28.05.2010 Intervention bei Sprachverstaendnisstoerungen durch den intensiven Einsatz lautsprachbegleitender Gestik eine Fallstudie Kathrin Zeck ULG Klinische Lingustik, Salzburg 20.02.2010 GLIEDERUNG ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ Stoerungen der Sprachrezeption bei Kindern Gesten Therapie von Sprachverstaendnisstoerungen Fallstudie Ergebnisse Fazit 1 28.05.2010 Stoerungen der Sprachrezeption bei Kindern ⇨ ⇨ ⇨ 30-40% der sprachentwicklungsgestoerten Kinder haben eine Sprachverstaendnisstoerung Folgen: Schulprobleme, sozial-emotionale Stoerungen haeufig parallel auftretende Aufmerksamkeitsstoerungen Therapie ⇨ Therapie von grundlegenden Faehigkeiten: -auditives Kurzzeitgedaechtnis (Gillam et al. 1995) -Wahrnehmung kurzer sich veraendernder Reize (Tallal et al. 1996) --> Fast ForWord ⇨ Direkte Behandlung: -Wortschatztraining durch haeufigere Exposition (Rice et al. 1992) -Uebungen mit dem Schwerpunkt Verben (Zollinger 1982) ⇨ Kompensatorische Strategien -Comprehension Monitoring (Dolloghan&Kaston 1986) 2 28.05.2010 Empfehlung: intensiver Gesteneinsatz u.a. Amorosa&Noterdaeme 2003 aber: keine Evaluationsstudien Gesten ⇨ Gesten vs. Gebaerden Def. Gesten: “Gestures are unplanned articulate hand movements that accompany spontaneous speech and are a medium for conveying semantic information, the visual counterpart of words“ (Krauss 1998) Gebaerden: verschiedene Gebaerdensysteme, u.a. LBG, GuK, DGS,... ⇨ Positive Effekte des Einsatzes von Gesten in der Therapie von Sprachproduktionsstoerungen (u.a. Goodwyn et al. 2000) --> keine Untersuchungen zur Therapie bei Sprachverstaendnisstoerungen 3 28.05.2010 Fallstudie ⇨ ⇨ Probanden: Zwei 4-jaehrige Kinder mit SLI inkl. Sprachrezeptionsstoerung (IQ 90/95, SV t-Wert 29) Untersuchungsdesign: Eingangs- und Abschlussdiagnostik mit Patholinguistischer Diagnostik, ESGRAF, AWST-R, TROG-D, (SON 2 1/2-7) -14 Therapieeinheiten (ca. 25 Minuten) im Rahmen der regulaeren logopaedischen Therapie -Therapieprogramm ohne (Ben) und mit (Tom) lautsprachbegleitender Gestik moeglich -Elternanleitung zum intensiven Gesteneinsatz zu Hause Eingangsdiagnostik Tom (mit Gestik) Ben (ohne Gestik) SON 2 ½-7 IQ 90 IQ 95 Sprachverständnis TROG-D: t-Wert 29 TROG-D: t-Wert 29 Grammatik Insgesamt sehr auffällig: -V2 nicht erworben -3-4 Wortsätze, oft ohne Verb bzw. V-Endstellung -praktisch keine Flexion von Wörtern Insgesamt leicht auffällig: -V2 erworben -3-6 Wort-Sätze -leichte Defizite in Morphologie (Plural, Akk./Dat., Verbflexion) Wortschatz AWST-R: t-Wert 26; Passiver Wortschatz (laut Patholinguistischer Diagnostik): insgesamt auffällig AWST-R: t-Wert 38; Passiver Wortschatz (laut Patholinguistischer Diagnostik): insgesamt leicht auffällig Phonetik/Phonologie große phonetische, leichte phonologische Defizite, evtl. verbale Entwicklungsdyspraxie Große phonetisch-phonologische Defizite 4 28.05.2010 Therapiekonzept ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ Aktive und passive Spiele und Uebungen (z.B. einkaufen, Tiere fuettern, Dinge verstecken,...) Unterstuetzung durch lautsprachbegleitende Gesten der Therapeutin (bei Tom) Aufbau: Blickkontakt, Wortschatz, Grammatik (Akkusativ, Dativ, Praepositionen, Nebensaetze,...) Elternanweisung bzw. Einbindung nach/in jeder Einheit Therapieplan Therapieeinheit Thema/Ziel Übung (Gesten-) Schwerpunkt 1. TE Blickkontakt, erster Kontakt mit Gesten der Therapeutin Am Tisch: Tiergeräusche und leichte Mundmotorik Am Boden: Freispiel Puppenhaus Aufforderung zu Blickkontakt, allgemeine gestische Begleitung 2. TE Blickkontakt, geteilte Aufmerksamkeit, Wortschatz (Nomen, Fragen) Tierbaby-Lotto Suchspiel Wimmelbuch (groß): Wo ist…? Wer…? Tiere mit Geste, Zeigegesten, Fragepronomen betont und mit Fragegestik/Mimik (DGS) 3. TE Blickkontakt, Wortschatz (Nomen, Fragen) Lebensmittel-Memory; inkl. Kategorien Suchspiel Wimmelbuch (groß) wiederholen Lebensmittel mit Gesten; sonst wie 2.TE 4. TE Wortschatz Verben Verben mit Geste, im Freispiel Nomen und Verben 5. TE Wortschatz Verben Verbkarten (Handlungen, oft mit Objekten) aktiv Sätze bilden Freispiel Bauernhof Verbkarten (s.o.) aktiv und passiv; Sätze bilden, der andere muss aus das richtige Bild suchen 6. TE Akkusativ Objekt durch Zeigegeste, „einpacken“ als Geste 7. TE Akkusativ Koffer-packen Spiel (Ravensburger): „Ich packe… ein“ ; „… nehme ich mit.“ o.ä. Koffer-packen echt, Freispiel Einkaufen: „Ich kaufe/möchte…“ Verben, teils Nomen mit Geste Verb als Handöffnungsgeste, Objekt diesmal als Geste 5 28.05.2010 8. TE Dativ Freispiel Tiere füttern S, AkkO, DatO variiert; Betonung der Endung; S Ich…), Verb „geben“ und DatO überwiegend als Geste 9.TE Dativ Regelspiel Tiere füttern AkkO und DatO überwiegend als Geste, Handlung als Bewegung 10. TE Präpositionen kl. „Schatz“ auf/unter/neben… Truhe verstecken raten, wo der Schatz ist Freispiel Puppenhaus Wo befindet sich etwas oder jemand? Präposition und teils Objekt als Geste 11. TE Präpositionen Dinge im Raum verstecken der andere muss fragen und suchen: „Wo ist…?“ – „Der … ist hinter den Büchern auf dem Regal.“ Präposition als Geste 12. TE Zeitliche Abfolge (bevor, nachdem, wenn) Kurze Bildergeschichten gemeinsames finden der Handlungsabfolge, erzählen Subjunktion (Abfolge) als Geste 13. TE Kausalität (da, weil) Kurze Bildergeschichten finden der Handlungsabfolge (s.o.), Begründungen (Ursache-Wirkung) Subjunktion (Kausalität) als Geste 14. TE Gemischt Fehler-Wimmelbuch: Fragen, Suchspiel, Erzählen Allgemeine gestische Begleitung Auffaelligkeiten ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ Anfangs grosse Probleme mit Blickkontakt Tom wiederholt anfangs von sich aus die angebotenen Gebaerden Erste Haelfte kaum Veraenderung, kaum Unterschiede Zweite Haelfte grosse Fortschritte bei Tom (m. Gestik), auch in Gesamtentwicklung Aufmerksamkeit anfangs problematisch, wird aber vor allem bei Tom merklich besser 6 28.05.2010 Abschlussdiagnostik Tom (mit Gestik) Ben (ohne Gestik) SON 2 ½-7 Keine neue Testung Keine neue Testung Sprachverständnis TROG-D: t-Wert 50 TROG-D: t-Wert 41 Grammatik Insgesamt immer noch sehr auffällig: -V2 in Aufgaben teilweise, spontan kaum (nur bei „sein“ und „haben“); bei V2 Verb flektiert, in Endstellung meist Infinitiv -4-6 Wortsätze -W-Fragen gut -Akkusativ/Plural teilweise AWST-R: t-Wert 36; Insgesamt unauffällig: -V2 erworben -komplexe Sätze -Akkusativ/Dativ/Plural meist vorhanden -leicht auffällige Verbflexion Wortschatz Passiver Wortschatz (laut Patholinguistischer Diagnostik): Nomen/Verben/Präpositionen unauffällig, Adjektive auffällig Phonetik/Phonologie phonetische Defizite, evtl. leichte verbale Entwicklungsdyspraxie Aussprache recht undeutlich AWST-R: t-Wert 44; Passiver Wortschatz (laut Patholinguistischer Diagnostik): Verben/Nomen/Präpositionen unauffällig, Adjektive auffällig nach wie vor große phonologische Defizite Wirkungsfaktoren Gesten: -Gestik als Ergänzung semantischer Merkmale -Lautsprache und Gestik zur Verteilung der Informationsverarbeitung auf auditive und visuelle Kanäle - Gestik zur Verdeutlichung grammatischer Beziehung - Getrenntes Lernen von Wortschatz und Grammatik Mitarbeit der Eltern 7 28.05.2010 Probleme ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ regelmäßige, engagierte Elternmitarbeit und –beratung Vorurteile gegenüber nonverbaler Kommunikation Umsetzung der Gestik in bestimmten grammatikalischen Themenbereichen (z.B. Kausalität) starke Aufmerksamkeitsdefizite Vorteile ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ Therapie bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefiziten geringer Materialaufwand für Therapeut und Eltern früher Therapiebeginn möglich Ziel ist eine Verbesserung des Sprachverständnisses, nicht nur eine Kompensation der Defizite Verbesserung des Wortschatzes 8 28.05.2010 Fazit ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ ⇨ gute Erfolge der gestengestuetzten Therapie in den Bereichen Sprachverstaendnis und Wortschatz (aktiv und passiv!) Eignung v.a. fuer fruehe Intervention vor dem Schulalter Elternmitarbeit wichtig leicht umsetzbar evtl. individuelle Anpassung weitere Evaluation notwendig Vielen Dank fuer Ihre Aufmerksamkeit! 9