Pflanzen tun einiges, um ihre Abwehr unter Kontrolle zu

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PRESSEMITTEILUNG__________________________________
Köln, 10.12.09
Auf Qualität achten:
Pflanzen tun einiges, um ihre Abwehr unter Kontrolle zu halten
Köln. Pflanzen können sich keinen Fehlalarm im Immunsystem leisten, weil jede
überflüssige Abwehrreaktion auf Kosten des Wachstums geht und unnötigen
Stress verursacht. Pflanzen unterwerfen ihre Einsatztruppen deshalb einer
strikten Qualitätskontrolle und begutachten deren Eignung auf dem Weg zum
Einsatzort. Sie achten dabei auf den korrekten Feinschliff und die richtige
Gestalt.
Pflanzen können sich genauso gegen mikrobielle Widersacher zur Wehr setzen wie
andere Lebewesen auch. Sie verwenden dafür keine spezialisierten Abwehrzellen,
sondern einem doppelten Radar in jeder Pflanzenzelle. Der erste Radarschirm sitzt auf
der Zelloberfläche, der zweite im Innern. Der äußere Radar besteht aus speziellen
Rezeptoren, die wie Häscher nach der Anwesenheit mikrobieller Oberflächenmuster
von potentiellen Angreifern suchen. Erkennen sie ein Muster, setzen sie einen Alarm
in Gang, der zu komplexen, aber immer ähnlichen Abwehrreaktionen führt. Erhält der
Widersacher trotzdem Zugang zur Pflanzenzelle, trifft er auf den zweiten Radar.
Dieser besteht aus Sensoren, die alle wichtigen pflanzlichen Eiweiße bewachen.
Vergreift sich der Eindringling an einem dieser Eiweiße, weiß die Zelle über den
Sensor, dass ihr nur der Selbstmord bleibt, um den Rest der Pflanze zu schützen. Der
äußere Radar gilt als kraftvoll und konservativ, der innere als flink und flexibel.
Dieses doppelte Radarsystem muss einer strikten Prozesskontrolle unterliegen, weil
sich die Pflanze Fehlalarme nicht leisten kann. Paul Schulze-Lefert vom Max PlanckInstitut für Pflanzenzüchtungsforschung und seine Kollegen haben jetzt gezeigt, dass
ein Teil der Qualitätskontrolle für den äußeren Radar auf dem Weg an die
Zelloberfläche erfolgt. Zudem führt die Aktivierung des äußeren Radars nicht
zwangsläufig zu einer nachhaltigen Immunreaktion.
Ein Instrument der Qualitätskontrolle betrifft offensichtlich den Feinschliff der
Rezeptoren. Dieser sieht vor, dass die Proteine auf dem Weg an die Zelloberfläche
mit Zuckern beladen werden. Gleichzeitig wird überprüft, ob die Eiweiße ihre
korrekte Gestalt eingenommen haben. Werden dabei Fehler entdeckt oder ist zu
befürchten, dass der Rezeptor in seiner vorliegenden Form einen Fehlalarm auslösen
könnte, wird er sofort aussortiert oder für eine Überarbeitung an den Anfang der
Prozesskette zurückverwiesen. Paul Schulze-Lefert und seine Kollegen haben jetzt in
zwei Veröffentlichungen gezeigt, dass in der Modellpflanze Arabidopsis verschiedene
Mutationen in drei hintereinanderliegenden Schritten dieses Prozesses, die Funktion
eines speziellen Rezeptors auf der Zelloberfläche beeinträchtigen und dadurch
verhindern, dass die Abwehr des von diesem Häscher erkannten Widersachers auf
vollen Touren läuft. Bei einigen Mutationen erscheint der Rezeptor erst gar nicht auf
der Oberfläche, bei anderen bricht die Abwehrreaktion nach einem ersten Anlauf ab.
Der Rezeptor, für den dies gilt, trägt den kryptischen Namen EFR. Ein anderer
Häscher, - das FLS2 -, ist dieser Kontrolle nicht unterworfen. Es muss also neben der
Begutachtung von Feinschliff und Gestalt noch weitere Ebenen der Qualitätskontrolle
beim pflanzlichen Immunsystem geben. Die erste Veröffentlichung von SchulzeLefert und seinen Kollegen ist im EMBO Journal publiziert worden (Bd. 28; S. 3488),
die zweite in den „Proceedings“ der amerikanischen nationalen Akademie der
Wissenschaften (Bd. 106, S. 22522).
Die Entdeckung der Kölner Wissenschaftler ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert.
Zum einen war nicht zu erwarten, dass die beiden untersuchten Rezeptoren auf
unterschiedliche Weise begutachtet werden, weil sie vergleichbare Abwehrreaktionen
in Gang setzen. Vermutlich hat der Unterschied mit dem evolutionären Alter der
beiden Eiweiße zu tun. FSL2 kommt in allen höheren Pflanzen vor und ist daher
vergleichsweise alt. EFR ist nur bei den Kreuzblütengewächsen einschliesslich
Arabidopsis zu finden und muss deshalb sehr viel später in der Evolution entstanden
sein. Schulze-Lefert dazu: „Wir betrachten EFR als eine junge Innovation in der als
konservativ geltenden mikrobiellen Breitbandabwehr auf der Zelloberfläche. Das
zeigt, dass sich auch dieses System dynamisch entwickelt und mit neuen Rezeptoren
auf das sich ständig ändernde Spektrum von Angreifern reagiert. Bisher hat man nur
den inneren Radar für besonders anpassungsfähig gehalten. Die Qualitätskontrolle
über den Feinschliff hilft der Pflanze offensichtlich, nur optimal ausgestattete
Rezeptoren nach draußen zu lassen, auch bei den neu entwickelten.“ Bemerkenswert
ist an den Ergebnissen auch, dass nicht alle Mutationen die gleiche Wirkung haben.
Die Tatsache, dass das Spektrum vom Nichterscheinen des Rezeptors auf der
Oberfläche bis zum Abbruch einer bereits angelaufenen Abwehrreaktion reicht, zeigt,
dass die Eingangsreaktionen und die nachhaltige Immunantwort in irgendeiner Form
getrennt sein müssen und dass weitere Signale hinzukommen müssen, um aus einer
einmal angelaufenen Reaktion eine robuste Immunantwort zu machen. Paul SchulzeLefert dazu: „Es muss offensichtlich noch mehrere physiologische Reaktionen geben,
die die Abwehrsignale verstärken. Danach zu suchen, wird unsere nächste Aufgabe
sein.“
Abb.1: Die Anwesenheit mikrobieller Oberflächenmuster aktiviert in der Modellpflanze Arabidopsis
thaliana stereotype Immunantworten.
Die Kultivierung von Arabidopsis Pflanzen in Anwesenheit von Sucrose (+Suc) führt in Wildtyp (WT)
-Pflanzen zur Akkumulation von Flavonoiden (rötlich-violette Farbe der Keimblätter). Eine zusätzliche
Applikation mit bakteriellen Oberflächenmustern (flg22 oder elf18) stimuliert eine Immunantwort in
der Pflanze und unterdrückt die Akkumulation von Flavonoiden. Mutationen in der Qualitätskontrolle
des EFR Immunsensors (psl Pflanzen) können nicht mehr eine wirksame Immunantwort auslösen und
akkumulieren daher Flavonoide in Anwesenheit beider Stimuli (+Suc +elf18).
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Paul Schulze-Lefert
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung
Carl von Linné Weg 10
50829 Köln
Tel: +49-221-5062-351
[email protected]
Saijo, Y, Tintor, N, Lu, X, Rauf, P., Pajerowska-Mukhtar, K., Häweker, H., Dong, X.,
Robatzek, S. and Schulze-Lefert, P. (2009), Receptor quality control in the
endoplasmic reticulum for plant innate immunity. EMBO Journal, 28, 3439-3449.
Lu, X., Tintor, N., Mentzel, T., Kombrink, E., Boller, T., Robatzek, S., SchulzeLefert, P.* and Saijo,*. (2009), Uncoupling of sustained MAMP receptor signaling
from early outputs in an Arabidopsis ER glucosidase II allele, PNAS, 106, 2252-2527.
*co-corresponding authors
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