pdf-Datei - Fachbereich Mathematik

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Vektoranalysis
Einführung, begriffliche Grundlegung und Leitfaden
von
Günther Trautmann
Kaiserslautern 2001
Inhaltsverzeichnis
c
1. Vorbemerkungen
2
2. Topologische Grundbegriffe
3
3. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
11
4. Tangentialräume und Vektorfelder
18
5. Metriken und Volumina
27
6. Differentialformen
32
7. Orientierungen und Integrale von Differentialformen
36
8. Beweis des Satzes von Stokes
42
9. ∗–Operatoren und klassische Operatoren der Vektoranalysis
45
10. Klassische Formulierungen, Varianten und Greensche Formel
48
11. Anhang. Lebesgue Integrale auf Rn
55
Günther Trautmann, Fachbereich Mathematik der Universität, Kaiserslautern 2001
Literatur zur Topologie
[BQ] Boto von Querenburg, Mengentheoretische Topologie, Springer 1973
[J1] K. Jänich, Topologie, 7.Auflage, Springer 2001
[S] H. Schubert, Topologie, Teubner 1961
Literatur zu Mannigfaltigkeiten
[B] T. Bröcker, Analysis in mehreren Variablen, Teubner 1980
[HR] H. Holmann - H. Rummler, Alternierende Differentialformen, 2. Auflage, B.I. 1981
[J2] K. Jänich, Vektoranalysis, Springer 1992
[SW] U. Storch - H. Wiebe, Lehrbuch der Mathematik, Bd. 4, Analysis auf Mannigfaltigkeiten - Funktionentheorie - Funktionalanalysis, Spektrum 2001
[W] F.W. Warner, Foundations of Differentiable Manifolds and Lie Groups, Springer GTM
94, 1983
1
1. Vorbemerkungen
In Analysis und Geometrie treten Flächen und Flächenstücke aller Art und jeder Dimension auf, und es ist sowohl vom Standpunkt der Anwendungen als auch aus rein theoretischem Interesse nötig, ihre Struktur und ihre Geometrie zu untersuchen. Als Unterscheidungsmerkmale sind u.a. topologische Begriffe eingeführt worden, aber vor allem auch
Begriffe, die auf der Analysis auf den Flächen basieren, wie Differentialformen, Vektorfelder, die sogenannte deRham–Cohomologie, Tensorfelder, Krümmungstensoren u.v.a.m.
Dies alles hat zu dem Gebiet der Differentialgeometrie geführt, in ständigem Dialog mit
der theoretischen Physik. Dieser Dialog hat in jüngster Zeit durch Feldtheorien und die
Stringtheorie starke Impulse erfahren. Es ist Ziel dieses Kurses, einerseits grundlegende
Begriffe der Differentialgeometrie einzuführen und andererseits den Satz von Stokes zu
beweisen und seine Varianten zu diskutieren. Das Skript dient dabei hauptsächlich als
knapper Leitfaden, und es ist nicht beabsichtigt eine weitere ausführliche Ausarbeitung
den vielen guten Texten und Lehrbüchern hinzuzufügen. Trotzdem ist dieses Skript bis
auf wenige leicht zu erarbeitende Zusammenhänge und Beweise in sich vollständig.
Eine Fläche im R3 oder eine Hyperfläche F im Rm besitzt i.a. keine globalen Koordinaten.
Ist etwa n ihre Dimension, so bedeutet die Existenz von globalen Koordinaten(funktionen)
x1 , . . . , xn , daß die dadurch gegebene Abbildung F → Rn ein Homöomorphismus auf eine
offene Teilmenge des Rn ist, s.u. Das ist aber i.a. nicht möglich. So ist etwa die Sphäre
S n ⊂ Rn+1 kompakt, nicht aber eine offene Teilmenge des Rn . Jedoch kann man die Existenz von lokalen Koordinaten erwarten. Das bedeutet, daß jeder Punkt p ∈ F ein Umϕ
gebung U(p) ⊂ F besitzt mit einem Homöomorphismus U(p) −
→ V auf eine offene Menge
V ⊂ Rn , so daß die Komponentenfunktion ϕ1 , . . . , ϕn als (lokale) Koordinaten auf U(p)
fungieren. Bezüglich dieser kann man dann die Differenzierbarkeit einer Funktion F → R
definieren. Sind dann die betrachteten Koordinatensysteme differenzierbar verträglich,
d.h. jedes ϕν ist bezüglich der ψ1 , . . . , ψn eines anderen Koordinatensystems differenzierbar und umgekehrt, so hängt der Differenzierbarkeitsbegriff nicht von der Wahl des
Koordinatensystems ab. Darauf aufbauend kann man ohne wesentliche Abstriche die klassische Differentialrechnung und Integrationstheorie auf jede solche Fläche und jede ihrer
Verallgemeinerungen, den differenzierbaren Mannigfaltigkeiten, koordinatenunabhängig
übertragen.
Als Beispiel kann die n–Sphäre S n ⊂ Rn+1 dienen, die in den Standardkoordinaten
x0 , . . . , xn des Rn+1 durch die Gleichung x20 + . . . + x2n = 1 gegeben ist. Diese Hyperfläche ist kompakt und kann deshalb keine globalen Koordinaten besitzen. Aber nimmt
man nur einen Punkt heraus, so ist S n r {p} homöomorph zum Rn und dort hat man
damit lokale Koordinaten. Ist etwa
p = (1, 0, . . . , 0) und q = (−1, 0, . . . , 0)
so hat man durch
σ
1
(ktk2
1+kt+k2
1
(x0 , . . . , xn ) 7−→
1
(x1 , . . .
1−x0
− 1, t1 , . . . , tn ) ←− (t1 , . . . , tn ),
wobei ktk2 = t21 + · · · + t2n , einen Homöomorphismus
σ
1
S n r {p} −→
Rn ,
2
, xn )
,
und analog durch
σ
2
(x0 , . . . , xn ) 7−→
1
(x1 , . . . , xn )
1 + x0
einen Homöomorphismus
σ
2
S n r {q} −→
Rn .
Die Koordinatentransformation τ = σ2 ◦ σ1−1 ist nur auf Rn r {0} definiert, da σ1 (q) = 0,
und man berechnet sofort, daß
τ
Rn r {0} −
→ Rn r {0}
durch
(t1 , . . . , tn ) 7−→
1
(t1 , . . . , tn )
ktk2
gegeben und somit beliebig oft differenzierbar ist.
Da man nun für die Differenzierbarkeit und alle weiteren Begriffe und Sätze nur noch
die lokalen Koordinaten braucht, kann man sich ganz von einer Einbettung einer Fläche
F ⊂ Rm lösen. Solche Einbettungen sind dann auch aus praktischen Gründen eher
hinderlich. Man kommt so zu Räumen X, die durch lokale Koordinatenumgebungen Ui
überdeckt sind, analog zu den Karten eines Atlanten der Erdoberfläche oder der S 2 , so
ϕi
daß die Koordinaten durch Homöomorphismen Ui −→ Vi gegeben sind, Vi ⊂ Rn offen, und
so daß die Koordinatentransformationen
ϕj ◦ϕ−1
ϕi (Ui ∩ Uj ) −−−−i→ ϕj (Ui ∩ Uj )
differenzierbar sind. Solche Räume heißen, vgl. die präzisere Definition im Text, differenzierbare Mannigfaltigkeiten. Durch diese erweitert sich der mathematische Horizont vom
Zahlenraum Rn zu einem Kosmos von Mannigfaltigkeiten.
2. Topologische Grundbegriffe
Lokale Koordinaten einer Mannigfaltigkeit sind auf offenen Teilmengen gegeben. Demzufolge benötigt man grundlegende Regeln über die offenen Mengen, die in einer Topologie
zusammengefaßt sind.
2.1. Topologische Räume.
Sei X eine Menge und O ein System von Teilmengen von X. Dieses heißt eine Topologie
auf X und das Paar (X, O) ein topologischer Raum, wenn gilt:
(1) ∅, X ∈ O
(2) Ist (Qλ )λ∈Λ eine Familie von Mengen Qλ ∈ O, so ist auch ∪ Qλ ∈ O
λ∈Λ
(3) Sind Q1 , . . . , Qn ∈ O, so ist auch ∩ Qν ∈ O
ν
Die Mengen, die zu O gehören, heißen auch offene Teilmengen des topologischen Raumes.
Wenn O festgelegt ist, schreibt man auch nur X für (X, O). Zu Beispielen siehe Literatur.
Ist p ∈ X ein Punkt, so heißt eine Teilmenge U ⊂ X mit p ∈ U eine Umgebung von p,
wenn es eine offene Menge Q gibt mit p ∈ Q ⊂ U. Man schreibt dann auch U = U(p).
3
Eine offene Menge ist dann Umgebung jedes ihrer Punkte. Sind U1 und U2 Umgebungen
von p, so auch U1 ∩ U2 .
2.2. Abgeschlossene Mengen.
Sei X = (X, O) ein topologischer Raum. Eine Teilmenge A ⊂ X heißt abgeschlossen,
wenn X r A offen ist. Durch Komplementbildung kann man die Axiome (1), (2), (3)
auch in Termen von abgeschlossenen Mengen formulieren. Ist etwa (Aλ )λ∈Λ eine Familie
abgeschlossener Menge, so ist auch der Durchschnitt ∩Aλ abgeschlossen, denn
λ
X r ∩Aλ = ∪(X r Aλ ).
λ
λ
Zu einer Teilmenge M ⊂ X bildet man den Abschluß M̄ als den Durchschnitt aller
abgeschlossenen Mengen von X, die M enthalten. Man verifiziere für Teilmengen M, N ⊂
X:
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
M̄ ist abgeschlossen
M̄ = {x ∈ X | jede Umgebung U(x) trifft M}
Ist M ⊂ N, so auch M̄ ⊂ N̄
M ∪ N = M̄ ∪ N̄
M ∩ N ⊂ M̄ ∩ N̄ und die Gleichheit gilt nicht immer.
Ist (xν )ν∈N eine Folge in X, so heißt ein Punkt p ∈ X Häufungspunkt, wenn zu
jedem Index ν und zu jeder Umgebung U(p) ein Index µ ≥ ν existiert mit xµ ∈ U.
Ist dann Mν die Menge der Folgenpunkte xi , i ≥ ν, so ist ∩M̄ν die Menge der
ν
Häufungspunkte der gegebenen Folge.
◦
2.3. Der offene Kern M einer Teilmenge M des topologischen Raumes kann definiert
◦
werden als die Vereinigung aller offenen Mengen, die in M enthalten sind. Dann ist M
offen und
◦
M = {x ∈ X | ∃ Umgebung U(x) mit U(x) ⊂ M}
2.4. Ein topologischer Raum X heißt hausdorffsch, wenn zu je zwei Punkten p 6= q in
X Umgebungen U(p) und V (q) existieren mit U(p) ∩ V (q) = ∅.
Beispiel 1: Sei (X, d) eine Menge mit einer Metrik d, d.h. d ist eine Abbildung X × X →
R+ , die folgende Bedingungen erfüllt:
(1)
(2)
(3)
(4)
d(x, y) ≥ 0
d(x, y) = 0 genau dann, wenn x = y
d(x, y) = d(y, x) für je zwei Punkte
d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) für je drei Punkte
Man kann dann die d–Kugeln vom Radius r > 0 um Punkte a,
Br (a) := {x ∈ X | d(x, a) < r},
betrachten. Durch die Metrik erhält man eine Topologie Od , indem man Q ⊂ X als offen
erklärt, wenn zu jedem Punkt q ∈ Q ein ε > 0 existiert mit Bε (q) ⊂ Q. Man kann sofort
verifizieren, daß Od eine Topologie ist. Diese Topologie ist hausdorffsch.
4
Insbesondere sind die offenen Mengen des Rn durch die Metriken d1 (x, y) = kx −
yk, kxk2 = Σx2ν , oder d2 (x, y) = sup |xν − yν | definiert.
ν
Beispiel 2: (Zariski–Topologie auf R). Die Topologie OZ auf R sei definiert durch:
Q ∈ OZ wenn Q leer oder das Komplement einer endlichen Menge ist, wobei auch ∅ als
endliche Menge angesehen wird. Der Raum (R, OZ ) ist nicht hausdorffsch.
2.5. Konvergenz von Folgen.
Sei X ein topologischer Raum und (xν )ν∈N eine Folge in X. Diese heißt konvergent
gegen a ∈ X, wenn zu jeder Umgebung U(a) ein Index ν0 existiert mit xν ∈ U(a) für
ν ≥ ν0 . Ist X hausdorffsch, so ist a eindeutig bestimmt und man kann dann die Notation
lim xν := a einführen.
ν→∞
2.6. Stetige Abbildungen.
f
Sei X −
→ Y eine Abbildung topologischer Räume. f heißt stetig in a ∈ X, wenn zu jeder
Umgebung V (f (a)) in Y eine Umgebung U(a) in X existiert mit
f (U) ⊂ V.
f
g
Sind X −
→Y −
→ Z zwei Abbildungen topologischer Räume, und ist f in a und g in f (a)
stetig, so ist g ◦ f in a stetig. f heißt stetig auf X, wenn f stetig in jedem Punkt ist.
Man verifiziere die folgenden Aussagen:
f
Lemma: Für eine Abbildung X −
→ Y topologischer Räume sind äquivalent:
(1)
(2)
(3)
(4)
f ist stetig.
für jede offene Menge Q ⊂ Y ist auch f −1 (Q) ⊂ X offen.
für jede abgeschlossene Menge A ⊂ Y ist auch f −1 (A) ⊂ X abgeschlossen
für jede Teilmenge M ⊂ X ist f (M) ⊂ f (M).
2.7. Topologische Abbildungen.
f
Eine Abbildung X −
→ Y topologischer Räume heißt topologisch oder topologischer
Isomorphismus oder Homöomorphismus, wenn f bijektiv und sowohl f als auch f −1
g
stetig sind. Dazu ist äquivalent: f ist stetig und es gibt eine stetige Abbildung X ←
−Y
f
mit f ◦ g = idY und g ◦ f = idX . Ist f topologisch, so schreibt man auch X −
→ Y und
≈
nennt X und Y homöomorph. Wenn die topologische Abbildung nicht spezifiziert ist, so
schreibt man auch X ≈ Y , falls X und Y homöomorph sind.
Beispiele: (1) x 7→ arctan(x) ist eine topologische Abbildung R −
→] − π2 , π2 [.
≈
(2) x 7→ log
x
x−1
ist eine topologische Abbildung ]0, 1[−
→R
≈
(3) t 7→ (cos t, sin t) = e ist eine topologische Abbildung ]0, 2π[→ S 1 r {(1, 0)}, wo S 1
die von R2 induzierte Topologie trägt, siehe 2.8.
it
(4) Polarkoordinaten für R2 :
Sei R ⊂ R2 der Streifen der (t, r) mit 0 < t < 2π und 0 < r und G = R2 r {(x, 0) | x ≥ 0}.
f
Durch (t, r) 7→ (r cos t, r sin t) erhält man eine topologische Abbildung R −
→ G. Die inverse
5
Abbildung g kann man global nicht durch Standardfunktionen ausdrücken. Aber lokal
erhält man etwa für y > 0
p
x
, x2 + y 2 ).
g(x, y) = (arccos p
x2 + y
Hier sind sowohl f als auch g C ∞ –differenzierbar.
2.8. Induzierte Topologie.
f
Ist X −
→ Y eine Abbildung von Mengen und OY eine Topologie auf Y , so bilden die Mengen f −1 (Q), Q ∈ OY , eine Topologie OX auf X, die man die von f induzierte Topologie
nennt. In dieser Topologie ist dann f stetig, und OX ist die kleinste Topologie O ⊂ P (X)
für die f noch stetig ist.
j
Ist insbesondere X ֒→ Y eine Teilmenge mit Inklusionsabbildung, so besteht die von j
induzierte Topologie aus den Mengen
j −1 (Q) = X ∩ Q , Q ∈ OY .
2.9. Produkttopologie.
pν
Seien X1 , . . . , Xn topologische Räume und X1 × . . . × Xn −→ Xν die Projektionen von der
Produktmenge auf die Faktoren, pν (x1 , . . . , xn ) = xν . In Verallgemeinerung des Begriffs
der induzierten Topologie definiert man die Produkttopologie durch:
Ω ⊂ X1 × . . . × Xn .
heißt offen, wenn es zu jedem a = (a1 , . . . , an ) ∈ Ω offene Umgebungen Uν (aν ) ⊂ Xν gibt
mit
U1 (a1 ) × . . . × Un (an ) ⊂ Ω.
Man verifiziert leicht, daß man damit eine Topologie auf X1 × . . . × Xn erhält, für die die
Projektionen (gerade noch) stetig sind. Ebenso verifiziert man leicht, daß X1 × . . . × Xn
in dieser Produkttopologie hausdorffsch ist, wenn jeder der Räume Xν hausdorffsch ist.
Beispiel: Auf Rn = R×. . .×R stimmt die von der euklidischen Metrik definierte Topologie
mit der Produkttopologie überein.
2.10. Quotiententopologie.
f
Ist X −
→ Y eine Abbildung von Mengen und OX eine Topologie auf X, so bilden die
Mengen Q ⊂ Y mit f −1 (Q) ∈ OX eine Topologie auf Y , die man die Quotiententopologie
nennt. Diese ist die größte (bezüglich der Teilmengen O ⊂ P (Y ) der Potenzmenge von
Y ), für die f noch stetig ist.
f
Beispiele: (1) Sei X −
→ {b} ⊂ Y die konstante Abbildung auf einen Punkt. Dann ist
die Quotiententopologie die diskrete Topologie auf Y , d.h. die Topologie, in der jede
Teilmenge von Y offen ist.
(2) (Z, +) ist eine additive Untergruppe von (R, +) und man kann die Quotientengruppe
R/Z betrachten. Diese ist die Menge der Äquivalenzklassen [x] für die Äquivalenzrelation
6
x ∼ y, die durch x − y ∈ Z definiert ist. Es folgt sofort aus dieser Definition, daß dann
die Addition durch
[x] + [y] := [x + y]
p
wohldefiniert ist und durch die R/Z zu einer abelschen Gruppe wird. Es sei R −
→ R/Z
die kanonische Quotientenabbildung x 7→ [x]. Auf R/Z erhält man dann die Quotiententopologie. In R/Z werden alle ganzen Zahlen mit 0 identifiziert. Insbesondere wird dann
das Einheitsintervall [0, 1] ⊂ R zu einer ”geschlossenen” Kurve. Es gilt der
Satz: R/Z ist homöomorph zur S 1 .
Beweisskizze: Die Abbildung t 7→ e2πit = (cos 2πt, sin 2πt) von R → S 1 faktorisiert sich
über die Abbildung [t] 7→ e2πit von R/Z → S 1 , die wohldefiniert und bijektiv ist. Man
weist dann leicht nach, daß diese Abbildung topologisch ist.
Bemerkung: Sowohl R/Z als auch S 1 ⊂ C haben eine natürliche Gruppenstruktur: R/Z
nach obiger Definition und S 1 als Menge der komplexen Zahlen vom Betrag 1 mit der von
C induzierten Multiplikation, |z1 · z2 | = |z1 ||z2 | = 1. In beiden Räumen ist außerdem die
Gruppenoperation G × G → G und die Inversenbildung G → G stetig. Man nennt Gruppen mit einer Topologie und dieser Eigenschaft topologische Gruppen. So ist auch GLn (R)
2
als offene Menge des Rn eine topologische Gruppe. Die obige Abbildung R/Z → S 1 ist
nun auch ein Isomorphismus der topologischen Gruppen. Nach Einführung der differenzierbaren Strukturen ergibt sich sofort, daß R/Z und S 1 differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind, für die die Gruppenoperationen und die Abbildung R/Z → S 1 differenzierbar
sind. Man nennt solche Gruppen dann Liegruppen. Die Gruppe S 1 wird oft auch mit
2
U(1) bezeichnet, als Spezialfall der unitären Gruppen U(n), wobei U(n) ⊂ Cn die
Gruppe der komplexen Matrizen A mit AĀt = I bezeichnet.
(3) n–dimensionaler Torus: Analog zu R/Z führt man die Gruppe Rn /Zn mit der
Quotiententopologie ein. Hier erhält man eine Isomorphie Rn /Zn ≈ S 1 × . . . × S 1
durch [(t1 , . . . , tn )] 7→ (e2πit1 , . . . , e2πitn ). Insbesondere ist Rn /Zn homöomorph zu
(R/Z)n . Auch in diesem Fall kann man unmittelbar aufgrund der Definitionen zeigen, daß die Gruppenoperationen auf Rn /Zn oder auf S 1 × . . . × S 1 stetig, und, nach
Einführung der differenzierbaren Strukturen, differenzierbar sind. Die obige Abbildung
Rn /Zn → S 1 × . . . × S 1 ist dann ein Isomorphismus der Liegruppen.
(4) Eine Verklebung: Sei X = (R × {0}) ∪ (R × {1}) der topologische Raum, der aus den
zwei parallelen Geraden y = 0 und y = 1 des R2 besteht. Zwei Punkte (x, µ), (y, ν) ∈ X
mögen äquivalent heißen, wenn x = y 6= 0, oder wenn x = y = 0 und µ = ν. Dadurch hat
man eine Äquivalenzrelation ∼ auf X und die Menge Y = X/ ∼ der Äquivalenzklassen.
In Y werden die Punkte (x, 0) und (x, 1) identifiziert, solange x 6= 0 ist, nicht jedoch
die Punkte (0, 0) und (0, 1). Y trage die Quotiententopologie der natürlichen Abbildung
x 7→ [x] von X nach X/ ∼. Diese ist nicht hausdorffsch.
2.11. Der projektive Raum Pn (R).
Auf Rn+1 r {0} sei die Äquivalenzrelation x ∼ y durch y = λx, 0 6= λ ∈ R definiert. Die Äquivalenzklassen entsprechen dann den von den Vektoren aufgespannten
1–dimensionalen Untervektorräumen. Wir schreiben für einen solchen auch
hxi
7
und es ist hxi = hyi genau dann, wenn x ∼ y. Es bezeichne
Pn (R) := (Rn+1 r {0})/ ∼
die Menge der Äquivalenzklassen oder der 1–dimensionalen Untervektorräume und π die
kanonische Surjektion Rn+1 r {0} → Pn (R). Ist E ⊂ Rn+1 ein (d + 1)–dimensionaler
Untervektorraum, so nennt man π(E r {0}) einen d–dimensionalen projektiven linearen
Unterraum von Pn (R). Es ist dann E r {0} = π −1 (π(E r {0})). Es trage Pn (R) die
Quotiententopologie.
Lemma 1: Ist H ⊂ Pn (R) ein (n − 1)–dimensionaler projektiver Unterraum (kurz:
Hyperebene), so ist Pn (R) r H homöomorph zu Rn .
e ⊂ Rn+1 die H entsprechende Hyperebene, H
e r {0} = π −1 (H), und sei die
Beweis: Sei H
e von e1 , . . . , en aufgespannt wird. Dann
Basis e0 , e1 , . . . , en von Rn+1 so gewählt, daß H
sind die Punkte von Pn (R) r H gerade durch hx0 e0 + x1 e1 + · · · + xn en i mit x0 6= 0
charakterisiert. Durch
(t1 , . . . tn ) 7→ he0 + t1 e1 + · · · + tn en i
erhält man dann eine bijektive Abbildung
ϕ
Rn −
→ Pn (R) r H.
Diese Abbildung ist nun auch topologisch. Dazu betrachten wir das kommutative Diagramm
n+1
n6R
Φ nnnnnnn
nn nn
nnnnnnnnn
n
n
Ψ
nnnnnn
vn
n
/
R
ϕ
e
rH
π
P(R) r H.
mit Φ(t1 , . . . , tn ) = e0 + t1 e1 + · · · + tn en .
Mit Φ und π ist dann auch ϕ = π ◦ Φ stetig. Sei andererseits Ψ(t0 , t1 , . . . , tn ) =
e durch t0 = 0 charakterisiert ist. Es ist dann
(t1 /t0 , . . . , tn /t0 ). Man beachte, daß H
−1
ϕ ◦ Ψ = π und somit Ψ = ϕ ◦ π. Dann ist für jede offene Menge Q ⊂ Rn auch
Ψ−1 (Q) = π −1 (ϕ−1 )−1 (Q)
und somit offen, d.h. ϕ(Q) = (ϕ−1 )−1 (Q) ist offen. Damit ist auch ϕ−1 stetig.
Lemma 2: Pn (R) ist hausdorffsch.
Beweis: Zu hxi =
6 hyi in Pn (R) existiert eine Hyperebene H, die keinen der Punkte enthält,
e
indem man H in Rn+1 entsprechend wählt. In Pn (R) r H ≈ Rn findet man nun getrennte
Umgebungen von hxi, hyi.
Bemerkung: Die Einschränkung π|S n auf die Sphäre S n ⊂ Rn+1 r{0} liefert eine stetige
und noch surjektive Abbildung S n → Pn (R), bei der gerade gegenüberliegende (antipodische) Punkte identifiziert werden. Das liefert ein anschauliches Modell des Pn (R) als
”halboffene” Halbsphäre mit ebensolchen Unterhalbsphären als projektive Unterräume.
2.12. Kompaktheit.
Ein topologischer Raum X heißt kompakt, wenn er hausdorffsch ist und zu jeder offenen
8
Überdeckung (Uα )α∈A des Raumes endlich viele Indizes α1 , . . . , αn ∈ A existieren mit
X = Uα1 ∪ . . . ∪ Uαn .
Eine Teilmenge K eines topologischen Raumes X heißt kompakt, wenn K in der induzierten Topologie kompakt ist. Das bedeutet, daß K hausdorffsch ist und für jede Familie
(Uα )α∈A offener Mengen von X mit K ⊂ ∪Uα bereits K ⊂ Uα1 ∪ · · · ∪ Uαn für endlich
α
viele Indizes.
Lemma 1: Sei X hausdorffsch und K ⊂ X kompakt. Dann ist K abgeschlossen.
Beweis. Sei p ∈ X r K. Zu jedem x ∈ K gibt es disjunkte Umgebungen Ux (x), Vx (p).
Da K ⊂ ∪ Ux , existieren x1 , . . . , xn ∈ K mit K ⊂ Ux1 ∪ · · · ∪ Uxn . Es ist dann V (p) =
x∈K
Vx1 ∩ . . . ∩ Vxn eine Umgebung von p und V (p) ∩ K = ∅. Damit ist gezeigt, daß X r K
offen ist.
Lemma 2: Ist der Raum X kompakt und A ⊂ X abgeschlossen, so ist auch A kompakt.
Beweis. Mit X ist auch A in der induzierten Topologie hausdorffsch. Sei (Uλ )λ∈Λ eine
offene Überdeckung von A, d.h. A ⊂ ∪Uλ . Dann bilden die Uλ zusammen mit X r A
λ
eine offene Überdeckung von X. Dann gibt es endlich viele Indizes λ1 , . . . , λn mit X =
(X r A) ∪ Uλ1 ∪ · · · Uλn . Es folgt A ⊂ Uλ1 ∪ · · · ∪ Uλn .
f
Lemma 3: Ist X −
→ Y eine stetige Abbildung, X kompakt und Y hausdorffsch, so ist
f (X) kompakt.
Beweis als Aufgabe
Satz: (Tychonoff) Sind X1 , . . . , Xn kompakte Räume, so auch das Produkt X1 ×. . .×Xn .
Beweis. Es genügt, den Satz für das Produkt zweier Räume X, Y zu zeigen. Mit X und Y
ist auch X × Y hausdorffsch. Sei (Wλ )λ∈Λ eine offene Überdeckung von X × Y . Zu jedem
(a, b) ∈ X×Y gibt es offene Umgebungen Ua,b (a) ⊂ X und Va,b (b) ⊂ Y mit Ua,b ×Va,b ⊂ Wλ
für ein λ = λ(a, b). Fixiert man a, so erhält man durch die Mengen Va,b eine offene
Überdeckung von Y . Dann gibt es endlich viele b1 (a), . . . , bn(a) (a) ∈ Y , so daß die Va,bν (a)
bereits Y überdecken. Sei dann Ua = ∩Ua,bν (a) . Dann bilden die Ua × Va,bν (a) eine endliche
ν
Überdeckung von Ua × Y und es existieren λ(a, ν) mit Ua × Va,bν (a) ⊂ Wλ(a,ν) . Die Mengen
Ua überdecken X. Da auch X kompakt ist, gibt es wiederum endlich viele a1 , . . . , am mit
Ua1 ∪ · · · ∪ Uam = X. Dann bilden aber die Produkte Uaµ × Vaµ ,bν (aµ ) , ν = 1, . . . , n(aµ ),
eine endliche Überdeckung von X × Y . Da Uaµ × Vaµ ,bν (aµ ) ⊂ Wλ(aµ ,ν) für jeden Index µ, ν,
so bilden diese Wλ(aµ ,ν) eine endliche Teilüberdeckung des Produkts.
Bemerkung: Der Satz von Tychonoff gilt auch für Produkte
Indexmenge Λ.
Q
Xλ über eine beliebige
Satz: (Heine–Borel) Eine Teilmenge K des Rn ist kompakt genau dann, wenn sie abgeschlossen und beschränkt ist.
2.13. Beispiele kompakter Räume.
Die oben eingeführten Räume S n , Pn (R), Rn /Zn sowie Produkte aus diesen sind kompakt.
9
Für S n folgt die Aussage aus dem Satz von Heine–Borel. Nach der Bemerkung in 2.11 ist
die Abbildung S n → Pn (R) surjektiv, und somit Pn (R) nach 2.12, Lemma 3, kompakt.
Sei Q ⊂ Rn der abgeschlossene Einheitswürfel. Dann ist die Zusammensetzung Q ֒→
Rn → Rn /Zn noch surjektiv, also ist mit Q auch der Torus kompakt. Man kann das auch
aus der Homöomorphie Rn /Zn ≈ S 1 × · · · × S 1 folgern.
2.14. Zusammenhang.
Ein topologischer Raum X heißt zusammenhängend, wenn er nicht Vereinigung zweier
disjunkter, nicht–leerer, offener Teilmengen ist. Eine Teilmenge A ⊂ X heißt zusammenhängend, wenn sie in der induzierten Topologie zusammenhängend ist. Das bedeutet,
daß aus A ⊂ Ω1 ∪ Ω2 , Ω1 , Ω2 offen in X, und A ∩ Ω1 ∩ Ω2 = ∅ folgt, daß A ∩ Ω1 = ∅ oder
A ∩ Ω2 = ∅.
Lemma 1: Ein topologischer Raum X ist zusammenhängend genau dann, wenn für jede
Teilmenge M ⊂ X gilt: ist M 6= ∅, offen und abgeschlossen, so ist M = X.
Der Beweis ergibt sich sofort aus X = M ∩ (X r M).
Lemma 2: Ist (Mλ )λ∈Λ eine Familie zusammenhängender Teilmengen und ist ∩Mλ 6= ∅,
λ
so ist ∪Mλ = M zusammenhängend.
λ
Beweis. Seien U, V offen, M ⊂ U ∩ V und M ∩ U ∩ V = ∅. Sei a ∈ ∩Mλ , und a ∈ U.
λ
Dann ist Mλ ∩ U 6= ∅ für jedes λ. Da Mλ zusammenhängend ist, folgt Mλ ∩ V = ∅. Dann
ist auch M ∩ V = ∅.
Lemma 3: Ist A ⊂ X eine zusammenhängende Teilmenge, so auch jede Teilmenge B
mit A ⊂ B ⊂ Ā.
Beweis. Seien U, V offen in X mit B ⊂ U ∩ V und B ∩ U ∩ V = ∅. Wenn etwa B ∩ U 6= ∅,
dann auch Ā ∩ U 6= ∅ und somit auch A ∩ U 6= ∅. Da A zusammenhängend ist, ist
A ∩ V = ∅. Dann ist aber auch Ā ∩ V = ∅ und B ∩ V = ∅.
f
Satz 1: Ist X −
→ Y eine stetige Abbildung topologischer Räume und ist X zusammenhängend, so auch f (X).
Der Beweis ergibt sich direkt aus den Definitionen, indem man die Urbildmengen offener
Teilmengen in Y betrachtet.
Satz 2: Sind X1 , . . . , Xn zusammenhängende topologische Räume, so auch das Produkt
X = X1 × . . . × Xn .
Beweis. Es genügt, den Satz für zwei zusammenhängende Räume X und Y zu beweisen.
Sei (a, b) ∈ X × Y und sei Z ⊂ X × Y die Vereinigung aller zusammenhängenden Teilmengen, die (a, b) enthalten. Nach Lemma 2 ist Z zusammenhängend. Ist nun (x, y) ein
beliebiger Punkt des Produkts, so sei
A = ({x} × Y ) ∪ (X × {b}).
Es ist dann (x, b) ∈ {x} × Y und (x, b) ∈ X × {b}. Mit X und Y sind auch {x} × Y
und X × {b} zusammenhängend und dann nach Lemma 2 auch A. Da auch (a, b) ∈ A,
folgt (x, y) ∈ A ⊂ Z. Da (x, y) ein beliebiger Punkt des Produkts war, ist gezeigt, daß
Z = X × Y und daß damit das Produkt zusammenhängend ist.
10
Bemerkung: Die zusammenhängenden Teilmengen von R sind die Intervalle, wobei
±∞ als Intervallgrenze zugelassen ist. Jedoch
√ ist die√ Teilmenge Q ⊂ R nicht zusammenhängend, wie die Zerlegung Q = {t < 2} ∪ { 2 < t} zeigt. Q ist sogar total
unzusammenhängend, d.h. die einzigen zusammenhängenden Teilmenge von Q sind die
einzelnen Punkte, da man zwischen zwei rationalen Zahlen stets eine irrationale finden
kann.
2.15. Zusammenhangskomponenten.
Sei X ein topologischer Raum und x ∈ X. Mit Z(x) sei die größte zusammenhängende
Teilmenge von X bezeichnet, die x enthält. Diese Menge ist dann nach 2.14, Lemma 3,
abgeschlossen. Sie heißt die Zusammenhangskomponente von x. Nach 2.14, Lemma 2, ist
Z(x) die Vereinigung aller zusammenhängenden Mengen, die x enthalten.
Lemma: Für zwei Punkte x, y ∈ X gilt entweder Z(x) = Z(y) oder Z(x) ∩ Z(y) = ∅
Beweis. 1) Wenn y ∈ Z(x), so folgt Z(x) ⊂ Z(y), also auch x ∈ Z(y) und somit wiederum
Z(y) ⊂ Z(x), d.h. Z(x) = Z(y).
2) Wenn y ∈
/ Z(x), so ist Z(x) ∩ Z(y) = ∅, sonst existierte ein z ∈ Z(x) ∩ Z(y) und dann
Z(x) = Z(z) = Z(y), und es wäre y ∈ Z(x).
3. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
3.1. Koordinatenumgebungen.
Eine n–dimensionale Karte des topologischen Raumes X sei ein Paar (U, x), wobei U
x
eine offene Teilmenge von X und U −
→ Rn eine stetige Abbildung ist, so daß x(U) offen
x
in Rn und U −
→ x(U) eine topologische Abbildung ist. Die Komponenten x1 , . . . , xn
der Abbildung x nennt man dann lokale Koordinaten und (U, x1 , . . . , xn ) eine lokales
Koordinatensystem, sowie U eine Koordinatenumgebung.
Sind (U, x) und (V, y) zwei solche n–dimensionale Koordinatensysteme und ist U ∩ V 6= ∅,
so ist die Abbildung
y◦x−1
x(U ∩ V ) −−−→ y(U ∩ V )
ein Homöomorphismus zwischen offenen Mengen des Rn . Man nennt sie auch Karten–
oder Koordinatentransformation. Die Karten (U, x) und (V, y) heißen C k –verträglich (k
mal stetig differenzierbar–verträglich) wenn y ◦ x−1 und x◦ y −1 k mal stetig differenzierbar
sind oder wenn U ∩ V = ∅.
3.2. Atlanten.
Ein topologischer Raum X heiße n–dimensionale Mannigfaltigkeit, wenn er hausdorffsch
ist und wenn es zu jedem Punkt p ∈ X eine n–dimensionale Karte (U, x) gibt mit p ∈ U.
Dann gibt es auch Familien {(Uα , xα )}α∈A von n–dimensionalen Karten, so daß X =
∪Uα . Eine solche Familie heißt dann Atlas von X. Ein Atlas A der n–dimensionalen
α
Mannigfaltigkeit X sei also eine Menge von n–dimensionalen Karten (U, x), so daß X die
11
Vereinigung aller offenen Mengen U der Paare (U, x) ∈ A ist. Ein Atlas von X heißt C k –
differenzierbar oder C k –Atlas (im Falle k = ∞ nur differenzierbar), wenn je zwei Karten
(U, x), (V, y) ∈ A C k –verträglich sind.
Ein C k –Atlas A von X heißt vollständig, wenn gilt: ist (V, y) eine n–dimensionale Karte
und ist (V, y) mit jeder Karte (U, x) ∈ A C k –verträglich, so ist bereits (V, y) ∈ A.
3.2.1. Lemma: Zu jedem C k –Atlas A einer n–dimensionalen Mannigfaltigkeit X gibt
e
es einen vollständigen C k –Atlas Ae mit A ⊂ A.
Beweis. Es sei Ae die Menge aller Karten (V, y) von X, die mit jeder Karte von A C k –
e Sind (V1 , y1 ), (V2 , y2) ∈ Ae und ist V1 ∩ V2 6= ∅, so wähle
verträglich sind. Dann ist A ⊂ A.
man einen Punkt a ∈ V1 ∩ V2 und eine Karte (U, x) ∈ A mit a ∈ U. Auf y1 (V1 ∩ V2 ∩ U)
ist dann y2 ◦ y1−1 = (y2 ◦ x−1 ) ◦ (x ◦ y1−1) und somit k–mal stetig differenzierbar in der
offenen Teilmenge y1 (V1 ∩ V2 ∩ U) von y1 (V1 ∩ V2 ). Der Atlas Ae ist nun auch vollständig.
Denn ist (W, z) eine Karte, die mit jeder Karte von Ae C k –verträglich ist, so insbesondere
e
auch mit jeder von A, so daß damit (W, z) ∈ A.
3.3. Differenzierbare Strukturen.
Sei X eine n–dimensionale Mannigfaltigkeit. Ein vollständiger C k –Atlas A von X
heißt C k –Struktur auf X und das Paar (X, A) heißt dann n–dimensionale C k –
Mannigkfaltigkeit. Im Falle k = ∞ wird eine C ∞ –Struktur auch differenzierbare
Struktur genannt und eine C ∞ –Mannigfaltigkeit eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Im Folgenden sei zusätzlich stets vorausgesetzt, daß einer C k –Mannigfaltigkeit eine
abzählbare Topologie zugrundeliegt, d.h. es gibt eine abzählbare Menge (Bi )i∈N offener
Teilmengen, so daß jede offene Menge Vereinigung von Mengen Bi ist. Das ist z.B. für
Rn und alle folgenden Beispiele richtig.
Ist auf X ein C k –Atlas A gegeben, so definiert dieser durch Ae eine C k –Struktur auf
X. Es ist aber möglich, daß zwei verschiedene C k –Atlanten A1 , A2 von X denselben
vollständigen C k –Atlas Ae1 = Ae2 bilden. Das ist genau dann der Fall, wenn jede Karte
von A1 mit jeder Karte von A2 C k –verträglich.
Beispiel 1: Sei X ⊂ Rn eine offene Menge mit dem Atlas A, der nur aus der Karte (X, id)
ϕ
besteht. Dann besteht Ae aus allen Paaren (U, ϕ), für die U ⊂ X offen und U −
→ ϕ(U)
ein C k –Diffeomorphismus auf eine offene Menge ϕ(U) ⊂ Rn ist. Man erhält somit auf X
eine C k –Struktur für jedes k.
Beispiel 2: Ist V ein n–dimensionaler R–Vektorraum, so wird V wie folgt auf natürliche
Weise zu einer n–dimensionalen Mannigfaltigkeit. Zu einer Basis von V erhält man einen
linearen Isomorphismus Rn ∼
= V und überträgt dadurch die Topologie von Rn auf V .
Dadurch ist auch eine globale Karte und ein C ∞ –Atlas auf V gegeben. Jeder andere
lineare Isomorphismus Rn ∼
= V stellt eine mit dem gegebenen C ∞ –verträgliche Karte dar,
denn die Koordinatentransformation ist linear. Alle diese linearen Karten gehören dann
zu dem von der Ausgangskarte definierten vollständigen Atlas.
Beispiel 3: Sei X eine n–dimensionale Mannigfaltigkeit und A ein C k –Atlas von X. Ist
z
(U, x) ∈ A und V ⊂ x(U) eine offene Menge mit einem C k –Diffeomorphismus V −
→ z(V )
e
auf eine offene Menge z(V ) des Rn , so gehört (x−1 (V ), z ◦ x) zu A.
12
Beispiel 4: Pn (R) als differenzierbare Mannigfaltigkeit.
In 2.11 wurde gezeigt, daß es zu jeder projektiven Hyperebene H ⊂ Pn (R) eine topologische Abbildung Pn (R) r H −
→ Rn gibt. Damit ist Pn (R) eine kompakte n–dimensionale
≈
Mannigfaltigkeit. Aus der konkreten Beschreibung dieser Karten ergibt sich sofort, daß
diese C ∞ –verträglich sind. Insbesondere bilden die Karten (Uν , ϕν ), ν = 0, . . . , n, einen
C ∞ –Atlas von Pn (R), wobei
Uν = {hx0 , . . . , xn i ∈ Pn (R) | xν 6= 0}
xν+1
xn
.
,
,
.
.
.
,
und ϕν (hx0 , . . . , xn i) = xxν0 , . . . , xxν−1
xν
xν
ν
Mit der Vervollständigung dieses Atlas ist dann Pn (R) eine differenzierbare Mannigfaltigkeit.
Beispiel 5: Die Sphäre S n wird mit der Vervollständigung des Atlas, der aus den beiden
stereographischen Projektionen zum Nord– und Südpol gebildet ist, eine differenzierbare
Mannigfaltigkeit.
Beispiel 6: Produktmannigfaltigkeiten.
Sind (X, A) und (Y, B) C k –Mannigfaltigkeiten der Dimension m und n, so bekommt man
den Atlas A × B, der aus allen Produktkarten (U × V, x × y) besteht mit (U, x) ∈ A und
^
(V, y) ∈ B. Dann ist A × B ein C k –Atlas. X × Y mit dem vervollständigten Atlas A
×B
heißt dann die Produktmannigfaltigkeit von (X, A) und (Y, B).
In derselben Weise erhält man aus endlich vielen C k –Mannigfaltigkeiten
(X1 , A1 ), . . . , (Xk , Ak ) der Dimensionen n1 , . . . , nk die Produktmannigfaltigkeit
X1 × · · · × Xk der Dimension n1 + · · · + nk mit dem C k –Atlas A1 × · · · × Ak , der wie
A × B aus den Produktkarten besteht. Die Vervollständigung von A1 × · · · × Ak ist dann
die C k –Struktur auf der Produktmannigfaltigkeit.
Beispiel 7: Der n-dimensionale Torus Rn /Zn .
π
In 2.10, (3), wurde Rn /Zn mit der Quotiententopologie der natürlichen Surjektion Rn −
→
Rn /Zn versehen und gezeigt, daß Rn /Zn in dieser Topologie homöomorph zum n–fachen
Produkt S 1 × . . . × S 1 ist. Damit erhält Rn /Zn auch die Struktur einer differenzierbaren
Mannigfaltigkeit. Diese kann man aber auch direkt durch folgende Karten bekommen.
Dazu sei V0 ⊂ Rn der offene Einheitswürfel, der durch 0 < t1 , . . . , tn < 1 gegeben ist, und
zu jedem a ∈ Rn sei
Va = a + V0
der verschobene Würfel. Dann ist Ua = π(Va ) eine offene Menge, denn
π −1 (Ua ) = ∪ n Va+z
z∈Z
ist offen in R . Außerdem ist π|Va : Va → Ua bijektiv und stetig, und sogar topologisch,
d.h. π|Va führt auch offene Mengen von Va in solche von Ua über: ist Ω ⊂ V0 offen, so
a + Ω in Va und es ist
n
π −1 π(a + Ω) = ∪ n (a + z + Ω)
z∈Z
offen, also π(a + Ω) offen in R /Z . Es sei ϕa = (π|Va )−1 . Dann bilden die Karten
(Ua , ϕa ) von Rn /Zn einen C ∞ –Atlas. Dazu zeigt man, daß ϕb ◦ ϕ−1
a lokal–konstant auf
−1
ihrem Definitionsbereich ist: ist y = ϕb ◦ ϕa (x), so ist π(y) = π(x), also y = x + m mit
n
n
13
−1
m ∈ Zn oder y = ϕb ◦ ϕ−1
a (x) = x + m(x). Mit ϕb ◦ ϕa ist dann auch m stetig und somit
lokal–konstant als Zn –wertige Abbildung. Die Karten Ua entsprechen den Produktkarten
auf S 1 × · · · × S 1 aus Karten vom Typ S 1 r {p}.
3.4. Untermannigfaltigkeiten.
Sei X eine n–dimensionale (zunächst nur topologische) Mannigfaltigkeit. Eine Teilmenge
Y ⊂ X heißt d–dimensionale Untermannigfaltigkeit, wenn es zu jedem Punkt a ∈ Y eine
Karte (U, x) von X gibt mit a ∈ U und
x(U ∩ Y ) = x(U) ∩ Rd
(∗)
Hierbei wird Rd als Teilmenge (Untervektorraum oder Untermannigfaltigkeit) von Rn
der Tupel (t1 , . . . , td , 0, . . . , 0) aufgefaßt. Der Durchschnitt U ∩ Y ist dann durch die
Gleichungen xd+1 = · · · = xn = 0 der letzten n − d Koordinatenfunktionen beschrieben.
Die Teilmenge Y wird in der induzierten Topologie eine d–dimensionale Mannigfaltigkeit,
denn Y ist dann hausdorffsch, und die Paare (U ∩ Y, x|U ∩ Y ), die aus den Karten (U, x)
mit der obigen Eigenschaft gebildet sind, bilden dann einen Atlas.
3.4.1. Lemma: Sind (U, x) und (V, y) Karten von X mit (∗) und sind (U, x) und (V, y)
C k –verträglich, so auch die Karten (U ∩ Y, x|U ∩ Y ) und (V ∩ Y, y|V ∩ Y ).
Beweis. Sei y ◦ x−1 = f = (f1 , . . . , fn ) auch x(U ∩ V ). Dann gilt auf x(U ∩ V ) ∩ Rd
f (t1 , . . . , td , 0, . . . , 0) = (f1 (t1 , . . . , td , 0, . . . , 0), . . . , fd (t1 , . . . , td , 0, . . . , 0), 0, . . . , 0),
da yd+1 , . . . , yn auf U ∩ V ∩ Y verschwinden. Damit ist
(y|U ∩ V ∩ Y ) ◦ (x|U ∩ V ∩ Y )−1 = y ◦ x−1 |x(U ∩ V ) ∩ Rd
C k –differenzierbar mit Werten in y(U ∩ V ) ∩ Rd .
3.4.2. Differenzierbare Untermannigfaltigkeiten.
Ist X eine n–dimensionale C k –Mannigfaltigkeit mit dem vollständigen Atlas A, so heißt
eine Teilmenge Y ⊂ X eine d–dimensionale C k –differenzierbare Untermannigfaltigkeit,
wenn es zu jedem Punkt a ∈ Y eine Karte (U, x) ∈ A gibt mit a ∈ U und x(U ∩ Y ) =
x(U) ∩ Rd . Zusätzlich zur Definition einer topologischen Untermannigfaltigkeit verlangt
man jetzt, daß die betreffenden Karten der differenzierbaren Struktur angehören.
Ist Y eine C k –Untermannigfaltigkeit, so erhält man nach dem Lemma 3.4.1 mit
AY = {(U ∩ Y, x|U ∩ Y ) | (U, x) ∈ A, x(U ∩ Y ) = x(U) ∩ Rd }
einen C k –Atlas von Y , und mit AeY eine C k –Struktur auf Y , mit der Y selbst eine d–
dimensionale C k –Mannigfaltigkeit wird.
3.5. Untermannigfaltigkeit in Rn .
Sei X eine offene Teilmenge des Rn und seien fd+1 , . . . , fn ∈ C k (X). Diese Funktionen
definieren das gemeinsame Nullstellengebilde
Y = {p ∈ X | fd+1 (p) = · · · = fn (p) = 0}.
14
Die Funktionalmatrix (oder Jacobische) dieser Funktionen ist
 ∂fd+1
∂f
· · · ∂xd+1
∂x1
n

..
J(fd+1 , . . . , fn ) =  ...
.
∂fn
∂x1
···
∂fn
∂xn
gegeben durch



.
Diese Matrix ist an einer Stelle p die Darstellung der Ableitung der Abbildung
(fd+1 , . . . , fn ) : X → Rn−d in den kanonischen Basen von Rn und Rn−d .
3.5.1. Lemma: Ist der Rang von J(fd+1 , . . . , fn )(p) an jeder Stelle p ∈ Y maximal gleich
n − d, so ist Y eine C k –Untermannigfaltigkeit von X.
Beweis. Sei a ∈ Y . Nach Umnummerierung der Koordinaten können wir annehmen, daß
die Determinante (Minore) der quadratischen Teilmatrix
∂fµ
∂(fd+1 , . . . , fn )
(a) := det
(a)
∂(xd+1 , . . . , xn )
∂xν
d+1≤µ,ν≤n
nicht verschwindet. Wir betrachten dann die Abbildung
ϕ(x1 , . . . , xn ) = (x1 , . . . , xd , fd+1 (x1 , . . . , xn ), . . . , fn (x1 , . . . , xn )),
ϕ
X−
→ Rn .
Man stellt sofort fest, daß J(ϕ) in a die nicht verschwindende Determinante
det J(ϕ)(a) =
∂(fd+1 , . . . , fn )
(a) 6= 0
∂(xd+1 , . . . , xn )
hat. Nach dem lokalen Umkehrsatz der Analysis gibt es dann eine offene Umgebung
U(a) ⊂ X und eine offene Umgebung B(ϕ(a)) ⊂ Rn , so daß
ϕ|U
B
≈
ein C k –Diffeomorphismus ist. Dann gehört (U, ϕ|U) zum vollständigen Atlas von X und
es ist
U
ϕ(U ∩ Y ) = B ∩ Rd ,
da Y gerade durch das Verschwinden der Funktionen fd+1 , . . . , fn definiert ist. Damit ist
gezeigt, daß Y eine Untermannigfaltigkeit ist.
3.6. Klassische Gruppen.
Aus der Fülle von Beispielen von Untermannigfaltigkeiten, die wie oben durch lokale oder
globale Funktionen beschrieben werden, seien hier einige der klassischen Matrizengruppen
erwähnt.
1) GLn (R) sei die Gruppe der invertierbaren n × n–Matrizen mit reellen Koeffizienten.
Diese ist die Gruppe der linearen Automorphismen des Rn . Sie bildet eine offene Menge
2
es Rn , die durch det 6= 0 gegeben ist.
2) SLn (R) ⊂ GLn (R) sei die Untergruppe der Matrizen mit Determinante 1. Man
überzeuge sich, daß die Gleichung det(A) − 1 = 0 eine (n − 1)–dimensionale Untermannigfaltigkeit definiert.
15
3) O(n) ⊂ GLn (R) sei die Untergruppe der orthogonalen Transformationen, d.h. die
Untergruppe der Matrizen A mit A ◦ At = I. Diese Identität beinhaltet ein System von
Gleichungen, die O(n) als n(n − 1)/2–dimensionale Untermannigfaltigkeit ausweisen.
4) SO(n) = O(n) ∩ SLn (R) ist die Untergruppe von GLn (R) der Matrizen A mit AAt = I
und det(A) = 1. Wie O(n) ist SO(n) eine Untermannigfaltigkeit von GLn (R), aber
gleichzeitig eine offene Teilmenge von O(n).
5) Der Vollständigkeit halber seien hier auch die Untergruppen SU(n) ⊂ U(n) ⊂ GLn (C)
erwähnt. U(n) ist die Untergruppe der unitären Matrizen A mit AĀt = I und für SU(n)
gilt zusätzlich die Gleichung det(A) = 1. Beide Untergruppen sind auch Untermannigfal2
2
tigkeiten von GLn (C) ⊂ (C)n = R2n .
3.7. Differenzierbare Abbildungen.
f
Seien (X, A) und (Y, B) zwei C k –Mannigfaltigkeiten. Eine Abbildung X −
→ Y heißt C k –
differenzierbar (im Falle k = ∞ nur differenzierbar), wenn f stetig ist und wenn für je
zwei Karten (U, x) ∈ A und (V, y) ∈ B die Abbildung
y ◦ f ◦ x−1 : x(U ∩ f −1 (V )) → y(V )
C k –differenzierbar ist. Diese Abbildungen heißen auch lokale Darstellungen von f .
Lemma: Die stetige Abbildung f ist bereits dann C k –differenzierbar, wenn die lokalen
Darstellungen für Karten je eines Teilatlas A0 ⊂ A und B0 ⊂ B es sind.
Beweis. Seien (U, x) ∈ A und (V, y) ∈ B. Zu a ∈ U ∩ f −1 (V ) gibt es eine Karte (U0 , x0 ) ∈
A0 mit a ∈ U0 und eine Karte (V0 , y0 ) ∈ B0 mit f (a) ∈ V0 . Dann ist W = U ∩ U0 ∩
f −1 (V ∩ V0 ) eine offene Umgebung von a und auf x(W ) gilt
−1
y ◦ f ◦ x−1 = (y ◦ y0−1 ) ◦ (y0 ◦ f ◦ x−1
0 ) ◦ (x0 ◦ x ),
so daß diese Abbildung dort C k –differenzierbar ist. Da a ∈ U ∩ f −1 (V ) beliebig war, ist
y ◦ f ◦ x−1 auf ganz x(U ∩ f −1 (V )) C k –differenzierbar.
Beispiel 1: Sei (X, A) eine C k –Mannigfaltigkeit und Y ⊂ X eine C k –Untermannigj
faltigkeit. Dann ist die Einbettungsabbildung Y ֒→ X eine C k –Abbildung bezüglich der
C k –Strukturen AeY und A.
Beispiel 2: Seien (X, A) und (Y, B) zwei C k –Mannigfaltigkeiten. Dann sind die Prop
q
jektionsabbildungen X ←
− X ×Y −
→ Y C k –differenzierbar bezüglich der C k –Strukturen
^
A, A
× B, B.
Beispiel 3: Sei G eine der Gruppen Rn /Zn , GLn (R), SLn (R), O(n) oder SO(n), die
gleichzeitig differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind. Dann sind die Abbildungen g 7→
g −1 , G → G und (g, h) 7→ f ◦ h, G × G → G differenzierbar. Mengen G, die gleichzeitig
Gruppen und differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind und für die die Gruppenoperationen
differenzierbar sind, heißen Liegruppen.
Beispiel 4: Eine Matrix A ∈ GLn+1 (R) definiert auch eine Abbildung Ā : Pn (R) → Pn (R)
durch Ā(hxi) = hAxi. Diese Abbildung ist wohldefiniert, da A linear ist, und heißt
auch lineare Transformation des projektiven Raumes. Es ist dann sofort ersichtlich, daß
Ā differenzierbar ist. Da auch A−1 differenzierbar ist, ist Ā ein Diffeomorphismus mit
Ā−1 = A−1 . Es ist Ā = B̄ genau dann, wenn es ein λ 6= 0 in R gibt mit B = λA. Es
16
bezeichne P GLn (R) = die Quotientengruppe GLn (R)/{λIn | λ ∈ R r {0}}. Diese wird
in der Quotiententopologie eine (n2 − 1)–dimensionale Liegruppe. Auf die Karten sei hier
nicht eingegangen. Die Gruppe P GLn+1 (R) identifiziert sich dann mit der Gruppe der
linearen Transformationen des Pn (R).
3.8. Diffeomorphismen.
f
Eine Abbildung X −
→ Y zwischen zwei C k –Mannigfaltigkeiten mit den (vollständigen) Atlanten A und B heißt Diffeomorphismus, wenn f bijektiv und f und f −1 C k –differenzierbar
sind. Äquivalent dazu ist, daß f C k –differenzierbar ist und daß eine C k –differenzierbare
g
Abbildung Y −
→ X existiert mit g ◦ f = idX und f ◦ g = idY .
Beispiel von Diffeomorphismen sind die linearen Transformationen des Pn (R), vgl. Beispiel 4 von 3.7 und die Abbildungen G → G einer Liegruppe G, die durch g 7→ gh oder
g → g −1 gegeben sind.
ϕn
Bemerkung: Sei R −→ R die Abbildung t → tn . Für ungerades n ist ϕn topologisch
und man bekommt damit einen differenzierbaren Atlas An = {(R, ϕn )}. Es ist Aen 6=
Aem für n 6= m, aber es gibt einen Diffeomorphismus zwischen (R, Aen ) und (R, Aem),
√
etwa t → n t zwischen (R, Ae1) und (R, Aen ). Allgemeiner kann man zeigen, daß für je
zwei differenzierbare Strukturen A und B auf Rn , n 6= 4, ein Diffeomorphismus zwischen
(Rn , A) und (Rn , B) existiert. Es war eine der erstaunlichsten Entdeckungen des 20.
Jahrhunderts als S. Donaldson um 1984 zeigte, daß diese Tatsache für n = 4 falsch ist
und somit dem R4 eine Sonderstellung unter allen Rn zukommt. Später konnte man zeigen,
daß auf R4 eine Menge Θ von differenzierbaren Strukturen auf R4 von der Mächtigkeit
des Kontinuums existiert, so daß (R4 , A) und (R4 , B) nicht diffeomorph sind für je zwei
Strukturen A 6= B in Θ.
3.9. Differenzierbare Funktionen.
f
Ist (X, A) eine C k –Mannigfaltigkeit, so heißt eine Funktion X −
→ R C k –differenzierbar,
wenn sie bezüglich der Standardstruktur {(R, id)}∼ von R C k –differenzierbar ist. Das
bedeutet, daß f stetig ist und daß f ◦ x−1 : x(U) → R eine C k –Funktion ist für jede Karte
(U, x) ∈ A.
Sei C k (X) die Menge der C k –Funktionen. Diese bildet eine R–Algebra, d.h einen R–
Vektorraum, der gleichzeitig ein kommutativer Ring mit Eins ist, wenn man die Operationen
f +g
,
f ·g
und
λ·f
für f, g ∈ C k (X) und λ ∈ R punktweise durch
(f + g)(x) = f (x) + g(x),
(f · g)(x) = f (x)g(x), (λf )(x) = λf (x)
definiert. Faßt man λ ∈ R als konstante Funktion auf, so erhält man die Einbettung
R ⊂ C k (X). Ist f ∈ C k (X), so ist Xf = {x ∈ X | f (x) 6= 0} eine offene Teilmenge
und somit mit dem (vollständigen) Atlas AXf = {(U, x) ∈ A | U ⊂ Xf } eine C k –
Mannigfaltigkeit, auf der die Funktion 1/f erklärt und C k –differenzierbar ist.
Einschränkung auf offene Teilmengen. Ist Ω ⊂ X eine offene Teilmenge, so ist Ω
mit dem Atlas AΩ = {(U, x) ∈ A | U ⊂ Ω} eine C k –Mannigfaltigkeit und man hat die
17
Restriktionsabbildung
C k (X) → C k (Ω)
durch f 7→ f |Ω. Ebenso hat man für zwei offene Mengen Ω′ ⊂ Ω die Restriktionsabbildung C k (Ω) → C k (Ω′ ). Für drei offene Mengen Ω3 ⊂ Ω2 ⊂ Ω1 ist das Diagramm der
Restriktionsabbildungen kommutativ.
C k (Ω1 )
/
C k (Ω2 )
3
/
C k (Ω3 )
3.10. Funktionskeime.
Sei (X, A) eine C k –Mannigfaltigkeit und a ∈ X, und sei C k (X, a) die Menge der Paare
(U, f ) für die U eine offene Umgebung von a und f ∈ C k (U) ist. Zwei solche Paare
(U, f ) und (V, g) werden nun als äquivalent erklärt, (U, f ) ∼ (V, g), falls eine offene
Umgebung W (a) ⊂ U ∩ V existiert, s.d. f |W = g|W . Damit erhält man offensichtlich
eine Äquivalenzrelation, deren Klassen mit
fa = [U, f ]a
bezeichnet werden und Funktionskeime heißen. Es ist dann fa = ga genau dann, wenn
f |W = g|W für eine offene Umgebung W (a) ⊂ U ∩ V . Es bezeichne
Cak = Cak (X, A)
die Menge der so definierten Funktionskeime. Man kann nun solche Keime addieren und
multiplizieren, ohne die Definitionsbereiche der Repräsentanten zu spezifizieren: Man
kann sofort verifizieren, daß die folgenden Setzungen wohldefiniert sind.
fa + ga = (f |W + g|W )a,
•
•
λfa := (λf )a
wenn f ∈ C k (U), g ∈ C k (V ) und W ⊂ U ∩ V . Sodann folgt sofort, daß Cak mit diesen
Operationen eine R–Algebra ist.
3.11. Notationen.
Im Folgenden wird die Bezeichnung der differenzierbaren Struktur bei einer C k –
Mannigfaltigkeit (X, A) weggelassen, wenn keine weiteren solcher Strukturen auf X betrachtet werden, und es wird X für (X, A) geschrieben. Eine Karte (oder Koordinatensystem) (U, x) von X soll dann stets eine Karte des vollständigen Atlas A sein. Per
x
definitionem ist die Abbildung U −
→ x(U) auch ein Diffeomorphismus, wenn U als offene
Teilmenge die induzierte C k –Struktur trägt und x(U) die von Rn .
4. Tangentialräume und Vektorfelder
Die Tangentialräume an (i.a. nicht eingebettete) Mannigfaltigkeiten werden im Folgenden als Vektorräume von Ableitungsoperatoren nach den lokalen Koordinaten eingeführt.
Erst danach wird die Bildung des Tangentiellen als lineare Approximation in Punkten der
Mannigfaltigkeit beschrieben. Erst zum Schluß erschließt sich dann eine Motivation der
Definition durch die Bildung von geometrischen Tangentialräumen an Untermannigfaltigkeiten des Rn .
18
4.1. Derivationen.
ξ
Sei X eine C k –Mannigfaltigkeit und a ∈ X. Eine Abbildung Cak −
→ R heißt Derivation
in a, wenn sie R–linear ist und der Produktregel ξ(fa ga ) = f (a)ξ(ga) + g(a)ξ(fa) genügt.
Die Menge
Der(Cak , R)
aller Derivationen in a bilden einen R–Vektorraum mit der argumentweise definierten
Addition (ξ + η)(fa ) := ξ(fa ) und Skalarmultiplikation (λξ)(fa ) := λξ(fa ).
4.2. Ableitungen nach lokalen Koordinaten.
Sei X eine C k –Mannigfaltigkeit und (U, x1 , . . . , xn ) ein lokales Koordinatensystem mit
x
dem Diffeomorphismus U −
→ x(U) auf die offene Menge x(U) des Rn . Sei a ∈ U und
seien s1 , . . . , sn die Koordinaten des Rn . Ist f eine in einer Umgebung von a definierte
C k –Funktion, so ist f ◦ x−1 eine C k –Funktion in einer Umgebung von x(a), und man kann
die partiellen Ableitungen
∂(f ◦ x−1 )
∂f
(a) :=
(x(a))
∂xν
∂sν
einführen. Ist y1 , . . . , yn ein weiteres Koordinatensystem von X auf U, so sind damit auch
die Ableitungen
∂yν
(a)
∂xµ
und
∂xµ
(a)
∂yν
erklärt. Sind dann t1 , . . . , tn die natürlichen Koordinaten für y(U), so folgt aus der
Kettenregel für f ◦ x−1 = (f ◦ y −1) ◦ (y ◦ x−1 ) die Formel
X ∂(f ◦ y −1)
∂(yν ◦ x−1 )
∂(f ◦ x−1 )
(x(a)) =
(y ◦ x−1 (x(a)))
(x(a)),
∂sµ
∂t
∂s
ν
µ
ν
denn y ◦x−1 hat die Komponentenfunktion yν ◦x−1 . In der oben eingeführten Schreibweise
erhalten wir die Transformationsformel
P ∂yν
∂f
∂f
(a) =
(a)
(a) .
∂xµ
∂yν
ν ∂xµ
Man kann die Operatoren
∂
(a)
∂xν
(1)
auch auf Keime fa ∈ Cak anwenden durch die Festsetzung
∂
∂f
∂fa
(a) :=
(a)(fa ) :=
(a),
∂xν
∂xν
∂xν
denn ist fa = ga , so stimmen f und g in einer Umgebung von a überein und liefern
∂f
dieselben Ableitungen. Aus der Definition von ∂x
(a) folgt sofort, daß die Operatoren
ν
∂
(a) : Cak → R
∂xν
Derivationen sind. Die Formel (1) schreibt sich dann auch als
P ∂yν
∂
∂
(a) =
(a)
(a)
∂xµ
∂yν
ν ∂xµ
als Gleichung in Der(Cak , R).
19
(2)
4.3. Tangentialräume in einem Punkt.
Sei X eine C k –Mannigfaltigkeit und a ∈ X. Dann sei
Ta X ⊂ Der(Cak (X), R)
der Untervektorraum, der von den Vektoren
∂
∂
(a), . . . ,
(a)
∂x1
∂xn
zu einem Koordinatensystem x1 , . . . , xn um a aufgespannt wird. Wegen der Transformationsformel (2) hängt diese Definition nicht vom Koordinatensystem ab. Es gilt
dim Ta X = dim X, denn die Vektoren ∂x∂ ν (a) sind linear unabhängig: Man hat aufgrund
P
µ
der Definitionen ∂x
(a) = δµν und aus
cν ∂x∂ ν (a) = 0 mit Koeffizienten cν ∈ R folgt
∂xν
durch Einsetzen von xµ , daß cµ = 0.
ν
Jedes Koordinatensystem um a liefert also eine Basis von Ta X und die Formel (2) gibt
die Basistransformation zwischen zwei solchen Basen an.
4.4. Tangentialabbildungen in einem Punkt.
f
Sei X −
→ Y eine C k –Abbildung von C k –Mannigfaltigkeiten, a ∈ X und b = f (a). Ist
ξ ∈ Der(Cak (X), R), so erhält man durch
ϕb 7→ f∗a (ξ)(ϕb) := ξ((ϕ ◦ f )a ),
eine Derivation auf Cbk (Y ), wie man unmittelbar verifizieren kann. Die Zuordnung ξ 7→
f∗a (ξ) ist darüber hinaus eine lineare Abbildung
Der(Cak (X), R)
f∗a
O
?
Ta X
/
Der(Cbk (Y ), R)
/
O
?
Tb Y
die den Raum Ta X in den Raum Tb Y überführt. Zum Beweis wählen wir lokale Koordinaten x1 , . . . , xm von X um a und y1 , . . . , yn von Y und b. Ist ϕb ∈ Cbk (Y ) und ϕ ein
Repräsentant in einer Umgebung V (b), die in dem Definitionsbereich der yν liegen soll,
so gilt ϕ ◦ f = (ϕ ◦ y −1 ) ◦ (y ◦ f ) auf f −1 (V ) und man hat dann im Punkt a die Formel
X ∂(ϕ ◦ y −1)
∂(fν ◦ x−1 )
∂(ϕ ◦ f ◦ x−1 )
(x(a)) =
(y(b))
(x(a))
∂sµ
∂tν
∂sµ
nach der Kettenregel der Analysis, wobei die Funktionen fν die Komponentenfunktionen
von y ◦ f seien, also fν = yν ◦ f . Diese Formel schreibt sich in der oben eingeführten
Notation dann als
X ∂fν
∂
∂(ϕ ◦ f )
∂ϕ
f∗a
(a) (ϕa ) =
(a) =
(a)
(b)
∂xµ
∂xµ
∂xµ
∂yν
ν
und für die Operatoren gilt dann
f∗a
X ∂fν
∂
∂
(a) =
(a)
(b) .
∂xµ
∂x
∂y
µ
ν
ν
20
(3)
Damit ist nicht nur gezeigt, daß f∗a den Raum Ta X nach Tb Y abbildet, sondern es ist
f∗a
gleichzeitig auch die Matrixdarstellung der linearen Abbildung Ta X −→ Tb Y bezüglich
der gewählten Basen berechnet. Damit ist gezeigt:
f
4.4.1. Satz: 1) Sei X −
→ Y eine C k –Abbildung von C k –Mannigfaltigkeiten und f (a) = b.
Dann induziert f eine lineare Abbildung
Ta f = f∗a : Ta X → Tb Y
der Tangentialräume.
2) Sind x1 , . . . , xm bzw. y1 , . . . , yn lokale Koordinaten von X bzw. Y um a bzw. b
und Rm ∼
= Tb Y , die durch die Basis ∂x∂µ (a) bzw. ∂y∂ν (b) gegebenen
= Ta X bzw. Rn ∼
∂fν
Isomorphismen, so ist die Matrix der Abbildung Ta f die Funktionalmatrix ∂xµ (a) ,
wobei fν = yν ◦ f . In Diagrammform:
TaO X
Ta f
TbO Y .
/
≈
≈
”R
Rm“ ∂f
/
n
ν (a)
∂xµ
4.4.2. Bemerkung: Die Matrix
−1
∂fν
(a)
∂xµ
ist nichts weiter als die Jacobische der Abbil-
dung y ◦ f ◦ x nach der vereinbarten Notation, und stellt so den linearen Anteil dieser
Abbildung dar. Der Funktor Ta ist damit der Funktor, der aus einer differenzierbaren Abbildung an der Stelle a deren linearen Anteil herausgreift, und zwar unabhängig von den
gewählten Koordinaten. Fixiert man aber Koordinaten, so liefert Ta f in der zugehörigen
Matrixdarstellung den linearen Anteil der lokalen Darstellung y ◦ f ◦ x−1 von f .
4.5. Kettenregel als Funktoreigenschaft.
f
g
Sind X −
→Y −
→ Z zwei C k –Abbildungen von C k –Mannigfaltigkeiten und ist b = f (a), c =
g(b), so gilt
Ta (g ◦ f ) = Tb (g) ◦ Ta (f ).
Beweis. Es genügt (g ◦ f )∗a = g∗b ◦ f∗a für die Abbildungen der Derivationsräume zu
zeigen. Das folgt aber unmittelbar aus der Definition dieser Abbildungen. Denn für eine
Derivation
und einen Keim ϕc ∈ Cck (Z) gilt
ξ ∈ Der(C k (X), R)
(g ◦ f )∗a (ξ)(ϕc ) = ξ((ϕ ◦ g ◦ f )a )
= f∗a (ξ)((ϕ ◦ g)b)) = g∗b (f∗a (ξ))(ϕc).
4.5.1. Bemerkung: Drückt man die Formel Ta (g ◦ f ) = Tb (g) ◦ Ta (f ) in Termen von
Basen zu lokalen Koordinatensystemen x1 , . . . , xm von X, y1 , . . . , yn von Y und z1 , . . . , zp
von Z aus, so ist diese Formel äquivalent zu
21
X ∂gλ ∂fν
∂(gλ ◦ f )
(a) =
(b)
(a)
∂xµ
∂yν ∂xµ
ν
(4)
wie unmittelbar aus (3) folgt. Diese Formel ist aber gerade die Kettenregel für die Funktionen gλ ◦ f , wo gλ = zλ ◦ g und fν = yν ◦ f ist.
f
4.5.2. Corollar: Ist X −
→ Y ein Diffeomorphismus, so ist Ta f : Ta X → Tb Y ein Isomorphismus der Vektorräume.
Beweis. Ist g = f −1 , so folgt
id = Tb (id) = Tb (f ◦ g) = Ta (f ) ◦ Tb (g)
id = TA (id) = Ta (g ◦ f ) = Tb (g) ◦ Ta (f ).
und
4.6. Interpretation als Richtungsableitung.
Sind t1 , . . . , tn die Standardkoordinaten des Rn und ist a = (α1 , . . . , αn ) ∈ Rn , so ist
durch den Vektor
X
∂
(a)
αν
∂t
ν
ν
gerade der Ableitungsoperator in Richtung des Vektors (α1 , . . . , αn ) ∈ Rn gegeben, wie
etwa in der Analysisvorlesung gezeigt wird. Damit entspricht die Basis ∂t∂1 (a), . . . , ∂t∂n (a)
von Ta Rn der natürlichen Basis von Rn und der dadurch gegebene Isomorphismus
Rn ∼
= Ta Rn
interpretiert die Vektoren (α1 , . . . , αn ) ∈ Rn als Richtungsableitungen und umgekehrt die
Derivationen als Vektoren es Rn .
Ist nun X eine C k –Mannigfaltigkeit, (U, x) eine Karte, und sind t1 , . . . , tn die Koordinaten
des Rn ⊃ x(U), so hat man unter der Abbildung Ta x für ein a ∈ U gerade
∂
(a)
∂xν
Ta X
Die Derivation
∂
(a)
∂xν
∂
(x(a))
∂tν
Tx(a) Rn
↔
↔
≈
ν
↔
≈
Rn
entspricht damit dem Basisvektor eν des Rn und
X
ν
siehe nochmals 4.3.
↔ (0, . . . , 1, . . . , 0) = eν
αν
∂
(a) ↔ (α1 , . . . , αn ),
∂xν
4.7. Tangentialebenen und -räume an Untermannigfaltigkeiten des Rn .
Sei X eine offene Menge des Rn mit Standardkoordinaten t1 , . . . , tn , seien fd+1 , . . . , fn ∈
C ∞ (X) und
Y = {p ∈ X | fd+1 (p) = · · · = fn (p) = 0}.
Ist der Rang der Jacobischen J(fd+1 , . . . , fn ) = (∂fλ /∂tν ) in jedem Punkt p ∈ Y maximal,
d.h. n − d, so ist nach 3.5 Y eine d–dimensionale Untermannigfaltigkeit. In einem Punkt
22
a ∈ Y hat die Gleichung fλ den linearen Anteil
X ∂fλ
(a)(tν − aν ).
∂tν
ν
Deshalb wird die d–dimensionale Ebene
X ∂xλ
Ea (Y ) = {(t1 , . . . , tn ) ∈ Rn |
(a)(tν − aν ) = 0,
∂tν
ν
λ = d + 1, . . . , n}
die geometrische Tangentialebene an Y in a genannt. Andererseits hat Y den Tangentij
alraum Ta Y . Ist Y ֒→ X die Inklusionsabbildung, und sind y1 , . . . , yd lokale Koordinaten
von Y um a, und sind jν = tν ◦ j die Komponenten von j, so folgt aus fλ ◦ (j1 , . . . , jn ) = 0
sofort
X ∂fλ
∂jν
(a)
(a) = 0
∂tν
∂yµ
ν
für λ = d + 1, . . . , n. Es ist aber auch
j∗a
X ∂jν
∂
∂
(a) =
(a)
(a)
∂yµ
∂yµ
∂tν
ν
und diese Vektoren entsprechend unter Ta Rn ∼
= Rn den Tupeln
∂jn
∂j1
(a), . . . ,
(a)
vµ =
∂yµ
∂yµ
des Rn . Somit ist
a + Ta Y ⊂ Ea (Y ).
Die Abbildung j∗a ist andererseits injektiv. Denn nach 3.5 kann man die lokalen Koordinaten yµ als tµ |U ∩ Y = tµ ◦ j|U ∩ Y wählen, µ = 1, . . . , d, so daß aus
X
∂
cµ j∗a
(a) = 0
∂y
µ
µ
durch Einsetzen von tν , ν = 1, . . . , d, folgt, daß cν = 0. Da Ta Y und Ea (Y ) beide die
Dimension d haben, gilt
a + Ta Y = Ea (Y ).
Wir haben zudem folgenden Satz bewiesen.
Satz: Ist die Untermannigfaltigkeit Y ⊂ Rn (lokal) durch die Gleichungen fd+1 , . . . , fn
definiert und ist rg(∂fλ /∂tν (a)) = n − d für a ∈ Y , so ist j∗a : Ta Y → Ta Rn injektiv und
man kann Ta Y mit seinem Bildraum identifizieren. Unter dieser Identifikation ist Ta Y
der Untervektorraum der Kombinationen
X
∂
(a)
cν
∂tν
in Ta Rn , die der Bedingung
X ∂fλ
(a)cν = 0
∂tν
ν
für λ = d + 1, . . . , n genügen.
23
j
Bemerkung: Mit dem gleichen Beweis zeigt man, daß auch für die Einbettung Y ֒→ X
einer C k –Untermannigfaltigkeit Y in einer C k –Mannigfaltigkeit die Tangentialabbildungen Ta j injektiv sind.
4.8. Vektorfelder.
Sei X eine C k –Mannigfaltigkeit und
TX =
a
Tx X
x∈X
die disjunkte Vereinigung der Tangentialräume, auch Tangentialbündel genannt. Eine
ξ
Abbildung X −
→T X mit der Eigenschaft
ξp = ξ(p) ∈ Tp X
für jedes p ∈ X heißt Vektorfeld. Ist U, x1 , . . . , xn ein lokales Koordinatensystem, so hat
ξ|U eine Darstellung
ξ|U =
n
X
ν=1
fν
∂
∂xν
mit eindeutigen Koeffizientenfunktionen fν , die durch
ξ(p) =
X
fν (p)
ν
∂
(p)
∂xν
für p ∈ U definiert sind, da die Ableitungsoperatoren (nun als Vektorfelder auf U) an jeder
Stelle eine Basis von Tp X bilden. Das Vektorfeld ξ heißt C l –differenzierbar, l < k, wenn
die lokalen Koeffizientenfunktionen für jedes lokale Koordinatensystem C l –differenzierbar
sind.
Bemerkung: Für eine C k –Mannigfaltigkeit kann man höchstens C k−1 –differenzierbare
∂yν
höchsten
Vektorfelder betrachten, da die Koordinatentransformationsfunktionen ∂x
µ
k−1
C –differenzierbar sind.
Sei C l (X, T X) die Menge der C l -Vektorfelder. Diese bildet mit der punktweise definierten
Addition (ξ + η)(p) = ξ(p) + η(p) und Skalarmultiplikation (λξ)(p) = λξ(p) einen R–
Vektorraum, wie man unmittelbar an der Definition sehen kann. Außerdem ist noch
eine ”Skalar”operation mit C l –Funktionen durch (f ξ)(p) = f (p)ξ(p) erklärt. Damit wird
C l (X, T X) ein C l (X)–Modul.
4.9. Vektorfelder auf Untermannigfaltigkeiten des Rn .
Sei X eine offene Menge des Rn und Y ⊂ X eine durch {fd+1 = · · · = fn = 0} definierte
d–dimensionale C k –Untermannigfaltigkeit, wobei fλ ∈ C k (X) und rgJ(fd+1 , . . . , fn )(p) =
n−d für jedes p ∈ Y . Nach 4.7 kann man die Tangentialräume Ta Y als Untervektorräume
des Ta Rn ∼
= Rn auffassen, die dann durch die Bedingungen
X
ν
cν
∂fλ
(a) = 0
∂tν
24
für die Vektoren (c1 , . . . , cn ) ∈ Rn festgelegt sind. Daraus folgt, daß die C l –Vektorfelder
auf Y den Tupeln (g1 , . . . , gn ) von C l –Funktionen auf Y entsprechen mit
X ∂fλ
=0
gν
∂t
ν
ν
für λ = d + 1, . . . , n.
Beispiel: Die Gleichung von S n ⊂ Rn+1 ist x20 +. . .+x2n = 1. Ein (n+1)–Tupel (g0 . . . , gn )
P
von C ∞ –Funktionen gν auf S n definiert durch p 7→ gν (p) ∂t∂ν (p) ein C ∞ –Vektorfeld auf
ν
P
S n genau dann, wenn
xν gν (x) = 0 für x ∈ S n .
ν
4.10. Parametrisierte Kurven.
γ
Sei X eine C k –Mannigfaltigkeit. Eine C k –Abbildung I −
→ X von einem offenen Intervall
I ⊂ R nach X heißt (parametrisierte) (C k )–Kurve und ihr Bild C = γ(I) ihre Spur.
Wie in der allgemeinen Situation hat man dann die Tangentialabbildungen
γ∗α = Tα γ : Tα I → Tγ(α) X
für jedes α ∈ I. Den Bildvektor von
d
(α)
dt
bezeichnet man auch als
γ ′ (α) = γ̇(α) = γ∗α
d
(α) ∈ Tγ(α) X.
dt
Er heißt auch Tangentialvektor an C im Punkt γ(α) oder Geschwindigkeitsvektor.
Ist nun (U, x1 , . . . , xn ) ein lokales Koordinatensystem und J ⊂ I ein Teilintervall mit
γ(J) ⊂ U, so kann man die Kurve
x◦γ
J −−→ x(U)
mit der Komponentenzerlegung
x ◦ γ = (γ1 , . . . , γn )
betrachten mit γν = xν ◦ γ, die dann ebenfalls C k –Funktionen sind. Die Formel (3) von
4.4 schreibt sich dann für α ∈ J
X dγν
d
∂
γ∗α (α) =
(γ(α))
(α)
dt
dt
∂xν
ν
oder
γ̇(α) =
P
ν
γν′ (α)
∂
(γ(α)) .
∂xν
Der γ̇(α) entsprechende Vektor unter Tγ(α) X ∼
= Tx◦γ(α) Rn ∼
= Rn ist dann der Vektor
(γ1′ (α), . . . , γn′ (α))
und spannt durch die Parametrisierung
t 7→ x ◦ γ(α) + t(γ1′ (α), . . . , γn′ (α))
die Tangente an x ◦ γ(J) im Punkt x ◦ γ(α) auf (falls γ̇(α) 6= 0), vgl. Analysisvorlesung.
√
Beispiel: Sei 0 < r < 1 und γ(t) = (r cos t, r sin t, 1 − r 2 ) eine parametrisierte C ∞ Kurve. Sind t0 , t1 , t2 die Standardkoordinaten des R3 und x1 , x2 die lokalen Koordinaten
25
auf S+2 = {a ∈ R3 | t0 (a) > 0}, die durch xν (a0 , a1 , a2 ) = aν für ν = 1, 2 gegeben sind, so
gilt
γ̇(t) = −r sin(t) ∂t∂0 (γ(t)) + r cos(t) ∂t∂1 (γ(t))
= r cos(t) ∂x∂ 1 (γ(t))
Die Spur dieser Kurve ist der Schnitt der S 2 mit der Ebene t2 =
√
1 − r2.
4.11. Integralkurven.
Sei X eine C k –Mannigfaltigkeit und ξ : X → T X ein C l –Vektorfeld, l < k. Eine C l+1 –
γ
Kurve I −
→ X heißt Integralkurve von ξ, wenn γ̇(t) = ξγ(t) für jedes t ∈ I ist, d.h. die
Tangentialvektoren γ̇(t) an die Kurve stimmen mit den durch das Vektorfeld gegebenen
Vektoren in γ(t) überein. In lokalen Koordinaten drückt sich die Bedingung wie folgt aus.
Sei (U, x1 , . . . , xn ) ein Koordinatensystem und sei J ⊂ I ein Teilintervall mit γ(J) ⊂ U.
Sei
X
∂
ξ|U =
fν
∂xν
ν
mit den lokalen Koeffizientenfunktionen, und
X
∂
γ̇(t) =
γν′ (t)
(γ(t))
∂x
ν
ν
mit γν = xν ◦ γ wie im vorigen Abschnitt. Die Integralkurvenbedingung lautet dann
γ1′ (t) =
..
.
f1 (γ(t))
..
.
γn′ (t) = fn (γ(t)) ,
d.h. die Komponentenfunktionen γ1 , . . . , γn sind Lösungen des angegebenen Systems
von Differentialgleichungen. Integralkurven von ξ zu finden heißt also lokale Lösungen
der definierten Differentialgleichungssysteme durch das Vektorfeld zu finden und diese
Lösungen maximal fortzusetzen.
Beispiel: Seien x1 , x2 die lokalen Koordinaten von St2 wie im Beispiel zu 4.10 und sei ξ
das Vektorfeld auf S+2 , das durch
ξ(a) = −a2
∂
∂
(a) + a1
(a)
∂x1
∂x2
√
definiert ist. Ist γ(t) = (γ0 (t), γ1 (t), γ2 (t)) eine Integralkurve von ξ durch ( 1 − r 2 , r, 0),
so muß γ die Gleichungen
γ1′ = −γ2
γ2′ = γ1
erfüllen mit γ1 (0) = r, γ2 (0) p
= 0. Die eindeutige Lösung
dieses Systems ist γ1 =
√
2
2
2
r cos t, γ2 = r sin t und γ0 (t) = 1 − γ1 (t)√− γ2 (t) = 1 − r . Die Spur dieser Kurve
ist der Schnitt von S 2 mit der Ebene t0 = 1 − r 2 . Analog erhält man die Integralkurve
zum Feld
∂
(a)
η(a) = a0
∂x1
26
√
auf S+2 durch (r, 0, 1 − r 2 ) aus den Gleichungen
p
γ1′ =
1 − γ12 − γ22
γ2′ = 0
p
√
und den Anfangsbedingungen. Dann ist γ2 = 1 − r 2 und γ1′ = r 2 − γ12 . Die Lösung
dieser Differentialgleichung mit γ1 (0) = 0 ist γ1 (t) = r sin t. Insgesamt ist dann
√
γ(t) = (r cos t, r sin t, 1 − r 2 ).
5. Metriken und Volumina
5.1. Riemannsche Metriken.
Ein euklidisches Skalarprodukt auf einem n–dimensionalen R–Vektorraum V ist eine
g
positiv–definite symmetrische Bilinearform V × V −
→ R. Ist e1 , . . . , en eine Basis von
V , so ist die durch gµν = g(eµ , eν ) gegebene Matrix symmetrisch und positiv–definit, und
P
P
für Vektoren v =
vν eν und w = wν eν gilt dann
X
g(v, w) =
gµν vµ wν .
µ,ν
Durch
kvk =
sX
gµν vµ vν
µ,ν
erhält jeder Vektor seine durch g gegebene euklidische Norm. Es sei Sk(V ) die Menge
der auf V gegebenen Skalarprodukte.
Ist nun X eine C k –Mannigfaltigkeit und ist zu jedem p ∈ X ein Skalarprodukt gp ∈
Sk(Tp X) gegeben, so daß für jedes lokale Koordinatensystem U, x1 , . . . , xn die Funktionen
∂
∂
p 7→ gµν (p) = gp
(p),
(p)
∂xµ
∂xν
C k−1 –differenzierbar sind, so heißt die Zuordnung g : p 7→ gp eine Riemannsche Metrik
auf X.
j
Ist X eine C k+1 –Untermannigfaltigkeit des Rn der Dimension d, und ist X ֒→ Rn die
Inklusionsabbildung und h das Standardskalarprodukt auf Rn , so erhält man durch die
Einbettungen Tp X ֒→ Tp Rn ∼
= Rn ein Skalarprodukt gp auf Tp X für jedes p ∈ X. Sind
x1 , . . . , xd lokale Koordinaten auf U ⊂ X, so sind mit
X ∂jν
∂
∂
(p) =
(p)
(p)
j∗p
∂xµ
∂xµ
∂tν
die Funktionen gµν durch
gµν (p) =
n
X
∂jλ
∂jλ
(p)
(p)
∂x
∂x
µ
ν
λ=1
gegeben. Da diese Funktionen C k –differenzierbar sind, ist auf X eine Riemannsche Metrik
induziert.
27
5.2. Kurvenlänge.
γ
Ist g eine Riemannsche Metrik auf der C k –Mannigfaltigkeit X und [α, β] −
→ X eine C k –
Kurve auf dem abgeschlossenen Intervall [α, β], so ist kγ̇(t)k eine stetige Funktion auf
diesem Intervall und man kann die Kurvenlänge durch
l(γ) :=
Zβ
kγ̇(t)kdt
α
definieren. Ist I ⊂ [α, β] ein Teilintervall mit γ(I) ⊂ U und sind x1 , . . . , xn lokale Koordinaten auf U, so folgt mit γν = xν ◦ γ, daß für t ∈ I
X
kγ̇(t)k2 =
gµν (γ(t))γµ′ (t)γν′ (t) ,
µ,ν
gµν wie oben. Man kann dann leicht zeigen daß l(γ) unabhängig von der Parametrisierung
ist.
5.3. Beispiel: Hyperbolische Metrik.
Ist g eine Riemannsche Metrik auf der differenzierbaren Mannigfaltigkeit X und ist f ∈
C ∞ (X) mit f (p) > 0 für jedes p ∈ X, so hat man durch p 7→ f (p)gp ∈ Sk(Tp X) eine
neue Riemannsche Metrik. Das gilt insbesondere auch für offene Mengen im Rn . Man
kann auf diese und auch andere Weise Metriken ”modellieren”. Als Beispiel diene der
obere Halbraum Hn ⊂ Rn , der durch tn > 0 gegeben ist. Auf Hn hat man u.a. die
Standardmetrik g mit gp (∂/∂tµ (p), ∂/∂tν (p)) = δµν , die also ”konstant” ist. Man erhält
nun durch hp = p12 gp eine neue Riemannsche Metrik auf Hn , die für pn → 0 unbeschränkt
n
wächst. Halbkreise in Hn , deren Zentrum auf dem Rand {tn = 0} = ∂Hn liegt, haben
dann z.B. keine endliche Länge mehr in dieser Metrik. In der Differentialgeometrie
wird gezeigt, daß diese Halbkreise genau die Geodätischen bezüglich h sind.
5.4. Volumenformen einer Riemannschen Metrik.
Sei g eine Riemannsche Metrik auf der C k –Mannigfaltigkeit X. Zu einem lokalen Koordinatensystem U, x1 , . . . , xn ist dann die C k−1 –Funktion
s
∂
∂
det g
,
=: volxg
∂xµ ∂xν
gegeben. Der Wert dieser Funktion an der Stelle p ∈ U ist der Inhalt des von den
Basisvektoren ∂/∂xµ (p) von Tp X aufgespannten Parallelotops bezüglich der euklidischen
Metrik gp auf Tp X. Aus der Formel (2) in 4.2 ergibt sich für ein zweites System y1 , . . . , yn
von Koordinaten auf U die Formel
X
∂yi ∂yj
∂
∂
∂
∂
=
,
g
,
g
∂xµ ∂xν
∂x
∂x
∂y
∂yj
µ
ν
i
i,j
und daraus
det g
sowie
∂
∂
,
∂xµ ∂xν
volxg
= det
∂yi
∂xµ
2
det g
∂yi y
vol .
= det
∂xµ g
28
∂ ∂
,
∂yi ∂yj
Ist dann M ⊂ U messbar, d.h. x(M) ⊂ x(U) oder y(M) ⊂ y(U) ist Lebesgue–messbar,
vgl. Anhang, und ist λ(x(M)) < ∞, so liefert die Transformationsformel 11.5 für die
Funktionen 1x(M ) und 1y(M ) , daß
R
R
(volyg ◦ y −1)dλ =
(volyg ◦ y −1 ) ◦ (y ◦ x−1 )(∆ ◦ x−1 )dλ
y(M )
x(M )
R
=
(volxg ◦ x−1 )dλ
x(M )
∂yi wobei ∆ = det ∂x
bezeichnet. Damit kann man das g–Maß
j
λg (M) :=
Z
(volxg ◦ x−1 )dλ
x(M )
von M unabhängig von der Koordinatenwahl definieren, falls M ⊂ U.
5.5. Riemannsche Maße.
Sei X eine topologische Mannigfaltigkeit der Dimension n. Eine Teilmenge M ⊂ X
heiße messbar, wenn ϕ(M ∩ U) ⊂ Rn messbar ist für jede Karte (U, ϕ), und entsprechend
Nullmenge, wenn ϕ(M ∩U) eine Nullmenge ist für jeder Karte. Da X als Mannigfaltigkeit
abzählbare Topologie haben soll, gibt es abzählbare Atlanten {(Ui , ϕi)}i∈N und man kann
eine Menge M ⊂ X wie folgt zerlegen
= M ∩ U1
= M ∩ U2 r U1
M1 :
M2 :
..
.
Mi+1 : = M ∩ Ui+1 r U1 ∪ . . . ∪ Ui
..
.
Dann ist M die disjunkte Vereinigung der Mi und Mi ⊂ Ui für jedes i. Ist zudem M
messbar, so auch die Mi .
Ist nun g eine Riemannsche Metrik auf der C k –Mannigfaltigkeit und ist die messbare Menge M ⊂ X zerlegt in messbare Teilmengen Mi mit Mi ⊂ Ui , wobei (Ui ) eine abzählbare
Überdeckung von Koordinatenumgebungen der C k –Struktur ist, so setze man volig = volxg i
und
Z
∞
∞
X
X
λg (M) :=
λg (Mi ) =
(volig ◦ x−1
i )dλ.
i=1
i=1
xi (Mi )
Dieser Wert kann ∞ sein. Es gilt nun der
Satz: λg (M) ist unabhängig von der Zerlegung und der Wahl der Überdeckung.
Der Beweis folgt demselben Muster wie der Beweis des Satzes in 7.3 und sei hier ausgespart.
Aus der Definition von λg ergeben sich nun leicht die Gesetze für ein Maß auf der Menge
MX der messbaren Teilmengen von X. Dieses Maß heißt das der Riemannschen Metrik
zugeordnete Volumenmaß. Zu diesem Maß kann man dann auf die übliche Weise wie in
29
11.2 Lebesgue–integrable Funktionen f und die Integrale
Z
Z
f dλg und
f dλg
X
M
definieren. Für diese gelten dann ebenfalls die Sätze von der monotonen und dominierten
Konvergenz, die sich wie im Fall des Rn aus den Maßeigenschaften von λg ergeben.
In konkreten Fällen kann man Nullmengen bei der Bildung des Integrals weglassen und
dann Zerlegungen von X in große Teile erreichen, die in Koordinatenumgebungen liegen.
Ist M in einer Koordinatenumgebung enthalten, so hat man
s
Z
Z
∂
∂
−1
◦ x−1 dλ,
,
f dλg =
(f ◦ x ) det g
∂xµ ∂xν
M
x(M )
und diese Integrale können gegebenenfalls explizit oder numerisch berechnet werden.
5.6. Volumen der Sphären.
Die Sphäre S n erbt über ihre Tangentialräume eine Riemannsche Metrik von der Standardmetrik des Rn+1 . Die lokalen Koordinaten x1 , . . . , xn auf S+n seien durch die Projektion
(a0 , . . . , an ) 7→ (a1 , . . . , an ) gegeben, so daß x(S+n ) = B n = {(a1 , . . . , sn ) ∈ Rn | s21 + · · · +
j
n+1
n
wird dann durch (s1 , . . . , sn ) 7→ (s0 , s1 , . . . , sn )
s2n < 1}. Die Einbettung
p S+ ֒→ R
2
2
beschrieben mit s0 = 1 − (s1 + · · · sn ). In den Standardkoordinaten ds Rn+1 gilt dann
j∗
aµ ∂
∂
∂
(a) = −
(a) +
(a)
∂xµ
a0 ∂t0
∂tµ
für µ = 1, . . . , n und es wird
gµν (a) = ga
für a ∈ S+n . Daraus errechnet sich
∂
∂
(a),
(a)
∂xµ
∂xν
det(gµν (a)) =
= δµν +
aµ aν
a20
1
.
a20
Nach der obigen Definition des Volumens erhalten wir
Z
dλ(s)
n
p
.
vol(S+ ) =
2
2
1
−
s
−
·
·
·
−
s
1
n
n
B
Dieses Integral berechnet man am günstigsten durch Substitution von Polarkoordinaten.
Nach Ausführung erhält man die Formel
vol(Sn ) =
2vol(S+n )
= 2π
n−1
Y
Zπ/2
cosν (t)dt.
ν=1
−π/2
Danach ist vol(S 1 ) = 2π, vol(S 2 ) = 4π, vol(S 3 ) = 2π 2 , vol(S 4 ) = 8/3π 2 , ....
5.7. Volumen der projektiven Räume.
π
Die Projektion S n −
→ Pn (R) liefert für jeden Punkt a ∈ S n einen Isomorphismus
≈
Ta S n −
→ Tπ(a) Pn (R),
30
so daß das Skalarprodukt ga auf Ta S n des vorigen Beispiels ein Skalarprodukt auf
Tπ(a) Pn (R) induziert, das mit Fp bezeichnet sei. Da π lokal auch ein Diffeomorphismus ist,
≈
z.B. S+n −
→ U0 , ist F eine Riemannsche Metrik auf Pn (R), die Fubini–Study–Metrik
heißt. Sind u1 , . . . , un die linearen Standard-Koordinaten auf U0 , so haben wir das Diagramm
S+n
π
≈
x ≈
/
Bn
U0
u ≈
ϕ
≈
/
Rn
wobei ϕ die lokale Darstellung von π ist. Es ist
p
ϕ(s1 , . . . , sn ) = 1/ 1 − ksk2 · (s1 , . . . , sn )
und
p
ϕ−1 (t1 , . . . , tn ) = 1/ 1 + ktk2 · (t1 , . . . , tn ).
Aus der Matrix gµν (a) erhält man dann durch Einsetzen der Transformation ϕ die Formeln
∂
∂
δij
ai aj
Fp
(p),
(p) =
−
2
∂ui
∂uj
1 + kak
(1 + kak2 )2
wobei p = h1, a1, . . . , an i und
∂
∂
∂
ai aj
∂
(p),
(p) = ga
(a),
(a) = δij +
.
Fp
∂xi
∂xj
∂xi
∂xj
1 + kak2
Da die Fubini–Study–Metrik in den Koordinaten x1 , . . . , xn dieselbe Matrix liefert wie g
für S+n , hat man a priori
1
vol(Pn (R)) = vol(S n ).
2
Andererseits kann man auch die linearen Koordinaten u1 , . . . , un benutzen, um das Volumen zu bestimmen zu
Z
dλ(t)
vol(Pn (R)) =
,
(1 + t21 + · · · t2n )2
Rn
denn der Integrand ist die Wurzel der Determinante der Matrix
∂
∂
(p),
(p) .
Fp
∂ui
∂uj
5.8. Euklidische Metrik auf Rn /Zn .
π
Die Projektion Rn −
→ Rn /Zn liefert an jeder Stelle a des Rn einen Isomorphismus
≈
Rn ∼
→ Tπ(a) (Rn /Zn ),
= Ta Rn −
durch den man das Standard–Euklidische Skalarprodukt auf jeden Tangentialraum Tπ(a)
des Torus übertragen kann. Da die offenen Mengen Va gerade die Standardkarten des
Torus sind, folgt, daß die auf dem Torus definierte Metrik g in diesen Koordinaten
∂
∂
(p),
(p) = δij
gp
∂xi
∂xj
31
wird. Diese Metrik ist dann nicht nur eine Riemannsche Metrik, sondern sogar eine
konstante Metrik, denn die Felder ∂x∂ i sind auf dem Torus global definiert. Es folgt, daß
volg (Rn /Zn ) = 1
≈
denn für eine Karte Ua −
→ Va des Torus ist Rn /Zn r Ua eine Nullmenge, so daß
Z
n
n
volg (R /Z ) = volg (Ua ) = dλ = 1.
Va
6. Differentialformen
Festlegung auf C ∞ –Strukturen. Im Folgenden sollen alle Mannigfaltigkeiten C ∞ –
Mannigfaltigkeiten sein. Das dient der Einfachheit der Formulierungen und Beweise. Daß
dies in Wirklichkeit keine Einschränkung ist, folgt aus einem etwas tiefer liegenden Satz
aus der Differentialtopologie: Ist A ein C k –Atlas auf der topologischen Mannigfaltigkeit
X, so existiert ein C ∞ –Atlas B, der in A enthalten ist. Dann ist die C ∞ –Struktur Be durch
Ae eindeutig bis auf C k –Diffeomorphismen bestimmt und man kann Ae durch Be ersetzen.
Der Beweis beruht auf der Möglichkeit, C k –Abbildungen durch C ∞ –Abbildungen zu approximieren, siehe M.W. Hirsch, Differential Topology, GTM 33, Springerverlag, theorem
2.9 and theorem 2.10.
6.1. Cotangentialräume.
Sei X eine (C ∞ −) differenzierbare Mannigfaltigkeit. Der Cotangentialraum in einem
Punkt a ist definiert als Dualraum des Tangentialraumes,
Ta∗ X := HomR (Ta X, R).
Man bekommt dann eine Abbildung, genannt totales Differential,
d
a
Ca∞ (X) −→
Ta∗ X
durch
(da fa )(ξ) = ξ(fa ),
wobei Ca∞ (X) der Ring der Keime differenzierbarer Funktionen in a ist. Diese Abbildung
ist R–linear und erfüllt die Derivationsregel
da (fa ga ) = f (a)da (ga ) + g(a)da(fa ).
Sind x1 , . . . , xn lokale Koordinaten in einer Umgebung U von a, so bilden die Differentiale
da xν = da xνa
eine Basis von Ta∗ X, die dual zur Basis
(da xν )(
∂
(a)
∂xµ
von Ta X ist, denn
∂xν
∂
(a)) =
(a) = δνµ .
∂xµ
∂xµ
Sodann folgt für einen beliebigen Keim fa die Formel
n
X
∂f
da fa =
(a)da xν .
∂x
ν
ν=1
Globale 1–Formen werden analog zu den Vektorfeldern als Abbildungen von X in die
disjunkte Vereinigung der Cotangentialräume erklärt,
X ∋ a 7→ ωa = ω(a) ∈ Ta∗ X,
32
so daß alle lokalen Koeffizientenfunktionen, definiert durch die Formeln
ωa =
n
X
fν (a)da xν
ν=1
für a ∈ U mit Koordinaten x1 , . . . , xn , differenzierbar sind. Man schreibt dann auch
ω|U =
n
X
fν dxν ,
ν=1
wobei (dxν )(a) = da xν die ν–te Basisform auf U ist. Ist f ∈ C ∞ (X), so hat man die lokale
Darstellung
n
X
∂f
df |U =
dxν .
∂xν
ν=1
Somit ist df eine globale 1–Form, die ebenfalls das totale Differential von f genannt wird.
Insbesondere hat man für zwei Koordinatensysteme x1 , . . . , xn und y1 , . . . , yn auf U die
Transformationsformel
n ∂y
P
ν
dyν =
(1)
dxµ
∂x
µ
µ=1
6.2. p–Formen auf Vektorräumen.
Sei V ein n–dimensionaler R–Vektorraum. Es sei
∧p V ∗ = Altp (V )
der Raum der alternierenden multilinearen Abbildungen V × . . . × V → R, der durch
(ϕ + ψ)(v1 , . . . , vp ) = ϕ(v1 , . . . , vp ) + ψ(v1 , . . . , vp ) und (cϕ)(v1 , . . . , vp ) = cϕ(v1 , . . . , vp )
wieder ein R–Vektorraum ist. Sind ϕ1 , . . . , ϕp ∈ V ∗ Linearformen, so erhält man durch
(ϕ1 ∧ . . . ∧ϕp )(v1 , . . . , vp ) = det(ϕi (vj ))
ein Element von ∧p V ∗ , so daß V ∗ × . . . × V ∗ → ∧p V ∗ , (ϕ1 , . . . , ϕp ) 7→ ϕ1 ∧ . . . ∧ϕp , wieder
multilinear und alternierend ist. Insbesondere ist bei Vertauschung zweier Faktoren
ϕ1 ∧ . . . ∧ϕµ ∧ . . . ∧ϕν ∧ . . . ∧ϕp = −ϕ1 ∧ . . . ∧ϕν ∧ . . . ∧ϕµ ∧ . . . ∧ϕp
und ϕ1 ∧ . . . ∧ϕp = 0 falls ϕµ = ϕν mit µ 6= ν. Die Elemente von ∧p V ∗ heißen auch
p–Formen auf V .
Lemma: Bilden ϕ1 , . . . , ϕn eine Basis von V ∗ , so bilden die ”Produkte” ϕν1 ∧ . . . ∧ϕνp mit
1 ≤ ν1 < . . . < νp ≤ n eine Basis von ∧p V ∗ .
Zum Beweis verifiziere man, daß für ein beliebiges ϕ ∈ ∧p V ∗ gilt
X
ϕ=
ϕ(eν1 , . . . , eνp )ϕν1 ∧ . . . ∧ϕνp ,
wobei e1 , . . . , en die duale Basis in V ist und die Summe über alle streng–geordneten
Indextupel zu erstrecken ist.
Folgerung: dim ∧p V ∗ = np . Man setzt ∧0 V ∗ = R. Im Falle p = n hat man ∧n V ∗ ∼
=R
p ∗
und ∧ V = 0 für p > n.
33
6.3. Globale p–Formen und deRham-Cohomologie.
Globale p–Formen auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit X sind Abbildungen ω, die
jedem a ∈ X eine p–Form ωa = ω(a) ∈ ∧p Ta∗ X zuordnen, so daß alle lokalen Koeffizientenfunktionen differenzierbar sind: Ist U, x1 , . . . , xn ein lokales Koordinatensystem, so
hat man für jedes a ∈ U eine eindeutige Darstellung
X
fν1 ...νp (a)da xν1 ∧ . . . ∧da xνp
ωa =
ν1 <...<νp
nach dem Basis–Lemma, und die dadurch auf U definierten Funktionen sollen differenzierbar sein. Eine globale p–Form ω auf X hat also auf einer Koordinatenumgebung
U, x1 , . . . , xn eine Darstellung
X
ω|U =
fν1 ...νp dxν1 ∧ . . . ∧dxνp .
Ist y1 , . . . , yn ein zweites Koordinatensystem auf U, so ergibt sich durch Einsetzen der
dyν nach Formel (1) die Transformationsformel
P
dyν1 ∧ . . . ∧dyνp =
µ1 <···<µp
∂(yν1 , . . . , yνp )
dxµ1 ∧ . . . ∧dxµp
∂(xµ1 , . . . , xµp )
(2)
wobei die Koeffizientenfunktionen die p–Minoren
∂(yν1 , . . . , yνp )
∂yνi
:= det
∂(xµ1 , . . . , xµp )
∂xµj 1≤i,j≤p
der Jacobi–Matrix (∂yν /∂xµ ) sind.
Für spätere Zwecke benötigen wir folgendes Lemma, das man sofort durch Einsetzen
beweisen kann:
Lemma: Eine Zuordnung a 7→ ωa ∈ ∧p Ta∗ X ist eine (differenzierbare) p–Form genau
dann, wenn für jede offene Teilmenge U ⊂ X und alle differenzierbaren Vektorfelder
ξ1 , . . . , ξp über U gilt: a 7→ ωa (ξ1 (a) . . . , ξp (a)) ist differenzierbar auf U.
6.4. Äußere Differentiation und deRham Komplex.
Man kann den totalen Differentialoperator d auch auf p–Formen definieren. Es bezeichne
Ap (X) den R–Vektorraum der globalen p–Formen. Ist ω ∈ Ap (X) mit einer lokalen
Darstellung
X
ω|U =
fν1 ...νp dxν1 ∧ . . . ∧dxνp
wie oben, so setze man
dω|U :=
X
dfν1 ...νp ∧dxν1 ∧ . . . ∧dxνp .
Man bestätigt nun durch Einsetzen der Koordinatentransformationsformel (2) daß diese
Setzung unabhängig von den gewählten Koordinaten ist. Damit ist eine globale (p + 1)–
Form dω ∈ Ap+1(X) erklärt. Ist ω ∈ Ap (X) und f ∈ A0 (X) = C ∞ (X), so wird durch
(f ω)(a) = f (a)ω(a) eine neue p–Form f ω definiert. Mit dieser Operation wird Ap (X) zu
einem A0 (X)–Modul. Es gilt dann die Derivationsregel
d(f ω) = df ∧ ω + f dω.
34
Wir haben nun eine Kette von Abbildungen erhalten
d
d
d
d
d
0 → A0 (X) −
→ A1 (X) −
→ . . . → Ap (X) −
→ Ap+1(X) −
→. . . −
→ An (X) → 0,
erhalten, die man den deRham–Komplex von X nennt. Hierbei ist stets d ◦ d = 0, was
man durch die lokale Ausrechnung bestätigt. Die Quotientenvektorräume (Kern modulo
Bild)
H p (X, R) = {ω ∈ Ap (X) | dω = 0}/{ω ∈ Ap (X) | ω = dη für ein η ∈ Ap−1(X)}
heißen die deRham–Cohomologiegruppen von X. Das Theorem von deRham besagt,
daß diese nur von dem zugrundeliegenden topologischen Raum X abhängen.
y
x
Beispiel: Auf X = R2 r {0} hat man die 1–Form ω = x2 +y
2 dx − x2 +y 2 dy mit dω = 0.
Man kann keine Funktion f auf R2 r {0} finden mit ω = df . Hier ist H 1 (R2 r {0}, R) ∼
=R
und die Basisklasse wird durch dieses ω gegeben.
6.5. Lemma:(Poincaré) Ist X ⊂ Rn offen und sternförmig, so ist H p (X, R) = 0 für
p > 0.
Zum Beweis siehe etwa [B], V, (5.3) und [HR], §13. Allgemeiner zeigt man in der Topologie, daß diese Räume verschwinden, wenn der topologische Raum X zusammenziehbar
ist.
6.6. Liftung von p–Formen.
f
Ist X −
→ Y eine differenzierbare Abbildung, so erhält man wie folgt eine Abbildung
f∗
ω 7→ f ∗ ω von Ap (Y ) −→ Ap (X). In einem Punkt a ∈ X sei (f ∗ ω)a erklärt durch
(f ∗ ω)a (ξ1 , . . . , ξp ) = ωb (f∗ ξ1 , . . . , f∗ ξp )
wobei ξi ∈ Ta X und b = f (a). Dann ist (f ∗ ω)a multilinear und alternierend, also ein
Element von ∧p Ta∗ X. Die Zuordnung a 7→ (f ∗ ω)a ist nun auch differenzierbar: Sei
U, x1 , . . . , xm ein Koordinatensystem um a, entsprechend V, y1 , . . . , yn eines um b = f (a),
so daß f (U) ⊂ V . Dann gilt mit
X
ω|V =
gν1 ...νp dyν1 ∧ . . . ∧dyνp
auch
f ∗ ω|U =
X
(gν1 ...νp ◦ f )dfν1 ∧ . . . ∧dfνp ,
wobei fν = yν ◦(f |U). Dies erhält man unmittelbar aus der obigen punktweisen Definition,
denn aus dieser folgt auch f ∗ dyν = dfν .
Nunmehr ergibt sich auch die Formel d(f ∗ ω) = f ∗ (dω) für jede p–Form, d.h. die Diagramme
d
Ap (X) −−−→ Ap+1(X)
x
x
f ∗

∗
f 

d
Ap (Y ) −−−→ Ap+1 (Y )
sind kommutativ für jedes p. Daraus ergibt sich auch eine induzierte lineare Abbildung
fx
H p (Y, R) −→ H p (X, R) für jedes p.
35
7. Orientierungen und Integrale von Differentialformen
7.1. Orientierung auf einem Vektorraum.
Um eine Orientierung auf einer Mannigfaltigkeit zu definieren, benötigen wir den Begriff
einer Orientierung auf einem reellen Vektorraum. Zwei Basen e1 , . . . , en und e′1 , . . . , e′n
eines n-dimensionalen reellen Vektorraums E heißen gleichorientiert, wenn ihre Transformationsmatrix positive Determinante hat. Das ist gleichbedeutend damit, daß sich die
Produkte e1 ∧ . . . ∧en und e′1 ∧ . . . ∧e′n als Basiselemente des 1-dimensionalen Vektorraumes
∧n E um einen positiven skalaren Faktor unterscheiden. Nun ist Gleichorientierung offensichtlich eine Äquivalenzrelation. Eine Klasse [e1 , . . . , en ] oder [e1 ∧ . . . ∧en ] heißt dann
Orientierung von E. Da ∧n E 1-dimensional ist, gibt es auf E genau zwei Orientierungen,
die den beiden Halbstrahlen von R entsprechen. Ist e1 , . . . , en eine beliebige Basis von E,
so erhält man durch
[e1 ∧ . . . ∧en ] und [−e1 ∧ . . . ∧en ]
genau diese beiden Orientierungen. Durch die Wahl eines Basiselements von ∧n E oder
eines Isomorphismus R ∼
= ∧n E ist somit eine Orientierung vorgegeben, die dann der
positiven Orientierung von R entspricht. Ist eine Orientierung O vorgegeben, so heißt
eine Basis e1 , . . . , en O–orientiert, wenn O = [e1 ∧ . . . ∧en ].
Bemerkung 1: Ist auf E eine Orientierung O gewählt, so erhält man dadurch auch eine
Orientierung O∗ auf dem Dualraum E ∗ , indem man O∗ als Orientierung einer dualen
Basis zu einer O–orientierten Basis festlegt.
ϕ
Bemerkung 2: Ist durch einen Isomorphismus R −
→ ∧n E eine Orientierung fixiert, so
erhält man für jedes p einen Isomorphismus
ϕp
∧p E −→ ∧n−p E ∗
durch die Zuordnung x1 ∧ . . . ∧xp 7→ ((yp+1, . . . , yn ) 7→ ϕ(x1 ∧ . . . xp ∧yp+1∧ . . . ∧yn )). Durch
Verwendung einer Basis läßt sich leicht zeigen, daß ϕp injektiv und dann auch bijektiv ist.
7.2. Orientierbarkeit einer Mannigfaltigkeit.
Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit X heißt orientierbar, wenn es auf X eine globale
n–Form Φ ohne Nullstelle (Φa 6= 0 in ∧n Ta∗ X für jedes a) gibt, n = dim X. Dann
definiert Φa ∈ ∧n Ta∗ X auf jedem Cotangentialraum Ta∗ X und damit auch auf jedem
Tangentialraum Ta X eine Orientierung. Die Existenz von Φ garantiert also gerade eine
differenzierbar-konsistente Wahl von Orientierungen auf den (Co-)Tangentialräumen zu
den verschiedenen Punkten. Zwei nirgends verschwindende n–Formen Φ und Ψ heißen
dann äquivalent, wenn es eine differenzierbare Funktion ρ auf X gibt, ρ > 0, mit Ψ = ρΦ.
(Man beachte, daß es zu jeder n–Form ω eine eindeutige Funktion f mit ω = f Φ gibt,
da Φ(a) an jeder Stelle a ein Basiselement von ∧n Ta∗ X ist.) Dann definieren Φa und Ψa
auf jedem Cotangentialraum Ta∗ X dieselbe Orientierung. Die Klasse [Φ] einer nirgends
verschwindenden n–Form heißt dann eine Orientierung von X und eine repräsentierende
Form eine Orientierungsform. Ist X zusammenhängend, was stets vorausgesetzt sei,
hat X genau zwei Orientierungen [Φ], [−Φ], falls orientierbar.
Bemerkung 1: Ist X orientierbar, so ist An (X) ∼
= A0 (X). Jede Orientierungsform Φ
liefert einen solchen Isomorphismus vermöge f Φ ↔ f .
36
Bemerkung 2: Ist [Φ] eine Orientierung von X, so heiße ein Koordinatensystem
U, x1 , . . . , xn positiv orientiert, falls
∂
∂
(a), . . . ,
(a) > 0
Φa
∂x1
∂xn
für alle a ∈ U. Wählt man zu jedem Punkt ein positiv orientiertes Koordinatensystem aus
dem vollständigen Atlas A von X, so erhält man einen Teilatlas
AΦ aus positiv orientier∂yν
zu diesem Atlas positive
ten Karten. Dann haben alle Transformationsmatrizen ∂x
µ
Determinanten. Ist umgekehrt ein solcher Atlas gegeben, so findet man eine globale n–
Form ohne Nullstelle mit einer Teilung der Eins, wie im Falle des Normalenfeldes, siehe
unten.
Bemerkung 3: In der algebraischen Topologie wird gezeigt, daß die Orientierbarkeit
einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit (X, A) nicht von der Wahl von A sondern nur
von der zugrundeliegenden topologischen Mannigfaltigkeit abhängt.
Beispiele: Rn , S n , Rn /Zn sind orientierbar, ebenso P2n+1 (R), nicht aber P2n (R). Das
Möbiusband mit den Fasern R ist isomorph zu P2 (R) r {P unkt}. Dagegen sind alle
komplex–projektiven Räume Pn (C) orientierbar.
7.3. Integrale zu einer Orientierung.
Sei X wieder eine orientierte differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Orientierung [Φ]. Ist
U, x1 , . . . , xn ein positiv–orientiertes Koordinatensystem, so ist
Φ|U = ϕ dx1 ∧ . . . ∧ dxn
mit eindeutiger Koeffizientenfunktion ϕ, die auf U positiv ist, denn an jeder Stelle ist
∂
∂
(p), . . . ,
(p) > 0.
ϕ(p) = Φp
∂x1
∂xn
Ist y1 , . . . , yn ein zweites positiv–orientiertes Koordinatensystem auf U und ψ die Koeffizientenfunktion von Φ bezüglich y1 , . . . , yn , so folgt aus der Formel (2) von 4.2 und der
Multilinearität von Φ, daß
∂yν
·ψ
ϕ = det
∂xµ
ist. Insbesondere ist die Determinante der Jacobischen des Koordinatenwechsels positiv.
Aus der Transformationsformel 11.5 folgt nun für jede messbare Teilmenge M ⊂ U, daß
Z
Z
Z
∂yν
−1
−1
−1
−1
ψ ◦ y dλ =
(ψ ◦ y ) ◦ (y ◦ x ) · det
◦ x dλ =
ϕ ◦ x−1 dλ.
∂xµ
y(M )
y(M )
x(M )
Das benutzen wir nun, um ein Maß µΦ wie folgt durch Zerlegung, aber unabhängig von
deren Auswahl zu definieren. In 5.5 war gezeigt worden, daß jede messbare Menge M ⊂ X
`
eine abzählbare disjunkte Zerlegung M = Mi besitzt, so daß Mi ⊂ Ui für jedes i für
i
einen C ∞ –Teilatlas {(Ui , xi )} der differenzierbaren Struktur. Die Koordinatensysteme
37
(Ui , xi ) können darüberhinaus als positiv–orientiert gewählt werden, etwa durch Vertauschung einzelner Koordinaten. Nun setzen wir
X Z
µΦ (M) :=
ϕi ◦ x−1
i dλ
i
xi (Mi )
wobei ϕi durch Φ|Ui = ϕi dx1i ∧ . . . ∧ dxni gegeben ist.
Satz: µΦ ist unabhängig von der Wahl der Zerlegung von M und des Teilatlas.
Beweis. Sei M =
`
j
Nj eine zweite Zerlegung mit Nj ⊂ Vj für einen zweiten positiv–
orientierten Atlas {(Vj , yj )}, und seien ψj die neuen Koeffizientenfunktion von Φ.
Dann gilt nach dem Zerlegungssatz von 11.3 und obiger Transformationsformel
Z
X Z
X Z
−1
−1
ϕi ◦ xi dλ =
ϕi ◦ xi dλ =
ψj ◦ yj−1 dλ
xi (Mi )
j
und wir bekommen
X Z
X
ϕi ◦ x−1
i dλ =
i
xi (Mi )
j
xi (Mi ∩Nj )
i,j
Z
ψj ◦
yj (Mi ∩Nj )
yj−1dλ
=
yj (Mi ∩Nj )
X Z
j
ψj ◦ yj−1dλ.
yj (Nj )
Bezeichnet MX die Menge der messbaren Teilmengen von X, so haben wir eine Abbildung
µΦ : MX → [0, ∞] definiert. Es kann nun sofort verifiziert werden daß µΦ ein Maß mit
den Eigenschaften (1), . . . , (5) von 11.1 ist. Wir nennen es das Volumanmaß oder das
Dichtemaß der Form Φ. Zu diesem Maß gibt es den Begriff einer integrierbaren Funktion
f
X−
→ R̄ und des Lebesgue–Integrals
Z
f dµΦ ,
X
die wie in 11.2 eingeführt werden. Die bezüglich µΦ integrierbaren Funktionen sollen kurz
Φ–integrierbar genannt werden. Für diese Funktionen und das Integral kann man dann
mit denselben Beweisen wie für die Lebesgue–Integrale auf Rn die zu 11.3 analogen Sätze
beweisen.
7.3.1. Integrale über n–Formen. Sei weiterhin Φ eine ausgewählte Orientierungsform
auf X. Ist ω eine beliebige n–Form, so ist ω = f Φ mit einer eindeutig bestimmten
Funktion f . Die Form ω heiße nun Φ–integrierbar, wenn f Φ–integrierbar ist, und man
setzt dann
Z
Z
ω := f dµΦ .
X,Φ
X
Lemma: Sind Φ und Ψ äquivalente Orientierungsformen auf X, so ist ω µΦ –integrierbar
genau dann, wenn ω µΨ –integrierbar ist und es gilt dann
Z
Z
ω=
ω.
(X,Φ)
(X,Ψ)
38
Das Integral über eine n–Form ist also allein durch die Wahl einer Orientierung
gegeben und bestimmt, ohne Benutzung einer Metrik. Wir sprechen deshalb nur
noch von integrierbaren n–Formen auf der orientierten Mannigfaltigkeit.
Beweis. Sei Ψ = ρΦ mit ρ > 0. Sind x1 , . . . , xn lokale Koordinaten auf U und ist dort
Φ = ϕd1 ∧ . . . ∧ dxn
und
Ψ = ψdx1 ∧ . . . ∧ dxn ,
so folgt ψ = ρϕ. Ist dann ω = f Φ = gΨ, so ist f = ρg, und es folgt mit f ϕ = gψ, daß
auch
Z
Z
Z
Z
−1
−1
f dµΦ =
(f ◦ ϕ) ◦ x dλ =
(gψ) ◦ x dλ = f dµΨ .
U
x(U )
U
x(U )
Die globale Aussage folgt dann aus einer Zerlegung von X der Art X1 = U1 , X2 = U2 r
U1 , . . . , Xi+1 = Ui+1 r U1 ∩ · · · ∪ Ui , . . . , wie in 5.5, und der Zerlegungsformel
Z
XZ
f dµΦ =
f dµΦ .
i X
i
X
f
7.3.2. Transformationsformel. Sei X −
→ Y ein Diffeomorphismus differenzierbarer
orientierter Mannigfaltigkeiten, und sei f orientierungserhaltend, d.h. repräsentiert Φ
die Orientierung von Y , so repräsentiere f ∗ Φ die Orientierung von X. Dann ist eine
n–Form ω auf Y genau dann integrierbar wenn f ∗ ω auf X integrierbar ist und es gilt
dann
Z
Z
ω = f ∗ ω.
Y
X
Beweis. Ist V, y1 , . . . , yn ein positiv orientiertes Koordinatensystem auf Y , so ist U =
f −1 (V ) mit x1 = y1 ◦ f, . . . , xn = yn ◦ f ein positiv orientiertes Koordinatensystem auf
X. Ist nun N ⊂ V messbar, so auch M = f −1 (N) ⊂ U. Ist Φ|V = ϕdy1 ∧ . . . ∧
dyn , so ist f ∗ Φ|U = ϕ ◦ f dx1 ∧ . . . ∧ dxn und die Jacobi–Matrix J(f ) wird bezüglich
der speziell gewählten Koordinaten xν = fν die Einheitsmatrix. Deshalb ist nach der
Transformationsformel für offene Mengen des Rn ,
Z
Z
−1
µf ∗ Φ (M) =
(ϕ ◦ f ) ◦ x dλ =
ϕ ◦ y −1dλ = µΦ (N).
x(M )
y(N )
Mittels Zerlegungen wie oben folgt dann, daß für jede messbare Menge N ⊂ Y gilt:
µΦ (N) = µf ∗ Φ (f −1 (N)).
Daraus folgt für eine integrierbare n–Form ω auf Y mit ω = gΦ und f ∗ ω = (g ◦ f )f ∗ Φ,
daß
Z
Z
Z
Z
= (g ◦ f )µf ∗ Φ = gµΦ =
ω.
X,f ∗ Φ
X
Y
39
Y,Φ
Bemerkung 1: Ist U, x1 , . . . , xn ein orientiertes Koordinatensystem, d.h. ist Φ =
gdx1 ∧ . . . ∧dxn mit positiver Funktion g, so ist Φ über U äquivalent zu dx1 ∧ . . . ∧dxn . Ist
dann ω|U = f dx1 ∧ . . . ∧dxn , so ist
Z
Z
ω=
(f ◦ x−1 )dλ.
U
x(U )
Bemerkung 2: Ist X orientiert mit Orientierung [Φ] und ist g eine Riemannsche Metrik
auf X, so hat man die eindeutige metrische Orientierungsform dv mit [dv] = [Φ], siehe
Definition von dv in Abschnitt 9.
7.4. Normalenfelder auf Gebietsrändern.
Sei G ein Gebiet, d.h. offen und zusammenhängend, in einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit X und sei ∂G = Ḡ r G dessen Rand. G heißt Gebiet mit glattem Rand, wenn
es zu jedem Punkt a ∈ ∂G ein Koordinatensystem U, x1 , . . . , xn um a gibt, so daß
(i) U ∩ G = {x1 < 0}
und
(ii) U ∩ ∂G = {x1 = 0}.
Die Bedingung (ii) besagt nichts anderes als daß ∂G eine (n − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeit von X ist. Man beachte aber, daß die zusätzliche Eigenschaft (i) viel mehr
verlangt. Diese Bedingung ist z.B. nicht erfüllt für G = R2 \ S 1 oder G = R2 \ Strecke. Sie
ist ebenfalls nicht erfüllt für einen Streifen in einem Möbiusband. Hat man Koordinaten
mit (i),(ii) gewählt, so spannen die Vektoren ∂x∂ ν (a) mit ν ≥ 2 für a ∈ ∂G ∩ U den Tangentialraum Ta ∂G auf, während ∂x∂ 1 (a) vom Rand weg nach außen zeigt, wie man sofort
an dem Bild der Karte im Rn ablesen kann.
Das Feld ∂x∂ 1 eingeschränkt auf U ∩ ∂G bildet dann ein sogenanntes äußeres Normalenfeld
an ∂G ∩ U.
Zur Konstruktion eines globalen Normalenfeldes ist folgende Beobachtung wichtig.
Lemma: Sind U, x1 , . . . , xn und V, y1 , . . . yn zwei Koordinatensysteme mit (i) und (ii), so
gilt
∂x1
∂y1
(p) > 0
und
(p) > 0
∂x1
∂y1
für jeden Punkt p ∈ U ∩ V ∩ ∂G.
Beweis. Sei p aus dem Durchschnitt und C := {x2 = x2 (p), . . . , xn = xn (p)}. Dann
ist C eine Kurve in U, deren Einschränkung auf eine Umgebung W (p) ⊂ U ∩ V durch
den Parameter t1 in x(W ) parametrisiert wird, der im Punkt x(p) von links nach rechts
∂y1
wächst. Das gilt dann auch für die Funktion y1 auf C ∩ W , so daß ∂x
(p) > 0. Ebenso
1
∂x1
folgt ∂y1 (p) > 0.
Ein globales Normalenfeld ξ auf ∂G sei eine Feld (Abbildung)
∂G ∋ p 7→ ξp = ξ(p) ∈ Tp X,
so daß jedes ξp 6= 0 ist, und so daß für jedes Koordinatensystem U, x1 , . . . , xn mit (i) und
(ii) die lokalen Koeffizientenfunktionen fν auf U ∩ ∂G, definiert durch
∂
∂
(p) + · · · + fn (p)
(p),
ξp = f1 (p)
∂x1
∂xn
40
differenzierbar sind mit der zusätzlichen Bedingung, daß f1 (p) > 0 für alle p ∈ U ∩ ∂G.
Satz: Ist G ⊂ X ein Gebiet mit glattem Rand, so gibt es auf ∂G globale Normalenfelder.
Beweis. Sei (Uλ )λ∈Λ eine offene Überdeckung von ∂G mit Koordinatensystemen, die (i)
und (ii) erfüllen, und sei U0 = X r ∂G, so daß die Uλ zusammen mit U0 eine offene Überdeckung von X bilden. Nach [HR], §7, etwa, kann man annehmen, daß diese
Überdeckung lokal–endlich ist, d.h. zu jedem p ∈ X gibt es eine Umgebung W (p), die
nur endlich viele Uλ trifft. Dann existiert dazu eine Teilung der Eins, [HR], Satz 7.6.
Das heißt: es gibt eine Familie (ρλ )λ∈Λ von differenzierbaren Funktion auf X mit
(1) ρλ (p) ≥ 0
für alle p ∈ X und alle λ ∈ Λ ∪ {0}
(2) Supp(ρλ ) = {ρλ > 0} ⊂ Uλ für jedes λ ∈ Λ ∪ {0}
P
(3) ρ0 (p) + ρλ (p) = 1 für alle p ∈ X (lokal–endlich!) .
λ
Die Menge X r Supp(ρ0 ) = X0 ist offen und enthält ∂G. Dort ist ρ0 = 0 und es
P
gilt
ρλ = 1 auf X0 . Es sei ξλ das jeweils durch die erste Koordinate von Uλ auf
λ
∂G ∩ Uλ gegebene Normalenfeld. Dann ist ρλ ξλ ein Vektorfeld auf ∂G ∩ Uλ mit darin
abgeschlossenem Träger. Wir bilden nun
X
ρλ ξλ ,
ξ :=
λ
welches ein globales differenzierbares Feld über ∂G ist. Ist p ∈ G, so gibt es nur endlich
viele λ1 , . . . , λk mit ρλi (p) > 0 und es ist
ξ(p) = ρλ1 (p)ξλ1 (p) + · · · + ρλk (p)ξλk (p)
mit ρλ1 (p) + · · · + ρλk (p) = 1. Ist etwa p ∈ ∂G ∩ Uλ so gilt nach obigem Lemma
ξλi (p) = gi (p)ξλ(p) + ηp
mit ηp ∈ Tp ∂G und gi (p) > 0. Daraus folgt
ξ(p) = g(p)ξλ(p) + ηp′
mit ηp′ ∈ Tp ∂G und g(p) > 0. Damit ist ξ ein globales äußeres Normalenfeld.
Bemerkung: Ist auf X eine Riemannsche Metrik g gegeben, so gibt es ein eindeutig
bestimmtes äußeres Normalenfeld ξ, so daß kξp k = 1 und ξp ⊥ Tp ∂G für jedes p ∈ ∂G.
Dazu ist keine Teilung der Eins nötig. Zum Beweis wähle man ein Koordinatensystem U
mit (i) und (ii) und führe auf U ∩ ∂G den Gram–Schmidtschen Orthonormalisierungsprozess für die Felder ∂x∂ 1 , . . . , ∂x∂n durch. Dann erhält man zueinander orthonormale Felder
ξ2 , . . . , ξn mit Werten in den Räumen Tp ∂G, und schließlich das Feld
ξ1 =
∂
∂
∂
− g(
, ξ1 )ξ2 − . . . − g(
, ξn )ξn
∂x1
∂x1
∂x1
so daß ξ1 (p) ⊥ Tp ∂G, und man kann ξ1 (p) auf die Länge 1 normieren. Dieses Feld ist
eindeutig und stimmt somit auf Durchschnitten mit den entsprechenden weiteren Normalenfeldern überein.
41
7.5. Induzierte Orientierung auf einem Gebietsrand.
Sei nun X orientierbar mit Orientierung [Φ] und G ⊂ X ein Gebiet mit glattem Rand.
Dann ist auch ∂G als (n − 1)–dimensionale Mannigfaltigkeit orientierbar: Dazu wähle
man ein äußeres Normalenfeld η auf ∂G und definiere die (n − 1)–Form ϕ ∈ An−1 (∂G)
durch
ϕp (ξ2 , . . . , ξn ) := Φp (ηp , ξ2 , . . . , ξn )
für p ∈ ∂G und alle ξ2 , . . . , ξn ∈ Tp ∂G. Dann ist ϕp mit Φp alternierend und multilinear,
d.h. ϕp ∈ ∧n−1 Tp∗ ∂G, und ϕ(ξ2 , . . . , ξn ) ist differenzierbar für alle differenzierbaren Vektorfelder auf offenen Mengen von ∂G. Ebenso wie Φ kann dann auch ϕ keine Nullstelle
haben. Die Klasse [ϕ] hängt nun nur von ∂G und [Φ] ab und heißt die von [Φ] auf ∂G
induzierte Orientierung.
7.6. Randintegrale.
Sei X eine orientierbare differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Orientierung O = [Φ], G ⊂
j
X ein Gebiet mit glattem Rand, ∂G ֒→ X die Inklusion und ω eine (n − 1)–Form auf
X (nicht notwendig differenzierbar). Man hat dann die (n − 1)–Form j ∗ ω auf ∂G. Ist
∂O = [ϕ] die auf ∂G induzierte Orientierung (über eine äußeres Normalenfeld), so setzen
wir
Z
Z
ω :=
j∗ω
∂G,∂O
∂G,∂O
∗
wenn j ω bezüglich µϕ –integrierbar ist. Der Satz von Stokes lautet nun
Satz: Ist mit den vorangehenden Bezeichnungen und Voraussetzungen ω eine C 1 − (n −
1)–Form auf X, so daß der Durchschnitt Supp(ω) ∩ Ḡ kompakt ist, so ist dω über G
integrierbar bezüglich µΦ und es gilt die Formel
Z
Z
dω =
ω
.
G,O
∂G,∂O
Es ist möglich, daß ∂G = ∅, also G = X. In diesem Fall gilt das
Corollar: Ist unter den obigen Voraussetzungen Supp(ω) oder X kompakt, so ist
Z
dω = 0.
X,O
Der Beweis ergibt sich als Corollar zum Beweis des Satzes.
8. Beweis des Satzes von Stokes
Die Voraussetzungen seien wie in der Formulierung des Satzes im vorigen Abschnitt, d.h.
es sei X eine orientierbare n–dimensionale Mannigfaltigkeit mit Orientierung [Φ], G ein
Gebiet mit glattem Rand in X und ω eine C 1 − (n − 1)–Form auf X, so daß Ḡ ∩ Supp(ω)
42
kompakt ist. Deswegen kann man eine endliche offene Überdeckung U1 , . . . , UN dieser
kompakten Menge mit Koordinatenumgebungen finden derart, daß Uν die Eigenschaften
(i) und (ii) hat, falls Uν ∩ ∂G 6= 0. Man kann zudem voraussetzen, daß die Bildmengen
ϕν (Uν ), wo ϕν die Kartenabbildung bezeichnet, offene Quader im Rn sind. Zusätzlich sei
U0 = X r Ḡ ∩ Supp(ω).
Dann wird X von U0 , U1 , . . . , UN überdeckt. Es sei ρ0 , ρ1 , . . . , ρN eine Teilung der Eins
zu dieser Überdeckung. Die offene Menge X0 = X r Supp(ρ0 ) enthält Ḡ ∩ Supp(ω), da
Supp(ρ0 ) ⊂ U0 . Auf dieser offenen Menge ist
ρ1 + · · · + ρN = 1.
Es sei ων = ρν ω, so daß Supp(ων ) ⊂ Uν und
ω1 + · · · + ωN = ω
über X0 . Es genügt deshalb,
Z
dων =
(G,O)
Z
ων
(∂G,∂O)
zu zeigen für ν = 1, . . . , N, denn Ḡ ∩ Supp(ω) ⊂ X0 .
Es sei nun U eine der offenen Mengen Uν und darauf x1 , . . . xn ein orientiertes Koordinatensystem (Φ|U hat positiven Faktor vor dx1 ∧ . . . ∧dxn ), so daß x(U) ein offener Quader
ist, der (i) und (ii) erfüllt, wenn U ∩ ∂G 6= ∅. Die Grenzen des Quaders seien
a1 < b1 ,
a2 < b2 , . . . , an < bn .
Im Falle U ∩ ∂G 6= ∅ ist dann a1 < 0 < b1 und
x(U ∩ G) =]a1 , 0[×]a2 , b2 [× . . . ×]an , bn [
Wir behandeln zunächst den Fall U ∩ ∂G 6= ∅. Es sei
X
dν ∧ · · · ∧dxn
ω=
(−1)ν−1 fν dx1 ∧ · · · ∧dx
ν
die auf U mit dort abgeschlossenem Träger gegebene (n − 1)–Form, so daß dort
!
X ∂fν
dω =
dx1 ∧ · · · ∧dxn .
∂xν
ν
∂fν
=
Es sei α die zu x inverse Abbildung. Setzen wir gν = fν ◦ α, so ist ∂x
ν
Definition des Integrals hat man dann über U bzw. x(U)
!
Z
Z
Z
Z
X ∂gν
∗
dω =
dω =
α dω =
dλ
∂tν
ν
G,O
(U ∩G,O)
x(U ∩G)
x(U ∩G)
und, da diese Funktionen stetig sind, mit Fubini
Z
G,O
dω =
Z0 Zb2
a1 a2
!
Zbn X
∂gν
dt1 . . . dtn .
···
∂tν
ν
an
43
∂gν
∂tν
◦ x. Nach
Nun ist nach dem Hauptsatz der Differential– und Integralrechnung
Z0
∂g1
(t1 , τ2 , . . . , τn )dt1 = g1 (0, τ2 , . . . , τn ) − 0 = g1 (0, τ2 , . . . , τn )
∂t1
a1
für festes (τ2 , . . . , τn ), da g1 (α1 , τ2 , . . . , τn ) = 0 für α1 nahe a1 nach Voraussetzungen über
den Träger von ω. Für 2 ≤ ν ≤ n bekommen wir analog
Zbν
aν
∂gν
(τ1 , . . . , tν , . . . , τn )dtν = 0 − 0 = 0
∂tν
da gν für tν ց aν bzw. tν ր bν verschwindet. Insgesamt folgt nun
R
dω =
Rb2
a2
G,O
=
Rbn
· · · g1 (0, t2 , . . . , tn )dt2 . . . dtn
R an
g1 (0, t2 , . . . , tn )dλ(t2 . . . tn ).
x(U ∩∂G)
Ist U ∩ ∂G = ∅, so ergibt dieselbe Ausrechnung sofort, daß
Z
dω = 0.
G,O
j
Da dann auch j ∗ ω = 0, wo ∂G ֒→ X die Inklusion ist, ist in diesem Fall nichts mehr
zu zeigen. Im Falle U ∩ ∂G 6= ∅ aber ist das letzte Integral gerade die Ausrechnung des
Integrals von ω über ∂G: Sind nämlich jν = xν ◦ j die Komponenten von j, so ist j1 ≡ 0
wegen der Beschreibung von U ∩ ∂G durch x1 = 0, und jν = xν für ν ≥ 2 und es ist
j ∗ ω = (f1 ◦ j)dj2 ∧ . . . ∧djn = (f1 ◦ j)dx2 ∧ . . . ∧dxn ,
sowie
α∗ j ∗ ω = i∗ α∗ ω = (g1 ◦ i)dt2 ∧ . . . ∧dtn ,
wobei i die Inklusion x(U ∩ ∂G) ⊂ x(U) bezeichnet. Nunmehr ist
Z
Z
Z
Z
∗
∗
∗ ∗
j ω=
j ω=
α j ω=
g1 (0, t2 , . . . tn )dλ(t2 , . . . , tn ).
∂G,∂O
U ∩∂G,∂O
x(U ∩∂G)
x(U ∩∂G)
Damit ist der Satz in der nur noch zu betrachtenden lokalen Situation und damit insgesamt
bewiesen. Gleichzeitig ist gezeigt, daß
Z
dω = 0
G,O
falls Supp(ω) ∩ ∂G = ∅.
Bemerkung 1: Man kann die Bedingung C 1 an ω dahingehend abschwächen, daß man
noch dω bilden kann und daß diese Form über G integrierbar ist. Dann bleibt der Satz
gültig.
Bemerkung 2: Der Satz bleibt auch gültig, wenn man von ∂G nur noch ”stückweise”
Glattheit verlangt. Hierzu sind aber technisch sehr präzise Bedingungen zu formulieren
und es gibt verschiedene Definitionen für diese Situationen. Eine recht allgemeine Version
des Satzes mit stückweise glattem Rand ist in [HR], §22, hergeleitet.
44
Bemerkung 3: Der Satz von Stokes hat sehr interessante Anwendungen, wie den Fixpunktsatz von Brouwer, den Fundamentalsatz der Algebra, über den Grad von Abbildungen und viele andere, vgl. [HR], §20. Auf ihm basiert auch das Theorem von deRham.
Bemerkung 4: Selbst wenn man ein Gebiet G in Rn betrachtet, ist ein großer Teil der
Definitionen für den Rand ∂G vonöten, der auch dann nur noch eine (n − 1)–dimensionale
Untermannigfaltigkeit ist. Darin liegt der eigentliche Grund, warum man den Satz von
vornherein für Mannigfaltigkeiten zu formulieren hat. Der eigentliche Beweis beruht nach
der technischen Reduzierung nur noch auf dem Hauptsatz der Differential– und Integralrechnung. Andererseits ist der Satz von Stokes die Verallgemeinerung des Hauptsatzes
auf beliebige Dimensionen.
Der Satz von Stokes ist historisch in vielen Varianten mit verschiedenartigen Feldern der
Vektoranalysis aufgetaucht, die aber alle nur Spezialfälle der obigen Formel sind. Ein
großes Spektrum von diesen Formeln ist in [HR], §17 und §21 beschrieben. Einige dieser
seien im letzten Abschnitt 10 vorgestellt.
9. ∗–Operatoren und klassische Operatoren der Vektoranalysis
Sei g eine Riemannsche Metrik auf der differenzierbaren Mannigfaltigkeit X mit den
lokalen symmetrischen Matrizen (gµν ) mit
gµν (a) = ga (
∂
∂
(a),
(a)),
∂xµ
∂xν
wobei jedes ga ein Euklidisches Skalarprodukt auf Ta X ist. Dadurch bekommt man Isomorphismen
ja
Ta X −
→ Ta∗ X
≈
mit ja (ξa )(ηa ) = ga (ξa , ηa ). Man erhält dann in lokalen Koordinaten um a
ja
X
∂
(a) =
gµν (a)da xν
∂xµ
ν
und
ja−1 da xν =
X
µ
g νµ (a)
∂
(a),
∂xµ
wobei (g νµ ) die zu (gνµ ) inverse Matrix bezeichnet. Dies läßt sich direkt aus der Definition ableiten. Ist auf X zusätzlich eine Orientierungsform Φ gegeben, so kann man
eine ausgezeichnete Orientierungsform dv wie folgt definieren. An einer Stelle a und für
Tangentialvektoren ξ1 , . . . , ξn ∈ Ta X sei
q
Φa (ξ1 , . . . , ξn )
.
dv(a)(ξ1 , . . . , ξn ) := det ga (ξν , ξµ )
|Φa (ξ1 , . . . , ξn )|
Dann ist dv eine globale n–Form, die auch orientierte metrische Volumenform genannt
wird. Es folgt aus dieser Definition, daß
dv(a)(ξ1 , . . . , ξn ) = 1
für jede orthonormale Basis von Ta X mit Φa (ξ1 , . . . , ξn ) > 0. Durch diese Eigenschaft ist
dann dv eindeutig bestimmt.
45
∗–Operator: Sei X eine differenzierbare n–dimensionale Mannigfaltigkeit mit Riemannscher Metrik g und Orientierungsform Φ bzw. dv. Für ϕ1 , . . . , ϕp ∈ Ta∗ X setze man
∗(ϕ1 ∧ . . . ∧ϕp )(ξp+1 , . . . , ξn ) = dv(a)(ja−1 ϕ1 , . . . , ja−1 ϕp , ξp+1, . . . , ξn ).
Man überzeugt sich leicht, daß ∗(ϕ1 ∧ . . . ∧ϕp ) in den ξ’s multilinear und alternierend ist,
also ein Element von ∧n−p Ta∗ X liefert. Bilden nun ϕ1 , . . . , ϕn eine Basis von Ta∗ X, so
erhält man durch die ∗(ϕν1 ∧ . . . ∧ϕνp ) und lineare Fortsetzung eine lineare Abbildung
∗
∧p Ta∗ X −
→ ∧n−p Ta∗ X
für jedes a ∈ X und jedes p. Es ist dann stets ∗∗ = (−1)p(n−p) , so daß ∗ ein Isomorphismus
der Vektorräume ist.
Bemerkung: Der Isomorphismus ∗ setzt sich zusammen aus dem durch dv(a) definierten
Isomorphismus ∧p Ta∗ X ∼
= ∧n−p Ta X, siehe Bemerkung 2 zu Vektorräumen in Abschnitt 7,
und dem Isomorphismus ∧n−p Ta X ∼
= ∧n−p Ta∗ X, der durch die Metrik bzw. durch ja auf
den Wedgeprodukten induziert wird.
Den ∗–Operator kann man punktweise auch auf p–Formen anwenden und erhält eine
lineare Abbildung
∗
Ap (X) −
→ An−p (X)
mit ebenfalls ∗∗ = (−1)p(n−p) , so daß ∗ ein Isomorphismus der C ∞ (X)–Moduln oder der
R–Vektorräume ist. Ausgedrückt in lokalen Koordinaten erhält man etwa
n
q
X
c µ ∧ . . . ∧dxn ,
∗dxν =
(−1)µ−1 g νµ det(gij ) dx1 ∧ . . . ∧dx
µ=1
wobei das Dach über dxµ dessen Weglassen bedeuten soll, so daß ∗dxν eine lokale (n − 1)–
Form ist. Mit Hilfe des ∗–Operators bekommt man die folgenden Operatoren:
δ
δω = (−1)np+n ∗ d ∗ ω,
Ap (X) −
→Ap−1(X),
wobei δf = 0 für f ∈ A0 (X). Die Regeln δδ = 0, ∗δd = dδ∗, ∗dδ = δd∗, d ∗
δ = 0 = δ ∗ d, ∗δ = (−1)p−1 d ∗ und δ∗ = (−1)p ∗ d lassen sich dann ebenfalls
leicht bestätigen.
∆
(2)
∆ = dδ + δd,
Ap (X) −
→ Ap (X)
heißt der Laplace–Operator zur gegebenen Metrik g und Orientierung. Es gelten
die Regeln ∗∆ = ∆∗ , d∆ = ∆d = dδd , δ∆ = ∆δ = δdδ.
(3) Ist ξ ∈ T (X) ein globales Vektorfeld, so setze man
(1)
div(ξ) = ∗d ∗ j(ξ),
so daß div(ξ) eine differenzierbare Funktion ist. div(ξ) heißt die Divergenz des
Feldes ξ zur gegebenen Metrik g und Orientierung.
(4) Für eine Funktion f ∈ A0 (X) = C ∞ (X) sei grad(f ) = j −1 df ∈ T (X), der Gradient
von f , der ein globales Vektorfeld ist. Auch dieser ist erst nach Auszeichnung einer
Riemannschen Metrik definiert.
(5) Ist dim X = 3, so sei für ein Vektorfeld ξ ∈ T (X) das Rotationsvektorfeld definiert
durch
rot(ξ) = j −1 ∗ dj(ξ), ξ ∈ T (X).
Auch hierfür ist eine Metrik und eine Orientierung nötig.
46
(6) Ist dim X = 3, so sei für zwei Vektorfelder ξ, η ∈ T (X) das Vektorprodukt ξ × η
durch
ξ × η = j −1 ∗ (jξ ∧jη)
erklärt, welches wieder ein Vektorfeld ist.
Man vergleiche hierzu [B], V, 8. und [HR], §16, §17.
Man kann sich eine gute Vorstellung von all diesen Operatoren im Rn machen, wobei g
die Standard Euklidische Metrik ist, x1 , . . . , xn die Standardkoordinaten sind, und dann
dv = dx1 ∧ . . . ∧dxn ist. Jetzt wird
∗dxν1 ∧ . . . ∧dxνp = sign(ν1 , . . . , νn )dxνp+1 ∧ . . . ∧dxνn
wobei ν1 < . . . < νp und νp+1 < . . . < νn ist mit {ν1 , . . . , νn } = {1, . . . , n}. Z.B. ist für
n=3
∗dx1 = dx2
∧ dx3
∗dx2 = −dx1 ∧ dx3
∗dx3 = dx1
∧ dx2
.
P
Für eine 1–Form ω =
fν dxν auf einer offenen Menge X ⊂ Rn ist
ν
δω = ∗d ∗ ω = ∗
und für ein Vektorfeld ξ =
P
ν
P
dfν ∧ ∗ dxν
ν
P
c ν ∧ . . . ∧dxn
= ∗ (−1)ν−1 dfν ∧dx1 ∧ . . . ∧ dx
ν
P ∂fν
P ∂fν
)dx1 ∧ . . . ∧dxn =
= ∗( ∂x
∂xν
ν
ν
fν ∂x∂ ν
wird div(ξ) =
ν
Ist f eine Funktion, so wird
grad(f ) =
P ∂fν
∂xν
ν
.
X ∂f ∂
∂f
∂f
=(
,... ,
).
∂x
∂x
∂x
∂x
ν
ν
1
n
ν
Sind ξ und η zwei Vektorfelder auf einer offenen Menge des R3 mit Koeffizientenfunktionen
ξν bzw. ην , so ist ξ × η das Vektorfeld
∂
∂
∂
− (ξ1 η3 − ξ3 η1 )
+ (ξ1 η2 − ξ2 η1 )
ξ × η = (ξ2 η3 − ξ3 η2 )
∂x1
∂x2
∂x3
und rot(ξ) wird das Vektorfeld
rot(ξ) = (
∂ξ3
∂ξ2 ∂
∂ξ3
∂ξ1 ∂
∂ξ2
∂ξ1 ∂
−
)
−(
−
)
+(
−
)
,
∂x2 ∂x3 ∂x1
∂x1 ∂x3 ∂x2
∂x1 ∂x2 ∂x3
denn es ist
rot(ξ) = j −1 ∗ dj(ξ) = j −1 ∗ d(ξ1dx1 + ξ2 dx2 + ξ3 dx3 )
∂ξ2
= j −1 ∗ (( ∂x
−
1
∂ξ2
−
= j −1 (( ∂x
1
∂ξ1
)dx1 ∧
∂x2
∂ξ1
)dx3
∂x2
∂ξ3
dx2 + ( ∂x
−
1
∂ξ3
− ( ∂x
−
1
∂ξ1
)dx2
∂x3
∂ξ1
)dx1 ∧
∂x3
∂ξ3
+ ( ∂x
−
2
Für den Laplace–Operator ∆ erhält man schließlich
X ∂2f
∆f =
∂x2ν
ν
47
∂ξ3
dx3 + ( ∂x
−
2
∂ξ2
)dx1 ).
∂x3
∂ξ2
)dx2 ∧
∂x3
dx3 )
für eine Funktion und
X
∆
fν1 ...νp dxν1
∧...∧
dxνp =
X
(∆fν1 ...νp )dxν1
∧...∧
dxνp
für eine p–Form. Als eine von vielen Formeln sei die Greensche Formel für zwei Funktionen erwähnt:
((∆g)f − g(∆f ))dx1
∧...∧
dxn = d(f ∗ dg − g ∗ df ),
die ebenfalls aus den anderen Formeln oder direkt folgt, vgl. Abschnitt 10.
10. Klassische Formulierungen, Varianten und Greensche Formel
Im Folgenden werden einige Vektorfelder und vektorwertige Differentialformen eingeführt,
die in ihrer Bezeichnung der klassischen Notation entsprechen, aber trotzdem invariant
(unabhängig von Koordinaten) und sauber in der Sprache der Differentialgeometrie auf
Mannigfaltigkeiten definiert sind. In dieser Notation werden dann Varianten der Stokes’schen Formel hergeleitet, zu denen auch die Green’schen Formeln gehören. Formeln
mit rot sind spezifisch 3–dimensional. Die folgende Darstellung basiert auf [HR], §21.
Tensorprodukte.
Es werden nur Tensorprodukte von zwei endlich–dimensionalen R–Vektorräumen
benötigt. Die hier gegebene spezielle Definition stimmt mit der allgemeinen der multilinearen Algebra überein. Sind E und F zwei solche Räume, so sei
E ⊗ F = Bil(E ∗ × F ∗ , R)
der R–Vektorraum der Bilinearformen auf dem Produkt der Dualräume. Sind x ∈ E und
y ∈ F , so erhält man das Tensorprodukt x ⊗ y als Element von E ⊗ F durch
(x ⊗ y)(u, v) = u(x)v(y).
Für die Produktbildung hat man sofort die Distributivregeln
(x1 + x2 ) ⊗ y = x1 ⊗ y + x2 ⊗ y
x ⊗ (y1 + y2 ) = x ⊗ y1 + x ⊗ y2
(λx) ⊗ y
= λ(x ⊗ y) = x ⊗ (λy).
Für die Dimensionen gilt dann
dim(E ⊗ F ) = dim(E) dim(F ),
denn ist e1 , . . . , em ∈ E bzw. f1 , . . . , fn ∈ F eine Basis, so bilden die Produkte eµ ⊗ fν
eine Basis von E ⊗ F . Zum Beweis benutze man die dualen Basen u1 , . . . , um ∈ E ∗
und v1 , . . . vn ∈ F ∗ und verifiziere, daß sich jede Bilinearform τ ∈ E ⊗ F dann eindeutig
schreibt als
X
τ=
τ (uµ , vν )eµ ⊗ fν ,
µ,ν
denn die rechte Seite angewandt auf (ui, vj ) liefert gerade den Wert τ (ui , vj ). Eine Bilinearform E ∗ × F ∗ → R entspricht je einer linearen Abbildung E ∗ → F ∗∗ = F oder
F ∗ → E ∗∗ = E. Deshalb hat man Isomorphismen
E ⊗F ∼
= F ⊗ E.
= Hom(F ∗ , E) ∼
= Hom(E ∗ , F ) ∼
48
Der erste Isomorphismus etwa ist gegeben durch x ⊗ y 7→ (u 7→ u(x)y) für Produkte bzw.
durch τ 7→ τe mit
v(e
τ (u)) = τ (u, v)
ϕ
für u ∈ E ∗ und v ∈ F ∗ , wodurch τe(u) ∈ F ∗∗ = F festliegt. Ist umgekehrt E ∗ −
→ F eine
lineare Abbildung, so erhält man durch (u, v) 7→ v(ϕ(u)) eine bilineare Form auf E ∗ × F ∗ .
Im Spezialfall F = E ∗ erhält man
E ⊗ E∗ ∼
= Hom(E ∗ , E ∗ ).
Lemma: Das Element δ ∈ E ⊗ E ∗ , welches unter diesem Isomorphismus der Identität entspricht, hat folgende Eigenschaft. Ist e1 , . . . , em ∈ E irgendeine Basis und
u1 , . . . , um ∈ E ∗ ihre duale Basis, so ist
δ = e1 ⊗ u1 + · · · + em ⊗ um .
Dieses Element heißt auch das kanonische Element von E ⊗ E ∗ . Der Beweis ergibt sich
sofort aus dem vorher beschriebenen Isomorphismus.
Kontraktion mit Skalarprodukt.
g
Ist auf E ein Skalarprodukt E × E −
→ R oder nur eine Bilinearform gegeben, so bekommt
man eine bilineare Abbildung (Kontraktion)
E × (E ⊗ F ) → F
die für die Produkte x ⊗ y durch
(x′ , x ⊗ y) 7→ g(x′ , x)y
gegeben wird. Benutzt man die Beschreibung von E ⊗ F als Hom(E ∗ , F ) und die durch
ge
g gegebene Abbildung E −
→ E ∗, e
g (x)(y) = g(x, y), so wird die Kontraktion beschrieben
durch
(x, ϕ) 7→ ϕ(e
g (x)),
E × Hom(E ∗ , F ) → F.
Im Folgenden schreiben wir unter Mißbrauch der Sprache, aber ein Skalarprodukt andeuP
tend, für das Resultat der Kontraktion von τ = xi ⊗ yi ∈ E ⊗ F mit x ∈ E:
i
(x, τ ) = (x,
P
i
xi ⊗ yi ) =
P
g(x, xi )yi
(1)
i
Volumenformen.
Es sei X eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Riemannscher Metrik g und Orientierung [Φ]. Bereits in Abschnitt 9 war zu diesen Daten der ∗–Operator und die orientierte
metrische Volumenform dv = ∗1 eingeführt worden. dv ist eine n–Form mit
dv(a)(ξ1 , . . . , ξn ) = 1
für jede orientierte Orthonormalbasis ξ1 , . . . , ξn ∈ Ta X. Ist U, x1 , . . . , xn ein orientiertes
Koordinatensystem, so hat dv über U die Darstellung
q
dv | U = det(gij ) dx1 ∧ . . . ∧dxn ,
49
wobei gij = g ∂x∂ i , ∂x∂ j (punktweise auf U durch die Riemannsche Metrik definiert). Es
ist natürlich [dv] = [Φ]. Die Kurvenform ds wird nun punktweise als das kanonische
Element
ds(a) ∈ Ta X ⊗ Ta∗ X
definiert. Dafür ist weder eine Metrik noch eine Orientierung nötig. Über einer Koordinatenumgebung hat ds die Darstellung
X ∂
⊗ dxν
ds | U =
∂x
ν
ν
als Tensorfeld (oder ”tangentialvektorwertige” Differentialform). Für die Kontraktion der
Kurvenform erhalten wir die folgenden Formeln.
Satz: Sei g eine Riemannsche Metrik auf X, ξ ein Vektorfeld auf X und f eine differenzierbare Funktion auf X. Dann gilt
(ξ, ds) = jξ
(2)
(grad(f ), ds) = df,
(2′ )
wobei (ξ, ds) bzw. jξ punktweise durch die Kontraktionen mit ga bzw. die Isomorphismen
ja
Ta X −
→ Ta∗ X definiert sind.
Beweis: Die Formel (2) folgt entweder direkt aus der Beschreibung der Kontraktion und
der Definition des kanonischen Elements oder durch Berechnung in lokalen Koordinaten.
Die Formel (2’) ergibt sich aus (2) durch grad(f ) = j −1 df .
Die Hyperflächen– oder Oberflächenform do auf der Mannigfaltigkeit X ist eine ”vektorwertige” (n − 1)–Form, die durch den ∗–Operator (Riemannsche Metrik und Orientierung nötig) aus der Kurvenform hervorgeht,
do := ∗ds.
In lokalen Koordinaten ist
do | U =
X ∂
⊗ (∗dxν ),
∂x
ν
ν
so daß do(a) ∈ Ta X ⊗ Λn−1Ta∗ X für a ∈ X. Man beachte, daß dabei
q
X
µ−1 νµ
dµ ∧ . . . ∧dxn
∗dxν =
(−1) g
det(gij ) dx1 ∧ . . . ∧dx
µ
ist, vgl. Abschnitt 9. Hat man aber lokale Vektorfelder ξ1 , . . . , ξn ∈ T (U), die in jedem
Punkt a ∈ U eine orientierte orthonormale Basis von Ta X bilden, z.B. durch den Orthonormalisierungsprozess gewonnen, und sind ϕ1 , . . . , ϕn ∈ A1 (U) Formen, die in jedem
Punkt die Dualbasis zu ξ1 (a), . . . , ξn (a) bilden, so ist
X
X
ds|U =
ξν ⊗ ϕν und do|U =
ξν ⊗ (−1)ν−1 ϕ1 ∧ . . . ∧ϕ
cν ∧ . . . ∧ϕn ,
ν
ν
denn in diesem Fall wird ∗ϕν = (−1)ν−1 ϕ1 ∧ . . . ∧ϕ
cν ∧ . . . ∧ϕn .
50
Satz: X sei eine differenzierbar Mannigfaltigkeit mit Riemannscher Metrik g und Orientierung [Φ] = [dv]. Dann gilt für jedes Vektorfeld ξ auf X und eine auf X differenzierbare
Funktion f :
(ξ, do) = ∗jξ
(3)
(grad(f ), do) = ∗df
(3′ )
d(ξ, do) = d ∗ jξ = div(ξ) dv
(4)
df ∧do = grad(f ) ⊗ dv
(5)
Hierbei ist in (3) die Kontraktion von do mit ξ eine (n − 1)–Form, während in (4) div(ξ)
eine Funktion und dv eine n–Form ist. In (5) wirkt df ∧ nur auf dem zweiten Faktor von
Ta X ⊗ Λn−1 Ta∗ X, so daß sich auf beiden Seiten punktweise Elemente von Ta X ⊗ Λn Ta∗ X
ergeben.
Beweis: (3) folgt aus (2) durch Anwenden von ∗ ebenso der erste Teil von (4) durch
Anwenden von d. Da div(ξ) = ∗d ∗ jξ, siehe Definition in Abschnitt 9, und da dv = ∗1,
ist d ∗ jξ = ∗div(ξ) = div(ξ)(∗1) = div(ξ)dv. Zum Beweis von (5) genügt es, daß beide
Felder auf allen Koordinatenumgebungen übereinstimmen. Ist U eine solche, so kann
man Vektorfelder ξ1 , . . . , ξn über U finden, die orientiert und orthonormal sind. Mit
deren dualen Formen ϕ1 , . . . ϕn , (ϕµ (a)(ξν (a)) = δµν ) gilt dann, siehe oben,
X
do|U =
ξν ⊗ (−1)ν−1 ϕ1 ∧ . . . ∧ϕ
cν ∧ . . . ∧ϕn .
ν
Andererseits ist dort
df = (grad(f ), ds) =
X
(grad(f ), ξµ)ϕµ =
µ
X
ξµ (f )ϕµ
µ
wegen der entsprechenden Darstellung von ds. Nun ergibt sich durch Multiplikation über
U
X
df ∧do =
ξµ (f )ξµ ⊗ ϕ1 ∧ . . . ∧ϕn = grad(f ) ⊗ dv,
µ
denn es ist dv|U = ϕ1 ∧ . . . ∧ϕn (für die orientierte orthonormale Basis) und grad(f ) =
P
ξν (f )ξν , da die ξ1 , . . . , ξn ein orthonormiertes System bilden und diese Formel wegen
ν
g(grad(f ), ξν ) = ξν (f ) gilt.
Satz: Sei X eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Riemannscher Metrik g und Orientierung [Φ]. Dann gilt für je zwei 1–Formen ϕ, ψ ∈ A1 (X)
ϕ∧ ∗ ψ = ψ ∧ ∗ ϕ.
(6)
Sind f und g differenzierbare Funktionen, so gilt
df ∧ ∗ dg = (grad(f ), grad(g))dv
(7)
wobei (ξ, η) = g(ξ, η) das Skalarprodukt zweier Vektorfelder bezeichnet.
Beweis: Für (6) benutzen wir wie im vorigen Beweis lokale orthonormale Basisformen
P
P
ϕ1 , . . . , ϕn mit dv|U = ϕ1 ∧ . . . ∧ϕn . Schreibt man dann ϕ|U =
fν ϕν und ψ|U =
g ν ϕν
ν
51
ν
so wird
ϕ∧ ∗ ψ|U =
X
fν ϕν ∧
ν
P
Im Falle von (7) wird
X
µ
gµ (−1)µ−1 ϕ1 ∧ . . . ∧ϕ
cµ ∧ . . . ∧ϕn =
X
fν gν ϕ1 ∧ . . . ∧ϕn .
ν
fν gν zum Skalarprodukt der Gradienten.
ν
Lemma: Sind f und g differenzierbare Funktionen auf der orientierten Riemannschen
Mannigfaltigkeit X, so gelten die Formeln
d(f grad(g), do) = ((grad(f ), grad(g)) + f ∆g)dv
(8)
d(f grad(g) − ggrad(f ), do) = (f ∆g − g∆f )dv
(9)
Beweis: Nach (3’) ist (f grad(g), do) = f ∗ dg und Differentiation liefert
d(f grad(g), do) = df ∧ ∗ dg + f d ∗ dg.
Nun ist δ = ∗d∗ und δg = 0, siehe Abschnitt 9. Deswegen ist d ∗ dg = ∗ ∗ d ∗ dg =
∗δdg = ∗∆g = ∆g(∗1) = ∆gdv. Die Formel (8) folgt nun aus (7), und (9) ergibt sich
durch Subtraktion.
Corollar: d(f ∗ dg − g ∗ df ) = (f ∆g − g∆f )dv
Mit den obigen Formeln für die Felder bekommt man aus der Stokes’schen Formel sofort
die folgenden Integralformeln.
Satz: Sei X eine orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeit, seien f, g differenzierbare
Funktionen, ξ ein Vektorfeld auf X, und sei G eine Gebiet mit glattem Rand in X, so
daß Ḡ die Träger von f, g und ξ kompakt schneidet. Dann gilt
Z
((grad(f ), grad(g) + f ∆g)dv =
G,O
Z
Z
(f grad(g), do)
(10)
∂g,∂O
(f ∆g − g∆f ) =
G,O
Z
(f grad(g) − ggrad(f ), do)
(11)
∂g,∂O
Z
div(ξ)dv =
G,O
Z
(ξ, do) .
(12)
∂g,∂O
Beweis: (10), (11), (12) folgen sofort aus (8), (9), (4).
Die Formeln (10) und (11) sind nach Green benannt. Weitere Varianten solcher Formeln
finden sich in [HR].
Formeln mit Rotationsfeldern gelten nur für Dimension 3. Hierfür haben wir die Identitäten
d(ξ, ds) = (rot(ξ), do)
(13)
und unter speziellen Voraussetzungen an X, die für R3 erfüllt sind, siehe [HR], §21:
d(do × ξ) = rot(ξ) ⊗ dv.
52
(14)
Die Formel (13) ergibt sich aus
∗jrot(ξ)
∗jj −1 ∗ djξ
djξ
d(ξ, ds).
(rot(ξ), do) =
=
=
=
nach (3)
nach Definition von rot
nach (2)
Die linke Seite von (14) ist wie folgt zu verstehen. Die Form do hat Werte in Ta X ⊗Λ2 Ta∗ X
und das Vektorprodukt do × ξ ist bezüglich der Faktoren in Ta X zu bilden, so daß do × ξ
ebenfalls Werte in Ta X ⊗ Λ2 Ta∗ X hat. Der Operator d ist sodann auf die Faktoren in
Λ2 Ta∗ X anzuwenden. Die Stokes’sche Formel liefert nun unter diesen Voraussetzungen
den
Satz: Ist dimX = 3 und erfüllt X die genannten speziellen Voraussetzungen, so gilt
Z
Z
rot(ξ) ⊗ dv =
do × ξ.
(15)
G,O
∂G,∂O
′
Ist X ⊂ X eine 2–dimensionale orientierte Untermannigfaltigkeit und G′ ⊂ X ′ ein Gebiet
mit glattem Rand, so gilt
Z
Z
(rot(ξ), do) =
(ξ, ds),
(16)
G′ ,O ′
∂G′ ,∂O ′
wobei O′ die auf X ′ gegebene Orientierung ist und X ′ die induzierte Metrik trägt.
Die Rolle des Normalenfeldes: Es sei weiterhin X eine orientierte Riemannsche Mannigfaltigkeit und G ⊂ X eine Gebiet mit glattem Rand. Dann existiert auf ∂G ein eindeutig
bestimmtes äußeres Normalenfeld n so daß n(a) die Länge 1 hat und senkrecht auf Ta ∂G
steht für jedes a ∈ ∂G, siehe Abschnitt 7. Es bezeichne nun dv′ die eindeutige metrische
Orientierungs– oder Volumenform, die die induzierte Orientierung repräsentiert. Nach
Abschnitt 7 gilt dann
dv′(a)(ξ2 , . . . , ξn ) = dv(a)(n(a), ξ2 , . . . , ξn )
für alle ξ2 , . . . , ξn ∈ Ta ∂G. Sind andererseits auf U lokale Felder ξ2 , . . . , ξn orthonormal und orientiert und sind ϕ1 , . . . , ϕn lokale Formen, die punktweise die zu
n(a), ξ2 (a), . . . , ξn (a) duale Basis bilden, so ist
dv′ |U ∩ ∂G = ϕ2 ∧ . . . ∧ϕn |U ∩ ∂G
während
dv = ϕ1 ∧ . . . ∧ϕn .
Deshalb gilt über U ∩ ∂G mit dieser Wahl
dv = ϕ1 ∧dv′
i
Lemma: Ist ∂G ֒→ X die Inklusion, so gilt
i∗ do = n ⊗ dv′
(17)
i∗ (ξ, do) = (ξ, n)dv′
(18)
i∗ (grad(f ), do) = n(f )dv′
(18′ )
53
wobei f bzw. ξ eine differenzierbare Funktion bzw. ein Vektorfeld auf ∂G ist.
Beweis: Es genügt, die Gleichheit der Felder lokal nachzuweisen. Dazu können die Formen
durch n, ξ2 , . . . , ξn und ϕ1 , . . . , ϕn ausgedrückt werden. Es ist dann
P
do = n ⊗ ∗ϕ1 +
ξν ⊗ ∗ϕν
ν≥2
P
= n ⊗ ϕ2 ∧ . . . ∧ϕn +
ξν ⊗ (−1)ν−1 ϕ1 ∧ . . . ∧ϕ
cν ∧ . . . ∧ϕn .
ν≥2
Nun ist i∗ ϕ1 = 0, denn (i∗ ϕ1 )(a)(ξ) = ϕ1 (a)(i∗ ξ) für jedes ξ ∈ Ta ∂G, und da
ϕ1 (a)(ξν (a)) = 0 für ν ≥ 2, ist (i∗ ϕ1 )(a) = 0. Andererseits ist i∗ ϕν = ϕν für ν ≥ 2
über U ∩ ∂G. Daraus folgt nun sofort die Formel (17). Die Formel (18) folgt nun aus
i∗ (ξ, do) = (ξ, i∗ do) = (ξ, n ⊗ dv′ ) = (ξ, n)dv′
während (18’) ein Spezialfall von (18) ist.
Setzt man die Formeln (17) und (18) in (10, (11), (12) ein, so erhält man die Formeln
Z
Z
((grad(f ), grad(g)) + f ∆g)dv =
f n(g)dv′
(10′ )
G,O
Z
∂G,∂O
Z
(f ∆g − g∆f )dv =
G,O
Z
G,O
(f n(g) − gn(f ))dv′
(11′ )
∂G,∂O
div(ξ)dv =
Z
(ξ, n)dv′ .
(12′ )
∂G,∂O
Setzt man (17) in (15) ein, so ergibt sich unter den oben genannten speziellen Voraussetzungen
Z
Z
rot(ξ) ⊗ dv =
(n × ξ) ⊗ dv′.
(15′ )
G,O
∂G,∂O
i
Für die Formel (16) schließlich kann man i∗ (rot(ξ), do) = (rot(ξ), n)dv′ mit G′ ֒→ X
l
betrachten, wo n eine Normalenfeld auf G′ ⊂ X ′ ist. Ist dann ∂G′ ֒→ X die Inklusion
der Randkurve ∂G′ von G′ , so berechnet sich l∗ ds wie folgt. Auf ∂G′ gibt es drei globale
Felder ξ1 , ξ2 , ξ3 , die punktweise eine orientierte orthonormale Basis bilden. ξ1 ist dabei
das gewählte Normalenfeld n auf G′ (eingeschränkt auf ∂G′ ), ξ2 = n′ ist das äußere
Normalenfeld von ∂G′ ⊂ X ′ und ξ3 = t ist das normierte Tangentialfeld von ∂G′ , so daß
t und n′ orientiert im Sinne der Orientierung O′ von X ′ sind. Sind dann ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 die
Formen, die dual zu den drei Feldern sind, so wird l∗ ϕ1 = 0, l∗ ϕ2 = 0 und l∗ ϕ3 =: dσ ist
die 1–Form auf ∂G′ mit dσ(t) = 1. Es ist nun l∗ ds = t ⊗ dσ und wir bekommen für ein
Feld ξ auf X mit Supp(ξ ∩ Ḡ′ kompakt die Formel
Z
Z
′
(rot(ξ), n)dv =
(ξ, t)dσ
(16′ )
G′ ,O ′
∂G′ ,∂O ′
denn i∗ (rot(ξ), do) = (rot(ξ), n)dv′ und l∗ (ξ, ds) = (ξ, l∗ds) = (ξ, t ⊗ dσ) = (ξ, t)dσ.
54
11. Anhang. Lebesgue Integrale auf Rn
Es seien in diesem Anhang die wichtigsten Begriffe und Sätze aus der Lebesgue’schen Integrationstheorie auf Rn zusammengestellt, wie sie üblicherweise in einer Analysisvorlesung
vermittelt werden.
11.1. Lebesgue Maßraum.
Der Lebesgue’sche Maßraum (Rn , M, λ) besteht aus einer σ-Algebra M von Teilmengen
λ
des Rn und einem Maß M −
→ [0, ∞], das jeder Menge M ∈ M eine reelle Zahl 0 ≤
λ(M) ≤ ∞ zuordnet, mit folgenden Eigenschaften.
Eigenschaften der σ–Algebra M:
(1) Ist M, N ∈ M, so auch M r N ∈ M
(2) Ist (Mν ) eine Folge von Mengen in M, so auch ∪Mν , ∩Mn u ∈ M
ν
ν
(3) M enthält alle offenen (und abgeschlossenen) Mengen des Rn
Eigenschaften des Maßes λ:
Für Mengen M, M1 , M2 und Folgen (Mν ) in M gelten
(1) Ist M1 ⊂ M2 , so ist λ(M1 ) ≤ λ(M2 )
P
(2) λ(∪)Mν ) ≤
λ(Mν )
ν
ν
(3) sind die Mengen Mν disjunkt, d.h. Mµ ∩ Mν = φ für µ 6= ν, so ist
X
λ(∪Mν ) =
λ(Mν )
ν
ν
(4) λ(M) < ∞ dann und nur dann, wenn
λ(M) = sup{λ(K) | K ⊂ M, K kompakt}
= inf{λ(U) | M ⊂ U, U offen
(5) Ist M ⊂ Rn eine beliebige Teilmenge und
λ(M) = inf{λ(U) | M ⊂ U, U offen} = 0,
so ist M ∈ M und λ(M) = 0.
(6) λ(a + M) = λ(M) für jeden Punkt a ∈ Rn
(7) Für einen Quader Q = {x ∈ Rn | aν ≤ xν ≤ bν , ν = 1, . . . , n} ist λ(Q) = (b1 −
a1 ) . . . (bn − an )
Der Maßraum (Rn , M, λ) mit den obigen Eigenschaften ist dann eindeutig bestimmt.
11.2. Lebesgue Integral.
f
Eine Funktion Rn −
→ R̄ = [−∞, ∞] heißt L–messbar, wenn für jedes a ∈ R̄ die Menge
{f > a} zu M gehört. Dann gehören auch die Mengen {f ≥ a}, {f < a}, {f ≤ a} zu M.
Eine L–Treppenfunktion auf Rn sei eine Funktion der Art
s=
k
X
i=1
55
αi 1Ai
wobei die Mengen A1 , . . . , Ak ∈ M eine disjunkte Zerlegung von Rn bilden und
α1 , . . . , αk ≥ 0. Man hat dann das Integral
Z
k
X
sdλ :=
αi λ(Ai ) ≥ 0
i=1
und dieses ist linear auf dem Raum aller L–Treppenfunktionen. Ist nun f L–messbar und
0 ≤ f , so setzt man
Z
Z
f dλ := sup{ sdλ | 0 ≤ s ≤ f, s eine L-Treppenfunktion}.
R
Es ist dann 0 ≤ f dλ ≤ ∞. Ist f eine beliebige L–messbare Funktion, so hat man
eine Zerlegung f = f + − f − mit L–messbaren Funktionen f + , f − ≥ 0, wobei f + =
max(f, 0), f − = − min(f,
0). Es ist dann |f | = fR+ + f − . Die Funktion f heißt nun
R
L–integrierbar, wenn |f |dλ < ∞. Dann gilt auch f ± dλ < ∞ und man setzt
Z
Z
Z
+
f dλ := f dλ − f − dλ.
Ist f L–integrierbar und M ∈ M, so ist auch die Funktion fM mit fM (x) = f (x) für
x ∈ M und fM (x) = 0 sonst, L–integrierbar, und man setzt
Z
Z
f dλ := fM dλ.
M
Ist N eine Nullmenge, λ(N) = 0, so ist
Z
df λ =
M rN
Z
f dλ
M
für jede L–integrierbare Funktion. Man kann deshalb diese Funktionen auf beliebigen Nullmengen
zu ändern.
R abändern ohne die L–Integrierbarkeit oder das L–Integral
1
n
Das Integral
...dλ ist ein lineares Funktional auf dem Raum L (R , M, λ) der
Äquivalenzklassen [f ] von L–integrierbaren Funktionen, wobei f ∼ g, falls f und g außerhalb einer Nullmenge übereinstimmen, d.h. f = g ”fast überall” oder f = g ”f.ü.”.
11.3. Konvergenzsätze.
Satz: (Zerlegung)
∞
Hat M ∈ M eine abzählbare disjunkte Zerlegung M = ∪ Mν mit Mengen Mν ∈ M und
ν=1
ist f L–integrierbar, so gilt
Z
∞ Z
X
f dλ =
f dλ.
M
ν=1M
ν
Satz: (monotone Konvergenz)
Ist 0 ≤ f1 ≤ f2 ≤ · · · ≤ f eine Folge L–integrierbarer Funktionen und konvergiert
R
fν (x) → f (x) für alle Punkte x ∈ Rn außerhalb einer Nullmenge, und ist die Folge fν dλ
beschränkt, so ist auch f L–integrierbar und es konvergiert
Z
Z
fν dλ → f dλ.
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Satz: (Beschränkte Konvergenz)
Sei (fν ) eine Folge L–messbarer Funktionen, so daß |fν | ≤ g fast überall für eine L–
integrierbare Funktion g, und konvergiere (fν ) fast überall gegen eine Funktion f . Dann
ist auch f L–integrierbar und es konvergiert
Z
Z
fn udλ → f dλ.
11.4. Satz: (Fubini)
Sei (X, A, µ) der Lebesgue–Maßraum des Rm und (Y, B, ν) der des Rn und bezeichne λ
f
das Lebesgue–Maß von X × Y = Rm+n . Ist X × Y −
→ R̄ eine L–integrierbare Funktion,
so gibt es eine Nullmenge NY ⊂ Y , so daß gilt
(1) für jedes y ∈ Y r NY ist die Funktion fy ,R definiert durch Rfy (x) = f (x, y), L–
integrierbar auf X mit dem Integral F (y) := fy (x)dµ(x) := fy dµ.
X
(2) Ist Fe eine beliebige Fortsetzung von F auf ganz Y , so ist auch Fe auf Y L–integrierbar
und es gilt
Z
Z
Fedν =
f dλ.
Y
X×Y
Diese Formel schreibt sich unter Verdeutlichung durch die Variablen als
Z Z
Z
( f (x, y)dµ(x))dν(y) =
f (x, y)dλ(x, y)
Y
X
X×Y
11.5. Satz: (Transformationsformel)
ϕ
Sind U, V ⊂ Rn offene Mengen und ist U −
→ V ein C 1 –Diffeomorphismus, so gilt: Ist f
über V L–integrierbar (d.h. die durch 0 fortgesetzte Funktion ist über Rn L–integrierbar),
so ist auch (f ◦ ϕ) · | det J(ϕ)| auf U L–integrierbar und es gilt
Z
Z
f dλ = (f ◦ ϕ) · | det J(ϕ)|dλ.
V
U
Dabei bezeichnet J(ϕ) die Jacobi-Matrix von ϕ.
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