Diskussionspapiere Klaus Eder Kollektive Akteure zwischen Identitätssuche und Mobilisierungsindustrie Oder: Wie man kollektive Akteure wieder theoriefähig macht KLAUS EDER Kollektive Akteure zwischen Identitätssuche und Mobilisierungsindustrie Oder: Wie man kollektive Akteure theoriefähig macht Diskussionspapier, 3-90 Hamburger Institut für Sozialforschung, 1990 Hamburger Institut für Sozialforschung Mittelweg 36, 2000 Hamburg 13 Telefon: 040/414097-12 Telefax: 040/414097-11 wieder Zum Autor: Klaus Eder, Prof. Dr., arbeitet am European University Institute, Department of Political Sciences, Florenz. 5 KLAUS EDER Kollektive Akteure zwischen Identitätssuche und Mobilisierungsindustrie Oder: Wie man kollektive Akteure wieder theoriefähig macht Zusammenfassung Die Frage: "Wie ist soziale Ordnung möglich?" reicht nicht mehr aus, die Dynamik sozialer Strukturund Systembildung zu fassen. Die übergeordnete Frage lautet: "Wie ist soziale Bewegung möglich?" Eine Antwort wird im Rahmen einer Theorie kollektiven Handelns gesucht, die ökonomische und kommunikationstheoretische Ansätze auf drei Ebenen zu verknüpfen sucht. Auf einer Mikroebene wird der Konstitutionsprozeß kollektiven Handelns in Gruppen im Rückgriff auf drei Mechanismen der Mobilisierung von Konsens erklärt: strategische Kooperation, moralisches Bewußtsein und Machtbildung. Auf einer Mesoebene werden die Bedingungen der Mobilisierung kollektiver Aktionen im Rückgriff auf Organisationsbildung, kollektive Identitätsbildung und Einbindung in institutionelle Verhandlungssysteme erklärt. Auf einer Makroebene wird der Konstitutionsprozeß kollektiven Handelns schließlich im Rückgriff auf öffentliche Konfliktualisierungsstrategien, gesellschaftliche Lernprozesse und die Klassenfrage analysiert. Damit wird es möglich, soziale Bewegung als einen kollektiven Konstruktionsprozeß sozialer Akteure zu fassen, ohne auf individualistische Handlungstheorien zurückzufallen. Abstract The question: "How is social order possible?" is no longer sufficient to understand the dynamics of processes of social structuration and system building. The alternative question is: "How is social movement possible?" An answer is sought within a theory of collective action that integrates economic theories af action and theories of communicative action on three levels. On a microlevel the process of the constitution of collective action within groups is to be explained by three mechanisms of mobilizing consensus: strategic cooperation, moral consciousness and power relations. On a mesolevel the conditions for collective action are to explained by the mobilization of organizational resources, formation of collective identities and integration into institutional exchange relationships. On a macrolevel collective action is to explained by strategies of public thematization and conflictualization, collective learning processes and class conflicts. These elements are used to conceive social movement as a collective construction of social actors without falling back into individualist theories of action. 6 Inhalt 1. Gesellschaftstheoretische Perspektivenverschiebungen ................................................................... 5 2. Zur Theorie kollektiven Handelns ...................................................................................................... 8 2.1. Vom Irrationalitäts- zum Unwahrscheinlichkeitstheorem ............................................................ 8 2.2. Wie ist kollektives Handeln möglich? ......................................................................................... 12 3. Zur Mikroebene: Die Mobilisierung von Konsens ........................................................................... 15 3.1. Das free-rider-Problem................................................................................................................. 16 3.2. Gruppenbildung und kollektives Lernen...................................................................................... 18 3.3. Die Machtfrage ............................................................................................................................. 21 3.4. Zusammenfassung ........................................................................................................................ 22 4. Zur Mesoebene: Die Mobilisierung kollektiver Aktionen ............................................................... 23 4.1. Das Problem der Mobilisierung von Ressourcen......................................................................... 24 4.2. Mobilisierung und kollektives Lernen ......................................................................................... 27 4.3. Die Strategiefrage ......................................................................................................................... 31 4.4. Zusammenfassung ........................................................................................................................ 32 5. Zur Makroebene: Die Mobilisierung von Praxis.............................................................................. 33 5.1. Die Konfliktualisierung sozialer Beziehungen ............................................................................ 34 5.2. Gesellschaftliche Lernprozesse? .................................................................................................. 37 5.3. Die Klassenfrage........................................................................................................................... 39 5.4. Zusammenfassung ........................................................................................................................ 41 6. Theoretische Schlußfolgerungen ........................................................................................................ 41 Literatur ............................................................................................................................................. 44 7 KOLLEKTIVE AKTEURE ZWISCHEN IDENTITÄTSSUCHE UND MOBILISIERUNGSINDUSTRIE. Oder: Wie man kollektive Akteure wieder theoriefähig macht 1 1. Gesellschaftstheoretische Perspektivenverschiebungen Soziale Bewegungen sind ein "messy field" in der Soziologie. In der empirischen Forschung ist mit ihnen bislang wenig Reputation zu gewinnen. Dennoch haben Theorien kollektiven Handelns und Theorien kollektiver Akteure heute Konjunktur. Was sind die Gründe für diese Konjunktur? Zwei Gründe bieten sich dafür an: a) Das Anwachsen sozialer Bewegungen ist unübersehbar; es weist daraufhin, daß die Entwicklung der modernen Gesellschaft das konstitutive Problem dieser Gesellschaften, die Herstellung eines "Gesellschaftsvertrags", bereits hinter sich gelassen hat. Es gibt also empirische und damit theorieexterne Gründe für die genannte Theoriekonjunktur. b) Die Erschöpfung der klassischen theoretischen soziologischen Erklärungsansätze ist vermutlich der theorieinterne Grund für die Konjunktur von Theorien kollektiven Handelns. Das Grundproblem soziologischer Theorie ist zunehmend weniger die Frage: "Wie ist soziale Ordnung möglich?", sondern die Frage: "Wie ist soziale Bewegung möglich?". Es gibt also theorieinterne wie theorieexterne Bedingungen für einen fälligen Perspektivenwechsel in der soziologischen Theoriediskussion 2 . Die theorieinternen Gründe haben mit dem Scheitern der Parsonianischen Theoriekonstruktion zu tun, in der das Ordnungsproblem dominiert. Die klassische funktionalistische Lösung war, Evolution und Verhalten über Werte miteinander zu verknüpfen. Handeln 1 Dies ist die erweiterte deutsche Fassung eines englischen Vortragsmanuskripts, gehalten am Hamburger Institut für Sozialforschung. 2 Parsons ging vom Hobbesschen Problem des Naturzustandes aus. Zu einer Diskussion dieser Sichtweise vgl. Luhmann (1981), S. 195ff. 6 wird als wertorientiert gesehen und Wertsysteme werden dann zum Schlüssel gesellschaftlicher Rationalisierungsprozesse. Mit dem Verweis auf institutionalisierte Wertsysteme schien die Frage nach den Bedingungen sozialer Ordnung beantwortet. Wertsysteme orientieren Handeln und soziale Systembildung. "Action systems" und das "societal system" teilen einen gemeinsamen Horizont: "Werte". Diese Lösung überzeugt heute nicht mehr. Das "Gemeinsame" erweist sich als partikular und damit als prinzipiell strittig; es löst sich auf (man nennt das dann Kulturkrise). Dabei entsteht das Paradox, daß sich mit zunehmender kultureller Diversifikation und mit zunehmenden kulturellen Kämpfen soziale Ordnung gerade nicht auflöst. Im Gegenteil: Je weniger kulturelle Werte zählen, umso intensiver wird die Gewalt der Gesellschaft erlebt. Die Konjunktur des Wertes System und sein Alltagsgebrauch sind ein Beispiel dafür, wie an die Stelle substantieller Werte "Wertloses", bloße Gewalt, zum Mechanismus der Herstellung von Ordnung wird. Darauf hat die soziologische Theoriediskussion zunächst mit einer Theoriedopplung reagiert: Der soziologische Diskurs zerfällt heute in zwei Teiltheorien, die nicht mehr miteinander vermittelt werden können. Begriffsdualismen wie Struktur versus Handeln, System versus Lebenswelt zeugen davon. 3 Die Renaissance von Kultur verdankt sich dem Umstand dieser Differenz. Doch zugleich kann diese Renaissance nicht mehr den Bruch überdecken. Sie entgeht nicht der Differenz zwischen der herrschenden Klassenkultur und der ohnmächtigen Alltagskultur. 4 Diese Renaissance hat aber für etwas anderes sensibilisiert: daß Kultur nicht nur internalisiert wird, sondern daß sie zugleich Handeln, einen "praktischen Sinn" konstituiert. Soziale Situationen definieren nicht nur constraints, sondern eröffnen auch choices. Akteure folgen nicht nur Normen, sie gehen damit auch um. Es gibt eine handlungslogische Unbestimmtheit in einer über Werte integrierten sozialen Ordnung. Die bloße Theoriedoppelung ist eine unbefriedigende theoretische Situation, weil Akteure in ihrer konstruktiven Rolle nicht nur theoretisch nicht angemessen gefaßt, sondern auch empirisch unterschätzt werden. Das verweist auf theorieexterne Gründe. Die choices, die Akteuren offenstehen, sind nicht nur Resultat der constraints; sie sind vielmehr Ergebnis eines sozialen Konstruktionsprozesses, an dem Akteure konstruktiv beteiligt sind. Es geht in diesem konstruktivistischen Zugang aber nicht um die 3 Das prominenteste Beispiel ist Habermas (1981). Begriffdualismen signalisieren ein theoretisches Problem, aber sie lösen es nicht. 4 Zum Kulturbegriff vgl. das Sonderheft "Kultur und Gesellschaft" der KZfSS 1986, insbes. die Einleitung von Neidhardt (1986). 7 Bestimmung der Handlungsfähigkeit sozialer Akteure, sondern um die Bestimmung der Konstruktionsfähigkeit kommunikativer Zusammenhang einbinden. Prozesse, die Akteure in einen überindividuellen 5 Dieser Konstruktivismus führt nicht mehr zurück in die traditionelle Handlungstheorie. Er läßt sich nicht mehr individualistisch reduzieren. Gefordert ist ein "aktionalistischer" Ansatz in einem neu zu bestimmenden Sinne: Es geht darum, wie soziale Realität jenseits der Intentionen individueller Akteure durch ihr bloßes Zusammenhandeln hervorgebracht wird. 6 Dieser aktionalistische Perspektivenwechsel kann selbst an eine Theorietradition anknüpfen, die als Alternative zu den klassischen Ansätzen sich schon immer angeboten hat: die Marxsche Theorie. Doch Marx und der Marxismus sind an den damit verbundenen Theorieproblemen gescheitert (Lockwood 1981). Die Idee einer in Klassenkämpfen sich reproduzierenden und entwikelnden Gesellschaft ist zwar ein attraktives Programm gewesen, doch bislang mit unzureichenden Mitteln durchgeführt worden. Zwar hat es Versuche gegeben, die Marxsche Problematik zu reformulieren. 7 Doch diese Ansätze bleiben jenseits ihrer überragenden Bedeutung für die gegenwärtige Theoriediskussion - der Ordnungsproblematik verhaftet. Letztlich siegt das strukturelle über das konstruktive Moment sozialer Praxis. Bei Habermas (1981) etwa werden Handlungstheorien und Systemtheorien über eine System/Lebenswelt-Spannung vermittelt. Akteure, sogar kollektive Akteure (soziale Bewegungen) tauchen auf. Aber sie sind nur Marionetten auf der Bühne: Sie dynamisieren Strukturkonflikte oder entschärfen sie; sie sind Schrittmacher der Evolution oder das, was dann in Weltbildern verkörpert wird, um dann abgerufen zu werden. 5 Auf der Mikroebene sind hier der symbolische Interaktionismus (Berger & Luckmann 1966), auf der Makroebene Bourdieus Sozialphilosophie der großen Illusion zu nennen (Bourdieu 1987). 6 Ein schwieriges Problem entsteht hier im Bezug auf die soziologische Systemtheorie. Ein solcher Aktionalismus richtet sich einerseits gegen einen in Deutschland vorherrschenden systemtheoretischen Monismus, in dem der Systembegriff auf institutionalisierte Realität eingeschränkt wird. Andererseits ist der begriffliche Rahmen in seiner anti-individuistischen Haltung auch offen für das Phänomen für soziale Konstruktionsprozesse durch Zusammenhandeln. Vgl. dazu etwa die Arbeiten von Teubner (1989). Wieder zurück zum individuellen Aktor führt etwa Schimank (1984). 7 Die Rekonstruktionsdebatte beginnt mit Habermas (1976); zur Fortsetzung vgl. etwa Mittelart & Siegelaub (1979). 8 Bourdieu (1982) gelingt ein entscheidender Schritt über Marx hinaus. Er vermeidet den Hiatus von Struktur/Regel und Handlung, indem er davon spricht, daß soziale Akteure einen strategischen Gebrauch von Regeln machen. Akteure spielen mit den sozialen Strukturen; doch sie sind in diesen Spielen zugleich in der Reproduktion ihres Habitus gefangen. Im Spielen mit Regeln entsteht eine soziale Realität jenseits der individuellen Egoismen und Altruismen, ein "Habitus", der die Reproduktion sozialer Strukturen, eben soziale Ordnung, ermöglicht. 8 Man kann diesem Habitus in metasphorischer Weise Qualitäten eines Aktors zuschreiben: daß er kompetent, egoistisch, kultiviert ist usw. Doch diese Beschreibungen sind nicht Eigenschaften von Personen, sondern Eigenschaften von Kommunikationen über diese Personen. 9 Damit ist die Theorierichtung angedeutet. Doch befriedigende theoretische Lösungen sind das noch nicht. Das zeigt sich gerade daran, daß soziale Bewegungen für diese Theorien eine besondere Schwierigkeit darstellen. Denn es handelt sich dabei um Kommunikationssysteme, die weder auf geronnenen Klassenlagen (Bourdieu) noch auf institutionalisierte Handlungskontexte (Luhmann) reduziert werden können. Soziale Bewegungen sind das Schlüsselproblem einer Theorie, die die konstruktive Leistung miteinander interagierender und kommunizierender sozialer Akteure zu bestimmen sucht. Man kann dieses Schlüsselproblem als eine Umkehrung des traditionellen soziologischen Schlüsselproblems lesen. Die Schlüsselfrage lautet: Wie ist soziale Bewegung möglich? 10 2. Zur Theorie kollektiven Handelns 2.1. Vom Irrationalitäts- zum Unwahrscheinlichkeitstheorem 8 Zur Diskussion dieser Vorstellung vgl. Miller (1989) und Matthiesen (1989). Auch hier ist festzuhalten: Der individuelle Akteur interessiert nur als Verkörperung von Strukturen, als Medium der Reproduktion von Habitusformationen, deren Reproduktion sich aus dem Zusammenhandeln von Akteuren ergibt. 9 Bourdieu umschreibt das immer etwas dunkel mit Begriffen wie symbolischen Klassenkämpfen, symbolischen Distinktionslogiken usw. Gemeint ist letztlich nichts anderes, als daß es um das geht, was über andere kommuniziert wird und als Beschreibung von "Klassen" von Akteuren kollektiv akzeptiert wird. 10 Die sich theoretisch anstrengende Literatur über soziale Bewegungen zeichnet sich dadurch aus, daß man nie weiß, was das Problem dieser theoretischen Bemühungen ist. Es handelt sich meist nur um Reformulierungen dieses Phänomens in einer der überlieferten Theoriesprachen, ohne doch etwas Neues darüber zu sagen. Vgl. etwa Ahlemeyer (1989) oder Huber (1988). 9 Wenn wir weder institutionalisierte noch sozialstrukturell kristallisierte noch wertmäßig integrierte Handlungskontexte zum Ausgangspunkt der Theoriebildung machen, dann muß ein allgemeinerer Ausgangspunkt gefunden werden, der diese Fälle als Spezialfälle miteinschließt. Ich schlage vor, soziale Bewegungen als phänomenalen Ausgangspunkt zu nehmen und in ihnen das theoretische Grundproblem zu suchen. Die theoretische Behauptung lautet: Die Bedingung der Möglichkeit sozialer Bewegung ist kollektives Handeln. Eine Theorie kollektiven Handelns ist der entscheidende Ausgangspunkt einer "metaindividualistischen" und zugleich "aktionalistischen" Theoriekonstruktion. 11 Die klassischen Theorien "kollektives Handeln" finden wir - kennzeichnenderweise -in der Sozialpsychologie. Die klassische Arbeit ist die aus dem Jahre 1903 stammende "Psychologie der Massen" von Gustave LeBon (1963). Sie geht von der Annahme der Irrationalität kollektiven Handelns aus. Kollektives Handeln ist eine pathologische Erscheinungsform des Sozialen. Die soziologische Reformulierug dieser Theorietradition findet sich in den Theorien kollektiven Verhaltens der 50er und 60er Jahre (Smelser 1962; Turner & Killian, 1972). 12 Das Gemeinsame dieser Ansätze ist die Annahme, daß kollektives Handeln ein irrationales Handeln ist. Es dominiert eine "Mangelperspektive". Kollektives Handeln ist eine Kompensationsleistung. Es handelt sich in diesem theoretischen Diskurs also um einen Kompensationsdiskurs. Soziale Bewegungen verweisen auf "soziale Probleme", auf soziale Unordnung, die in Ordnung überführt werden muß. 13 11 Die handlungstheoretische Reformulierung der Frage nach Ordnung führt zu individualistischen Handlungstheorien. Die Parsonianische Lösung der voluntaristischen Handlungstheorie interessiert sich deshalb auch nur für die normative und wertgesteuerte Koordination von individuellem Handeln. Die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit sozialer Bewegung setzt demgegenüber eine Theorie kollektiven Handelns systematisch voraus. Dies wird in den jüngeren praxistheoretischen Ansätzen oft nicht klar genug gesehen und formuliert (vgl. etwa Giddens 1984). 12 Daran schließen auch sozialpsychologische Erklärungen an, etwa Annahmen über relative Deprivation (Davies 1962, Gurr 1970, Landsberger 1976), Annahmen über negative Persönlichkeitsmerkmale wie Ich-Störungen (Döbert & Nunner-Winkler 1975; Klandermans 1984) oder Annahmen über Marginalität und Entfremdung (Moscovici 1985). 13 Sozialpsychologische Forschungen entkommen diesem Problem nicht. Unter dem Gesichtspunkt der psychischen Kosten von Bedingungen und Folgen kollektiven Handelns ist diese Fragestellung jedoch weiterhin von großer Bedeutung. Eine Diskusion der Probleme psychologisierender Deutungen von sozialen Bewegungen findet sich in Zygmunt (1972). 10 Dagegen richten sich seit den 70er Jahren neuere Theorien kollektiven Handelns. An die Stelle der impliziten Irrationalitätsunterstellung wird eine explizite Rationalitätsunterstellung gesetzt. Kollektives Handeln wird nicht mehr als das Ergebnis irrationaler Handlungen, sondern als genuin rationales Handeln gesehen. Das Problem lautet nun: Wie ist kollektives Handeln unter der Annahme rational handelnder Individuen möglich. Was motiviert rational handelnde Individuen, sich in kollektiven Handlungen zu engagieren? Es ist offensichtlich nicht selbstverständlich, daß rationale Akteure zusammenhandeln. Das, was zum Zusammenhandeln motiviert, ist ja gerade noch nicht da: ein Konsens über ein gemeinsam zu lösendes Problem. Was wir haben, sind Individuen, die entweder ihre egoistischen Bedürfnisse zu maximieren suchen oder die sich im Dauerdissens mit den anderen über das Gemeinsame befinden. Kollektives Handeln ist unter diesen Bedingungen eher unwahrscheinlich. Damit ist eine Ausgangspunkt für die weitere Theoriediskussion gegeben: Warum ist - aus der Perspektive unterschiedlicher Rationalitätsbegriffe - kollektives Handeln als Ergebnis individueller rationaler Handlungen so unwahrscheinlich? Das Unwahrscheinlichkeitstheorem besagt nicht, daß kollektives Handeln aus rationalen Motiven unmöglich ist; es besagt nur, daß kollektives Handeln aus rationalen Motiven unwahrscheinlich ist. Dieses Unwahrscheinlichkeitstheorem kennt zwei Varianten: die utilitaristische und die prinzipalistische Motivation. Die utilitaristische Erklärung besticht durch ihre Einfachheit: Sie verweist - das war Olson's konzeptioneller Durchbruch - auf die Kollektivgutproblematik. Olson (1968) formuliert ein Unmöglichkeitstheorem rationalen kollektiven Handelns, das kurz gefaßt folgendermaßen lautet: Kooperationsenthaltung ist in einer großen Gruppe dann rational, wenn kollektive Güter auch ohne eigenes Zutun bereit gestellt werden. Auf der anderen Seite bietet diese Erklärungsstrategie auch eine theoretische Lösung an. Das Gefangenendilemma behauptet, daß es - zumindest in kleinen Gruppen - für die Beteiligten rationaler sei zu kooperieren als nicht zu kooperieren. 14 Der Witz an dieser Lösung ist: Selbst wenn die Akteure irrational handeln wollten, so zwingt sie doch die Situation des Zusammenhandelns dazu zu kooperieren, wenn sie nicht Verlierer sein wollen. Das erübrigt die Annahme des homo 14 Das ist die Erweiterung der Theorie zu einer Vertragstheorie: Kooperation ist besser für jeden Beteiligten dazu Axelrod (1984). Der versteckte Individualismus der moraltheoretischen Begründung endet also auch in Unmöglichkeitstheoremen - wieder ein Beispiel dafür, wie die Theorie sich selbst den Zugang zur sozialen Realität versperrt und in idealistischer Kritik dieser Realität zu enden droht. 11 oeconomicus; selbiger ist nicht Ausgangspunkt, sondern das Ergebnis einer sozialen Situation, in der das Fehlen von Informationen über den anderen das Ausgangsproblem des Zusammenhandelns ist. Die Annahme einer ökonomischen Rationalität ist aber ebenso idealisierend wie die Annahme des theoretischen Gegenmodells: daß Zusammenhandeln, die gegenseitige Anerkennung als Alter Ego, begründungspflichtig ist. Anstatt am relativen Vorteil wird Handeln an kollektiv akzeptierten Gründen orientiert. Doch diese Annahme führt nur in eine neue Variante eines Unmöglichkeitstheorems kollektiven Handelns: Wenn alle moralisch motiviert sind, dann braucht man nicht mehr kollektiv zu handeln. Das Gute ergibt sich aus dem moralischen Handeln der Beteiligten von selbst. Kollektives Handeln ist nur mehr Voraussetzung für das Erlernen von moralischer Handlungskompetenz (Miller, 1986). Wenn dann in einer Gesellschaft ein "Niveau" moralischer Kompetenz erreicht ist, dann fällt der Grund für weiteres Lernen = weiteres kollektives Handeln weg. Das "autonome" Individuum ist dann ja konstituiert. 15 Allerdings bietet diese prinzipalistische moraltheoretische Erklärung - wie die utilitaristische - zugleich auch eine Lösung dieses Unmöglichkeitstheorems. Hier ist es nicht das Nichtwissen, sondern der Dissens, der zumindest in kleinen Gruppen zu permanenter Abstimmung zwingt. Denn jedes moralische Handeln hat Folgeprobleme, die dem moralischen Anspruch widersprechen können. Ein moralisches Handeln, das seine nichtmoralischen Effekte korrigieren kann, nennen wir verantwortungsethisches Handeln. 16 Dieser Typus moralischen Handelns ist per definitionem ein kollektives Handeln. Denn der 15 Beide Theorietraditionen lassen sich als Lösungen für das klassische Marxsche Problem der Erklärung des kollektiven Klassenbewußtseins und Klassenhandelns benennen. Das Marxsche Problem der Entstehung von Klassenhandeln läßt sich mit Hilfe beider Positionen reformulieren. Auf die Frage "Wie ist kollektives Handeln möglich?" finden wir im amerikanischen wie im europäischen Erklärungsansatz konkurrierende Antworten. In diesen Varianten wird die Unwahrscheinlichkeit kollektiven Handelns durch zwei Mechanismen außer Kraft gesetzt: das Interesse und die Fähigkeit der Arbeiterklasse, ihre materielle Situation zu ändern. Oder die Fähigkeit der Arbeiterklasse, neue kulturelle Orientierungen zu generieren. Man kann dies generalisieren und als Bedingung der Möglichkeit jeglichen Klassenlernens sehen. Der Bruch mit Marx liegt in beiden Fällen im Bruch mit dem Warten auf das Klassenbewußtsein der Arbeiterklasse. Diesen Bruch hat theoretisch am entschiedensten Touraine (1973) postuliert. Er ersetzt kategorisch die Frage nach der sozialen Ordnung durch die nach der konstruktiven Tätigkeit sozialer Akteure. Formeln wie "das Ende der Gesellschaft" und "das Ende sozialer Evolution" dominieren Touraines Diskurs über die Gesellschaft. An die Stelle der Ordnungsmetapher setzt Touraine die Metapher von der Selbsterzeugung oder Selbstproduktion der Gesellschaft durch historische Akteure. Elster (1982) hat den Bruch nicht nur postuliert, sondern auch theoretisch konsequent begründet, nämlich handlungstheoretisch (dort, wo Touraines Modell leer ist). 16 Vgl. dazu die Mikro-Analysen von Miller (1986), der zeigt, daß solches moralisches Handeln relativ komplexe Interaktions- bzw. Kommunikationsstrukturen zwischen Akteuren voraussetzt. 12 beste einzelne Wille wird nicht notwendig das kollektive Gute bewirken. Der Dissens über die Anwendungsbedingungen von Prinzipien auf die Realität verschärft dieses Problem noch. Deswegen bedarf es der dauernden Korrektur von moralischen Entscheidungen - und dafür steht das Modell kollektiver Lernprozesse. Der homo discursivus steht in diesem Modell ebenso wie der homo oeconomicus nicht am Anfang, sondern am Ende kollektiven Handelns. Doch argumentative Prozesse sind - ähnlich wie das Handeln unter Informationsdefiziten im Gefangenendilemma -an die interaktive Nähe der Beteiligten gebunden. Die aktuelle theoretische Konzeptualisierung kollektiven Handelns ist somit dadurch gekennzeichnet, daß Unmöglichkeitstheoreme kollektiven Handelns aufgestellt und dann Bedingungen dafür angegeben werden, wie diese Unmöglichkeit außer Kraft gesetzt werden kann. Damit ist der nächste theoretische Schritt klar zu bezeichnen: Es geht darum zu zeigen, wie solche Bedingungen im einzelnen aussehen. Es sollen im folgenden -dabei die Literatur verarbeitend - Bedingungen für kollektives Handeln von der Mikroebene bis hin zur Makroebene formuliert werden. 2.2. Wie ist kollektives Handeln möglich? Die Frage: "Wie kann die Unwahrscheinlichkeit kollektiven Handelns außer Kraft gesetzt werden?" muß jenseits der Mikroebene auch auf einer Mesoebene und auf einer Makroebene theoretisch gelöst werden können, will man das theoretische Ausgangsproblem "Wie ist soziale Bewegung möglich?" lösen. Auf der Mikroebene läßt sich dieses Problem mit Hilfe gruppentheoretischer Annahmen lösen. Die Annahmen des homo oeconomicus und des homo discursivus lassen sich gruppentheoretisch als Phänomene konkreter Interaktionsbeziehungen reformulieren. Auf dieser mikrosoziologischen Ebene werden in der Literatur folgende Variablen für die Entstehung und Mobilisierung kollektiven Handelns genannt: - kleine Gruppen (Sichtbarkeit sichert positive und negative Sanktionen); - direkte Interaktion erlaubt Absprachen, Verständigung ("Versicherungsspiel"); - Heterogenität von Gruppen erhöht die Chancen kollektiver Aktion (was der intuitiven Erwartung entgegensteht); 13 - Typen von Gruppenstrukturen (etwa die Unterscheidung von assoziativen und kommunalen Gruppenstrukturen). 17 Diese Variablen beschreiben die Entstehung von Gruppenkonsens als Bedingung der Möglichkeit kollektiven Handelns. Jenseits dieser Mikroebene entsteht das Problem der Koordination von inkompatiblem Konsens, oder direkt formuliert: um die Koordination von Dissens. Variablen, die zwischen der Mikroebene der Mobilisierung von Konsens und der Makroebene gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und evolutionärer Lernprozesse vermitteln, sind Variablen, die die Bedingungen der Mobilisierung von Aktionen, von Präsenz im institutionellen System beschreiben. Zu dieser Mesoebene gehören: - die Mobilisierung von materiellen und symbolischen Ressourcen durch die formale Organisation kollektiven Handelns; - Formen der sozialen Konstruktion kollektiver Interessen durch Identitätsbildung; - die "political opportunity structure" (die Durchsetzungschancen von Interessen im politischen System), genereller der Staat und seine Reaktion auf kollektiven Protest (Inklusion oder Exklusion durch den schwachen bzw. starken Staat). 18 Diese Variablen geben Eigenschaften an, die jenseits der Mikroebene kollekitven Handelns Bedingungen der Möglichkeit kollektiven Handelns auf der Mesoebene angeben. Auf dieser Ebene reicht die Mobilisierung von Konsens nicht mehr aus; kollektives Handeln muß institutionell sichtbar gemacht werden; die Bedingung der Möglichkeit kollektiven Handelns ist an die Mobilisierung von Dissens gebunden. Auf der Makroebene kommen Variablen hinzu, die die kulturellen und sozialen Implikationen von kollektivem Protest zu bestimmen suchen. Das sind - die Struktur kollektiver Güter (etwa der Grad des möglichen exiting!), die die Bedingungen der "Konfliktualisierung" bestimmt; - kulturelle Traditionen und kulturelle Ideale (kollektive Ethiken), die kollektives Handeln prämiieren oder behindern; 17 Zur Literatur vgl. Oliver (1980), Oliver & Marwell (1988), Oliver & Marwell & Teixeira (1985), Baumgartner & Burns & DeVille (1978). 18 Zur Mesoebene zählt vor allem der "resource-mobiliziation"-Ansatz. Dazu im Überblick Zald & McCarthy (1979, 1987). 14 - die soziale Strukturierung der Gesellschaft, insbes. Klassenstrukturen, die Klassenauseinandersetzungen fördern oder obsolet machen (etwa am Beispiel des Gegensatzes von proletarischer Bewegung versus Kleinbürgerradikalismus). 19 In der theoretischen Diskussion haben sich auf diesen drei Ebenen der Analyse zwei Positionen herausgeschält, die man als "amerikanische" und als "europäische" Lösung beschreiben könnte. Das läßt sich gut an den Meso-Theorien kollektiver Mobilisierung und den Meso-Theorien kollektiver Identitätsbildung zeigen. Theorien kollektiver Mobilisierung verorten kollektives Handeln in einer Umwelt von opportunity structures und erklären dann kollektives Handeln als eine Form rationaler Kooperation. Theorien kollektiver Identitätsbildung begreifen kollektives Handeln als Antworten auf kollektiv geteilte "issues" und deuten kollektives Handeln als Produktion oder Konstruktion gemeinsamer Situationsdefinitionen. Dabei dominieren jeweils spezifische Formen des Gegenstandsbezugs auf Handeln: Im einen Fall geht es eher um "arenas (= external fields) of action", im anderen eher um "internal fields of action". Im einen Fall wird dem kollektiven Handeln eine Logik rationalen Handelns, im anderen eine Logik kollektiver Argumentation unterstellt. 20 Auf der Makroebene wiederholt sich diese Differenz als Differenz von systemtheoretischen und praxistheoretischen Ansätzen (aber nicht als solche von Ordnungstheorien und Bewegungstheorien!). Das hat zu vermittelnden Theorien vor allem auf der Mesoebene zwischen resource mobilization und collective identity formation geführt. Wenn wir von gruppentheoretischen und sozialstrukturellen Variablen absehen, dann spitzt sich die theoretische Frage auf der Mesoebene auf den Gegensatz von formaler Organisation kollektiven Handelns und Mobilisierung kollektiv geteilter Symbole im kollektiven Handeln zu. Rucht (1988) spricht deshalb von zwei Logiken kollektiven Handelns, einer instrumentellen und einer expressiven Logik. Cohen (1985) argumentiert zugunsten einer Verknüpfung beider Ansätze, indem sie der Funktion der "resource mobilization" die Funktion der "resource 19 Diese Ebene ist die "Spezialität" europäischer Theoriebildung. Deren Nähe zu sozialphilosophischen Fragestellungen mag diesen Bias zugunsten von "Makro"-erklärungen und -analysen erklären. Vgl. dazu Habermas (1985), Touraine (1982), Bourdieu (1982). 20 Eine wissenssoziologische Erklärung für diese Differenz bieten Eyermann & Jamison (o.J.). Doch hinter der wissenssoziologischen Relativierung lauert die kultursoziologische Objektivierung, die die Entstehung solcher Modelle der Realität zuschreibt, in der sie entstehen. 15 generation" hinzufügt. Klandermans (1986) spricht von Konsensusmobilisierung, was beide Perspektiven schon begrifflich zusammenfügt. 21 Man kann von zwei Idealtypen kollektiven Handelns zu sprechen. Es handelt sich dann um eine empirische Frage, welches Modell jeweils zum Zuge kommt. Diese Diskussion zeigt exemplarisch die Distanz zu den klassischen soziologischen Theoriediskursen. Werte, Klassenlagen, Institutionen sind temporäre, oft kontingente, Festlegungen von Handlungen, die im und durch kollektives Handeln einem permanenten Definitions- und Redefinitionsprozeß ausgesetzt sind. Die klassische Ordnungsperspektive löst sich hier auf und wird zum sekundären Problem. Bewegung garantiert Ordnung in der Zeit. Zugleich zeigen sich in dieser Diskussion emergente Theorieprobleme, deren Lösung bislang eher unsystematisch angegangen wurde. Zumindest hat sich in der Theorie sozialer Bewegungen das Schisma soziologischer Traditionen reproduziert anstatt überwunden. Insofern kann der vorgeschlagene Perspektivenwechsel auch dazu beitragen, an die Stelle überholter Kontroversen neue Kontroversen zu provozieren. Im folgenden soll deshalb das Problem der Bedingung der Möglichkeit sozialer Bewegung unter Rückgriff auf amerikanische wie europäische Traditionen auf drei analytischen Ebenen angegangen werden: der Mikro-, der Meso- und der Makroebene. 3. Zur Mikroebene: Die Mobilisierung von Konsens Voraussetzung für kollektives Handeln ist ein Mechanismus der Koordination von Handlungen. 22 Kollektives Handeln setzt den Bezug auf ein gemeinsam geteiltes Symbol (Wissen, Gefühl, Überzeugung etc.) voraus. Damit kollektives Handeln zustandekommt, muß eine "soziale Beziehung" zwischen den Beteiligten hergestellt werden, die die egoistischen Motive der Handelnden transzendiert. Aus- 21 Die Arbeiten von Tilly (1985), Birnbaum (1988), Tarrow (1982) und Klandermans (1986) und Klandermans & Oegema (1987) bestimmen die Diskussion. Eine Alternative stellen Lernmodelle sozialer Bewegungen dar (Vester, 1970; Na'aman, 1978; Touraine, 1978; Eder, 1983; Strydom, 1987). 22 Das muß nicht auf die Herstellung eines Konsensus zwischen Handelnden hinauslaufen, wie das Konsensustheorien unterstellen (Habermas 1981). Diese Annahme ist zu stark. Eine mögliche Korrektur bietet die Formel des "koordinierten Dissenses" (Miller 1984). Andererseits bedeutet der völlige Verzicht auf Koordinationsregeln den Rückgriff auf eine invisible hand, was nichts als ein begging the question ist. 16 gangspunkt für die Herstellung einer solchen Beziehung ist die Unterstellung eines Konsens. Diese Konsensusmobilisierung 23 erzeugt zugleich ein Paradox: Jeder Konsensus impliziert Dissensus mit anderen Kollektiven von sozialen Akteuren. Konsensusmobilisierung ist also immer nur partikular für eine Teilmenge von Akteuren denkbar. Konsensusmobilisierung ist zugleich immer eine Einübung in Dissensverhalten und in diesem gruppenspezifischen Sinne gebunden an - die Überwindung des free-rider-Problems, - die Herstellung einer Gruppenidentität und - die Reproduktion dieser Strukturen unter der Bedingung von internen und externen Zwängen der Gruppenbildung (Macht und Überleben). Ausgangspunkt einer Mikroanalyse kollektiven Handelns ist also die Identifizierung von Mechanismen, die Konsens mobilisieren. Dazu werden im folgenden zunächst elementare Bedingungen der Gruppenbildung benannt, die egoistische Interessen der Menschen außer Kraft und damit Gruppenbildung in Gang setzen. Diese Formulierung enthält eine soziologische Fragestellung, die dort anfängt, wo die ökonomische Fragestellung aufhört: zu zeigen, wie trotz fehlenden Konsensus kollektives Handeln möglich ist. 3.1. Das free-rider-Problem Im Naturzustand nehmen rational Handelnde an kollektiven Aktionen nicht teil. Free riding ist die einzig "rationale" Handlungsoption. Was kann dann diese free rider dazu motivieren, nicht free rider zu bleiben? Wie kommt es dennoch zu Mobilisierung und damit Beteiligung an kollektivem Handeln? Die Antwort auf die Frage nach den Bedingungen kollektiven Handelns ist: Es ist der Gesellschaftszustand, der dies ermöglicht. 24 Olson (1968) nennt drei mikrosoziologische Bedingungen für die Außerkraftsetzung der Unwahrscheinlichkeit kollektiven Handelns: - Es müssen selective benefits (etwa Karrieremöglichkeiten oder social events) gegeben sein. - Die Gruppe muß genügend klein sein, so daß die Vorteile der Sicherung eines kollektiven Guts größer als die Kosten sind. 23 Zu diesem Begriff vgl. Klandermans (1988); ähnlich auch Cohen (1985). Allerdings wird er im folgenden soziologisch spezifiziert und nicht als Lösung eines theoretischen Problems verstanden. 24 Die jüngsten vertragstheoretischen Diskussionen kreisen letztlich darum, wieviel "Gesellschaftlichkeit" zugelassen werden soll. Einen Überblick bieten Kern & Müller (1986). 17 - Die Gruppe muß privilegierte Individuen besitzen, deren Grenzkosten der Sicherung kollektiver Güter kleiner ihr individueller Vorteil sind. Diese Bedingungen verweisen auf einfachste und elementare Formen von Sozialität. Ein wichtige Rolle spielt die Frage der Gruppengröße. Olson's Gesetz lautet: Je kleiner die Gruppe ist, umso wahrscheinlicher ist kollektives Handeln. Diese These stimmt allerdings in dieser allgemeinen Fassung nicht. Gruppengröße ist soziologisch unterbestimmt - denn sie wirkt nur vermittelt über andere Variablen. Sie ist etwa abhängig von der Natur der Kollektivgüter (Hirschman 1982) wie der Verfügbarkeit und Verteilung von Motiven (Klandermans 1984). Wenn die relativen Kosten von Kollektivgütern nicht mit der Größe der Gruppe wachsen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit kollektiven Handelns mit der Größe der Gruppe, denn dann stehen mehr Ressourcen (materielle wie personelle) zur Verfügung. Ein anderes Problem ist die Größe der free rider Gruppe in der Rolle als Zuschauer von kollektiven Aktionen. Je kleiner das Lager der Zuschauer wird, umso größer wird das Motiv der Zuschauer werden, sich zu beteiligen. Die Olson-Theorie identifiziert ein wichtiges Problem; aber sie bietet keine theoretisch überzeugende Lösung für dieses Problem. Das free-rider-Problem ist nur ein hypothetisches Ausgangsproblem. Dieses erklärt nichts, sondern ist nur Ausgangspunkt einer Erklärung. Erklärungsbedürftig ist, daß trotz des Phänomens der free rider kollektiver Protest entsteht. 25 Es gibt immer Akteure, die über das egoistische Interessenkalkül hinaus ideelle Interessen haben. Sie haben moralische Motive (moral commitments). Und solche moralischen Einstellungen dürften umso mehr dann dominieren, wie man von "collective evils" spricht, die eine no-exit-Situation implizieren. Selective incentives wie Gruppensolidarität oder moralisches Engagement werden dann zu den entscheidenden Motiven kollektiven Handelns. Damit kehrt hier die alte Diskussion um den homo oeconomicus und den homo sociologicus wieder. Die Alternative dazu, diese Diskussion im Sinne eines entweder/oder zu führen, besteht darin, die Bandbreite sozialer Bedingungen, die das free riding außer Kraft setzen können, empirisch weiter zu klären und in einer theoretisch angemessenen Form zu fassen. Der Gesellschaftszustand ist nicht bloß eine - mehr oder weniger kontingente - Randbedingung für den Naturzustand; der Naturzustand wird vielmehr durch diese sozialen Randbedingungen selbst zu einem Gesellschaftszustand. Der Schritt über 25 Ein schönes Beispiel liefern Walsh & Warland (1983), die diesen Mechanismus am Beispiel der Mobilisierung der vom TMI-Unfall Betroffenen zeigen. 18 die ökonomische Formulierung des Problems kollektiven Handelns besteht dann darin, die sozialen Prozesse der Entstehung kollektiven Handelns zu beschreiben und zu erklären. Das impliziert eine Rekonstruktion der Prozesse, die vom homo oeconomicus zum homo sociologicus führen. 26 Diese Prozesse sollen theoretisch als Gruppenlernprozesse, in denen die subjektive Bedeutung von selektiven Incentives erst festgelegt wird, beschrieben und analysiert werden. Kollektive Lernprozesse werden so zum Schlüssel für jene sozialen Bedingungen, die kollektives Handeln ermöglichen. Es gibt kein reines individuelles Motiv, das vor aller Sozialität sich durchsetzt. Jedes Motiv (und gerade das individualistische!) ist ein kollektiv konstruiertes, ein sozial produziertes Motiv. Theoretische Formulierungen dieses Phänomens finden sich im kognitivistisch orientierten symbolischen Interaktionismus. Als "frame-alignment" (Snow & Rochford & Worden & Benford 1986) sind diese Lernprozesse etwa beschrieben worden. Am radikalsten ist diese Perspektive in den Theorien der kollektiven Konstruktion sozialer Realität sowie in den ethnomethodologischen Arbeiten entwikelt worden. Eine solche sozialtheoretische Perspektive wird durch die Entwicklung der rationalistischen Handlungstheorien selbst noch provoziert. Denn diese rationalistischen ökonomischen Theorien folgen weniger dem Modell von Austauschtheorien, sondern eher dem Modell von Vertragstheorien, die Einigungsprozesse unter gegebenen Randbedingungen (das Paradebeispiel ist das Gefangenendilemma) zu erklären suchen. Solange ein impliziter Konsens der Beteiligten über die geltenden Regeln vorausgesetzt werden kann, können allerdings die theoretischen Implikationen der vertragstheoretischen Wende weitgehend neutralisiert werden. Sobald diese Randbedingungen strittig werden und ausgehandelt werden müssen, also Einigung über die geltenden Spielregeln hergestellt werden muß, entkommen Theorien rationaler Wahl nicht mehr den Folgen der vertragstheoretischen Wende. Denn dann werden die rationalistischen Theorien nicht mehr bloß "dynamisiert"; sie werden vielmehr zu Theorien, die kollektive Lernprozesse, also emergente Formen von Sozialität im kollektiven Handeln erklären können müssen. 3.2. Gruppenbildung und kollektives Lernen Gegenüber den klassischen Rationaltheorien, die immer noch soziale Bewegungen als reaktive Phänomene begreifen, enthalten Theorien rationaler Wahl bereits einen wichtigen Fortschritt: Sie be26 Zur jüngsten Diskussion dieses Gegensatzes vgl. Weise (1989). 19 schreiben kollektives Handeln als einen konstruktiven Prozeß der beteiligten Akteure. Sie setzen an die Stelle additiver Erklärungsmodelle ein konstruktivistisches Modell der Selbstorganisation kollektiven Handelns. 27 Diese Umorientierung wird in dem Maße, wie die klassischen Erklärungen kollektiven Handelns (Deprivationsthese, Postmaterialismusthese, Betroffenheitsthese usw.) sich als unzureichend erweisen, 28 virulent, denn deren beschränkte Relevanz rückt notwendig den Prozeß der Konstruktion eines gemeinsamen Interesses in den Vordergrund. Darin liegt aber auch zugleich die Grenze der Theorien rationaler Wahl. Denn sie unterstellen bereits ein gemeinsames Interesse: den größtmöglichen Vorteil des einzelnen zu maximieren (langfristig oder kurzfristig je nach Kontext und Ressourcenausstattung des einzelnen Akteurs). Dieses gemeinsame Interesse ist bereits eine kollektive Konstruktion, ist das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses. Nun ist eine solche Unterstellung nicht per se unwahrscheinlich; sie ist sicherlich nicht moralisch verwerflich (so die Zurückweisung dieser Idee als "reaktionär"). Was die Angemessenheit dieser Annahme anbelangt, so kann man eher darauf verweisen, daß sich die gesellschaftlich-historischen Voraussetzungen für eine solche Annahme eher zunehmend erfüllen. Die Durchsetzung eines "kleinbürgerlichen Habitus" reduziert im privatistischen Rückzug einer Lebensform das Öffentliche auf das individuell Nützliche. Doch mit der theoretischen Überhöhung dieser möglichen Entwicklung wird die Theorie unfähig, mögliche andere Entwicklungen begrifflich noch fassen zu können. Deshalb muß diese apriorische Festlegung der Theorien rationaler Wahl unterlaufen werden. Entscheidend ist die Konzeptualisierung der Prozesse, die zu solchen Festlegungen führen. Solche Prozesse lassen sich als kollektive Lernprozesse fassen. 29 Kollektive Lernprozesse können die Präferenz für das individuell Nützliche zum Resultat haben, müssen es aber nicht. Diese Festlegung ist also nur eine unter 27 Der Konstruktivismus ist en vogue und reicht von der Systemtheorie bis hin zum soziologischen Koginitivismus. Vgl. etwa die Ansätze von Japp (1984) und Knorr-Cetina (1984). In der Literatur zu den sozialen Bewegungen taucht der Konstruktivismus ebenfalls auf; siehe Gamson & Modigliani (1989). 28 Zur Kritik dieser Ansätze zusammenfassend Raschke (1985) und Kerbo (1982). Kerbo führt vor allem Kontextbedingungen ein (movements of crisis versus movements of affluence), um die unterschiedlichen Wirkungen von Deprivationserfahrungen fassen zu können. 29 Dazu siehe Miller (1984, 1986); Eder (1985, 1987); Japp (1984, 1987); Lapeyronnie (1988); Strydom (1987). Hier sind Theorieentwicklungsmöglichkeiten angelegt, die nur auszuschöpfen wären. Die Systemtheorie als Konkurrent bleibt hier ja eigentümlich blaß. 20 mehreren. Eine Theorie kollektiver Lernprozesse bietet somit einen begrifflichen Rahmen für funktional äquivalente, doch unterschiedlich folgenreiche kollektive Definitionen einer Situation an. Wenn wir solche auf normative Fragen bezogene Lernprozesse als moralische Lernprozesse charakterisieren, dann legen Theorien rationaler Wahl eine spezifische Form moralischer Geltungsgründe fest: nämlich utilitaristische Moralgesichtspunkte. Doch das ist nur eine von mehreren Möglichkeiten. Die Alternativen dazu sind einfach zu benennen: prinzipalistische Vorstellungen, relativistische Moralvorstellungen, traditionale oder autoritäre Moralvorstellungen. Sie finden aber keinen theoretischen Platz im Modell mehr. Solche Möglichkeiten bietet bislang nur die Theorie kommunikativen Handelns. Doch sie ist wiederum unzureichend, wenn der Prozeß beschrieben werden soll, der der kollektiven Konstruktion einer Moral zugrundeliegt. Sie hat einen individualistischen Bias. Das Soziale erscheint nur als Zwang, der das individuell Mögliche nicht zuläßt. Das Soziale produziert Täuschungen, Illusionen, verzerrte Kommunikationsprozesse. Es hebt den Naturzustand kommunikativer Verständigung auf. Doch kommunikative Verständigung ist ein hochspezieller Fall kollektiven Handelns und kollektiven Lernens. Sie kann erst das Ergebnis jener Prozesse sein, die in der Theorie kommunikativen Handelns bereits vorausgesetzt werden: nämlich argumentativer Verständigung. Daraus folgt, daß wir, bevor wir die Bedingungen kommunikativer Verständigung klären können, zunächst die Bedingungen kollektiven Handelns klären müssen. Und das sind vor allem empirische Fragen. Solche empirischen Fragen lassen sich zunächst durch eine historisierende Perspektive angehen. Eine historische Analyse von Gruppenbildung liefert Typen kollektiven Handelns. Einen solchen Zugang hat etwa Tilly (1977) bei dem Versuch, reaktive, konkurrierende und proaktive Formen kollektiven Protests zu unterscheiden, gewählt. Eine andere Unterscheidung ist die Oberschallsche Unterscheidung von kommunalen und assoziativen Strukturen. Neuere Unterscheidungen greifen etwa auf die Differenz von korporativen und assoziativen Strukturen der Gruppenbildung zurück, wobei der erstere Typus eher für traditionale Gesellschaftsformen, der zweite Typus eher für moderne Vergesellschaftungsformen charakteristisch ist. Solche Strukturtypen erlauben es, systematische Differenzen zwischen jenen sozialen Gruppen, die Bauernbewegungen und Arbeiterbewegungen, und jenen Gruppen, die bürgerliche Emanzipationsbewegungen oder den aktuellen Mittelklassenprotest tragen bzw. getragen haben, bestimmen. Kollektive Lernprozesse sind von solchen Gruppenstrukturen empirisch geprägt. Doch sie transzendieren diese Gruppenstrukturen; sie manifestieren in ihren partikularen Trägern ein Allgemeines, nämlich gelingende kollektive Lernprozesse. Diese gelingenden Lernprozesse sind aber ebenfalls nicht anthropologisch gegeben, sondern selbst Teil des Prozesses der Vergesellschaftung. Was "gelingend" ist, das ändert sich selbst als Resultat und damit mit den kollektiven 21 Lernprozessen. Die bürgerliche Emanzipationsbewegung hat in den bürgerlichen Assoziationen das Ideal egalitär-diskursiver Verständigung als ein solches Kriterium eingeübt (Eder 1985). Doch das bedeutet nicht, daß dieses Ideal der End- und Höhepunkt gelingender Lernprozesse ist. Gerade die aktuellen Formen kollektiven Handelns und Protests zeigen, daß jene bürgerlichen Formen selbst Gegenstand von Lernprozessen sind. 3.3. Die Machtfrage Auch wenn es kollektiv erlernte und geteilte Motive für kollektives Handeln gibt (selective incentives!), so bleibt es doch offen, wie kollektives Handeln reproduziert wird. Denn in dieser Form wird immer noch die Annahme gemacht, daß alle gleichermaßen sich an der Verteidigung oder Förderung von kollektiven Gütern beteiligen müßten. Wenn man diese idealisierende Unterstellung aufgibt, dann stellt sich die Machtfrage systematisch: Die Mobilisierung von Konsens impliziert immer zugleich die Differenz von Aktivisten und Mitläufern. Und das heißt, daß schon auf der Mikroebene der Gruppenbildung Macht unvermeidbar ist. Die Machtfrage stellt sich bereits in Weiterführungen der rationalistischen Erklärungsansätze kollektiven Handelns. Die Frage, wie unwahrscheinlich kollektives Handeln ist, wird durch die Frage ersetzt, welches die kritische Schwelle der Entstehung kollektiven Handelns ist. Diese Schwelle heißt dann "critical mass", meint also jene Menge an Aktivisten, die notwendig ist, um kollektives Handeln in Gang zu setzen (Olson 1968; Oliver & Marwell & Teixeira 1985; Oliver & Marwell 1988; Walsh & Warland 1983; Wiesenthal 1987). Das free rider Problem hat sich damit erledigt. An dessen Stelle tritt die Frage nach der critical mass, nach der kritischen Masse, die kollektives Handeln auslöst. Und das ist eine genuin empirische Frage. In dieser Fragestellung kehrt somit das alte Problem des Verhältnisses von Aktivisten und Mitläufern wieder. Das Erreichen einer "critical mass" hängt mit dem Faktor der Heterogenität einer Gruppe zusammen. Je heterogener eine Gruppe, desto wahrscheinlicher das Auftreten kollektiven Handelns. Je heterogener eine Gruppe ist, umso leichter wird die kritische Masse erreicht, die für die Entstehung kollektiven Handelns notwendig ist. Je heterogener eine Gruppe ist, umso unterschiedlicher sind die Kosten, die für die einzelnen Akteure bei ihrem Engagement für kollektives Handeln entstehen. 30 30 Diese Anahme gehört zu den überraschendsten - weil kontraintuitiven - Ergebnissen der Mobilisierungsforschung. 22 Die klassische Annahme - von LeBon bis Marx - lautet, daß homogene Lagen und die damit verbundenen gemeinsamen Erfahrungen zu kollektivem Handeln gegen diese Lage führen. Doch es zeigt sich, daß Homogenität eine sehr ungünstige Bedingung ist. Daraus folgt, daß nur unter idealen äußeren Bedingungen homogene Gruppen zu kollektivem Handeln fähig werden. Die Geschichte der Mobilisierung des Proletariats ist das beste Beispiel dafür. Heterogenität bedeutet, daß die betroffene bzw. sich betroffen fühlende Gruppe kulturell, ethnisch oder ökonomisch differenziert sein muß. Diese Differenzierung sorgt dafür, daß ein Potential an Aktivisten vorhanden ist, das die critical mass für die Entstehung kollektiven Handelns liefert. Die Unwahrscheinlichkeit kollektiven Handelns wird dadurch aufgehoben, daß Aktivisten die free rider - in einem empirisch variierenden Ausmaß - mobilisieren können. Die entscheidenden Mikrobedingungen kollektiven Handelns sind also die kollektive Definition von Motiven und das Erreichen einer kritischen Masse von Aktivisten. Beides ist abhängig vom Ausmaß der Heterogenität einer Gruppe, die zur Ausbildung einer Aktivistenklasse zwingt. Die interne Differenzierung und Heterogenität einer Gruppe verhindert also nicht -wie das der Alltagsverstand suggeriert - die Mobilisierung einer "aggrieved population", sondern trägt im Gegenteil zur Mobilisierung bei (Oliver & Marwell 1988, S.7). Damit erweist sich diese Theorie als eine - nachträgliche - Erklärung für die klassische Leninsche Problematik: daß kein kollektives Handeln ohne die Existenz einer Avantgarde auskommt. 3.4. Zusammenfassung Dieser mikrosoziologische Zugang bricht mit den traditionellen sozialpsychologischen Annahmen zur Erklärung kollektiven Verhaltens. Die Grundannahmen einer Theorie kollektiven Handelns gehen davon aus, - daß Akteure rational handeln, aber nicht auf Grund von anthropologischen Eigenschaften des Menschen, sondern auf Grund der Tatsache, daß sie zusammenhandeln müssen, und - daß Mittel zur Erreichung kollektiver Ziele kommunikative Prozesse voraussetzen, in die Gruppenbildungen notwendig immer verstrickt sind und denen konkrete Gruppen in immer nur partieller Weise zugrechnet werden können (Lepsius 1986), und - daß Ziele definiert sind als Interessenkonflikte, die zu Handlungssystemen auf Gruppenebene führen, in denen die Differenz von Führer und Geführten zu den konstitutiven Merkmalen kollektiven Handelns gehört. 23 Diese Annahmen implizieren den Abschied von alten theoretischen Selbstverständlichkeiten. Der wichtigste Abschied ist der von der Vorstellung, daß Ideen und Ideologien in Gruppenprozessen wichtiger sind als soziale Strukturen (Eder 1985). Es ist gerade umgekehrt: Soziale Strukturen legen fest, welche und wieviele Ideen notwendig sind, um kollektives Handeln zu ermöglichen und auf Dauer zu stellen. Diese Perspektive drängt sich umso mehr auf, wie die klassischen Gruppenstrukturen ihre Bedeutung für die Konstitution kollektiven Handelns verlieren. Denn an die Stelle kommunitärer oder assoziationaler Strukturen (wie sie die bürgerliche und die Arbeiterbewegung gekennzeichnet haben) treten auf Kommunikation spezifizierte organisatorische Strukturen, die Kommunikation und Kommunikabilität in Gruppen auf Dauer stellen können. Ohne Kenntnis dieser neuen Form bleibt das Verständnis der "neuen sozialen Bewegungen" in traditionalistischen Kategorien befangen. 4. Zur Mesoebene: Die Mobilisierung kollektiver Aktionen Diese auf einer Mikroebene identifizierbaren strukturellen Bedingungen kollektiven Handelns (also die Mechanismen von Konsensusmobilisierung, die handlungsfähige Gruppen konstituieren) sind restriktive Bedingungen für einen weiteren Schritt: für die Mobilisierung von kollektivem Handeln oder genauer: die Mobilisierung von Präferenzstrukturen für sozialen Wandel. Das Ergebnis dieser Formen der Mobilisierung von je spezifischen "Gruppenkonsensus" (oder konkurrierenden Formen koordinierten Dissenses) haben McCarthy & Zald (1973, 1977) "conscience constituencies" genannt. Diese Ebene jenseits der mikrostrukturellen Grundlagen kollektiven Handelns werde ich "Mesoebene" nennen. Mobilisierung heißt, kollektives Handeln über Zeit auch unter der Bedingung konfliktueller Umweltbeziehungen aufrechtzuerhalten. Aktivisten versuchen die Bedingungen ihres Aktivismus durch formale Organisation und/oder Identitätsmanagement und kollektive Lernprozesse in der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt zu verstetigen. Dabei taucht ein weiteres Problem auf, das theoretisch bislang kaum beachtet wurde: die Strategiefrage. 31 Sie thematisiert das Problem der institutionellen Präsenz und Sichtbarkeit kollektiven Handelns, dessen Rolle in einem institutionellen Machtsystem. 31 Eine Ausnahme ist der (unveröffentlichte) Aufsatz von Wiesenthal (1984). Weitere Hinweise finden sich implizit in den politisch-soziologischen Arbeiten Bourdieus. Vgl. dazu Raphael (1989). 24 Diese Mesoebene soll im folgenden - analog zur Mikroebene - in drei aufeinander aufbauenden Argumentationsschritten analysiert und begrifflich bestimmt werden. Diese sind - einmal die Formen der formal-rationalen Sicherung der Reproduktion von kollektiven Handlungsfähigkeiten, - dann Strategien kollektiver Identitätsfindung, die Konsensus bzw. koordinierten Dissensus auf Dauer stellen können, - schließlich die Formen der Interaktion mit den etablierten institutionellen Akteuren (Parteien, Parlamenten, Verwaltung, Jusitz usw.), die die Strategien kollektiver Akteure in einem institutionellen System (einschließlich der Frage der eigenen Organisationsstruktur und Ideologie) bestimmen. 4.1. Das Problem der Mobilisierung von Ressourcen Der Aspekt der Mobilisierung von Ressourcen in der Mobilisierung kollektiver Aktionen wird im "resource-mobilization"-Ansatz explizit ins Zentrum theoretischer Erklärungen gestellt. Die wichtigste Ressource ist in der Perpsektive dieses Ansatzes formale Organisation. Die Annahme ist, daß SMOs (= social- movement organizations) und Kombinationen davon, nämlich SMIs (= social-movement industries) die wichtigsten Mechanismen der Mobilisierung und Reproduktion kollektiven Handelns sind. Fünf Annahmen liegen diesem Ansatz zugrunde (Jenkins & Eckert 1986): - Es gibt einen Trend zu SMOs - Es dominiert das Motiv der Patronage nicht handlungsfähiger Gruppen (der "constituencies") - Patronage-Motive fördern den Trend zu SMOs - Dieser Trend wird unterstützt durch Massenmedien, Professionalisierung und die wohlfahrtstaatliche Entwicklung - Die SMOs tragen zur Repräsentation nichtrepräsentierter Interessen bei. Es bilden sich also - im (graduellen) Unterschied zu historisch früheren Bewegungen -professionelle Bewegungsorganisationen heraus, deren Charakteristika "outside leadership", "full-time-paid staff", "small or nonexistent membership", "speaking for others rather than involving an aggrieved group" sind (Jenkins 1983, S. 533). Die formale Organisation kollektiven Handelns hat in den "neuen sozialen 25 Bewegungen" eine durch Verwissenschaftlichung und Professionalisierung hochentwickelte formale Rationalität erhalten. Allerdings ist diese Form der Bewegungsorganisation in den Bewegungen umstritten. Gegen die "bürokratische" wird die "dezentrale" Form der Bewegungsorganisation gesetzt. 32 Die Alternative von fluider und bürokratischer Strukturierung kollektiven Handelns ist nicht unabhängig von den Zielen kollektiven Handelns. Die Mobilisierung kollektiver Aktionen zum Zweck des consciousness raising führt eher zum fluiden Typus, während Mobilisierung kollektiver Aktionen zum Zweck des institutional change eher zum bürokratischen Typus führt. Empirisch werden wir mit Mischungen dieser beiden Typen zu tun haben, und dies kann man mit der These verbinden, daß mit zunehmender Komplexität von Gesellschaften der "bürokratische Typus an Gewicht zunehmen muß. Soziale Bewegungen können verschiedene Formen von SMOs aufweisen - von dezentralisiert über intermediäre bis hin zu zentralisierten Formen. Der Trend läuft in Richtung zunehmende Professionalisierung der Bewegung (nicht unbedingt Bürokratisierung à la Michels!). Soziale Bewegungen sind keine geschlossenen Systeme mit festgelegten evolutionären Sequenzen, die in Kollaps oder Bürokratisierung enden. Das benennt dann zugleich das Paradox aktueller sozialer Bewegungen. Denn sie sind zugleich orientiert am Ziel des consciousness raising wie an eine hochkomplexe Umgebung gebunden. Dieses Paradox läßt sich "rational", im Sinne einer pareto-optimalen Abstimmung individueller Interessen nicht mehr lösen. Hier sind die Grenzen der hinter dem "resource-mobilization"- Ansatz stehenden ökonomischen Theorie zu suchen. Die alternative Lösung bietet das Identitätsmodell. Dieses Modell setzt - im Gegensatz zum SMO-Modell - an der Dimension des consciousness raising an. Kommunikation in der Gruppe sichert die Identität einer Gruppe. Um kollektives Handeln zu mobilisieren, - und diesen Gesichtspunkt hat Touraine (1978) herausgestellt -ist ein Identitätsmoment nötig. Die Herstellung einer kollektiven Identität erlaubt es, sich vom Gegner zu unterscheiden und damit Grenzen ziehen zu können. Eine entscheidende Aufgabe von Aktivisten ist es, dieses Wir-Gefühl herzustellen. Gruppen mit eigener Identität sind leichter zu mobilisieren (Oberschall 1973, S. 125). Dies charakterisiert etwa Arbeiter- oder Bauernbewegungen, in denen solche Identitätsarbeit an vorgegebene kulturelle Welten anknüpfen konnte (Tilly 1978, S. 62-63). Welche Identitäten zur Verfügung stehen, ist 32 Auf diese Diskussion reagiert die Soziologie mit Versuchen, das Monopol bürokratischer Formen sozialer Organisation durch nicht-bürokratische Formen zu brechen. Vgl. dazu Barnes (1987). 26 durch den Typus der Gruppenbildung bereits eingeschränkt. Die Verfügbarkeit ideologischer (kognitiver) Ressourcen ist unterschiedlich je nachdem, ob kollektive Identitäten an "kommunitäre" oder "assoziative" Strukturen anschließen. Traditionale Bewegungen beruhen eher auf ersteren, modernere eher auf letzteren. Gewachsene kulturelle Welten, auf denen erstere aufbauen, beschränken die Verfügbarkeit symbolischer Ressourcen; durch Assoziation erst erzeugte subkulturelle Welten erweitern diese kulturellen Ressourcen und ermöglichen völlig neue Formen kollektiver Identitätsbildung. Dieses Phänomen wird von entscheidender Bedeutung, wenn wir die aktuellen Mittelklasse-Bewegungen (Jenkins 1983, S. 539) zu erklären versuchen. Denn deren kulturelle Welt ist auf einen Minimalnenner reduziert. Sie sind in besonderem Maße auf eine expressive Logik der Mobilisierung von Protest angewiesen. Es gibt auch (!) einen Trend zu symbolisch-expressiver Aktion, zur Erzeugung von Solidaritäten durch symbolische Aktion. In dem Maße, wie soziale Bewegung die Form der Selbstkonstitution eines historischen Akteurs wird, in dem Maße werden symbolgenerierende Aktivisten Schlüsselfiguren der Erzeugung und Reproduktion von Mobilisierungswellen. Das erklärt den zunehmenden Gebrauch von bilderabhängigen Selbstthematisierungen, der Mobilisierung von media-coverage durch Bewegungseliten, ihr moralisches Kreuzzüglertum. Identitätsmanagement ist der Mechanismus, auf dem gerade die aktuellen Bewegungen beruhen. Denn sie sind zunehmend auf die auf Öffentlichkeitsarbeit angewiesene und durch öffentliche Symbole als Bewegung erfahrbare kollektive Aktion reduziert. Die Bewegung wird zur "message", um eine klassische Formel zu bemühen. Die Ausdrucksform kollektiven Handelns ist das symbolische Management von Präsenz. Dazu braucht man keine Assoziation oder gar gewachsene Subkulturen mehr. Dazu genügt der Zugang und die Fähigkeit des Umgangs mit der Produktion und Verteilung von Symbolen. Auf diesem Phänomen beruht das Identitätsparadigma kollektiven Handelns, das von Touraine, Pizzorno und Melucci an den neuen sozialen Bewegungen expliziert und empirisch untersucht worden ist. 33 Das Identitätsparadigma geht davon aus, daß Identitätsmanagement "reflexiv" geworden ist. Die Freisetzung von Identitätsarbeit und die symbolische Verfügbarkeit von fast beliebigen Identitätssymbolen erfordert eine neue Form der Eingrenzung. Touraines Vorstellung einer bewußt rekonstruierten und forcierten Identitätsarbeit als Konstitutionsbedingung moderner sozialer Bewegungen bringt 33 Zu diesem Identitätspradigma vgl. die Übersicht bei Cohen (1985). Die Arbeiten von Pizzorno (1988) und Melucci (1980, 1985, 1988) sind gleichermaßen Distanzierungsversuche vom Mobilisierungsparadigma. 27 diese Reflexivität auf den theoretischen Begriff. Die Methodologie soziologischer Intervention nutzt diese Reflexivität und baut sie in die Analyse der Mobilisierung kollektiven Handelns systematisch ein. Die beiden diskutierten Ansätze weisen überraschende Ähnlichkeiten auf. Sie unterscheiden sich letztlich nur im Typus der Ressource, die mobilisiert wird, um kollektive Aktionen in Gang zu halten. Im einen Fall geht es um organisatorische Ressourcen, im anderen Fall um symbolische Ressourcen. Doch das Problem ist nicht das Entweder/Oder, sondern das Sowohl/Als-auch. Denn beide Ressourcen stehen sich im Prozeß der Mobilisierung gegenseitig im Weg. Und dieses Problem findet sich in beiden Ansätzen kein theoretischer Platz. 34 Und mit Blick auf aktuelle Bewegungen bleiben wir mitten im Paradox stecken, daß diese beides wollen und sich dabei in Widersprüche verwickeln, die es aufzulösen gilt. 4.2. Mobilisierung und kollektives Lernen Das erfordert den Übergang zu Theorien, die das genannte Paradox aufzulösen erlauben. Der (systemtheoretische) Begriff der "Entparadoxierung" sagt nur, was gemacht werden aber nicht, wie es gemacht werden soll. Der theoretische Vorschlag lautet: "Entparadoxierung" bedeutet, Lernprozesse in Gang zu setzen. 35 Die Mobilisierung kollektiver Aktionen ist immer mehr als nur Ressourcenmobilisierung zu verstehen - und das allein schon deswegen, weil sie im Medium sozialer Prozesse stattfindet. Worum es geht, ist die kollektive Herstellung eines gemeinsamen Interesses in der kollektiven Aktion. Die Mobilisierung von Gruppenkonsens ist dafür zu abstrakt - man muß wissen, was man in der Situation will. Und was man will, ist umso strittiger, je mehr man sich auf weitere Kontextbedingungen einläßt. 34 Unnötig zu sagen, daß das theoretische Heil auch nicht aus der bloßen Kombination beider Theorien (etwa durch Addition) kommen kann. Zu solchen Vorschlägen vgl. etwa Cohen (1985). 35 Die systemtheoretische Diskussion um "Entparadoxierung", einer der Schlüsselbegriffe vor allem der Luhmannschen Systemtheorie, arbeitet mit impliziten Wertungen, die ihre Herkunft aus der Gehlenschen Anthropologie zunehmend weniger verleugnen können. Vor allem die systemtheoretischen Deutungen sozialer Bewegungen machen dies klar (Luhmann 1986, Bergmann 1987). Bloße Antihaltung und der Verweis auf die Begründungspflicht hilft hier auch nicht weiter. Man muß Prozesse und die in ihnen operierende Logik erklären können - und dann weiß man, welche dieser Positionen unter welchen Bedingungen eine Rolle spielt. Der Vorschlag, diese Prozesse als kollektive Lernprozesse zu rekonstruieren, ist ein Schritt in diese Richtung. Vorarbeiten dazu bei Miller (1986) und Eder (1986). 28 Die Mobilisierung von "Präferenzstrukturen für sozialen Wandel" in kollektive Aktionen setzt Kommunikation voraus. Doch diese Vorstellung allein genügt nicht. Es geht auf der "Mesoebene" um die Strukturelemente, die Kommunikationsprozesse zu kollektiven Lernprozessen machen. Und dafür erweist sich die Doppelstruktur von organisatorischen und symbolischen Ressourcen als ein zentraler Mechanismus. Sobald soziale Gruppen in der politischen und sozialen Welt ihre Ideen (ihren "Konsens") durchzusetzen suchen, geraten sie in den Strudel von Begründungs- und Entscheidungszwang. Und das setzt Lernprozesse in Gang, die je nach historischer Lage, ideologischer Tradition und anderen soziokulturellen Randbedingungen die Mobilisierungsfähigkeit sozialer Gruppen bestimmen. Das bedeutet, daß die sozialen Voraussetzungen von Ressourcenmobilisierung vom theoretischen Status der Randbedingung in den theoretischen Status der Konstitutionsbedingung überführt werden müssen. Drei solcher Randbedingungen sollen im folgenden erläutert und dann theoretisch neu verankert werden: - "opportunity structures": Handlungschancen in der Parteiendemokratie (Wiesendahl 1989; Tilly 1978; Tarrow 1982; Oberschall 1973); - "type of action repertoire": historisch tradierte und entwickelte Aktionsformen (Tilly 1977); - "type of collecitve goods": die "non-exit-nature" von bestimmten kollektiven Gütern (Hirschman 1988). Die Chancen der Mobilisierung hängen einmal von den "opportunity structures" ab. Sie sind etwa von der Rolle, die politische Eliten spielen, und der Relation zu diesen (balance of supports and social controls) abhängig. Die historische Rolle des Staates in der Mobilisierung kollektiven Verhaltens ist insbesondere von Birnbaum (1988) betont worden. Um den Mobilisierungseffekt der Zugangschancen zur Politik besser abschätzen zu können, ist allerdings eine Verbesserung des "polity model" (Neokorporatismusthese) notwendig. Das Vorhandensein "informeller Verhandlungssysteme" ist ein Faktor in der Mobilisierung kollektiven Handelns, der bislang kaum untersucht worden ist. Hierher gehören Faktoren wie Anzahl der Parteien im politischen System oder electoral instability (ein wichtiger Faktor in der Entstehung der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung!). 36 36 Hier wären rechtssoziologische Untersuchungen anzusetzen. Ein Versuch ist, diese Informalisierung rechtlich geregelter Verhandlungssysteme unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung prozeduraler Rationalität zu deuten. Dazu Eder (1986, 1987). 29 Dieser Kontext ist nicht nur objektive Gewalt. Er ist die kollektiv wahrgenommene und als relevant erachtete Umwelt. Die Mobilisierung von Aktionen hängt deshalb in weitem Maße davon ab, welche Umwelt von einer zu mobilisierenden Gruppe als relevante definiert wird. Der Hiatus zwischen objektiv wirksamer und als relevant wahrgenommener Umwelt erzeugt Spannungen, die durch kollektive Anpassungsprozesse der zu mobilisierenden Gruppen aufgelöst werden müssen. Lernprozesse stellen die gelungene Form solcher Anpassungsprozesse dar. Ein Indikator dafür wäre etwa die Fähigkeit, durch Erfinden neuer Verhandlungsregeln die etablierten Spielregeln in Entscheidungsprozessen zu verändern und damit den Hiatus mit den selbst gesetzten (als "Gruppenkonsens" stabilisierten) Begründungspflichten zu verringern. Die Entstehung "informeller Verhandlungssysteme" im Verlauf der Mobilisierungswellen der neuen sozialen Bewegungen wäre ein solches Beispiel. Eine zweite kontextuelle Voraussetzung sind die "Aktionsrepertoires", die für die Mobilisierung kollektiven Handelns herangezogen werden. Vom Charivari über Hungerunruhen bis hin zum Streik hat sich dieses Aktionsrepertoire entwickelt. Tilly spricht von einer Entwicklungslinie weg von "konkurrierenden" und "reaktiven" hin zu "proaktiven" Aktionsformen. Konkurrierende Aktionsformen sind solche, die ein altes Recht gegenüber neuem Recht geltend zu machen suchen. Es sind Aktionsformen, die eine Lebenswelt gegenüber Übergriffen von Staat und ökonomischer Herrrschaft zu sichern suchen (etwa die Verteidugung bäuerlicher oder mittelständischer Lebensformen in der frühen Neuzeit). Reaktiv sind vor allem Aktionsformen gegen Ausbeutung und Unterdrückung, und hier sind das wichtigste Beispiel die frühen proletarischen Aktionsformen. Prokativ sind dann solche, die eine neue Ordnung durchzusetzen suchen, die bürgerliche Gesellschaft, die sozialistische Gesellschaft usw. Diese Untersuchungen konstatieren aber nur das Ergebnis eines Mobilisierungsprozesses. Sie machen nicht den Prozeß klar, der zur Durchsetzung eines bestimmten Typus von Aktion führt. Der Schluß von sozialstrukturellen und kulturellen Merkmalen auf Aktionsfähigkeiten (etwa der Art: traditionale Gesellschaft = nicht-proaktive Form) beruht auf impliziten Annahmen über die Lernfähigkeit solcher Gruppen. Der notwendige theoretische Schritt besteht also dann darin, solche Lernprozesse analytisch zu fassen. Dies könnte auch eine Lösung eines zentralen Problems der Erklärung der neuen sozialen Bewegungen liefern, die sich ja dadurch auszeichnen, daß in ihnen das gesamte Aktionsrepertoire benutzt wird. 37 Die Aktionsformen der neuen sozialen Bewegungen stellen letztlich 37 Der Streit darum, ob die neuen sozialen Bewegungen eher symbolisch/fluide oder hochorganisierte und formal-rationale Gebilde, ob sie konservativ (die Lebenswelt verteidigend) oder progressiv (das System in Frage stellend) sind, ob sie Kontinuitäten oder Diskontinuitäten mit der Moderne indizieren, erscheint dann in einem 30 keinen neuen Typus mehr dar. Sie gebrauchen vielmehr je nach Situation jede dieser Formen. Sie verhalten sich "reflexiv" zu diesen Aktionsformen. Es entsteht ein reflexiver Umgang mit dem historisch entwickelten Aktionsrepertoire. Und dies ließe sich mit einem lerntheoretischen Ansatz am angemessensten fassen. Ein dritter Mechanismus der Mobilisierung von kollektivem Handeln und Protest ist die Natur der strittigen "kollektiven Güter". Hirschman hat darauf hingewiesen, daß Mobilisierbarkeit von der Natur der zu erstellenden kollektiven Güter abhängt. Je mehr Ausweichmöglichkeiten ein kollektives Problem läßt (sei es durch Mobilität, sei es durch Migration - innere wie äußere!), umso schwieriger ist die Mobilisierung kollektiven Protests (so ließe erklären, warum es in den USA keinen Sozialismus gibt: das "exiting" in den Wilden Westen ist eine jedem offenstehende Alternative gewesen!). Erst wenn die Natur der Kollektivgüter kein "exiting" mehr zuläßt, dann verändern sich die objektiven Bedingungen für die Genese und Folgen kollektiven Handelns und Protests. Ein aktuelles Beispiel ist die "Naturfrage", die kollektiven Güter "sauberes Wasser" oder "saubere Luft", Güter, deren Nichtverfügbarkeit für alle gleichermaßen folgenreich ist. 38 Dieses Argument setzt voraus, daß kollektive Güter auch als solche wahrgenommen werden. Es bedarf über die bloße Sichtbarkeit und Erfahrbarkeit einer symbolisch vermittelten Erfahrung einer kollektiven Repräsentationsarbeit, die kollektive Probleme sichtbar macht. Das zwingt gerade die neuen Protestformen zu mehr "Reflexivität": Es geht nicht mehr um die Kalkulation von Kosten/Vorteilen, sondern um die Definition von Kosten/Vorteilen. Was der kollektive Schaden ist, läßt sich nicht mehr problemlos objektivieren; dies wird vielmehr selbst von kollektiven Definitionsprozessen abhängig, und damit von der Mobilisierung kollektiver Handlungen und von Auseinandersetzungen solcherart konstituierter kollektiver Akteure. 39 anderen Licht. Die verschiedenen Erklärungsansätze stellen sich vor diesem Hintergrund als partielle Beschreibungen dar, die das wesentliche Moment, die Reflexivität, nicht erfassen. 38 Hier ist die Bedeutung der kultursoziologisch ansetzenden Risikodiskussion zu suchen. Generell dazu Douglas & Wildavsky (1982) und Beck (1986). Allerdings ist die empirische Basis für solche theoretischen Annahmen bislang noch recht dünn. 39 Das setzt die Rekonstruktion öffentlicher Definitionsprozesse voraus, ein Thema, das empirisch durch die Konzentration politischer Kulturforschung auf Umfrageforschung versperrt gewesen ist. Hier wären Ansatzpunkte für eine erneuerte Forschung über politische Öffentlichkeit zu suchen. 31 4.3. Die Strategiefrage Die beiden genannten Paradigmata, das Paradigma des kollektiven Lernens und das der Ressourcenmobilisierung, formulieren die zwei theoretischen Bezugspunkte für ein in der Mobilisierung kollektiver Aktionen emergierendes Problem: das klassische Strategieproblem. Das Paradigma der Ressourcenmobilisierung betont einmal die Rolle der professionellen Symbolproduktion für die Entstehung von kollektiven Identitäten wie die Rolle von professionell gehandhabten Organisationsressourcen. Damit wird das "Mesoproblem" des Verhältnisses von Basis und Aktivisten thematisch. Die beiden Extremvarianten wären soziale Kontrolle (durch formale Organisationen) und Leninismus (durch stellvertetende Identitätsarbeit). Die hierin angelegte Problematik des Verhältnisses von Mobilisierern und Mobilisierten verschärft das bereits auf der Mikroebene identifizierte "Machtproblem". Die Gegenüberstellung der Perspektiven der Ressourcenmobilisierung und des kollektiven Lernens hat auf den Hiatus von Begründen und Entscheiden aufmerksam gemacht. Es entsteht das "Strategieproblem" und mit dem Strategieproblem das Problem, daß es keine prinzipiellen Lösungen für die Angemessenheit von kollektivem Handeln gibt. Kollektives Handeln ist auf Gedeih und Verderb kontextabhängig. Das eröffnet Freiheitspielräume - und vor allem Freiheitsspielräume für die Entstehung institutioneller Macht. 40 Wenn wir die aktuellen Bewegungen beobachten, dann scheint ihre Existenz von diesem Problem geradezu dominiert. Dieses Problem wird verstärkt durch die Entstehung des professionellen politischen Arbeiters. Dieser neue Typus des professionellen politischen Arbeiters sorgt für die Institutionalisierung von kollektivem Protesthandeln. Dabei entwickelt sich ein neuartiger Typus von institutionellen Spielregeln, die auch noch über das Modell des Korporatismus hinausgehen, nämlich ein System informeller Verhandlungssysteme und informeller Schlichtungsprozeduren, das in der Lage ist, flexibler auf die - wegen der Intensivierung des Mobilisierungspotentials in fortgeschrittenen Industriegesellschaften wechselnden - Kräftverhältnisse in der Gesellschaft zu reagieren. 41 40 Die Einbindung mobilisierter kollektiver Akteure in ein institutionelles System ist bislang nur selten versucht worden. Nedelmann etwa hat die neuen sozialen Bewegungen als intermediäre Gruppen mit emergenten Systemeffekten beschrieben (1984). Eher empirisch orientiert sind Versuche, den Zusammenhang von Reformzyklen in der Gesetzgebung und Mobilisierungswellen herzustellen (Tarrow, 1982). 41 Die damit verbundenen rechtssoziologischen Implikationen sind bereits genannt worden. 32 Die Professionalisierung der politischen Arbeit wird durch die Entwicklung der Kommunikationschancen in modernen Gesellschaften begünstigt. Ein wichtiger Mechanismus in der Mobilisierung kollektiver Aktionen ist die media coverage. 42 Diese wird umso bedeutender, je weniger Erfahrung sich der unmittelbaren Erfahrung verdankt. So werden Umweltschäden im brasilianischen Urwald erst durch mediale Vermittlung sichtbar, Strahlendosen erst durch öffentliche Bekanntmachung im Bewußtsein verankert. Bewegungserfolge werden also zunehmend von "mass media coverage" abhängig. Erfolg und Mißerfolg sozialer Bewegungen sind Ergebnis auch von medial gesteuerten Themenkonjunkturen. Das macht aber auch das Prekäre dieser Bewegungsform aus: Sobald die Medien sich anderen Themen zuwenden, ist die Bewegung oft am Ende. Darin liegt die Möglichkeit institutioneller Macht begründet. Wer Aufmerksamkeit mobilisieren kann, der wird im Wettlauf der Mobilisierungsaktivitäten gewinnen. 43 Dieses Phänomen drückt sich vor allem im Phänomen moderner "Gegenbewegungen" aus, also in jenen Gruppen, die gegen soziale Bewegungen zu mobilisieren versuchen. Ein charakteristisches Beispiel ist die pro-life-Bewegung, die gegen die pro-choice-Bewegung in Sachen Abtreibung mobilisiert hat (McCarthy 1987). Der eher klassische Fall ist der Kampf um Macht und Einfluß etablierter kollektiver Akteure (Parteien, Verbände etc.) gegen die "newcomer". In jedem Fall entsteht ein Folgeproblem der Mobilisierung kollektiver Aktionen: die Intensivierung der Auseinandersetzung um die Verfügung über institutionelle Macht. 4.4. Zusammenfassung Das Problem der Mobilisierung kollektiver Aktionen über bloße Konsensusmobilisierung hinaus ist nicht mehr im Rahmen von Theorien der Mobilisierung organisatorischer oder symbolischer Ressourcen zureichend formulierbar. Eine Theorie kollektiver Lernprozesse, die am Problem des Widerspruchs von Begründungs- und Entscheidungszwang ansetzen und dieses aufzulösen versuchen, ist ein erster Schritt über die Grenzen des Ressourcenparadigmas hinaus. Ein weiterer Schritt auf der Mesoebene der Analyse kollektiven Handelns ist die Einführung des institutionellen Rahmens als Kontext der Mobilisierung 42 Zur neueren Literatur vgl. Gamson & Modigliani (1989), Kielbowicz & Scherer (1986), Strodthoff & Hawkins & Schoenfeld (1985), Zald (1988). Der klassische Beitrag ist Gitlin (1980). 43 Zur Wirksamkeit von Medien in der Konstitution sozialer Bewegungen ist nicht viel geforscht worden. Zu einigen Ansätzen vgl. Leahy & Mazur (1980) oder Kielbowicz & Scherer (1986). 33 kolletiver Aktionen. Diese Kontextualisierung richtet den Blick systematisch auf einen Aspekt kollektiven Lernens, der in den Lerntheorien ausgespart bleibt: nämlich jene Lernprozesse, in denen die "Strategiefrage" gestellt und diskutiert wird, Lernprozesse also, in denen es um Macht und nicht um gute Gründe oder individuelle Vorteile geht. Es ist dieser machtorientierte Kommunikationszusammenhang, der die Wahrscheinlichkeit sozialer Bewegung in der sich modernisierenden modernen Gesellschaft erhöht. Es könnte nun scheinen, als ob die Mobilisierung kollektiver Aktionen nur eine Variante institutionellen kollektiven Handelns ist, daß diese Phänomene nur eine Variante kollektiver Akteure sind, die im institutionellen System einer Gesellschaft um Macht und Anerkennung kämpfen. Doch dies würde den besonderen Charakter jener Formen kollektiver Aktionen verkennen, die wir als "neue soziale Bewegungen" bezeichnen. Wir müssen von der Gleichsetzung von mobilisierten kollektiven Akteuren und sozialer Bewegung weggehen. Wir müssen uns darauf einlassen, daß einige dieser kollektiven Akteure ihr Handeln für historisch folgenreich halten und sich soziale Bewegung nennen. Ohne diese Selbstzuschreibung bleibt kollektives Handeln institutionell gebundenes Handeln. Die Mikro- und die Mesoebene beschreiben nur die Voraussetzungen für das Entstehen eines solchen historischen Handelns. Erst auf der Makroebene gesellschaftlicher Konflikte, gesellschaftlicher Lernprozesse und sozialer Klassenstrukturen entscheidet es sich, ob und in welcher Weise wir es mit sozialen Bewegungen zu tun haben. 5. Zur Makroebene: Die Mobilisierung von Praxis Was unterscheidet aber dann eine soziale Bewegung von kollektiven Akteuren? Mit dieser Frage bewegen wir uns auf der analytischen Ebene, die ich oben Makroebene genannt habe. Die entscheidende Frage ist: Wie und unter welchen Bedingungen transzendiert mobilisiertes kollektives Handeln die Ebene der Mobilisierung kollektiver Aktionen? Und inwieweit werden diese kollektiven Aktionen dadurch verändert? In einem Wort: Wie wird aus kollektiven Aktionen "Praxis" im emphatischen Sinne dieses Wortes? 44 44 Dieser emphatische Praxisbegriff schließt sowohl an philosophische Traditionen (Hannah Arendt) wie an soziologische Theorieansätze an (Giddens, 1984; Bourdieu, 1987). Eine Diskussion findet sich in Eder (1988). 34 Die Herausbildung von Praxis und die damit stattfindende Transzendierung der institutionellen Grenzen kollektiven Handelns läßt sich an drei Fragenkomplexen erläutern: - an der Frage nach der Konfliktualisierung sozialer Ordnungen, - an der Frage gesellschaftlicher Lernprozesse und - an der Klassenfrage. Diese Aspekte betreffen einmal die soziale, die sachliche und die zeitliche Dimension einer Theorie sozialen Wandels. Sie sind Voraussetzung für die Transzendierung der institutionellen Grenzen kollektiven Handelns. Der klassische Begriff der politisch-philosophischen Tradition dafür heißt "Öffentlichkeit". Kollektives Handeln in der "Öffentlichkeit" orientiert sich an der Entwicklungslogik der Modernisierung, ist "historisches Handeln" (Touraine) - und das soll ein engerer Begriff der "sozialen Bewegung" anzeigen. 45 5.1. Die Konfliktualisierung sozialer Beziehungen Mit der Einbindung kollektiven Handelns in das institutionelle System verändert sich das soziale Feld, in dem soziale Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Es kommt zur Konfliktualisierung von issues, zur Entstaatlichung der Gesellschaft (Hegedus, 1987). Soziale Ordnung verliert damit ihren realen Garanten, den Staat. An dessen Stelle tritt ein fluides Feld konfliktueller kommunikativer Strukturen, durch die hindurch sich Gesellchaft reproduziert. Das Monopol des Staates auf die Lösung des Ordnungsproblems zerfällt. An dessen Stelle rückt eine soziale Struktur, die seit dem Beginn der modernen Gesellschaft zur zentralen regulativen Idee geworden ist: die Idee eines öffentlichen Raumes, die Idee einer politischen Öffentlichkeit. Die theoretische Beschreibung dieses öffentlichen Raumes kennt zwei Varianten, die das theoretische Schisma reproduzieren, das sich bereits auf der Mikroebene und der Mesoebene gezeigt hat. Die eine Variante erklärt die Entstehung und Reproduktion des öffentlichen Raumes aus den strategischen 45 Allerdings ist der Gebrauch des Begriffs soziale Bewegung derart inflationiert, daß begriffliche Festlegungen sinnlos werden. Es bleibt nur übrig, soziale Bewegungen in einem "engeren" und einem "weiteren Sinne" zu unterscheiden. Bewegungen in einem engeren Sinne wären dann kollektive Handlungen, deren "objektive Bedeutung" in der Konfliktualisierung institutioneller Spielregeln liegt. Soziale Bewegung in einem weiten Sinne wären dann - das wäre das mögliche Extrem - alle Formen kollektiven Handelns. Dies ist eine Reformulierung einiger Tourainescher Gedankengänge. Vgl. vor allem Touraine (1973, 1978). 35 Koalitionen und Schachzügen der beteiligten Klassen/Gruppen bzw. deren mobilisierter Avantgarde. Dies kennzeichnet die jüngeren spieltheoretischen Reformulierungen von Marx (Elster 1985). Die andere Variante erklärt die Entstehung und Reproduktion des öffentlichen Raumes aus der moralischen Verfasssung der bürgerlichen Gesellschaft, als moralischen Zwang einer spezifischen Gesellschaftsformation. Dies ist der Gegenstand der kommunikationstheoretischen Rekonstruktion von Marx (Habermas 1962, 1976). Elster (1985) hat auf die Bedeutung von Klassenkoalitionen für die Entstehung von kollektivem Protesthandeln im 19. Jahrhundert hingewiesen und dieses dann im Rahmen von rational-choiceAnnahmen reformuliert. Es ist kein Zufall, daß Elster Klassenkoalitionen zum Anwendungsfall dieser Theorien macht. Denn Klassenkoalitionen verweisen auf Bedingungen der Mobilisierung kollektiven Handelns der Arbeiterklasse, die unabhängig von klassenkulturellen Voraussetzungen sind. Das legt die Überlegung nahe, inwieweit dieser von subkulturellen Grundlagen unabhängige Mechanismus der Mobilisierung kollektiven Handelns mit zunehmender Modernisierung zum primären Mechanismus der Mobilisierung kollektiven Handelns wird. Doch diese Klassenkoalitionen haben sich mit der Entwicklung der modernen Klassenstrukturen aufgebraucht. Sie sind ein Phänomen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts - und als solche bereits Zeichen von sich ändernden Klassenstrukturen. Das entwertet nicht diese Perspektive - im Gegenteil. Denn auch die neuen Mittelklassen sind als "Klassenfraktionen" genügend unterschiedlich, um von "Koalitionen" zwischen Klassenfraktionen sprechen zu können. 46 Diese Situationen erzeugen einen öffentlichen Raum, der durch die strategischen Züge der Beteiligten eröffnet wird. Die Konfliktualisierung von Themen und Programmen erfolgt nicht über Inhalte, sondern über Konkurrenzeffekte. Und je mehr soziale Gruppen sich an dieser Konkurrenz um die Definition von relevanten Themen beteiligen, umso mehr wird der öffentliche Raum ausgedehnt. Dieser Effekt ist eine Gegenbewegung zu jenem Prozeß, den Max Weber als formale Rationalisierung in Richtung auf ein ehernes Gehäuse (also einen geschlossenen öffentlichen Raum) beschrieben hat. Die dazu alternative Konzeptualisierung des öffentlichen Raums hat mit der aristotelischen politischphilosophischen Tradition zu tun. Der öffentliche Raum wird als derjenige Ort gesehen, wo Menschen durch Diskussion zu einer von diesen gemeinsam getragenen Entscheidung kommen. Diese "regulative Idee" durchzieht die Habermassche Idee einer "politischen Öffentlichkeit" (Habermas 1962). Die 46 Dazu einige Vorschläge in Eder (1989), wo ich die Bourdieuschen Konzepte der Mittelklassen benutze, um die klassenstrukturellen Voraussetzungen des aktuellen Protesthandelns zu erklären. 36 Teilnahme freier und gleicher Menschen an der öffentlichen Diskussion erzeugt jenen öffentlichen Raum, der die demokratische Kontrolle systemischer Prozesse ermöglicht. Partizipation an öffentlicher Diskussion wird damit die Bedingung der Möglichkeit politischer und sozialer Autonomie, von demokratischer Selbstbestimmung. Dieses Modell sieht soziale Bewegungen primär unter partizipatorischen Gesichtspunkten. Sie sind Mechanismen der Ausdehnung des öffentlichen Raumes. Doch hinter dieser partizipatorischen Form gibt es noch ein "letztes" Ziel, einen immanenten Zweck: Öffentlichkeit ist konzipiert als ein Mechanismus individueller Bildungsprozesse. Der Zweck von Partizipation ist "empowerment", ist die Herstellung individueller Autonomie. Diese Idee ist aber selbst eine historisch spezifische. Sie hat die politische Aufklärung motiviert. Sie steht am Beginn der politischen Moderne. Doch diese Idee erweist sich als unzureichend, die Pathogenese politischer Modernität (Eder 1985) zu fassen. Sie postuliert nur Autonomie und Emanzipation, ohne die Möglichkeiten des Gegenteils als real mögliche theoretisch ins Blickfeld zu rücken. 47 Ebensowenig, wie wir davon ausgehen können, daß konsequent strategisch-rationales Handeln eine emergente Rationalität (etwa die des Marktes) hervorbringt, ebensowenig können wir davon ausgehen, daß die Verfolgung des Ziels "Autonomie und Emanzipation" eine emergente Rationalität im Sinne kommunikativer (oder partizipatorischer) Rationalität hervorbringt. Damit erweist sich diese Konzeption des öffentlichen Raumes in beiden Modellen, dem spieltheoretischen wie dem kommunikationstheoretischen, als ein theoretischer Zugang, der die emergenten Effekte individueller Zielvorstellungen unterschätzt. Beide Positionen teilen individualistische Grundannahmen, die ihren soziologischen Gehalt zumindest partiell in Frage stellen. Was ihnen entgeht, ist die Eingebundenheit individueller Handlungen in sozial geformte und genormte Formen gesellschaftlicher Praxis. Keine individuelle Handlung läßt sich verstehen außerhalb der Form kollektiven Handelns, von der sie - intendiert oder nicht - ein Teil ist. Wir alle handeln als Individuen immer im Kontext eines zumindest latenten kollektiven Handlungszusammenhangs. Mobilisiertes kollektives Handeln ist dann nur eine spezielle Form, nämlich jene, in der dieser kollektive Handlungszusammenhang bewußt gemacht ist. Eine Theorie sozialer Bewegungen läßt sich dann systematisch in einer Theorie des 47 Das bedeutet nicht, solche Zielvorstellungen für moralisch unangemessen zu halten. Doch als Soziologe kann ich soziale Gruppen analysieren, die dieses Ziel hochhalten - was auch für die eigenen moralischen Urteile gilt; denn auch der Soziologe ist Mitglied einer sozialen Gruppe - und dann danach fragen, wie diese Zielvorstellungen im Reproduktionsprozeß einer Gesellschaft in Abhängigkeit von sozialer Position und Disposition einer sozialen Gruppe wirken. Das ist letztlich auch das methodologische Selbstreflexionsprogramm der Bourdieuschen Soziologie. Siehe dazu Bourdieu (1984). 37 öffentlichen Raums, der Öffentlichkeit, verankern: Soziale Bewegungen sind nicht bloße kausale Bedingung für Öffentlichkeit; sie sind deren konstitutives Element. Der beiden Theorietraditionen implizite Individualismus kann aber kollektivem Handeln einen nur negativen Sinn geben. Diese Abneigung verrät bereits die Sprache dieser Theorie: Kollektivismus ist das Schimpfwort, das dem Begriff Individualismus entgegengesetzt wird. Dieser Individualismus ist aber soziologisch gesehen - ein Euphemismus. Eine soziale Praxis, sei sie alltägliche einregulierte Praxis oder mobilisiertes kollektives Handeln, sozialer Protest, kann zwar ein Mittel zur individuellen Selbstverwirklichung oder individuellen Interessenmaximierung sein. Doch es muß nicht diese Wirkungen haben - solche Ziele können auch gegen ihren Sinn verwendet werden. Wenn man aber die sozialen Gebrauchsweisen solcher Ziele selbst noch theoretisch kontrollieren will, muß man eine Theorie kollektiven Handelns entwickeln, die sich weder auf Struktureffekte noch auf individuelle Handlungsziele reduziert. Eine solche Theorie kollektiven Handelns wird umso wichtiger, je mehr kollektives Handeln in der "Kommunikationsgesellschaft" zum Produzenten eben dieser Gesellschaft wird. Soziale Bewegungen in der "Kommunikationsgesellschaft" werden damit zum Schlüssel gesellschaftlicher Lernprozesse - und dabei kann die Wertung empirisch offenbleiben: ob sie nun bloßer kommunikativer Lärm oder Mechanismen gesellschaftlicher Lernprozesse sind. 5.2. Gesellschaftliche Lernprozesse? Mit der Anerkennung einer steigenden Bedeutung nicht-individueller und zugleich subkulturell unspezifischer Aktions- und Protestformen muß auch das Verhältnis von sozialer Bewegung und gesellschaftlicher Entwicklung neu gedacht werden. 48 Wir müssen vor allem die Idee unilinearer Entwicklungen aufgeben, wie sie die bürgerliche und die Arbeiterbewegung noch vor Augen hatte. Keine soziale Bewegung kann sich heute mehr an die Stelle des alleinigen historischen Akteurs setzen. Wir müssen vielmehr die Idee konkurrierender historischer Akteure, konkurrierender sozialer Bewegungen ernst nehmen und theoretisch auf den Begriff bringen. 48 Diese Idee findet sich in zahlreichen theoretischen Versuchen über soziale Bewegungen, ohne jedoch bislang zu befriedigenden theoretischen Modellen geführt zu haben. Zu dieser Diskussion zunächst Touraine (1973, 1978) als Klassiker. Dann Japp (1986), Eder (1986) und die dort zitierte Literatur. 38 Das impliziert eine Kritik an den klassischen Rationalmodellen in der Analyse sozialer Bewegungen. Diese Modelle beruhen darauf, daß der gesellschaftliche Entwicklungsprozeß und die Lernprozesse sozialer Bewegungen identisch gesetzt werden. Die bürgerliche Bewegung verstand sich - ebenso wie die Arbeiterbewegung - als ein Lernprozeß, der uno actu der Lernprozeß der Gesellschaft war. In dem Maße, wie die Evolution der Mittelklassengesellschaft 49 zur Korrektur des alten Solidaritätsmodell zwingt, zwingt sie auch zur Herstellung (neuer) moralischer Grundlagen kollektiven Handelns. Das macht verständlich, warum soviel Moral in der Selbstbeschreibung kollektiven Handelns in den modernen sozialen Bewegungen notwendig ist. Damit entsteht auch ein neuer evolutionärer Mechanismus: Die Moral wird notwendig Auslöser von sozialem Wandel -das ist evolutionär neu und erklärt die Bedeutung von Moraltheorien. Das macht auch die zentrale Bedeutung eines Konzepts kollektiver moralischer Lernprozesse deutlich. Solche moralischen Lernprozesse sind dadurch ausgezeichnet, daß sie, sobald sie über die Eindeutigkeit individueller Nutzenentscheidungen hinausgehen, die Frage der Angemessenheit moralischer Gesichtspunkte (einschließlich der utilitarischen!) auf empirische Probleme thematisieren. Und darüber läßt sich prinzipiell endlos streiten. Solche Lernprozesse lassen sich leicht ab- bzw. unterbrechen, fortführen usw. Der von solchen Lernprozessen abhängige Evolutionsprozeß verliert seine Eindeutigkeit; statt eine Richtung zu haben, erscheint er als ein mäandernder Prozeß. Diese Evolutionsperspektive erlaubt es, das Trichtermodell der Evolution zu korrigieren. Evolution ist nicht mehr in der Richtung determinierte Durchsetzung von evolutionär eröffneten Möglichkeiten. Evolution ist ein zyklischer Prozeß, legt ein Zyklenmodell gesellschaftlicher Entwicklung nahe. Damit ist eine neue Bewegungsperspektive verbunden. Bewegung ist unabhängig von Evolution zu konzipieren. Bewegungen folgen einer nicht-evolutionären Logik. Sie sind Ergebnis von Variablen wie Heterogenität der Gruppe, no-exit-Situation, Grad der Ausbildung formaler Bewegungsorganisationen oder Ausmaß symbolischer Identifikationschancen. Je nachdem, wie sich diese Elemente verteilen, ändern sich Charakter, Interessenorientierung und Relevanz im System kollektiver Auseinandersetzung um die Definition und die Durchsetzung kollektiver Interessen. Gesellschaftliche Entwicklung ist dann zu sehen als das Ergebnis von Auseinandersetzungen zwischen kollektiven Akteuren, die um die 49 Zum Zusammenhang von Mittelklassengesellschaft und sozialer Bewegung vgl. meinen Beitrag zu Eder (1989). Historische Analysen über den scheiternden Zusammenhang von Mittelklasse und sozialer Bewegung findet sich vor allem in der Literatur zum Kleinbürgertum als einer politisch scheiternden Klasse. Vgl. dazu etwa die historischen Arbeiten von Haupt (1978, 1985). 39 Richtung von evolutionären Prozessen miteinander streiten (Touraine, 1973). Auf der institutionellen Ebene geht es nicht mehr nur um "extension of citizenship rights", sondern um "conquest of citizenship rights". Akteure sind das Medium von Veränderungen, und es hängt von den Auseinandersetzungen organisierter kollektiver Akteure ab, in welche Richtung diese Veränderungen gehen. 5.3. Die Klassenfrage Eine gängige These in der Diskussion der neuen sozialen Bewegungen lautet, daß die Entwicklung der historischen Bedingungen der Mobilisierung kollektiven Handelns zur tendentiellen Autonomisierung von Mobilisierungsprozessen von sozialstrukturellen Vorgaben führt. In dem Maße, wie sich soziale Bewegungen als sozialstrukturell entkoppelte und freigesetzte Kommunikationszusammenhänge konstituieren, werden -so diese These - die "Präferenzstrukturen sozialen Wandels" 50 nach einer eigenen Logik in kollektive Handlungen übersetzt. Doch diese Annahme leugnet den offensichtlichen Klassenkontext sozialer Bewegungen. Das Mißverständnis dieser Annahme besteht darin, daß ein theoretisches Problem durch die Behauptung einer verlorengegangenen Klassenlage zum Verschwinden gebracht wird. Das theoretische Problem betrifft den Beitrag der Klassentheorie zur Konstitution kollektiven Handelns, also das klassische Marxsche Problem des Übergangs von Klassenlage und Klassenhandeln. Lockwood (1981) spricht hier von der "weakest chain" der Marxschen Theorie. Klassengegensätze werden - unter bestimmten Bedingungen -in Klassenauseinandersetzungen und damit in kollektive Handlungen transformiert. Insofern spielt die Klassenstruktur eine wichtige kontextuelle Rolle. Allerdings erklärt sie nicht das kollektive Handeln, sondern nur restriktive Bedingungen für dessen Auftreten. Das vermittelnde Moment zwischen Klassenlage und Klassenhandeln ist der öffentliche Raum. Doch dieser öffentliche Raum ist selbst klassenspezifisch strukturiert - und hier liegt das zentrale Problem einer Theorie der Praxis. Zur Öffentlichkeit zählen die je unterschiedlichen Formtypen von öffentlicher Kommunikation, die sich klassenspezifisch, regionalspezifisch usw. historisch herausgebildet haben. Die Rede von Gegenöffentlichkeit ist in diesem Sinne tautologisch; denn dies bezeichnet nur die Öffentlichkeitsform einer spezifischen Gruppe, die sich im Gesamt "Öffentlichkeit" zu Gehör bringen will (und sei es dadurch, daß sie sich selbst als prinzipiell anders, als authentischer als die anderen Formen von Öffentlichkeit bezeichnet). Das Entstehen einer politischen Öffentlichkeit ist abhängig von 50 Dies ist die von McCarthy & Zald vorgeschlagene Definition einer sozialen Bewegung. 40 Netzwerken, die Kommunikationschancen bieten - und diese Netzwerke sind ihrerseits in Klassenlagen verankert ("Klassenkulturen"). Die Evolution der modernen Gesellschaft verändert traditionale Klassengrenzen und löst traditionale Klassenkulturen auf. Man hat diesen Prozeß als "Individualisierungsprozeß" beschrieben, was nur in einer negativen Hinsicht treffend ist: im Sinne einer Auflösung traditionaler Strukturen. Das schließt aber nicht aus, daß es weiterhin zu Strukturierungen kommt - im Gegenteil: Ohne Strukturierung entstünde nichts anderes als Anomie. Es kommt also darauf an, die spezifischen Effekte der Auflösung traditionaler Strukturen zu beschreiben und die sich daraus ergebenden Strukturierungseffekte zu identifizieren. Prozesse kollektiver Mobilisierung, die subkulturell unspezifisch sind, führen zu kollektiven Aktionen, die man als genuin "klassenspezifisch" bezeichnen kann. Denn dieser Begriff signalisiert ja eine kollektive Betroffenheit, die nicht kulturell zugeschrieben, sondern kollektiv "erworben" ist, als eine klassenspezifische definiert worden ist. In diesem Sinne tragen die modernen Formen der Mobilisierung kollektiven Handelns zur Durchsetzung von subkulturell unspezifischer, zugleich aber auch nicht bloß individueller Aktionsformen bei. Es ist gerade dieser Typus von Aktion, dessen kollektive Form mit dem abstrakten Begriff des klassenspezifischen Handelns auf den Begriff gebracht werden kann. 5.4. Zusammenfassung Die Makrobedeutung kollektiven Handelns erschließt sich im Rückgriff auf eine Kategorie, die zu den klassischen sozialen Formen moderner Vergesellschaftung gehört: nämlich die Kategorie der Öffentlichkeit. Die neuen sozialen Bewegungen machen gerade deutlich, welche Bedeutung der öffentliche Raum für die Reproduktion der modernen Gesellschaft hat. Die gezielten Normverletzungen, Gegenexpertisen und die Bereitstellung identifikationsfähiger Symbole durch den Einsatz der Massenmedien machen den öffentlichen Raum in normativer, kognitiver wie affektiver Hinsicht zum Zentrum der Gesellschaft jenseits der funktionalen Differenzierung seiner Teilsysteme. Der öffentliche Raum "moralisiert" Streitfragen, und das bedeutet, daß man über alles sprechen kann, daß kein Teilsystem sich einer moralischen Orientierung entziehen kann (am wenigsten das Wirtschaftssystem, das nicht nur in die Pflicht genommen wird, sondern auch sich selbst zu moralisieren sucht!). 41 Die Erweiterung des öffentlichen Raums führt zu einer Steigerung des Tempos gesellschaftlicher Lernprozesse. Gerade dafür aber sind systemtheoretische und handlungstheoretische Konzeptionen unzureichend. Die Theorie gesellschaftlicher Lernprozesse kann dieser Temposteigerung zumindest auf der Spur bleiben. Sie darf aber nicht aus dem Auge verlieren, daß diese Lernprozesse weitgehende soziale Voraussetzungen haben. Auf einer Makroebene heißt das, gesellschaftliche Lernprozesse in Klassenlagen und daraus resultierenden Klassenkonflikten zu verorten. Das wird zwar nicht mehr im Rahmen überlieferter Klassenmodelle gehen. Doch nichts sollte daran hindern, angemessene Klassenmodelle der gesellschaftlichen Realität moderner Gesellschaften zu konstruieren und als Kontext aktueller sozialer Bewegungen in die Theorie dieser Bewegungen einzubauen (Parkin 1968, Offe 1985, Vester 1989, Eder 1989). 6. Theoretische Schlußfolgerungen Das Auftreten von sozialen Bewegungen in hochentwickelten modernen Gesellschaften zwingt dazu, die Perspektive sozialer Bewegung ins Zentrum der theoretischen Bemühungen um eine angemessene theoretische Beschreibung dieser Gesellschaft zu stellen. Die vorgeschlagene theoretische Konzeptualisierung der objektiven Bedeutung kollektiven Handelns im Prozeß der Modernisierung der modernen Gesellschaft läßt sich in folgenden Punkten zusammenfassen: 1. Die Selbstverständlichkeit einer gemeinsam geteilten Kultur wird zunehmend in Frage gestellt; gemeinsam geteilte Werte erscheinen zunehmend als eine brüchige Grundlage der Reproduktion moderner Gesellschaften. Das erklärt, warum in der Theorie das Heil im Rückzug auf individuelle Motive gesucht wird. Die mikrosoziologischen Annahmen rationalen Handelns reagieren im besonderen darauf. Die Geltung dieser Theorien beruht also gerade darauf, daß ihre empirischen Voraussetzungen in fortgeschrittenen Gesellschaften in dieser Form entstanden sind. Dieser neuartige Rationalitätstypus kollektiven Handelns macht die traditionellen Modelle gesellschaftlicher Ordnung obsolet. 2. Damit sind Mobilisierungsbedingungen für kollektives Handeln gegeben, in denen free rider Phänomene wahrscheinlicher werden, in denen aber auch soviel Heterogenität erzeugt wird, daß die kritische Masse für Mobilisierung leichter erreicht wird. Je heterogener die Gesellschaft, umso kleiner können die Gruppen sein, um eine "kritische Masse" für kollektives Handeln zu erreichen. Das spricht gegen die 42 klassische (für die Arbeiterbewegung typische) Annahme, daß es die Masse macht ("Nur gemeinsam sind wir stark!"). Die Pluralisierung von Bewegungen in fortgeschrittenen Industriegesellschaften läßt sich aus dieser wachsenden Heterogenität wohl besser erklären als aus der Differenzierung der issues. (Gegenprobe: Hat nicht auch die Arbeiterbewegung alle issues von den Frauen über die Arbeitsbedingungen bis hin zum Kommuneexperiment auch zum Thema gemacht und gehabt?!). 3. Die Reflexivität der modernen Kultur (und ihre dauernde sozialwissenschaftliche Thematisierung wie hier vorgeführt) läßt auch das kollektive Handeln nicht unberührt. Soziale Bewegungen lassen sich nicht mehr objektivistisch als "Ablaufmodelle" beschreiben, wie das für die traditionalen sozialen Bewegungen möglich war. Es gibt keinen Lebenszyklus, kein Auf und Ab, das der Natur der Dinge entspricht. Es gibt nur mehr Erfolg oder Mißerfolg. Diese aber bemessen sich an einem doppelten Standard: am Maß der strategischen Durchsetzung wie am Maß der akkumulierten Erfahrung und Selbsterfahrung. Das legt nahe, den Prozeßcharakter sozialer Bewegung als einen kollektiven Lernprozeß zu beschreiben. Diese Konzeptualisierung dynamisiert das vorgeschlagene Erklärungsmodell - und ist zugleich der Reflexivität der Beschreibung und Erklärung moderner Vergesellschaftungsformen adäquat. 4. Jenseits der voluntaristischen Handlungstheorie von Parsons bis Habermas erlaubt eine Theorie des kollektiven Handelns - samt ihrer meso- wie makrosoziologischen Erweiterungen - eine neue Lösung des Problems des Verhältnisses von Struktur und Handlung. Sie erlaubt, die emergenten Eigenschaften von Zusammenhandeln als Struktureffekte zu beschreiben und diese Struktureffekte selbst wieder als Bedingungen für weiteres Zusammenhandeln zu erklären. Die entstehende Mittelklassengesellschaft macht - dank ihrer "Individualisierungseffekte" - jene Mechanismen sichtbar, die es erlauben, dieses theoretische Paradox zu lösen. 5. Soziale Bewegungen sind nicht mehr bloße Reaktionen auf Modernisierungskrisen. Das gilt vielleicht noch für die bürgerliche Gesellschaft und die ihr nachfolgende Arbeitsgesellschaft. Mit dem Ende beider Formen moderner Vergesellschaftung entsteht die Organisationsgesellschaft. Organisiert wird die Arbeit wie die Kultur, die Politik, die soziale Bewegung. Sie erlaubt es, alles zu "machen", auch Krisen zu machen. Grievances are today manufactured. Soziale Bewegungen werden damit zum Erzeuger von Krisen. Krisenproduktion ist Teil der SMP, der social movement politics. 6. Die Verstetigung sozialer Bewegungen in der entstehenden Organisationsgesellschaft führt dazu, daß Reformen zunehmend weniger von oben nach unten durchgesetzt werden. Dies war das klassische 43 evolutionistische Modell (Bendix, Rokkan u.a.). Reformen werden in dieser entstehenden Gesellschaft vielmehr von unten erzwungen und in Gang gesetzt (dafür stehen etwa Piven & Cloward 1977, 1979). Das entzieht dem evolutionistischen Modell die letzten Richtungsunterstellungen (deren Träger als modernisierende Eliten gedacht worden sind) und befreit es von unnötigem theoretischen Ballast. 7. Mit diesen Veränderungen haben sich auch die Bedingungen der Kritik dieser Organisationsgesellschaft verändert. Die Kritik der bürgerlichen Vernunft, die Aufklärungskritik, reicht heute ebensowenig wie die Kritik der politischen Ökonomie. Was wir brauchen, ist eine Kritik der kollektiven Lernprozesse, in denen sich kollektive Akteure der Geltungsansprüche für ihre kollektiven Aktionen versichern. Was nottut, ist eine Kritik der sozialen Bewegung, ist eine Kritik der symbolischen Gewalt kollektiven Handelns. 44 Literatur Ahlemeyer, H. (1989): Was ist eine soziale Bewegung? Zur Distinktion und Einheit eines sozialen Phänomens. In: Zeitschrift für Soziologie 18, S. 175 - 191. Axelrod, R. (1984): The Evolution of Cooperation. New York (dt.: Die Evolution der Kooperation 1987). Barnes, D. A. 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