ÜBUNGSBLATT 3 – LÖSUNGEN MAT121/MAT131 ANALYSIS I HERBSTSEMESTER 2010 PROF. DR. CAMILLO DE LELLIS Aufgabe 1. (a) Beweisen Sie aus den Axiomen für komplexe Zahlen, dass für alle z, w ∈ C gilt: zw = z w; (b) Schreiben Sie die folgenden komplexen Zahlen in der Form a + ib mit a, b ∈ R: (i) z1 = (1 − i)2 ; 2+i (ii) z2 = ; 2−i (1 − i)(1 + i) (iii) z3 = ; i |1 − i| ; (iv) z4 = (1 + i) 4 1+i . (v) z5 = 1−i Antwort. (a) Wir schreiben z = a + ib und w = c + id. Dann gilt einerseits zw = (a + ib)(c + id) = (ac − bd) + i(ad + bc) = (ac − bd) − i(ad + bc) und andererseits z w = (a − ib)(c − id) = ac − (−b)(−d) + i a(−d) + (−b)c = (ac − bd) − i(ad + bc). Es folgt, dass zw = z w ist, was zu beweisen war. (b) (i) z1 = (1 − i)2 = 1 − 2i + i2 = −2i = 0 + i(−2). (2 + i)2 2+i (2 + i)(2 − i) 4 + 4i + i2 3 4 = (ii) z2 = = = = +i . 2 2−i 5 5 5 5 |2 − i| 2 (1 − i)(1 + i) (1 − i) (i) −2i (iii) z3 = = = −2 = −2 + i0. = i i i 1+i |1 − i| |1 − i| (1 − i) 1+i 1 1 |1 − i| = = = = √ = √ + i√ . (iv) z4 = 2 1−i |1 − i| 2 2 2 |1 − i| (1 + i) !4 4 4 (1 + i)(1 − i) 1+i (1 + i)2 = (v) z5 = = 1−i 2 |1 + i|2 4 1 + 2i + i2 = = i4 = (−1)2 = 1. 2 Aufgabe 2. Skizzieren Sie folgende Teilmengen der komplexen Ebene, ohne auf Begründungen zu verzichten: n √ o (a) M1 = z ∈ C |z − i| = |z + i| = 2 ; (b) M2 = z ∈ C |1 − z| ≥ |1 + z| ; (c) M3 = nz ∈ C 1 < |z − 1 + i| < 2 ; o (d) M4 = z ∈ C (1 + i)z + (1 + i)z ≤ 0 . 2 ÜBUNGSBLATT 3(MAT121/MAT131 ANALYSIS I) – LÖSUNGEN Antwort. √ (a) M1 enthält alle Punkte in der komplexen Ebene, welche einerseits Distanz 2 √ von i und andererseits Distanz √2 von −i haben. M1 ist also die Schnittmenge der beiden Kreise mit Radius 2 um i, beziehungsweise −i. Aber dies sind genau die Punkte −1 und 1. Also ist M1 = {−1, 1} ⊂ R–Achse. (b) Wir formen die Bedingung um: |1 − z| ≥ |1 + z| ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ |1 − z|2 ≥ |1 + z|2 ⇔ (1 − z)(1 − z) ≥ (1 + z)(1 + z) (1 − z)(1 − z) ≥ (1 + z)(1 + z) 1 − (z + z) + zz ≥ 1 + (z + z) + zz 2(z + z) ≤ 0 ⇔ 4Re(z) ≤ 0 ⇔ Re(z) ≤ 0. Also ist M2 die Menge der komplexen Zahlen mit nicht–positivem Realteil, das heisst die “linke Halbebene”. (c) M3 besteht aus allen Punkten der komplexen Ebene, deren Distanz zum Punkt 1−i strikt zwischen 1 und 2 liegt. M3 ist also der Kreisring um 1−i mit innerem Radius 1 und äusserem Radius 2 ohne Rand. (d) Wieder formen wir die Bedingung um: (1 + i)z + (1 + i)z ≤ 0 ⇔ (1 + i)z + (1 − i)z ≤ 0 ⇔ −i(z − z) ≥ z + z ⇔ z+z z−z ≥ 2i 2 ⇔ (z + z) + i(z − z) ≤ 0 z−z ≥z+z ⇔ i ⇔ Im(z) ≥ Re(z). Also besteht die Menge M4 aus allen komplexen Zahlen, deren Imaginärteil grösser oder gleich ihrem Realteil ist, das heisst M4 ist die “um 45◦ gegen den Uhrzeigersinn gedrehte obere Halbebene”. Aufgabe 3. Sei f : C → C gegeben durch f (z) = 2i − z . 1 − iz (a) Finden Sie alle Fixpunkte von f (d.h. jene komplexe Zahlen z für welche f (z) = z gilt); (b) Finden Sie die Urbilder unter f von 1 − 3i (d.h. jene Zahlen z ∈ C, für welche f (z) = 1 − 3i gilt). Antwort. (a) Es gilt: f (z) = z ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ 2i − z =z ⇔ 1 − iz z 2 + 2iz + 2 = 0 2i − z = z − iz 2 (z + i)2 + 3 = 0 ⇔ 3 = (iz − 1)2 ⇔ √ z = −i 1 ± 3 . ⇔ ⇔ i z 2 + 2iz + 2 = 0 (z + i)2 − i2 + 2 = 0 3 = −(z + i)2 ⇔ 3 = i2 (z + i)2 √ √ iz − 1 = ± 3 ⇔ iz = 1 ± 3 Somit ist die Fixpunktmenge von f durch ben. i −1 − √ √ 3 , i −1 + 3 gege- ÜBUNGSBLATT 3(MAT121/MAT131 ANALYSIS I) – LÖSUNGEN 3 (b) z ∈ C ist genau dann Urbild von 1 − 3i, wenn f (z) = 1 − 3i ist. Es gilt: f (z) = 1 − 3i ⇔ ⇔ ⇔ 2i − z = 1 − 3i ⇔ 2i − z = (1 − iz)(1 − 3i) 1 − iz 2i − z = 1 − iz − 3i + 3i2 z ⇔ (2 + i)z = 1 − 5i z= 2 − 10i − i + 5i2 1 − 5i (1 − 5i)(2 − i) 3 11 = = =− −i . 2 2+i 5 5 5 |2 + i| das (einzige) Urbild von 1 − 3i unter f . Also ist z = − 53 − i 11 5 Aufgabe 4. (a) Beweisen Sie, dass für alle θ ∈ R, w = cos θ + i sin θ auf dem Einheitskreis der komplexen Zahlenebene liegt; (b) Sei θ ∈ R, w = cos θ + i sin θ. Beweisen Sie, dass die Abbildung z 7→ wz eine Rotation in der komplexen Ebene mit Zentrum 0 und Winkel θ darstellt. (c) Zeigen Sie mithilfe von (b), dass (cos θ + i sin θ)n = cos(nθ) + i sin(nθ) für alle θ ∈ R und n ∈ N ist. (d) Benutzen Sie (c) um zu zeigen, dass die Gleichung z n = cos θ + i sin θ für alle θ ∈ R und n ∈ N eine Lösung in C hat. Antwort. (a) Um zu zeigen, dass w = cos θ + i sin θ auf dem Einheitskreis in der komplexen Ebene liegt, genügt es zu zeigen, dass |w| = 1 ist. Wir rechnen für beliebiges θ ∈ R: |w|2 = ww = (cos θ + i sin θ)(cos θ − i sin θ) = (cos θ)2 − (i sin θ)2 = (cos θ)2 + (sin θ)2 = 1 Also ist tatsächlich |w| = 1, und w liegt auf dem Einheitskreis. (b) Für z = 0 ist wz = 0, also ist 0 ein Fixpunkt der Abbildung z 7→ wz, was schon mal notwendig für eine Rotation um den Ursprung ist. Für z = x + iy ∈ C \ {0} schreiben wir z als z = |z| cos ϕ + i |z| sin ϕ. Die Rotation um den Ursprung mit Winkel θ bildet z dann auf den Punkt |z| cos(ϕ + θ) + i |z| sin(ϕ + θ) ab. Wir wollen zeigen, dass z 7→ wz mit w = cos θ + i sin θ genau diese Transformation ist. Rechne hierzu wz = (cos θ + i sin θ)(|z| cos ϕ + i |z| sin ϕ) = |z| (cos θ cos ϕ − sin θ sin ϕ) + i |z| (sin θ cos ϕ + cos θ sin ϕ) = |z| cos(θ + ϕ) + i |z| sin(θ + ϕ), wobei wir die Additionstheoreme† der trigonometrischen Funktionen benutzt haben. Es folgt die Behauptung. † Für alle x, y ∈ R gilt sin(x ± y) = sin x cos y ± cos x sin y, cos(x ± y) = cos x cos y ∓ sin x sin y. 4 ÜBUNGSBLATT 3(MAT121/MAT131 ANALYSIS I) – LÖSUNGEN (c) Mit (b) ist es nun ein Leichtes, sich der Gültigkeit der behaupteten Identität zu überzeugen. Schreiben wir w = cos θ + i sin θ = (cos θ + i sin θ)(1 + i0) = (cos θ + i sin θ)(cos 0 + i sin 0), so ist nach (b), für alle n ∈ N, w n die n–fache Anwendung der Rotation mit Winkel θ auf den Punkt 1 + i0 auf dem Einheitskreis. Damit ist w n = cos(nθ) + i sin(nθ), und die Behauptung bewiesen. (d) Mit dem Teil (c) lässt sich eine Lösung der Gleichung z n = cos θ + i sin θ (θ ∈ R, z ∈ C) sofort explizit angeben. Sei nämlich θ θ z0 = cos + i sin , n n dann ist wegen (c), z0n = cos θ + i sin θ, wie gewünscht. Aufgabe 5M. Finden Sie alle Funktionen f : R → R, für welche 2 f xf (x) + f (y) = f (x) + y (⋆) Antwort. Wenn (⋆) für alle reellen x und y gelten soll, so gilt insbesondere 2 f f (y) = y + f (0) ∀y ∈ R (für x = 0) (1) gilt, für alle x, y ∈ R. und 2 =0 f xf (x) + f − f (x) ∀x ∈ R 2 (für y = − f (x) ). (2) Aus (2) folgt dann, dass es (mindestens) ein z0 ∈ R gibt, für welches f (z0 ) = 0 ist. Dann impliziert (⋆) aber mit x = z0 : 2 f f (y) = f z0 f (z0 ) + f (y) = f (z0 ) + y = y ∀y ∈ R, (3) so dass wir mit (1) schliessen können, dass f (0) = 0 ist. Mit y = 0 in (⋆) erhalten wir dann 2 f xf (x) = f (x) ∀x ∈ R. (4) Sei nun z ∈ R beliebig. Setzen wir x = f (z) in (4), so impliziert (3) dass 2 (3) 2 (3) (4) =z ∀z ∈ R f zf (z) = f f (z)f f (z) = f f (z) (5) ist. (4) und (5) ergeben jedoch nach Umbenennung von z in x die Identität 2 ∀x ∈ R. (6) f (x) = x2 2 Insbesondere ist also f (1) = 1. Setzen wir nun in (⋆) x = 1 und y = f (z) für beliebiges z ∈ R, so ergibt dies dann unter Benutzung von (3) 2 (3) (⋆) ∀z ∈ R. f f (1) + z = f f (1) + f f (z) = f (1) + f (z) = 1 + f (z) Quadrieren dieser Gleichung liefert dann einerseits mit (6) 2 2 2 (6) f f (1) + z = 1 + f (z) = 1 + f (z) + 2f (z) = 1 + z 2 + 2f (z) ∀z ∈ R, ÜBUNGSBLATT 3(MAT121/MAT131 ANALYSIS I) – LÖSUNGEN 5 andererseits impliziert (6) schon direkt 2 (6) 2 2 (6) f f (1) + z = f (1) + z = f (1) + z 2 + 2f (1)z = 1 + z 2 + 2f (1)z ∀z ∈ R. Es folgt f (z) = f (1)z ∀z ∈ R. Da wegen (6) entweder f (1) = 1 oder f (1) = −1 gilt, ist f (z) = z oder f (z) = −z ∀z ∈ R. f ist also entweder die Identität, oder das Negative der Identität. Aufgabe 5P. Zeigen Sie, dass eine notwendige und hinreichende Bedingung, damit drei Punkte a, b, c in der komplexen Zahlenebene ein gleichseitiges Dreieck bilden, die folgende Relation zwischen ihnen ist: a2 + b2 + c2 = bc + ca + ab. (⋆) Antwort. Wir bezeichnen mit A, B und C die Punkte, welche a, b, respektive c entsprechen, und verwenden die üblichen Notationen AB, BC, AB für die (ungerichteten) Strecken, sowie ∠A BC, ∠B CA, ∠C AB für die im Dreieck ABC gebildeten (vorzeichenbehafteten) Winkel in den Punkten A, B, respektive C. Wir nehme zuerst an, dass A, B und C nicht kollinear sind. Um zu sehen, dass die Bedingung (⋆) notwendig ist, nehme an, dass ABC ein gleichseitiges Dreieck ist. O.B.d.A. können wir vorausschicken, dass die Ecken A, B und C entgegen den Uhrzeigersinn durchlaufen werden. Dann geht C aus B durch Drehung um A, und A aus C durch Drehung um B hervor, beide Male mit Winkel π/3 entgegen den Uhrzeigersinn. Also gilt (vgl. auch Aufgabe 4): π π c − a = (b − a) cos + i sin 3 3 und π π a − b = (c − b) cos + i sin . 3 3 Daher ist (c − a)(c − b) = (a − b)(b − a), was äquivalent zur Bedingung (⋆) ist. Sei nun umgekehrt Bedingung (⋆) erfüllt. Dann gilt wieder (c−a)(c−b) = (a−b)(b−a). Es folgt, dass c−a a−b = (‡) b−a c−b Nennen wir diese komplexe Zahl z, so hat sie einen positiven Abstand zum Ursprung (sagen wir r), und der Strahl ausgehend von 0 durch z schliesst einen Winkel θ mit der positiven reellen Achse ein. Somit können wir schreiben, z = r(cos θ + i sin θ) (vgl. wieder mit Aufgabe 4). Dann ist (‡) äquivalent zu AC BA = =r AB BC und ∠A BC = ∠B CA = ±θ mod 2π. Aus der zweiten Gleichung folgt, dass ABC ein gleichschenkeliges Dreieck mit AC = BC ist, und aus der ersten erhalten wir dann AB = AC = BC. Also ist ABC ein gleichseitiges Dreieck. Nehmen wir schliesslich an, A, B und C seien kollinear. Die Bedingung (⋆) ist wieder äquivalent zur Bedingung (c − a)(c − b) = (a − b)(b − a). Da letztere invariant unter Translationen und Rotationen in der Ebene ist, können wir o.B.d.A. annehmen, dass a, b, c ∈ R und a = 0 ist. In diesem Fall ist (⋆) äquivalent zu b2 + c2 = bc, was nur von den reellen Zahlen b = 0 und c = 0 erfüllt werden kann (da z.B. aus b2 + c2 = bc 6 ÜBUNGSBLATT 3(MAT121/MAT131 ANALYSIS I) – LÖSUNGEN folgt, dass (b − c)2 = −bc = − (b2 + c2 ) ist, was nur sein kann, wenn beide Seiten verschwinden). Somit ist in diesem Fall die Bedingung (⋆) äquivalent dazu, dass a, b und c ein “ausgeartetes” (engl. “degenerate”) gleichseitiges Dreieck bilden.