn er eine abzählbare Topologie-Basis besitzt. Es ist eine Konsequenz des Lemmas 5.4.1, dass ein Raum genau dann dem zweiten Abzählbarkeitsaxiom genügt, wenn die Topologie einen abzählbaren Erzeuger besitzt. Beispiel 5.4.6. Ein Beispiel für einen Raum, der keine abzählbare Topologiebasis besitzt, ist schnell gegeben: Sei X eine überabzählbare Menge und O = P(X) die diskrete Topologie. Dann ist die Menge aller Singletons {x} mit x ∈ X die kleinste Topologiebasis die es gibt. Diese ist nicht abzählbar. Analysis 3 5.5 94 Initial- und Final-Topologien Viele wichtige und nützliche Topologien sind nur implizit gegeben. Die meisten sind Initial- oder Final-Topologien. Diese sind jeweils durch Abbildungen von oder in topologische Räume induziert. Initialtopologien Definition 5.5.1. Sei X eine Menge und fi : X → Yi eine Familie von Abbildungen, wobei die Yi topologische Räume sind. Die Initialtopologie auf X induziert durch die Familie ( fi )i∈I ist die kleinste Topologie auf X, bezüglich der alle fi stetig sind. Also ist es die Topologie, die durch alle Urbilder fi−1 (U) offener Mengen U ⊂ Yi erzeugt wird. Beispiele 5.5.2. • Sei A ⊂ X eine Teilmenge des topologischen Raums X. Die Teilraumtopologie von A ist genau die Initialtopologie, die von der Inklusionsabbildung i : A ,→ X induziert wird. • Sei (Xi )i∈I eine Familie topologischer Räume. Sei X = Q i∈I Xi das kartesische Produkt der Räume Xi . Die Produkttopologie auf X ist die Initial-Topologie der Koordinaten-Projektionen pi : X → Xi . Sie wird also erzeugt von allen Mengen der Form Ui × Y X j, i,j wobei Ui ⊂ Xi eine offene Menge ist. Nach Lemma 5.4.1 ist jede offene Menge in X eine Vereinigung von Mengen der Gestalt Y Y Ui × Xi , i∈E i<E Analysis 3 95 wobei E ⊂ I eine endliche Teilmenge der Indexmenge I ist. Lemma 5.5.3. Die Topologie auf Rn , die durch die euklidische Metrik definiert Q wird, stimmt mit der Produkttopologie von Rn = nj=1 R überein. Beweis. Eine Menge U ⊂ Rn ist genau dann offen in der euklidischen Metrik, wenn sie eine Vereinigung von offenen Bällen ist. Sie ist genau dann offen in der Produkt-Topologie, wenn sie eine Vereinigung von offenen Quadern (a1 , b1 ) × · · · × (an , bn ) ist. Um also zu zeigen, dass diese Topologien übereinstimmen, reicht es, zu zeigen, dass jeder offene Quader eine Vereinigung offener Bälle und jeder offene Ball Vereinigung offener Quader ist. Sei also Q = (a1 , b1 ) × · · · × (an , bn ) ein offener Quader und sei x ∈ Q. Dann liegt der Ball Br (x) mit Radius r = min(|a1 − x1 |, . . . , |an − xn |, |bn − xn |, . . . , |bn − xn |) ganz in Q. Also gibt es zu jedem x ∈ Q einen offenen Ball Bx mit S x ∈ Bx ⊂ Q, so dass Q = x∈Q Bx gilt. Sei umgekehrt ein offener Ball B gegeben und sei x ∈ B. Dann enthält B einen offenen Ball Br (x) mit Zentrum x. Dieser wiederum enthält einen offenen Quader, der x enthält. Proposition 5.5.4. Sei X eine Menge versehen mit der Initial-Topologie induziert durch die Abbildungen fi : X → Yi , i ∈ I. Eine Abbildung α : W → X von einem topologischen Raum W ist genau dann stetig, wenn alle Abbildungen fi ◦ α : W → Yi stetig sind. Beweis. Sei α stetig, dann ist fi ◦ α als Komposition stetiger Abbildungen selbst auch stetig. Andersherum, nimm an, dass alle fi ◦ α stetig sind. Sei E das System von Teilmengen von X der Form fi−1 (U) wobei U eine offene Teilmenge von Yi ist. Dann erzeugt E die Topologie Analysis 3 96 O von X. Sei Oα die größte Topologie auf X, die α stetig sein lässt, dann, da fi ◦ α stetig ist, folgt E ⊂ Oα , deshalb O ⊂ Oα , also ist α stetig. Beispiel 5.5.5. Für eine gegebene Familie von topologischen Räumen Q Xi , i ∈ I, sei X = i∈I Xi das Produkt der Xi , versehen mit der Produkttopologie. Sei pi : X → Xi die i-te Projektion. Eine Abbildung f : W → X von einem topologischen Raum W ist genau dann stetig, wenn alle Abbildungen pi ◦ f : W → Xi stetig sind. Dies bedeutet zum Beispiel, dass für zwei topologische Räume X, Y und y0 ∈ Y die Abbildung X → X × Y, die x auf (x, y0 ) wirft, stetig ist. Lemma 5.5.6. Ein topologischer Raum X ist genau dann hausdorffsch, wenn die Diagonale ∆ = {(x, x) : x ∈ X} eine abgeschlossene Teilmenge von X × X ist. Beweis. Der Raum X × X trägt die Produkttopologie, das heißt die Familie aller offenen Rechtecke: U × V, wobei U, V ⊂ X offene Mengen sind, ist eine Topologiebasis. Daher ist die Abgeschlossenheit von ∆ äquivalent dazu, dass ∆c = X × X r ∆ eine Vereinigung von offenen Rechtecken ist, was wiederum bedeutet, dass es zu x , y in X, also (x, y) ∈ ∆c offene Mengen U, V gibt, so dass (x, y) ∈ U × V ⊂ ∆c , mit anderen Worten: x ∈ U, y ∈ V und U ∩ V = ∅. Finaltopologien Definition 5.5.7. Sei X eine Menge und sei gi : Wi → X, i ∈ I eine Familie von Abbildungen von topologischen Räumen Wi . Die Final-Topologie auf X induziert durch die Familie (gi )i∈I ist die größte Topologie auf X, bezüglich der alle gi stetig sind. Eine Teilmenge U ⊂ X ist genau dann offen in der Final-Topologie, wenn jedes Urbild Analysis 3 97 g−1 (U) ⊂ Wi offen ist. Ein Spezialfall der Finaltopologie ist die i Quotiententopologie auf Z/ ∼, wobei Z ein topologischer Raum ist und ∼ eine Äquivalenzrelation. Die Quotiententopologie ist dann die Finaltopologie der Projektion Z → Z/ ∼. Beispiel 5.5.8. Ein wichtiges Beispiel einer Finaltopologie ist die Verklebung. Seien X, Y topologische Räume, U ⊂ X eine Teilmenge und φ : U → Y eine stetige Abbildung. Die Verklebung von X und Y entlang · φ ist die Menge X∪Y/ ∼, wobei ∼ die Äquivalenzrelation ist, die sich durch Identifikation von u ∈ U mit φ(u) ergibt. Genauer gilt a ∼ b genau dann, wenn a = b oder a ∈ U und b = φ(a) oder umgekehrt. Im Bild ist die Verklebung zweier gestreckter Ovale entlang der Identifikation zweier Seiten zu sehen. φ { Proposition 5.5.9. Sei X eine Menge versehen mit der Final-Topologie induziert durch Abbildungen gi : Wi → X, i ∈ I. Eine Abbildung β : X → Y in einen topologischen Raum Y ist genau dann stetig, wenn alle Abbildungen β ◦ gi : Wi → Y stetig sind. Beweis. Ist β : X → Y stetig so ist jede Verknüpfung β ◦ gi stetig. Sei umgekehrt β : X → Y eine Abbildung, so dass jede Verknüpfung β ◦ gi stetig ist. Sei dann U ⊂ Y eine offene Menge und sei V = β−1 (U) ⊂ X. −1 −1 −1 Für jedes i ∈ I ist dann gi (V) = gi β (U) = (β ◦ gi )−1 (U) offen in Wi , also ist V offen und damit ist β stetig. Beispiel 5.5.10. Ein wichtiges Beispiel einer Finaltopologie ist der Raum Cc (Rn ) aller stetigen Funktionen f : Rn → R mit kompakten Analysis 3 98 Trägern. Für jedes Kompaktum K ⊂ Rn sei CK (Rn ) die Teilmenge aller stetigen Funktionion mit Träger in K. Mit Hilfe der Supremumsnorm installiert man auf CK (Rn ) eine Metrik dK ( f, g) = f − gK = sup | f (x) − g(x)|. x∈K Auf Cc (Rn ) installiert man dann die Finaltopologie gegeben durch alle Inklusionen CK (Rn ) ,→ Cc (Rn ), wenn K durch alle kompakten R Teilmengen läuft. Das Integral f 7→ Rn f (x) dx liefert eine stetige Abbildung Cc (Rn ) → R. Analysis 3 6 99 Differentialformen 6.1 Mannigfaltigkeiten Definition 6.1.1. Seien n ≤ N natürliche Zahlen. Eine Teilmenge M ⊂ RN , versehen mit der Teilraumtopologie, heißt n-dimensionale Mannigfaltigkeit, falls es zu jedem Punkt p ∈ M eine offene Umgebung U ⊂ M gibt, auf der ein Homöomorphismus ∼ φ:U→ Rn definiert ist. Ein solches φ heißt Karte der Mannigfaltigkeit M. Die Menge U heißt Kartenumgebung von p. Beachte: Jeder offene Quader {x ∈ Rn : a j < x j < b j } , ∅ in Rn ist homöomorph zum Rn , etwa durch die Abbildung ψ : (a, b) → Rn mit den Koordinaten ψ(x) j = 1 1 + . aj − xj bj − xj Ebenso ist jeder offene Ball Br (a) in Rn homöomorph zu Rn . Beispiele 6.1.2. • Rn selbst ist eine Mannigfaltigkeit der Dimension n. • Die n-Sphäre Sn = {x ∈ Rn+1 : ||x|| = 1} ist eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit. Dies kann man auf verschiedene Weisen einsehen. Sei etwa x0 ∈ Sn und sei H ⊂ Rn der Orthogonalraum zu x, also H = {y ∈ Rn+1 : x0 , y = 0}. Dann ist H ein n-dimensionaler Untervektorraum, also ist der Analysis 3 100 Raum H homöomorph zu Rn . Sei U = {x ∈ Sn : hx, x0 i > 0}. Dann ist U eine offene Umgebung von x0 in Sn und die Orthogonalprojektion p : Rn+1 → H bildet U homöomorph auf einen offenen Ball in H ab. Im Bild ist der Fall n = 1 dargestellt. • x0 H • Der Torus T2 ⊂ R3 ist homöomorph zu (S1 ) × (S1 ). Er kann definiert werden als die Menge aller x ∈ R3 , die zu dem Kreis 2S1 ⊂ R2 ⊂ R3 den Abstand 1 haben. Man kann den Torus in Koordinaten (x, y, z) konstruieren, indem man etwa in der (x, z)-Ebene einen Kreis mit Radius 1 um den Punkt (2, 0) in der (x, y)-Richtung um den Nullpunkt rotieren lässt. Der Kreis kann geschrieben werden als die Menge aller (2 + cos(t), 0, sin(t)) mit t ∈ R. Also kann man den Torus beschreiben als die Menge aller Analysis 3 101 Spaltenvektoren der Form cos(s) − sin(s) φ(s, t) = sin(s) cos(s) 1 2 + cos(t) 0 sin(t) wobei s, t ∈ R. Diese Abbildung ist periodisch mit Periode 2π in beiden Argumenten, liefert also eine Bijektion R2 /(2πZ)2 −→ T2 , die auch zur Konstruktion lokaler Karten verwendet werden kann (Übungsaufgabe!). Definition 6.1.3. Ein Atlas einer Mannigfaltigkeit M ist eine Familie von S Karten (φ j , U j ), die ganz M überdecken, also dass M = j U j gilt. Eine Karte φ : U → Rn heißt glatte Karte, falls die Umkehrabbildung ψ : Rn → U ⊂ RN glatt, also unendlich oft differenzierbar ist und die Funktionalmatrix Dψ(x) für jedes x ∈ Rn den vollen Rang (nämlich n) besitzt. Die Mannigfaltigkeit M heißt glatte Mannigfaltigkeit, falls die glatten Karten einen Atlas bilden. Beispiel 6.1.4. Die Oberfläche eines Würfels im R3 ist eine Mannigfaltigkeit, die nicht glatt ist. Sie ist aber homöomorph zur glatten Mannigfaltigkeit S2 . Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit und (φ, U), (ψ, V) zwei glatte Karten. Dann ist die Abbildung ψ ◦ φ−1 , φ R n z U∩V ψ◦φ−1 ψ / $ Rn , definiert auf der offenen Menge φ(U ∩ V) ⊂ Rn , eine glatte Abbildung, Analysis 3 102 wie aus dem Satz von der lokalen Umkehrfunktion folgt. Definition 6.1.5. Eine Abbildung F : M → N zwischen glatten Mannigfaltigkeiten heißt glatte Abbildung, falls für je zwei glatte Karten φ Rn M ∪ U F αF N ∪ V ψ Rn die induzierte Abbildung αF glatt ist, dort, wo sie definiert ist, nämlich auf der Menge φ(F−1 (V) ∩ U)). Ein Diffeomorphismus ist eine glatte Abbildung F : M → N die bijektiv ist, so dass die Umkehrabbildung F−1 ebenfalls glatt ist. Es bezeichne C∞ (M) den Vektorraum der glatten Funktionen f : M → R. Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit und sei p ∈ M ein Punkt. Der Tangentialraum an p ist definiert als Tp M = Bild Dψ(x) ⊂ RN , wobei φ : U → Rn eine glatte Karte ist, ψ = φ−1 , Dψ das Differential und x = φ(p) ∈ Rn . Dieser Untervektorraum des RN hängt nicht von der Wahl der Karte ab, wie folgendes Lemma zeigt. Lemma 6.1.6. Tp M ist die Menge aller Ableitungen γ0 (0), wobei γ : (−ε, ε) → M eine glatte Kurve ist mit γ(0) = p. Beweis. “⊂” Sei v ∈ Rn und sei γ(t) = ψ(x + tv). Dann ist γ glatt und γ0 (0) = Dψ(x)v. “⊃” Sei γ eine solche Kurve und sei σ = φ ◦ γ. Dann ist γ = ψ ◦ σ und γ0 (0) = Dψ(x)σ0 (0). Analysis 3 103 Beispiel 6.1.7. Sei M = T = {z ∈ C : |z| = 1} der Einheitskreis. Dann ist T eine Mannigfaltigkeit. Glatte Karten sind zum Beispiel durch die Umkehrfunktion von t 7→ e2πit gegeben, wenn man einmal t ∈ (− 12 , 12 ) und einmal t ∈ (0, 1) wählt. Der Tangentialraum in z = e2πit ist Tz M = Re2πit i. Tz M z 6.2 Derivationen Ist F : M → N eine glatte Abbildung zwischen zwei glatten Mannigfaltigkeiten und ist p ∈ M, so definiert man eine lineare Abbildung DF(p) : Tp M → TF(p) N in der folgenden Weise: Man wählt eine glatte Karte φ um p und eine weitere ψ um F(p) wie oben und definiert αF wie oben. Dann ist DF(p) die Verkettung Tp M D(φ−1 )(0)−1 / Rn DαF (0) n0 /R D(ψ−1 )(0) / TF(p) N. Lemma 6.2.1 (Interpretation des Differentials durch Kurven). Sei Analysis 3 104 F : M → N eine glatte Abbildung und p ∈ M. Sei γ : (−ε, ε) → M eine glatte Kurve mit γ(0) = p. Dann ist X = γ0 (0) in Tp M. Sei τ : (−ε, ε) → N die glatte Kurve τ = F ◦ γ. Dann gilt τ0 (0) = DF(X). Beweis. Man wählt Karten, transportiert den Weg γ dadurch nach Rn und betrachtet F als Abbildung Rn → Rk . Dann folgt die Aussage aus der Kettenregel. Sei γ : (−ε, ε) → M eine glatte Kurve mit γ(0) = p. Für f ∈ C∞ (M) setze d f γ(t) X( f ) = dt t=0 Dies definiert eine lineare Abbildung X : C∞ (M) → R mit der Eigenschaft X( f g) = f (p)X(g) + X( f )g(p) (Produktregel in p) Definition 6.2.2. Sei T̃p M die Menge aller linearen Abbildungen X von C∞ (M) nach R, die im Punkt p der Produktregel genügen. Die Elemente des Raums T̃p M werden Punktderivationen in p genannt. Beispiel 6.2.3. Koordinatenableitungen. Sei M = Rn und p = 0. Für j = 1, . . . , n ist D j , definiert durch D j( f ) = ∂f (0), ∂x j ein Element von T̃p M. Lemma 6.2.4. Sei K ⊂ Rn kompakt und sei U ⊂ Rn offen mit K ⊂ U. Dann existiert eine glatte Funktion f : Rn → [0, 1] mit f ≡ 1 auf K und f ≡ 0 außerhalb von U. Analysis 3 105 Beweis. Nach dem Lemma von Urysohn existiert eine stetige Funktion mit den genannten Eigenschaften. Die Funktion −1/x 1/(1−x) e 0 < x < 1, e χ(x) = 0 sonst, Ist glatt auf R und hat kompakten Träger [0, 1]. Sei ε > 0. Durch geeignete Wahl von Zahlen a, b, c ∈ R kann man eine glatte Funktion fε (x) = cχ(a ||x||2 + b) auf Rn konstruieren, so dass der Träger R von fε in dem ε-Ball Bε (0) um Null liegt, fε ≥ 0 ist und Rn fε (x) dx = 1 gilt. Da K kompakt ist, gibt es zwei offene, relativ kompakte Umgebungen V1 , V2 von K mit K ⊂ V1 ⊂ V̄1 ⊂ V2 ⊂ V̄2 ⊂ U. Sei ε > 0 so klein, dass die n o n offene Umgebung Uε (K) = x ∈ R : ∃ y∈K |x − y| < ε von K noch in V1 liegt und V̄2 Abstand > ε zu Rn \ U hat. Sei nun f˜ : Rn → [0, 1] eine stetige Funktion mit f˜ ≡ 1 auf V̄1 und f˜ ≡ 0 außerhalb von V2 . Dann leistet die Funktion f = fε ∗ f˜ das Gewünschte. Definition 6.2.5. Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit und (φ, U) eine glatte Karte. Seien x1 , . . . xn : U → R die Koordinaten von φ, also φ(p) = x1 (p), . . . , xn (p) . Man sagt, die Funktionen x1 , . . . , xn sind lokale Koordinaten auf M. Ist φ(p) = x, so definiere Punktderivationen ∂ ∂x j durch ∂( f ◦ φ−1 ) ∂ (f) = (x). ∂x j ∂x j Eine suggestive Schreibweise ist ∂f ∂x j (x). Analysis 3 106 Satz 6.2.6. Die oben definierte Abbildung Tp M = γ0 (0) : γ(0) = p → T̃p M ist ein Vektorraumisomorphismus. Es gibt also einen kanonischen Isomorphismus Tp M T̃p M. Ist (φ, U) eine glatte Karte mit φ(p) = 0, so ist ( ) ∂ ∂ T̃p M = µ1 + · · · + µn : µ ∈ Rn , ∂x1 ∂xn wobei x1 , . . . , xn die lokalen Koordinaten von φ sind. Das bedeutet, dass ∂ ∂ ∂x1 , . . . , ∂xn eine Basis des reellen Vektorraums T̃p M ist. Beweis. Für µ ∈ Rn sei Xµ = µ1 ∂x∂ 1 + · · · + µn ∂x∂n ∈ T̃p M. Es reicht zu zeigen, dass die Abbildung µ 7→ Xµ ein Vektorraumisomorphismus von Rn nach T̃p M ist. Zeige zunächst: Für X ∈ T̃p M hängt X( f ) nur von f |U ab, wobei U eine beliebig kleine Umgebung von p ist. Sei hierfür g ∈ C∞ (M) mit g|U ≡ 0 für eine offene Umgebung U von p, die klein genug ist, um in einer Kartenumgebung zu liegen. Dann gibt es eine offene Umgebung V von p mit V ⊂ V̄ ⊂ U ⊂ Ū und nach Lemma 6.2.4 gibt es h ∈ C∞ (M) mit h|V ≡ 0, h|M\U ≡ 1. Daher gilt g = hg. Es folgt X(g) = X(hg) = X(h) g(p) + h(p) X(g) = 0. |{z} |{z} =0 =0 Gilt also f ≡ f1 auf U, so folgt X( f − f1 ) = 0 also X( f ) = X( f1 ). Nach Anwendung einer Kartenabbildung reicht es daher aus, den Satz für M = Rn und p = 0 zu zeigen. Die Abbildung µ 7→ Xµ ist injektiv: sei x j die j-te Koordinatenabbildung, Analysis 3 107 dann ist Xµ (x j ) = µ1 ∂x j ∂x1 + · · · + µn ∂x j ∂xn = µ j. Sie ist surjektiv: sei X ∈ T̃p M = T̃0 Rn . Sei µ j = X(x j ) für j = 1, . . . , n. Sei Y = X − Xµ . Zu zeigen ist: Y = 0. Sei zunächst h(x) = xi x j g(x) für g ∈ C∞ (Rn ). Dann ist X(h) = X xi x j g(x) = xi (0)X(x j g) + x j (0)g(0)X(xi ) = 0. Nach der Theorie der Taylor-Reihen kann jedes f ∈ C∞ (Rn ) geschrieben werden als f (x) = c + α1 x1 + · · · + αn xn + X xi x j gi, j , i,j mit gi, j ∈ C∞ (Rn ). Es folgt Y( f ) = Y(c) = Y(1 · c) = Y(1)c + Y(c) = 2Y(c). Also Y( f ) = 0. Definition 6.2.7. Sei p ∈ M. Ein Koordinatensystem x1 , . . . xn heißt zentriert an p, falls x(p) = 0. Ab jetzt wird Tp M mit T̃p M identifiziert. Man sagt also: Tangentialvektoren sind Punktderivationen. Dies ist die abstrakte Definition des Tangentialraums. Ein Vektorfeld auf M ist eine stetige Abbildung X : M → RN so dass für jedes p ∈ M der Vektor X(p) im Tangentialraum Tp M liegt. Man schreibt auch Xp statt X(p). Ist X ein Vektorfeld auf M, so definiert Xp ∈ Tp M eine Punktderivation und für f ∈ C∞ (M) erhält man eine Abbildung X f : M → R, p 7→ Xp ( f ). Analysis 3 108 In lokalen Koordinaten x1 , . . . , xn lässt sich ein Vektorfeld X in der Form Xp = µ1 (p) ∂ ∂ + · · · + µn (p) ∂x1 ∂xn schreiben, wobei µ1 , . . . , µn in der Kartenumgebung definierte stetige reellwertige Funktionen sind. Dann ist X f (p) = µ1 (p) ∂f ∂f (p) + · · · + µn (p) (p). ∂x1 ∂xn Das Vektorfeld X ist als Abbildung von M nach RN genau dann glatt, wenn für alle glatten lokalen Koordinaten die Koordinatenfunktionen µ1 , . . . , µn glatt sind und das ist wiederum genau dann der Fall, wenn X f für jedes f ∈ C∞ (M) eine glatte Funktion ist. Ein glattes Vektorfeld liefert also eine lineare Abbildung X : C∞ (M) → C∞ (M) mit der Eigenschaft: X( f g) = X( f )g + f X(g) (Produktregel) Eine solche Abbildung nennt man eine Derivation. Es gibt also eine natürliche Bijektion n o n o ∞ glatte Vektorfelder auf M ↔ Derivationen von C (M) . Lemma 6.2.8 (Interpretation des Differentials). Ist F : M → N glatt, so ist DFp : Tp M → TF(p) N gegeben durch DF(Xp ) f = Xp ( f ◦ F), f ∈ C∞ (N). Beweis. Die Derivation Xp kann als γ0 (0) fuer eine glatte Kurve γ dargestellt werden. Die Aussage folgt dann aus Lemma 6.2.1. Analysis 3 109 F G Lemma 6.2.9 (Kettenregel). Sind M −→ N −→ L glatt, so gilt d(G ◦ F)p = dGF(p) ◦ dFp Beweis. Die Behauptung folgt aus der Rechnung d(G ◦ F)(Xp ) f = Xp ( f ◦ G ◦ F) = dF(Xp )( f ◦ G) = dG dF(Xp ) ( f ). Lemma 6.2.10 (Koordinatenwechsel). Seien (x j ) und (yi ) zwei lokale Koordinatensysteme auf M. Wo beide definiert sind, gilt n X ∂yi ∂ ∂ = ∂x j ∂x j ∂yi i=1 Beweis. Sei f eine glatte Funktion auf M und sei φ = f ◦ x−1 : Rn → R. Dann ist ∂f ∂x j −1 ψ= f ◦y = D j φ die j-te Richtungsableitung von φ. Sei : Rn → R. Es folgt φ = f ◦ x−1 = f ◦ y−1 ◦ y ◦ x−1 = ψ ◦ α mit α = y ◦ x−1 : Rn → Rn . Also gilt nach Kettenregel dφ(x) = dψ (α(x)) dα(x). Es ist aber dα(x) = 6.3 ∂yi ∂x j , was die Behauptung liefert. i,j Multilineare Algebra Im eindimensionalen wird das Integral negativ, wenn man die Integrationsrichtung wechselt. In höherer Dimension passiert dasselbe, wenn man in einer Koordinate die Richtung wechselt, aber auch, wenn man zwei Koordinaten vertauscht. Dies ist genau das Verhalten von alternierenden Multilinearformen, die deshalb als lokales Modell für Analysis 3 110 die definition von Differentialformen dienen. Seien k, n ∈ N und V ein reeller Vektorraum der Dimension n. Eine Abbildung ω : V k → R heißt multilinear oder Multilinearform, falls v 7→ ω(v1 , . . . , v j−1 , v, v j+1 , . . . , vk ) für jede feste Wahl von v1 , . . . , v j−1 , v j+1 , . . . , vk eine lineare Abbildung ist. Die Form ω heißt alternierend, falls ω(. . . , v, . . . , w, . . . ) = −ω(. . . , w, . . . , v, . . . ), das heißt, die Form wechselt das Vorzeichen, wenn man zwei Einträge vertauscht. Sei Altk V die Menge der alternierenden Multilinearformen auf V k . Lemma 6.3.1. Altk V ist ein Vektorraum bezüglich punktweiser Addition und Skalarmultiplikation. Beweis. Die Eigenschaften sind stabil unter punktweiser Addition und Skalarmultiplikation. Für gegebene Elemente α1 , . . . , αk des Dualraums V ∗ sei die Multilinearform α1 ∧ · · · ∧ αk durch α1 ∧ · · · ∧ αk (v1 , . . . , vk ) = det αi (v j ) i, j definiert. Beispiel 6.3.2. Im Falle k = 2 ist α ∧ β(v, w) = α(v)β(w) − α(w)β(v). Da die Determinante eine alternierende Multilinearform ist, ist Analysis 3 111 α1 ∧ · · · ∧ αk auch eine. Es folgt: die Abbildung α 7→ . . . ∧ α ∧ . . . ist linear und ··· ∧ α ∧ ··· ∧ β ∧ ··· = −··· ∧ β ∧ ··· ∧ α ∧ .... Proposition 6.3.3. Sei φ1 , . . . , φn eine Basis von V ∗ . Dann bilden die Elemente φi1 ∧ · · · ∧ φik , 1 ≤ i1 < · · · < ik ≤ n eine Basis von Altk V. Insbesondere ist die Dimension des Vektorraums ! n . dim Altk V gleich dem Binomialkoeffizienten k Beweis. Sei ω ∈ Altk V eine gegebene Multilinearform. Zu der gegebenen Basis φ1 , . . . , φn von V ∗ sei φ∗1 , . . . , φ∗n die duale Basis von V ∗∗ . Die kanonische Abbildung δ : V → V ∗∗ , δ(v)(φ) = φ(v) ist injektiv und da die Dimensionen von V und V ∗∗ gleich sind, eine lineare Bijektion. Sei δ−1 die Umkehrabbildung. Dann ist v1 = δ−1 (φ∗1 ), . . . , vn = δ−1 (φ∗n ) eine Basis von V so dass 1 φi (v j ) = 0 i = j, i , j. Für i = (i1 , . . . , ik ) mit 1 ≤ i1 < · · · < ik ≤ n sei λi = ω(vi1 , . . . , vik ). Schreibe φi = φi1 ∧ · · · ∧ φik sowie vi = (vi1 , . . . , vik ). Man sieht durch Einsetzen der Basisvektoren leicht ein, dass ω= X i=(i1 ,...,ik ) 1≤i1 <···<ik ≤n λ i φi . Analysis 3 112 Wegen φi (v j ) = δi, j ist die Darstellung außerdem eindeutig und damit ist die Proposition bewiesen. Gemäß dieser Proposition schreibt man auch Vk V ∗ statt Altk V. Lemma 6.3.4. Sei T : V → V eine lineare Abbildung. Für ω ∈ Altk V sei T∗ ω(v1 , . . . , vk ) = ω(Tv1 , . . . , Tvk ). Ist n = dim V, so ist Altn V eindimensional und es gilt T∗ ω = det(T) ω für ω ∈ Altn V. Beweis. Sei α1 , . . . αn eine Basis des Dualraums und v1 , . . . , vn eine Basis von V. Sei ω = α1 ∧ · · · ∧ αn und sei B die Matrix α j (vi ) , dann gilt i, j det(B) = ω(v1 , . . . , vn ). Sei A = (ai, j ) die Matrix von T in der Basis v j , P P dann gilt Tvi = k ak,i vk . Also ist α j (Tvi ) = k ak,i α j (vk ). Damit T∗ ω(v1 , . . . , vn ) = det(AB) = det(A)ω(v1 , . . . , vn ). Satz 6.3.5. Es gibt genau eine bilineare Abbildung Altk V × Altl V → Altk+l V (ω, σ) 7→ ω ∧ σ mit (ψ1 ∧ · · · ∧ ψk ) ∧ (η1 ∧ · · · ∧ ηl ) = ψ1 ∧ · · · ∧ ψk ∧ η1 ∧ · · · ∧ ηl für alle ψ j , η j ∈ V ∗ . Beweis. Definiere diese Abbildung auf der Basis nach Proposition 6.3.3 und setze bilinear fort. Analysis 3 113 Definition 6.3.6. Sei M eine glatte n-dimensionale Mannigfaltigkeit. Eine k-Differentialform oder k-Form ω auf M ist eine Abbildung ω:M→ [ Altk (Tp M), p 7→ ωp , p∈M mit ωp ∈ Altk (Tp M), die stetig ist in folgendem Sinne: Für beliebige Vektorfelder X1 , . . . , Xk ist die Abbildung M → R, p 7→ ωp (X1 , . . . , Xk ) stetig. Ist diese Abbildung stets glatt, wenn die Vektorfelder X1 , . . . , Xk glatt sind, so sagt man, dass die Form ω glatt ist. Man schreibt Ωk (M) für den Vektorraum der glatten k-Formen auf M. Beispiel 6.3.7. Im Fall k = 1 ist ωp ∈ Alt1 (Tp M) einfach eine lineare Abbildung ωp : Tp M → R. Ist nun f : M → R eine glatte Funktion, dann ist das Differential D f eine lineare Abbildung D f : Tp M → T f (p) R. Der Vektorraum T f (p) R wird erzeugt von ∂ ∂x , also kann T f (p) R = ∂ ∂x R R kanonisch mit R identifiziert werden. Mit anderen Worten: D f kann als lineare Abbildung D f : Tp M → R, also als Differentialform aufgefasst werden. Zur Unterscheidung wird diese Abbildung als d f geschrieben, also d f : Tp M → R. Eine glatte Funktion f induziert also eine 1-Dfiierentialform d f . Definition 6.3.8. Seien x1 , . . . , xn lokale Koordinaten um p, dann ist eine Basis von Tp M. Schreibe die duale Basis von Tp∗ M = (Tp M)∗ als dx1 , . . . , dxn . Dann lässt sich jede k-Form schreiben als ω= X i1 <···<ik fi dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ∂ ∂x j Analysis 3 114 mit eindeutig bestimmten stetigen Funktionen fi1 ,...,ik = fi . Für diese gilt ! ∂ ∂ fi1 ,...,ik = ω ,..., . ∂xi1 ∂xik a) Sei f eine glatte Funktion. Das Satz 6.3.9 (Die äußere Ableitung). Differential d f definiert eine glatte 1-Form. In lokalen Koordinaten x1 , . . . , xn gilt n X ∂f dx j . df = ∂x j j=1 b) Für jede glatte k-Form ω existiert genau eine glatte k + 1-Form dω mit ω= X fi dxi1 ∧ · · · ∧ xik ⇒ dω = i X d fi ∧ dxi1 ∧ · · · ∧ xik . i c) Sind ω ∈ Ωk , η ∈ Ωl , so gilt d(ω ∧ η) = dω ∧ η + (−1)k ω ∧ dη. d) Für jedes ω ∈ Ωk (M) gilt d(dω) = 0. Beweis. Die Formel in (a) ist klar nach der Definition des Differentials. Da die Funktionen ∂f ∂x j glatt sind, ist d f eine 1-Form. In lokalen Koordinaten definiert man dω durch die angegebene Formel. Für (b) ist zu zeigen, dass dω nicht von der Wahl der Koordinaten abhängt. Zunächst werden (c) und (d) bewiesen, wobei fest gewählte Koordinaten benutzt werden. Zu (c): sind k = l = 0 so ist die Regel P äquivalent zur Produktregel. Allgemein sei ω = |i|=k f j dxi , Analysis 3 η= P | j|=l 115 g j dx j , dann ist ω ∧ η = d(ω ∧ η) = X = X P i, j fi g j dxi ∧ dx j . Damit also g j d fi ∧ dxi ∧ dx j + fi dg j ∧ dxi ∧ dx j i, j g j d fi ∧ dxi ∧ dx j + (−1)k fi dxi ∧ dg j ∧ dx j i, j = dω ∧ η + (−1)k ω ∧ dη. Für (d) sei zunächst ω = f ∈ C∞ (M). Dann ist n n X X ∂f ∂2 f dx j = dxi ∧ dx j d(dω) = d ∂x j ∂xi ∂x j i, j=1 j=1 X ∂2 f = (dxi ∧ dx j + dx j ∧ dxi ) . ∂xi ∂x j | {z } i<j =0 Allgemein sei ω = P ddω = d i fi dxi , X dann ist d fi ∧ dxi = i X i dd fi ∧dxi − d fi ∧ ddxi . |{z} =0 Schließlich ist ddxi = d(1 · dxi ) = d1 ∧ dxi = 0. Nun zu (b). Ist yi ein zweites Koordinatensystem, so kann man eine zweite äußere Ableitung d0 mit den y-Koordinaten definieren. Diese muss dann ebenfalls (c) und (d) erfüllen. Es ist zu zeigen, dass d f = d0 f für Funktionen f ∈ C∞ (M) gilt. Die Formel für den Koordinatenwechsel besagt n X ∂x ∂ ∂ i = ∂y j ∂y j ∂xi i=1 n oder X ∂y j ∂ ∂ = . ∂xk ∂xk ∂y j j=1 Analysis 3 116 Indem man die erste Formel in die zweite einsetzt, erhält man n n X ∂y j X ∂x ∂ ∂ i = ∂xk ∂xk ∂y j ∂xi j=1 n X ∂y j ∂x i oder i=1 j=1 Für die duale Basis ergibt sich daraus dy j = indem man ∂ ∂y j ∂xk ∂y j ∂y j i=1 ∂xi dxi , Pn = δi,k . wie man sieht, auf der rechten Seite einsetzt und die erste Formel benutzt. Für f ∈ C∞ (M) gilt daher n X n n X X ∂f ∂xi ∂ f dy j = dy j d f = ∂y j ∂y j ∂xi 0 j=1 i=1 n X n X j=1 n ∂xi ∂ f X ∂y j = dxk ∂y j ∂xi ∂xk j=1 i=1 k=1 n X n X n X X n ∂xi ∂y j ∂ f ∂f = dxk = dxi = d f. ∂y j ∂xk ∂xi ∂xi i=1 k=1 j=1 i=1 | {z } =δi,k Für eine beliebigen Differentialform ω = dω= 0 = X i X P i fi dxi1 ∧ · · · ∧ dxik gilt dann d0 ( f j dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ) (d0 f j )dxi1 ∧ · · · ∧ dxik + f j d0 (dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ) i Da d0 f j = d f j , bleibt zu zeigen d0 (dxi1 ∧ · · · ∧ dxik ) = 0 und nach (c) reicht es, dies für k = 1 zu tun. Dann ist aber d0 dxi = d0 d0 xi = 0 und der Satz ist vollständig bewiesen. Analysis 3 6.4 117 Zurückziehen von Differentialformen Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit und sei ω eine glatte k-Form auf M, das heisst, fuer jedes p ∈ M ist ωp ∈ Altk (Tp M), also ist k ωp : Tp M → R eine alternierende Multilinearform. Sei nun F : L → M eine glatte Abbildung zwischen glatten Mannigfaltigkeiten, dann ist das Differential von F für q ∈ L eine lineare Abbildung DF(q) : Tq L → TF(q) M. Sei nun ω ∈ Ωk (M) eine Differentialform. Man definiert die Zurückziehung von ω entlang F als die Differentialform F∗ ω ∈ Ωk (L) durch F∗ ω(X1 , . . . , Xk ) = ω (DF(X1 ), . . . , DF(Xk )) . Als Spezialfall beachte, dass die lineare Abbildung DF : Tq L → TF(q) M ∗ dualisiert zu F∗ : TF(q) M → Tq∗ L, was das Zurückziehen von 1-Formen erklärt. Man kann das Zurückziehen auch so schreiben: F∗ ω = ω ◦ DF. Ist insbesondere ω = f eine 0-Form, also eine glatte Funktion f : M → R, so ist F∗ f (p) = f F(p) . Satz 6.4.1. Für eine glatte Abbildung F : L → M gilt: Analysis 3 118 a) F∗ : Ω(M) → Ω(L) ist linear, b) F∗ (ω ∧ η) = F∗ ω ∧ F∗ η, c) d(F∗ ω) = F∗ dω. Ist außerdem G : M → N glatt, so gilt (G ◦ F)∗ = F∗ ◦ G∗ . Beweis. (a), (b) und die letzte Bemerkung sind trivial. Zum Beweis von (c) sei ω = f eine Funktion, so ist F∗ f = f ◦ F und daher folgt aus der Kettenregel: d(F∗ f ) = d f ◦ dF = F∗ d f. P Eine beliebige k-Form schreibt man als ω = I fI dxI . Dann folgt X F∗ fI F∗ dxI d(F∗ ω) = d XI X ∗ ∗ F∗ fI d(F∗ dxI ). = d(F fI ) F dxI + I I Da d(F∗ fI ) = F∗ (d fI ) ist die erste Summe gleich X I F (d fI ) F (dxI ) = F ∗ ∗ ∗ X d fI dxI = F∗ (dω). I Um zu zeigen, dass die zweite Summe Null ist, reicht es, zu zeigen, Analysis 3 119 dass der Faktor d(F∗ dxI ) gleich Null ist. Dieser Faktor ist gleich d(F∗ (dxi1 ∧ · · · ∧ dxik )) = d(F∗ dxi1 ∧ · · · ∧ F∗ dxik ) = d(dF∗ xi1 ∧ · · · ∧ dF∗ xik ) k X = (−1)ν+1 dF∗ xi1 ∧ · · · ∧ ddF∗ xiν ∧ · · · ∧ dF∗ xik = 0. | {z } ν=1 =0 Analysis 3 7 120 Der Satz von Stokes 7.1 Orientierung Im Riemann-Integral gibt es eine Integrationsrichtung, ein Umstand, der für die Gültigkeit des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung von essentieller Bedeutung ist. Im höherdimensionalen wird die Richtung durch den Begriff der Orientierung ersetzt. Sind v1 , . . . , vn und w1 , . . . wn zwei Basen eines reellen Vektorraums, dann wird durch die Vorschrift Av j = w j eine invertierbare lineare Abbildung A auf V definiert. Man sagt, dass die Basen gleich orientiert sind, falls det(A) > 0 gilt. Die Gleichorientiertheit ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Basen von V, welche in zwei Äquivalenzklassen zerfällt. Diese Äquivalenzklassen nennt man die Orientierungen von V. Beispiele 7.1.1. • Auf R gibt es die Orientierung die durch 1 gegeben ist und die durch −1. • Auf R2 sind die Orientierungen einmal durch die Standardbasis: e1 , e2 und durch −e1 , e2 gegeben. Beachte, dass −e1 , −e2 die gleiche Orientierung hat wie die Standardbasis. Sei n ∈ N. Die Menge GLn (R) aller invertierbaren reellen n × n Matrizen trägt eine natürliche Topologie als Teilmenge der Menge aller n × n 2 Matrizen Mn (R) Rn . Die Determinantenabbildung det : Mn (R) → R ist ein Polynom in den Matrixeinträgen und daher eine stetige Abbildung. Die Menge GLn (R) ist das Urbild von R× unter der Determinantenabbildung und daher ist GLn (R) eine offene Teilmenge von Mn (R). Sie zerfällt in zwei Zusammenhangskomponenten GL+n (R) und GL−n (R), wobei GL+n (R) die Menge aller Matrizen mit strikt Analysis 3 121 positiver Determinante ist und GL−n (R) die Menge der Matrizen mit strikt negativer Determinante. Sei nun V ein n-dimensionaler reeller Vektorraum und sei BAS(V) die Menge aller Basen von V. Sei eine Basis A von V fixiert. Ist dann B eine zweite Basis, erhält man eine Basiswechselmatrix MAB und die Abbildung BAS(V) → GLn (R), B 7→ MAB ist eine Bijektion. Wählt man eine andere Referenzbasis A 0 , so multipliziert sich die Abbildung mit der invertierbaren Basiswechselmatrix MAA , so dass die durch diese Bijektion auf BAS(V) 0 induzierte Topologie nicht von der Wahl der Basis A abhängt. Insbesondere zerfällt dann BAS(V) in zwei Zusammenhangskomponenten, BAS(V) = BAS(V)A ∪· BAS(V)cA , wobei BAS(V)A die Menge aller Basen ist, die dieselbe Orientierung wie A haben. Die Menge OR(V) aller Orientierungen auf V hat zwei Elemente und es gibt eine natürliche stetige Abbildung BAS(V) → OR(V), die jeder Basis ihre Orientierungsklasse zuordnet. Nach Wahl einer festen Referenzbasis wird diese Abbildung gerade die Abbildung GLn (R) → {±1}, die jeder Matrix das Vorzeichen ihrer Determinante zuordnet. Lemma 7.1.2. Ist φ : X → BAS(V) eine stetige Abbildung, wobei X ein zusammenhängender topologischer Raum ist, dann ist die induzierte Abbildung X → OR(V) konstant. Beweis. Die beiden Orientierungsklassen in BAS(V) sind genau die Zusammenhangskomponenten. Ist x j ein lokales Koordinatensystem, so liefert die Basis ∂ ∂x1 . . . , ∂x∂n eine Analysis 3 122 Orientierung von Tp M für jedes p aus dem Definitionsbereich der Karte. Zwei Karten heißen gleich orientiert, wenn sie in jedem Punkt p dieselbe Orientierung in Tp M induzieren. Ein glatter Atlas heißt orientiert, wenn je zwei Karten gleich orientiert sind. Eine glatte Mannigfaltigkeit heißt orientierbar, wenn sie einen orientierten Atlas besitzt. Ist M orientierbar und zusammenhängend, so gibt es genau zwei maximale orientierte Atlanten, die beiden Orientierungen auf M. Eine Mannigfaltigkeit M mit einer Orientierung σ nennt man eine orientierte Mannigfaltigkeit. Eine Karte die zu σ gehört nennt man positiv orientiert, andernfalls ist sie negativ orientiert. Man kann die Angabe einer Orientierung auch so verstehen, dass man für jedes p ∈ M eine Orientierung σp auf dem Tangentialraum Tp M angibt, so dass σp stetig von p abhängt. Beispiele 7.1.3. • Die Mannigfaltigkeiten Rn und Sn sind orientierbar. Auf Rn gibt es eine standard-Orientierung, die durch die standard-Basis e1 , . . . , en gegeben ist. Eine Basis v1 , . . . , vn von Rn heißt positiv orientiert, falls sie dieselbe Orientierung wie (e j ) besitzt. Eine Basis (v j ) ist genau dann positiv orientiert, wenn ihre Determinante positiv ist, also wenn det(v1 , . . . , vn ) > 0. • Nicht orientierbar ist das Möbiusband: M = (R × (−1, 1)) /Z, wobei die Gruppe Z operiert durch k(x, y) = (x + k, (−1)k y). Das hat den Grund darin, dass die Abbildung (x, y) 7→ (x + 1, −y) Orientierungen umkehrt. Es ist allerdings zu zeigen, dass das Möbiusband als Teilmenge des RN dargestellt werden kann. Dies Analysis 3 123 ist mit N = 3 möglich. Die Abbildung φ : M → R3 , 2 cos(2πx) + y sin(πx) cos(2πx) φ(x, y) = 2 sin(2πx) + y sin(πx) sin(2πx) y cos(πx) ist ein Homöomorphismus von M auf eine eingebettete Mannigfaltigkeit im R3 . Der Nachweis sei dem Leser überlassen, wobei empfohlen wird, eine Zeichnung zu anzufertigen und φ(x, y) als Matrixprodukt in der Form cos(2πx) − sin(2πx) 0 2 + y sin(πx) sin(2πx) cos(2πx) 0 0 0 0 1 y cos(πx) zu schreiben. Sei U der Definitionsbereich der lokalen Koordinaten x j . Eine n-Form ω lässt sich auf U schreiben als ω = f dx1 ∧ · · · ∧ dxn . Setze Z Z ωB Rn U f (x) dx1 . . . dxn , | {z } =Lebesgue-Maß falls das Integral existiert. Proposition 7.1.4. Sei φ : U → V ein Diffeomorphismus und sind U, V Definitionsbereiche glatter Koordinatensysteme xi , yi , so gilt Z Z ω= φ∗ ω, V U falls φ die Orientierung von xi in die von yi überführt. Kehrt φ die Analysis 3 124 Orientierungen um, so gilt Z Z ω=− φ∗ ω. V U Insbesondere hängt die Definition von sondern nur von U und ω ab. R U ω nicht von der Wahl der Karte, Beweis. Nach Lemma 6.3.4 gilt φ∗ ω = f ◦ φ det(Dφ)dx1 ∧ · · · ∧ dxn , wenn man det Dφ erklärt durch die beiden Basen ∂ ∂x and ∂ ∂y von Tp M und Tφ(p) M. Damit folgt die Behauptung aus der Transformationsformel. Das Integral über eine n-Form kann also nur sinnvoll definiert werden, wenn M orientierbar ist und eine Orientierung gewählt wurde. Definition 7.1.5. Sei ω eine n-Form auf der orientierten Mannigfaltigkeit M. Wie bei Funktionen definiert man den Träger von ω als den Abschluss der Menge p ∈ M : ω(p) , 0 in M. Nimm nun an, dass ω kompakten Träger K hat, mit K ⊂ U für eine orientierte Karte (φ, U). Dann ist Z Z ω= M ω U wohldefiniert. Das Integral existiert, da ω kompakten Träger hat. Ohne die Trägerbedingung braucht man eine Teilung der Eins. 7.2 Teilung der Eins Eine Teilung der Eins erlaubt es, eine Differentialform ω als Summe von Formen ω j zu schreiben, die jeweils Träger in Kartenumgebungen Analysis 3 125 haben. Dann kann man das Integral über ω als die Summe der Integrale der ω j definieren. Lemma 7.2.1. Sei M eine Mannigfaltigkeit. Es gibt eine Folge offener, relativ kompakter Mengen G j mit G j ⊂ G j+1 und M= [ G j. j Beweis. Die Topologie von RN wird erzeugt von den abzählbar vielen offenen Bällen B1/n (q), wobei q ∈ QN und n ∈ N. Daher wird die Topologie von M erzeugt von den abzählbar vielen offenen Mengen Wq,n = B1/n (q) ∩ M, wobei es reicht, solche Paare q, n zu betrachten, so dass Wq,n relativ kompakt ist in M. Ordne diese Mengen in einer Folge U1 , U2 , . . . . Die Folge G j wird induktiv konstruiert. Sei G1 = U1 und sei G j = U1 ∪ · · · ∪ Ul bereits konstruiert. Sei k der kleinste Index k > max(l, j) mit G j ⊂ U1 ∪ · · · ∪ Uk . Dann setze G j+1 = U1 ∪ · · · ∪ Uk . Dann erfüllt die Folge G j die Bedingungen. Satz 7.2.2 (Teilung der Eins). Sei M eine glatte Mannigfaltigkeit und es sei (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von M. Dann existieren glatte Funktionen ui : M → [0, 1], so dass der Träger von ui ganz in Ui liegt und dass gilt X i∈I ui ≡ 1 Analysis 3 126 auf ganz M, wobei die Summe lokal endlich ist, d.h. für jedes p ∈ M gibt es eine offenen Umgebung U, so dass die Menge n o i ∈ I : ui |U , 0 endlich ist. Es folgt, dass für jede kompakte Teilmenge K ⊂ M die Menge n o i ∈ I : ui |K , 0 endlich ist. Man nennt die Familie (ui ) eine Teilung der Eins zur Überdeckung (Ui ). Beweis. In Lemma 7.2.1 wurde die Existenz einer Folge G j offener, relativ kompakter Teilmengen von M mit G j ⊂ G j+1 und M= [ Gj j bewiesen. Für p ∈ M sei ip die größte ganze Zahl so dass p < Ḡip . Wähle αp so dass p ∈ Uαp und sei (τ, V) eine Karte um p so dass τ(p) = 0 und V ⊂ Uαp ∩ (Gip +2 \ Ḡip ). Sei φ eine glatte Funktion auf Rn die Eins ist auf dem abgeschlossenen Ball um Null mit Radius 1 und Null außerhalb des Balls mit Radius 2, welche nach Lemma 6.2.4 existiert. Setze φ ◦ τ on V ψp = 0 sonst. Dann ist ψp eine glatte Funktion auf M, die konstant gleich 1 ist auf einer offenen Umgebung Wp von p und die kompakten Träger hat, der in V ⊂ Uαp ∩ (Gip +2 \ Gip ) liegt. Für jedes i ≥ 1 wähle eine endliche Menge von Punkten p in M, so dass die Wp -Umgebungen die Menge Ḡi \ Gi−1 Analysis 3 127 überdecken. Ordne die entsprechenden ψp -Funktionen in einer Folge (ψ j ) j≥1 . Die Träger der ψ j bilden eine lokal-endliche Überdeckung von P M, also ist die Funktion ψ = j≥1 ψ j eine wohldefinierte glatte Funktion auf M und es gilt ψ(p) > 0 für jeden Punkt p ∈ M. Die Funktionen P ψ u j = ψj sind glatt und erfüllen j u j = 1. Für jedes j ≥ 1 wähle nun ein i ∈ I, so dass der Träger von u j in Ui liegt und nenne dieses u j dann ui . Enthält ein Ui die Träger mehrerer u j , dann kann man diese u j durch ihre Summe ersetzen. Für die i ∈ I, die kein ui abgekriegt haben, setzt man schließlich ui ≡ 0. Die Behauptung folgt. Sei nun ω eine n-Form auf der orientierten Mannigfaltigkeit M und sei (Ui ) eine Überdeckung durch Kartenumgebungen. Sei (ui ) eine Teilung der Eins zu dieser Überdeckung. Dann hat für i ∈ I die Form ui ω kompakten Träger in einer Kartenumgebung Ui und damit existiert R u ω. M i Lemma 7.2.3. Hat die Form ω kompakten Träger in der orientierten PR Mannigfaltigkeit M, dann konvergiert die Summe i M ui ω absolut. Ihr Wert wird als Integral von ω definiert: Z XZ ui ω. ωB M M j Das Integral hängt nicht von der Wahl der Überdeckung oder der Teilung der Eins ab. Beweis. Seien zwei Kartenüberdeckungen (Ui ) und (V j ) gegeben und seien (ui ) und (v j ) Teilungen der Eins zu U bzw. V. Dann gilt für i ∈ I, ωi = u i ω = X v j ui ω. j Sei K der (kompakte) Träger von ω, dann gibt es nur endlich viele i mit Analysis 3 128 ui ω , 0 und ebenso für j. In der folgenden Rechnung sind also immer nur endlich viele Summanden , 0: XZ XXZ XXZ XZ ωi = v j ui ω = ui v j ω = ω j. i M i j M j M i j Beachte, dass das Integral von der gewählten Orientierung von M abhängt. Ist M̄ dieselbe Mannigfaltigkeit mit der entgegengesetzten Orientierung, so gilt Z Z ω=− ω. M̄ M Auf Rn wählt man die Standard-Orientierung, d.h., die Orientierung der Basis e1 , . . . , en . Lemma 7.2.4. Sei M eine kompakte, orientierte Mannigfaltigkeit der Dimension n und sei ω ∈ Ωn (M). Sei (φ, U) eine positiv orientierte Karte. Nimm an, dass eine Untermannigfaltigkeit K der Dimension < n existiert, so dass M = U ∪ K, d.h. die Karte U deckt M ab bis auf einen Rest kleinerer Dimension. Dann gilt Z Z ω= M ω, U wobei das Integral rechts absolut konvergiert, auch wenn der Traeger von ω nicht in U enthalten ist. Beweis. Fuer j ∈ N sei A j eine offene Teilmenge von M so dass T K ⊂ A j+1 ⊂ A j ⊂ M fuer jedes j gilt und dass j A j = K ist. (Um die Existenz einer solchen Folge zu zeigen, erinnere, dass M ⊂ RN fuer ein N ∈ N. Waehle dann A j als die 1/ j-Umgebung von K in RN geschnitten mit M.) Sei dann (U j,i )i∈I j ein orientierter Atlas von A j . Dann ist (U, (U j,i )i∈I j ) ein orientierter Atlas von M. Sei (u j , (u j,i )) eine unterliegende Zerlegung der Analysis 3 129 Eins, dann gilt Z Z ω= M u jω + U XZ i∈I j u j,i ω. U j,i Mit j → ∞ konvergiert nun R u ω −→ ω, U j U P R (ii) i∈I j U u j,i ω −→ 0. (i) R j,i Beide Aussagen sind eine Folge des Satzes ueber dominierte Konvergenz. Das Lemma folgt. Beispiele 7.2.5. • Sei M = S1 = {x ∈ R2 : ||x|| = 1} und sei ω die 1-Form ω(e2πit ) = η(t)dt, wobei η : R → R glatt und periodisch ist. Ferner sei M mit der Orientierung durch das Vektorfeld X versehen, wobei R R1 X f (e2πit ) = ∂t∂ f (e2πit ). Dann gilt M ω = 0 η(t) dt. • Sei wieder M = S1 und seien ω und η die 1-Formen auf R2 C gegeben durch ω = xdy, Sei dann ψ : (0, 1) → S , t 7→ e 1 2πit η = xdx. = cos(2πt) . sin(2πt) Es gilt R S1 ω= R1 0 ψ∗ ω Analysis 3 130 und ebenso fuer η. Wir rechnen ! !! ∂ ∂ ψ∗ ω t = ωψ(t) Dψt ∂t ∂t = −2π sin(2πt) ω cos(2πt) 2π cos(2πt) sin(2πt) = ω cos(2πt) sin(2πt) ! ∂ ∂ −2π sin(2πt) + 2π cos(2πt) ∂x ∂y ! = cos(2πt) 2π cos(2πt) = 2π cos(2πt)2 . So dass Z 1 Z ω = 2π cos(2πt)2 dt = π. S1 0 Ebenso rechnet man ! ∂ ψ∗ ηt = −2π cos(2πt) sin(2πt), ∂t so dass Z Z η = −2π S1 7.3 1 cos(2πt) sin(2πt) dt = 0. 0 Orientierung von Hyperflächen Sei M ⊂ RN eine Mannigfaltigkeit. Ein Normalenfeld auf M ist eine stetige Abbildung ν : M → RN so dass für jeden Punkt p ∈ M der Vektor ν(p) ein Normalenvektor ist, d.h. senkrecht auf Tp M steht und die Länge 1 hat. Ist M eine Hyperfläche, d.h. ist dim(M) = N − 1 und hat M eine Orientierung, so heißt ein Normalenfeld ν positiv orientiert, wenn für Analysis 3 131 jedes p ∈ M folgendes gilt: Ist v1 , . . . , vN−1 eine positiv orientierte Basis von Tp M, so ist ν(p), v1 . . . , vN−1 eine positiv orientierte Basis von RN , d.h. det ν(p), v1 . . . , vN−1 > 0. Satz 7.3.1. Sei M ⊂ RN eine Hyperfläche. a) Besitzt M eine Orientierung σ, so existiert genau ein Normalenfeld ν : M → RN , das positiv orientiert bezüglich σ ist. b) M besitze ein Normalenfeld ν. Dann existiert genau eine Orientierung σ auf M bezüglich der ν positiv orientiert ist. Beweis. (a) Für linear unabhängige Vektoren v1 , . . . , vN−1 ∈ RN gibt es genau einen Vektor w ∈ RN so dass w senkrecht steht auf allen v j und dass det(w, v1 , . . . , vN−1 ) = 1. Nenne diesen Vektor w = w(v1 , . . . , vN−1 ). Sei S ⊂ (RN )N−1 die Menge aller Tupel (v1 , . . . , vN−1 ) die linear unabhängig sind. Man versieht S mit der Teilraum-Topologie als Teilmenge von RN(N−1) . Nach dem Satz über implizite Funktionen ist die Abbildung w : S → RN glatt. Sind x1 , . . . , xN−1 lokale Koordinaten auf M, die positiv orientiert sind, dann setze für p im Definitionsbereich der Koordinaten ! ∂ ∂ |p , . . . , |p . W(p) = w ∂x1 ∂xN−1 Dann ist die Abbildung W : M → RN glatt, nirgends verschwindend und es gilt ν(p) = 1 W(p). W(p) || || (b) Sei ν ein Normalenfeld. Die Menge der glatten Karten, deren Analysis 3 132 Koordinaten x1 , . . . , xN−1 die Bedingung det(ν(p), ∂ ∂ ,..., )>0 ∂x1 ∂xN−1 erfüllen, definiert eine Orientierung auf M. Beispiel 7.3.2. Sei M ⊂ RN eine glatte Hyperfläche. Es gebe eine relativ kompakte offenen Menge A ⊂ RN , so dass M der Rand von A ist. Dann ist das äußere Normalenfeld ν definiert durch • ν(p) steht senkrecht auf Tp M, • ν(p) = 1, • es gibt ein ε > 0 so dass für 0 < t < ε gilt: p + tν(p) < A. Integral über Teilmengen Ist A ⊂ M eine relativ kompakte messbare Teilmenge, so kann man R wie folgt definieren. Ist (φ, U) eine positiv orientierte Karte und der Träger von ω in U enthalten, so definiert man Z Z ω= f (x) dx1 . . . dxn , φ(A∩U) A wobei x1 , . . . , xn das lokale Koordinatensystem von φ ist. Allgemein wählt man eine Überdeckung durch positiv orientierte Karten, eine unterliegende Teilung der Eins (ui ) und definiert Z XZ ω= ui ω. A i A A ω Analysis 3 7.4 133 Der Stokessche Satz für den Rn Der Integralsatz von Stokes ist die Verallgemeinerung des Hauptsatzes der Infinitesimalrechnung und er hat für die mehrdimensionale Analysis auch eine ähnlich grundlegende Bedeutung wie der Hauptsatz für die eindimensionale Theorie. Sei H der Halbraum aller x ∈ Rn mit x1 ≤ 0. Für eine kompakte Teilmenge A des Rn sagt man, dass A einen glatten Rand hat, falls es zu jedem Punkt von ∂A eine offene Menge U ⊂ Rn gibt und einen Diffeomorphismus φ : U → Rn gibt, so dass φ(A ∩ U) = H. Man nennt φ eine Randkarte von A. Man beachte, dass fuer z ∈ U gilt, dass z genau dann ein Randpunkt von A ist, wenn φ(z) ein Randpunkt von φ(A) = H ist. Dies sieht man leicht ein, indem man beachtet, dass φ ein Homoeomorphismus ist und dass z genau dann ein Randpunkt ist, wenn z sowohl Limes einer Folge in A als auch Limes einer Folge in Rn r A ist. Satz 7.4.1 (Stokes). Sei ω eine stetig partiell differenzierbare (n − 1)-Form auf Rn mit kompaktem Träger. Sei A eine Teilmenge von Rn mit glattem Rand, so gilt Z Z dω = A ∂A ω, wobei der Rand ∂A die durch das äußere Normalenfeld aus Beispiel 7.3.2 gegebene Orientierung trägt. Für n = 1 wird dieser Satz gerade der Hauptsatz der Analysis 3 134 Infinitesimalrechnung b Z f 0 (x) dx = f (b) − f (a). a Beweis des Satzes. Der Rand ∂H von H ist die Hyperfläche x1 = 0. Das äußere Normalenfeld ist ν(x) = e1 der erste Standard-Basisvektor. Der Rand ∂H hat eine globale Karte φ : H → Rn−1 gegeben durch φ(0, x2 , . . . , xn )t = (x2 , . . . , xn )t . Die Orientierung durch das äußere Normalenfeld stimmt mit der dieser Karte überein. Sei β = φ−1 : Rn−1 → ∂H. Lemma 7.4.2. Sei ω ∈ Ωn−1 (Rn ) mit kompaktem Träger. Dann gilt Z Z dω = (a) H ∂H ω, Z dω = 0. (b) Rn Beweis. (a) Schreibe ω als n X cj ∧ · · · ∧ dxn . ω= (−1) j−1 f j dx1 ∧ · · · ∧ dx j=1 Es folgt β∗ ω = f1 (0, t1 , . . . , tn−1 )dt1 ∧ · · · ∧ dtn−1 . Also Z Z ω= f1 (0, t1 , . . . , tn−1 )dt1 . . . dtn−1 . ∂H Rn−1 P ∂f Auf der anderen Seite ist dω = nj=1 ∂xjj dx1 ∧ · · · ∧ dxn . Ferner gilt die R 0 ∂f Gleichung −∞ ∂x11 (x1 , . . . , xn ) dx1 = f1 (0, x2 , . . . , xn ), also Z H ∂ f1 (x1 , . . . , xn ) dx1 . . . dxn = ∂x1 Z f1 (0, x2 , . . . , xn ) dx2 . . . dxn . Rn−1 Analysis 3 135 Für 2 ≤ j ≤ n gilt Z H ∂ fj ∂x j Z ∂ fj Z dx1 . . . dxn = ± R− ×Rn−2 R ∂x j Da f kompakten Träger hat, ist das Integral ! cj . . . dxn . dx j dx1 . . . dx ∂ fj R ∂x j R dx j nach dem Hauptsatz gleich Null, also verschwinden die Beiträge zu j ≥ 2. Es folgt Z Z Z ω= f1 (0, x2 , . . . , xn ) dx2 . . . dxn = ω. ∂ fj j=1 ∂x j dx1 Pn (b) Es gilt dω = ∂H Rn−1 H ∧ · · · ∧ dxn und es ist Z dω = n Z X Rn j=1 ∂ fj Z ... R R ∂x j dx1 . . . dxn , wobei nun nach einem Satz der Analysis 2 die Reihenfolge der Integrale beliebig ist. Integrieren wir zuerst nach dx j , dann ist aber, da f j kompakten Traeger hat, nach dem Hauptsatz der R ∂ fj Infinitesimalrechnung: R ∂x j dx j = 0. Der Satz folgt nun leicht aus dem Lemma: Seien (φi , Ui ) Randkarten, so dass die Ui den Rand von A überdecken. Erweitere die Familie um Karten vom Inneren A \ ∂A. All diese Karten können positiv orientiert gewählt werden. Sei ui eine unterliegende Teilung der Eins auf A. Dann gilt Z dω = A XZ i A d(ui ω) = XZ i ∂A Z ui ω = ∂A ω. Analysis 3 7.5 136 Holomorphe Funktionen In der komplexen Analysis werden holomorphe Funktionen als Funktionen definiert, die in einer offenen Menge komplex differenzierbar sind. Eine holomorphe Funktion ist also eine Funktion f : U → C, wobei U ⊂ C eine offene Teilmenge ist, so dass für jedes z ∈ U der Limes f (z + h) − f (z) h→0 h existiert. Hierbei sind nur komplexe h , 0 zugelassen, die klein genug f 0 (z) = lim sind, so dass z + h auch in U liegt. In der komplexen Analysis zeigt man, dass aus Holomorphie bereits unendliche reelle Differenzierbarkeit folgt. Der dazu erforderliche Aufwand soll hier nicht getrieben werden, so dass ab jetzt vorausgesetzt wird, dass f auch stetig partiell differenzierbar ist. Beispiel 7.5.1. Ist f (z) = PN j=0 a j z j eine Funktion, dann ist f in ganz C holomorph, denn der Differenzenquotient N X f (z + h) − f (z) 1 j j = a j (z + h) − z h h j=0 ! ! j−1 j−1 N N X X X X j k j−k j k j−k−1 1 = zh aj z h = aj h k k j=0 j=0 k=0 k=0 ist ein D in h. Lemma 7.5.2. Ist f im Punkt z differenzierbar, so ist f im Punkt z stetig. Beweis. Da der Limes existiert, gibt es C, ε > 0 so dass für jedes h ∈ C mit |h| < ε gilt f (z + h) − f (z) < C. h Analysis 3 137 Dann gilt also für kleine h, dass | f (z + h) − f (z)| < Ch, woraus die Stetigkeit folgt. Satz 7.5.3 (Cauchy-Riemann Differentialgleichungen). Sei f holomorph in einer offenen Menge U. Schreibe f (z) = u(x, y) + iv(x, y) für Real- und Imaginärteil von f . Dann existieren die partiellen Ableitungen ux , u y , vx , v y im Punkt z und es gilt ux = v y , u y = −vx . Beweis. Die Ableitung ist gegeben als f 0 (z) = lim h→0 f (z + h) − f (z) . h Also gilt ! u(x + h, y) − u(x, y) v(x + h, y) − v(x, y) f 0 (z) = lim +i = ux + ivx h→0 h h h∈R und f 0 (z) = lim h→0 h=ik∈iR ! u(x, y + k) − u(x, y) v(x, y + k) − v(x, y) 1 + = uy + vy. ik k i Da diese beiden Ausdrücke gleich sind, folgt iux − vx = u y + iv y . Der Vergleich von Real-und Imaginärteil liefert die Behauptung. Korollar 7.5.4. Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen lassen sich auch in einer Gleichung wie folgt ausdrücken. Sei f in der offenen Menge Analysis 3 138 U ⊂ C holomorph, dann gilt ∂f = 0, ∂z̄ ! ∂ 1 ∂ ∂ wobei = +i . ∂z̄ 2 ∂x ∂y Beweis. Durch Vergleich von Real- und Imaginärteil sieht man, dass diese Formel äquivalent ist zu den Cauchy-Riemann Gleichungen. Beispiel 7.5.5. Die Funktion f (z) = |z| ist in keinem Punkt von D = C komplex differenzierbar. Um dies einzusehen, beachte q u(x, y) = x2 + y2 , v(x, y) = 0. Dann gilt vx = v y = 0 und für (x, y) , (0, 0) gilt ux = p x x2 + y2 , uy = p y x2 + y2 , so dass die Cauchy-Riemann-Gleichungen nicht erfüllt sind für z , 0. Im Punkt z = 0 sieht man, dass der Ausdruck f (h) − f (0) |h| = h h nicht konvergiert, wenn h → 0. Definition 7.5.6. Eine stetig partiell differenzierbare Form ω heißt geschlossen, falls dω = 0. Eine C-wertige Differentialform ist eine Form der Gestalt ω = ω1 + iω2 , wobei ω1 und ω2 Differentialformen mit Werten in R sind. Dann ist also ωp eine alternierende R-multilineare Abbildung von (Tp M)k nach C. Lemma 7.5.7. Ist f holomorph auf U und ist f stetig partiell differenzierbar, dann ist die 1-Form ω = f (z)dz geschlossen, wobei das Differential dz als dx + idy definiert wird. Analysis 3 139 Beweis. Es ist dω = d( f dx + i f dy) = (− ∂f ∂f ∂f + i )dx ∧ dy = 2i dx ∧ dy = 0 ∂y ∂x ∂z̄ Lemma 7.5.8. Sei U ⊂ Rn offen, a ∈ U und ω eine in U \ {a} geschlossene (n − 1)-Form. Seien A, B ⊂ U zwei Kompakta mit glattem Rand, so dass a ∈ Å ∩ B̊. Dann gilt Z Z ∂A ω= ∂B ω. Beweis. Sei ε > 0 so klein, dass Kε = {x ∈ Rn : ||x − a|| ≤ ε} ⊂ Å ∩ B̊. Setze Aε = A \ K̊ε und Bε = B \ K̊ε . Dann sind Aε und Bε Kompakta mit glattem Rand, die in U \ {a} enthalten sind. Da dω = 0, folgt aus dem Satz von Stokes: Z Z ∂Aε ω= ∂Bε ω = 0. Der Rand von Aε besteht aus dem Rand von A und dem negativ orientierten Rand von Kε . Ebenso besteht der Rand von Bε aus dem Rand von B und dem negativ orientierten Rand von Kε . Damit folgt Z Z Z Z ω− ω= ω− ω, ∂A ∂Kε ∂B ∂Kε also die Behauptung. Für a ∈ U ist z.B. die Funktion z 7→ ω= f (z) z−a dz werden. f (z) z−a holomorph in U \ {a}, also ist geschlossen. Damit kann das letzte Korollar angewendet Analysis 3 140 Satz 7.5.9 (Cauchysche Integralformel). Sei U ⊂ C offen, f : U → C eine holomorphe und stetig partiell differenzierbare Funktion und A ⊂ U ein Kompaktum mit glattem Rand. Dann gilt für jeden Punkt a ∈ Å Z f (z) 1 f (a) = dz. 2πi ∂A z − a Beweis. Nach dem Korollar gilt für jedes hinreichend kleine ε > 0 Z Z Z f (z) f (z) 1 dz = dz = 2 (z̄ − ā) f (z) dz. z − a z − a ε ∂A |z−a|=ε |z−a|=ε Auf das letzte Integral wird der Satz von Stokes angewendet. Da die Form f (z)dz geschlossen ist, folgt d((z̄ − ā) f (z) dz) = d(z̄ − ā) ∧ f (z)dz = f (z)dz̄ ∧ dz. Es ist dz̄ ∧ dz = (dx − idy) ∧ (dx + idy) = 2idx ∧ dy, so dass folgt Z Z Z f (z) 1 1 1 dz = f (a + εζ) dξ ∧ dη, f (z)dx ∧ dy = 2πi ∂A z − a π |ζ|≤1 πε2 |z−a|≤ε wobei ζ = ξ + iη die Zerlegung in Real- und Imaginärteil ist. Da π der Flächeninhalt der Kreisscheibe vom Radius 1 ist und f stetig ist, geht das letzte Integral für ε → 0 gegen f (a). Andererseits hängt die rechte Seite gar nicht von ε ab, also folgt die Behauptung. Analysis 3 7.6 141 Poincaré Lemma Eine Form ω heißt exakt, falls es eine Form η gibt, so dass dη = ω. Jede exakte Form ist geschlossen, aber es gibt geschlossenen Formen, die nicht exakt sind. Das Poincaré Lemma zeigt nun, dass die Frage der Exaktheit einer Form vom Definitionsgebiet abhängt. Eine offene Menge U ⊂ Rn heißt sternförmig,wenn es einen Punkt p ∈ U gibt, so dass für jeden Punkt q ∈ U die Verbindungslinie {p + t(q − p) : 0 ≤ t ≤ 1} ganz in U liegt. Satz 7.6.1 (Poincaré Lemma). Sei U ⊂ Rn offen und sternförmig und ω eine in U glatte geschlossene k-Form, k ≥ 1. Dann ist ω exakt. Beweis. Der Beweis basiert auf folgendem Lemma. Lemma 7.6.2. Seien U ⊂ Rn und V ⊂ R × Rn offen mit [0, 1] × U ⊂ V. Die Abbildungen ψ0 , ψ1 : U → V seien definiert durch ψν (x) = (ν, x), ν = 0, 1. Ist dann σ eine glatte geschlossene k-Form auf V, k ≥ 1, so gibt es eine glatte (k − 1)-Form η auf U mit ψ∗1 σ − ψ∗0 σ = dη. Beweis. Seien t, x1 , . . . , xn die Koordinaten in R × Rn . Dann kann man σ schreiben σ= X |I|=k fI dxI + X |J|=k−1 g J dt ∧ dx J . Analysis 3 142 Es ist dann ψ∗ν σ = dσ = X ∂ fI I ∂t I fI (ν, x) dxI , P dt ∧ dxI + so dass für das Differential folgt n XX ∂ fI I i=1 ∂xi dxi ∧ dxI − n XX ∂g J J i=1 ∂xi dt ∧ dxi ∧ dx J . Da dσ = 0 gilt, ist X ∂ fI ∂t I dxI = X X ∂g J J i ∂xi dxi ∧ dx J . Integriere beide Seiten über t = 0 bis t = 1. Da 1 Z 0 und ∂ fI (t, x) dt = fI (1, x) − fI (0, x) ∂t Z 1 ∂g J ∂ g J (t, x) dt, (t, x) dt = ∂xi 0 0 ∂xi P R 1 ∗ ∗ erhält man ψ1 σ − ψ0 σ = dη mit η = J 0 g J (t, x)dt dx J . Z 1 Nun zum Beweis des Satzes Es kann angenommen werden, dass die offene Menge U sternförmig bezüglich des Nullpunktes ist. Sei φ : R × Rn → Rn ; φ(t, x) = tx, und V = φ−1 (U). Dann gilt [0, 1] × U ⊂ V. Seien ψν wie im Lemma. Die k-Form σ = φ∗ ω ist geschlossen, da ω geschlossen ist. Nach dem Lemma gibt es eine (k − 1)-Form η auf U mit ψ∗1 σ − ψ∗0 σ = dη. Da φ ◦ ψ1 = IdU und φ ◦ ψ0 die konstante Abbildung 0 ist, folgt ψ∗1 σ = ψ∗1 (φω ) = (φ ◦ ψ1 )∗ ω = ω, ψ∗0 σ = 0. Analysis 3 143 Also ist ω = dη. Eine jede exakte Form ist stets geschlossen und daher kann man für eine glatte Mannigfaltigkeit M für jedes p ≥ 0 die de Rham Kohomologie Hp (M) = {geschlossene p − Formen}/{exakte p − Formen} definieren. Diese Gruppen enthalten tiefliegende Informationen über die Geometrie der Mannigfaltigkeit. Die de Rham Kohomologie ist Untersuchungsgegenstand der sogenannten Differentialtopologie. 7.7 Die Stokes-Formel für Mannigfaltigkeiten Sei M ⊂ Rk eine glatte orientierte n-dimensionale Mannigfaltigkeit und sei N ⊂ M eine glatte Hyperfläche in M, d.h. N ist eine glatte (n − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeit. Also ist N eine Teilmenge von M, die ebenfalls eine glatte Mannigfaltigkeit ist. Ein Normalenfeld S auf N ist eine Abbildung ν : N → p∈N Tp M so dass für jedes p ∈ N der Vektor ν(p) ∈ Tp M senkrecht (in Rk ) steht auf Tp N und die Länge 1 hat. Ist N orientiert, so heißt ν positive orientiert, wenn für jedes p ∈ N und jede positiv orientierte Basis v1 , . . . , vn−1 von Tp N die Basis ν(p), v1 , . . . , vn−1 von Tp M positiv orientiert ist. Satz 7.7.1 (Stokes). Sei ω eine glatte (n − 1)-Form auf M. Sei A eine kompakte Teilmenge von M mit glattem Rand, so gilt Z Z dω = ω, A ∂A wobei der Rand ∂A die durch das äußere Normalenfeld gegebene Orientierung trägt. Analysis 3 144 Beweis. Man macht sich leicht klar, dass es einen Atlas (Ui , φi )i∈I auf M gibt, dergestalt, dass φi eine Randkarte ist, sobald U j ∩ ∂A , ∅ gilt. Ist dann (Ui )i∈I eine Teilung der Eins mit supp(ui ) ⊂ Ui für jedes i, dann liefert der Satz von Stokes für den Rn , dass Z X Z XZ X Z d dω = ui ω = d(ui ω) = d(ui ω) A A A A∩Ui i∈I i∈I i∈I XZ XZ = φ∗ d(ui ω) = dφ∗ (ui ω) i∈I = i∈I = φ(A∩Ui ) XZ ∂φ(A∩Ui ) XZ i∈I ∂A∩Ui φ(A∩Ui ) i∈I φ∗ (ui ω) = XZ i∈I XZ ui ω = i∈I ∂A φ(∂A∩Ui ) φ∗ (ui ω) Z ui ω = ∂A ω. Korollar 7.7.2. Sei M eine kompakte n-dimensionale orientierte Mannigfaltigkeit. Dann gilt für jede glatte (n − 1)-Form ω auf M: Z dω = 0. M Beweis. Da M kompakt ist, kann man im Satz von Stokes A = M wählen. Da dann ∂A = ∅ ist, folgt die Behauptung. Das folgende Beispiel zeigt, dass die Sternförmigkeit der offenen Menge im Poincaré-Lemma in der Tat erforderlich ist. Beispiel 7.7.3. In Rn \ {0} betrachte die (n − 1)-Form σ= n X (−1)i−1 x i n i=1 ||x|| ci · · · ∧ dxn . dx1 ∧ . . . dx Analysis 3 145 Aus ! ∂ xi ∂ xi = n ∂xi ||x||n ∂xi (x21 + · · · + x2n ) 2 = (x21 + ··· + n x2n ) 2 − nx2i (x21 + · · · (x21 + · · · + x2n )n + n x2n ) 2 −1 = 1− nx2i ||x||2 n ||x|| folgt dσ = 0. Um zu zeigen, dass σ nicht exakt ist, integriert man σ über die Sphäre Sn−1 , die durch das äußere Normalenfeld orientiert ist. Für ||x|| = 1 ist allerdings σ(x) = ω(x) mit n X cj · · · ∧ dxn (−1) j−1 x j dx1 ∧ . . . dx ω= j=1 auf Rn gilt dω = n dx1 ∧ · · · ∧ dxn . Sei B der offene Einheitsball in Rn . Es folgt nach dem Satz von Stokes: Z Z σ= Sn−1 Z ω= Sn−1 dω = nτn , B wobei τn das Volumen des Einheitsballs ist. Wäre σ exakt, so wäre nach Korollar 7.7.2 das Integral Null. Also ist σ nicht exakt. 7.8 Der Brouwersche Fixpunktsatz Als weitere Anwendung des Stokesschen Satzes wird hier der Brouwersche Fixpunktsatz bewiesen, nach dem jede stetige Abbildung des abgeschlossenen Einheitsballs in sich einen Fixpunkt haben muss. In dem Beweis wird die in Beispiel 7.7.3 betrachtete Differentialform ein Rolle spielen. Analysis 3 146 Satz 7.8.1 (Brouwerscher Fixpunktsatz). Sei B̄ ⊂ Rn der abgeschlossene Einheitsball. Dann hat jede stetige Abbildung f : B̄ → B̄ einen Fixpunkt, d.h. es gibt ein p ∈ B̄ mit f (p) = p. Beweis. Für n = 1 ist B̄ = [−1, 1] und die Aussage folgt aus dem Zwischenwertsatz angewandt auf die Funktion x − f (x). Sei also n ≥ 2 angenommen. Sei ferner f : B̄ → B̄ stetig. Annahme: f hat keinen Fixpunkt. Um einen Widerspruch zu erreichen zeigt man zunächst, dass es unter der gegebenen Annahme auch eine glatte Funktion F ohne Fixpunkt auf B̄ gibt. Genauer ist zu zeigen, dass es eine glatte Funktion F : Rn → Rn gibt, die F(B̄) ⊂ B̄ erfüllt und keinen Fixpunkt auf B̄ hat. Dann führt diese Aussage zu einem Widerspruch. Zunächst setze f zu eine stetigen Funktion mit kompaktem Träger f : Rn → Rn fort. Dies ist immer möglich. Zum Beispiel kann man für 1 < ||x|| < 2 setzen: f (x) = f (x/ ||x||)(2 − ||x||). Für ||x|| ≥ 2 setzt man dann f (x) = 0. Da f keinen Fixpunkt auf der kompakten Menge B̄ hat, gibt es ε > 0 mit x − f (x) ≥ ε für jedes x ∈ B̄. Man konstruiert eine glatte Abbildung F : Rn → Rn mit F(x) − f (x) < ε/2 für jedes x ∈ Rn . Dann hat auch F keinen Fixpunkt in B̄. Hierzu wähle ein δ > 0 so dass x − y < δ ⇒ f (x) − f (y) < ε/4. Ein solches δ existiert, das f gleichmäßig stetig ist. Wähle nun eine Analysis 3 147 glatte Funktion χ : Rn → [0, 1] mit Träger im Ball um Null mit Radius δ R und Rn χ(x) dλ(x) = 1. Setze Z Z F1 (x) = f ∗ χ(x) = f (y)χ(x − y) dλ(y) = Rn f (x − y)χ(y) dλ(y). Rn Dann ist F1 glatt und es gilt für jedes x ∈ Rn Z Z F1 (x) − f (x) = f (x − y)χ(y) dλ(y) − f (x)χ(y) dλ(y) Rn Z Rn ≤ χ(y) f (x − y) − f (x) dλ(y) < ε/4. Rn n o Sei d = max ||F1 (x)|| : x ∈ B̄ . Ist d ≤ 1, so setze F = F1 , andernfalls setze F(x) = d1 F1 (x). Dann ist in jedem Fall F(B̄) ⊂ B̄. Ferner gilt d < 1 + ε/4 und also 1 ||F1 (x) − F(x)|| = F1 (x) − F1 (x) d d−1 = ||F1 (x)|| < ε/4 d so dass f (x) − F(x) < ε/2 für x ∈ B̄ gilt, woraus folgt, dass auch F keinen Fixpunkt in B̄ hat. Man ersetzt f durch F und nimmt also an, dass f auf Rn glatt ist. Wegen der Stetigkeit von f kann man annehmen, dass f in einer (kleinen) Umgebung U von B̄ fixpunktfrei ist. Sei φ : U → Rn \ 0 definiert durch φ(x) = x − f (x). Da die in Beispiel 7.7.3 betrachtete Form σ geschlossen ist, ist auch φ∗ σ geschlossen. Die Menge U kann als sternförmig angenommen werden. Dann ist nach dem Poincaré Lemma die Form φ∗ σ exakt. Also ist Z φ∗ σ = 0. Sn−1 Analysis 3 148 Sei φ̃ : R × U → Rn ; φ̃(t, x) = x − t f (x). Dann ist insbesondere φ̃(1, x) = φ(x) und φ̃(0, x) = x. Für ||x|| = 1 und 0 ≤ t ≤ 1 ist φ̃(t, x) , 0, also ist V = φ̃−1 (Rn \ 0) eine offenen Menge, die [0, 1] × Sn−1 umfasst. Man verkleinert U nun zu einer offenen Umgebung von Sn−1 , von der angenommen wird, dass [0, 1] × U ⊂ V. Es seien ψν : U → V die Funktionen ψν (x) = (ν, x) für ν = 0, 1 wie in Lemma 7.6.2. Nach diesem Lemma gibt es eine differenzierbare (n − 2)-Form η auf U, so dass ψ∗1 φ̃∗ σ − ψ∗0 φ̃∗ σ = dη. Für x ∈ U gilt aber (φ̃ ◦ ψ1 )(x) = φ̃(x, 1) = x − f (x) = φ(x), (φ̃ ◦ ψ0 )(x) = φ̃(0, x) = x. Daraus folgt ψ∗i φ̃∗ σ = φ∗ σ und ψ∗0 φ̃∗ σ = σ auf U, also φ∗ σ − σ = dη auf U. R Nach Korollar 7.7.2 ist Sn−1 dη = 0, so dass Z Z σ= Sn−1 φ∗ σ = 0. Sn−1 Dies ist ein Widerspruch zu den Bemerkungen in Beispiel 7.7.3. Also muss f doch einen Fixpunkt haben. 7.9 De Rham Kohomologie Sei M eine Mannigfaltigkeit und sei dk : Ωk (M) → Ωk+1 (M) das aeussere Differential. Dann gilt dk dk−1 = 0 wie in Satz 6.3.9 gezeigt wurde. Dies bedeutet Bild(dk−1 ) ⊂ ker(dk ). Definition 7.9.1. Die k-te de Rham Kohomologie der Mannigfaltigkeit Analysis 3 149 M ist definiert als Hk (M) ker(dk )/ Bild(dk−1 ). Hierbei wird fuer k = 0, das Bild von d−1 kuenstlich als Null definiert. Beispiele 7.9.2. • Es gilt R k n H (R ) = 0 k = 0, k , 0. Fuer k ≥ 0 ist dies genau der Inhalt des Poincaré Lemmas, Satz 7.6.1. Fuer k = 0 ist es das folgende Lemma. • Ist M = M1 ∪ M2 die disjunkte Vereinigung zweiter Untermannigfaltigkeiten, dann gilt Hk (M) = Hk (M1 ) ⊕ Hk (M2 ). Lemma 7.9.3. Fuer jede zusammenhaengende Mannigfaltigkeit M gilt H0 (M) R. Beweis. Fuer k = 0 ist das Bild von dk−1 gleich Null, also H0 (M) = ker(d0 ). Ist nun f ∈ ker(d0 ), so gilt in lokalen Koordinaten x1 , . . . , xn , dass n X ∂f dx j . 0 = df = ∂x j j=1 Daher sind saemtliche Richtungsableitungen ∂f ∂x j gleich Null, da M zusammenhaengend ist, ist f konstant. Andererseits liefert jede konstante Funktion eine Kohomologieklasse, also ist n o H0 (M) = ker(d0 ) = konstante Funktionen R. Analysis 3 150 Proposition 7.9.4. Ist F : M → N eine glatte Abbildung zwischen Mannigfaltigkeiten, so folgt aus F∗ d = dF∗ , dass F eine lineare Abbildung F∗ : Hk (N) → Hk (M) induziert. Ist G : L → M eine zweite glatte Abbildung, so gilt (F ◦ G)∗ = G∗ ◦ F∗. Insbesondere folgt: Ist F ein Diffeomorphismus, so ist F∗ eine Isomorphie auf den Kohomologiegruppen. Beweis. Aus F∗ d = dF∗ folgt, dass F den kern von dN auf den Kern von dM abbildet und dasselbe fuer die Bilder, also induziert F∗ eine Abbildung F∗ : ker / Bild → ker / Bild. Die Ausage ueber die zweite Abbildung G ist klar. Ist insbesondere F ein Diffeomnorphismus. kann man L = N und G = F−1 waehlen und erhaelt IdH(M) = Id∗M = (G ◦ F)∗ = F∗ ◦ G∗ und ebenso IdH(N) = G∗ ◦ F∗ , so dass F∗ ein Isomorphismus ist. Satz 7.9.5 (Mayer-Vietoris Sequenz). Sei M eine Mannigfaltigkeit und sei M = U ∪ V, wobei U und V offene Mengen sind, so dass der Schnitt U ∩ V nichtleer ist. Dann gibt es eine exakte Sequenz ρ ∆ ∂ · · · → Hk (M) −→ Hk (U) ⊕ Hk (V) −→ Hk (U ∩ V) −→ Hk+1 (M) → . . . Beweisidee. Sei ρ : Ωk (M) → Ωk (U) ⊕ Ωk (V) gegeben duch ρ(ω) = ω|U ⊕ ω|V . Sei dann ∆ : Ωk (U) ⊕ Ωk (V) → Ωk (U ∩ V) gegeben duch Analysis 3 151 ∆(α, β) = (α − β)|U∩V . Dann ist die Sequenz ρ ∆ 0 → Ωk (M) −→ Ωk (U) ⊕ Ωk (V) −→ Ωk (U ∩ V) → 0 exakt denn 1. ρ ist injektiv: Ist ρ(ω) = 0, dann ist ω sowohl auf U als auch auf V gleich Null, da M = U ∪ V, ist ω = 0. 2. Bild(ρ) = ker(∆): Sei (α, β) ∈ ker(∆), dann folgt α|U∩V = β|U∩V . Sei nun 1 = u + v eine Teilung der Eins, die der Ueberdeckung M = U ∪ V unterliegt, also supp(U) ⊂ U und supp(v) ⊂ V. Setze dann uα durch Null nach M fort und vβ ebenso. Sei dann ω = uα + vβ ∈ Ωk (M). so folgt ρ(ω) = (ω|U , ω|V ). Es ist nun ω|U = uα|U + vβ|U = uα|U + vα|U = (u + v)α = α und ebenso ω|V = β, insgesamt also ρ(ω) = (α, β). 3. ∆ ist surjektiv: Sei η ∈ Ωk (U ∩ V), dann laesst sich −uη durch Null nach V fortsetzen und vη durch Null nach U. Man hat dann ∆(vη, −uη) = (v + u)η = η. Man stellt nun fest, dass die Abbildungen ρ und ∆ mit den jeweiligen aeusseren Differentiualen vertauschen, dass also das Diagramm / 0 0 / Ωk (M) k+1 Ω ρ d / (M) ρ / Ωk (U) ⊕ Ωk (V) ∆ d Ωk+1 (U) ⊕ Ωk (V) ∆ / / Ωk (U ∩ V) / 0 / 0 d Ωk+1 (U ∩ V) kommutiert. In einer solchen Situation gibt es einen allgemeinen Apparat, der einem einen Verbindunghomomorphismus ∂ liefert, der die Sequenz des Satzes exakt macht. Analysis 3 152 Satz 7.9.6 (Kuenneth-Formel). Ist M = M1 × M2 dasdirekte Prodzkt zweier Untermannigfaltigkeiten, dann ist k H (M) k M Hi (M1 ) ⊗ H j (M2 ). i+j=k Beweisidee. Die Abbildung Ωi (M1 ) ⊗ Ω j (M2 ) → Ωi+j (M), α ⊗ β 7→ α ∧ β induziert einen Isomorphismus auf den Kohomologiegruppen. Satz 7.9.7. Sei n ≥ 1. Fuer die n-Dimensionale Sphaere Sn gilt R Hk (Sn ) R 0 k = 0, k = n, sonst. Fuer den n=diemnsionalen Torus Tn = S1 × S1 × · · · × S1 (n-mal) gilt ! n k n dim H (T ) = . k Beweis. Sei zunaechst n = 1. Der Kreis S1 kann durch zwei offene Mengen U, V ueberdeckt werden, so dass jede diffeomorph zu einem offenen Intervall und damit diffeomorph zu R ist. Nach dem Analysis 3 153 Poincaré-Lemma folgt dann 1 k = 0, k dim H (U) = 0 sonst. Die Sequenz 0 → H0 (S1 ) → H0 (U) ⊕ H0 (V) → H0 (U ∩ V) → → H1 (S1 ) → H1 (U) ⊕ H1 (V) → H1 (U ∩ V) → 0 ist exakt. Wir kennen die Dimensionen der oberen Zeile: 1, 2, 2 Daraus folgt, dass der Verbindungshomomorphismus ∂ : H0 (U ∩ V) → H1 (S1 ) in diesem Falle ein Bild der Dimension 1 hat. Also erhalten wir eine exakte Sequenz 0 → R → H1 (S1 ) → H1 (U) ⊕ H1 (V) → H1 (U ∩ V) → 0 | {z } | {z } =0 =0 exakt. Nach dem Poincaré Lemma sind die beiden letzten Terme Null, also ist R → H1 (S1 ) ein Isomorphismus und der Satz ist fuer n = 1 gezeigt. Weiter geht’s mit Induktion. Sei die Behauptung fuer n gezeigt. Die Spaehre Sn+1 laesst sich ueberdecken durch U und V so dass U Rn+1 V und so dass U ∩ V Sn × R. Mit der Kuenneth-Formel folgt Hk (U ∩ V) Hk (Sn ), so dass die Mayer-Vietoris-Sequenz wie folgt aussieht: . . . Hk−1 (Sn ) → Hk (Sn+1 ) → Hk (Rn+1 ) ⊕ Hk (Rn+1 ) → → Hk (Sn ) → Hk+1 (Sn+1 ) → . . . Analysis 3 154 Ist 2 ≤ k ≤ n so ist das · · · → 0 → Hk (Sn+1 ) → 0 ⊕ 0 → Hk (Sn ) → Hk+1 (Sn+1 ) → . . . Ist k = n + 1, so ist es · · · → 0 → Hn (Sn ) → Hn+1 (Sn+1 ) → 0 ⊕ 0, so dass die Behauptung fuer k ≥ 2 folgt. Fuer k = 1 muss man die vorherliegenden Terme beruecksichtigen: 0 → H0 (Sn+1 ) → H0 (Rn+1 ) ⊕ H0 (Rn+1 ) → H0 (Sn ) → H1 (Sn+1 ) → 0. Die Dimensionen der ersten Terme sind 1, 2, 1, so dass der letzte Pfeil die Null sein muss, also ist H1 (Sn+1 ) = 0. Schliesslich zum Torus. Mit wiederholter Anwendung der Kuenneth-Formel ist H (T ) = k n M Hi1 (S1 ) ⊗ · · · ⊗ Hin (S1 ). i1 +···+in =k 0≤iν ≤1 Jeder Summand, der nicht Null ist, ist eindimensional. Damit ist die Gesamtdimension gleich der Anzahl der Summanden, also gleich der Anzahl der Teilmenge von (i1 , . . . , in ) der Maechtigkeit k also gleich dem Binomialkoeffizienten. Index η-messbar, 16 de Rham Kohomologie, 143, 148 µ-Nullmenge, 25 Diffeomorphismus, 102 µ-fast überall, 25 diskrete Topologie, 81 µ-singulärer Teil, 66 dominierte Konvergenz, 39 σ-Algebra, 2 Dynkin-System, 70 σ-additiv, 12 σ-endlich, 66 τ-positive Menge, 47 n-Sphäre, 99 äußeres Maß, 15 einfache Funktion, 10 endliche Schnitteigenschaft, 87 endliches Maß, 12 ersten Abzählbarkeitsaxiom, 93 erzeugte σ-Algebra, 3 abgeschlossene Abbildung, 85 erzeugte Dynkin-System, 71 Abschluss, 84 erzeugte Topologie, 91 absolut stetig, 65 abzählbar subadditiv, 15 abzählbar-coabzählbar, 3 Banach-Raum, 53, 56 Basis der Topologie, 93 fast überall, 25 Final-Topologie, 96 glatte Abbildung, 102 glatte Karte, 101 beschränkte lineare Abbildung, 57 Hölder-Ungleichung, 49 Borel-σ-Algebra, 3 Hausdorff-Raum, 82 Borel-Maß, 12 Hilbert-Raum, 59 Borel-messbar, 5 holomorphe Funktion, 136 Borel-messbare Mengen, 3 homöomorph, 85 Cantor-Diskontinuum, 25 Homöomorphismus, 85 Cauchy-Schwarz-Ungleichung, 59 Initialtopologie, 94 charakteristische Funktion, 7 Integral, 31, 32 Co-endlich-Topologie, 81 integrierbar, 37 155 Analysis 3 156 kompakt, 87 offene Abbildung, 85 komplexwertiges Maß, 45 offene Umgebung, 81 Koordinatenableitungen, 104 offenen Mengen, 81 Lebesgue, Satz von, 39 Lebesgue-σ-Algebra, 20 Lebesgue-integrierbar, 37 Lebesgue-Maß, 13 Lebesgue-messbar, 20 Lebesgue-Nullmenge, 25 Lebesgue-Zerlegung, 67 Lebesguesche äußere Maß, 19 offenen Rechtecke, 96 offenen Umgebungsbasis, 92 ONB, 61 ONS, 61 Operatornorm, 57 Orthogonalraum, 64 Orthonormalbasis, 61 Orthonormalsystem, 61 Limes inferior, 8 positiv orientiert, 122 Limes superior, 8 positive Maße, 46 linearen Funktional, 57 Prä-Hilbert-Raum, 59 linearen Operator, 57 Prinzip der guten Mengen, 78 lokale Koordinaten, 105 Produktmaß, 73 lokalkompakt, 88 Produkttopologie, 94 Maßraum, 13 messbare Abbildung, 5 messbare Funktion, 6 messbare Mengen, 2 Messraum, 2 Minkowski-Ungleichung, 50 monoton, 13 Norm, 59 normierter Vektorraum, 55 Nullfunktion, 25 Nullmenge, 25, 46 Punktderivationen, 104 Punktmaß, 12 punktweise Limes, 9 Quotiententopologie, 96 Radon-Nikodym-Dichte, 67 regulär von außen, 23 regulär von innen, 23 relativ kompakt, 90 Satz von Lebesgue, 39 schnittstabil, 70 Skalarprodukt, 58 Analysis 3 stetig, 84 stetig im Punkt x, 86 stetig von oben, 13 stetig von unten, 13 Tangentialraum, 102 Teilraumtopologie, 83 Topologie, 81 Topologie-Basis, 93 topologischer Raum, 81 Torus, 100 Totalvariation, 47 triviale Topologie, 81 Umgebung, 82 Umgebungsbasis, 92 Urysohn’s Lemma, 90 Vektorfeld, 107 Verbindunghomomorphismus, 151 Verklebung, 97 Vertretersystem, 21 Vervollständigung, 29 vollständiges ONS, 61 wesentliche Schranke, 51 Zählmaß, 12 zentriert, 107 Zurückziehung, 117 zweiten Abzählbarkeitsaxiom, 93 157