Wissenschaft intern 378 Külzpreis der DGPT: Zweiter Preisträger Pseudomonas Exotoxin A: Neue Entdeckungen bei einem alten Bekannten ermöglichen Etablierung eines neuen Immunhepatitismodells Jens Schümann, Ludwig Institute for Cancer Research, Epalinges, Schweiz Immunvermittelte Entzündungskrankheiten der Leber sind weit verbreitet. So werden zum Beispiel virale und autoimmune Hepatitis, aber auch medikamenten- oder toxininduzierte Hepatitis durch immunstimulierende Prozesse vermittelt[1]. Eine optimale Therapie solcher immunvermittelter Attacken gegen die Leber ist derzeit nicht verfügbar. Deshalb ist es wichtig, Kleintiermodelle zur Aufdeckung potenzieller Mechanismen immunvermittelter Leberschädigung und zur Testung neuartiger Therapien zu entwickeln und zu analysieren. Ein für solche Analysen geeignetes Modell ist die Pseudomonas aeruginosa Exotoxin A (PEA)-induzierte Leberschädigung bei der Maus[2], dessen Analyse gleichzeitig auch neue Hinweise auf die toxischen Mechanismen des Exotoxins lieferte. PEA ist als proteinsynthesehemmendes Toxin des Gram-negativen, nosokomialen Keims Pseudomonas aeruginosa bekannt[3, 4]. Es induziert nach Injektion einen durch Apoptosen und Nekrosen gekennzeichneten Leberschaden bei der Maus[5, 2, 6]. Neben dieser Eigenschaft konnte eine schwache T-Zell-stimulatorische Wirkung dieses Toxins in Zellkultur nachgewiesen werden[7], die bisher aber nie mit dem hepatotoxischen Mechanismus von PEA in Zusammenhang gebracht wurde. Es stellte sich nun heraus, dass der PEA-induzierte Leberschaden nicht nur von der bekannten proteinsynthesehemmenden Eigenschaft des Toxins, sondern auch von einer durch PEA induzierten Aktivierung von Zellen des Immunsystems abhängt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Interaktion zwischen intrahepatischen T-Zellen und Makrophagen (Kupffer-Zellen) mit einer daraus resultierenden Produktion des proinflammatorischen Zytokins Tumor-Nekrose-Faktor α (TNF) in der Leber. So konnte die KupfferZelle mit Hilfe von Immunfluoreszenzfärbung und konfokaler Lasermikroskopie als zelluläre Quelle von PEA-induziertem TNF Abb. 1: Kaskade der an der PEA-induzierten Leberschädigung beteiligten Mechanismen. PEA wird unter anderem von Kupfer-Zellen aufgenommen und initiiert dadurch eine Interaktion mit T-Zellen, die für die nachfolgende Produktion von TNF und möglicherweise IL-18 notwendig ist. TNF scheint über die Aktivierung der beiden TNF-Rezeptoren TNFR1 und TNFR2 auf den Hepatozyten eine kooperative Zelltod-Kaskade in Gang zu setzen, die durch die gleichzeitig stattfindende Freisetzung von Perforin und Granzyme B, möglicherweise durch IL-18-aktivierte NK-Zellen, und die sensibilisierend wirkende Hemmung der Proteinsynthese in den Hepatozyten zur Schädigung der Leber führt. Gepunktete Pfeile zeigen hypothetische Mechanismen. identifiziert werden[2, 6]. In Übereinstimmung hiermit verhinderte die Depletion von Kupffer-Zellen mittels intravenöser Injektion von liposomenverpacktem Dichlormethylenbisphosphonat (Cl2MBP) die Bildung von intrahepatischer TNF mRNA und von intrahepatischem TNF nach PEA-Gabe[6]. Interessanterweise war die PEA-induzierte, Kupffer-Zell-abhängige intrahepatische TNF-Produktion bei Mäusen, bei denen die T-Zellen mit Hilfe von zytolytischen Antikörpern depletiert wurden, ebenfalls stark beeinträchtigt[2]. Die Kupffer-Zellen produzierten also nur in Gegenwart von T-Zellen TNF. Die funktionelle Bedeutung der Tund Kupffer-Zell-abhängigen TNF-Produktion für die PEA-induzierte Leberschädigung wurde durch die Analyse T-Zell-defizienter Mäuse, Kupffer-Zell-defizienter Mäuse sowie anti-TNF-vorbehandelter Mäuse und TNF-Rezeptor (TNFR) 1- und TNFR2-defizienter Mäuse deutlich. Alle genannten Tiere waren vor PEA-induzierter Leberschädigung geschützt[2, 6, 8]. Auch verstärkte PEA in Abhängigkeit von T-Zellen die proinflammatorische Antwort von Lipopolysaccharid, einem wichtigen Bestandteil der Zellwand Gram-negativer Bakterien, der als Induktor des ebenfalls über die Produktion proinflammatorischer Zytokine, v.a. TNF, vermittelten septischen Schocks bekannt ist[9]. Man kennt zwei Rezeptoren für TNF, den 55 kDa TNFR1 und den 75 kDa TNFR2. Während TNFR1 als zelltodvermittelnder Rezeptor auf Hepatozyten gut charakterisiert ist[10], war die Bedeutung von TNFR2 für eine entzündliche Parenchymschädigung weitgehend unklar. Es zeigte sich nun, dass, obwohl sich TNFR2-exprimierende Leukozyten nach Injektion von PEA stark in der Leber anreicherten, diese leukozytäre TNFR2-Expression überraschenderweise keine wichtige Rolle bei der Leberschädigung spielt[11]. Dies war insofern besonders überraschend, als transgene Mäuse, die humanen TNFR2 überexprimieren, unter einem schweren inflammatorischen Syndrom mit entzündlicher Leberschädigung leiden, welches mit einer erBIOspektrum · 4/02 · 8. Jahrgang Wissenschaft intern 379 höhten Aktivität des für die Synthese proinflammatorischer Zytokine wichtigen Transkriptionsfaktors „nukleärer Faktor κB“ (NFκB) in Leukozyten und dramatisch erhöhten endogenen TNF-Spiegeln einhergeht[12]. Im Gegensatz hierzu war aber TNFR2 weder für die PEA-abhängige Aktivierung von NF-κB noch für die PEA-induzierte Synthese Kupffer-Zell- und NF-κBabhängiger Zytokine in der Leber notwendig. Während TNFR2 also keine wichtige Rolle auf intrahepatischen Leukozyten zu spielen scheint, verdichteten sich die Hinweise auf eine Bedeutung dieses Rezeptors auf parenchymalen Zellen. So konnten agonistische Antikörper gegen TNFR2 primäre Maus-Hepatozyten gegenüber anti-TNFR1-induzierter Zellschädigung sensibilisieren, während die Inkubation mit den jeweiligen Antikörpern allein ohne Einfluss auf die Vitalität der Zellen blieb. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die für die Leber nachteilige Rolle von TNFR2 im Modell der PEA-induzierten Leberschädigung in seiner parenchymalen Expression und einer Kooperation mit TNFR1 bei der Induktion des Zelltodprogramms und nicht in leukozytärer Expression zu suchen ist. Neben der PEA-induzierten T- und Kupffer-Zell-abhängigen Produktion von TNF, welcher seine Wirkung über eine kooperative Aktivierung von TNFR1 und TNFR2 auf Hepatozyten zu vermitteln scheint, wurden noch weitere am inflammatorischen Leberschaden beteiligte Mediatoren und Zellen identifiziert. So waren Mäuse, die mit neutralisierenden Antikörpern gegen IL-18 vorbehandelt wurden, vor PEA-induzierter Leberschädigung geschützt[8]. IL-18 ist unter anderem als Aktivator von natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) bekannt. In Übereinstimmung hiermit wurden mit Hilfe antikörpervermittelter Depletion eine Beteiligung von NK-Zellen[13] und mit Hilfe von knockout-Mäusen eine Beteiligung des zytotoxischen NK-Zell-Mediators Perforin[2] bei der PEA-induzierten Leberschädigung erkannt. Durchflusszytometrische Analysen zeigten eine klare Zunahme der Zahl intrahepatischer NK-Zellen nach Injektion von PEA, die mit einer erhöhten Zytotoxizität gegenüber NK-Zielzellen (YAC-1) korrelierte[13]. Weitere Studien werden nun BIOspektrum · 4/02 · 8. Jahrgang Literatur Jens Schümann studierte Biologie an der Universität Konstanz. Er promovierte in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Gisa Tiegs am Lehrstuhl I des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität ErlangenNürnberg, der von Prof. Dr. Dr. h.c. Kay Brune geleitet wird. Er war Mitglied des Erlanger Graduiertenkollegs „Immunologische Mechanismen bei Infektion, Entzündung und Autoimmunität“. Seit März 2002 ist Jens Schümann im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligten Forschungsstipendiums am Ludwig Institute for Cancer Research in der Gruppe von Dr. H. Robson MacDonald in Epalinges (Schweiz) tätig und beschäftigt sich mit der Bedeutung der zelltypspezifischen Expression von CD1d für die Biologie von NKT-Zellen. klären, ob die Aktivierung von T- und Kupffer-Zellen sowie die Produktion von TNF und IL-18 eine Rolle bei der Akkumulation und Aktivierung von NK-Zellen spielen und ob die NK-Zellen ihre Zytotoxizität über die Freisetzung von Perforin vermitteln. Der bislang nur durch Proteinsynthesehemmung erklärte toxische Mechanismus von Pseudomonas aeruginosa Exotoxin A (PEA) ist also wesentlich komplexer als bisher angenommen. Offensichtlich sind auch immunstimulatorische Prozesse involviert, deren „Hauptspieler“ T-, Kupffer- und NKZellen sind (Abb. 1). Das neu entwickelte Modell der PEA-induzierten Leberschädigung bei der Maus ist sehr gut geeignet, immunologisch vermittelte Mechanismen der Leberschädigung in vivo aufzudecken. Dies kann zur Entwicklung neuartiger pharmakologischer Therapien immunvermittelter Leberkrankheiten wie auch zu neuen adjuvanten Therapien bei Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa führen. So legen zum Beispiel die vorliegenden Befunde einen potenziellen Einsatz von TNFR2-Antagonisten nahe, da diese vor allem parenchymale Zellen vor ihrer Destruktion schützen sollten, während die Immunantwort, die im Falle einer Infektion nicht gestört werden darf, nicht beeinträchtigt sein sollte. [1] Schümann, J. & Tiegs, G. (1999). Pathophysiological mechanisms of TNF during intoxication with natural or manmade toxins. Toxicology 138:103–126. [2] Schümann, J., Angermüller, S., Bang, R., Lohoff, M. & Tiegs, G. (1998). Acute hepatotoxicity of Pseudomonas aeruginosa exotoxin A in mice depends on T cells and TNF. J. Immunol. 161:5745–5754. [3] Pavlovskis, O.R. & Shackelford, A.H. (1974). Pseudomonas aeruginosa exotoxin in mice: localization and effect on protein synthesis. Infect. Immun. 9:540–546. 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