Störung der Geschäftsgrundlage § 313 BGB Voraussetzungen Wegfall der objektiven Geschäftsgrundlage § 313 I BGB 1. Objektives Element: Rechtsfolgen Abgrenzung 1. Anspruch auf Anpassung des Vertrages 1. 2. 2. Recht zum Rücktritt oder zur Kündigung des Vertrages (subsidiär) 3. 4. Nachträgliche Änderung vertragswesentlicher objektiver Umstände ( beachte: § 313 II BGB ) 2. Hypothetisches Element: 5. Irrtumsanfechtung Unmöglichkeit, insb. § 275 II, III BGB Mängelrechte Zweckverfehlungskondiktion (§ 812 I 2, Fall 2 BGB) Kündigung aus wichtigem Grund (§313 III BGB) Kein Vertragsschluss bei Voraussehen dieser Änderungen 3. Normatives Element: Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag ______________________________________________________________________ Professor Dr. Elmar Mand Schuldrecht Allgemeiner Teil Abgrenzung: Wegfall der Geschäftsgrundlage und Unmöglichkeit Wegfall der Geschäftsgrundlage § 313 I BGB Leistungsinteresse des Gläubigers schwerwiegendes Missverhältnis Gegenleistung (z. B. § 433 II BGB) Unmöglichkeit § 275 II BGB Leistungsinteresse des Gläubigers grobes Missverhältnis Leistungsaufwand des Schuldners ______________________________________________________________________ Professor Dr. Elmar Mand Schuldrecht Allgemeiner Teil Die Ming-Vase K sammelt alte und teure Vasen. Eines Tages erklärt sein Freund F, er könne ihm eine Ming-Vase aus Asien beschaffen, da er gute Geschäftskontakte habe. Er verlangt von K einen Preis von 15.000 €, was dem Marktwert entspricht. Das Geschäft brächte F 3.000 € ein, weil er selbst die Vase für 12.000 € bekommen könnte. Aufgrund einer sehr angespannten politischen Situation, die weder K noch F voraussehen konnten, steigen die Transportkosten enorm in die Höhe. Vergleichbare Vasen werden daher um durchschnittlich ein Drittel teurer. Auch F müsste für die Vase nun 20.000 € zahlen. Er benachrichtigt daher K und erklärt ihm, er möchte entweder einen höheren Kaufpreis oder aber sich vom Vertrag lösen. K hingegen möchte die Vase weiterhin für 15.000 € haben. Wie ist die Rechtslage? ______________________________________________________________________ Professor Dr. Elmar Mand Schuldrecht Allgemeiner Teil K kann gegen F einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Vase gem. § 433 I BGB für einen Preis von 15.000 € haben. I. Wirksamer Kaufvertrag (+) II. Anspruch untergegangen gemäß § 275 I BGB (-); die Lieferung der Vase ist trotz politischer Unruhen weiterhin möglich. III. Anspruch durchsetzbar? F könnte ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 II BGB zustehen. Zu ermitteln ist, ob unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben der Aufwand zur Beschaffung der Vase in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des K steht. Dies wäre dann der Fall, wenn die Behebung des Leistungshindernisses theoretisch zwar möglich wäre, aber von keinem vernünftigen Gläubiger ernsthaft verlangt werden kann. ______________________________________________________________________ Professor Dr. Elmar Mand Schuldrecht Allgemeiner Teil Für die Ermittlung der Unzumutbarkeit ist auf das Verhältnis zwischen dem Aufwand des Schuldners und dem Gläubigerinteresse (hier des K) abzustellen, nicht hingegen auf das Interesse des F, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Der Aufwand des F beträgt nun 20.000 EUR. Das Gläubigerinteresse wird durch den Wert des Kaufgegenstandes (einschließlich eines ideellen Wertes für den Gläubiger) bestimmt. Einen Anhaltspunkt bietet der Kaufpreis. Dieser beträgt 15.000 EUR. Allerdings haben sich die Vasen um ein Drittel verteuert, so dass der Wert der Vase nunmehr bei ca. 20.000 EUR liegt. Zwischen dem Aufwand von 20.000 EUR und dem Gläubigerinteresse liegt kein grobes Missverhältnis vor. F steht daher kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 II BGB zu. IV. In Betracht kommen könnte aber eine Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB, wenn die Voraussetzungen für die Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen. 1. Reales Element: Die dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Umstände müssen sich nach Vertragsschluss entscheidend verändert haben. Aufgrund der politischen Situation sind die Lieferkosten enorm gestiegen. (+) ______________________________________________________________________ Professor Dr. Elmar Mand Schuldrecht Allgemeiner Teil 2. Hypothetisches Element: Wäre F bekannt gewesen, dass sich die politische Lage verändert, hätte er von vornherein einen höheren Kaufpreis verlangt. 3. Normatives Element: Nach Treu und Glauben darf dem F ein Festhalten an einem unveränderten Vertrag nicht mehr zuzumuten sein, das heißt, der andere Teil muss sich redlicherweise auf eine Vertragsänderung oder -aufhebung einlassen. Grundsätzlich trägt der Verkäufer das Beschaffungsrisiko, § 276 I 1 BGB. Das Risiko, dass sich eine politische Situation derartig stark verändern kann, wird davon jedoch nicht erfasst. Insofern tragen sowohl F als auch K das Risiko der Veränderung. Es wäre unbillig dieses Risiko allein dem F zuzuweisen. Die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage liegen vor. ______________________________________________________________________ Professor Dr. Elmar Mand Schuldrecht Allgemeiner Teil Rechtsfolge: Grundsätzlich ist der Vertrag an die veränderten Umstände anzupassen (§ 313 I BGB). Dies führte dazu, dass sich der Kaufpreis entsprechend erhöhte. Allerdings scheitert eine Anpassung aus, wenn sie dem anderen Teil (hier dem K) nicht zumutbar ist (§ 313 III 1 BGB). In diesem Fall bleibt dem Benachteiligten Vertragspartner ein Rücktrittsrecht. K ist bei seiner Disposition von einem bestimmten Kaufpreis ausgegangen. Die politischen Veränderungen konnte auch er nicht vorhersehen. Es wäre unbillig, ihn die Folgen der eingetretenen Leistungserschwerung in Form eines höheren Kaufpreises tragen zu lassen. Eine Vertragsanpassung zu einem erhöhten Preis scheidet somit aus. Damit kommt nur ein Rücktritt in Betracht. F hat K gegenüber erklärt, er werde sich vom Vertrag lösen, wenn dieser keinen höheren Preis zahlen will. F hat somit seinen Rücktritt erklärt. Infolge des Rücktritts erlöschen die noch nicht erbrachten Leistungpflichten. Ergebnis: K hat keinen Anspruch gegen F auf Übergabe und Übereignung der Vase. ______________________________________________________________________ Professor Dr. Elmar Mand Schuldrecht Allgemeiner Teil