Prof. Dr. Klaus Peter Berger, LL.M. Central Wettbewerbs- und Kartellrecht Skript zur Vorlesung Wettbewerbs- und Kartellrecht Einführung und 1. Teil Center for Transnational Law Einführung (wichtige Grundsätze und Passagen sind mit ☞gekennzeichnet) I. Literatur siehe gesonderte Literaturliste II. Der wirtschaftliche Wettbewerb als gemeinsames Schutzobjekt von UWG und GWB - "Wettbewerb" = "Konkurrenz" - allg. Umschreibung (keine Definition!!) des Wettbewerbs: "Eine Veranstaltung, an der mehrere Personen, Gruppen oder Organisationen...im Rahmen einer bestimmten Aufgabenstellung oder Zielsetzung in dem Bestreben teilnehmen, die jeweils beste Leistung bzw. den größten Erfolg zu erzielen oder Sieger zu werden. Der Wettbewerb kann nicht nur als Vorgang aufgefaßt werden (W.-Prozeß), sondern auch als auf Rivalität beruhende Beziehung zwischen Personen, Gruppen oder Organisationen sowie als gesellschaftliches Ordnungsprinzip." (Quelle: Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl. 1994, Bd. 24, S. 115) 1. Besonderheiten des wirtschaftlichen Wettbewerbs - besondere Kennzeichen des wirtschaftlichen Wettbewerbs: - keine festen Spielregeln - keine gleichen Ausgangspositionen - Substituierbarkeit und Heterogenität der Waren und Leistungen - wirtschaftlicher Wettbewerb berührt nicht nur Wettbewerber - Wettbewerb als Koordinator des Marktgeschehens ist kein statischer (so die frühere Wettbewerbstheorie, die nach statischen Marktformen differenzierte), sondern dynamischer Prozeß (Vorstößen einzelner "Pionierunternehmen" folgen Verfolgungsaktionen anderer "Nachahmer" usw.) - funktionsfähiger Wettbewerb setzt stets unvollkommenen Markt voraus (geringe Zahl der Marktteilnehmer, Heterogenität der Güter, Preisdifferenzen, unzulängliche Markttransparenz; Marktzugangsbehinderungen) "workable competition" als normatives Leitbild 1 - Leitbild des ökonomisch rational handelnden Kunden (homo oeconomicus) ist unbrauchbar (vgl. Fezer, JZ 1986, S. 817ff einerseits und Kirchgässner, JZ 1991, S. 104 andererseits) - Folge: komplexes Verhältnis von Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergenisses macht exakten Voraussagen darüber, welche Wirkungen bestimmtes Marktverhalten habe wird, unmöglich; ökonomische Theorien und Modelle als normative Leitbilder kaum brauchbar, vgl. allg. zur Unschärfe der "ökonomischen Analyse des Privatrechts" Horn, AcP 176 (1976), 307ff a. Planwirtschaft - Marktwirtschaft - in planwirtschaftlichem Wirtschaftssystem wird Wettbewerb als "Leistungsstimulanz" eingesetzt - in marktwirtschaftlichen Systemen dient Wettbewerb auch als Ordnungsprinzip für die gesamte Volkswirtschaft b. Wettbewerbsfreiheit - Wettbewerbsfreiheit als Grundvoraussetzung für funktionsfähigen Wettbewerb - Inhalt: freier Zugang zum Markt und Möglichkeit (potentieller Wettbewerb) freier wirtschaftlicher Betätigung ist Grundvoraussetzung für freien Wettbewerb - Handlungs- und Entscheidungsfreiheit jedes Marktteilnehmers wird nur durch entsprechende Freiheiten anderer Marktteilnehmer und Konkurrenten relativiert - Wettbewerbsfreiheit führt zu Ausleseprozeß: Kundenkreis kein per se geschütztes Rechtsgut; im freien Wettbewerb ist Eindringen in fremden Kundenkreis und Verhinderung seiner Vermehrung nicht ohne weiteres unerlaubt; Wettbewerb bringt vielmehr seiner Natur nach Beeinträchtigung der Mitbewerber mit sich - Wurzel der Wettbewerbsfreiheit liegt in Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs.1, Art. 14 GG, aber: GG ist nach h.M. wirtschaftspolitisch neutral! (BVerfGE 4, 7, 17) c. Funktionales Wettbewerbsverständnis statt Definition - Dynamik und Komplexität des wirtschaftlichen Wettbewerbs (vgl. oben vor 1) macht Definition unmöglich 2 - Ausgangspunkt für Anwendung von UWG und GWB ist funktionales Verständnis des Wettbewerbs ☞ 2. Das Leitbild des "Leistungswettbewerbs" - Förderung des Absatzes durch Einsatz und Hervorhebung der eigenen Leistung - Kunde muß in der Lage sein, durch Vergleich der Angebote frei zu wählen - Problem: wann schlägt Leistungs- in Nichtleistungswettbewerb durch Behinderung oder Marktverdrängung um? Beispiel: Preisunterbietung (Benrather Tankstellenfall) RGZ 134, 342 3. Doppeldeutigkeit des Leistungswettbewerbs - Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer: Vergleichbarkeit der Leistungen; Wettbewerb als "Such- und Entdeckungsverfahren" - Wettbewerbspolitisches Ordnungsprinzip: Wettbewerb als Institution einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung III. Unterschiedliche Schutzziele von UWG und GWB - beide Gesetze schützen die Wettbewerbsfreiheit (vgl. oben 1.b), aber mit unterschiedlichen Schutzzielen 1. UWG und Nebengesetze - Schutz gegen unlautere und unerlaubte Wettbewerbshandlungen Einzelner; Verhalten der konkurrierenden Marktteilnehmer soll "in den Bahnen des Anstands, der Redlichkeit und der guten kaufm. Sitten" gehalten werden ("Lauterkeitsschutz"), BVerfGE 32, 311, 316 (Grabsteinwerbung) 2. GWB - Schutz des Wettbewerbs als Institution (Freiheit des Wettbewerbs im Allgemeininteresse) gegen Ausschaltungen und Beschränkungen, welche die wirtschaftliche Betätigungs- und Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer einschränken (Institutionenschutz), BGHZ 13, 33, 37 (Warenkredit) 3 3. Verhältnis von UWG und GWB - beide Gesetze stehen nicht beziehungslos nebeneinander: zwischen Institutionenschutz und Lauterkeitsschutz besteht enger Funktionszusammenhang vgl. § 24 Abs. 1 GWB ("lauterer Wettbewerb") sowie § 33 GWB und § 13 Abs. 2 UWG andererseits - nach GWB verbotenes Verhalten kann unlauter nach § 1 UWG sein (Vorsprung durch Rechtsbruch), BGH GRUR 1978, 445, 446 (4 zum Preis von 3) - nach § 20 Abs. 2 GWB zulässiges Verhalten kann nicht nach § 1 UWG unlauter sein, es sei denn, es liegen weitere, die Wettbewerbswidrigkeit begründende Umstände vor, BGHZ 96, 327, 336 (Feld und Wald I) - Auslegung des UWG darf freiheitssichernde Zielsetzung des GWB nicht beeinträchtigen, BGHZ 28, 54, 58ff (Direktversand) - Ergänzungen und Überschneidungen insbes. bei Unlauterkeitstatbeständen, die Wettbewerb als Institution besonders gefährden, z.B. Marktbehinderung, Diskriminierung, Boykott, vgl. BGH GRUR 1985, 883, 886 (Abwehrblatt I); GRUR 1986, 397, 399 (Abwehrblatt II) 4 IV. UWG und GWB im System einer einheitlichen "Wettbewerbsrechtsordnung" Gewerblicher Rechtsschutz Schutz des geistig-gewerblichen Schaffens besondere Ausschließlichkeitsrechte Wettbewerbsrecht i.w.S. Immaterialgüterrechte, gewerbl. Schutzrechte Schutzrechte Schutzrechte technischen Charakters ästetischen Charakters PatentG, GebrMG GeschmacksmusterG Wettbewerbsrecht i.e.S. Kennzeichenrecht UWG + Nebenges. Name, Firma, geschäftl. Bezeich. Unternehmenskennzeichen, Werktitel (MarkenG, § 12 BGB) früher: § 16 UWG Lauterkeit des W. privatrecht. Schutz durch den Markt § 13 UWG, ausnahmsw. Strafnormen wirtschaftspol. neutral GWG Freiheit des W. öff-rechtl. Kartellverbote ausnahmsw. Individualschutz § 35 GWB wirtschaftspol. Zielsetzung: Schaffung einer freiheitl. Marktordng. Verhältnis UWG und GWG schließen sich nicht aus (Funktionszusammenhang) Wechselwirkungen Wertungen des GWB wirken sich auf UWG aus z.B. § 20 II GWB, keine Unbilligkt.=keine Unlautkt. nach GWB verbotenes Verh. kann unlauter (§ 1 UWG) sein vgl. auch § 24 Abs. 2 GWB!! 5 1. Teil: "Lauterkeitsrecht" ➔ UWG und Nebengesetze Achtung: Der Begriff "Lauterkeitsrecht" ist eigentlich zu eng; "Lauterkeit" meint Sittenwidrigkeit i.S. der großen Generalklausel des § 1 UWG; UWG und Nebengesetze schützen aber auch gegen "bloß" rechtswidrigen u. damit "unerlaubten" Wettbewerb, z.B. Irreführung (§ 3), Sonderveranstaltungen (§§ 7, 8), "Schmieren" (§ 12) I. Wirtschaftliche Bedeutung Werbung ist jedes Verhalten, das für objektiven Durchschnittsbetrachter und nach der Verkehrsauffassung darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistung des Werbenden oder eines Dritten, für den geworben wird, in Anspruch zu nehmen (BGH Brak.Mitt 1990, S. 173, 174) - Umsätze der Wirtschaft für Werbemaßnahmen: 1. nach Branchen Quelle: Wirtschaftswoche Nr. 42/1993, S. 59 6 2. nach Unternehmen Quelle: Süddeutsche Zeitung v. 4. März 1996, S. 17 - Möglichkeiten der Umsatzsteigerung durch Werbung ("Marketing"): Zweijahres-Übersicht der Werbeanteil/Absatzanteilrelation in Prozent bei a) neuen Haushaltswarenmarken und b) neuen Lebensmittelmarken Quelle: H. Meffert, Arbeitsunterlagen zur Integrierten Marktkommunikation, 1990/91, S. 34 7 II. Vorläufer und Entstehung des UWG; EU-Recht - Markenschutzgesetz v. 30.11. 1874, RGBl. S. 134 (Schutz der Warenzeichen aufgrund Anmeldung, zu eng) - §§ 15, 16 des Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnungen v. 12.5. 1894, RGBl. S. 441 (Schutzbereich zu eng, da nur Nachahmung einer fremden Ausstattung und Verwendung unrichtiger Ursprungsangaben, aber erstmals rein wettbwerbsrechtl. Bestimmung in § 16) - Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 27. 5. 1896, RGBl. S. 145 (enthielt in § 1 eine dem heutigen § 3 UWG vergleichbare Generalklausel;aber zu einzelfallorientiert, weil abschließende Aufzählung von Verbotstatbeständen; Rspr. behalf sich mit § 826 BGB, vgl. RGZ 48, 114, 119f (Frachttarife)) - zweites Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7.6.1909 RGBl. S. 449 (gilt mit Änderungen bis heute; enthält weite Generalklauseln in §§ 1 und 3) - letzte Änderung: UWG-Änderungsgesetz v. 1.8. 1994, BGBl. I, 1738: Abschwächung der Verfolgungsintensität unter dem Gesichtspunkt der "Standortsicherung Deutschland"; insbes. Einschränkung der abstrakten Klageberechtigung nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG ("auf demselben/ diesem Markt"; "soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört"); Ziel: Mißbrauchsvermeidung bei Bagatellverstößen; ☞ - EU-Recht: Richtlinien: Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung v.10. 9. 1984 (84/450/EWG; ABl. 1984, Nr. L 250, 17= GRUR Int. 1984, 688 in Deutschland nicht umgesetzt wg. §§ 3, 4 UWG) Richtlinie zur Änderung der Irreführungsrichtlinie zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung (97/55/EG; ABl. L 290/18), weicht von bisheriger Rspr. erheblich ab, vgl. v.Gamm, WRP 1991, 143, deutsches Umsetzungsgesetz tritt diesen Sommer in Kraft Rspr. des EuGH zu den Grundfreiheiten: Art. 28 (30 a. F.) EWG-Vertrag: Verbot der mengenmäßigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen sowie aller "Maßnahmen gleicher Wirkung" („measures having equivalent effect“) = jede hoheitl. Regelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen, grenzüber8 schreitenden Handel unmittelbar o. mittelbar tatsächlich o. potentiell zu behindern, EuGH, NJW 1975, 515 (Dassonville); weite Formel ergreift auch Werbeverbote und -beschränkungen, die Einfuhr nicht unmittelbar regeln; daher Einschränkung durch EuGH: keine "Maßnahme gleicher Wirkung", wenn Maßnahme erforderlich und geeignet ist, "der Lauterkeit des Handelsverkehrs gerecht zu werden", EuGH, NJW 1979, 1766 (Cassis de Dijon); diese Kriterien sind jedoch von vornherein nicht anzuwenden, wenn Verkaufsmodalitäten für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, die ihreTätigkeit im Inland ausüben, und den Absatz der inländischen und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich und tatsächlich in der gleichen Weise berühren; dann keine diskriminierende Marktzugangssperre, EuGH EuZW 1993, 770 (Keck und Mithouard); daher Art. 28 nicht anwendbar auf nationale Regelung, die Verkauf in Supermärkten an Sonn- und Feiertagen untersagt, EuGH EuZW 1994, 434 (Punto Casa); gilt nicht für Vorschriften, die Produktcharakteristika betreffen!! Vgl. auch Alpine Investments, EuGH NJW 1995, 2541. III. Regelungsziel: - Sicherung des freien Leistungswettbewerbs (vgl. oben Einführung II.3) gegen Verfälschung und Ausschluß ☞ Testfragen (als Wertungshilfe): - Kann der einzelne Verbraucher seine Marktentscheidung noch frei und ohne Verfälschung der Entscheidungsgrundlagen treffen? - Oder liegt Nichtleistungswettbewerb vor, weil einzelner Wettbewerber die Entschließungsfreiheit des Kunden durch unwahre Anpreisung, Einsatz nicht leistungsgerechter Mittel, Nachahmung oder Rufausbeutung, Mißachtung gesetzlicher Schranken oder sonstigen leistungswidrigen Einsatz wirtschaftlicher Macht beeinflußt? IV. Schutzbereich des UWG - rechtlicher Ansatzpunkt ist die unlautere Wettbewerbshandlung eines einzelnen Gewerbetreibenden - UWG ist wirtschaftspolitisch neutral; Lauterkeitsschutz dient nicht der Durchsetzung ökonomischer Ordnungsvorstellungen ☞ Wettbewerbshandlung verstößt nicht schon deswegen gegen UWG, weil sie wirtschaftspolitisch zu mißbilligen ist 9 - grundgesetzliche Gewährleistung der Wettbewerbsfreiheit (vgl. oben ) erfordert enge Auslegung des UWG (vgl. aber unten V.2) 1. Ursprung: Deliktischer Individualschutz (UWG als Sonderdeliktsrecht) - Verstöße gegen UWG und Nebengesetze können zugleich deliktische Eingriffe (z.B. in eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) oder Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB oder § 824 BGB darstellen geschützt ist dann nur der Mitbewerber 2. Schutzsubjekte (geschützte Interessen) - Wirkung einer Wettbewerbshandlung geht aber über das Vertrags- oder Vertragsanbahnungsverhältnis hinaus und ist stets auch "marktbezogen" - entscheidend ist damit nicht deliktischer Vorwurf, sondern "Sozialwidrigkeit" der Wettbewerbshandlung im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den Markt - UWG schützt daher: ☞ a. Die Marktbeteiligten (Mitbewerber, Abnehmer, Lieferanten) b. Die Kunden (Verbraucher) c. Die Allgemeinheit (Schutz vor "Auswüchsen" und "Verwilderungen") 3. Modernes Verständnis: UWG-Recht ist Marktverhaltensrecht - Deliktsrecht ist auf Ausgleich widerstreitender Individualinteressen beschränkt und daher für "sozialen Schutz des Marktes" unzureichend - UWG-Recht ist daher nach modernem Verständnis Recht der Verhaltenskontrolle, nicht mehr bloßes Individual-Recht = Summe von Verhaltensnormen, die den lauteren Wettbewerb regeln wollen - modernes Verständnis hat auch Folgen für Reichweite des Schutzes, vgl. die Fallgruppen unten IX. 4. Rechtsdurchsetzung - Folgen des gewandelten Verständnisses für die Rechtsdurchsetzung: Einhaltung wird "vom Markt" (Verletzte, branchenangehörige Mitbewerber, Verbände) überwacht: § 13 UWG, ausnahmsweise (Strafvorschriften) auch durch den Staat 10 zum Teil werden Wettbewerbsverstöße branchenintern, ohne Anrufung der Gerichte geklärt: - Deutscher Werberat: seit 1972; dient der freiwilligen Selbstkontrolle der Werbung im Hinblick auf Inhalt, Aussage und Gestaltung; erstellt Grundsatzempfehlungen, Leitlinien und Verhaltensregeln; ihnen kann Indizwirkung für Verkehrsauffassung zukommen; angegliedert ist Schiedsstelle für Werberechtsangelegenheiten - Selbstregulierungsverfahren der Kreditwirtschaft durch "Zentralen Wettbewerbsausschuß", dem die Spitzenverbände des Kreditgewerbes angehören; Beschwerden einzelner Institute werden über (Regional- oder Spitzen-)Verbände dem Ausschuß zugeleitet, dieser entscheidet gutachtlich; Ausschuß hat verschiedene Stellungnahmen zur Werbung im Bankbereich abgegeben (Werbung mit Geschenksparbüchern, mit Kaufkraftschwund etc); vgl. auch § 27a UWG (Einigungsstellen bei den IHKs) - auf europäischer Ebene: Allianz der europäischen Werbeselbstkontrolle ("Alliance for Advertising Standards in Europe", EASA); seit 1991; befaßt sich mit grenzüberschreitender Werbung aber: der einzelne Verbraucher hat keine Abwehransprüche (nur Verbraucherverbände, § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG) V. UWG als privatrechtliche Ergänzung des Vertragsrechts - privates Vertragsrecht schützt Verbraucher in vielfältiger Weise gegen unlautere Beeinflussung seiner Entschließungsfreiheit (VerbrKrG, HTWG, AGBG, § 138 BGB, cic etc.) - UWG ergänzt diesen Schutz, wenn auch auf anderer Ebene ☞ - Verbindung zwischen Vertrags- und UWG-Recht: - durch Rücktrittsrecht nach § 13a UWG (vgl. § 7 VerbrKG, § 1 HTWG) - planmäßige Verwendung AGB-widriger Klauseln kann wg. Ausnutzung der rechtlichen Unkenntnis bzw. Unsicherheit des Vertragspartners gegen § 1 UWG verstoßen (OLG Stuttgart, BB 1987, 2394); ausdrückliche Regelung in Art. 8 schweiz. UWG - ähnlich bei Verwendung von Vertragsformularen mit unzureichender und irreführender Widerrufsbelehrung nach HTWG (BGH GRUR 1987, S. 1604); gilt nach BGH, VersR 1996, 221 (mit Anm. Littbarski, EWiR 1996, S. 231) auch für den Bereich des Versicherungsvertragsrechts 11 - Verschweigen einer für den Verkehr unerwarteten Aushöhlung der Leistung durch AGB bei Produktwerbung kann Irreführung nach § 3 UWG sein (KG NJW 1986, 2715) - aber: Vertragspartner kann nicht etwa nach § 13 UWG vorgehen; Unlauterkeitsschutz "durch den Markt" führt nicht zu Verbesserung seiner vertraglichen Rechtsstellung - umgekehrt: Vertrag ist nicht schon deshalb nach §§ 134, 138 BGB nichtig, weil er auf wettbewerbswidriger Werbemaßnahme beruht, UWG verbietet Wettbewerbshandlung, nicht darauf beruhende Rechtsgeschäfte, beide Vorschriften betreffen nicht gesetz- oder sittenwidrig zustandegekommenes Rechtsgeschäft, BGH GRUR 1990, 522, 528 (HBVFamilien- und Wohnungsrechtsschutz) - aber: es liegt i.d.R. Rechtsmißbrauch (§ 242 BGB) vor, wenn Kaufmann Verträge, die durch wettbewerbswidriges Verhalten (zielgerichtete Täuschungshdlg.) zustandegekommen sind, unter Aufrechterhaltung der Täuschung durch Zusendung von Rechnungen und Mahnungen durchzusetzen versucht, BGH GRUR 1994, S. 126 (Folgeverträge I) VI. Internationaler Anwendungsbereich des UWG - wird wegen Internationalität, „Globalisierung“ der Wirtschaftsbeziehungen (Internet!!) und Schaffung eines Europäischen Binnenmarktes immer wichtiger - wg. deliktsrechtlicher Natur des Wettbewerbsrechts (vgl. oben VI.1) müßte eigentlich der Handlungs- oder Erfolgsort maßgeblich sein (lex loci delicti commissi, vgl. Art. 40 EGBGB) - neuere Rspr: entscheidend ist Ort, wo irrige Vorstellungen der Abnehmer entstehen, also der Ort der wettbewerbsrechtlichen Interessenkollision (BGHZ 35, 329, 336 Kindersaugflaschen; 91, 463, 464, Kauf im Ausland); praktisch wichtig für Werbung in grenzüberschreitendem Satellitenfernsehen oder Internet VII. Aufbau des UWG 1. Dreiteiliger Aufbau: - Unlautere Wettbewerbshandlungen gegenüber unbestimmter Vielzahl von Mitbewerbern, Verbrauchern oder der Allgemeinheit (§§ 1- 12 UWG) - Unlautere Wettbewerbshandlungen gegenüber bestimmten Mitbewerbern (§§ 14-20a UWG) - Verfahrensrechtliche Sonderregelungen (§§ 21-30 UWG) 12 2. "Kopflastigkeit" des UWG: ☞ - § 1 und § 3 UWG: Die "große" und die "kleine" Generalklausel - Generalklauseln enthalten ausfüllungsbedürftige, unbestimmte Rechtsbegriffe ("gute Sitten" § 1; vgl. unten VIII.6), "Irreführung" § 3, vgl. unten VIII.7), um Wertungen und Interessenabwägungen im Einzelfall zu ermöglichen - im Hinblick auf Vielgestaltigkeit des Wettbewerbs ist offene Generalklausel trotz Unbestimmtheit verfassungsgemäß (BVerfGE 32, 311, 317 (Grabsteinwerbung) 3. Folgen für die Rechtsanwendung: - offene Tatbestände bergen Gefahr der Rechtsunsicherheit - Gerichte müssen die Wertungsfreiräume durch Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall ausfüllen - hieraus entstehen allmählich neue Rechtsgrundsätze ☞ - Wettbewerbsrecht ist daher vornehmlich Richterrecht ("case law") damit besteht ähnliche Lage wie in Ländern, wo Lauterkeitsschutz seit jeher durch Rechtsprechung vorgenommen wird: - England, USA: flexible equity Rspr. ("passing-off"; "Slander"; "libel of title"); in England seit 1988 "Control of Misleading Advertising Regulations" v. 1988; darüber hinaus Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes ("Codes of Practices") - Niederlande: kein Spezialgesetz, aber deliktische Generalklausel (Art. 6: 162 Abs. 2 Nieuwe Burgerlijk Wetboek); seit Juli 1980 spezielles Gesetz gegen irreführende Werbung - Frankreich: kein Spezialgesetz, deliktische Generalklausel (Art. 1382f Code Civil), Fallrecht Richterrecht birgt zwei Probleme: 1. Richterrecht bindet zwar faktisch wie eine Norm, kann jedoch durch Obergerichte revidiert werden (im Gegensatz zum anglo-amerikanischen Recht ist Gerichtsurteil bei uns bloße Rechtserkentnisquelle", nicht "Rechtsquelle") bei Übernahme eines Vergleichsfalls ist daher stets zu prüfen, ob Sachverhalte übereinstimmen, oder einzelne Sachverhaltsele13 mente sich unterscheiden; Rechtsanwendung ähnelt dem "distinguishing" im anglo-amerikanischen case law 2. Richterrecht führt zu Rechtsanwendungsdilemma: - Fallrecht dient einerseits der Systematisierung der UWG- Generalklauseln und damit der erleicherten Fallerfassung - zunehmende Systematisierung durch Fallrecht läßt aber Frage aufkommen, ob Rechtsprechung nicht in bedenkliche und nutzlose Wettbewerbsbeschränkung verfällt, die zudem von Organisationen der gewerblichen Wirtschaft gezielt beeinflußt wird = führt Verrechtlichung der Wirtschaft führt wiederum zu Destabilisierung und damit zu Rechtsunsicherheit? (vgl. Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung, 1995) ☞ - Rechtsprechung geht zudem von zu engem "Verbraucherleitbild" aus; "Leitbild eines absolut unmündigen, fast schon pathologisch dummen und fahrlässig unaufmerksamen Durchschnittsverbrauchers", (vgl. die Stellungnahme des deutschen Angeklagten im "Bocksbeutelfall" vor dem EuGH, EuGH GRUR 1984, 291, 293); Kritik entspricht der allg. Diskussion um das Leitbild eines vernünftigen und zu eigenverantwortlichem Handeln befähigten Verbrauchers; Stichwort: "Entmündigung des Verbrauchers" (vgl. Hommelhoff, Verbraucherschutz im System des deutschen und europäischen Privatrechts, 1996, S. 12); der EuGH hat dieses Verbraucherleitbild der deutschen Rechtsprechung verworfen! vgl. die Nissan- (EuGH ZIP 1992, 719) und Mars- (EuGH NJW 1995, 3243) Entscheidungen sowie EuGH v. 13.1.2000 „Estée Lauder Cosmetics“ zur Bedeutung des Wortes „Lifting“ in der Kosmetikwerbung, (EuGH Rechtssache C-229-98, http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/index.html) VIII. Grundbegriffe - vgl. §§ 1, 3, 6aff, 12, 14, 17, 18, 20 UWG, § 1 ZugabeVO, § 1 RabattG 1. Handeln im geschäftlichen Verkehr (vgl. §§ 1, 3, 5, 6aff, 12, 16, 18 UWG) - weit auszulegen: jede Tätigkeit, die irgendwie der Förderung eines beliebigen Geschäftszwecks dient, der auch ein fremder sein kann (Markthandlung); BGH GRUR 1953, 293 (Fleischbezug) 14 - kein Unternehmen oder Betrieb erforderlich, keine Gewinnerzielungsabsicht notwendig (Verkauf unter Einstandspreis!), auch freie Berufe, soziale oder karitative Einrichtungen, vgl. BGH GRUR 1962, 254, 255 (Fußball-Programmheft); BGHZ 82, 375=NJW 1982, 2117 (Brillen-Selbstabgabestellen) - ausgeschlossen ist lediglich rein private (z.B. private Bedarfsdeckung) oder amtliche Betätigung; aber: private Belange können wettbewerbsrechtlich relevant werden, wenn auch geschäftliche Interessen eine Rolle spielen und zum geschäftlichen Tätigwerden ein hinreichender Bezug besteht, z.B. Privatgespräch nimmt geschäftliche Wendung - innerbetriebliche Maßnahmen (Anweisungen, Vorbereitungshdlg.) grds. kein Handeln im geschäftl. Verkehr, es sei denn, sie sind dazu bestimmt, Außenwirkung zu entfalten, BGH GRUR 1971, 119, 120 (Branchenverzeichnis) - Betätigungen der öffentlichen Hand: bei erwerbswirtschaftlicher (fiskalischer) Tätigkeit mit Mitteln des Privatrechts immer Handeln im geschäftlichen Verkehr, BGH GRUR 1974, 733 (Schilderverkauf) bei hoheitlicher Betätigung ohne ausdrückliche gesetzliche Befugnis: kann Handeln im geschäftlichen Verkehr sein, auch wenn Leistungsbeziehungen öffentlich-rechtlich ausgestaltet (Lehre von der Doppelnatur und Doppelkontrolle hoheitl. Maßnahmen), z.B. öff-rechtl. Rundfunkanstalten, BGH GRUR 1990, 611, 613 (Werbung im Programm); GemS-OBG, NJW 1988, 2295f; BGH, NJW 1982, 2117 (Brillen-Selbstabgabestelle); BGHZ 120, 228 (Guldenburg = JuS 1993, 696, Nr. 11, Emmerich) bei Gesetzgebungsakten: Vorrang der Normenkontrolle 2. Handeln zum Zwecke des Wettbewerbs (Wettbewerbsabsicht) a) objektiv: jedes zweckbestimmte Marktverhalten, das äußerlich geeignet ist, den Absatz oder den Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen Person zu fördern (vgl. auch Art. 2 Nr. 1 EG-Richtlinie, oben II) es kann um Förderung eigener oder fremder ("Wettbewerber im fremden Interesse") wirtschaftlicher Betätigung gehen es genügt die Vorbereitung o. Förderung künftigen Wettbewerbs, BGH GRUR 1984, 823 (Charterfluggesellschaften) 15 Maßnahmen der öff. Hand: Maßnahmen im Rahmen der Eingriffs- oder Leistungsverwaltung (Empfehlungen, Warnungen, Subventionen etc.) können zum Zwecke des Wettbewerbs erfolgen; aber strenger Maßstab: erforderlich ist, daß die öff. Hand ihren Aufgabenbereich deutlich erkennbar verläßt und ohne Rechtsgrundlage in den Wettbewerb eingreift, BGH WRP 1991, 393, 397 (Warenproben in Apotheken); Unterkunftshinweise durch staatl. Kurverwaltung ohne Wertung zulässig: BGHZ 19, 299 (Bad Ems) bei staatlichem Monopol (z.B. Fernsprechwesen bis 1997): kein Handeln zum Zwecke des Wettbewerbs, RGZ 137, 60 (Überlassung von Adressen an Private zur Herstellung eines Branchenfernsprechbuches) b) subjektiv: Absicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers zu fördern (BGHZ 3, 270; 14, 171 Constanze I/II) Absicht muß nicht alleiniger oder wesentlicher Beweggrund sein, es genügt, daß sie hinter anderen Motiven nicht völlig zurücktritt c) Grundsatz: bei Kaufleuten, Unternehmen, Verbänden zum Schutz wirtschaftl. Interessen besteht bei objektiv wettbewerbsgeeigneten Handlung tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht, BGH GRUR 1993, 761 (MaklerPrivatangebot) d) Ausnahmen (Wettbewerbsabsicht ist gesondert zu prüfen): immer dann, wenn Handelnder kein Wettbewerber ist und auch nicht Wettbewerb Dritter (z. Mitglieder bei wirt. Fachverbänden) fördern will, z. B.: - rein wissenschaftliche o. fachliche Äußerungen (anders, wenn "getarnte Werbung", insbes. bei Auftragsarbeit oder angestellten Wissenschaftlern; vgl. BGH WM 1996, S. 555 (Espresso M.) - Rechtsanwälte, BGH GRUR 1967, 428 (Anwaltswerbung) - Leserbriefe - Verbraucherverbände in Erfüllung ihres satzungsmäßigen Zwecks - reine Mitgliederwerbung eines Idealvereins 16 ☞ Besonderheiten bei Presse, Rundfunk, Fernsehen: - bei redaktionellen Äußerungen im Rahmen der grundgesetzlich gewährleisteten Meinungs- und Pressefreiheit, Art. 5 GG keine Vermutung - bei Anzeigenveröffentlichung besteht Vermutung, BGH GRUR 1992, 618 (Pressehaftung II); BGH NJW 1995, 2490, 2491 (Benetton - Kinderarbeit) - bei redaktionellen Beiträgen mit Herabwürdigungen oder Herausstellungen Frage, ob noch journalistische Pflicht zur sachlichen Berichterstattung in Erfüllung öffentlicher Aufgabe; vgl. BGHZ 50, 1 (Pelzversand); BGH GRUR 1981, 835 (getarnte Werbung I); GRUR 1994, 441 (Kosmetikstudio) - Unternehmen, das Information für redaktionell getarnte Werbung liefert, hat nur bei konkrete Verdachtsumständen Pflicht zur Überprüfung, BGH WM 1996, S. 555 (Espresso M.) 3. Wettbewerbsverhältnis (Wv) - hängt unmittelbar mit oben 2 a) zusammen - je nach dem, wer Ansprüche geltend macht, kann Wv konkret (a.) oder abstrakt (b.) sein: a. Konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn Anspruch dem unmittelbar Verletzten zusteht, vgl. §§ 14, 117, 18, 20 UWG, u.U. auch bei § 1 UWG: zwischen Vorteilen, die jemand durch Wettbewerbsmaßnahme für sich oder Dritten zu erreichen sucht und Nachteilen, die anderer dadurch erleidet, muß unmittelbare Wechselbeziehung bestehen, indem ein direkter Bezug zu dem Betroffenen hergestellt wird aus Komplexität und Dynamik des Wettbewerbs (oben Einf.) folgt: Branchengleicheit und Warennähe nicht erforderlich, es genügt, daß Verletzer sich ad hoc in Wettbewerb zu Betroffenem stellt; auch zwischen Gewerbetreibenden unterschiedlicher Wirtschaftsstufen (z.B. Hersteller/Einzelhändler) möglich, vgl. BGH GRUR 1993, 563 (Neu nach Umbau); auch durch Art der Werbung bei fehlender Substituierbarkeit der Waren, BGH GRUR 1972, 553 (Statt Blumen ONKO) b. Abstraktes Wettbewerbsverhältnis Komplexität und Eigendynamik des Marktes sprengt die Grenzen des konkreten Wettbewerbsverhältnisses 17 weite Klageberechtigung des § 13 Abs. 2 UWG (Überwachung "durch den Markt") erfordert weites "abstrahiertes" Verständnis des Wv. "Waren und Dienstleistungen" i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG weit auszulegen; es genügt, daß Erzeugnisse nach Verkehrsauffassung soviel Übereinstimmungen haben, daß, unter Berücksichtigung künftiger Entwicklungen, eine Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sie, unabhängig von Wirtschaftsstufe oder gleichem Abnehmerkreis, die Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen (Substituierbarkeit) und sich gegenseitig im Absatz behindern können bei Verbänden und Kammern (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 - 4 UWG) genügt abstrakte Beeinträchtigung satzungsmäßiger Interessen; Einzelmitglied muß nicht verletzt sein beachte auch § 13 Abs. 3 UWG 4. Verkehrsauffassung a. Bedeutung - Auffassung des Verkehrs ist für Beurteilung von Wettbewerbshandlungen von zentraler Bedeutung; Grund: UWG als Marktverhaltensrecht (oben IV.3); Lauterkeit des "Marktverhaltens" wird durch Auffassung des Verkehrs bestimmt - Beispiele: Beurteilung des Aussagegehalts einer Werbeaussage für §§ 1und 3 UWG ☞ - Folge: Absichten oder Verständnis des Handelnden sind unbeachtlich; vielmehr entscheiden Kreise, an die sich Wettbewerbshandlung wendet, BGH GRUR 1967, 308, 310 (Backhilfsmittel) b. Die "beteiligten Verkehrskreise" - entscheidend ist der Kreis, an den sich die Wettbewerbshandlung wendet (breites Publikum oder eher Fachwerbung oder gemischt) c. Bestimmung des "Quorums" - entscheidend ist nicht die Auffassung sämtlicher Angehöriger des Verkehrskreises; Grund: Werbung zielt auf flüchtige Betrachtung, daher sind diese Verständnismaßstäbe entscheidend ☞ - es kommt auf Gesamteindruck an, der sich unbefangenem Durchschnitt bei erstmaliger Konfrontation und flüchtiger, oberflächlicher und unkritischer Betrachtung der Werbung nach dem Gesamtinhalt oder der Fassung der Äußerung aufdrängt; BGH GRUR 1959, 365, 366 (Englisch Lavendel); GRUR 1970, 425 (Melitta Kaffee) 18 - Extreme (bes. erfahren - unerfahren; aufmerksam - unaufmerksam) bleiben außer Betracht; es gilt die Verständnismöglichkeit, die in der konkreten Situation naheliegt - Wertung hat von äußerem Erscheinungsbild, Wortlaut, Wortsinn, Begleitumständen, Sinnzusammenhang und allgemeinem Sprachgebrauch auszugehen, BGH GRUR 1957, 128 130 (Steinhäger) - Schutz der Allgemeinheit und Endverbraucher verlangt, daß Fehlverständnis einer rechtlich beachtlichen Minderheit genügt - in Standardfällen: Fehlvorstellungen von 10 - 15% des Verkehrskreises genügt (BGH Richter Teplitzky: 15 -20%; vgl. FS Vieregge, 1995, S. 859) - in besonders sensiblen Bereichen (Umwelt, Gesundheit, Lebensmittel) weniger (5-6%) (BGH Richter Teplitzy: 10-15%, aaO) - BGH gegen feste (schematische) Grenze; Interessenbewertung soll jeweils den Ausschlag geben (BGH GRUR 1994, 519, 521 - Grand Marnier; vgl. Teplitzky, aaO, S. 857); so auch häufig in gerichtlicher Praxis Achtung: "Verkehrsauffassung" bestimmt nur tatsächlichen Gehalt (Inhalt) der Werbeaussage; "Verkehrssitte" (unten 6.) meint die im Verkehr tatsächlich herrschende Übung und entscheidet durch Vergleich mit tatsächlichem Gehalt über rechtliche Unlauterkeit (Zulässigkeit) d. Feststellung der Verkehrsauffassung - durch eigene Sachkunde und Lebenserfahrung des Richters, wenn dieser selbst dem betreffenden Verkehrskreis angehört (Waren des täglichen Bedarfs), BGH GRUR 1980, 797 (Topfit Boonekamp); aber Achtung: Verkehrsauffassung kann sich im Wandel befinden, BGH GRUR 1984, S. 465, 467 (Natursaft) - durch Fachgutachten der IHK oder des DIHT, BGH GRUR 1960, 232 (Feuerzeug) - durch demoskopische Gutachten; Nachteile: hohe Kosten (zwischen 30.000 und 75.000 DM); Rspr. stellt strenge Anforderungen an richterliche Hinweis- und Aufklärungspflicht (BGH GRUR 1990, 1053ff - Versäumte Meinungsumfrage), Formulierung der Fragen oft schwierig (Suggestivwirkung!!), vgl. BGH GRUR 1989, 440, 442 (Dresdner Stollen I); BGH WRP 1995, 398, 402 (Rügenwalder Teewurst II) e. Verkehrsgeltung (§§ 4 Nr. 2, 5 Abs. 2 S. 2 MarkenG) gesteigertes Maß an Verkehrsbekanntheit 19 f. Verwerfung des deutschen Maßstabs durch den EuGH ☞ EuGH hat in mehreren Entscheidungen den deutschen Maßstab des notorisch uninformierten Kunden verworfen; aus dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit als grundlegendem Prinzip des EU-Rechts leitet EuGH den Maßstab der mutmaßlichen Erwartungen eines „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ ab, vgl. EuGH „Mars“, NJW 1995, 3243; EuGH v. 13.1. 2000 v. 13.1. 2000, „Estée Lauder Cosmetics“ zur Bedeutung des Wortes „Lifting“ in der Kosmetikwerbung, Rs. C-220-98 (http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/index.html) 5. Verwechslungsgefahr in § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG; im UWG nicht ausdrücklich genannt, aber bei betrieblicher Herkunftstäuschung durch Nachahmung relevant; es gilt einheitlicher Begriff - Def: naheliegende, abstrakte und objektive Gefahr einer Beeinträchtigung des Zeicheninhabers durch Verwechslungen mit gleichen oder ähnlichen Zeichen auf der Grundlage des Gesamteindrucks, den ein nicht unerheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise (10%) hat - maßgeblich ist auch hier Verkehrsauffassung; Verkehr achtet mehr auf Übereinstimmungen, daher sind diese für Gesamteindruck maßgeblich - entscheidend für Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist Kennzeichnungskraft des Zeichens; je höher die Unterscheidungskraft am Markt, um so größerer Abstand ist zu halten - Waren. bzw. Branchennähe: nicht unerhebl. Teil des betroffenen Verkehrs nimmt an, die eine Partei befasse sich nunmehr auch mit dem Vertrieb der anderen Ware, wenn auch nur im Wege der Beteiligung am fremden Betrieb oder in anderer wirtschaftlicher Form - zu vergleichen sind konkrete Benutzungsformen, so wie sie im Verkehr erscheinen (evtl. nur Kürzel etc.) - Kennzeichen müssen nicht äußerlich ähnlich sein, es genügt Sinnzusammenhang, Bild- oder Klangwirkung - stets ist in die Prüfung das "wettbewerbliche Umfeld" einzubeziehen, d.h. die Ausstattungen und Kennzeichen, die im betreffenden Marktsegment in Gebrauch sind; Grund: sind ähnliche Zeichen im betreffenden Warenbereich in Gebrauch, ist Aufmerksamkeit der Kunden erhöht und Verwechslungsgefahr nimmt ab; Testfrage: kommt neues Zeichen dem bestehenden näher als das Umfeld? 20 - 2 Arten: Verwechslungsgefahr i.e.S.: Verkehr nimmt an, es handele sich um Kennzeichen ein und desselben Unternehmens Verwechslungsgefahr i.w.S.: Verkehr erkennt Verschiedenheit der Unternehmen, nimmt aber organisatorische oder wirtschaftliche Zusammenhänge an (wichtig für Täuschung über betriebl. Herkunft von Waren nach § 1 UWG, vgl. unten IX.) 6. Sittenwidrigkeit (§ 1 UWG) ☞ - grundlegender unbestimmter Ordnungsbegriff des UWG - Entscheidung über Lauterkeit oder Unlauterkeit ist nicht durch Subsumtion, sondern (induktiv) im Hinblick auf Funktion des Wettbewerbs, gechützte Interessen und Schutzzweck des UWG-Rechts zu treffen - Sittenwidrigkeit ist funktional, d.h. wettbewerbsbezogen, zu bestimmen, daher nicht identisch mit § 138 BGB (Mißbräuche der Privatautonomie) und § 826 BGB (individuelle vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung) - Natur des UWG-Rechts als Marktverhaltensrecht erfordert umfassendes Verständnis der Sittenwidrigkeit, da wettbewerbliches Verhalten stets Mitbewerber, Verbraucher und Allgemeinheit betrifft ☞ Def: Wettbewerbshandlung muß dem Anstandsgefühl der redlichen und verständigen Durchschnittsgewerbetreibenden widersprechen und/oder von der Allgemeinheit mißbilligt und für untragbar angesehen werden, BGHZ 22, 167, 181; 54, 188, 190f; 54, 188, 190f) - Leerformel muß durch Rspr. ausgefüllt werden: "Richter ist kraft seines Amtes Repräsentant der gerecht und billig Denkenden" (Sack, NJW 1985, 761, 763); "gegen die guten Sitten verstößt, was dem Anstandsgefühl des zuständigen (I.) BGH-Senats zuwiderläuft", Nordemann, UWG, Rd. 41. a. Objektive Interessen und Wertungsmaßstäbe - durch umfassende Interessenabwägung ist angegriffenes Verhalten nach Anlaß, Zweck, Mittel und Begleitumständen zu bewerten 21 - drei Schritte: 1. Ermittlung der relevanten Einzelinteressen 2. Ermittlung der Schutzwürdigkeit dieser Interessen 3. Abwägung der schutzwürdigen Interessen ☞ - Kern dieser Interessenabwägung ist die Sicherung des freien Leistungswettbewerbs als oberstes Schutzziel des UWG (vgl. die Testfragen oben III) - Verfälschung oder Ausschluß des freien Leistungswettbewerbs (objektive Vergleichbarkeit der Leistungen!) indiziert daher Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung - neben Individualinteressen der unmittelbar Beteiligten sind auch die Interessen der anderen Mitbewerber und der Allgemeinheit miteinzubeziehen: was unter Mitbewerbern als zulässig angesehen wird ("eingerissen ist"), kann von Allgemeinheit dennoch als "Auswuchs" mißbilligt werden ➔ "Wächterfunktion" der Rspr. (BGH GRUR 1955, 541(Bestattungswerbung); GRUR 1990, 280 (Telefonwerbung II) Interessenabwägung beinhaltet rechtliche und tatsächliche Elemente: -rechtliche Elemente: Verstoß gegen Strafvorschriften (§§ 259, 263 StGB), gegen Grundrechte (z.B. Verletzung der Privatsphäre durch Belästigung oder Druck, Art. 2 GG), gegen Normen zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter(Gesundheit, Rechtspflege, Wettbewerb als Institution) und gegen wettbewerbsrelevante Gesetze (RabattVO, ZugabeVO, GWB) grundsätzlich immer sittenwidrig i.S.v. § 1 UWG bei Verstoß gegen wettbewerbsneutrale Normen (z.B. Zweckmäßigkeitsvorschriften) muß Handelnder bewußt und planmäßig (vgl. dazu sogleich) vorgehen, obwohl für ihn erkennbar ist, daß er Vorsprung im Wettbewerb vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangt - tatsächliche Elemente: ☞ im Rahmen der Gesamtwürdigung der Wettbewerbshandlung auf der Basis der Verkehrsauffassung können vier Aspekte den letzten Ausschlag geben: 1. Planmäßigkeit: Planmäßigkeit ist mehr als bloßes Bewußtsein der Unlauterkeit; erforderlich ist zum Kalkül gemachte Zielsetzung, Mitbewerber systematisch zu schädigen oder sich durch fort22 gesetzte Gesetzesverstöße einen ungerechtfertigten Vorsprung zu verschaffen; BGH GRUR 1966, 263 (BauChemie) 2. Übersteigerungsgefahr: grundsätzlich zulässiges Wettbewerbsmittel kann durch gesteigerte Anwendung zum Übermaß werden, BGHZ 43, 278, 282 (Kleenex) 3. Nachahmungsgefahr: wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß Wettbewerber mit Werbemaßnahme derart beachtliche Erfolge erzielt, daß sich Mitbewerber, um gleichzuziehen, zur Nachahmung veranlaßt sehen und infolge dieser Nachahmung auf Dauer eine Ausschaltung des Leistungswettbewerbs zu befürchten ist; z.B. Marktverstopfung durch Verschenken von Orginalwaren zu Probezwecken RG GRUR 1938, 207, 210 (Persil); Verschenken von Presseerzeugnissen BGH GRUR 51, 236, 242; Gewinnspiele BGH GRUR 1973, 591 Schatzjagd); vgl. auch zur Telefon-, Btx Werbung unten IX. bei den Fallgruppen 4. Nachwirkungsgefahr: frühere unlautere Werbung verlangt, daß sich Wettbewerber deutlich von dieser absetzt, um wettbewerbswidrige Fortwirkung früherer Werbung zu vermeiden, BGH GRUR 1962, 97, 99 (Tafelwasser) b. Subjektiv: - drei Grundsätze: 1. unlauterer Beweggrund allein macht Wettbewerbshandlung nie sittenwidrig (RGZ 79, 415) 2. kein Bewußtsein der Sittenwidrigkeit erforderlich; es genügt, daß Wettbewerber alle Tatumstände kennt, die bei objektiver Würdigung die Sittenwidrigkeit seiner Handlung begründen (ähnlich wie bei § 826 BGB), BGHZ 23, 184, 195 (Spalttabletten) 3. wer sich der Kenntnis einer erheblichen Tatsache bewußt verschließt oder entzieht, steht dem Kennenden gleich, BGH GRUR 1975, 555 (Speiseeis) 23 Prüfungsschema zu § 1 UWG: Objektiv: 1. Handlung im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs 2. Konkretes oder abstraktes Wettbewerbsverhältnis 3. Verstoß gegen die guten Sitten: a. Ermittlung der relevanten Einzelinteressen b. Beurteilung der Schutzwürdigkeit dieser Interessen c. Entweder bereits per se sittenwidrig oder Abwägung (in beiden Fällen stets die Fallgruppen-Checkliste unten IX. beachten!) Subjektiv: 4. Kenntnis der relevanten Umstände 7. Irreführung (§ 3 UWG) - Wahrheitsgrundsatz hat überragende Bedeutung im UWG Grund: Irreführung ist eine der gröbsten Fälle unsachlicher Beein flussung und gefährdet daher in besonderem Maße den Bestand des Leistungswettbewerbs: - Irreführung beeinträchtigt die Entschließungsfreiheit der Marktpartner und bewirkt, daß sie sich nicht marktkonform verhalten, wodurch der Leistungsvergleich verfälscht wird und die Interessen der Mitbewerber durch Verdrängung ihrer Angebote beeinträchtigt werden - § 3 UWG dient in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit; Folge: Verletzer hat keinen Einwand aus § 242 wenn Kläger ebenfalls wettbewerbswidrig handelt, BGH GRUR 1984, 457 (Deutsche Heilpraktikerschaft) - wg. dieser Bedeutung ist § 3 UWG konkreter Gefährdungstatbestand, d.h. Täuschung muß nicht tatsächlich eintreten (Werbung muß nicht tat24 sächlich zur Kenntnis genommen werden), Gefahr der Irreführung aber konkret gegeben sein a. Adressatenkreis: - § 3 UWG verbietet irreführende Werbung schlechthin, sei es gegenüber Allgemeinheit (öffentliche Werbung) oder gegenüber Einzelpersonen oder Personengruppen - dennoch ist angesprochener Verkehrskreis zu ermitteln, denn er prägt "die Verkehrsauffassung" - Adressaten sind die angesprochenen Teile des Verkehrs, d.h. alle, die von der Werbung tatsächlich erreicht (nicht nur die vom Werbenden angesprochen) werden und von ihr beeinflußt werden können, zumeist Endverbraucher und potentielle zukünftige Kunden b. Verkehrsauffassung: - Auffassung des so ermittelten Verkehrskreises prägt Auslegung des § 3 - vgl. im einzelnen bereits oben 4. c. "Angabe": - denkbar weit auszulegen; vgl. BGH GRUR 1961, 544 (Hühnergegacker) - jede Äußerung über tatsächliche geschäftliche Verhältnisse (Aufzählung in § 3 nicht abschließend) = dem Beweis zugängliche Angaben tatsächlicher Art - Abgrenzung von Tatsache und Werturteil ist aus der Perspektive des angesprochenen Verkehrskreises vorzunehmen; Testfrage: enthält Werturteil noch einen inhaltlich nachprüfbaren Tatsachenkern? Beispiele: wissenschaftliche Urteile meist Werturteile, BGH GRUR 1978, 258, 259 (Schriftsachverständiger) ➔ "Wissenschaftsprivileg" Verkehr kann auch reine Meinungsäußerung als objektiv nachprüfbare Aussage bestimmten Inhalts verstehen, BGH GRUR 1973, 594, 595 (Ski-Sicherheitsbindung: "Deutsches Spitzenerzeugnis") bei bloßen Kaufappellen oder reklamehaften Übertreibungen, die vom Verkehr als solche erkannt werden, keine Angabe - Ausdrucksmittel ➔ § 5 UWG 25 d. Ermittlung des Aussagegehalts: - Maßstab: "flüchtige", "oberflächliche" und "unkritische" Kenntnisnahme bei erstmaliger Konfrontation durch angesprochene Verkehrskreise; Gesamteindruck (Wortsinn + Gesamtzusammenhang), nicht völlig unerheblicher Teil des angesprochene Verkehrs (grobe Orientierung: 10 -15%) vgl. oben 4. e. Ermittlung des Wahrheitsgehalts (Irreführung; nur insoweit kommt es bei § 3UWG zu einer Interessenabwägung) - bei mehrdeutiger Werbung: jede nicht ganz fernliegende Deutung muß richtig sein, BGH GRUR 1992, 66, 67 (Königl. Bayerische Weisse) - bei unrichtig gewordener Werbung: unzulässig, z.B. überholte Katalogangabe BGH GRUR 1958, 30, 31 - bei Blickfangwerbung (Hervorhebung von Schlagworten innerhalb einer Werbeaussage) darf Blickfang für sich allein betrachtet nicht irreführend sein, kleingedruckte Hinweise genügen nicht, BGH GRUR 1987, 45, 47 (Sommerpreiswerbung); evtl. ist am Blickfang angebrachte *-Fußnote ausreichend, um Irreführung zu verhindern, vgl. OLG Stuttgart, WRP 1984, 170f - getarnte Werbung, die nicht als solche zu erkennen ist, ist irreführend, - unterschwellige Werbung (zielt auf Unterbewußtsein; z.B. sekundenbruchteillange Einblendung in Filmen) täuscht über Zustandekommen des Kaufentschlusses, Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rdn. 65. f. Rechtsnatur als konkretes Gefährdungsdelikt verlangt: - objektive Eignung der irreführenden Angabe zur Beeinflussung der angesprochene Verkehrskreise (nur selten zu verneinen) Prüfungsschema zu § 3 UWG: Objektiv: 1. Handeln im geschäftlichen Verkehr 2. Ermittlung des angesprochenen Verkehrskreises 3. „Angabe“ i.S.v. § 3 UWG 26 4. Inhalt der Tatsachenbehauptung aus Perspektive des angesprochenen Verkehrskreises 5. Ermittlung des Wahrheitsgehalts ➔ bei Abweichung liegt Irreführung vor! 6. Geeignetheit der Angabe zur Beeinflussung des Getäuschten Subjektiv: 7. Kenntnis der die Irreführung begründenden Umstände 8. Verhältnis der Generalklauseln zueinander, zu UWG-Spezialtatbeständen und zu GWB - zwischen § 1 und § 3 UWG besteht Anspruchskonkurrenz (irreführende Angaben sind in aller Regel auch sittenwidrig) - § 3 wird durch Spezialvorschriften (§§ 17 18, 22, 27 LMBG), § 25 WeinG, EichG, andere lebensmittelrechtl. Kennzeichnungsvorschriften) nicht verdrängt, enthalten Ausprägungen der in der Grundnorm zum Ausdruck kommenden Wertvorstellung; daraus folgt aber: wenn Verhalten nach Spezialgesetz (§§ 17f LMBG) zulässig, ist § 3 UWG ausgeschlossen!! - zwischen UWG und GWB besteht Anspruchskonkurrenz, BGHZ 13, 33, 37 (Warenkredit); in Verletzung von unmittelbar wettbewerbsbezogenen Normen des GWB kann Verstoß gegen § 1 UWG liegen BGH GRUR 1978, 445, 446 (4 zum Preis von 3) - zwischen UWG und Deliktsrecht besteht Anspruchskonkurrenz (z.B. Vernichtungswettbewerb ist stets auch Verletzung von § 826 BGB); wichtige Ausnahme: bei Eingriff in eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bezweckt Wettbewerbsrecht abschließende Regelung (Auffangfunktion), BGH GRUR 1972, 189, 191 (Wandsteckdose II); Konkurrenz mit § 823 Abs. 2 BGB scheidet wg. Blankettnormcharakter aus, wichtig wg. kurzer Verjährung, § 21 UWG, § 14 DVO RabattG, § 2 Abs. 4 ZugabeVO, 6 Monate, vgl. aber § 852 BGB), vgl. BGH 36, 252, 256 (Gründerbildnis); § 826 BGB neben UWG anwendbar, Schädiger darf nicht privilegiert werden, BGH GRUR 1977, 539, 541 (Prozeßrechner) 27 IX. Fallgruppenbildung ☞ ☞ Achtung! Fallgruppenbildung anhand der betroffenen Interessen dient nur der Orientierung im Fallrecht der Rechtsprechung und der erleichterten Fallerfassung in Studium und Praxis; sie ersetzt nicht die Interessenabwägung in jedem Einzelfall (wichtig etwa bei neuartigen Wettbewerbsmethoden)!! Übergänge zwischen den Fallgruppen sind fließend; entscheidend ist, wo der Schwerpunkt der betroffenen Interessen liegt. Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden: 1. Kundenbezogener Lauterkeitsschutz ("Kundenfang") 2. Mitbewerberbezogener Lauterkeitsschutz 3. Marktbezogener Lauterkeitsschutz ("Marktstörung"; "Allg. Marktbehinderung") 4. Vorsprung durch Rechtsbruch Im Einzelnen gilt: I. Kundenbezogener Lauterkeitsschutz ("Kundenfang") 1. Spezialgesetzliche Irreführungsverbote: - Lebensmittelrecht: § 17 Abs. 1 Nr. 5 LMBG (Generalklausel); § 18 LMBG (Verbot der gesundheitsbezogenen Werbung für Lebensmittel); - Verbot der Schlankheitswerbung (§ 7 Nährwert-KennzeichnungsVO) - Verbot der Mogelpackung (§ 17a EichG) - Verbot der Irreführung im Weinrecht (§ 46 WeinG) - Verbot der Irreführung bei Arzneimittel und Kosmetika (§§ 3, 11 HTWG) - Schutz geographischer Herkunfsangaben nach §§ 126ff MarkenG Bei Verstoß gegen Spezialvorschrift bleibt Generalklausel des § 3 UWG (vgl. sogleich Nr. 2) anwendbar; Spezialgesetze prägen allg. Verkehrsauffassung; bei MarkenG nur, wenn Schutzlücke, ansonsten lex spec. (vgl. § 2 MarkenG) 28 2. Irreführung über Ware oder Leistung ("passing off") § 3 UWG - Irreführung über geographische Herkunft unmittelbare, BGH GRUR 1963, 482 (Hollywood Duftschaumbad) mittelbare Herkunftsangabe (Farben, Fahnen, Symbole, typ. Landschaft etc.) RGZ 58, 136, 137 (Dortmunder Bier); BGH GRUR 1970, 517, 518 (Kölsch Bier); RG GRUR 1932, 810, 813 (Holländische Windmühlenlandschaft) keine Irreführung bei "entlokalisierenden Zusätzen" (strenge Anforderungen) keine Irreführung bei Umwandlung in Gattungs-, Sorten- oder Beschaffenheitsangabe, BGH GRUR 1965, 317 (Kölnisch Wasser), BGH GRUR 1990, 461 (Dresdner Stollen II) - Irreführung über Preis, Preissystem und Preisrelation PAngVO - (Preisklarheit und Preiswahrheit) Verstoß ist regelmäßig rechtswidrig nach § 1 UWG; zugleich Indiz für Verstoß gegen § 3 UWG z.B. BGHZ 42, 134, 135 (20% unter empfohlenem Richtpreis) oder BGH GRUR 1990, 377 (RDM - Verschweigen des Anfallens einer Maklerprovision) ☞ - Lockvogelwerbung Vortäuschen des Vorhandenseins von Ware zum beworbenen Preis in ausreichender Vorratsmenge, BGH GRUR 1992, 858, 859 (Clementinen) Vortäuschen eines preisgünstigen Gesamtangebots, BGH GRUR 1970, 33 (Lockvogel) - Unterschieben einer Ware oder Leistung - Tarnung von Werbemaßnahmen; insbes. "Kaffee-Fahrten" sowie wissenschaftlich-publizistische Tarnung Zeitungsredaktion wird im redaktionellen Teil in Wettbewerbsförderungsabsicht tätig, BGH GRUR 1981, 835 (getarnte Werbung I) bei Kaffeefahrten muß klar und unmißverständlich auf Verkaufscharakter hingewiesen werden, BGH GRUR 1986, 318 (Verkaufsfahrten I) 29 angeblich vom Fachmann erstellte "Presseinformation" ist, wenn getarnte Werbung, unzulässig, BGH GRUR 1968, 645; BGH WM 1996, S. 555 (Espresso M.) 3. Irreführung über betriebliche Herkunft oder Unternehmensverhältnisse - z.B. Qualifikation des Inhabers: bei Dr.-Titel muß promovierter Akademiker die unternehmensbelange als Gesellschafter maßgeblich beeinflussen BGH GRUR 1990, 604; wettbewerbsrechtl. Befugnis zur Führung des Titels entfällt, wenn Träger ausscheidet, BGHZ 10, 196, 202 (DUNEuropa) bei Professorentitel: Verkehr läßt sich von Berufsbild des Professors leiten, BGH GRUR 1987, 839 (Prof.-Titel in Arzneiwerbung) 4. Ausnutzung rechtlicher Unkenntnis (vgl. oben V.) 5. Werbung mit Selbstverständlichkeiten - z.B. betonte Hervorhebung "inkl. Mehrwertst.", obwohl § 1 Abs. 1 PrAngVO Preisangabe des Endpreises vorschreibt, BGH GRUR 1990, 1028 (Incl. Mwst. II) 6. Unrichtige Ankündigung und Selbstanpreisung (Gefährdungstatbestände; gesetzliche Vermutung der Irreführung) - Konkurswarenverkauf (§ 6 UWG) - Sonderveranstaltungen (§ 7 UWG; Ausnahmen: Sonderangebote, Abs. 2 und Schlußverkäufe bzw. Jubiläumsverkäufe, Abs. 3) - Räumungsverkäufe (§ 8 UWG) 7. Inaussichtstellen von waren- bzw. leistungsunabhängigen materiellen Vorteilen ("Wertreklame") Verteilung kostenloser Warenproben grds. zulässig, vorausges. deutlich gekennzeichnet u. nicht zur Bedarfsdeckung geeignet Veranlassung zum Kauf durch Ankündigung eines Geschenks kann unzulässig sein, BGH GRUR 1968, 649 (Rocroni-Ascher) 30 Vorspannangebot: Anbieten einer branchenfremden Zusatzware zu günstigem Preis zusammen mit Hauptware, unzulässig, BGH GRUR 1977, 110 (Kochbuch) nicht zu verwechseln mit Zugabe, vgl. unten III 8. Ausnutzung menschlicher Schwächen und Vorzüge ("Verlockung", "Gefühlsausnutzung"; "übertriebenes Anlocken") - es besteht Gefahr einer derart unsachlichen Beeinflussung, daß die freie Entschließung der Umworbenen in dem Sinn beeinträchtigt wird, daß diese sich dem Werbenden und seinen Produkten zuwenden, ohne sich nach Qualität und Preiswürdigkeit der Hauptleistung zu orientieren - Ausnutzung des Spiel- und Gewinntriebs ("aleatorische Reize") - darf nur der Aufmerksamkeitswerbung dienen - keine Kopplung mit Warenerwerb, keine Täuschung über Wert des Gewinns oder unzutr. Eindruck, man habe bereits gewonnen - z.B. Preisausschreiben BGH GRUR 1989, 434 (Gewinnspiel) - Versprechen besonderer Vorteile - Kundenbeförderung, BGH GRUR 1972, 603 (Kunden- Einzelbeförderung) - BGH GRUR 1993, 774 (Hotelgutschein) - Ausnutzung von Bestechlichkeit (§ 12 UWG) 9. Belästigung - Ansprechen auf der Straße (stets wettbewerbswidrig) ☞ - Brief-, Telefon-, Telefax- und Btx-Werbung (praktisch sehr relevant!!) als Privabrief getarnte Werbung unzulässig, BGH GRUR 1973, 552 (Briefwerbung) Btx-Werbung muß nach Art. 8 Btx-StV mit Buchstaben "W" gekennzeichnet sein, sonst Vorteilserlangung durch Rechtsbruch (vgl. unten) oder unzumutbare Belästigung; BGH GRUR 1988, 614 (Btx-Werbung I) bei Telefax-Werbung:ohne vorheriges ausdr. (privater Bereich) oder mutmaßl. (gewerbl. Bereich) Einverständnis wettbewerbswidrig wg. Beinträchtig. der Nutzungsfreiheit des Geräts, OLG Hamm, GRUR 1990, 689; BGH DB 1996, 573 (Telefax-Werbung) 31 bei direkter Ansprache per Telefon unzulässiger Eingriff in Privatsphäre (falls kein ausdrückl. Einverst.) bzw. unzul. Beeinflussung im geschäftl. Bereich (falls kein mutmaßl. Einverst.), vgl. BGHZ 54, 188 (Telefonwerbung I); BGHZ 113, 282 (Telefonwerbung IV) Grund: Nachahmungsfahr ( vgl. oben VIII.6) Vgl. auch zum EU Recht EuGH in Sachen Alpine Investments, NJW 1995, S. 2541 - Vertreterbesuche zwar grds. zulässig (vgl. HTWG), aber strenge Maßstäbe an Kundenbeeinflußung - Zusendung unbestellter Ware Postzusteller hat Sperrvermerke (Robinsonzeichen) zu beachten; für Restgefahr der unerwünschten Sendung haftet Auftraggeber nicht, BGH GRUR 1992, 617 (Briefkastenwerbung) ☞ - exzessive Werbung geschmacklos, schreiend, obszön, schockierend: es fehlt jeder Sachbezug zwischen Produkt und Werbung, BGH NJW 1995, 2492 (Benetton-HIV-Positive); BGH NJW 1995, 2486 (Busengrapscher/Schlüpferstürmer) 10. Mittelbarer Zwang ("psychologischer Kaufzwang") - der Werbende nimmt auf die Willensentscheidung des Umworbenen mit außerhalb der Sache liegenden Mitteln, Umständen und Auswirkungen in einem solchen Maße Einfluß, daß der Umworbene auf Grund dessen zumindest "anstandshalber" nicht umhin kann, auf das Angebot einzugehen, BGH GRUR 1989, 757 (McBacon) - Gefühlsausnutzung (Mitleid etc.) BGH NJW 1995, 2488 (Benetton - Ölverschmutzte Ente); BGH NJW 1995, 2490 (Benetton - Kinderarbeit) - Angstwerbung vgl. BGH GRUR 1986, 902 (Angstwerbung: "Erkältung und grippale Infekte überrollen Berlin - sofort besorgen") - Einspannen von Privatpersonen zur Absatzförderung (Laienwerber); vgl. BGH GRUR 1995, 122 (Laienwerbung für Augenoptiker) 32 - Gefahr des unsachlichen psychologischen Zwangs BGH GRUR 1959, 285 (Bienenhonig); BGH NJW 1992, 2419 (verdeckte Laienwerbung); Grund: Nachahmungsgefahr (vgl. oben VIII.6.a ) - Progressive Kundenwerbung ("Schneeballsystem", § 6c UWG) 11. Unmittelbarer Zwang ("Nötigung") selten, typischer Fall: Einsatz von Autoritätspersonen (Schulleiter, Lehrer etc., vgl. die Dikskussion um Werbung an der Schule) II. Mitbewerberbezogener Lauterkeitsschutz 1. Behinderung - Aufforderung zur Liefer- und Bezugssperre ("Boykott") Aufforderung an einen Dritten oder Absprache mehrerer untereinanander, ein bestimmtes Unternehmen vom üblichen Geschäftsverkehr auszuschließen oder gegen es in einer Weise vorzugehen, die seinen Geschäftsablauf empfindlich stören würde (vgl. § 21 GWB); wegen (teilweiser) Ausschaltung des Leistungswettbewerbs grds. Verstoß gegen § 1 UWG, BGH GRUR 1980, 242 (Denkzettelaktion) auch bei Berufung auf Art. 5 GG unzulässig, wenn eigene wirtschaftl. Interessen verfolgt werden, BGH 1985, 468 (IdealStandard); ausnahmsweise zulässig, wenn "Mittel des geistigen Meinungskampfes in einer die Öffentlichkeit wesentl. berührenden Frage", BVerfGE 25, 256, 264 (Blinkfüer); aber auch dann keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen, OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 52; 53 (Boykottaufruf Tierschutzverein gegen Pelzbranche) - Preisunterbietung als "gezielte Kampfpreisunterbietung", die allein auf Verdrängung oder Vernichtung des Mitbewerbers zielt (Verdrängungszweck, schwer nachzuweisen!!) unzulässig, Benrather Tankstellenfall, RGZ 134, 342; BGH GRUR 1990, 687 (Anzeigenpreis II) 33 bloßer Verkauf unter Einstandspreis ist nicht per se unzulässig; zusätzliche Umstände stets erforderlich, BGH GRUR 1990, 371 (Preiskampf) - Absatz- und Werbebehinderung - Abwerben von Kunden und Mitarbeitern ("Ausspannen") Kundenkreis ist grunds. nicht wettbewerbsrechtl. geschützt; Abwerben ist wettbewerbsimmanent (vgl. oben) unzul. bei irreführenden o. unsachlichen Angaben, Verleitung zum Vertragsbruch durch Honorierung o. Versprechen von bes. Vorteilen, direkte Kündigungshilfe (Vorformulierung des Kündigungsschreibens) oder bei gezielter Aktion gegen einen bestimmten Konkurrenten Mitarbeiter: Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung grds. zulässig, BGHZ 110, 156, 171 (HBV); nicht aber: unzulässige Beeinflußung des Arbeitnehmers (Aufsuchen in Privatwohnung, OLG Karlsruhe,GRUR 1963, 80) oder planmäßige Abwerbung nach Abwerbungsplan zur Gefährdung o. Schädigung des betroffenen Unternehmens (BGH GRUR 1961, 482, Spritzgußmaschinen) - Diskriminierung - Geschäftsehrverletzungen - Anschwärzung, Geschäftliche Verleumndung (§§ 14f UWG) ☞ 2. Alleinstellungswerbung: - Anregung zum Vergleich entspricht Wesen des freien Wettbewerbs, daher allenfalls Verstoß gegen § 3 UWG - entweder Alleinstellung oder Zugehörigkeit zur Spitzengruppe ("einer der größten....") - stets unzulässig, wenn unwahr (§ 3): „einmaliges Sonderangebot", "unschlagbar", "Spitzenerzeugnis", "absolute Spitze", "der Größte", "die Nr. 1" etc., vermittelt Vorstellung einer technischen o. wirtschaftlichen Spitzenstellung i.S einer objektiv nachprüfbaren Aussage, BGH GRUR 1975, 141(Unschlagbar); erforderlich ist deutlicher Vorsprung in allen in Betracht kommenden Beziehungen mit deutlichem Abstand gegenüber Mitbewerbern (bei Alterswerbung ["älteste"] auch zeitlicher Abstand) und Aussicht auf gewisse Stetigkeit, BGH GRUR 1991, 850 (SpielzeugAutorennbahn). 34 - bei Spitzengruppe muß Unternehmen zu den führenden Geschäften gehören und mit diesen eine in sich geschlossene Gruppe bilden, BGH GRUR 1969, 415 (Kaffeerösterei); GRUR 1970, 425 (Melitta-Kaffee: Es gibt keinen besseren") - Ausnahme: Verkehr versteht Angabe als übliche Werbeübertreibung, reklamehafte Übertreibung, humoristische Anpreisung, OLG Köln, GRUR 1983, 135 (König Pilsner: Qualität in reinster Form); oder bloßes Werturteil, BGH GRUR 1965, 365 (Lavamat II: "Den und keinen anderen") - Achtung: häufig Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten nach § 242 BGB, weil Kläger innerbetriebliche Verhältnisse des Beklagten nicht bekannt, BGH GRUR 1985, 140, 142 (Größtes Teppichhaus der Welt) 3. Unlautere Ausnutzung fremder Leistung (Ausbeutung) - Unlautere Nachahmung - Unmittelbare Leistungsübernahme z.B. identische Übernahme eines fremden Informationsdienstes, BGH GRUR 1988, 308 - Nachahmende Leistungsübernahme - Rufausbeutung ("Anlehnung") - Ausbeutung fremder Werbung - Die berühmte Marke - Ausbeutung fremder Geheimnisse und Vorlagen (§§ 17 - 20a UWG) ☞ 4. Vergleichende (bezugnehmende) Werbung a. früheres Recht: - Grundsatz nach früherem Recht: auch die wahre vergleichende Werbung ist grundsätzlich wettbewerbsfremd und damit unlauter, BGH GRUR 1989, 668, 669 (Generikum-Preisvergleich); Ausnahmen unter zwei Voraussetzungen: hinreichender Anlaß: a) Interessen des Werbenden: Abwehrvergleich, BGH GRUR 1967, 308 (Backhilfsmittel); b) schutzwürdiges Aufklärungs35 bedürfnis der Allgemeinheit; c) schutzwürdiges Informationsinteresse der Abnehmer (Marktbereich ist Neuland oder Verbesserung der Marktransparenz, vgl. BGHZ 49, 325 (40% können sie sparen); d) ausdrückliches Verlangen des Kunden: Auskunftsvergleich; e) allg. Vergleich verschiedener Fertigungs-, Vertriebs-, Arbeitsmethoden: Systemvergleich Grenzen des nach Art und Maß Erforderlichen dürfen nicht überschritten werden: unnötige Herabsetzung, unnötige Namensnennung; keine pauschale Abwertung, vgl. BGH GRUR 1984, 823 (Charterflugesellschaft) anlehnende vergleichende Werbung ist wg. Ausbeutung des Erfolgs und guten Rufs der Konkurrenz grds. unzulässig; wird von Rspr. streng gehandhabt, BGH WRP 1989, 572 (Bioäquivalenzwerbung) praktisch wichtiger Sonderfall: Werbung mit Testergebnissen: - Fundstelle ist stets anzugeben, BGH GRUR 1991, 679 - liegt beworbene Note unter Durchschnitt, sind alle übrigen Noten (ohne Namen) anzugeben, BGH BGH GRUR 1982, 437 (Test gut) - Stiftung Warentest hat Empfehlungen zur Werbung mit Testergebnissen herausgegeben, vgl. nächste Seite b. neues Recht: Richtlinie 97/55/EG vom 6. Oktober 1997 zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG über irreführende Werbung zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung, AmtsBl. L 290/18 (vgl. Sack, GRUR Int. 1998, S. 263ff); - unterschiedliche Handhabung der vergleichenden Werbung in den einzelnen Mitgliedsstaaten gefährdet freien Waren- und Dienstleistungsverkehr; - ein Vergleich, der sich lediglich auf den Preis von Waren oder Dienstleistungen bezieht, sollte zulässig sein, wenn er nicht irreführend ist; - es sollen Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung geschaffen werden, diese Bedingungen sollen Kriterien beinhalten, die einen objektiven Vergleich der Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen ermöglichen; - Vergleiche zwischen Waren und Dienstleistungen, die von Mitbewerbern angeboten werden, sollen nur zulässig sein, wenn diese den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung erfüllen sollen, 36 BGH hat bereits vor Ablauf der in der RiLi vorgegebenen 30-monatigen Umsetzungsfrist den § 1 UWG im Lichte der RiLi frühzeitig (!) richtlinienkonform ausgelegt, Grund: Rspr. des EuGH, wonach Mitgliedsstaaten alle Maßnahmen zu unterlassen haben, die von der Zielsetzung einer Richtlinie wegführen, erfordert Vorwegnahme der RiLi durch Auslegung der Generalklausel, BGH WM 1998, S. 1693 Deutsches Umsetzungsgesetz zur RiLi 97/55 soll in diesem Sommer in Kraft treten. Empfehlungen der Stiftung Warentest zur „Werbung mit Testergebnissen“ vom Oktober 1982. Nachfragemacht 1. Jede Verwendung von Urteilen der Stiftung Warentest sollte so geartet sein, dass beim Verbraucher falsche Vorstellungen über die von der Stiftung vorgenommenen qualitative Beurteilung des beworbenen Produkts entstehen können. Dazu gehört: • dass die Aussagen in der Werbung, die sich auf den Test beziehen, abgesetzt sind von anderen Aussagen des Werbenden, • dass die Testaussagen der Stiftung vom Werbenden nicht mit eigenen Worten umschrieben werden, • dass die Urteile der Stiftung kennzeichnende Terminologie nicht auch bei solchen Werbeaussagen verwendet wird, die sich nicht auf Testaussagen der Stiftung beziehen, • dass günstige Einzelaussagen nicht isoliert angegeben werden, wenn andere weniger günstig sind, • dass in jedem Fall auch das Gesamturteil mitgeteilt wird. 2. Der Test sollte nicht mit Produkten in Zusammenhang gebracht werden, auf die er sicht nicht (oder nicht mehr) bezieht. Dazu gehört: • dass der Test nicht durch einen neueren Test oder durch eine erhebliche Veränderung der Marktverhältnisse überholt ist, • dass das Produkt sich seit dem Test nicht in Merkmalen geändert hat, die Gegenstand des Tests waren, • dass das Testurteil für ein baugleiches Produkt, welches vom Testbericht nicht erfasst war, nicht ohne Erwähnung des getesteten Produkts verwendet wird, • dass die Übertragung eines Testurteils auf nicht getestete Produkte weder vorgenommen noch dem Verbraucher nahegelegt wird. 3. Die Angaben über Testurteile sollen leicht und eindeutig nachprüfbar sein. Dazu gehört, dass in der Werbung Monat und Jahr der Erstveröffentlichung angegeben wird. 4. Der Rang des Urteils des beworbenen Produkts im Test sollte insbesondere dann erkennbar gemacht werden, wenn ein besseres Urteil vergeben worden ist. 37 5. Benutzung geschäftlicher Kennzeichen Achtung!! nach Aufhebung des WZG und des § 16 UWG ist das Kennzeichenschutzrecht (Marken, geschäftliche Bezeichnungen, geographische Herkunftsangaben) seit dem 1.1. 1995 im Markengesetz geregelt. - Marken (§ 1 Nr. 1 i.Vb.m.§ § 3f, 7ff MarkenG; früher §§ 24f WZG) - Geschäftliche Bezeichnungen ("Unternehmenskennzeichen" und "Werktitel"; § 1 Nr. 2 i.Vb.m. §§ 5 MarkenG; früher: 16 UWG) - geographische Herkunftsangabe (§ 1 Nr. 3 MarkenG) - Name (§ 12 BGB) - Firma (§ 37 Abs. 2 HGB) III. Marktbezogener Lauterkeitsschutz ("Marktstörung"; "Allg. Marktbehinderung") 1. Massenverteilung von Originalwaren ("Marktverstopfung") unzulässig, wenn kostenlose Verteilung zu vollständiger oder weitgehender Marktsättigung führt und über Probe- oder Werbezweck hinaus geht ☞ 2. Gratislieferung von Presseerzeugnissen kostenlose Abgabe von Anzeigeblätter an sich zulässig; anders nur, wenn redaktioneller Teil des Blattes so gestaltet ist, daß er die kommerzielle Tagespresse in ihrem durch Art. 5 GG geschützten Bestand gefährdet, BGH GRUR 1971, 477 (Stuttgarter Wochenblatt II); abhängig von Umfang des redaktionellen Teils (deutlich unter 50% des Gesamtumfangs) und Inhalt (darf nicht annähernd vollständig sein und an öffentlicher Meinungsbildung mitwirken) vgl. auch den „Kölner Pressekrieg“ 1999/2000 IV. Vorsprung durch Rechtsbruch 1. Verstoß gegen wettbewerbsbezogene Normen (stets wettbwerbswidrig; Vorsprungsgedanke irrelevant) - Rabattgesetz Verhinderung der Wettbewerbsverzerrung durch Gewährung von Sondervorteilen an einzelne Kunden oder Kundengruppen aus in ihrer Person liegenden Gründen (subjektive, personenbezogene Preisnachlässe) 38 gilt nicht für objektive Preisnachlässe, die jedem Kunden ohne Ansehen der Person gewährt werden (vgl. §§ 7, 9 Nr. 2) Preisnachlaß (Rabatt) = Normalpreis (§ 1 Abs. 2) minus Ausnahmepreis zulässig sind 3% "Barzahlungsrabatt" (§ 2) und "Mengenrabatte" (§§ 7f) Rabattgesetz soll aufgehoben werden, um Nachteile für deutsche Händler durch geplante EU-Richtlinie zum elektronischen Warenverkauf zu verhindern - Zugabeverordnung Verbot des Gewährens einer unentgeltlichen Nebenware, die mit der Hauptware dergestalt in einem inneren Zweckzusammenhang (Akzessorietät) steht, daß die Gewährung der Nebenware vom Erwerb der Hauptware abhängig ist auch bei Scheinentgelt (§ 1 Abs. 1 S. 2) und Gesamtpreis ("Kopplungsangebote", § 1 Abs. 1 S. 3) Ausnahmen in § 1 Abs. 2; Achtung: auch ausnahmsweise zulässige Zugabe darf nicht als unentgeltlich ("gratis", "Kostenlos" etc.) bezeichnet werden, § 1 Abs. 3) - Kennzeichnungsvorschriften (vgl. oben I.) - Vorschriften über besondere Verkaufsveranstaltungen (§§ 7 f. UWG; vgl. oben I.5) - Verstoß gegen §§ 14, 81 GWB, BGH GRUR 1978, 445, 446 (4 zum Preis von 3) 2. Verstoß gegen wettbewerbsneutrale Normen (wettbewerbswidrig, wenn zusätzlich wettbewerbsrelevantes Verhalten oder Auswirkungen, die Vorsprung gegenüber Mitbewerbern begründen) - LadenschlußG - Handwerksordnung - PreisAngVO - § 138 BGB (Wucherzinsen verschaffen einer Teilzahlungsbank Wettbewerbsvorsprung, KG WRP 1980, 492; vgl. allg. zum Verhältnis Vertragsrecht - UWG oben V) 39 3. Verstoß gegen Handelsbräuche, Standesauffassungen u. Wettbewerbsregeln - wertneutral, daher wettbewerbswidrig nur, wenn ungerechtfertiger Vorsprung - wenn kein Gesetz (Standesrichtlinien, Handelsbräuche) nur Indiz dafür, was im betreffenden Beruf oder der Branche der Berufsanschauung entspricht, BGH GRUR 1977, 257, 259 (Schaufensteraktion); GRUR 1991, 462 (Wettbewerbsrichtlinie der Privatwirtschaft) 4. Verletzung von vertraglichen Vertriebsbindungssystemen - Schnittstelle zum Kartellrecht (GWB, Art. 81f (85f a. F.) EG-Vertrag): es geht nur um Verträge, die das Verhalten aller Mitbewerber regeln (Preisbindungssysteme, Ausschließlichkeitsbindungen, Alleinvertriebsbindungen, Selektive Vertriebsbindungen; vgl. 2. Teil des Skripts) - Verträge müssen nach GWB wirksam sein - Vertragsbruch des vertraglich gebundenen Wettbewerbers kann wettbewerbswidriger Vorsprung sein - Vertraglich nicht gebundener Außenseiter handelt wettbewerbswidrig nur bei: Verleitung gebundener Händler zum Vertragsbruch Beschaffung von vertriebsgebundener Ware durch Tarnung, Täuschung oder Strohmanneinsatz ("Schleichbezug") Ausnutzen fremden Vertragsbruchs - Typisches Beispiel: Entfernung von Codiernummern - Grundvoraussetzung: gedankliche und praktische Lückenlosigkeit des Vertriebssystems, BGH WRP 1985, 555 (Vertriebsbindung); GRUR 1989, 832 (Schweizer Außenseiter); GRUR 1992, 627 (Pajero) - faktisches Vertriebssystem ohne Vertriebsbindungsvertrag nicht geschützt, BGH GRUR 1988, 327, 329 (Cartier-Uhren I) X. Arbeiten mit den Fallgruppen: Fallbeispiele 40 XI. Aktivlegitimation 1. Der Verletzte (bei konkretem Wettbewerbsverhältnis) 2. Mitbewerber (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG; abstraktes Wettbewerbsverhältnis); Achtung: seit UWG-Novelle 1994 Klageberechtigung eingeschränkt, "Gewerbetreibende auf demselben Markt"; ist im räumlich-geographischen Sinn zu verstehen; meist ist Klageberechtigung auf örtlichen Markt beschränkt; Wettbewerbsverstöße auf anderem örtlichen Markt können daher nicht verfolgt werden, vgl. Begründung des RegE, WRP 1994, 369,377; "Eignung, Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen", gilt für alle Fälle der §§ 1, 3, 4, 6ff, 7, 8, 12 UWG; hängt von Anreizwirkung für Kaufentscheidung, Größe des erzielten Wettbewerbsvorsprungs, Interesse der Allgemeinheit einschl. der Verbraucher etc. ab, BGH GRUR 1995, 122, 124 (Laienwerbung für Augenoptiker) 3. Verbände (§ 13 Abs. 2 Nr. 2ff UWG); Achtung: seit UWG-Novelle 1994 Klageberechtigung eingeschränkt: "soweit ihnen eine erheblich Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen auf demselben Markt vertreiben..."; Verband muß eine für die Verfolgung des Wettbewerbsgeschehens auf dem Markt repräsentative Anzahl von Mitgliedern der betreffenden Branche aufweisen; betroffene Verbandsmitglieder müssen nach Anzahl, Marktanteil und wirtschaftlicher Bedeutung mißbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausschließen, Begr. RegE, WRP 1994, 378; es genügt, daß Dachverband (z.B. Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V; Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e.V.) Verbände (IHK; DIHT etc.) angehören die ihrerseits klagebefugt sind ("indirekte Mitgliedschaft"), BGH GRUR 1995, 122 (Laienwerbung für Augenoptiker) 4. Mißbrauch der Klagebefugnis (§ 13 Abs. 5 UWG; "Abmahnvereine") XII. Passivlegitimation - Täter der Wettbewerbshandlung (Störer) weit auszulegen, nicht nur der unmittelbar Handelnde, auch Anstifter, Gehilfen (§ 830 Abs. 2 BGB) z.B. für Anzeigen auch Zeitungsimporteur oder Verleger, Busunternehmer bei Werbefahrten, Betriebsinhaber haftet neben Angestellten ohne Entlastungsmglkt. bei Abwehranspüchen (§ 13 Abs. 4; gilt nicht für Schadensersatzansprüche, dort ist § 831 BGB anwendbar) bei Gesellschaften Organhaftung nach §§ 30, 31, 89 BGB 41 XIII. Anspruchsarten Achtung: Verletzte kann alle Arten von Ansprüchen geltend machen; Verbände können nur Unterlassungs- und sonstige Abwehransprüche geltend machen (§ 13 Abs. 2, vgl. insbes. Nr. 3 S.2) 1. Unterlassungsanspruch ☞ praktisch am wichtigsten, kein Verschulden erforderlich a. Wiederherstellender Anspruch - konkrete Verletzungshandlung - Wiederholungsgefahr (wird bei Rechtsverletzung tatsächlich vermutet) - Wiederholungsgefahr fällt erst weg, wenn Verletzer sich unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall des schuldhaften Zuwiderhandels zur Unterlassung verpflichtet, BGH GRUR 1983, 127, 128 (Vertragsstrafeversprechen) b. Vorbeugender Anspruch - Begehungsgefahr erforderlich: drohende Verletzungshandlung muß sich in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, daß eine zuverlässige rechtliche Beurteilung möglich ist (z. B. konkrete Vorbereitungshandlungen, "Berühmung" = Behauptung der Rechtsinhaberschaft) 2. Beseitigungsanspruch - verschuldensunabhängig, aber praktisch nicht sehr häufig, da es meist im Belieben des Störers steht, wie er Rechtsverletzung beseitigt 3. Widerruf und Richtigstellung erwiesener unrichtiger Tatsachenbehauptungen - verschuldensunabhängig, strenge Anforderungen 4. Urteilsveröffentlichung (§ 23 UWG) - geringe praktische Bedeutung 42 5. Auskunftsanspruch - aus § 242 BGB, wenn der Verletzte ohne Verschulden über seine Rechte im Unklaren ist und Beklagte unschwer Auskunft erteilen kann (Informationsungleichgewicht) 6. Schadensersatz (vgl. §§ 1, 13 Abs. 6, 14 Abs. 1, 19 UWG; § 2 Abs. 2 ZugabeVO; § 12 RabattG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB) - Verschulden erforderlich (außer bei § 14, Gefährdungshaftung): strenge Anforderungen, Kenntnis der Tatumstände genügt (vgl. oben VIII.6.b), Verlassen auf bisherige höchstrichterliche Rspr. schließt Verschulden aus, BGH GRUR 1961, 97 (Sportheim) - Umfang des Schadensersatzes: Wiederherstellung (§ 249 BGB) Geldersatz (§ 251 BGB), z.B. Marktverwirrungsschaden - Grundsätze der dreifachen Schadensberechnung: entgangener Gewinn (§ 252 BGB) - schwer zu berechnen Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr, wenn verletztes Recht üblicherweise gegen Lizenzzahlung gewährt wird ("Lizenzanalogie"); bei immaterialgüterähnlichen Rechten wie Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen nach §§ 17f UWG, Know-How, Kundenlisten, geschäftl. Kennzeichen Herausgabe des Verletzergewinns (§§ 687 Abs. 2, 667 BGB, § 97 UrhG; gewohnheitsr. anerkannt bei immaterialgüterähnlichen Rechten); Gewinn ist Reingewinn nach Abzug der Gemeinkosten Vgl. BGHZ 119, 20, 26 (Tchibo/Rolex) 7. Verjährung - §§ 21 UWG, § 14 DVO RabattG; § 2 Abs. 4 ZugabeVO = sechs Monate 43 XIV. Prozessuale Besonderheiten 1. Abmahnung ☞ - praktisch hoch relevant!!!!!!!! - Antragsteller verhindert mit Abmahnung Kostentragungslast nach § 93 ZPO - nur in Ausnahmefällen entbehrlich (Erfolglosigkeit, Unzumutbarkeit) - Zugang nicht erforderlich, da prozessuale Obliegenheit - keine Formerfordernisse; vgl. Muster-Abmahnung auf folgender Seite - enthält üblicherweise Aufforderung zur Abgabe eines angemessenen Vertragsstrafeversprechens, häufig 10.001 DM (wegen Streitwertgrenze § 23 Nr. 1 GVG, Kammer für Handelssachen, § 96 Abs. 1 GVG!) - Kosten für berechtigte Abmahnung ersatzfähig nach § 13 Abs. 6 oder bei Verbänden aus GoA (§§ 683, 677, 670 BGB) Muster einer Abmahnung: Einschreiben / Rückschein An die Firma X ........ Geschäftsleitung Unsere Mandantin, die Firma Y...., hat festgestellt, dass Sie in jüngerer Zeit die Aussage in Ihre Werbung aufgenommen haben „Es gibt kein besseres Bier“. Diese Werbeaussage wird vom Publikum falsch, nämlich als Alleinstellungsberühmung, verstanden und ist daher irreführend. Dadurch verletzen Sie Rechtsvorschriften, die der Regelung des lauteren Wettbewerbs dienen und deren Verletzung folglich auch unsere Mandantin beeinträchtigt. Zur Begründung führen wir folgendes aus:..... Wir weisen Sie darauf hin, dass unsere Mandantin entschlossen ist, gegen dies Rechtsverletzung nötigenfalls auch gerichtlich vorzugehen, wenn Sie sich nicht aufgrund unserer Abmahnung zur Unterlassung Ihres Verhaltens verpflichten. Wir informieren Sie ferner, darüber, dass Sie nur durch Abgabe einer mit Vertragsstrafeversprechen versehenen Unterlassungsverpflichtungserklärung die aus Ihrem oben aufgeführten Verhalten folgende Wiederholungsgefahr beseitigen und damit das gerichtliche Verfahren verhindern können. Wir fordern Sie demgemäß auf, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, dass Sie sich bei Vermeidung einer für jeden schuldhafter Zuwiderhandlung von uns (von unserer Mandantin) nach billigem Ermessen festzusetzenden, im Streit44 fall vom Landgericht ... zu überprüfenden Vertragsstrafe verpflichten, in Zukunft zu unterlassen, für Ihr Bier mit dem Werbeslogan „Es gibt kein besseres Bier“ zu werben. Wir setzen Ihnen für die Abgabe dieser Unterlassungsverpflichtungserklärung eine Frist bis zum .... Unserer Mandantin steht ferner Ihnen gegenüber ein Schadensersatzanspruch zu, da Sie in schuldhafter Weise ..... gegen die oben genannten Rechtsvorschriften verstoßen haben. Der Schaden unserer Mandantin lässt sich noch nicht endgültig beziffern, da unserer Mandantin die Kenntnis fehlt, in welchem Umfang die unzulässigen Handlungen von Ihnen begangen worden sind. Damit wir die Höhe des unserer Mandantin zustehenden Schadensersatzanspruchs berechnen können, fordern wir Sie daher auf, uns mitzuteilen, in welchem Umfang Sie die oben näher beschriebenen unzulässigen Handlungen begangen haben. Sie sind verpflichtet, darüber Auskunft zu geben, in welchem Umfang und in welchen Meiden Sie diese unzulässige Werbung betreiben haben. Der Schaden besteht insbesondere in den Kosten anwaltlicher Inanspruchnahme, die unserer Mandantin durch unsere Einschaltung in dieser Sache entstehen. Unabhängig von einem weitergehenden Schadensersatzanspruch, den zu beziffern nach der von Ihnen zu erteilenden Auskunft unsere Mandantin sich vorbehält, sind Sie zu dieser Kotentragung in Höhe der unten angegebenen Rechnung verpflichtet. Quelle: Schütze/Weipert (Hrsg.), Münchener Vertragshandbuch, Bd. 3, Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 1992, S. 1185f. 2. Unterwerfungserklärung - Reaktion des Verletzers auf Abmahnung - keine Formerfordernisse - läßt Unterlassungsverpflichtungsvertrag zw. Störer und Abmahnenden zustandekommen - eine Unterwerfungserklärung läßt Wiederholungsgefahr gegenüber allen Anspruchsberechtigten als materielle Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs entfallen!! (aber: Verstoß gegen Unterwerfungserklärung begründet neue Wiederholungsgefahr!) 3. Einstweilige Verfügung (§§ 25 UWG, §§ 936, 916ff ZPO) ☞ - praktisch hoch relevant (ca. 65% aller Verfahren)!!!!!!! - kann auch an Kammer für Handelssachen gerichtet werden (§ 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG); Vorteil: bessere Sachkunde der Richter (vgl. §§ 105, 114 GVG) 45 - Dringlichkeit wird grds. vermutet (§ 25 UWG) - als Verfügungsanspruch kommt praktisch nur Unterlassungsanspruch in Betracht, da einstw. Rechtschutz nicht zur endgültigen Befriedigung des Antragstellers führen darf - Antrag muß konkrete Verletzungshandlung bezeichnen; Verallgemeinerungen nur zulässig, wenn sie vom Kern ("Kerntheorie") der Verletzungshandlung noch umfaßt sind - Antragsgegner reicht häufig "Schutzschrift" bei Gericht ein; wird von Gericht bei Entscheidung, ob mündl. Verhandl. (§ 937 Abs. 1 ZPO) berücksichtigt - vor Klageerhebung hat Kläger "Abschlußschreiben" mit Aufforderung zur Anerkennung der einstw. Verfg. an Verletzer zu richten, sonst Risiko der Kostentragung nach § 93 ZPO 4. Gerichtsstand: § 24 Abs. 2 UWG Achtung: Gerichtsstand des Tatorts in § 24 Abs. 2 S. 1 UWG ist durch UWG-Änderungsgesetz von 1994 für Klagen von Verbänden außer Kraft gesetzt, es sei denn, Beklagte hat im Inland keinen Wohnsitz (§ 24 Abs. 2 S. 2 UWG); Grund: Verhinderung von Mißbrauch durch Abmahnvereine! 46