Abstract der mit dem Georg Haas-Preis 2010 ausgezeichneten Arbeit von Dr. med. Julia Lichtnekert, München „Funktion der Pathogen-Erkennungsrezeptoren des angeborenen Immunsystems auf Mesangialzellen bei der experimentellen Immunkomplex-Glumerulonephritis“. Es ist bekannt, dass Infektionen eine Glomerulonephritis auslösen und verschlechtern können. Die Pathogen-Erkennungsrezeptoren, von denen die Toll-like Rezeptoren die bekanntesten sind, spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie erkennen sowohl exogene Liganden, die von Viren und Bakterien stammen, als auch endogene Moleküle, die durch Zelltod freigesetzt werden. Von besonderem Interesse sind dabei die zwei Signaladapterproteine MyD88 und TRIF, die an Toll-like Rezeptoren binden und deren Aktivierung intrazellulär weiterleiten. Während MyD88 an alle bekannten Toll-like Rezeptoren außer TLR3 bindet, interagiert TRIF nur mit TLR3 und TLR4. Virale RNA oder bakterielle Bestandteile können glomeruläre Mesangialzellen über Rezeptoren des angeborenen Immunsystems aktivieren. Die Hypothese dieser Arbeit war, dass auch endogene Liganden glomeruläre Mesangialzellen über Toll-like Rezeptoren aktivieren. Somit könnten Toll-like Rezeptoren durch die Vermittlung nicht-infektiöser, "steriler" Entzündungsmechanismen an der Pathogenese der Immunkomplex-Glomerulonephritis maßgeblich beteiligt sein. Aus Trif-, Myd88- und Tlr2-Knockout-Mäusen wurden zunächst primäre glomeruläre Mesangialzellen gewonnen, um Toll-like Rezeptor-abhängige Effekte im Vergleich zu Wildtyp-Zellen zu untersuchen. Die Expressions-Analyse der PathogenErkennungsrezeptoren primärer glomerulärer Mesangialzellen aus C57BL/6-Mäusen zeigte eine deutliche Expression der Toll-like Rezeptoren 2, 3 und 4 sowie der RNA-Helikasen MDA-5 und RIG-I. In vitro-Stimulationen mit TLR-Liganden führten zu einer Freisetzung des proinflammatorischen Zytokins Interleukin-6 aus Mesangialzellen. Apoptotische Zellen konnten ebenfalls Mesangialzellen zu einer IL-6-Produktion aktivieren, die in Myd88- und Tlr2-defizienten Mesangialzellen jedoch nicht nachweisbar war. Stimulationsexperimente mit aufgereinigter RNA aus apoptotischen Zellen zeigten eine Trif-abhängige Signalweiterleitung. Die Stimulation mit Mediumüberständen nekrotischer Zellen führte hingegen zu einer starken TLR2- und MyD88-abhängigen Aktivierung primärer Mesangialzellen. Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass apoptotische und nekrotische Zellen glomeruläre Mesangialzellen via TLR2/MyD88 aktivieren, während die Stimulation mit aufgereinigter RNA apoptotischer Zellen über TLR3/TRIF zu einer proinflammatorischen Antwort in Mesangialzellen führte. Um die funktionelle Relevanz der Toll-like Rezeptoren in der Pathogenese der Glomerulonephritis zu untersuchen, wurden Knockout-Mäuse verwendet, denen entweder das Gen für TRIF oder MyD88 fehlte und dadurch die entsprechende Toll-like RezeptorSignalkaskade unterbrochen war. Als experimentelle Grundlage diente das Modell der nephrotoxischen Serumnephritis. Mäusen wurden dabei im Kaninchen gewonnene und gegen die murine glomeruläre Basalmembran gerichtete Antikörper verabreicht. Dies führte zur Induktion einer Immunantwort gegen die fremden Antikörper mit Bildung und Ablagerung von glomerulären Immunkomplexen. Nach drei Wochen zeigte sich das klinische und histologische Vollbild einer Immunkomplex-Glomerulonephritis. Während in Wildtyp- und Trif- defizienten Mäuse nach drei Wochen eine signifikante Proteinurie und Retention von Harnstoff nachweisbar waren, fanden sich in den Myd88-Knockout-Mäusen normale Werte. Ebenso zeigten sich bei den Wildtyp- und Trif-defizienten Mäusen typische Veränderungen in der Histologie mit deutlicher Sklerosierung und Halbmondbildung der Glomeruli, während Myd88-defiziente Tiere ein unauffälliges histologisches Bild boten. Auch in der Immunhistochemie konnten entsprechende Veränderungen in Wildtyp- und Trif-KnockoutMäusen nachgewiesen werden. Im Vergleich zu den Myd88-defizienten Mäusen fand sich eine vermehrte Infiltration von Makrophagen und T-Lymphozyten. Sowohl klinisch als auch histologisch zeigten somit Trif-defiziente Mäuse im Gegensatz zu Myd88-defizienten Mäusen eine dem Wildtyp vergleichbar ausgeprägte Glomerulonephritis. Um die immunologischen Komponenten der Pathogenese weiter zu differenzieren, wurde zunächst die humorale Immunantwort der Mäuse untersucht. Im Serum aller Versuchstiere konnten Antikörper gegen die injizierten Kaninchen-Immunglobuline in vergleichbaren Mengen nachgewiesen werden. Folglich führte eine Deaktivierung von MyD88 oder TRIF nicht zu einer Verminderung der humoralen Immunantwort. Somit könnte der klinische Unterschied in der zellulären Immunantwort begründet sein. Diesen Gedanken unterstützte eine signifikant und vergleichbar hohe Interferon-γ-Sekretion der mit Kaninchen-IgG reaktivierten Splenozyten von Wildtyp- und Trif-defizienten Mäusen, bei normalen Werten der Myd88-Knockout-Tiere. Zudem konnte eine deutliche Reaktivierung der zytotoxischen T-Zellen ebenfalls nur in den Wildtyp- und Trif-defizienten Mäusen nachgewiesen werden. Somit wirkte der Schutz vor der Entwicklung einer Immunkomplex-Glomerulonephritis bei den Myd88-Knockout-Mäusen wahrscheinlich über die zelluläre Immunantwort. Zusammenfassend konnte mit diesen Versuchen gezeigt werden, dass die durch TRIF weitergeleitete Aktivierung von TLR3 keine Rolle in der Pathogenese der Immunkomplex-Glomerulonephritis spielt, da eine Deaktivierung des Gens keinen Einfluss auf die Ausbildung der Erkrankung im Modell der nephrotoxischen Serumnephritis hatte. Allerdings konnte durch Unterbrechung der Myd88vermittelten TLR-Signalkaskade die Induktion der Glomerulonephritis vollständig verhindert werden, ebenso die Aktivierung von T-Lymphozyten, welche maßgeblich an der Pathogenese im Modell der nephrotoxischen Serumnephritis beteiligt sind.