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Prof. Dr. Klaus Peter Berger, LL.M.
Central
Wettbewerbs- und Kartellrecht
Skript zur Vorlesung
Wettbewerbs- und
Kartellrecht
Einführung und 1. Teil
Center for
Transnational Law
Einführung
(wichtige Grundsätze und Passagen sind mit
☞gekennzeichnet)
I. Literatur
siehe gesonderte Literaturliste
II. Der wirtschaftliche Wettbewerb als gemeinsames Schutzobjekt von UWG
und GWB
- "Wettbewerb" = "Konkurrenz"
- allg. Umschreibung (keine Definition!!) des Wettbewerbs:
"Eine Veranstaltung, an der mehrere Personen, Gruppen oder Organisationen...im Rahmen einer bestimmten Aufgabenstellung oder Zielsetzung in
dem Bestreben teilnehmen, die jeweils beste Leistung bzw. den größten Erfolg zu erzielen oder Sieger zu werden. Der Wettbewerb kann nicht nur als
Vorgang aufgefaßt werden (W.-Prozeß), sondern auch als auf Rivalität beruhende Beziehung zwischen Personen, Gruppen oder Organisationen sowie
als gesellschaftliches Ordnungsprinzip."
(Quelle: Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl. 1994, Bd. 24, S. 115)
1. Besonderheiten des wirtschaftlichen Wettbewerbs
- besondere Kennzeichen des wirtschaftlichen Wettbewerbs:
- keine festen Spielregeln
- keine gleichen Ausgangspositionen
- Substituierbarkeit und Heterogenität der Waren und Leistungen
- wirtschaftlicher Wettbewerb berührt nicht nur Wettbewerber
- Wettbewerb als Koordinator des Marktgeschehens ist kein
statischer (so die frühere Wettbewerbstheorie, die nach statischen
Marktformen differenzierte), sondern dynamischer Prozeß (Vorstößen
einzelner "Pionierunternehmen" folgen Verfolgungsaktionen anderer
"Nachahmer" usw.)
- funktionsfähiger Wettbewerb setzt stets unvollkommenen Markt voraus (geringe Zahl der Marktteilnehmer, Heterogenität der Güter,
Preisdifferenzen, unzulängliche Markttransparenz; Marktzugangsbehinderungen) "workable competition" als normatives Leitbild
1
- Leitbild des ökonomisch rational handelnden Kunden (homo
oeconomicus) ist unbrauchbar (vgl. Fezer, JZ 1986, S. 817ff einerseits
und Kirchgässner, JZ 1991, S. 104 andererseits)
- Folge: komplexes Verhältnis von Marktstruktur, Marktverhalten und
Marktergenisses macht exakten Voraussagen darüber, welche Wirkungen bestimmtes Marktverhalten habe wird, unmöglich; ökonomische Theorien und Modelle als normative Leitbilder kaum brauchbar,
vgl. allg. zur Unschärfe der "ökonomischen Analyse des Privatrechts"
Horn, AcP 176 (1976), 307ff
a. Planwirtschaft - Marktwirtschaft
- in planwirtschaftlichem Wirtschaftssystem wird Wettbewerb als "Leistungsstimulanz" eingesetzt
- in marktwirtschaftlichen Systemen dient Wettbewerb auch als Ordnungsprinzip für die gesamte Volkswirtschaft
b. Wettbewerbsfreiheit
- Wettbewerbsfreiheit als Grundvoraussetzung für funktionsfähigen
Wettbewerb
- Inhalt: freier Zugang zum Markt und Möglichkeit (potentieller Wettbewerb) freier wirtschaftlicher Betätigung ist Grundvoraussetzung für freien Wettbewerb
- Handlungs- und Entscheidungsfreiheit jedes Marktteilnehmers wird
nur durch entsprechende Freiheiten anderer Marktteilnehmer und
Konkurrenten relativiert
- Wettbewerbsfreiheit führt zu Ausleseprozeß: Kundenkreis kein per se
geschütztes Rechtsgut; im freien Wettbewerb ist Eindringen in fremden Kundenkreis und Verhinderung seiner Vermehrung nicht ohne
weiteres unerlaubt; Wettbewerb bringt vielmehr seiner Natur nach Beeinträchtigung der Mitbewerber mit sich
- Wurzel der Wettbewerbsfreiheit liegt in Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs.1,
Art. 14 GG, aber: GG ist nach h.M. wirtschaftspolitisch neutral!
(BVerfGE 4, 7, 17)
c. Funktionales Wettbewerbsverständnis statt Definition
- Dynamik und Komplexität des wirtschaftlichen Wettbewerbs (vgl.
oben vor 1) macht Definition unmöglich
2
- Ausgangspunkt für Anwendung von UWG und GWB ist funktionales
Verständnis des Wettbewerbs
☞
2. Das Leitbild des "Leistungswettbewerbs"
- Förderung des Absatzes durch Einsatz und Hervorhebung der eigenen Leistung
- Kunde muß in der Lage sein, durch Vergleich der Angebote frei zu
wählen
- Problem: wann schlägt Leistungs- in Nichtleistungswettbewerb durch
Behinderung oder Marktverdrängung um?
Beispiel: Preisunterbietung (Benrather Tankstellenfall) RGZ 134, 342
3. Doppeldeutigkeit des Leistungswettbewerbs
- Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer: Vergleichbarkeit der Leistungen; Wettbewerb als "Such- und Entdeckungsverfahren"
- Wettbewerbspolitisches Ordnungsprinzip: Wettbewerb als Institution
einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung
III. Unterschiedliche Schutzziele von UWG und GWB
- beide Gesetze schützen die Wettbewerbsfreiheit (vgl. oben 1.b), aber
mit unterschiedlichen Schutzzielen
1. UWG und Nebengesetze
- Schutz gegen unlautere und unerlaubte Wettbewerbshandlungen
Einzelner; Verhalten der konkurrierenden Marktteilnehmer soll "in den
Bahnen des Anstands, der Redlichkeit und der guten kaufm. Sitten"
gehalten werden ("Lauterkeitsschutz"), BVerfGE 32, 311, 316 (Grabsteinwerbung)
2. GWB
- Schutz des Wettbewerbs als Institution (Freiheit des Wettbewerbs im
Allgemeininteresse) gegen Ausschaltungen und Beschränkungen, welche die wirtschaftliche Betätigungs- und Entscheidungsfreiheit der
Marktteilnehmer einschränken (Institutionenschutz), BGHZ 13, 33, 37
(Warenkredit)
3
3. Verhältnis von UWG und GWB
- beide Gesetze stehen nicht beziehungslos nebeneinander:
zwischen Institutionenschutz und Lauterkeitsschutz besteht enger
Funktionszusammenhang vgl. § 24 Abs. 1 GWB ("lauterer Wettbewerb") sowie § 33 GWB und § 13 Abs. 2 UWG andererseits
- nach GWB verbotenes Verhalten kann unlauter nach § 1 UWG sein
(Vorsprung durch Rechtsbruch), BGH GRUR 1978, 445, 446 (4 zum
Preis von 3)
- nach § 20 Abs. 2 GWB zulässiges Verhalten kann nicht nach § 1
UWG unlauter sein, es sei denn, es liegen weitere, die Wettbewerbswidrigkeit begründende Umstände vor, BGHZ 96, 327, 336 (Feld und
Wald I)
- Auslegung des UWG darf freiheitssichernde Zielsetzung des GWB
nicht beeinträchtigen, BGHZ 28, 54, 58ff (Direktversand)
- Ergänzungen und Überschneidungen insbes. bei Unlauterkeitstatbeständen, die Wettbewerb als Institution besonders gefährden, z.B.
Marktbehinderung, Diskriminierung, Boykott, vgl. BGH GRUR 1985,
883, 886 (Abwehrblatt I); GRUR 1986, 397, 399 (Abwehrblatt II)
4
IV. UWG und GWB im System einer einheitlichen "Wettbewerbsrechtsordnung"
Gewerblicher Rechtsschutz
Schutz des geistig-gewerblichen Schaffens
besondere Ausschließlichkeitsrechte
Wettbewerbsrecht i.w.S.
Immaterialgüterrechte, gewerbl. Schutzrechte
Schutzrechte
Schutzrechte
technischen Charakters ästetischen Charakters
PatentG, GebrMG
GeschmacksmusterG
Wettbewerbsrecht i.e.S.
Kennzeichenrecht
UWG + Nebenges.
Name, Firma,
geschäftl. Bezeich.
Unternehmenskennzeichen, Werktitel
(MarkenG, § 12 BGB)
früher: § 16 UWG
Lauterkeit des W.
privatrecht. Schutz
durch den Markt
§ 13 UWG,
ausnahmsw.
Strafnormen
wirtschaftspol.
neutral
GWG
Freiheit des W.
öff-rechtl.
Kartellverbote
ausnahmsw.
Individualschutz
§ 35 GWB
wirtschaftspol.
Zielsetzung:
Schaffung einer
freiheitl.
Marktordng.
Verhältnis
UWG und GWG
schließen sich nicht aus
(Funktionszusammenhang)
Wechselwirkungen
Wertungen des GWB wirken sich auf UWG aus
z.B. § 20 II GWB, keine Unbilligkt.=keine Unlautkt.
nach GWB verbotenes Verh. kann unlauter (§ 1 UWG) sein
vgl. auch § 24 Abs. 2 GWB!!
5
1. Teil: "Lauterkeitsrecht" ➔ UWG und Nebengesetze
Achtung: Der Begriff "Lauterkeitsrecht" ist eigentlich zu eng; "Lauterkeit" meint
Sittenwidrigkeit i.S. der großen Generalklausel des § 1 UWG; UWG und Nebengesetze schützen aber auch gegen "bloß" rechtswidrigen u. damit "unerlaubten"
Wettbewerb, z.B. Irreführung (§ 3), Sonderveranstaltungen (§§ 7, 8), "Schmieren" (§ 12)
I. Wirtschaftliche Bedeutung
Werbung ist jedes Verhalten, das für objektiven Durchschnittsbetrachter und nach der
Verkehrsauffassung darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistung des
Werbenden oder eines Dritten, für den geworben wird, in Anspruch zu nehmen (BGH
Brak.Mitt 1990, S. 173, 174)
- Umsätze der Wirtschaft für Werbemaßnahmen:
1. nach Branchen
Quelle: Wirtschaftswoche Nr. 42/1993, S. 59
6
2. nach Unternehmen
Quelle: Süddeutsche Zeitung v. 4. März 1996, S. 17
- Möglichkeiten der Umsatzsteigerung durch Werbung ("Marketing"):
Zweijahres-Übersicht der
Werbeanteil/Absatzanteilrelation in Prozent
bei
a) neuen Haushaltswarenmarken und
b) neuen Lebensmittelmarken
Quelle: H. Meffert, Arbeitsunterlagen zur Integrierten
Marktkommunikation,
1990/91, S. 34
7
II. Vorläufer und Entstehung des UWG; EU-Recht
- Markenschutzgesetz v. 30.11. 1874, RGBl. S. 134 (Schutz der Warenzeichen
aufgrund Anmeldung, zu eng)
- §§ 15, 16 des Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnungen v. 12.5. 1894,
RGBl. S. 441 (Schutzbereich zu eng, da nur Nachahmung einer fremden Ausstattung und Verwendung unrichtiger Ursprungsangaben, aber erstmals rein
wettbwerbsrechtl. Bestimmung in § 16)
- Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 27. 5. 1896, RGBl. S. 145 (enthielt in § 1 eine dem heutigen § 3 UWG vergleichbare Generalklausel;aber zu
einzelfallorientiert, weil abschließende Aufzählung von Verbotstatbeständen;
Rspr. behalf sich mit § 826 BGB, vgl. RGZ 48, 114, 119f (Frachttarife))
- zweites Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7.6.1909 RGBl. S. 449
(gilt mit Änderungen bis heute; enthält weite Generalklauseln in §§ 1 und 3)
- letzte Änderung: UWG-Änderungsgesetz v. 1.8. 1994, BGBl. I, 1738: Abschwächung der Verfolgungsintensität unter dem Gesichtspunkt der "Standortsicherung Deutschland"; insbes. Einschränkung der abstrakten Klageberechtigung
nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG ("auf demselben/ diesem Markt"; "soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört"); Ziel: Mißbrauchsvermeidung bei Bagatellverstößen;
☞
- EU-Recht:
Richtlinien:
Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung v.10. 9. 1984 (84/450/EWG; ABl. 1984, Nr. L
250, 17= GRUR Int. 1984, 688 in Deutschland nicht umgesetzt wg. §§ 3, 4
UWG)
Richtlinie zur Änderung der Irreführungsrichtlinie zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung (97/55/EG; ABl. L 290/18), weicht von bisheriger Rspr.
erheblich ab, vgl. v.Gamm, WRP 1991, 143, deutsches Umsetzungsgesetz tritt
diesen Sommer in Kraft
Rspr. des EuGH zu den Grundfreiheiten:
Art. 28 (30 a. F.) EWG-Vertrag:
Verbot der mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen sowie aller
"Maßnahmen gleicher Wirkung" („measures having equivalent effect“) = jede
hoheitl. Regelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen, grenzüber8
schreitenden Handel unmittelbar o. mittelbar tatsächlich o. potentiell zu behindern, EuGH, NJW 1975, 515 (Dassonville);
weite Formel ergreift auch Werbeverbote und -beschränkungen, die Einfuhr
nicht unmittelbar regeln; daher Einschränkung durch EuGH: keine "Maßnahme
gleicher Wirkung", wenn Maßnahme erforderlich und geeignet ist, "der Lauterkeit
des Handelsverkehrs gerecht zu werden", EuGH, NJW 1979, 1766 (Cassis de
Dijon); diese Kriterien sind jedoch von vornherein nicht anzuwenden, wenn Verkaufsmodalitäten für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, die ihreTätigkeit
im Inland ausüben, und den Absatz der inländischen und der Erzeugnisse aus
anderen Mitgliedstaaten rechtlich und tatsächlich in der gleichen Weise berühren; dann keine diskriminierende Marktzugangssperre, EuGH EuZW 1993, 770
(Keck und Mithouard); daher Art. 28 nicht anwendbar auf nationale Regelung,
die Verkauf in Supermärkten an Sonn- und Feiertagen untersagt, EuGH EuZW
1994, 434 (Punto Casa); gilt nicht für Vorschriften, die Produktcharakteristika
betreffen!! Vgl. auch Alpine Investments, EuGH NJW 1995, 2541.
III. Regelungsziel:
- Sicherung des freien Leistungswettbewerbs (vgl. oben Einführung II.3)
gegen Verfälschung und Ausschluß
☞
Testfragen (als Wertungshilfe):
- Kann der einzelne Verbraucher seine Marktentscheidung noch frei und ohne
Verfälschung der Entscheidungsgrundlagen treffen?
- Oder liegt Nichtleistungswettbewerb vor, weil einzelner Wettbewerber die Entschließungsfreiheit des Kunden durch unwahre Anpreisung, Einsatz nicht leistungsgerechter Mittel, Nachahmung oder Rufausbeutung, Mißachtung gesetzlicher Schranken oder sonstigen leistungswidrigen Einsatz wirtschaftlicher Macht
beeinflußt?
IV. Schutzbereich des UWG
- rechtlicher Ansatzpunkt ist die unlautere Wettbewerbshandlung eines einzelnen Gewerbetreibenden
- UWG ist wirtschaftspolitisch neutral; Lauterkeitsschutz dient nicht der Durchsetzung ökonomischer Ordnungsvorstellungen
☞ Wettbewerbshandlung verstößt nicht schon deswegen gegen UWG, weil
sie wirtschaftspolitisch zu mißbilligen ist
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- grundgesetzliche Gewährleistung der Wettbewerbsfreiheit (vgl. oben ) erfordert enge Auslegung des UWG (vgl. aber unten V.2)
1. Ursprung: Deliktischer Individualschutz (UWG als Sonderdeliktsrecht)
- Verstöße gegen UWG und Nebengesetze können zugleich deliktische Eingriffe
(z.B. in eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) oder Verletzung eines
Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB oder § 824 BGB darstellen geschützt
ist dann nur der Mitbewerber
2. Schutzsubjekte (geschützte Interessen)
- Wirkung einer Wettbewerbshandlung geht aber über das Vertrags- oder Vertragsanbahnungsverhältnis hinaus und ist stets auch "marktbezogen"
- entscheidend ist damit nicht deliktischer Vorwurf, sondern "Sozialwidrigkeit" der
Wettbewerbshandlung im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den Markt
- UWG schützt daher:
☞
a. Die Marktbeteiligten (Mitbewerber, Abnehmer, Lieferanten)
b. Die Kunden (Verbraucher)
c. Die Allgemeinheit (Schutz vor "Auswüchsen" und "Verwilderungen")
3. Modernes Verständnis: UWG-Recht ist Marktverhaltensrecht
- Deliktsrecht ist auf Ausgleich widerstreitender Individualinteressen beschränkt
und daher für "sozialen Schutz des Marktes" unzureichend
- UWG-Recht ist daher nach modernem Verständnis Recht der Verhaltenskontrolle, nicht mehr bloßes Individual-Recht = Summe von Verhaltensnormen, die
den lauteren Wettbewerb regeln wollen
- modernes Verständnis hat auch Folgen für Reichweite des Schutzes, vgl. die
Fallgruppen unten IX.
4. Rechtsdurchsetzung
- Folgen des gewandelten Verständnisses für die Rechtsdurchsetzung:
Einhaltung wird "vom Markt" (Verletzte, branchenangehörige Mitbewerber, Verbände) überwacht: § 13 UWG, ausnahmsweise (Strafvorschriften) auch durch
den Staat
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zum Teil werden Wettbewerbsverstöße branchenintern, ohne Anrufung der Gerichte geklärt:
- Deutscher Werberat: seit 1972; dient der freiwilligen Selbstkontrolle der Werbung im Hinblick auf Inhalt, Aussage und Gestaltung; erstellt Grundsatzempfehlungen, Leitlinien und Verhaltensregeln; ihnen kann Indizwirkung für Verkehrsauffassung zukommen; angegliedert ist Schiedsstelle für Werberechtsangelegenheiten
- Selbstregulierungsverfahren der Kreditwirtschaft durch "Zentralen Wettbewerbsausschuß", dem die Spitzenverbände des Kreditgewerbes angehören; Beschwerden einzelner Institute werden über (Regional- oder Spitzen-)Verbände
dem Ausschuß zugeleitet, dieser entscheidet gutachtlich; Ausschuß hat verschiedene Stellungnahmen zur Werbung im Bankbereich abgegeben (Werbung
mit Geschenksparbüchern, mit Kaufkraftschwund etc); vgl. auch § 27a UWG
(Einigungsstellen bei den IHKs)
- auf europäischer Ebene: Allianz der europäischen Werbeselbstkontrolle
("Alliance for Advertising Standards in Europe", EASA); seit 1991; befaßt sich
mit grenzüberschreitender Werbung
aber:
der einzelne Verbraucher hat keine Abwehransprüche (nur
Verbraucherverbände, § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG)
V. UWG als privatrechtliche Ergänzung des Vertragsrechts
- privates Vertragsrecht schützt Verbraucher in vielfältiger Weise gegen unlautere Beeinflussung seiner Entschließungsfreiheit (VerbrKrG, HTWG, AGBG, § 138
BGB, cic etc.)
- UWG ergänzt diesen Schutz, wenn auch auf anderer Ebene
☞
- Verbindung zwischen Vertrags- und UWG-Recht:
- durch Rücktrittsrecht nach § 13a UWG (vgl. § 7 VerbrKG, § 1 HTWG)
- planmäßige Verwendung AGB-widriger Klauseln kann wg. Ausnutzung
der rechtlichen Unkenntnis bzw. Unsicherheit des Vertragspartners gegen
§ 1 UWG verstoßen (OLG Stuttgart, BB 1987, 2394); ausdrückliche Regelung in Art. 8 schweiz. UWG
- ähnlich bei Verwendung von Vertragsformularen mit unzureichender und
irreführender Widerrufsbelehrung nach HTWG (BGH GRUR 1987, S.
1604); gilt nach BGH, VersR 1996, 221 (mit Anm. Littbarski, EWiR 1996,
S. 231) auch für den Bereich des Versicherungsvertragsrechts
11
- Verschweigen einer für den Verkehr unerwarteten Aushöhlung der Leistung durch AGB bei Produktwerbung kann Irreführung nach § 3 UWG
sein (KG NJW 1986, 2715)
- aber: Vertragspartner kann nicht etwa nach § 13 UWG vorgehen; Unlauterkeitsschutz "durch den Markt" führt nicht zu Verbesserung seiner
vertraglichen Rechtsstellung
- umgekehrt: Vertrag ist nicht schon deshalb nach §§ 134, 138 BGB
nichtig, weil er auf wettbewerbswidriger Werbemaßnahme beruht, UWG
verbietet Wettbewerbshandlung, nicht darauf beruhende Rechtsgeschäfte, beide Vorschriften betreffen nicht gesetz- oder sittenwidrig zustandegekommenes Rechtsgeschäft, BGH GRUR 1990, 522, 528 (HBVFamilien- und Wohnungsrechtsschutz)
- aber: es liegt i.d.R. Rechtsmißbrauch (§ 242 BGB) vor, wenn Kaufmann
Verträge, die durch wettbewerbswidriges Verhalten (zielgerichtete Täuschungshdlg.) zustandegekommen sind, unter Aufrechterhaltung der
Täuschung durch Zusendung von Rechnungen und Mahnungen durchzusetzen versucht, BGH GRUR 1994, S. 126 (Folgeverträge I)
VI. Internationaler Anwendungsbereich des UWG
- wird wegen Internationalität, „Globalisierung“ der Wirtschaftsbeziehungen (Internet!!) und Schaffung eines Europäischen Binnenmarktes immer wichtiger
- wg. deliktsrechtlicher Natur des Wettbewerbsrechts (vgl. oben VI.1) müßte eigentlich der Handlungs- oder Erfolgsort maßgeblich sein (lex loci delicti commissi, vgl. Art. 40 EGBGB)
- neuere Rspr: entscheidend ist Ort, wo irrige Vorstellungen der Abnehmer entstehen, also der Ort der wettbewerbsrechtlichen Interessenkollision (BGHZ 35,
329, 336 Kindersaugflaschen; 91, 463, 464, Kauf im Ausland); praktisch wichtig
für Werbung in grenzüberschreitendem Satellitenfernsehen oder Internet
VII. Aufbau des UWG
1. Dreiteiliger Aufbau:
- Unlautere Wettbewerbshandlungen gegenüber unbestimmter Vielzahl von Mitbewerbern, Verbrauchern oder der Allgemeinheit (§§ 1- 12 UWG)
- Unlautere Wettbewerbshandlungen gegenüber bestimmten
Mitbewerbern (§§ 14-20a UWG)
- Verfahrensrechtliche Sonderregelungen (§§ 21-30 UWG)
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2. "Kopflastigkeit" des UWG:
☞
- § 1 und § 3 UWG: Die "große" und die "kleine" Generalklausel
- Generalklauseln enthalten ausfüllungsbedürftige, unbestimmte Rechtsbegriffe
("gute Sitten" § 1; vgl. unten VIII.6), "Irreführung" § 3, vgl. unten VIII.7), um
Wertungen und Interessenabwägungen im Einzelfall zu ermöglichen
- im Hinblick auf Vielgestaltigkeit des Wettbewerbs ist offene Generalklausel
trotz Unbestimmtheit verfassungsgemäß (BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung)
3. Folgen für die Rechtsanwendung:
- offene Tatbestände bergen Gefahr der Rechtsunsicherheit
- Gerichte müssen die Wertungsfreiräume durch Güter- und
Interessenabwägung im Einzelfall ausfüllen
- hieraus entstehen allmählich neue Rechtsgrundsätze
☞
- Wettbewerbsrecht ist daher vornehmlich Richterrecht ("case law")
damit besteht ähnliche Lage wie in Ländern, wo Lauterkeitsschutz seit jeher
durch Rechtsprechung vorgenommen wird:
- England, USA: flexible equity Rspr. ("passing-off"; "Slander"; "libel of title"); in England seit 1988 "Control of Misleading Advertising Regulations"
v. 1988; darüber hinaus Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes
("Codes of Practices")
- Niederlande: kein Spezialgesetz, aber deliktische Generalklausel (Art. 6:
162 Abs. 2 Nieuwe Burgerlijk Wetboek); seit Juli 1980 spezielles Gesetz
gegen irreführende Werbung
- Frankreich: kein Spezialgesetz, deliktische Generalklausel (Art. 1382f
Code Civil), Fallrecht
Richterrecht birgt zwei Probleme:
1. Richterrecht bindet zwar faktisch wie eine Norm, kann jedoch durch
Obergerichte revidiert werden (im Gegensatz zum anglo-amerikanischen
Recht ist Gerichtsurteil bei uns bloße Rechtserkentnisquelle", nicht
"Rechtsquelle")
bei Übernahme eines Vergleichsfalls ist daher stets zu prüfen, ob
Sachverhalte übereinstimmen, oder einzelne Sachverhaltsele13
mente sich unterscheiden; Rechtsanwendung ähnelt dem "distinguishing" im anglo-amerikanischen case law
2. Richterrecht führt zu Rechtsanwendungsdilemma:
- Fallrecht dient einerseits der Systematisierung der UWG- Generalklauseln und damit der erleicherten Fallerfassung
- zunehmende Systematisierung durch Fallrecht läßt aber Frage
aufkommen, ob Rechtsprechung nicht in bedenkliche und nutzlose
Wettbewerbsbeschränkung verfällt, die zudem von Organisationen
der gewerblichen Wirtschaft gezielt beeinflußt wird = führt Verrechtlichung der Wirtschaft führt wiederum zu Destabilisierung und
damit zu Rechtsunsicherheit? (vgl. Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung, 1995)
☞
- Rechtsprechung geht zudem von zu engem "Verbraucherleitbild"
aus; "Leitbild eines absolut unmündigen, fast schon pathologisch
dummen und fahrlässig unaufmerksamen Durchschnittsverbrauchers", (vgl. die Stellungnahme des deutschen Angeklagten im
"Bocksbeutelfall" vor dem EuGH, EuGH GRUR 1984, 291, 293);
Kritik entspricht der allg. Diskussion um das Leitbild eines vernünftigen und zu eigenverantwortlichem Handeln befähigten Verbrauchers; Stichwort: "Entmündigung des Verbrauchers" (vgl. Hommelhoff, Verbraucherschutz im System des deutschen und europäischen Privatrechts, 1996, S. 12); der EuGH hat dieses Verbraucherleitbild der deutschen Rechtsprechung verworfen! vgl. die
Nissan- (EuGH ZIP 1992, 719) und Mars- (EuGH NJW 1995,
3243) Entscheidungen sowie EuGH v. 13.1.2000 „Estée Lauder
Cosmetics“ zur Bedeutung des Wortes „Lifting“ in der Kosmetikwerbung, (EuGH Rechtssache C-229-98,
http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/index.html)
VIII. Grundbegriffe
- vgl. §§ 1, 3, 6aff, 12, 14, 17, 18, 20 UWG, § 1 ZugabeVO, § 1 RabattG
1. Handeln im geschäftlichen Verkehr (vgl. §§ 1, 3, 5, 6aff, 12, 16, 18 UWG)
- weit auszulegen: jede Tätigkeit, die irgendwie der Förderung eines beliebigen
Geschäftszwecks dient, der auch ein fremder sein kann (Markthandlung); BGH
GRUR 1953, 293 (Fleischbezug)
14
- kein Unternehmen oder Betrieb erforderlich, keine Gewinnerzielungsabsicht
notwendig (Verkauf unter Einstandspreis!), auch freie Berufe, soziale oder karitative Einrichtungen, vgl. BGH GRUR 1962, 254, 255 (Fußball-Programmheft);
BGHZ 82, 375=NJW 1982, 2117 (Brillen-Selbstabgabestellen)
- ausgeschlossen ist lediglich rein private (z.B. private Bedarfsdeckung) oder
amtliche Betätigung; aber: private Belange können wettbewerbsrechtlich relevant werden, wenn auch geschäftliche Interessen eine Rolle spielen und zum
geschäftlichen Tätigwerden ein hinreichender Bezug besteht, z.B. Privatgespräch nimmt geschäftliche Wendung
- innerbetriebliche Maßnahmen (Anweisungen, Vorbereitungshdlg.) grds. kein
Handeln im geschäftl. Verkehr, es sei denn, sie sind dazu bestimmt, Außenwirkung zu entfalten, BGH GRUR 1971, 119, 120 (Branchenverzeichnis)
- Betätigungen der öffentlichen Hand:
bei erwerbswirtschaftlicher (fiskalischer) Tätigkeit mit Mitteln des Privatrechts
immer Handeln im geschäftlichen Verkehr, BGH GRUR 1974, 733 (Schilderverkauf)
bei hoheitlicher Betätigung ohne ausdrückliche gesetzliche Befugnis: kann Handeln im geschäftlichen Verkehr sein, auch wenn Leistungsbeziehungen öffentlich-rechtlich ausgestaltet (Lehre von der Doppelnatur und Doppelkontrolle hoheitl. Maßnahmen), z.B. öff-rechtl. Rundfunkanstalten, BGH GRUR 1990, 611,
613 (Werbung im Programm); GemS-OBG, NJW 1988, 2295f; BGH, NJW 1982,
2117 (Brillen-Selbstabgabestelle); BGHZ 120, 228 (Guldenburg = JuS 1993,
696, Nr. 11, Emmerich)
bei Gesetzgebungsakten: Vorrang der Normenkontrolle
2. Handeln zum Zwecke des Wettbewerbs (Wettbewerbsabsicht)
a) objektiv:
jedes zweckbestimmte Marktverhalten, das äußerlich geeignet ist, den Absatz
oder den Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen Person zu fördern
(vgl. auch Art. 2 Nr. 1 EG-Richtlinie, oben II)
es kann um Förderung eigener oder fremder ("Wettbewerber im fremden
Interesse") wirtschaftlicher Betätigung gehen
es genügt die Vorbereitung o. Förderung künftigen Wettbewerbs, BGH GRUR
1984, 823 (Charterfluggesellschaften)
15
Maßnahmen der öff. Hand:
Maßnahmen im Rahmen der Eingriffs- oder Leistungsverwaltung (Empfehlungen, Warnungen, Subventionen etc.) können zum Zwecke des Wettbewerbs
erfolgen; aber strenger Maßstab: erforderlich ist, daß die öff. Hand ihren Aufgabenbereich deutlich erkennbar verläßt und ohne Rechtsgrundlage in den Wettbewerb eingreift, BGH WRP 1991, 393, 397 (Warenproben in Apotheken); Unterkunftshinweise durch staatl. Kurverwaltung ohne Wertung zulässig: BGHZ 19,
299 (Bad Ems)
bei staatlichem Monopol (z.B. Fernsprechwesen bis 1997): kein Handeln zum
Zwecke des Wettbewerbs, RGZ 137, 60 (Überlassung von Adressen an Private
zur Herstellung eines Branchenfernsprechbuches)
b) subjektiv:
Absicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers zu fördern (BGHZ 3, 270; 14, 171 Constanze I/II)
Absicht muß nicht alleiniger oder wesentlicher Beweggrund sein, es genügt, daß
sie hinter anderen Motiven nicht völlig zurücktritt
c) Grundsatz:
bei Kaufleuten, Unternehmen, Verbänden zum Schutz wirtschaftl. Interessen
besteht bei objektiv wettbewerbsgeeigneten Handlung tatsächliche Vermutung
für das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht, BGH GRUR 1993, 761 (MaklerPrivatangebot)
d) Ausnahmen (Wettbewerbsabsicht ist gesondert zu prüfen):
immer dann, wenn Handelnder kein Wettbewerber ist und auch nicht Wettbewerb Dritter (z. Mitglieder bei wirt. Fachverbänden) fördern will, z. B.:
- rein wissenschaftliche o. fachliche Äußerungen (anders, wenn
"getarnte Werbung", insbes. bei Auftragsarbeit oder angestellten
Wissenschaftlern; vgl. BGH WM 1996, S. 555 (Espresso M.)
- Rechtsanwälte, BGH GRUR 1967, 428 (Anwaltswerbung)
- Leserbriefe
- Verbraucherverbände in Erfüllung ihres satzungsmäßigen
Zwecks
- reine Mitgliederwerbung eines Idealvereins
16
☞
Besonderheiten bei Presse, Rundfunk, Fernsehen:
- bei redaktionellen Äußerungen im Rahmen der grundgesetzlich
gewährleisteten Meinungs- und Pressefreiheit, Art. 5 GG keine
Vermutung
- bei Anzeigenveröffentlichung besteht Vermutung, BGH GRUR
1992, 618 (Pressehaftung II); BGH NJW 1995, 2490, 2491 (Benetton - Kinderarbeit)
- bei redaktionellen Beiträgen mit Herabwürdigungen oder Herausstellungen Frage, ob noch journalistische Pflicht zur sachlichen Berichterstattung in Erfüllung öffentlicher Aufgabe; vgl. BGHZ 50, 1
(Pelzversand); BGH GRUR 1981, 835 (getarnte Werbung I);
GRUR 1994, 441 (Kosmetikstudio)
- Unternehmen, das Information für redaktionell getarnte Werbung
liefert, hat nur bei konkrete Verdachtsumständen Pflicht zur Überprüfung, BGH WM 1996, S. 555 (Espresso M.)
3. Wettbewerbsverhältnis (Wv)
- hängt unmittelbar mit oben 2 a) zusammen
- je nach dem, wer Ansprüche geltend macht, kann Wv konkret (a.) oder abstrakt (b.) sein:
a. Konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn Anspruch dem unmittelbar Verletzten
zusteht, vgl. §§ 14, 117, 18, 20 UWG, u.U. auch bei § 1 UWG:
zwischen Vorteilen, die jemand durch Wettbewerbsmaßnahme für sich
oder Dritten zu erreichen sucht und Nachteilen, die anderer dadurch erleidet, muß unmittelbare Wechselbeziehung bestehen, indem ein direkter
Bezug zu dem Betroffenen hergestellt wird
aus Komplexität und Dynamik des Wettbewerbs (oben Einf.) folgt:
Branchengleicheit und Warennähe nicht erforderlich, es genügt, daß
Verletzer sich ad hoc in Wettbewerb zu Betroffenem stellt; auch zwischen
Gewerbetreibenden unterschiedlicher Wirtschaftsstufen (z.B. Hersteller/Einzelhändler) möglich, vgl. BGH GRUR 1993, 563 (Neu nach Umbau); auch durch Art der Werbung bei fehlender Substituierbarkeit der
Waren, BGH GRUR 1972, 553 (Statt Blumen ONKO)
b. Abstraktes Wettbewerbsverhältnis
Komplexität und Eigendynamik des Marktes sprengt die Grenzen des
konkreten Wettbewerbsverhältnisses
17
weite Klageberechtigung des § 13 Abs. 2 UWG (Überwachung "durch
den Markt") erfordert weites "abstrahiertes" Verständnis des Wv.
"Waren und Dienstleistungen" i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG weit auszulegen; es genügt, daß Erzeugnisse nach Verkehrsauffassung soviel
Übereinstimmungen haben, daß, unter Berücksichtigung künftiger Entwicklungen, eine Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sie, unabhängig
von Wirtschaftsstufe oder gleichem Abnehmerkreis, die Bedürfnisse des
Verbrauchers befriedigen (Substituierbarkeit) und sich gegenseitig im Absatz behindern können
bei Verbänden und Kammern (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 - 4 UWG) genügt abstrakte Beeinträchtigung satzungsmäßiger Interessen; Einzelmitglied muß
nicht verletzt sein
beachte auch § 13 Abs. 3 UWG
4. Verkehrsauffassung
a. Bedeutung
- Auffassung des Verkehrs ist für Beurteilung von Wettbewerbshandlungen von
zentraler Bedeutung; Grund: UWG als Marktverhaltensrecht (oben IV.3); Lauterkeit des "Marktverhaltens" wird durch Auffassung des Verkehrs bestimmt
- Beispiele: Beurteilung des Aussagegehalts einer Werbeaussage für §§ 1und 3
UWG
☞
- Folge: Absichten oder Verständnis des Handelnden sind unbeachtlich; vielmehr entscheiden Kreise, an die sich Wettbewerbshandlung wendet, BGH
GRUR 1967, 308, 310 (Backhilfsmittel)
b. Die "beteiligten Verkehrskreise"
- entscheidend ist der Kreis, an den sich die Wettbewerbshandlung wendet
(breites Publikum oder eher Fachwerbung oder gemischt)
c. Bestimmung des "Quorums"
- entscheidend ist nicht die Auffassung sämtlicher Angehöriger des Verkehrskreises; Grund: Werbung zielt auf flüchtige Betrachtung, daher sind diese Verständnismaßstäbe entscheidend
☞
- es kommt auf Gesamteindruck an, der sich unbefangenem Durchschnitt
bei erstmaliger Konfrontation und flüchtiger, oberflächlicher und unkritischer Betrachtung der Werbung nach dem Gesamtinhalt oder der Fassung
der Äußerung aufdrängt; BGH GRUR 1959, 365, 366 (Englisch Lavendel);
GRUR 1970, 425 (Melitta Kaffee)
18
- Extreme (bes. erfahren - unerfahren; aufmerksam - unaufmerksam) bleiben
außer Betracht; es gilt die Verständnismöglichkeit, die in der konkreten Situation
naheliegt
- Wertung hat von äußerem Erscheinungsbild, Wortlaut, Wortsinn, Begleitumständen, Sinnzusammenhang und allgemeinem Sprachgebrauch auszugehen,
BGH GRUR 1957, 128 130 (Steinhäger)
- Schutz der Allgemeinheit und Endverbraucher verlangt, daß Fehlverständnis
einer rechtlich beachtlichen Minderheit genügt
- in Standardfällen: Fehlvorstellungen von 10 - 15% des Verkehrskreises genügt
(BGH Richter Teplitzky: 15 -20%; vgl. FS Vieregge, 1995, S. 859)
- in besonders sensiblen Bereichen (Umwelt, Gesundheit, Lebensmittel) weniger
(5-6%) (BGH Richter Teplitzy: 10-15%, aaO)
- BGH gegen feste (schematische) Grenze; Interessenbewertung soll jeweils
den Ausschlag geben (BGH GRUR 1994, 519, 521 - Grand Marnier; vgl. Teplitzky, aaO, S. 857); so auch häufig in gerichtlicher Praxis
Achtung: "Verkehrsauffassung" bestimmt nur tatsächlichen Gehalt (Inhalt) der
Werbeaussage; "Verkehrssitte" (unten 6.) meint die im Verkehr tatsächlich herrschende Übung und entscheidet durch Vergleich mit tatsächlichem Gehalt über
rechtliche Unlauterkeit (Zulässigkeit)
d. Feststellung der Verkehrsauffassung
- durch eigene Sachkunde und Lebenserfahrung des Richters, wenn dieser
selbst dem betreffenden Verkehrskreis angehört (Waren des täglichen Bedarfs),
BGH GRUR 1980, 797 (Topfit Boonekamp); aber Achtung: Verkehrsauffassung
kann sich im Wandel befinden, BGH GRUR 1984, S. 465, 467 (Natursaft)
- durch Fachgutachten der IHK oder des DIHT, BGH GRUR 1960, 232 (Feuerzeug)
- durch demoskopische Gutachten; Nachteile: hohe Kosten (zwischen 30.000
und 75.000 DM); Rspr. stellt strenge Anforderungen an richterliche Hinweis- und
Aufklärungspflicht (BGH GRUR 1990, 1053ff - Versäumte Meinungsumfrage),
Formulierung der Fragen oft schwierig (Suggestivwirkung!!), vgl. BGH GRUR
1989, 440, 442 (Dresdner Stollen I); BGH WRP 1995, 398, 402 (Rügenwalder
Teewurst II)
e. Verkehrsgeltung (§§ 4 Nr. 2, 5 Abs. 2 S. 2 MarkenG)
gesteigertes Maß an Verkehrsbekanntheit
19
f. Verwerfung des deutschen Maßstabs durch den EuGH
☞ EuGH hat in mehreren Entscheidungen den deutschen Maßstab des notorisch uninformierten Kunden verworfen; aus dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit als grundlegendem Prinzip des EU-Rechts leitet EuGH den Maßstab der mutmaßlichen Erwartungen eines
„durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“
ab, vgl. EuGH „Mars“, NJW 1995, 3243; EuGH v. 13.1. 2000 v. 13.1. 2000,
„Estée Lauder Cosmetics“ zur Bedeutung des Wortes „Lifting“ in der Kosmetikwerbung, Rs. C-220-98 (http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/index.html)
5. Verwechslungsgefahr
in § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; im UWG nicht ausdrücklich genannt, aber bei
betrieblicher Herkunftstäuschung durch Nachahmung relevant; es gilt einheitlicher Begriff
- Def: naheliegende, abstrakte und objektive Gefahr einer Beeinträchtigung des
Zeicheninhabers durch Verwechslungen mit gleichen oder ähnlichen Zeichen
auf der Grundlage des Gesamteindrucks, den ein nicht unerheblicher Teil der
beteiligten Verkehrskreise (10%) hat
- maßgeblich ist auch hier Verkehrsauffassung; Verkehr achtet mehr auf Übereinstimmungen, daher sind diese für Gesamteindruck maßgeblich
- entscheidend für Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist Kennzeichnungskraft des Zeichens; je höher die Unterscheidungskraft am Markt, um so größerer Abstand ist zu halten
- Waren. bzw. Branchennähe: nicht unerhebl. Teil des betroffenen Verkehrs
nimmt an, die eine Partei befasse sich nunmehr auch mit dem Vertrieb der anderen Ware, wenn auch nur im Wege der Beteiligung am fremden Betrieb oder
in anderer wirtschaftlicher Form
- zu vergleichen sind konkrete Benutzungsformen, so wie sie im Verkehr erscheinen (evtl. nur Kürzel etc.)
- Kennzeichen müssen nicht äußerlich ähnlich sein, es genügt Sinnzusammenhang, Bild- oder Klangwirkung
- stets ist in die Prüfung das "wettbewerbliche Umfeld" einzubeziehen, d.h. die
Ausstattungen und Kennzeichen, die im betreffenden Marktsegment in Gebrauch sind; Grund: sind ähnliche Zeichen im betreffenden Warenbereich in
Gebrauch, ist Aufmerksamkeit der Kunden erhöht und Verwechslungsgefahr
nimmt ab; Testfrage: kommt neues Zeichen dem bestehenden näher als das
Umfeld?
20
- 2 Arten:
Verwechslungsgefahr i.e.S.: Verkehr nimmt an, es handele sich um
Kennzeichen ein und desselben Unternehmens
Verwechslungsgefahr i.w.S.: Verkehr erkennt Verschiedenheit der Unternehmen, nimmt aber organisatorische oder wirtschaftliche Zusammenhänge an (wichtig für Täuschung über betriebl. Herkunft von Waren nach
§ 1 UWG, vgl. unten IX.)
6. Sittenwidrigkeit (§ 1 UWG)
☞
- grundlegender unbestimmter Ordnungsbegriff des UWG
- Entscheidung über Lauterkeit oder Unlauterkeit ist nicht durch Subsumtion, sondern (induktiv) im Hinblick auf Funktion des Wettbewerbs, gechützte Interessen und Schutzzweck des UWG-Rechts zu treffen
- Sittenwidrigkeit ist funktional, d.h. wettbewerbsbezogen, zu bestimmen,
daher nicht identisch mit § 138 BGB (Mißbräuche der Privatautonomie)
und § 826 BGB (individuelle vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung)
- Natur des UWG-Rechts als Marktverhaltensrecht erfordert umfassendes
Verständnis der Sittenwidrigkeit, da wettbewerbliches Verhalten stets Mitbewerber, Verbraucher und Allgemeinheit betrifft
☞ Def:
Wettbewerbshandlung muß dem Anstandsgefühl der redlichen und
verständigen Durchschnittsgewerbetreibenden widersprechen
und/oder von der Allgemeinheit mißbilligt und für untragbar angesehen werden, BGHZ 22, 167, 181; 54, 188, 190f; 54, 188, 190f)
- Leerformel muß durch Rspr. ausgefüllt werden: "Richter ist kraft seines
Amtes Repräsentant der gerecht und billig Denkenden" (Sack, NJW
1985, 761, 763); "gegen die guten Sitten verstößt, was dem Anstandsgefühl des zuständigen (I.) BGH-Senats zuwiderläuft", Nordemann,
UWG, Rd. 41.
a. Objektive Interessen und Wertungsmaßstäbe
- durch umfassende Interessenabwägung ist angegriffenes Verhalten
nach Anlaß, Zweck, Mittel und Begleitumständen zu bewerten
21
- drei Schritte:
1. Ermittlung der relevanten Einzelinteressen
2. Ermittlung der Schutzwürdigkeit dieser Interessen
3. Abwägung der schutzwürdigen Interessen
☞
- Kern dieser Interessenabwägung ist die
Sicherung des freien Leistungswettbewerbs
als oberstes Schutzziel des UWG (vgl. die Testfragen oben III)
- Verfälschung oder Ausschluß des freien Leistungswettbewerbs (objektive Vergleichbarkeit der Leistungen!) indiziert daher Unlauterkeit der
Wettbewerbshandlung
- neben Individualinteressen der unmittelbar Beteiligten sind auch die
Interessen der anderen Mitbewerber und der Allgemeinheit miteinzubeziehen: was unter Mitbewerbern als zulässig angesehen wird ("eingerissen ist"), kann von Allgemeinheit dennoch als "Auswuchs" mißbilligt werden ➔ "Wächterfunktion" der Rspr. (BGH GRUR 1955,
541(Bestattungswerbung); GRUR 1990, 280 (Telefonwerbung II)
Interessenabwägung beinhaltet rechtliche und tatsächliche Elemente:
-rechtliche Elemente:
Verstoß gegen Strafvorschriften (§§ 259, 263 StGB), gegen Grundrechte (z.B. Verletzung der Privatsphäre durch Belästigung oder
Druck, Art. 2 GG), gegen Normen zum Schutz besonders wichtiger
Gemeinschaftsgüter(Gesundheit, Rechtspflege, Wettbewerb als
Institution) und gegen wettbewerbsrelevante Gesetze (RabattVO,
ZugabeVO, GWB) grundsätzlich immer sittenwidrig i.S.v. § 1 UWG
bei Verstoß gegen wettbewerbsneutrale Normen (z.B. Zweckmäßigkeitsvorschriften) muß Handelnder bewußt und planmäßig (vgl.
dazu sogleich) vorgehen, obwohl für ihn erkennbar ist, daß er Vorsprung im Wettbewerb vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangt
- tatsächliche Elemente:
☞
im Rahmen der Gesamtwürdigung der Wettbewerbshandlung auf
der Basis der Verkehrsauffassung können vier Aspekte den letzten
Ausschlag geben:
1. Planmäßigkeit:
Planmäßigkeit ist mehr als bloßes Bewußtsein der Unlauterkeit; erforderlich ist zum Kalkül gemachte Zielsetzung, Mitbewerber systematisch zu schädigen oder sich durch fort22
gesetzte Gesetzesverstöße einen ungerechtfertigten Vorsprung zu verschaffen; BGH GRUR 1966, 263 (BauChemie)
2. Übersteigerungsgefahr:
grundsätzlich zulässiges Wettbewerbsmittel kann durch gesteigerte Anwendung zum Übermaß werden, BGHZ 43, 278,
282 (Kleenex)
3. Nachahmungsgefahr:
wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß
Wettbewerber mit Werbemaßnahme derart beachtliche Erfolge erzielt, daß sich Mitbewerber, um gleichzuziehen, zur
Nachahmung veranlaßt sehen und infolge dieser Nachahmung auf Dauer eine Ausschaltung des Leistungswettbewerbs zu befürchten ist; z.B. Marktverstopfung durch Verschenken von Orginalwaren zu Probezwecken RG GRUR
1938, 207, 210 (Persil); Verschenken von Presseerzeugnissen BGH GRUR 51, 236, 242; Gewinnspiele BGH GRUR
1973, 591 Schatzjagd); vgl. auch zur Telefon-, Btx Werbung
unten IX. bei den Fallgruppen
4. Nachwirkungsgefahr:
frühere unlautere Werbung verlangt, daß sich Wettbewerber
deutlich von dieser absetzt, um wettbewerbswidrige Fortwirkung früherer Werbung zu vermeiden, BGH GRUR 1962,
97, 99 (Tafelwasser)
b. Subjektiv:
- drei Grundsätze:
1. unlauterer Beweggrund allein macht Wettbewerbshandlung nie sittenwidrig (RGZ 79, 415)
2. kein Bewußtsein der Sittenwidrigkeit erforderlich; es genügt, daß Wettbewerber alle Tatumstände kennt, die bei objektiver Würdigung die Sittenwidrigkeit seiner Handlung begründen (ähnlich wie bei § 826 BGB),
BGHZ 23, 184, 195 (Spalttabletten)
3. wer sich der Kenntnis einer erheblichen Tatsache bewußt verschließt
oder entzieht, steht dem Kennenden gleich, BGH GRUR 1975, 555
(Speiseeis)
23
Prüfungsschema zu § 1 UWG:
Objektiv:
1. Handlung im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
2. Konkretes oder abstraktes Wettbewerbsverhältnis
3. Verstoß gegen die guten Sitten:
a. Ermittlung der relevanten Einzelinteressen
b. Beurteilung der Schutzwürdigkeit dieser Interessen
c. Entweder bereits per se sittenwidrig
oder
Abwägung
(in beiden Fällen stets die Fallgruppen-Checkliste unten IX. beachten!)
Subjektiv:
4. Kenntnis der relevanten Umstände
7. Irreführung (§ 3 UWG)
- Wahrheitsgrundsatz hat überragende Bedeutung im UWG
Grund: Irreführung ist eine der gröbsten Fälle unsachlicher Beein flussung
und gefährdet daher in besonderem Maße den Bestand des Leistungswettbewerbs:
- Irreführung beeinträchtigt die Entschließungsfreiheit der Marktpartner
und bewirkt, daß sie sich nicht marktkonform verhalten, wodurch der Leistungsvergleich verfälscht wird und die Interessen der Mitbewerber durch
Verdrängung ihrer Angebote beeinträchtigt werden
- § 3 UWG dient in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit; Folge:
Verletzer hat keinen Einwand aus § 242 wenn Kläger ebenfalls wettbewerbswidrig handelt, BGH GRUR 1984, 457 (Deutsche Heilpraktikerschaft)
- wg. dieser Bedeutung ist § 3 UWG konkreter Gefährdungstatbestand,
d.h. Täuschung muß nicht tatsächlich eintreten (Werbung muß nicht tat24
sächlich zur Kenntnis genommen werden), Gefahr der Irreführung aber
konkret gegeben sein
a. Adressatenkreis:
- § 3 UWG verbietet irreführende Werbung schlechthin, sei es gegenüber Allgemeinheit (öffentliche Werbung) oder gegenüber Einzelpersonen oder Personengruppen
- dennoch ist angesprochener Verkehrskreis zu ermitteln, denn er prägt "die
Verkehrsauffassung"
- Adressaten sind die angesprochenen Teile des Verkehrs, d.h. alle, die von der
Werbung tatsächlich erreicht (nicht nur die vom Werbenden angesprochen)
werden und von ihr beeinflußt werden können, zumeist Endverbraucher und
potentielle zukünftige Kunden
b. Verkehrsauffassung:
- Auffassung des so ermittelten Verkehrskreises prägt Auslegung des § 3
- vgl. im einzelnen bereits oben 4.
c. "Angabe":
- denkbar weit auszulegen; vgl. BGH GRUR 1961, 544 (Hühnergegacker)
- jede Äußerung über tatsächliche geschäftliche Verhältnisse (Aufzählung in § 3
nicht abschließend) = dem Beweis zugängliche Angaben tatsächlicher Art
- Abgrenzung von Tatsache und Werturteil ist aus der Perspektive des angesprochenen Verkehrskreises vorzunehmen; Testfrage: enthält Werturteil noch
einen inhaltlich nachprüfbaren Tatsachenkern?
Beispiele: wissenschaftliche Urteile meist Werturteile, BGH GRUR 1978, 258,
259 (Schriftsachverständiger) ➔ "Wissenschaftsprivileg"
Verkehr kann auch reine Meinungsäußerung als objektiv nachprüfbare Aussage
bestimmten Inhalts verstehen, BGH GRUR 1973, 594, 595 (Ski-Sicherheitsbindung: "Deutsches Spitzenerzeugnis")
bei bloßen Kaufappellen oder reklamehaften Übertreibungen, die vom Verkehr
als solche erkannt werden, keine Angabe
- Ausdrucksmittel ➔ § 5 UWG
25
d. Ermittlung des Aussagegehalts:
- Maßstab: "flüchtige", "oberflächliche" und "unkritische" Kenntnisnahme bei
erstmaliger Konfrontation durch angesprochene Verkehrskreise; Gesamteindruck (Wortsinn + Gesamtzusammenhang), nicht völlig unerheblicher Teil des
angesprochene Verkehrs (grobe Orientierung: 10 -15%) vgl. oben 4.
e. Ermittlung des Wahrheitsgehalts (Irreführung; nur insoweit kommt es bei § 3UWG zu
einer Interessenabwägung)
- bei mehrdeutiger Werbung: jede nicht ganz fernliegende Deutung muß richtig
sein, BGH GRUR 1992, 66, 67 (Königl. Bayerische Weisse)
- bei unrichtig gewordener Werbung: unzulässig, z.B. überholte Katalogangabe
BGH GRUR 1958, 30, 31
- bei Blickfangwerbung (Hervorhebung von Schlagworten innerhalb einer Werbeaussage) darf Blickfang für sich allein betrachtet nicht irreführend sein, kleingedruckte Hinweise genügen nicht, BGH GRUR 1987, 45, 47 (Sommerpreiswerbung); evtl. ist am Blickfang angebrachte *-Fußnote ausreichend, um Irreführung zu verhindern, vgl. OLG Stuttgart, WRP 1984, 170f
- getarnte Werbung, die nicht als solche zu erkennen ist, ist irreführend,
- unterschwellige Werbung (zielt auf Unterbewußtsein; z.B. sekundenbruchteillange Einblendung in Filmen) täuscht über Zustandekommen des Kaufentschlusses, Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rdn. 65.
f. Rechtsnatur als konkretes Gefährdungsdelikt verlangt:
-
objektive Eignung der irreführenden Angabe zur Beeinflussung der angesprochene Verkehrskreise (nur selten zu verneinen)
Prüfungsschema zu § 3 UWG:
Objektiv:
1. Handeln im geschäftlichen Verkehr
2. Ermittlung des angesprochenen Verkehrskreises
3. „Angabe“ i.S.v. § 3 UWG
26
4. Inhalt der Tatsachenbehauptung aus Perspektive des angesprochenen Verkehrskreises
5. Ermittlung des Wahrheitsgehalts
➔
bei Abweichung liegt Irreführung vor!
6. Geeignetheit der Angabe zur Beeinflussung des Getäuschten
Subjektiv:
7. Kenntnis der die Irreführung begründenden Umstände
8. Verhältnis der Generalklauseln zueinander, zu UWG-Spezialtatbeständen und
zu GWB
- zwischen § 1 und § 3 UWG besteht Anspruchskonkurrenz (irreführende Angaben sind in aller Regel auch sittenwidrig)
- § 3 wird durch Spezialvorschriften (§§ 17 18, 22, 27 LMBG), § 25 WeinG,
EichG, andere lebensmittelrechtl. Kennzeichnungsvorschriften) nicht verdrängt,
enthalten Ausprägungen der in der Grundnorm zum Ausdruck kommenden
Wertvorstellung; daraus folgt aber: wenn Verhalten nach Spezialgesetz (§§ 17f
LMBG) zulässig, ist § 3 UWG ausgeschlossen!!
- zwischen UWG und GWB besteht Anspruchskonkurrenz, BGHZ 13, 33, 37
(Warenkredit); in Verletzung von unmittelbar wettbewerbsbezogenen Normen
des GWB kann Verstoß gegen § 1 UWG liegen BGH GRUR 1978, 445, 446 (4
zum Preis von 3)
- zwischen UWG und Deliktsrecht besteht Anspruchskonkurrenz (z.B. Vernichtungswettbewerb ist stets auch Verletzung von § 826 BGB); wichtige Ausnahme: bei Eingriff in eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bezweckt
Wettbewerbsrecht abschließende Regelung (Auffangfunktion), BGH GRUR
1972, 189, 191 (Wandsteckdose II); Konkurrenz mit § 823 Abs. 2 BGB scheidet
wg. Blankettnormcharakter aus, wichtig wg. kurzer Verjährung, § 21 UWG, § 14
DVO RabattG, § 2 Abs. 4 ZugabeVO, 6 Monate, vgl. aber § 852 BGB), vgl. BGH
36, 252, 256 (Gründerbildnis); § 826 BGB neben UWG anwendbar, Schädiger
darf nicht privilegiert werden, BGH GRUR 1977, 539, 541 (Prozeßrechner)
27
IX. Fallgruppenbildung
☞
☞
Achtung! Fallgruppenbildung anhand der betroffenen Interessen dient nur der
Orientierung im Fallrecht der Rechtsprechung und der erleichterten Fallerfassung in Studium und Praxis; sie ersetzt nicht die Interessenabwägung in jedem
Einzelfall (wichtig etwa bei neuartigen Wettbewerbsmethoden)!!
Übergänge zwischen den Fallgruppen sind fließend; entscheidend ist, wo der
Schwerpunkt der betroffenen Interessen liegt.
Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden:
1. Kundenbezogener Lauterkeitsschutz ("Kundenfang")
2. Mitbewerberbezogener Lauterkeitsschutz
3. Marktbezogener Lauterkeitsschutz ("Marktstörung"; "Allg. Marktbehinderung")
4. Vorsprung durch Rechtsbruch
Im Einzelnen gilt:
I. Kundenbezogener Lauterkeitsschutz ("Kundenfang")
1. Spezialgesetzliche Irreführungsverbote:
- Lebensmittelrecht: § 17 Abs. 1 Nr. 5 LMBG (Generalklausel); § 18
LMBG (Verbot der gesundheitsbezogenen Werbung für Lebensmittel);
- Verbot der Schlankheitswerbung (§ 7 Nährwert-KennzeichnungsVO)
- Verbot der Mogelpackung (§ 17a EichG)
- Verbot der Irreführung im Weinrecht (§ 46 WeinG)
- Verbot der Irreführung bei Arzneimittel und Kosmetika (§§ 3, 11 HTWG)
- Schutz geographischer Herkunfsangaben nach §§ 126ff MarkenG
Bei Verstoß gegen Spezialvorschrift bleibt Generalklausel des § 3 UWG
(vgl. sogleich Nr. 2) anwendbar; Spezialgesetze prägen allg. Verkehrsauffassung; bei MarkenG nur, wenn Schutzlücke, ansonsten lex spec.
(vgl. § 2 MarkenG)
28
2. Irreführung über Ware oder Leistung ("passing off") § 3 UWG
- Irreführung über geographische Herkunft
unmittelbare, BGH GRUR 1963, 482 (Hollywood Duftschaumbad) mittelbare Herkunftsangabe (Farben, Fahnen, Symbole, typ. Landschaft etc.)
RGZ 58, 136, 137 (Dortmunder Bier); BGH GRUR 1970, 517, 518
(Kölsch Bier); RG GRUR 1932, 810, 813 (Holländische Windmühlenlandschaft)
keine Irreführung bei "entlokalisierenden Zusätzen" (strenge Anforderungen)
keine Irreführung bei Umwandlung in Gattungs-, Sorten- oder Beschaffenheitsangabe, BGH GRUR 1965, 317 (Kölnisch Wasser),
BGH GRUR 1990, 461 (Dresdner Stollen II)
- Irreführung über Preis, Preissystem und Preisrelation
PAngVO - (Preisklarheit und Preiswahrheit)
Verstoß ist regelmäßig rechtswidrig nach § 1 UWG; zugleich Indiz
für Verstoß gegen § 3 UWG
z.B. BGHZ 42, 134, 135 (20% unter empfohlenem Richtpreis) oder
BGH GRUR 1990, 377 (RDM - Verschweigen des Anfallens einer
Maklerprovision)
☞
- Lockvogelwerbung
Vortäuschen des Vorhandenseins von Ware zum beworbenen
Preis in ausreichender Vorratsmenge, BGH GRUR 1992, 858, 859
(Clementinen)
Vortäuschen eines preisgünstigen Gesamtangebots, BGH GRUR
1970, 33 (Lockvogel)
- Unterschieben einer Ware oder Leistung
- Tarnung von Werbemaßnahmen; insbes. "Kaffee-Fahrten" sowie
wissenschaftlich-publizistische Tarnung
Zeitungsredaktion wird im redaktionellen Teil in Wettbewerbsförderungsabsicht tätig, BGH GRUR 1981, 835 (getarnte Werbung I)
bei Kaffeefahrten muß klar und unmißverständlich auf Verkaufscharakter hingewiesen werden, BGH GRUR 1986, 318 (Verkaufsfahrten I)
29
angeblich vom Fachmann erstellte "Presseinformation" ist, wenn
getarnte Werbung, unzulässig, BGH GRUR 1968, 645; BGH WM
1996, S. 555 (Espresso M.)
3. Irreführung über betriebliche Herkunft oder Unternehmensverhältnisse
- z.B. Qualifikation des Inhabers:
bei Dr.-Titel muß promovierter Akademiker die unternehmensbelange als Gesellschafter maßgeblich beeinflussen BGH GRUR
1990, 604; wettbewerbsrechtl. Befugnis zur Führung des Titels
entfällt, wenn Träger ausscheidet, BGHZ 10, 196, 202 (DUNEuropa)
bei Professorentitel: Verkehr läßt sich von Berufsbild des Professors leiten, BGH GRUR 1987, 839 (Prof.-Titel in Arzneiwerbung)
4. Ausnutzung rechtlicher Unkenntnis (vgl. oben V.)
5. Werbung mit Selbstverständlichkeiten
- z.B. betonte Hervorhebung "inkl. Mehrwertst.", obwohl § 1 Abs. 1
PrAngVO Preisangabe des Endpreises vorschreibt, BGH GRUR 1990,
1028 (Incl. Mwst. II)
6. Unrichtige Ankündigung und Selbstanpreisung (Gefährdungstatbestände;
gesetzliche Vermutung der Irreführung)
- Konkurswarenverkauf (§ 6 UWG)
- Sonderveranstaltungen (§ 7 UWG; Ausnahmen: Sonderangebote, Abs.
2 und Schlußverkäufe bzw. Jubiläumsverkäufe, Abs. 3)
- Räumungsverkäufe (§ 8 UWG)
7. Inaussichtstellen von waren- bzw. leistungsunabhängigen materiellen Vorteilen ("Wertreklame")
Verteilung kostenloser Warenproben grds. zulässig, vorausges.
deutlich gekennzeichnet u. nicht zur Bedarfsdeckung geeignet
Veranlassung zum Kauf durch Ankündigung eines Geschenks kann unzulässig sein, BGH GRUR 1968, 649 (Rocroni-Ascher)
30
Vorspannangebot: Anbieten einer branchenfremden Zusatzware zu günstigem Preis zusammen mit Hauptware, unzulässig, BGH GRUR 1977,
110 (Kochbuch)
nicht zu verwechseln mit Zugabe, vgl. unten III
8. Ausnutzung menschlicher Schwächen und Vorzüge ("Verlockung", "Gefühlsausnutzung"; "übertriebenes Anlocken")
- es besteht Gefahr einer derart unsachlichen Beeinflussung, daß die
freie Entschließung der Umworbenen in dem Sinn beeinträchtigt wird, daß
diese sich dem Werbenden und seinen Produkten zuwenden, ohne sich
nach Qualität und Preiswürdigkeit der Hauptleistung zu orientieren
- Ausnutzung des Spiel- und Gewinntriebs ("aleatorische Reize")
- darf nur der Aufmerksamkeitswerbung dienen
- keine Kopplung mit Warenerwerb, keine Täuschung über Wert
des Gewinns oder unzutr. Eindruck, man habe bereits gewonnen
- z.B. Preisausschreiben BGH GRUR 1989, 434 (Gewinnspiel)
- Versprechen besonderer Vorteile
- Kundenbeförderung, BGH GRUR 1972, 603 (Kunden- Einzelbeförderung)
- BGH GRUR 1993, 774 (Hotelgutschein)
- Ausnutzung von Bestechlichkeit (§ 12 UWG)
9. Belästigung
- Ansprechen auf der Straße (stets wettbewerbswidrig)
☞
- Brief-, Telefon-, Telefax- und Btx-Werbung (praktisch sehr relevant!!)
als Privabrief getarnte Werbung unzulässig, BGH GRUR 1973, 552
(Briefwerbung)
Btx-Werbung muß nach Art. 8 Btx-StV mit Buchstaben "W" gekennzeichnet sein, sonst Vorteilserlangung durch Rechtsbruch
(vgl. unten) oder unzumutbare Belästigung; BGH GRUR 1988, 614
(Btx-Werbung I)
bei Telefax-Werbung:ohne vorheriges ausdr. (privater Bereich)
oder mutmaßl. (gewerbl. Bereich) Einverständnis wettbewerbswidrig wg. Beinträchtig. der Nutzungsfreiheit des Geräts, OLG Hamm,
GRUR 1990, 689; BGH DB 1996, 573 (Telefax-Werbung)
31
bei direkter Ansprache per Telefon unzulässiger Eingriff in Privatsphäre (falls kein ausdrückl. Einverst.) bzw. unzul. Beeinflussung im geschäftl. Bereich (falls kein mutmaßl. Einverst.), vgl.
BGHZ 54, 188 (Telefonwerbung I); BGHZ 113, 282 (Telefonwerbung IV)
Grund: Nachahmungsfahr ( vgl. oben VIII.6)
Vgl. auch zum EU Recht EuGH in Sachen Alpine Investments,
NJW 1995, S. 2541
- Vertreterbesuche
zwar grds. zulässig (vgl. HTWG), aber strenge Maßstäbe an Kundenbeeinflußung
- Zusendung unbestellter Ware
Postzusteller hat Sperrvermerke (Robinsonzeichen) zu beachten;
für Restgefahr der unerwünschten Sendung haftet Auftraggeber
nicht, BGH GRUR 1992, 617 (Briefkastenwerbung)
☞
- exzessive Werbung
geschmacklos, schreiend, obszön, schockierend: es fehlt jeder
Sachbezug zwischen Produkt und Werbung, BGH NJW 1995,
2492 (Benetton-HIV-Positive); BGH NJW 1995, 2486 (Busengrapscher/Schlüpferstürmer)
10. Mittelbarer Zwang ("psychologischer Kaufzwang")
- der Werbende nimmt auf die Willensentscheidung des Umworbenen mit
außerhalb der Sache liegenden Mitteln, Umständen und Auswirkungen in
einem solchen Maße Einfluß, daß der Umworbene auf Grund dessen zumindest "anstandshalber" nicht umhin kann, auf das Angebot einzugehen, BGH GRUR 1989, 757 (McBacon)
- Gefühlsausnutzung (Mitleid etc.)
BGH NJW 1995, 2488 (Benetton - Ölverschmutzte Ente); BGH NJW
1995, 2490 (Benetton - Kinderarbeit)
- Angstwerbung
vgl. BGH GRUR 1986, 902 (Angstwerbung: "Erkältung und grippale Infekte überrollen Berlin - sofort besorgen")
- Einspannen von Privatpersonen zur Absatzförderung (Laienwerber);
vgl. BGH GRUR 1995, 122 (Laienwerbung für Augenoptiker)
32
- Gefahr des unsachlichen psychologischen Zwangs
BGH GRUR 1959, 285 (Bienenhonig); BGH NJW 1992, 2419 (verdeckte
Laienwerbung); Grund: Nachahmungsgefahr (vgl. oben VIII.6.a )
- Progressive Kundenwerbung ("Schneeballsystem", § 6c UWG)
11. Unmittelbarer Zwang ("Nötigung")
selten, typischer Fall: Einsatz von Autoritätspersonen (Schulleiter, Lehrer
etc., vgl. die Dikskussion um Werbung an der Schule)
II. Mitbewerberbezogener Lauterkeitsschutz
1. Behinderung
- Aufforderung zur Liefer- und Bezugssperre ("Boykott")
Aufforderung an einen Dritten oder Absprache mehrerer untereinanander, ein bestimmtes Unternehmen vom üblichen Geschäftsverkehr auszuschließen oder gegen es in einer Weise vorzugehen,
die seinen Geschäftsablauf empfindlich stören würde (vgl. § 21
GWB);
wegen (teilweiser) Ausschaltung des Leistungswettbewerbs grds.
Verstoß gegen § 1 UWG, BGH GRUR 1980, 242 (Denkzettelaktion)
auch bei Berufung auf Art. 5 GG unzulässig, wenn eigene wirtschaftl. Interessen verfolgt werden, BGH 1985, 468 (IdealStandard);
ausnahmsweise zulässig, wenn "Mittel des geistigen Meinungskampfes in einer die Öffentlichkeit wesentl. berührenden Frage",
BVerfGE 25, 256, 264 (Blinkfüer); aber auch dann keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen, OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 52;
53 (Boykottaufruf Tierschutzverein gegen Pelzbranche)
- Preisunterbietung
als "gezielte Kampfpreisunterbietung", die allein auf Verdrängung
oder Vernichtung des Mitbewerbers zielt (Verdrängungszweck,
schwer nachzuweisen!!) unzulässig, Benrather Tankstellenfall, RGZ
134, 342; BGH GRUR 1990, 687 (Anzeigenpreis II)
33
bloßer Verkauf unter Einstandspreis ist nicht per se unzulässig; zusätzliche Umstände stets erforderlich, BGH GRUR 1990, 371
(Preiskampf)
- Absatz- und Werbebehinderung
- Abwerben von Kunden und Mitarbeitern ("Ausspannen")
Kundenkreis ist grunds. nicht wettbewerbsrechtl. geschützt; Abwerben ist wettbewerbsimmanent (vgl. oben)
unzul. bei irreführenden o. unsachlichen Angaben, Verleitung zum
Vertragsbruch durch Honorierung o. Versprechen von bes. Vorteilen, direkte Kündigungshilfe (Vorformulierung des Kündigungsschreibens) oder bei gezielter Aktion gegen einen bestimmten
Konkurrenten
Mitarbeiter:
Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung grds. zulässig, BGHZ 110, 156, 171 (HBV);
nicht aber: unzulässige Beeinflußung des Arbeitnehmers (Aufsuchen in Privatwohnung, OLG Karlsruhe,GRUR 1963, 80) oder
planmäßige Abwerbung nach Abwerbungsplan zur Gefährdung o.
Schädigung des betroffenen Unternehmens (BGH GRUR 1961,
482, Spritzgußmaschinen)
- Diskriminierung
- Geschäftsehrverletzungen
- Anschwärzung, Geschäftliche Verleumndung (§§ 14f UWG)
☞
2. Alleinstellungswerbung:
- Anregung zum Vergleich entspricht Wesen des freien Wettbewerbs,
daher allenfalls Verstoß gegen § 3 UWG
- entweder Alleinstellung oder Zugehörigkeit zur Spitzengruppe ("einer
der größten....")
- stets unzulässig, wenn unwahr (§ 3): „einmaliges Sonderangebot", "unschlagbar", "Spitzenerzeugnis", "absolute Spitze", "der Größte", "die Nr.
1" etc., vermittelt Vorstellung einer technischen o. wirtschaftlichen Spitzenstellung i.S einer objektiv nachprüfbaren Aussage, BGH GRUR 1975,
141(Unschlagbar); erforderlich ist deutlicher Vorsprung in allen in Betracht kommenden Beziehungen mit deutlichem Abstand gegenüber Mitbewerbern (bei Alterswerbung ["älteste"] auch zeitlicher Abstand) und
Aussicht auf gewisse Stetigkeit, BGH GRUR 1991, 850 (SpielzeugAutorennbahn).
34
- bei Spitzengruppe muß Unternehmen zu den führenden Geschäften
gehören und mit diesen eine in sich geschlossene Gruppe bilden, BGH
GRUR 1969, 415 (Kaffeerösterei); GRUR 1970, 425 (Melitta-Kaffee: Es
gibt keinen besseren")
- Ausnahme: Verkehr versteht Angabe als übliche Werbeübertreibung,
reklamehafte Übertreibung, humoristische Anpreisung, OLG Köln, GRUR
1983, 135 (König Pilsner: Qualität in reinster Form); oder bloßes Werturteil, BGH GRUR 1965, 365 (Lavamat II: "Den und keinen anderen")
- Achtung: häufig Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten nach
§ 242 BGB, weil Kläger innerbetriebliche Verhältnisse des Beklagten
nicht bekannt, BGH GRUR 1985, 140, 142 (Größtes Teppichhaus der
Welt)
3. Unlautere Ausnutzung fremder Leistung (Ausbeutung)
- Unlautere Nachahmung
- Unmittelbare Leistungsübernahme
z.B. identische Übernahme eines fremden Informationsdienstes, BGH
GRUR 1988, 308
- Nachahmende Leistungsübernahme
- Rufausbeutung ("Anlehnung")
- Ausbeutung fremder Werbung
- Die berühmte Marke
- Ausbeutung fremder Geheimnisse und Vorlagen (§§ 17 - 20a UWG)
☞
4. Vergleichende (bezugnehmende) Werbung
a. früheres Recht:
- Grundsatz nach früherem Recht: auch die wahre vergleichende Werbung ist grundsätzlich wettbewerbsfremd und damit unlauter, BGH
GRUR 1989, 668, 669 (Generikum-Preisvergleich);
Ausnahmen unter zwei Voraussetzungen:
hinreichender Anlaß: a) Interessen des Werbenden: Abwehrvergleich,
BGH GRUR 1967, 308 (Backhilfsmittel); b) schutzwürdiges Aufklärungs35
bedürfnis der Allgemeinheit; c) schutzwürdiges Informationsinteresse der
Abnehmer (Marktbereich ist Neuland oder Verbesserung der Marktransparenz, vgl. BGHZ 49, 325 (40% können sie sparen); d) ausdrückliches
Verlangen des Kunden: Auskunftsvergleich; e) allg. Vergleich verschiedener Fertigungs-, Vertriebs-, Arbeitsmethoden: Systemvergleich
Grenzen des nach Art und Maß Erforderlichen dürfen nicht überschritten
werden: unnötige Herabsetzung, unnötige Namensnennung; keine pauschale Abwertung, vgl. BGH GRUR 1984, 823 (Charterflugesellschaft)
anlehnende vergleichende Werbung ist wg. Ausbeutung des Erfolgs und
guten Rufs der Konkurrenz grds. unzulässig; wird von Rspr. streng gehandhabt, BGH WRP 1989, 572 (Bioäquivalenzwerbung)
praktisch wichtiger Sonderfall: Werbung mit Testergebnissen:
- Fundstelle ist stets anzugeben, BGH GRUR 1991, 679
- liegt beworbene Note unter Durchschnitt, sind alle übrigen Noten
(ohne Namen) anzugeben, BGH BGH GRUR 1982, 437 (Test gut)
- Stiftung Warentest hat Empfehlungen zur Werbung mit
Testergebnissen herausgegeben, vgl. nächste Seite
b. neues Recht:
Richtlinie 97/55/EG vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie
84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, AmtsBl. L 290/18 (vgl. Sack, GRUR Int. 1998, S.
263ff);
-
unterschiedliche Handhabung der vergleichenden Werbung in
den einzelnen Mitgliedsstaaten gefährdet freien Waren- und
Dienstleistungsverkehr;
-
ein Vergleich, der sich lediglich auf den Preis von Waren oder
Dienstleistungen bezieht, sollte zulässig sein, wenn er nicht irreführend ist;
-
es sollen Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung
geschaffen werden, diese Bedingungen sollen Kriterien beinhalten, die einen objektiven Vergleich der Eigenschaften von
Waren und Dienstleistungen ermöglichen;
-
Vergleiche zwischen Waren und Dienstleistungen, die von Mitbewerbern angeboten werden, sollen nur zulässig sein, wenn
diese den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung
erfüllen sollen,
36
BGH hat bereits vor Ablauf der in der RiLi vorgegebenen 30-monatigen
Umsetzungsfrist den § 1 UWG im Lichte der RiLi frühzeitig (!) richtlinienkonform ausgelegt, Grund: Rspr. des EuGH, wonach Mitgliedsstaaten alle
Maßnahmen zu unterlassen haben, die von der Zielsetzung einer Richtlinie wegführen, erfordert Vorwegnahme der RiLi durch Auslegung der Generalklausel, BGH WM 1998, S. 1693
Deutsches Umsetzungsgesetz zur RiLi 97/55 soll in diesem Sommer in
Kraft treten.
Empfehlungen der Stiftung Warentest zur „Werbung mit Testergebnissen“ vom
Oktober 1982.
Nachfragemacht
1. Jede Verwendung von Urteilen der Stiftung Warentest sollte so geartet sein,
dass beim Verbraucher falsche Vorstellungen über die von der Stiftung vorgenommenen qualitative Beurteilung des beworbenen Produkts entstehen können.
Dazu gehört:
• dass die Aussagen in der Werbung, die sich auf den Test beziehen, abgesetzt sind von anderen Aussagen des Werbenden,
• dass die Testaussagen der Stiftung vom Werbenden nicht mit eigenen Worten umschrieben werden,
• dass die Urteile der Stiftung kennzeichnende Terminologie nicht auch bei solchen Werbeaussagen verwendet wird, die sich nicht auf Testaussagen der
Stiftung beziehen,
• dass günstige Einzelaussagen nicht isoliert angegeben werden, wenn andere
weniger günstig sind,
• dass in jedem Fall auch das Gesamturteil mitgeteilt wird.
2. Der Test sollte nicht mit Produkten in Zusammenhang gebracht werden, auf die
er sicht nicht (oder nicht mehr) bezieht. Dazu gehört:
• dass der Test nicht durch einen neueren Test oder durch eine erhebliche
Veränderung der Marktverhältnisse überholt ist,
• dass das Produkt sich seit dem Test nicht in Merkmalen geändert hat, die
Gegenstand des Tests waren,
• dass das Testurteil für ein baugleiches Produkt, welches vom Testbericht
nicht erfasst war, nicht ohne Erwähnung des getesteten Produkts verwendet
wird,
• dass die Übertragung eines Testurteils auf nicht getestete Produkte weder
vorgenommen noch dem Verbraucher nahegelegt wird.
3. Die Angaben über Testurteile sollen leicht und eindeutig nachprüfbar sein. Dazu
gehört, dass in der Werbung Monat und Jahr der Erstveröffentlichung angegeben wird.
4. Der Rang des Urteils des beworbenen Produkts im Test sollte insbesondere
dann erkennbar gemacht werden, wenn ein besseres Urteil vergeben worden ist.
37
5. Benutzung geschäftlicher Kennzeichen
Achtung!! nach Aufhebung des WZG und des § 16 UWG ist das Kennzeichenschutzrecht (Marken, geschäftliche Bezeichnungen, geographische Herkunftsangaben) seit dem 1.1. 1995 im Markengesetz geregelt.
- Marken (§ 1 Nr. 1 i.Vb.m.§ § 3f, 7ff MarkenG; früher §§ 24f WZG)
- Geschäftliche Bezeichnungen ("Unternehmenskennzeichen" und
"Werktitel"; § 1 Nr. 2 i.Vb.m. §§ 5 MarkenG; früher: 16 UWG)
- geographische Herkunftsangabe (§ 1 Nr. 3 MarkenG)
- Name (§ 12 BGB)
- Firma (§ 37 Abs. 2 HGB)
III. Marktbezogener Lauterkeitsschutz ("Marktstörung"; "Allg. Marktbehinderung")
1. Massenverteilung von Originalwaren ("Marktverstopfung")
unzulässig, wenn kostenlose Verteilung zu vollständiger oder weitgehender
Marktsättigung führt und über Probe- oder Werbezweck hinaus geht
☞
2. Gratislieferung von Presseerzeugnissen
kostenlose Abgabe von Anzeigeblätter an sich zulässig; anders nur, wenn
redaktioneller Teil des Blattes so gestaltet ist, daß er die kommerzielle
Tagespresse in ihrem durch Art. 5 GG geschützten Bestand gefährdet,
BGH GRUR 1971, 477 (Stuttgarter Wochenblatt II); abhängig von Umfang
des redaktionellen Teils (deutlich unter 50% des Gesamtumfangs) und
Inhalt (darf nicht annähernd vollständig sein und an öffentlicher Meinungsbildung mitwirken)
vgl. auch den „Kölner Pressekrieg“ 1999/2000
IV. Vorsprung durch Rechtsbruch
1. Verstoß gegen wettbewerbsbezogene Normen (stets wettbwerbswidrig; Vorsprungsgedanke irrelevant)
- Rabattgesetz
Verhinderung der Wettbewerbsverzerrung durch Gewährung von
Sondervorteilen an einzelne Kunden oder Kundengruppen aus in
ihrer Person liegenden Gründen (subjektive, personenbezogene
Preisnachlässe)
38
gilt nicht für objektive Preisnachlässe, die jedem Kunden ohne Ansehen der Person gewährt werden (vgl. §§ 7, 9 Nr. 2)
Preisnachlaß (Rabatt) = Normalpreis (§ 1 Abs. 2) minus Ausnahmepreis
zulässig sind 3% "Barzahlungsrabatt" (§ 2) und "Mengenrabatte"
(§§ 7f)
Rabattgesetz soll aufgehoben werden, um Nachteile für deutsche
Händler durch geplante EU-Richtlinie zum elektronischen Warenverkauf zu verhindern
- Zugabeverordnung
Verbot des Gewährens einer unentgeltlichen Nebenware, die mit
der Hauptware dergestalt in einem inneren Zweckzusammenhang
(Akzessorietät) steht, daß die Gewährung der Nebenware vom Erwerb der Hauptware abhängig ist
auch bei Scheinentgelt (§ 1 Abs. 1 S. 2) und Gesamtpreis ("Kopplungsangebote", § 1 Abs. 1 S. 3)
Ausnahmen in § 1 Abs. 2; Achtung: auch ausnahmsweise zulässige Zugabe darf nicht als unentgeltlich ("gratis", "Kostenlos" etc.)
bezeichnet werden, § 1 Abs. 3)
- Kennzeichnungsvorschriften (vgl. oben I.)
- Vorschriften über besondere Verkaufsveranstaltungen (§§ 7 f. UWG; vgl.
oben I.5)
- Verstoß gegen §§ 14, 81 GWB, BGH GRUR 1978, 445, 446 (4 zum
Preis von 3)
2. Verstoß gegen wettbewerbsneutrale Normen (wettbewerbswidrig, wenn zusätzlich wettbewerbsrelevantes Verhalten oder Auswirkungen, die Vorsprung
gegenüber Mitbewerbern begründen)
- LadenschlußG
- Handwerksordnung
- PreisAngVO
- § 138 BGB (Wucherzinsen verschaffen einer Teilzahlungsbank
Wettbewerbsvorsprung, KG WRP 1980, 492; vgl. allg. zum
Verhältnis Vertragsrecht - UWG oben V)
39
3. Verstoß gegen Handelsbräuche, Standesauffassungen u. Wettbewerbsregeln
- wertneutral, daher wettbewerbswidrig nur, wenn ungerechtfertiger Vorsprung
- wenn kein Gesetz (Standesrichtlinien, Handelsbräuche) nur Indiz dafür,
was im betreffenden Beruf oder der Branche der Berufsanschauung entspricht, BGH GRUR 1977, 257, 259 (Schaufensteraktion); GRUR 1991,
462 (Wettbewerbsrichtlinie der Privatwirtschaft)
4. Verletzung von vertraglichen Vertriebsbindungssystemen
- Schnittstelle zum Kartellrecht (GWB, Art. 81f (85f a. F.) EG-Vertrag): es
geht nur um Verträge, die das Verhalten aller Mitbewerber regeln (Preisbindungssysteme, Ausschließlichkeitsbindungen, Alleinvertriebsbindungen, Selektive Vertriebsbindungen; vgl. 2. Teil des Skripts)
- Verträge müssen nach GWB wirksam sein
- Vertragsbruch des vertraglich gebundenen Wettbewerbers kann wettbewerbswidriger Vorsprung sein
- Vertraglich nicht gebundener Außenseiter handelt wettbewerbswidrig
nur bei:
Verleitung gebundener Händler zum Vertragsbruch
Beschaffung von vertriebsgebundener Ware durch Tarnung,
Täuschung oder Strohmanneinsatz ("Schleichbezug")
Ausnutzen fremden Vertragsbruchs
- Typisches Beispiel: Entfernung von Codiernummern
- Grundvoraussetzung: gedankliche und praktische Lückenlosigkeit des
Vertriebssystems, BGH WRP 1985, 555 (Vertriebsbindung); GRUR
1989, 832 (Schweizer Außenseiter); GRUR 1992, 627 (Pajero)
- faktisches Vertriebssystem ohne Vertriebsbindungsvertrag nicht geschützt, BGH GRUR 1988, 327, 329 (Cartier-Uhren I)
X. Arbeiten mit den Fallgruppen: Fallbeispiele
40
XI. Aktivlegitimation
1. Der Verletzte (bei konkretem Wettbewerbsverhältnis)
2. Mitbewerber (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG; abstraktes Wettbewerbsverhältnis);
Achtung: seit UWG-Novelle 1994 Klageberechtigung eingeschränkt, "Gewerbetreibende auf demselben Markt"; ist im räumlich-geographischen Sinn zu verstehen; meist ist Klageberechtigung auf örtlichen Markt beschränkt; Wettbewerbsverstöße auf anderem örtlichen Markt können daher nicht verfolgt werden,
vgl. Begründung des RegE, WRP 1994, 369,377; "Eignung, Wettbewerb auf
diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen", gilt für alle Fälle der §§ 1, 3, 4,
6ff, 7, 8, 12 UWG; hängt von Anreizwirkung für Kaufentscheidung, Größe des
erzielten Wettbewerbsvorsprungs, Interesse der Allgemeinheit einschl. der Verbraucher etc. ab, BGH GRUR 1995, 122, 124 (Laienwerbung für Augenoptiker)
3. Verbände (§ 13 Abs. 2 Nr. 2ff UWG);
Achtung: seit UWG-Novelle 1994 Klageberechtigung eingeschränkt: "soweit ihnen eine erheblich Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder
gewerbliche Leistungen auf demselben Markt vertreiben..."; Verband muß
eine für die Verfolgung des Wettbewerbsgeschehens auf dem Markt repräsentative Anzahl von Mitgliedern der betreffenden Branche aufweisen; betroffene
Verbandsmitglieder müssen nach Anzahl, Marktanteil und wirtschaftlicher Bedeutung mißbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausschließen, Begr. RegE,
WRP 1994, 378; es genügt, daß Dachverband (z.B. Zentrale zur Bekämpfung
unlauteren Wettbewerbs e.V; Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e.V.)
Verbände (IHK; DIHT etc.) angehören die ihrerseits klagebefugt sind ("indirekte
Mitgliedschaft"), BGH GRUR 1995, 122 (Laienwerbung für Augenoptiker)
4. Mißbrauch der Klagebefugnis (§ 13 Abs. 5 UWG; "Abmahnvereine")
XII. Passivlegitimation
- Täter der Wettbewerbshandlung (Störer)
weit auszulegen, nicht nur der unmittelbar Handelnde, auch Anstifter, Gehilfen (§ 830 Abs. 2 BGB)
z.B. für Anzeigen auch Zeitungsimporteur oder Verleger, Busunternehmer
bei Werbefahrten, Betriebsinhaber haftet neben Angestellten ohne Entlastungsmglkt. bei Abwehranspüchen (§ 13 Abs. 4; gilt nicht für Schadensersatzansprüche, dort ist § 831 BGB anwendbar)
bei Gesellschaften Organhaftung nach §§ 30, 31, 89 BGB
41
XIII. Anspruchsarten
Achtung:
Verletzte kann alle Arten von Ansprüchen geltend machen; Verbände
können nur Unterlassungs- und sonstige Abwehransprüche geltend machen (§ 13 Abs. 2, vgl. insbes. Nr. 3 S.2)
1. Unterlassungsanspruch
☞
praktisch am wichtigsten, kein Verschulden erforderlich
a. Wiederherstellender Anspruch
- konkrete Verletzungshandlung
- Wiederholungsgefahr (wird bei Rechtsverletzung tatsächlich
vermutet)
- Wiederholungsgefahr fällt erst weg, wenn Verletzer sich unter
Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall des
schuldhaften Zuwiderhandels zur Unterlassung verpflichtet, BGH
GRUR 1983, 127, 128 (Vertragsstrafeversprechen)
b. Vorbeugender Anspruch
- Begehungsgefahr erforderlich: drohende Verletzungshandlung
muß sich in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, daß eine
zuverlässige rechtliche Beurteilung möglich ist (z. B. konkrete
Vorbereitungshandlungen, "Berühmung" = Behauptung der
Rechtsinhaberschaft)
2. Beseitigungsanspruch
- verschuldensunabhängig, aber praktisch nicht sehr häufig, da es meist im Belieben des Störers steht, wie er Rechtsverletzung beseitigt
3. Widerruf und Richtigstellung erwiesener unrichtiger Tatsachenbehauptungen
- verschuldensunabhängig, strenge Anforderungen
4. Urteilsveröffentlichung (§ 23 UWG)
- geringe praktische Bedeutung
42
5. Auskunftsanspruch
- aus § 242 BGB, wenn der Verletzte ohne Verschulden über seine Rechte im
Unklaren ist und Beklagte unschwer Auskunft erteilen kann (Informationsungleichgewicht)
6. Schadensersatz (vgl. §§ 1, 13 Abs. 6, 14 Abs. 1, 19 UWG; § 2 Abs. 2 ZugabeVO;
§ 12 RabattG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB)
- Verschulden erforderlich (außer bei § 14, Gefährdungshaftung):
strenge Anforderungen, Kenntnis der Tatumstände genügt (vgl. oben VIII.6.b),
Verlassen auf bisherige höchstrichterliche Rspr. schließt Verschulden aus, BGH
GRUR 1961, 97 (Sportheim)
- Umfang des Schadensersatzes:
Wiederherstellung (§ 249 BGB)
Geldersatz (§ 251 BGB), z.B. Marktverwirrungsschaden
- Grundsätze der dreifachen Schadensberechnung:
entgangener Gewinn (§ 252 BGB) - schwer zu berechnen
Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr, wenn verletztes Recht
üblicherweise gegen Lizenzzahlung gewährt wird ("Lizenzanalogie");
bei immaterialgüterähnlichen Rechten wie Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen nach §§ 17f UWG, Know-How, Kundenlisten, geschäftl. Kennzeichen
Herausgabe des Verletzergewinns (§§ 687 Abs. 2, 667 BGB, § 97
UrhG; gewohnheitsr. anerkannt bei immaterialgüterähnlichen Rechten); Gewinn ist Reingewinn nach Abzug der Gemeinkosten
Vgl. BGHZ 119, 20, 26 (Tchibo/Rolex)
7. Verjährung
- §§ 21 UWG, § 14 DVO RabattG; § 2 Abs. 4 ZugabeVO = sechs Monate
43
XIV. Prozessuale Besonderheiten
1. Abmahnung
☞
- praktisch hoch relevant!!!!!!!!
- Antragsteller verhindert mit Abmahnung Kostentragungslast nach § 93
ZPO
- nur in Ausnahmefällen entbehrlich (Erfolglosigkeit, Unzumutbarkeit)
- Zugang nicht erforderlich, da prozessuale Obliegenheit
- keine Formerfordernisse; vgl. Muster-Abmahnung auf folgender Seite
- enthält üblicherweise Aufforderung zur Abgabe eines angemessenen
Vertragsstrafeversprechens, häufig 10.001 DM (wegen Streitwertgrenze
§ 23 Nr. 1 GVG, Kammer für Handelssachen, § 96 Abs. 1 GVG!)
- Kosten für berechtigte Abmahnung ersatzfähig nach § 13 Abs. 6 oder
bei Verbänden aus GoA (§§ 683, 677, 670 BGB)
Muster einer Abmahnung:
Einschreiben / Rückschein
An die Firma X
........ Geschäftsleitung
Unsere Mandantin, die Firma Y...., hat festgestellt, dass Sie in jüngerer Zeit die Aussage in Ihre Werbung aufgenommen haben „Es gibt kein besseres Bier“. Diese Werbeaussage wird vom Publikum falsch, nämlich als Alleinstellungsberühmung, verstanden
und ist daher irreführend.
Dadurch verletzen Sie Rechtsvorschriften, die der Regelung des lauteren Wettbewerbs
dienen und deren Verletzung folglich auch unsere Mandantin beeinträchtigt.
Zur Begründung führen wir folgendes aus:.....
Wir weisen Sie darauf hin, dass unsere Mandantin entschlossen ist, gegen dies
Rechtsverletzung nötigenfalls auch gerichtlich vorzugehen, wenn Sie sich nicht aufgrund unserer Abmahnung zur Unterlassung Ihres Verhaltens verpflichten. Wir informieren Sie ferner, darüber, dass Sie nur durch Abgabe einer mit Vertragsstrafeversprechen versehenen Unterlassungsverpflichtungserklärung die aus Ihrem oben
aufgeführten Verhalten folgende Wiederholungsgefahr beseitigen und damit das
gerichtliche Verfahren verhindern können.
Wir fordern Sie demgemäß auf, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben,
dass Sie sich bei Vermeidung einer für jeden schuldhafter Zuwiderhandlung von
uns (von unserer Mandantin) nach billigem Ermessen festzusetzenden, im Streit44
fall vom Landgericht ... zu überprüfenden Vertragsstrafe verpflichten, in Zukunft
zu unterlassen, für Ihr Bier mit dem Werbeslogan „Es gibt kein besseres Bier“ zu
werben.
Wir setzen Ihnen für die Abgabe dieser Unterlassungsverpflichtungserklärung eine Frist
bis zum ....
Unserer Mandantin steht ferner Ihnen gegenüber ein Schadensersatzanspruch zu, da
Sie in schuldhafter Weise ..... gegen die oben genannten Rechtsvorschriften verstoßen
haben. Der Schaden unserer Mandantin lässt sich noch nicht endgültig beziffern, da
unserer Mandantin die Kenntnis fehlt, in welchem Umfang die unzulässigen Handlungen von Ihnen begangen worden sind. Damit wir die Höhe des unserer Mandantin
zustehenden Schadensersatzanspruchs berechnen können, fordern wir Sie daher auf,
uns mitzuteilen, in welchem Umfang Sie die oben näher beschriebenen unzulässigen
Handlungen begangen haben. Sie sind verpflichtet, darüber Auskunft zu geben, in
welchem Umfang und in welchen Meiden Sie diese unzulässige Werbung betreiben
haben.
Der Schaden besteht insbesondere in den Kosten anwaltlicher Inanspruchnahme, die
unserer Mandantin durch unsere Einschaltung in dieser Sache entstehen. Unabhängig
von einem weitergehenden Schadensersatzanspruch, den zu beziffern nach der von
Ihnen zu erteilenden Auskunft unsere Mandantin sich vorbehält, sind Sie zu dieser
Kotentragung in Höhe der unten angegebenen Rechnung verpflichtet.
Quelle: Schütze/Weipert (Hrsg.), Münchener Vertragshandbuch, Bd. 3, Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 1992, S. 1185f.
2. Unterwerfungserklärung
- Reaktion des Verletzers auf Abmahnung
- keine Formerfordernisse
- läßt Unterlassungsverpflichtungsvertrag zw. Störer und Abmahnenden
zustandekommen
- eine Unterwerfungserklärung läßt Wiederholungsgefahr gegenüber allen
Anspruchsberechtigten als materielle Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs entfallen!! (aber: Verstoß gegen Unterwerfungserklärung begründet neue Wiederholungsgefahr!)
3. Einstweilige Verfügung (§§ 25 UWG, §§ 936, 916ff ZPO)
☞
- praktisch hoch relevant (ca. 65% aller Verfahren)!!!!!!!
- kann auch an Kammer für Handelssachen gerichtet werden (§ 95 Abs.
1 Nr. 5 GVG); Vorteil: bessere Sachkunde der Richter (vgl. §§ 105, 114
GVG)
45
- Dringlichkeit wird grds. vermutet (§ 25 UWG)
- als Verfügungsanspruch kommt praktisch nur Unterlassungsanspruch in
Betracht, da einstw. Rechtschutz nicht zur endgültigen Befriedigung des
Antragstellers führen darf
- Antrag muß konkrete Verletzungshandlung bezeichnen; Verallgemeinerungen nur zulässig, wenn sie vom Kern ("Kerntheorie") der Verletzungshandlung noch umfaßt sind
- Antragsgegner reicht häufig "Schutzschrift" bei Gericht ein; wird von
Gericht bei Entscheidung, ob mündl. Verhandl. (§ 937 Abs. 1 ZPO) berücksichtigt
- vor Klageerhebung hat Kläger "Abschlußschreiben" mit Aufforderung
zur Anerkennung der einstw. Verfg. an Verletzer zu richten, sonst Risiko
der Kostentragung nach § 93 ZPO
4.
Gerichtsstand: § 24 Abs. 2 UWG
Achtung: Gerichtsstand des Tatorts in § 24 Abs. 2 S. 1 UWG ist durch
UWG-Änderungsgesetz von 1994 für Klagen von Verbänden außer Kraft
gesetzt, es sei denn, Beklagte hat im Inland keinen Wohnsitz (§ 24 Abs. 2
S. 2 UWG); Grund: Verhinderung von Mißbrauch durch Abmahnvereine!
46
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