Topologie Vorlesung Konrad Schöbel Mathematisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena Sommersemester 2015 Plan Pflicht: Konstruktion topologischer Räume Eigenschaften topologischer Räume Homotopie, Fundamentalgruppe und Überlagerungsräume Kür: CW-Komplexe Topologische Mannigfaltigkeiten topologische Klassifikation von Flächen Differenzierbare Mannigfaltigkeiten Knotentheorie Einblicke in die Differentialtopologie Was ist Topologie? Topologie . . . . . . ist eines der grundlegendsten Gebiete der Mathematik. . . . verallgemeinert aus dem Rn bekannte Begriffe Stetigkeit, zusammenhängend, Rand, Umgebung eines Punktes, Konvergenz, Kompaktheit, . . . . . . verleiht „nackten“ Mengen eine Form, indem sie eine Art Nachbarschaftsbeziehung der Elemente der Menge untereinander definiert. . . . ist das Studium derjenigen Eigenschaften solcher Formen, die sich unter Verformung nicht ändern. I I erlaubt: Strecken und Verbiegen verboten: Zerreißen oder Kleben Topologische Klassifikation der Buchstaben ∼ = 1 2 0 D, O B 1 P 2 0 C, G, I, J, L, M, N, S, U, V, W, Z 3 E, F, T, Y 4 X 2×2 K, H # Löcher A, R, Q # Beine grob (bis auf Homotopie): # Löcher fein (bis auf Homöomorphie): # Löcher & # Beine Topologie ist „Gummigeometrie“ Das Problem eines Topologen beim Frühstück . . . Quelle: Wikipedia Vereinfachung trotz Verallgemeinerung Definition Eine Abbildung f : R → R heißt stetig :⇔ ∀x0 ∈ R ∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀x ∈ R : kx − x0 k < δ ⇒ kf (x ) − f (x0 )k < ε versus Definition Eine Abbildung zwischen zwei topologischen Räumen heißt stetig, falls die Urbilder offener Mengen offen sind. Warum Topologie? Mathematik ohne Zahlen Beispiel der immensen Abstraktionsfähigkeit der Mathematik (ver)steckt in fast allen Gebieten der Mathematik entfaltet Ihre volle Stärke durch Verquickung mit anderen Disziplinen: I I I I I Gruppentheorie topologische Gruppen Algebra algebraische Topologie Geometrie Geometrische Topologie Analysis Differentialtopologie, Differentialgeometrie ... Voraussetzungen für diese Vorlesung Rechnen mit Mengen Mächtigkeit und Abzählbarkeit (fast) keine Zahlen später ein wenig Gruppentheorie Spaß, Neugier und Sinn für mathematische Ästhetik Teil I Konstruktion Topologischer Räume Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Exkurs: Kategorientheorie Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Exkurs: Kategorientheorie Klassische Theorien Mengenlehre Mengen, Abbildungen, Bijektionen, Teilmengen, Faktormengen, kartesisches Produkt, . . . Gruppentheorie Gruppen, Gruppenhomomorphismen, Gruppenisomorphismen, Untergruppe, Faktorgruppe, direktes Produkt, . . . Ringtheorie Ringe, Ringhomomorphismen, Ringisomorphismen, Unterring, Faktorring, direkte Summe, . . . lineare Algebra Vektorräume, lineare Abbildungen, Isomorphismen, Unterraum, Faktorraum, kartesisches Produkt, . . . Exkurs: Kategorientheorie Kategorientheorie Offensichtlich ist das immer wieder das selbe . . . Objekte, Morphismen, Isomorphismen, Unterobjekte, Summenobjekte, Produktobjekte, Quotientenobjekte, . . . . . . aber doch immer wieder anders! Kategorientheorie I I I versucht, dies zu formalisieren ist „lediglich“ eine elegante generische Formulierung verschafft Überblick Grundidee: I I statt mit „Elementen“ alles mit „Pfeilen“ und kommutativen Diagrammen formulieren Exkurs: Kategorientheorie Kategorie Definition Definition I.1.1 (informal) Eine Kategorie C besteht aus einer Familie Obj(C) von Objekten einer Familie Mor(C) von Morphismen Zuordnungen dom : Mor(C) → Obj(C) codom : Mor(C) → Obj(C) Id : Obj(C) → Mor(C) : X 7→ IdX „Start“ „Ziel“ „Identität“ einer Verknüpfung f ◦ g ∈ Mor(C) von Morphismen f , g ∈ Mor(C) mit dom f = codom g mit den Eigenschaften auf der nächsten Folie . . . Exkurs: Kategorientheorie Kategorie Definition (Fortsetzung) Definition I.1.1 (Fortsetzung) Eine Kategorie C besteht aus Obj(C), Mor(C) dom, codom : Mor(C) → Obj(C) Id : Obj(C) → Mor(C) f ◦ g ∈ Mor(C) für f , g ∈ Mor(C) mit dom f = codom g mit dom(f ◦ g) = dom g dom IdX = X = codom IdX codom(f ◦ g) = codom f (f ◦ g) ◦ h = f ◦ (g ◦ h) f ◦ Iddom f = f = Idcodom f ◦f Exkurs: Kategorientheorie Kategorien Bemerkung I.1.2 (Warum „Familie“?) Wir ignorieren mengentheoretische Probleme, die beim Bilden von Mengen von Mengen entstehen, da sich diese lösen lassen. Schreibweise I.1.3 Für f ∈ Mor(C) mit dom f = X und codom f = Y schreiben wir kurz: f:X →Y f X −→ Y oder Axiome als kommutative Diagramme: f X IdX X /Y f f /Y /8 W O X IdY f h Y g &/ Z Exkurs: Kategorientheorie Kategorien Beispiele Kategorie Objekte Morphismen Set Mengen Abbildungen Vect Vektorräume lineare Abbildungen Grp Gruppen Gruppenhomomorphismen Rng Ringe Ringhomomorphismen C Obj(C) Mor(C) Ziel dieses Abschnitts Definition der topologischen Kategorie Top Obj(Top): topologische Räume Mor(Top): stetige Abbildungen Topologischer Raum Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Topologischer Raum Topologischer Raum Definition Definition I.2.1 Ein topologischer Raum (X , O) ist eine Menge X versehen mit einem Teilmengensystem O ⊆ 2X mit folgenden Eigenschaften: I I ∅, X ∈ O Abgeschlossenheit bzgl. endlicher Schnitte: O1 , . . . , On ∈ O I ⇒ O1 ∩ · · · ∩ On ∈ O Abgeschlossenheit bzgl. beliebiger Vereinigungen: [ ∀i ∈ I : Oi ∈ O ⇒ Oi ∈ O i∈I O heißt Topologie, ihre Elemente offene Mengen. Topologischer Raum Topologischer Raum Schreibweise Schreibweise I.2.2 nur „X “ statt (X , O), falls O aus dem Kontext ersichtlich X , Y , Z sind im Folgenden stets topologische Räume Topologischer Raum Abgeschlossene Mengen Definition I.2.3 Eine Teilmenge A ⊆ X heißt abgeschlossen, falls X \ A offen ist. Fakt I.2.4 Es sei A ⊆ 2X die Menge der abgeschlossenen Teilmengen von X . Dann gilt: ∅, X ∈ A Abgeschlossenheit bzgl. endlicher Vereinigungen: A1 , . . . , An ∈ A ⇒ A1 ∪ · · · ∪ An ∈ A Abgeschlossenheit bzgl. beliebiger Schnitte: ∀i ∈ I : Ai ∈ A ⇒ \ i∈I Ai ∈ A Topologischer Raum Abgeschlossene Mengen Bemerkung I.2.5 Alternativ kann eine Topologie auch über abgeschlossene Mengen und die Eigenschaften in Fakt I.2.4 definiert werden. Beweis. Anwendung der De Morganschen Regeln (gelten auch für beliebige Schnitte bzw. Vereinigungen) Topologischer Raum Topologien Beispiele Beispiele I.2.6 Trivialbeispiele: I I Klumpentopologie: diskrete Topologie: X , {∅, X } X , 2X nichttriviales Beispiel: X , {∅} ∪ {O ⊆ X : |X \ O| < ∞ } Weitere Beispiele folgen. Topologischer Raum Feinere und gröbere Topologien Definition I.2.7 Es seien O1 und O2 zwei Topologien auf der selben Menge X . O1 heißt feiner bzw. gröber als O2 , falls O1 ⊆ O2 bzw. O1 ⊇ O2 . Beispiele I.2.8 feinste Topologie: diskrete Topologie gröbste Topologie: Klumpentopologie Topologischer Raum Metrische Räume Definition Definition I.2.9 Ein metrischer Raum (X , d) ist eine Menge X versehen mit einer Abbildung d : X × X → R mit folgenden Eigenschaften: I I I I Definitheit: ∀x , y ∈ X : d(x , y ) = 0 ⇒ x = y Positivität: ∀x , y ∈ X : d(x , y ) > 0 Symmetrie: ∀x , y ∈ X : d(y , x ) = d(x , y ) Dreiecksungleichung: ∀x , y , z ∈ X : d(x , y ) + d(y , z) > d(x , z) d heißt Metrik auf X Topologischer Raum Metrische Räume Beispiele Beispiele I.2.10 diskrete Metrik auf einer beliebigen Menge: ( d(x , y ) = 0 1 x =y x 6= y Manhattan-Metrik auf Zn SNCF-Metrik auf Rn : dSNCF (x , y ) := kx k + ky k Reisezeit zwischen Städten Topologischer Raum Reisezeit-Metrik Quelle: Wikipedia Topologischer Raum Metrische Räume als topologische Räume Definition I.2.11 Offene Kugel im metrischen Raum (X , d) um x0 ∈ X mit Radius r > 0: Br (x0 ) := {x ∈ X : d(x , x0 ) < r } Fakt I.2.12 Jeder metrische Raum (X , d) wird durch Od := {O ⊆ X : ∀x0 ∈ O∃r > 0 : Br (x0 ) ⊆ O} zu einem topologischen Raum (X , Od ). Definition I.2.13 (X , Od ) heißt die von (X , d) induzierte Topologie. Topologischer Raum Metrische Räume Weitere Beispiele Beispiele I.2.14 natürliche Metrik auf einem zusammenhängenden Graphen: minimale Anzahl Kanten eines Pfades zwischen zwei Knoten lexikographischer Abstand von Wörtern im Duden: Anzahl der Einträge zwischen zwei Wörtern im Wörterbuch Levenshtein-Distanz von Wörtern im Duden: minimale Anzahl an Einfügungen, Löschungen und Substitutionen von Zeichen zwischen zwei Wörtern Beispiel I.2.15 (Standardbeispiel) (Rn , d) mit d(x , y ) := kx − y k Topologischer Raum Normierte Räume Definition Definition I.2.16 Ein normierter Raum V , k·k ist ein Vektorraum V versehen mit einer Abbildung k·k : V → R mit folgenden Eigenschaften: I I I I Definitheit: ∀v ∈ V : kv k = 0 ⇒ v = 0 Positivität: ∀v ∈ V : kv k > 0 absolute Homogenität: ∀v ∈ V ∀λ ∈ K : kλv k = |λ| · kv k Dreiecksungleichung: ∀v , w ∈ V : kv + w k 6 kv k + kw k k·k heißt Norm auf V Topologischer Raum Normierte Räume Beispiele Beispiele I.2.17 Standardbeispiel: (Rn , k·k) Funktionenräume aus der Analysis: lnp lp C m (Ω) Lp (Ω) B(V , W ) ... Topologischer Raum Metrische Räume als normierte Räume Fakt I.2.18 Jeder normierte Raum wird durch d(x , y ) := kx − y k zu einem metrischen und damit auch zu einem topologischen Raum. normierte Räume ⊂ metrische Räume ⊂ topologische Räume Topologischer Raum Topologie als Verallgemeinerung des Standardbeispiels Rn Die Topologie verallgemeinert die für das Standardbeispiel (Rn , Od ) bekannten Begriffe auf beliebige topologische Räume: Inneres, Rand, Abschluss von Teilmengen, Umgebung eines Punktes, zusammenhängende Teilmengen, Stetigkeit von Abbildungen, Konvergenz von Folgen, Kompaktheit, . . . Bemerkung I.2.19 Das Standardbeispiel dient nicht nur als Modell für die Verallgemeinerung, sonder auch der (unlauteren) Veranschaulichung all dieser Begriffe. Topologischer Raum Inneres, Rand und Abschluss Definition Definition I.2.20 Sei T ⊆ X eine beliebige Teilmenge eines topologischen Raumes (X , O). Das Innere von T ist die größte in T enthaltene offene Menge: T̊ := [ O O∈O: O⊆T Der Abschluss von T ist die kleinste T enthaltende abgeschlossene Menge: \ T := A A∈A: A⊇T Rand von T : ∂T := T \ T̊ Topologischer Raum Inneres, Rand und Abschluss Beispiele Beispiele I.2.21 In der feinsten Topologie gilt: M̊ =M = M ∂M = ∅ In der gröbsten Topologie gilt für ∅ 6= M 6= X : M̊ = ∅ ∂M = M = X [0, 1[˚ = ]0, 1[ Q̊ = ∅ [0, 1[ = [0, 1] Q=R ∂[0, 1[ = {0, 1} ∂Q = R Topologischer Raum Inneres, Rand und Abschluss Eigenschaften ˚ ∂ ∅ ˚=∅ ∅ ∂∅ = ∅ M M̊ ⊆ M X X̊ = X ∂X = ∅ X =X ˚ ˚ = M̊ M̊ (∂M)˚ = ∅ ˚ = M̊ M ∂ ∂ M̊ = ∂M ∂∂M = ∂M ∂M = ∂M M̊ = M ∂M = ∂M M=M ⊂ M ⊂ N ⇒ M̊ ⊆ N̊ M ⊂ N ⇒ ∂M ⊆ N M⊂N⇒M⊆N ∩ (M ∩ N)˚ = M̊ ∩ N̊ ∂(M ∩ N) ⊇ ∂M ∩ ∂N M ∩N ⊆M ∩N ∪ (M ∪ N)˚ ⊇ M̊ ∪ N̊ ∂(M ∪ N) ⊆ ∂M ∪ ∂N M ∪N =M ∪N ∅=∅ M⊆M Stetige Abbildungen Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Stetige Abbildungen Abbildungen auf Mengen Definition Definition I.3.1 Eine Abbildung f : X → Y induziert Abbildungen f : 2X → 2Y und f −1 : 2Y → 2X , definiert durch f (M) := {y ∈ Y : ∃x ∈ M : f (x ) = y } f −1 (N) := {x ∈ X : ∃y ∈ N : f (x ) = y } Stetige Abbildungen Abbildungen auf Mengen Eigenschaften f −1 f ◦ M ⊆ f −1 f (M) f f −1 (N) ⊆ N ⊂ M1 ⊂ M2 ⇒ f (M1 ) ⊆ f (M2 ) N1 ⊂ N2 ⇒ f −1 (N1 ) ⊂ f −1 (N2 ) ∩ f (M1 ∩ M2 ) ⊆ f (M1 ) ∩ f (M2 ) f −1 (N1 ∩ N2 ) = f −1 (N1 ) ∩ f −1 (N2 ) ∪ f (M1 ∪ M2 ) = f (M1 ) ∪ f (M2 ) f −1 (N1 ∪ N2 ) = f −1 (N1 ) ∪ f −1 (N2 ) c – f −1 (M c ) = f −1 (M)c Fakt I.3.2 Eine Funktion f ist genau dann injektiv, wenn M = f −1 f (M) . surjektiv, wenn f f −1 (N) = N. Stetige Abbildungen Stetige Abbildungen Definition Definition I.3.3 Eine Abbildung f : X → Y zwischen zwei topologischen Räumen (X , OX ) und (Y , OY ) ist stetig, falls die Urbilder offener Mengen offen sind: ∀O ∈ OY : f −1 (O) ∈ OX Stetige Abbildungen Stetige Abbildungen Beispiele Beispiele I.3.4 Bezüglich der feinsten Topologie auf X ist jede Abbildung f : X → Y stetig. Bezüglich der gröbsten Topologie auf Y ist jede Abbildung f : X → Y stetig. Weitere Beispiele folgen. Stetige Abbildungen Bezug zur klassischen Definition ε-δ-Stetigkeit Bemerkung I.3.5 Für eine stetige Funktion f : Rm → Rn führt obige Definition auf die klassische „ε-δ-Definition“: ∀x0 ∈ Rm ∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀x ∈ Rm : kx − x0 k < δ ⇒ kf (x ) − f (x0 )k < ε „Kleine Änderungen am Original führen zu kleinen Änderungen im Bild.“ Stetige Abbildungen Initiale und finale Topologie Definition Definition I.3.6 Die initiale Topologie auf einer Menge X bezüglich einer Abbildung f : X → Y in einen topologischen Raum (Y , OY ) ist die gröbste Topologie auf X , in der f stetig ist: OX := {f −1 (O) ⊆ X : O ∈ OY } Die finale Topologie auf einer Menge Y bezüglich einer Abbildung f : X → Y von einem topologischen Raum (X , OX ) ist die feinste Topologie auf Y , in der f stetig ist: OY := {O ⊆ Y : f −1 (O) ∈ OX } Stetige Abbildungen Die Kategorie der topologischen Räume Fakt I.3.7 Topologische Räume und stetige Abbildungen definieren eine Kategorie. Das heißt Verknüpfungen stetiger Abbildungen sind stetig. Definition I.3.8 Diese heißt die topologische Kategorie Top. Stetige Abbildungen Isomorphismen in der Kategorientheorie Definition I.3.9 Ein Morphismus f : X → Y ist ein Isomorphismus, falls ein Morphismus f −1 : Y → X existiert, welcher folgendes Diagramm kommutativ ergänzt: X IdX f /Y f −1 ~ X f IdY /Y Zwei Objekte X und Y einer Kategorie heißen isomorph (X ∼ = Y ) falls ein Isomorphismus zwischen beiden existiert. Stetige Abbildungen Isomorphismen Beispiele Kategorie Isomorphismus Set Bijektion Vect Vektorraumisomorphismus Grp Gruppenisomorphismus Rng Ringisomorphismus Top Homöomorphismus Stetige Abbildungen Homöomorphismen Definition Definition I.3.10 Eine bijektive Abbildung f zwischen zwei topologischen Räumen ist ein Homöomorphismus, falls f und f −1 beide stetig sind. Zwei topologische Räume X und Y heißen homöomorph (X ∼ = Y ), falls eine Homöomorphismus zwischen ihnen existiert. Bemerkung I.3.11 Das „ö“ in Homöomorphismus ist bedeutungstragend! Beispiel I.3.12 Bezüglich der feinsten Topologie auf dem Start X und der gröbsten Topologie auf dem Ziel X ist die Identität Id : X → X bijektiv und stetig, aber für |X | = 6 0, 1 kein Isomorphismus. Stetige Abbildungen Topologische Invarianten Definition I.3.13 Eine topologische Invariante ist eine Eigenschaft eines topologischen Raumes, die sich unter Homöomorphismen nicht ändert. Topologie ist das Studium topologischer Invarianten. oder allgemeiner: Topologie ist das Studium von Eigenschaften, die unter stetigen Abbildungen erhalten bleiben. Teilräume Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Teilräume Teilraum Definition Definition I.4.1 Ein Teilraum (X , OX ) eines topologischen Raumes (Y , OY ) ist eine Teilmenge X ⊆ Y , versehen mit der initialen Topologie der Inklusion ι : X → Y: OX := {O ∩ X : O ∈ OY } Diese heißt Teilraumtopologie. Teilräume Teilraum Beispiele Beispiele I.4.2 Sphäre: S n = {x ∈ Rn+1 : kx k = 1} ⊂ Rn+1 T = {f (r , θ, ϕ) : 0 6 ϕ < 2π, −π 6 θ 6 +π} ⊂ R3 Torus: cos ϕ cos θ cos ϕ f (r , θ, ϕ) = R sin ϕ + r cos θ sin ϕ 0 0<r <R sin θ Zylinder: Z = {f (r , π2 , ϕ) : 0 6 ϕ < 2π, −1 6 r 6 +1} ⊂ R3 Möbiusband: M = {f (r , ϕ2 , ϕ) : 0 6 ϕ < 2π, −1 6 r 6 +1} ⊂ R3 Teilräume Teilraum Eigenschaften Fakt I.4.3 Die Einschränkung f |X : X → Z einer stetigen Funktion f : Y → Z auf einen Teilraum X ⊆ Y ist stetig. Quotienten Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Quotienten Äquivalenzrelation Wiederholung Definition I.5.1 Eine Äquivalenzrelation auf einer Menge X ist eine Teilmenge R ⊆ X × X mit folgenden Eigenschaften: Reflexivität: ∀x ∈ X : (x , x ) ∈ R Symmetrie: ∀x , y ∈ X : (x , y ) ∈ R ⇒ (y , x ) ∈ R Transitivität: ∀x , y , z ∈ X : (x , y ) ∈ R ∧ (y , z) ∈ R ⇒ (x , z) ∈ R Schreibweise: xRy statt (x , y ) ∈ R Quotienten Klasseneinteilung Wiederholung Definition I.5.2 Eine Klasseneinteilung auf einer Menge X ist eine Teilmenge K ⊆ 2X mit folgenden Eigenschaften: ∀K ∈ K : K 6= ∅ S =X K ∈K ∀K1 , K2 ∈ K : K1 6= K2 ⇒ K1 ∩ K2 = ∅ Quotienten Äquivalenzrelation & Klasseneinteilung Wiederholung Fakt I.5.3 Jede Äquivalenzrelation ∼ auf einer Menge X induziert vermittels K := {[x ] ⊆ X : x ∈ X } [x ] := {y ∈ X : y ∼ x } eine Klasseneinteilung auf X . Jede Klasseneinteilung K auf X induziert vermittels x ∼ y :⇔ ∃K ∈ K : x , y ∈ K eine Äquivalenzrelation auf X . Quotienten Quotient Definition Definition I.5.4 X /∼ := K Quotient von X bezüglich der Äquivalenzrelation ∼ kanonische Projektion: π: X x → X /∼ 7→ π(x ) := [x ] Quotienten Quotientenraum Definition Definition I.5.5 Der Quotient (X /∼ , O∼ ) eines topologischen Raumes (X , O) bezüglich einer Äquivalenzrelation ∼ ist der Quotient X /∼ versehen mit der finalen Topologie der kanonischen Projektion π : X → X /∼ : O∼ = {O ⊆ X /∼ : π −1 (O) ∈ OX } Diese heißt Quotiententopologie. Quotienten Quotienten Beispiele Beispiel I.5.6 Zusammenziehen einer Teilmenge A ⊂ X auf einen Punkt: X /A := X /∼ A⊆X wobei x ∼y :⇔ x = y ∨ x, y ∈ A Quotienten Quotienten Beispiele Beispiele I.5.7 [0, 1]2 ⊂ R2 versehen mit der Teilraumtopologie Zylinder: Z = [0, 1]2 /∼ (0, y ) ∼ (1, y ) y ∈ [0, 1] Möbiusband: M = [0, 1]2 /∼ (0, y ) ∼ (1, 1 − y ) y ∈ [0, 1] Quotienten Quotienten Beispiele Beispiele I.5.8 [0, 1]2 ⊂ R2 versehen mit der Teilraumtopologie Torus: T = [0, 1]2 /∼ (x , 0) ∼ (x , 1) (0, y ) ∼ (1, y ) x , y ∈ [0, 1] Kleinsche Flasche: P = [0, 1]2 /∼ (x , 0) ∼ (x , 1) (0, y ) ∼ (1, 1 − y ) x , y ∈ [0, 1] projektiver Raum: P = [0, 1]2 /∼ (x , 0) ∼ (1 − x , 1) (0, y ) ∼ (1, 1 − y ) x , y ∈ [0, 1] Quotienten Quotienten Eigenschaften Fakt I.5.9 f : X → Y /∼ stetig ⇔ π ◦ f stetig Produkte Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Produkte Produkte in der Kategorientheorie Definition I.6.1 Zwei Objekte X1 und X2 besitzen ein Objekt X als Produkt, falls es Morphismen πi : X → Xi gibt, sodass zu jedem Objekt Y und Morphismen fi : Y → Xi ein eindeutig bestimmter Morphismus f : Y → X existiert, welcher folgendes Diagramm kommutativ ergänzt: Y f1 ~ X1 o π1 f X f2 π2 / X2 Die Morphismen π heißen kanonische Projektionen. Fakt I.6.2 Ein solches Produkt ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt. Produkte Produkte in der Kategorientheorie Schreibweise I.6.3 X =: X1 × X2 f =: f1 × f2 Definition I.6.1bis Man sagt eine Kategorie besitzt Produkte, wenn je zwei beliebige Objekte ein Produkt besitzen. Analog definiert man das Produkt einer beliebigen Familie von Objekten Xi . Schreibweise I.6.4 Y Y i∈I i∈I Xi fi Produkte Produkte Beispiele Kategorie Produkt Set kartesisches Produkt Vect kartesisches Produkt Grp direktes Produkt Rng Produktring Top Produktraum M1 × M2 := {(m1 , m2 ) : m1 ∈ M1 , m2 ∈ M2 } Produkte Schnitt von Topologien Fakt I.6.5 Der Schnitt beliebig vieler Topologien auf einer Menge ist wieder eine Topologie auf dieser Menge. Bemerkung I.6.6 Damit hat es Sinn, von der gröbsten aller derjenigen Topologien auf einer Menge zu sprechen, die eine gewisse Eigenschaft besitzen: Man schneidet einfach alle Topologien mit dieser Eigenschaft. Produkte Initiale Topologie Verallgemeinerung Definition I.6.7 Die initiale Topologie auf einer Menge X bezüglich einer beliebigen Familie von Abbildungen fi : X → Yi in topologische Räume Yi ist die gröbste Topologie auf X in der die fi stetig sind. Bemerkung I.6.8 Wir werden später sehen, wie diese finale Topologie explizit aussieht. Produkte Produktraum Definition Definition I.6.9 Das Produkt einer beliebigen Familie topologischer Räume Xi ist das kartesische Produkt Y Xi , i∈I versehen mit der initialen Topologie bezüglich der kanonischen Q Projektionen πi : Xj → Xi . Diese heißt Produkttopologie. Produkte Produktraum Beispiele Beispiele I.6.10 Torus: T = S 1 × S 1 Zylinder: Z = S 1 × [0, 1] allgemein: Zylinder über einem topologischen Raum X : X × [0, 1] Produkte Produkte & Quotienten Beispiele Beispiele I.6.11 CX := (X × [0, 1])/∼ Kegel über X : (x1 , 0) ∼ (x2 , 0) SX := (X × [0, 1])/∼ Suspension über X : (x1 , 0) ∼ (x2 , 0) (x1 , 1) ∼ (x2 , 1) X ? Y := (X × Y × [0, 1])/∼ Verbund von X und Y : (x , y1 , 0) ∼ (x , y2 , 0) (x1 , y , 1) ∼ (x2 , y , 1) Produkte Produktraum aus kategorientheorischer Sicht Fakt I.6.12 Der so definierte Produktraum ist ein Produkt in der Kategorie Top. Das heißt: πi : Q Xj → Xi fi : Y → Xi stetig stetig ⇒ Q fi : Y → Q Mithin besitzt die Kategorie Top Produkte. Xi stetig Summen Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Summen Duale Kategorie Definition I.7.1 Die zu einer Kategorie C duale Kategorie ist die Kategorie Cop , gegeben durch: Obj(Cop ) = Obj(C) Mor(Cop ) = Mor(C) domop = codom codomop = dom f ◦op g = g ◦ f Zwei Aussagen P und Q über eine Kategorie sind dual, falls Q = P op . Summen Mono- und Epimorphismen in der Kategorientheorie Definition I.7.2 Ein Monomorphismus ist ein Morphismus f : Y → Z mit der Eigenschaft, dass für beliebige Morphismen g1 , g2 : X → Y gilt: f ◦ g1 = f ◦ g2 ⇒ g1 = g2 Ein Epimorphismus ist ein Morphismus f : X → Y mit der Eigenschaft, dass für beliebige Morphismen g1 , g2 : Y → Z gilt: g1 ◦ f = g2 ◦ f ⇒ Beispiel I.7.3 Mono- und Epimorphismus sind duale Begriffe. g1 = g2 Summen Koprodukte in der Kategorientheorie Koprodukt ist der zum Produkt duale Begriff: Definition I.7.4 Zwei Objekte X1 und X2 besitzen ein Objekt X als Koprodukt, falls es Morphismen ιi : X → Xi gibt, sodass zu jedem Objekt Y und Morphismen fi : Xi → Y ein eindeutig bestimmter Morphismus f : X → Y existiert, welcher folgendes Diagramm kommutativ ergänzt: > YO ` f1 X1 ι1 f /X o ι2 f2 X2 Die Morphismen ι heißen kanonische Injektionen. Summen Koprodukte in der Kategorientheorie Schreibweise I.7.5 X =: X1 a X2 f =: f1 a f2 Definition I.7.4bis Man sagt eine Kategorie besitzt Koprodukte, wenn je zwei beliebige Objekte ein Koprodukt besitzen. Analog definiert man das Koprodukt einer beliebigen Familie von Objekten Xi . Schreibweise I.7.6 a a i∈I i∈I Xi fi Summen Koprodukte Beispiele Kategorie Koprodukt Set diskjunkte Vereinigung Vect direkte Summe Grp freies Produkt Rng freies Produkt Top Summenraum M1 a M2 := (M1 × {0}) ∪ (M2 × {1}) Summen Finale Topologie Verallgemeinerung Definition I.7.7 Die finale Topologie OY auf einer Menge Y bezüglich einer beliebigen Familie von Abbildungen fi : Xi → Y von topologische Räume (Xi , Oi ) ist die feinste Topologie auf Y in der die fi stetig sind: OY = {O ⊆ Y : fi −1 (O) ∈ Oi , i ∈ I} Summen Summenraum Definition Definition I.7.8 Die Summe einer beliebigen Familie (Xi , Oi ) topologischer Räume Xi ist die disjunkte Vereinigung a Xi , i∈I versehen mit der finalen Topologie bezüglich der kanonischen ` Injektionen ιi : Xi → Xj : n O := O ⊆ a Xi : ι−1 i (O) ∈ Oi , i ∈ I o Diese heißt Summentopologie. alternative Bezeichnungen: disjunkte Vereinigung, freie Vereinigung, freie Summe, direkte Summe, topologische Summe, Koprodukt Summen Summenraum aus kategorientheorischer Sicht Fakt I.7.9 Der so definierte Summenraum ist ein Koprodukt in der Kategorie Top. Das heißt: ιi : Xi → ` fi : Xi → Y Xj stetig stetig ⇒ ` fi : ` Xi → Y Mithin besitzt die Kategorie Top Koprodukte. stetig Summen Quotienten, Produkte und Summen Beispiele Beispiele I.7.10 Cf := (X × [0, 1]) ` Y /∼ Abbildungskegel von f : X → Y (x , 1) ∼ f (x ) X ` f Y := (X ` Y )/∼ Verklebung von X und Y entlang f : A → Y a ∼ f (a) a∈A⊆X Basen Gliederung Abschnitt „Konstruktion Topologischer Räume“ 1 Exkurs: Kategorientheorie 2 Topologischer Raum 3 Stetige Abbildungen 4 Teilräume 5 Quotienten 6 Produkte 7 Summen 8 Basen Basen Basis einer Topologie Definition Definition I.8.1 Eine Basis einer Topologie O ist eine Teilmenge B ⊆ O, so dass jede Menge O ∈ O eine Vereinigung (beliebig vieler) Mengen aus B ist. Basen Basis einer Topologie Beispiele Beispiele I.8.2 triviale Basis für O: O Basis der feinsten Topologie auf X : {{x } ⊆ X : x ∈ X } Basis der gröbsten Topologie auf X : {X } Offene Kugeln für die von einer Metrik induzierte Topologie. Offene Kugeln in Rn mit rationalem Radius und rationalen Mittelpunktskoordinaten (abzählbare Basis). Basis der Produkttopologie auf (X1 , O1 ) × (X2 , O2 ): B = {O1 × O2 : O1 ∈ O1 , O2 ∈ O2 } Basen Subbasis einer Topologie Definition Definition I.8.3 Eine Subbasis einer Topologie O ist eine Teilmenge S ⊆ O deren endliche Schnitte eine Basis bilden. Bemerkung I.8.4 Wir setzen \ Bi := X . i∈∅ Bemerkung I.8.5 Das heißt, die Topologie O besteht aus allen Vereinigungen beliebig vieler endlicher Schnitte von Mengen in S. Basen Subbasis einer Topologie Eigenschaften Fakt I.8.6 Sei S Subbasis von O. Dann ist O die gröbste Topologie, die S enthält. Umgekehrt gibt es zu jeder Teilmenge S ⊆ 2X eine Topologie O(S) auf X mit Subbasis S: ( O(S) = ni [\ ) Sij : Sij ∈ S i∈I j=1 Definition I.8.7 O(S) heißt die von S erzeugte Topologie. Basen Subbasis einer Topologie Beispiele Beispiele I.8.8 Subbasis von R: S = {(−∞, b) : b ∈ R} ∪ {(a, +∞) : b ∈ R} Subbasis der initialen Topologie einer (beliebigen) Familie von Abbildungen fi : X → Xi in topologische Räume (Xi , Oi ): S = {fi −1 (O) : O ∈ Oi , i ∈ I} Spezialfall: Subbasis der Produkttopologie auf dem Produkt (beliebig vieler) topologischer Räume (Xi , Oi ): S = {πi−1 (O) : O ∈ Oi , i ∈ I} Dies sind offene Zylinder: πi−1 (Oi ) = · · · X × X × O × X × X × · · · i−1 i i+1 Basen Subbasis und Stetigkeit Eigenschaften Fakt I.8.9 Eine Funktion f : X → Y ist stetig, wenn die Urbilder der Elemente einer Subbasis von Y offen sind. Basen Offene und abgeschlossene Abbildungen Definition Definition I.8.10 Eine Abbildung zwischen zwei topologischen Räumen heißt offen (abgeschlossen), falls die Bilder offener (abgeschlossener) Mengen offen (abgeschlossen) sind. Fakt I.8.11 Die kanonischen Projektionen πi : Q j∈J Xj → Xi sind offen. Beispiel I.8.12 π1 : R × R → R nicht abgeschlossen, da π1 {(x , y ) : xy = 1} = R \ {0}. Basen Inneres, Rand und Abschluss von Quotienten, Produkten und Summen M ˚ ∂ (M ` ∂(M ` M ` M ×N N N)˚ = M̊ ` N̊ N) = ∂M ` ∂N ` N=M ` N (M × N)˚ = M̊ × N̊ ∂(M × N) = (∂M × N) ∪ (M × ∂N) M ×N =M ×N Teil II Eigenschaften Topologischer Räume Gliederung Abschnitt „Eigenschaften Topologischer Räume“ 9 Zusammenhang 10 Trennung 11 Kompaktheit 12 Abzählbarkeit 13 Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Zusammenhang Gliederung Abschnitt „Eigenschaften Topologischer Räume“ 9 Zusammenhang 10 Trennung 11 Kompaktheit 12 Abzählbarkeit 13 Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Zusammenhang Zusammenhang Definition Definition II.1.1 Ein topologischer Raum X heißt zusammenhängend, wenn ∅ und X die einzigen Teilmengen sind, welche gleichzeitig offen und abgeschlossen sind. Zusammenhang Zusammenhang Beispiele Beispiele II.1.2 (X , {∅, X }) zusammenhängend (X , 2X ) zusammenhängend ⇔ |X | = 0, 1, [0, 1] zusammenhängend Zusammenhang Wegzusammenhang Definition Definition II.1.3 Ein topologischer Raum X ist wegzusammenhängend, falls zu je zwei Punkten x0 , x1 ∈ X eine stetige Abbildung f : [0, 1] → X mit f (0) = x0 und f (1) = x1 existiert. Zusammenhang Zusammenhang Eigenschaften Fakt II.1.4 f stetig, X zusammenhängend ⇒ f (X ) zusammenhängend ` Xi zusammenhängend ⇔ |I| = 0, 1 (Xi 6= ∅) i∈I Q Xi zusammenhängend ⇔ alle Xi zusammenhängend (Xi 6= ∅) X zusammenhängend ⇒ X /∼ zusammenhängend Insbesondere ist „zusammenhängend“ eine topologische Invariante, d.h. X∼ =Y ⇒ X zusammenhängend ⇔ Y zusammenhängend Gleiches gilt für „wegzusammenhängend“. Zusammenhang Zusammenhang Implikationen Fakt II.1.5 X wegzusammenhängend ⇒ X zusammenhängend Gegenbeispiel II.1.6 Die „Sinuskurve des Topologen“, n (x , sin x1 ) : x ∈ [0, ∞[ o ∪ n o (0, 0) ⊂ R2 , ist zusammenhängend, aber nicht wegzusammenhängend. Zusammenhang Die Sinuskurve des Topologen Quelle: Wikipedia Zusammenhang Zusammenhangskomponenten Definition Definition II.1.7 Eine (bezüglich der Mengeninklusion) maximale (weg-)zusammenhängende Teilmenge eines topologischen Raumes heißt (Weg-)Zusammenhangskomponente. Zusammenhang Zusammenhangskomponenten Beispiele Beispiele II.1.8 (Weg-)Zusammenhangskomponenten von (X , 2X ): {x }, x ∈ X Q ⊂ R: {q}, q ∈ Q (nicht offen!) Zusammenhang Zusammenhangskomponenten als Klasseneinteilung Fakt II.1.9 Die (Weg-)Zusammenhangskomponenten eines topologischen Raumes X bilden eine Klasseneinteilung auf X . Zusammenhang Lokaler Zusammenhang Definition Definition II.1.10 Eine Teilmenge eines topologischen Raumes ist (weg-)zusammenhängend, falls sie bezüglich der Teilraumtopologie (weg-)zusammenhängend ist. Ein topologischer Raum X ist lokal (weg-)zusammenhängend, falls er eine Basis aus (weg-)zusammenhängenden Mengen besitzt. Zusammenhang Lokaler Zusammenhang Beispiele Beispiele II.1.11 Dis disjunkte Vereinigung zweier (weg-)zusammenhängender nichtleerer Räume ist lokal (weg-)zusammenhängend, aber nicht (weg-)zusammenhängend. Die „Sinuskurve der Topologen“ ist zusammenhängend, aber nicht lokal zusammenhängend: n (x , sin x1 ) : x ∈ [0, ∞[ o n o ∪ (0, 0) ⊂ R2 Der „Kamm des Topologen“ ist wegzusammenhängend, aber nicht lokal wegzusammenhängend: {0} × [0, 1] ∪ 1 n : n ∈ N \ {0} × [0, 1] ∪ [0, 1] × {0} Zusammenhang Der Kamm des Topologen Quelle: Wikipedia Zusammenhang Zusammenhang Implikationen Fakt II.1.12 X zusammenhängend und lokal wegzusammenhängend ⇒ X wegzusammenhängend Zusammenhang Zusammenhangsbegriffe Bemerkung II.1.13 Es gibt viel mehr Zusammenhangsbegriffe: zusammenhängend wegzusammenhängend bogenzusammenhängend hyperzusammenhängend einfach zusammenhängend n-fach zusammenhängend lokale Versionen davon schwach lokal zusammenhängend semilokal einfach zusammenhängend ... Alle diese Eigenschaften sind topologische Invarianten. Trennung Gliederung Abschnitt „Eigenschaften Topologischer Räume“ 9 Zusammenhang 10 Trennung 11 Kompaktheit 12 Abzählbarkeit 13 Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Trennung Umgebungen Definition Definition II.2.1 U ⊆ X Umgebung eines Punktes x ∈ X :⇔ ∃O ∈ O : x ∈ O ⊆ U U(x ) := Menge der Umgebungen von x ∈ X U ⊆ X Umgebung einer Menge M ⊆ X :⇔ ∃O ∈ O : M ⊆ O ⊆ U U(M) := Menge der Umgebungen von M ⊆ X Trennung Umgebungen Beispiele Beispiele II.2.2 (X , {∅, X }): U(x ) = {X } (X , 2X ): U(x ) = {U ⊆ X : x ∈ U} Trennung Folgenkonvergenz Definition Definition II.2.3 Eine Folge (xn ) ⊆ X konvergiert gegen ein x ∈ X :⇔ ∀U ∈ U(x ) : ∃N ∈ N : ∀n > N : xn ∈ U Trennung Folgenkonvergenz Beispiele Beispiel II.2.4 In (X , {∅, X }) kovergiert jede Folge gegen jeden Punkt. In (X , {∅, X }) kovergiert eine Folge genau dann, wenn sie ab einem gewissen Glied konstant ist. Trennung Hausdorff-Eigenschaft Definition Definition II.2.5 Ein topologischer Raum X ist Hausdorff oder separiert, falls zwei verschiedene Punkte in X stets disjunkte Umgebungen besitzen. Fakt II.2.6 In einem Hausdorffschen Raum sind Folgengrenzwerte eindeutig (falls sie existieren). Trennung Hausdorff-Eigenschaft Beispiele Beispiele II.2.7 (X , {∅, X }) Hausdorff ⇔ |X | = 0, 1 (X , 2X ) Hausdorff Rn Hausdorff Trennung Hausdorff-Eigenschaft Eigenschaften Fakt II.2.8 X Hausdorff ⇒ Y ⊆ X Hausdorff ` Xi Hausdorff ⇔ alle Xi Hausdorff Q Xi Hausdorff ⇔ alle Xi Hausdorff (Xi 6= ∅) Außerdem ist „Hausdorff“ eine topologische Invariante, d.h. X∼ =Y ⇒ X Hausdorff ⇔ Y Hausdorff Trennung Trennungsaxiome Definition Definition II.2.9 Trennungsaxiome für einen topologischen Raum X : ∀x1 , x2 ∈ X ∃U1 ∈ U(x1 ) ∃U2 ∈ U(x2 ) : (T0 ) x1 6= x2 ⇒ x1 6∈ U2 ∨ x2 6∈ U1 (T1 ) x1 6= x2 ⇒ x1 6∈ U2 ∧ x2 6∈ U1 (T2 ) x1 6= x2 ⇒ U1 ∩ U2 = ∅ (d.h. Hausdorff) ∀x1 ∈ X ∀A2 ∈ A ∃U1 ∈ U(x1 ) ∃U2 ∈ U(A2 ) : (regulär) x1 6∈ A2 ⇒ U1 ∩ U2 = ∅ (T3 ) :⇔ T0 ∧ regulär ∀A1 , A2 ∈ A ∃U1 ∈ U(A1 ) ∃U2 ∈ U(A2 ) : (normal) A1 ∩ A2 = ∅ ⇒ U1 ∩ U2 = ∅ (T4 ) :⇔ T1 ∧ normal Trennung Trennungsaxiome Quelle: Wikipedia Trennung Trennungsaxiome Implikationen Fakt II.2.10 T0 ⇐ T1 ⇐ T2 ⇐ T3 ⇐ T4 Aufgabe II.2.11 Zeigen Sie mit Gegenbeispielen, dass die Umkehrungen nicht gelten. Trennung Trennungseigenschaft metrischer Räume Fakt II.2.12 Jeder metrische Raum ist T4 . Trennung Trennungsbegriffe Bemerkung II.2.13 Es gibt viel mehr Trennungsbegriffe: Trennungsaxiome: I I I T0 (Kolmogorov) R0 (symmetrisch) T1 (Fréchet) I I I regulär normal vollständige Versionen davon perfekte Versionen davon schwache Versionen davon ... R1 (präregulär) T2 (Hausdorff) T 1 (Urysohn) 22 I T3 T 1 (Tychonoff) I T4 , T5 , T6 , . . . I 32 Trennung Trennungsaxiome Ti Trennungsaxiom R regulär N normal C vollständig P perfekt • kein spezieller Name Quelle: Wikipedia Kompaktheit Gliederung Abschnitt „Eigenschaften Topologischer Räume“ 9 Zusammenhang 10 Trennung 11 Kompaktheit 12 Abzählbarkeit 13 Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Kompaktheit Kompaktheit Definition Definition II.3.1 C ⊆ OX offene Überdeckung von X :⇔ S C =X C ∈C Ein topologischen Raum X ist kompakt, falls jede offene Überdeckung von X eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Kompaktheit Kompaktheit Beispiele Beispiele II.3.2 (X , {∅, X )) kompakt (X , 2X ) kompakt ⇔ |X | < ∞ Rn nicht kompakt [0, 1] kompakt Kompaktheit Kompaktheit Eigenschaften Fakt II.3.3 X kompakt, f stetig ⇒ f (X ) kompakt ` Xi kompakt ⇔ |I| < ∞ ∧ alle Xi kompakt (Xi 6= ∅) i∈I X1 × X2 kompakt ⇔ X1 , X2 kompakt (X1 , X2 6= ∅) X kompakt ⇒ X /∼ kompakt Insbesondere ist „kompakt“ eine topologische Invariante, d.h. X∼ =Y ⇒ X kompakt ⇔ Y kompakt Bemerkung II.3.4 Wir werden später noch zweigen, dass beliebige (!) Produkte kompakter Räume kompakt sind (Satz von Tychonoff). Kompaktheit Der Satz von Heine-Borel Fakt II.3.5 Jede abgeschlossene Teilmenge eines kompakten Raumes ist kompakt. Fakt II.3.6 Jede kompakte Teilmenge eines Hausdorff-Raumes ist abgeschlossen. Satz II.3.7 (Heine-Borel) Eine Teilmenge des Rn ist genau dann kompakt, wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist. Kompaktheit Alexandroff-Kompaktifizierung Definition Definition II.3.8 Die Alexandroff-Kompaktifizierung (X̂ , Ô) eines topologischen Raumes (X , O) ist die Menge ` X̂ := X {∞} versehen mit der Topologie n Ô := O ∪ O {∞} : O ⊆ O, X \ O kompakt ` Fakt II.3.9 (X̂ , Ô) kompakt Beispiel II.3.10 cn ∼ R = S n (stereographische Projektion) o Kompaktheit Folgenkompaktheit Definition II.3.11 Ein topologischer Raum ist folgenkompakt, falls jede Folge eine konvergente Teilfolge besitzt. Beispiele II.3.12 Wir werden noch Beispiele für topologische Räume sehen, die kompakt, aber nicht folgenkompakt folgenkompakt, aber nicht kompakt sind. Satz II.3.13 (Beweis später) Ein metrischer Raum ist genau dann kompakt, wenn er folgenkompakt ist. Kompaktheit Lokale Kompaktheit Definition II.3.14 Ein topologischer Raum heißt lokal kompakt, falls jeder Punkt eine kompakte Umgebung besitzt. Beispiele II.3.15 (X , 2X ) lokal kompakt Rn lokal kompakt, aber nicht kompakt Fakt II.3.16 X kompakt ⇒ X lokal kompakt Kompaktheit Der Satz von Tychonoff Satz II.3.17 (Tychonoff) Q Xi kompakt ⇔ alle Xi kompakt (Xi 6= ∅) Kompaktheit Der Satz von Tychonoff widerspricht der Intuition Kontra-Argumente: Kompaktheit ist Endlichkeitseigenschaft. B1 (0) nur in endlichdimensionalen normierten Räumen kompakt. Eine beliebige Vereinigung kompakter Mengen ist nicht kompakt. Für Folgenkompaktheit wäre der Satz falsch. Der Satz von Tychonoff ist äquivalent zum Auswahlaxiom. Pro-Argumente: Gestalt der Basis der Produkttopologie Voraussetzung für weitere wichtige Resultate: I I I schwache Kompaktheit der Einheitskugel in reflexiven Banachräumen Kompaktheit des Spektrums einer kommutativen Banach-Algebra Stone-Čhech-Kompaktifizierung Rechtfertigung der Definition der Kompaktheit Kompaktheit Das Auswahlaxiom Das Auswahlaxiom Jedes Produkt nichtleerer Mengen ist nicht leer. Für endliche Produkte ist das Auswahlaxiom wahr: Wir können für jeden Faktor eines seiner Elemente hinschreiben. Für unendliche Produkte müssen wir eine Funktion beschreiben, die dies tut. Dafür haben wir nur ein endliches Alphabet. Wir können also nur abzählbar viele Funktionen beschreiben. Ein Produkt kann aber beliebig viele Mengen als Faktoren haben. Das Auswahlaxiom besagt, dass eine solche Funktion auch existiert, wenn wir sie nicht beschreiben können. Kompaktheit Das Auswahlaxiom anschaulich gemacht Das Auswahlaxiom ist trivial für . . . endliche Produkte Produkte von Teilmengen natürlicher Zahlen (man wähle in jedem Faktor das kleinste Element) beliebige Produkte gleicher Faktoren (man wähle in jedem Faktor ein festes Element) Es versagt aber bereits bei abzählbaren Produkten zweielementiger Mengen: Beispiel II.3.18 (Bertrand Russel) Das Auswahlaxiom ist nötig, um aus einer unendlichen Anzahl von Paaren von Socken jeweils einen auszuwählen, nicht aber für Paare von Schuhen. Kompaktheit Das Auswahlaxiom Pro-Argument Man muss das Auswahlaxiom akzeptieren, um folgende Sätze beweisen zu können: Jeder Vektorraum besitzt eine Basis. Jeder Hilbertraum hat eine Orthogonalbasis. Jeder Körper besitzt einen algebraischen Abschluss. Jeder nichttriviale Ring mit Eins besitzt ein maximales Ideal. Satz von Hahn-Banach ... Kompaktheit Das Auswahlaxiom Kontra-Argument Wer an das Auswahlaxiom glaubt, muss auch an das folgende Resultat glauben: Satz II.3.19 (Banach-Tarski) Eine Kugel läßt sich in eine (kleine) endliche Anzahl disjunkter Teilmengen zerlegen, die anders zusammengesetzt zwei Kugeln ergeben. Quelle: Wikipedia Beide Kugeln haben das gleiche Volumen wie die Ausgangskugel! Kompaktheit Totalordnung, Schranken und Extrema Definition II.3.20 Sei F ⊆ 2X ein Familie von Teilmengen einer Menge X . F heißt total geordnet, falls ∀F1 , F2 ∈ F : F1 ⊆ F2 ∨ F2 ⊆ F1 . F besitzt eine obere Schranke S ⊆ X , falls ∀F ∈ F : F ⊆ S. F besitzt ein maximales Element M ∈ F, falls ∀F ∈ F : M ⊆ F ⇒ F = M. Kompaktheit Das Lemma von Zorn „Zorns Lemma“ Sei F ⊆ 2X ein Familie von Teilmengen einer Menge X . Hat jede total geordnete Teilmenge von F eine obere Schranke, so besitzt F ein maximales Element. Bemerkung II.3.21 Trotz seines Namens ist das Lemma von Zorn ein Axiom! Es ist äquivalent zum Auswahlaxiom. Kompaktheit Der Satz von Tychonoff Beweisidee 1 Umformung der Kompaktheitseigenschaft zu ∀F ⊆ O : ∀F1 , . . . , Fn ∈ F : F1 ∩ · · · ∩ Fn 6= ∅ ⇒ \ F 6= ∅ F ∈F 2 3 Lemma von Zorn ⇒ F kann maximal gewählt werden F ist Ultrafilter: 1 2 3 4 4 ∅ 6∈ F ∀F1 , . . . , Fn ∈ F : F1 ∩ · · · ∩ Fn ∈ F ∀M ⊆ X ∀F ∈ F : F ⊆ M ⇒ M ∈ F F maximal bzgl. dieser Eigenschaften Projektion von F auf die (kompakten) Faktoren ⇒ pi ∈ \ F ∈F 5 Ultrafiltereigenschaften ⇒ p = (pi ) ∈ \ F ∈F F πi (F ) Abzählbarkeit Gliederung Abschnitt „Eigenschaften Topologischer Räume“ 9 Zusammenhang 10 Trennung 11 Kompaktheit 12 Abzählbarkeit 13 Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Abzählbarkeit Abzählbarkeitsaxiome Definition Definition II.4.1 Eine Umgebungsbasis eines Punktes x in einem topologischen Raumes ist eine Teilmenge B(x ) ⊆ U(x ) der Umgebungen von x mit der Eigenschaft ∀U ∈ U(x ) ∃B ∈ B(x ) : B ⊆ U Definition II.4.2 Ein topologischer Raum erfüllt das I. Abzählbarkeitsaxiom, falls jeder Punkt eine abzählbare Umgebungsbasis besitzt. II. Abzählbarkeitsaxiom, falls er eine abzählbare Basis besitzt. Abzählbarkeit Abzählbarkeitsaxiome Beispiele Beispiele II.4.3 (X , {∅, X }) erfüllt beide Abzählbarkeitsaxiome (X , 2X ) erfüllt das I I I. Abzählbarkeitsaxiom II. Abzählbarkeitsaxiom ⇔ X abzählbar Rn erfüllt beide Abzählbarkeitsaxiome metrische Räume erfüllen das I. Abzählbarkeitsaxiom Abzählbarkeit Folgenstetigkeit Definition Definition II.4.4 Eine Abbildung f : X → Y zwischen zwei topologischen Räumen ist folgenstetig, falls ∀(xn ) ⊆ X ∀x ∈ X : xn → x ⇒ f (xn ) → f (x ) Abzählbarkeit Stetigkeitsbegriffe Implikationen Fakt II.4.5 stetig ⇒ folgenstetig Fakt II.4.6 Erfüllt X das I. Abzählbarkeitsaxiom, so ist eine Abbildung f : X → Y genau dann stetig, wenn sie folgenstetig ist. Abzählbarkeit Folgenkompaktheit und I. Abzählbarkeitsaxiom Fakt II.4.7 Ein kompakter topologischer Raum, der das I. Abzählbarkeitsaxiom erfüllt ist folgenkompakt. Folgerung II.4.8 Metrische Räume sind genau dann kompakt, wenn sie folgenkompakt sind. Abzählbarkeit II. Abzählbarkeitsaxiom Motivation Metrisierbarkeitssatz von Urysohn (ohne Beweis) Ein T3 -Raum, der das II. Abzählbarkeitsaxiom erfüllt ist metrisierbar. Bemerkung II.4.9 Das II. Abzählbarkeitsaxiom fordert man meist in der Definition einer Mannigfaltigkeit, um die Existenz einer Zerlegung der Eins zu sichern. Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Gliederung Abschnitt „Eigenschaften Topologischer Räume“ 9 Zusammenhang 10 Trennung 11 Kompaktheit 12 Abzählbarkeit 13 Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Das Lemma von Urysohn Satz II.5.1 (Lemma von Urysohn) In einem T4 -Raum X gibt es zu zwei disjunkten abgeschlossenen Mengen A und B stets eine stetige Funktion f : X → [0, 1] mit f |A ≡ 0 f |B ≡ 1. Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Das Erweiterungslemma von Tietze Satz II.5.2 (Erweiterungslemma von Tietze) Jede auf einer abgeschlossenen Menge C ⊆ X eines T4 -Raumes X definierte stetige Funktion f : C → [−1, +1] läßt sich zu einer stetigen Funktion fˆ : X → [−1, +1] fortsetzen, d.h. fˆ|C = f . Folgerung II.5.3 Das Erweiterungslemma von Tietze bleibt auch für Abbildungen nach R gültig. Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Zerlegung der Eins Definition Definition II.5.4 Eine Familie von stetigen Funktionen fi : X → [0, 1], i ∈ I, auf einem topologischen Raum X ist eine Zerlegung der Eins, falls sie lokal endlich ist, d.h. jeder Punkt x ∈ X eine Umgebung besitzt, auf der nur endlich viele der Funktionen fi von Null verschieden sind. P fi = 1 i∈I Sie heißt zu einer offenen Überdeckung C ⊆ OX untergeordnet, falls der Träger supp fi := {x ∈ X : fi (x ) 6= 0} jeder Funktion ganz in einer Überdeckungsmenge enthalten ist: ∀i ∈ I ∃O ∈ C : supp fi ⊆ O Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Zerlegung der Eins Quelle: Wikipedia Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Zerlegung der Eins Motivation Bemerkung II.5.5 Eine Zerlegung der Eins ist vor allem nützlich, um ein globales Objekt aus lokal konstruierten „Flicken“ „zusammenzukleben“: I I Riemannsche Metrik auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit Schnitte in Vektorbündeln Man konstruiert diese lokal für jede Menge einer offenen Überdeckung, multipliziert sie mit den Funktionen einer dieser Überdeckung untergeordneten Zerlegung der Eins und addiert alle Ergebnisse auf. Umgekehrt hilft sie auch, um ein globales Objekt in lokale zu zerlegen: I I jede lokal verschwindende Distribution verschwindet global Integration auf einer Mannigfaltigkeit Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Parakompaktheit Definition Definition II.5.6 Ein topologischer Raum X ist parakompakt, falls zu jeder offenen Überdeckung C ⊆ OX eine lokal endliche Verfeinerung C 0 ⊆ OX existiert. Dabei heißt Verfeinerung: ∀O 0 ∈ C 0 ∃O ∈ C : O 0 ⊆ O lokal endlich: Zu jedem x ∈ X gibt es eine Umgebung, die nur endlich viele Mengen aus C 0 schneidet. Stetige Funktionen auf topologischen Räumen Parakompaktheit und Zerlegung der Eins Satz II.5.7 Ein Hausdorff-Raum ist genau dann parakompakt, wenn er zu jeder offenen Überdeckung eine subordinierte Zerlegung der Eins besitzt. Bemerkung II.5.8 Aus diesem Grund wird eine Mannigfaltigkeit meist von vornherein als Hausdorff und parakompakt definiert. Satz von Stone (ohne Beweis) Metrische Räume sind parakompakt. Teil III Aus dem Kuriositätenkabinett topologischer Räume Partialordnung Definition Definition III.0.9 Eine Relation 6 auf einer Menge X ist 1 reflexiv :⇔ ∀x ∈ X : 2 antisymmetrisch :⇔ ∀x , y ∈ X : 3 x 6x x 6y ∧ y 6x ⇒ x =y transitiv :⇔ ∀x , y , z ∈ X : x 6y ∧ y 6z ⇒ x 6z Ein Relation mit diesen Eigenschaften heißt Partialordnung auf X . Partialordnung Beispiele Schreibweise III.0.10 (X , 6) Beispiele III.0.11 (R, 6) – daher die Bezeichnung „Ordnung“ (2X , ⊆) (N, |) Kleinste & größte Elemente Definition Definition III.0.12 (X , 6) Partialordnung, Y ⊆ X m ∈ Y minimales Element in Y :⇔ ∀y ∈ Y : y 6 m ⇒ y = m m ∈ Y kleinstes Element von Y :⇔ ∀y ∈ Y : m 6 y s ∈ X untere Schranke von Y s ∈ X Infimum von Y :⇔ ∀y ∈ Y : s 6 y :⇔ s ist größte untere Schranke von Y Analog definiert man maximale Elemente, größte Elemente, obere Schranken und das Supremum. Total- und Wohlordnung Definition & Beispiele Definition III.0.13 1 Eine Partialordnung heißt Totalordnung, falls ∀x , y ∈ X : 2 x 6y ∨ y 6x Eine Totalordnung heißt Wohlordnung, falls jede Teilmenge ein kleinstes Element besitzt. Beispiele III.0.14 (N, 6) Wohlordnung (R, 6) Totalordnung, aber keine Wohlordnung (2X , ⊆) Totalordnung ⇔ |X | = 0, 1 (N, |) keine Totalordnung Partialordnung, Totalordnung minimale & kleinste Elemente Wohlordnungssatz Folgender Satz ist äquivalent zum Auswahlaxiom: Satz III.0.15 (Wohlordnungssatz) Jede Menge läßt sich wohlordnen. Das Dilemma eines Mathematikers: „Das Auswahlaxiom ist offensichtlich wahr, der Wohlordnungssatz offensichtlich falsch und was kann man schon über Zorns Lemma sagen?“ Ordinale Definition nach von Neumann 0 = {} 1 = {0} = {{}} 2 = {0, 1} = {{}, {{}}} 3 = {0, 1, 2} = {{}, {{}}, {{}, {{}}}} 4 = {0, 1, 2, 3} = {{}, {{}}, {{}, {{}}}, {{}, {{}}, {{}, {{}}}}} .. .. . . n + 1 = n ∪ {n} Definition III.0.16 Eine Menge ist ein Ordinal genau dann, wenn sie bezüglich ∈ wohlgeordnet ist und jedes ihrer Elemente als Teilmenge besitzt. Ordinale Eigenschaften α1 ∈ α2 ⇔ α1 ⊂ α2 Die Elemente eines Ordinals sind genau die kleineren Ordinale. Jede Menge von Ordinalen ist wohlgeordnet bzgl ⊆. Jede Menge von Ordinalen hat ein Supremum (nämlich deren Vereinigung). Jede Wohlordnung ist isomorph zu einem Ordinal. Alle Ordinale bilden keine Menge. Ordnialzahlen 0, 1, 2, 3, . . . , ω ω + 1, ω + 2, ω + 3, . . . , ω · 2 ω, ω · 2, ω · 3, . . . , ω 2 ω, ω 2 , ω 3 , . . . , ω ω ω ω, ω ω , ω ω , . . . , ε0 εi (i-tes Ordinal α mit ω α = α) ε1 , ε2 , ε3 , . . . , εω ... ω1CK Church-Kleene-Ordinal (kleinstes nicht rekursiv beschreibbares Ordinal) ω1 (kleinstes nicht abzählbares Ordinal) ωi (i-tes nicht abzählbares Ordinal) ... Ordnialarithmetik Nachfolger: α + 1 := α ∪ {α} Jedes Ordinal ist entweder I I I 0 ein Nachfolger-Ordinal, d.h. von der Form α + 1 = α ∪ {α} ein Grenzwert-Ordinal, d.h. nicht von dieser Form Arithmetik: I I I Addition (nicht kommutativ!), Multiplikation (nicht kommutativ!), Potenz Ordnungstopologie Definition Definition III.0.17 Jede total geordnete Menge X wird mit der Ordnungstopologie O6 , gegeben durch B(O6 ) := n ]a, b[ : a, b ∈ X zu einem topologischen Raum. o ]a, b[ := {x ∈ X : a < x < b} Ordnungstopologie Beispiele Beispiele III.0.18 Standard-Topologie auf R (X , 2X ) für |X | < ∞ jedes Ordinal: α = [0, α[ Das Ordinal ω 2 als topologischer Raum Ordnungstopologie auf Ordinalen Eigenschaften III.0.19 α Ordinal Häufungspunkte = Grenzwert-Ordinale Zusammenhangskomponenten = Einpunktmengen α diskret ⇔ α 6 ω α ist T4 α kompakt ⇔ α = 0 oder α Nachfolger-Ordinal Ordnungstopologie auf ω1 und ω1 + 1 Eigenschaften III.0.20 ω1 = [0, ω1 [ ω1 folgenkompakt, aber weder kompakt noch parakompakt ω1 erfüllt das I. aber nicht das II. Abzählbarkeitskriterium. ω1 + 1 = [0, ω1 ] ω1 Häufungspunkt von ω1 ⊂ ω1 + 1 Keine Folge in ω1 ⊂ ω1 + 1 konvergiert gegen ω1 ∈ ω1 + 1. ω1 + 1 kompakt ω1 + 1 erfüllt weder das I. noch das II. Abzählbarkeitskriterium. Lexikographische Ordnung Definition Definition III.0.21 Die lexikographische Ordnung auf einem Produkt X1 × X2 zweier totalgeordneter Mengen ist definiert durch (x1 , x2 ) < (y1 , y2 ) :⇔ x1 < y1 ∨ (x1 = y1 ∧ x2 < y2 ) Die lange Gerade Definition Beispiel III.0.22 (Die „kurze Gerade“) Die Halbgerade [0, ∞[ versehen mit der Standardtopologie ist homöomorph zur Menge N × [0, 1[ versehen mit der lexikographischen Ordnungstopologie. Definition III.0.23 Die abgeschlossene lange Halbgerade ist die Menge H = ω1 × [0, 1[ versehen mit der lexikographischen Ordnungstopologie. Die offene lange Halbgerade ist H := H \ {(0, 0)}. Die lange Gerade ist G := H op H, versehen mit der Ordnungstopologie, wobei H op für H mit > statt 6 steht. ` Die lange Gerade Eigenschaften Eigenschaften III.0.24 H und G lokal homöomorph zu R Jede wachsende Folge konvergiert. nicht metrisierbar wegzusammenhängend und lokal wegzusammenhängend T4 lokal kompakt und folgenkompakt weder kompakt noch parakompakt erfüllen das I. aber nicht das II. Abzählbarkeitskriterium Die Gerade mit zwei Ursprüngen Definition Definition III.0.25 Die Gerade mit zwei Ursprüngen ist der topologische Raum R × {+1, −1} /∼ mit (x , +1) ∼ (x , −1) für x 6= 0. Eigenschaften III.0.26 lokal homöomorph zu R nicht Hausdorff Bemerkung III.0.27 Die lange Gerade und die Gerade mit zwei Ursprüngen sind die Arten von Beispielen, die man für Mannigfaltigkeiten ausschließen möchte. Aus diesem Grund wird eine Mannigfaltigkeit meist von vornherein als Hausdorff und parakompakt definiert. Die Sorgenfrey-Gerade Definition Definition III.0.28 Die Sorgenfrey-Gerade ist die Menge R versehen mit der Sorgenfrey-Topologie, definiert durch n o B(O) := [a, b [: a, b ∈ R Die Sorgenfrey-Ebene ist das Produkt zweier Sorgenfrey-Geraden. Die Sorgenfrey-Gerade Eigenschaften Eigenschaften III.0.29 Sorgenfrey-Gerade feiner als Standardtopologie auf R T4 Kompakte Teilmengen sind abzählbar. parakompakt, aber nicht lokal kompakt erfüllt I. aber nicht II. Abzählbarkeitskriterium Sorgenfrey-Ebene Produkt von T4 -Räumen, aber nicht T4 : A = {(x , −x ) : x ∈ Q} B = {(x , −x ) : x 6∈ Q} Die Cantor-Menge Definition Definition III.0.30 Die Cantor-Menge ist die Teilmenge aller Zahlen in [0, 1] ohne die Ziffer 2 in der Zahlendarstellung zur Basis 3, versehen mit der Teilraumtopologie: ∞ nX k=1 Eigenschaften III.0.31 ∼ {0, 1}N = metrisierbar Hausdorff kompakt o ak 3−k : ak = 0 oder 2 . Die Cantor-Menge Quelle: Wikipedia Satz III.0.32 (Darstellungssatz für metrische Räume) Jeder kompakte metrische Raum ist stetiges Bild einer Cantor-Menge. Der Hilbert-Würfel Definition Definition III.0.33 Der Hilbert-Würfel ist der topologische Raum [0, 1]N . Eigenschaften III.0.34 metrisierbar kompakt und folgenkompakt T4 II. Abzählbarkeitsaxiom Eigenschaften III.0.35 (ohne Beweis) Jeder metrisierbare T4 -Raum, der das II. Abzählbarkeitskriterium erfüllt, ist homöomorph zu einer Teilmenge des Hilbert-Würfels. Die Hilbert-Kurve Definition Definition III.0.36 Die Hilbert-Kurve ist eine surjektive (aber nicht injektive) stetige Abbildung f : [0, 1] → [0, 1]2 , definiert als Grenzkurve iterativ definierter stetiger Kurven: Spezielle Topologien auf einer beliebigen Menge Definition III.0.37 X Menge, p ∈ X Klumpentopologie: O = {∅, X } diskrete Topologie: O = 2X Topologie mit speziellem Punkt: O = {∅} ∪ {O ⊆ X : p ∈ O} Topologie ohne speziellen Punkt: O = {O ⊆ X : p 6∈ O} ∪ X kofinite Topologie: O = {O ⊆ X : X \ O endlich} koabzählbare Topologie: O = {O ⊆ X : X \ O abzählbar} Literatur zu Beispielen & Gegenbeispielen Lynn Arthur Steen & J. Arthur Seebach, Jr.: „Counterexamples in Topology“ Springer-Verlag 1970 Teil IV Homotopie, Fundamentalgruppe & Überlagerungen Gliederung Abschnitt „Homotopie, Fundamentalgruppe & Überlagerungen“ 14 Homotopie 15 Exkurs: Funktoren 16 Fundamentalgruppe 17 Überlagerungen 18 Klassifikation von Überlagerungen Homotopie Gliederung Abschnitt „Homotopie, Fundamentalgruppe & Überlagerungen“ 14 Homotopie 15 Exkurs: Funktoren 16 Fundamentalgruppe 17 Überlagerungen 18 Klassifikation von Überlagerungen Homotopie Homotopie Definition Homotopien beschreiben stetige Verformungen von Abbildungen. Definition IV.1.1 Zwei stetige Abbildungen f0 , f1 : X → Y zwischen zwei topologischen Räumen X und Y sind homotop (f0 ' f1 ), falls eine stetige Abbildung f : [0, 1] × X → Y mit f0 = f |{0}×X und f1 = f |{1}×X existiert. Das heißt für alle x ∈ X ist f (0, x ) = f0 (x ) f (1, x ) = f1 (x ). anschaulich: t = Zeit Schreibweise IV.1.2 ft : X x → Y t ∈ [0, 1] 7→ ft (x ) := f (t, x ) f f0 ' f1 Homotopie Homotopie als Äquivalenzrelation Fakt IV.1.3 Homotopie ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der stetigen Abbildungen zwischen zwei topologischen Räumen. Definition IV.1.4 Die Äquivalenzklassen [f ] homotoper Abbildungen f : X → Y heißen Homotopieklassen. [X , Y ] := Menge der Homotopieklassen von Abbildungen X → Y . Homotopie Die Homotopie-Kategorie HTop Definition Fakt IV.1.5 Die Verkettung von Homotopieklassen, [f ] ◦ [g] := [f ◦ g], ist wohldefiniert. Das heißt f0 ' f1 ∧ g0 ' g1 ⇒ f0 ◦ g0 ' f1 ◦ g1 . Folgerung IV.1.6 Topologische Räume mit Homotopieklassen homotoper Abbildungen bilden eine Kategorie. Definition IV.1.7 Diese Kategorie heißt Homotopiekategorie HTop. Homotopie Homotopieäquivalenz Definition Homotopieäquivalenzen sind die Isomorphismen der Homotopiekategorie: Definition IV.1.8 Eine stetige Abbildung f : X → Y ist eine Homotopieäquivalenz, falls es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt mit [f ] ◦ [g] = [IdY ] d.h. f ◦ g ' IdY [g] ◦ [f ] = [IdX ] d.h. g ◦ f ' IdX . Zwei topologische Räume X und Y sind homotopieäquivalent (X ' Y ), falls es eine Homotopieäquivalenz zwischen ihnen gibt. Ein topologischer Raum ist zusammenziehbar, falls er zu einem Punkt (= einelementiger topologischer Raum) homotopieäquivalent ist. Homotopie Homotopien Beispiele Beispiele IV.1.9 Buchstaben: I I I Rn C ' E ' F ' ... ' N ' S ' T ' ... ' Z A ' D ' O ' ... ' R B ' {0} Rn+1 \ {0} ' S n CX ' {0} Homotopie Homotopiekategorie Eigenschaften Fakt IV.1.10 Das Produkt von Homotopieklassen, [f ] × [g] := [f × g], ist wohldefiniert. Das heißt: f0 ' f1 ∧ g0 ' g1 ⇒ f0 × f1 ' g0 × g1 . (analog für beliebige Produkte und Koprodukte) Folgerung IV.1.11 Die Kategorie HTop besitzt Produkte und Koprodukte. Exkurs: Funktoren Gliederung Abschnitt „Homotopie, Fundamentalgruppe & Überlagerungen“ 14 Homotopie 15 Exkurs: Funktoren 16 Fundamentalgruppe 17 Überlagerungen 18 Klassifikation von Überlagerungen Exkurs: Funktoren Kovariante Funktoren Definition Kovariante Funktoren sind Morphismen von Kategorien: Definition IV.2.1 Ein kovarianter Funktor F : C1 → C2 zwischen zwei Kategorien C1 und C2 besteht aus zwei Abbildungen F : Obj(C1 ) → Obj(C2 ) F : Mor(C1 ) → Mor(C2 ) mit den Eigenschaften dom F (f ) = F (dom f ) F (IdX ) = IdF (X ) codom F (f ) = F (codom f ) F (f ◦ g) = F (f ) ◦ F (g) Schreibweise IV.2.2 F (f : X → Y ) = F (f ) : F (X ) → F (Y ) Exkurs: Funktoren Kovariante Funktoren Beispiele Beispiele IV.2.3 Identitätsfunktor IdC : C → C konstanter Funktor F : C1 → C2 für C ∈ C2 fest: F (f : X → Y ) := (IdC : C → C ) Vergißfunktoren: Rng → Set, Vect → Set, Grp → Set, Top → Set F : Top → HTop: F (f : X → Y ) = ([f ] : X → Y ) Potenzmenge 2− : Set → Set: 2f :X →Y = (f : 2X → 2Y ) (links: f auf Elementen, rechts: f auf Teilmengen) Exkurs: Funktoren Konkrete Kategorien Warum HTop interessant ist Definition IV.2.4 Ein Funktor ist treu, falls er injektiv auf der Menge der Morphismen mit selbem Start und Ziel ist. Eine Kategorie C ist konkret, falls es einen treuen Funktor C → Set gibt. Beispiele IV.2.5 Set, Vect, Grp, Rng, Top konkret HTop nicht konkret Exkurs: Funktoren Kontravariante Funktoren Definition Definition IV.2.6 Ein kontravarianter Funktor F : C1 → C2 zwischen zwei Kategorien C1 und C2 besteht aus zwei Abbildungen F : Obj(C1 ) → Obj(C2 ) F : Mor(C1 ) → Mor(C2 ) mit den Eigenschaften dom F (f ) = F (codom f ) F (IdX ) = IdF (X ) F (f ◦ g) = F (g) ◦ F (f ) codom F (f ) = F (dom f ) Schreibweise IV.2.7 F (f : X → Y ) = F (f ) : F (Y ) → F (X ) Exkurs: Funktoren Kontravariante Funktoren Beispiele Beispiele IV.2.8 Identitätsfunktor IdC : C → C konstanter Funktor F : C1 → C2 für C ∈ C2 fest: F (f : X → Y ) := (IdC : C → C ) Potenzmenge 2− : Set → Set: 2f :X →Y = (f −1 : 2Y → 2X ) dualer Vektorraum: (−)∗ : Vect → Vect (f : X → Y )∗ = (f ∗ : Y ∗ → X ∗ ) Exkurs: Funktoren Funktoren auf der Homotopiekategorie Beispiele IV.2.9 Für einen festen topologischen Raum X definieren wir einen kovarianten Funktor F = [X , −] : HTop → Set durch F [f ] : Y1 → Y2 := [f ] ◦ − : [X , Y1 ] → [X , Y2 ]) . Für einen festen topologischen Raum Y definieren wir einen kontravarianten Funktor F = [−, Y ] : HTop → Set durch F [f ] : X1 → X2 := − ◦ [f ] : [X1 , Y ] → [X2 , Y ]) Exkurs: Funktoren Wozu Funktoren? (in der Topologie) Funktoren . . . . . . helfen, nicht-homöomorphe topologische Räume zu unterscheiden: X∼ =Y ⇒ F (X ) ∼ = F (Y ) . . . liefern Indizien für eine mögliche Homöomorphie. . . . ermöglichen es, topologische Probleme in Probleme in anderen Kategorien zu übersetzen. Die Algebraische Topologie zum Beispiel ist die Suche nach und das Studium von Funktoren von der topologischen Kategorie Top in algebraische Kategorien, wie Grp, Rng oder Vect. . . . helfen somit auch, mit topologischen Eigenschaften zu „rechnen“. Fundamentalgruppe Gliederung Abschnitt „Homotopie, Fundamentalgruppe & Überlagerungen“ 14 Homotopie 15 Exkurs: Funktoren 16 Fundamentalgruppe 17 Überlagerungen 18 Klassifikation von Überlagerungen Fundamentalgruppe Die punktierten Kategorien Top∗ und HTop∗ Definition Definition IV.3.1 Die Kategorie punktierter topologischer Räume Top∗ ist gegeben durch Objekte: punktierte topologische Räume (X , x0 ): I I X topologischer Raum x0 ∈ X ausgezeichneter Punkt (Basispunkt) Morphismen: punktierte stetige Abbildungen f : (X , x0 ) → (Y , y0 ): I I stetige Abbildungen f : X → Y f (x0 ) = y0 Analog definiert man die punktierte Homotopiekategorie HTop∗ . Objekte: punktierte topologische Räume (X , x0 ) Morphismen: punktierte Homotopieklassen [(X , x0 ), (Y , y0 )], wobei punktierte Homotopien auf dem Basispunkt x0 konstant y0 sind. Fundamentalgruppe Fundamentalgruppe Definition Fakt IV.3.2 Für jeden punktierten topologischen Raum (X , x0 ) ist die punktierte Homotopieklasse [(S 1 , 1), (X , x0 )] eine Gruppe bezüglich der Verkettung [g] · [h] := [g · h] wobei ( g · h(ϕ) := g(2ϕ) ϕ ∈ [0, π] h(2ϕ) ϕ ∈ [π, 2π]. Definition IV.3.3 Diese Gruppe ist die Fundamentalgruppe π1 (X , x0 ) des punktierten topologischen Raumes (X , x0 ). Fundamentalgruppe Die Fundamentalgruppe als Funktor Fakt IV.3.4 Die Fundamentalgruppe definiert einen kovarianten Funktor π1 : Top∗ → Grp, gegeben durch π1 f : (X , x0 ) → (Y , y0 ) = f∗ : π1 (X , x0 ) → π1 (Y , y0 ) wobei f∗ (h) := f ◦ h. Das heißt Id∗ = Id (f ◦ g)∗ = f∗ ◦ g∗ . Fundamentalgruppe Abhängigkeit der Fundamentalgruppe vom Basispunkt Fakt IV.3.5 X wegzusammenhängend ⇒ π1 (X , x0 ) ∼ = π1 (X , x1 ) Bemerkung IV.3.6 Der Isomorphismus ist nicht kanonisch, da er von der Wahl eines Weges von x0 nach x1 abhängt. Definition IV.3.7 Die Fundamentalgruppe π1 (X ) eines (nicht punktierten) wegzusammenhängenden topologischen Raumes X ist die Isomorphieklasse einer Fundamentalgruppe π1 (X , x0 ) mit beliebigem Basispunkt x0 . Fundamentalgruppe Fundamentalgruppe Eigenschaften & weitere Beispiele Fakt IV.3.8 π1 (X × Y ) ∼ = π1 (X ) × π1 (Y ) X zusammenziehbar ⇒ π1 (X ) = {e}. Beispiele IV.3.9 π1 (Rn ) ∼ = {e} n π1 (S ) ∼ = {e} für n > 2 Fundamentalgruppe Fundamentalgruppe Anwendung: Der Fixpunktsatz von Brouwer Fakt IV.3.10 (zeigen wir später) π1 (S 1 ) ∼ =Z Satz IV.3.11 (Fixpunktsatz von Brouwer) Jede stetige Abbildung f : D 2 → D 2 der (abgeschlossenen) Kreisscheibe D 2 = {x ∈ R2 : kx k 6 1} auf sich selbst besitzt einen Fixpunkt. Fundamentalgruppe Der Fixpunktsatz von Brouwer anschaulich Breitet man die Karte eines Landes in diesem Land aus, so gibt es immer einen „Du bist hier“-Punkt. oder Rührt man den Kaffee in der Tasse um, so gibt es immer einen Punkt, der in momentaner Ruhe ist. Fundamentalgruppe Der Fixpunktsatz von Brouwer anschaulich „Mathematiker sind Maschinen, die Kaffee in Theoreme umwandeln.“ – Paul Erdős Quelle: Wikipedia Beim Brouwerschen Fixpunktsatz wird der Kaffee selbst zum Theorem. Fundamentalgruppe Der Fixpunktsatz von Brouwer Verallgemeinerung Der Fixpunktsatz von Brouwer gilt auch in höheren Dimensionen. Der Beweis ist analog. Allerdings ist die Fundamentalgruppe zu schwach, um D n ∼ = Rn und n−1 S für n > 3 zu unterscheiden: π1 (Rn ) ∼ = π1 (S n−1 ) ∼ = {e} n>3 Man kann „höhere Fundamentalgruppen“ analog definieren, die sogenannten Homotopiegruppen: πn (X , x0 ) := [(S n , N), (X , x0 )]. Für diese gilt: πk (Rn ) ∼ = {e} πn (S n ) ∼ = Z. Homotopiegruppen sind jedoch schwer zu berechnen. Statt dessen bedient man sich der einfacher zu berechnenden Homologiegruppen. Fundamentalgruppe Einfacher Zusammenhang Definition IV.3.12 Ein wegzusammenhängender topologischer Raum ist einfach zusammenhängend, falls er eine triviale Fundamentalgruppe besitzt. lokal einfach zusammenhängend, falls jede Umgebung eines Punktes eine einfach zusammenhängende Umgebung enthält. semilokal einfach zusammenhängend, falls jeder Punkt eine Umgebung besitzt, in der jede Schleife nullhomotop ist. Bemerkung IV.3.13 Der Unterschied bei semilokal ist, dass die Homotopie auch über die Umgebung hinausgehen kann. Fundamentalgruppe Einfacher Zusammenhang Beispiele Beispiele IV.3.14 Rn einfach zusammenhängend S n einfach zusammenhängend für n > 2 S 1 nicht einfach aber lokal einfach zusammenhängend Die Hawaiianischen Ohrringe [ n∈N∗ ∂B 1 ( n1 , 0) n sind nicht lokal einfach zusammenhängend. Der Kegel über den Hawaiianischen Ohrringen ist semilokal aber nicht lokal einfach zusammenhängend. Fundamentalgruppe Die Hawaiischen Ohrringe als topologischer Raum Quelle: Wikipedia Überlagerungen Gliederung Abschnitt „Homotopie, Fundamentalgruppe & Überlagerungen“ 14 Homotopie 15 Exkurs: Funktoren 16 Fundamentalgruppe 17 Überlagerungen 18 Klassifikation von Überlagerungen Überlagerungen Überlagerung Definition Definition IV.4.1 Eine surjektive stetige Abbildung π : X̂ → X ist eine Überlagerung, falls sie lokal trivial ist, d.h. zu jedem x ∈ X gibt es eine Umgebung U und einen Homöomorphismus ∼ = h : π −1 (U) −−−−→ U × π −1 (x ) mit πU ◦ h = π diskrete Fasern besitzt, d.h. π −1 (x ) für alle x ∈ X diskret ist Nomenklatur: X̂ Totalraum, X Basis, π −1 (x ) Faser über x ∈ X Überlagerungen Überlagerung Beispiele Bemerkung IV.4.2 Die Anzahl #π −1 (x ) ist lokal konstant. Für eine zusammenhängende Basis X ist sie sogar global konstant und heißt Blätterzahl der Überlagerung. Beispiele IV.4.3 IdX : X → X S1 → S1 trivial : z 7→ z n n-blättrig C∗ → C∗ : z 7→ z n n-blättrig R → S 1 : x 7→ e 2πix ∞-blättrig Überlagerungen Lokale Homöomorphie von Überlagerungen Definition IV.4.4 Eine stetige Abbildung f : X → Y ist ein lokaler Homöomorphismus, falls zu jedem x ∈ X eine offene Umgebung U existiert sodass f (U) offen in Y und f |U : U → f (U) ein Homöomorphismus ist. Fakt IV.4.5 Eine Überlagerung ist ein lokaler Homöomorphismus. Überlagerungen Hochheben von Wegen Definition IV.4.6 Es seien π : X̂ → X Überlagerung f : [0, 1] → X stetige Abbildung (Weg) x0 ∈ X x̂0 ∈ π −1 (x0 ) Dann ist eine stetige Abbildung fˆ : [0, 1] → X̂ eine Hochhebung von f zum Anfangspunkt x̂0 , falls fˆ(0) = x̂0 π ◦ fˆ = f . Fakt IV.4.7 Hochhebungen mit gegebenem Anfangspunkt existieren und sind eindeutig bestimmt. Überlagerungen Hochheben von Homotopien Fakt IV.4.8 Es sei: π : X̂ → X Überlagerung f : [0, 1] × Y → X stetig fy : [0, 1] → X definiert durch fy (t) := f (y , t) für y ∈ Y fˆ0 : Y → X̂ stetig fˆ : [0, 1] × Y → X̂ definiert durch fˆ(t, y ) := c fy (t) mit c fy (0) := fˆ0 (y ) Dann ist fˆ stetig. {0} × Y _ fˆ0 ; fˆ [0, 1] × Y / X̂ π f /X Überlagerungen Das Monodromielemma Folgerung IV.4.9 (Monodromielemma) Für eine Homotopie von Wegen mit festem Anfangs- und Endpunkt gilt: Besitzen ihre Hochhebungen den gleichen Anfangspunkt, so sind auch deren Endpunkte gleich: f0 ' f1 ∧ ∧ ft (0) = f0 (0) fˆ1 (0) = fˆ0 (0) Folgerung IV.4.10 π1 (S 1 ) ∼ =Z ∧ ⇒ ft (1) = f0 (1) fˆ1 (1) = fˆ0 (1) Überlagerungen Charakteristische Untergruppe einer Überlagerung Folgerung IV.4.11 π: ⇒ π∗ : (X̂ , x̂0 ) → (X , x0 ) π1 (X̂ , x̂0 ) → π1 (X , x0 ) Überlagerung injektiv. Definition IV.4.12 Die Untegruppe π∗ π1 (X̂ , x0 ) ⊆ π1 (X , x0 ) heißt charakteristische Untergruppe einer Überlagerung π : (X̂ , x̂0 ) → (X , x0 ). Überlagerungen Hochhebung von Abbildungen Fakt IV.4.13 Es sei: π : (X̂ , x̂0 ) → (X , x0 ) Überlagerung (Y , y0 ) weg- und lokal wegzusammenhängend f : (Y , y0 ) → (X , x0 ) stetig Dann existiert ein fˆ : (Y , y0 ) → (X̂ , x̂0 ) mit π ◦ fˆ = f genau dann, wenn f∗ π1 (Y , y0 ) ⊆ π∗ π1 (X̂ , x̂0 ) . π1 (X̂ , x̂0 ) (X̂ , x̂0 ) fˆ : (Y , y0 ) fˆ ist eindeutig. f π / (X , x0 ) fˆ∗ ⇔ 8 π1 (Y , y0 ) f∗ π∗ / π1 (X , x0 ) Klassifikation von Überlagerungen Gliederung Abschnitt „Homotopie, Fundamentalgruppe & Überlagerungen“ 14 Homotopie 15 Exkurs: Funktoren 16 Fundamentalgruppe 17 Überlagerungen 18 Klassifikation von Überlagerungen Klassifikation von Überlagerungen Morphismen von Überlagerungen Definition Definition IV.5.1 Ein Morphismus (fˆ, f ) zwischen zwei Überlagerungen π1 : X̂1 → X1 und π2 : X̂2 → X2 besteht aus stetigen Abbildungen fˆ : X̂1 → X̂2 und f : X1 → X2 mit: X̂1 π1 fˆ X1 / X̂2 f f ◦ π1 = π2 ◦ fˆ π2 / X2 Analog definiert man Morphismen zwischen punktierten Überlagerungen. Fakt IV.5.2 (Punktierte) Überlagerlagerungen bilden eine Kategorie. Klassifikation von Überlagerungen Klassifikation von Überlagerungen Definition IV.5.3 Ein Morphismus (fˆ, f ) von Überlagerungen ist ein Isomorphismus von Überlagerungen, falls fˆ und f beides Homöomorphismen sind. Analog für punktierte Isomorphismen. Satz IV.5.4 Es sei X ein wegzusammenhängender, lokal wegzusammenhängender und semilokal einfach zusammenhängender topologischer Raum. Dann gibt es zu jeder Untergruppe G ⊆ π1 (X , x0 ) bis auf Isomorphie genau eine wegzusammenhängende und lokal wegzusammenhängende Überlagerung π : (X̂ , x̂0 ) → (X , x0 ) mit charakteristischer Untergruppe π∗ π1 (X̂ , x̂0 ) = G. Klassifikation von Überlagerungen Universelle Überlagerung Folgerung IV.5.5 Jeder wegzusammenhängende, lokal wegzusammenhängende und semilokal einfach zusammenhängende Raum besitzt eine bis auf Isomorphie eindeutig bestimmte einfach zusammenhängende Überlagerung. Definition IV.5.6 Eine einfach zusammenhängende Überdeckung heißt universelle Überlagerung. Teil V Mannigfaltigkeiten Gliederung Abschnitt „Mannigfaltigkeiten“ 19 Topologische Mannigfaltigkeiten 20 Klassifikation von Flächen 21 Glatte Mannigfaltigkeiten Topologische Mannigfaltigkeiten Gliederung Abschnitt „Mannigfaltigkeiten“ 19 Topologische Mannigfaltigkeiten 20 Klassifikation von Flächen 21 Glatte Mannigfaltigkeiten Topologische Mannigfaltigkeiten Lokal euklidische Räume Definition Definition V.1.1 Ein topologischer Raum M ist lokal euklidisch der Dimension n ∈ N, falls jeder Punkt x ∈ M eine Umgebung besitzt, die homöomorph zu einer zusammenhängenden offenen Teilmenge des Rn ist. Beispiele V.1.2 Rn Sn die Gerade mit zwei Ursprüngen die lange Gerade Topologische Mannigfaltigkeiten Topologische Mannigfaltigkeiten Definition Definition V.1.3 Eine topologische Mannigfaltigkeit ist ein lokal euklidischer topologischer Raum mit folgenden Eigenschaften: 1 Hausdorff 2 II. Abzählbarkeitskriterium Bemerkung V.1.4 die Forderungen (1) und (2) sind üblich, aber nicht zwingend (1) schließt (pathologische) Beipiele wie die Gerade mit zwei Ursprüngen aus. (2) schließt (pathologische) Beispiele wie die lange Gerade aus. Topologische Mannigfaltigkeiten Topologische Mannigfaltigkeiten lokale Eigenschaften Bemerkung V.1.5 Als lokal Euklidische Räume erben Mannigfaltigkeiten alle lokalen Eigenschaften des Rn : lokal wegzusammenhängend lokal einfach zusammenhängend lokal kompakt I. Abzählbarkeitskriterium Topologische Mannigfaltigkeiten Topologische Mannigfaltigkeiten Parakompaktheit Fakt V.1.6 Jeder lokal kompakte Hausdorff-Raum, der das II. Abzählbarkeitskriterium erfüllt, ist parakompakt. Folgerung V.1.7 Mannigfaltigkeiten sind parakompakt. Bemerkung V.1.8 Manchmal wird in der Definition einer Mannigfaltigkeit nur die Parakompaktheit statt des II. Abzählbarkeitskriteriums gefordert. Klassifikation von Flächen Gliederung Abschnitt „Mannigfaltigkeiten“ 19 Topologische Mannigfaltigkeiten 20 Klassifikation von Flächen 21 Glatte Mannigfaltigkeiten Klassifikation von Flächen Flächen Definition Definition V.2.1 Als Fläche bezeichnen wir (hier) eine 2-dimensionale, zusammenhängende, kompakte topologische Mannigfaltigkeit. Beispiele V.2.2 S = Sphäre T = Torus P = projektiver Raum K = Kleinsche Flasche Offenbar lassen sich all diese Beispiele als Polygone mit identifizierten Kanten schreiben. Klassifikation von Flächen Flächen Triangulierung Definition V.2.3 Eine Triangulierung einer Fläche F ist eine endliche Überdeckung von F mit abgeschlossenen Mengen Di mit folgender Eigenschaft: Jedes Di ist homöomorph zu einem Dreieck in R2 . Zwei solche Dreiecke Di und Dj . . . I I I sind disjunkt oder besitzen genau eine gemeinsame Ecke oder besitzen genau eine gemeinsame Kante Satz V.2.4 (von Radó, ohne Beweis) Jede Fläche besitzt eine Triangulierung. Bemerkung V.2.5 Für Dimensionen > 5 ist die analoge Aussage falsch. Klassifikation von Flächen Flächen als Polygone mit Kantenidentifizierungen Folgerung V.2.6 Jede Fläche ist homöomorph zu einem Polygon mit paarweise identifizierten Kanten. Schreibweise V.2.7 Wir orientieren die (identifizierten) Kanten und bezeichnen sie mit Buchstaben a, b, c, . . .. Dann können wir jedes Polygon mit paarweise identifizierten Kanten (und damit jede Fläche) darstellen als Folge von orientierten Kanten a, a−1 , b, b −1 , c, c −1 , . . ., wobei a−1 die Kante a in umgekehrter Orientierung bezeichnet. Offenbar bezeichnen zyklische Permutationen einer Kantenfolge die selbe Fläche. Klassifikation von Flächen Flächen weitere Beispiele Beispiele V.2.8 Quadrat mit gegenüberliegenden Kanten identifiziert. T = aba−1 b −1 P = abab K = abab −1 Klassifikation von Flächen Flächen weitere Beispiele Klassifikation von Flächen Flächen weitere Beispiele Beispiele V.2.9 Quadrat mit benachbarten Kanten identifiziert. S = abb −1 a−1 ? = aabb ? = abba−1 Klassifikation von Flächen Flächen weitere Beispiele Klassifikation von Flächen Flächen weitere Beispiele Klassifikation von Flächen Zusammenhängende Summe Wohldefiniertheit Fakt V.2.10 (ohne Beweis) Es seien F1 , F2 Flächen D = {x ∈ R2 : kx k = 1} Kreisscheibe fi : D → fi (D) ⊂ Fi Homöomorphismen ` X := F1 \ f1 (D̊) F2 \ f2 (D̊) ∼ Äquivalenzrelation auf X mit f1 (z) ∼ f2 (z) z ∈ ∂D. Dann ist F1 #F2 := X /∼ eine Fläche und unabhängig von der Wahl von f1 und f2 . Klassifikation von Flächen Zusammenhängende Summe Beispiele Definition V.2.11 F1 #F2 heißt die zusammenhängende Summe der Flächen F1 und F2 . Bemerkung V.2.12 Für Polygone mit paarweise identifizierten Kanten erhält man die zusammenhängende Summe, indem man an jedem Polygon jeweils eine Ecke abschneidet und die entstandenen Kanten identifiziert. Man schreibt also die entsprechenden Kantenfolgen einfach hintereinander. Schreibweise V.2.13 nF := F #F # . . . #F (n Summanden) Klassifikation von Flächen Kleinsche Flasche als Summe zweier projektiver Räume Beispiele V.2.14 nT = n-Torus = Sphäre mit n „Henkeln“ nP = Sphäre mit n „Klein-Henkeln“ = Sphäre mit n „Augen“ ∼ P#P K= T #P ∼ = P#P#P Klassifikation von Flächen Flächen als Halbgruppe bzgl. zusammenhängender Summe Fakt V.2.15 Die Homöomorphieklassen von Flächen bilden eine kommutative Halbgruppe mit Eins (= S) bzgl. der zusammenhängenden Summe. Beispiel V.2.16 # S T P S S T P T T 2T 3P P P 3P 2P Offenbar lassen sich alle bekannten Beispiele als zusammenhängende Summen von P oder T schreiben. Klassifikation von Flächen Klassifikation von Flächen I Satz V.2.17 Jede Fläche ist homöomorph zu einer der folgenden: S Sphäre nT zusammenhängende Summe von n Tori nP zusammenhängende Summe von n projektiven Räumen Bemerkung V.2.18 Wir haben noch nicht gezeigt, dass obige Flächen nicht homöomorph zueinander sind. Dazu benötigen wir geeignete topologische Invarianten. Klassifikation von Flächen Die Euler-Charakteristik einer Fläche Definition V.2.19 Die Euler-Charakteristik einer triangulierten Fläche F ist die ganze Zahl χ(F ) := #Ecken − #Kanten + #Flächen Fakt V.2.20 (ohne Beweis) Die Euler-Charakteristik hängt nicht von der Wahl der Triangulierung ab. Insbesondere ist sie eine topologische Invariante: F1 ∼ = F2 ⇒ χ(F1 ) = χ(F2 ) Beispiele V.2.21 S, T und P sind nicht homöomorph, da: χ(S) = 2 χ(T ) = 0 χ(P) = 1 Klassifikation von Flächen Die Euler-Charakteristik unter zusammenhängenden Summen Fakt V.2.22 χ(F1 #F2 ) = χ(F1 ) + χ(F2 ) − 2 Folgerung V.2.23 χ(nT ) = 2 − 2n χ(nP) = 2 − n Bemerkung V.2.24 Die Euler-Charakteristik kann nicht alle Flächen unterscheiden. Zum Beispiel ist χ(T ) = χ(2P). Klassifikation von Flächen Orientierbarkeit einer Fläche Definition V.2.25 Eine Fläche ist orientierbar, falls sie keine zu einem Möbius-Band homöomorphe Teilmenge enthält. Fakt V.2.26 Orientierbarkeit ist eine topologische Invariante. Beispiele V.2.27 S, nT orientierbar nP nicht orientierbar Klassifikation von Flächen Klassifikation von Flächen II Topologische Invarianten Satz V.2.28 Euler-Charakteristik und Orientierbarkeit bilden ein vollständiges Set topologischer Invarianten. D.h. zwei Flächen sind genau dann homöomorph, wenn sie die selbe Euler-Charakteristik besitzten und entweder beide orientierbar oder beide nicht orientierbar sind. Klassifikation von Flächen Fundamentalgruppen von Flächen Fakt V.2.29 (ohne Beweis) π1 (S) = {e} π1 (nT ) = ha1 , b1 , . . . , an , bn | a1 b1 a1−1 b1−1 · · · an bn an−1 bn−1 = ei π1 (nP) = ha1 , . . . , an | a12 · · · an2 = ei Diese Gruppen sind nicht isomorph. Folgerung V.2.30 Zwei Flächen sind genau dann homotop, wenn sie homöomorph sind. Klassifikation von Flächen Klassifikation topologischer Mannigfaltigkeiten Dimension = n, zusammenhängend, kompakt n = 0 Punkt n = 1 Kreis n = 2 S, kT , kP n = 3 Grigori Perelman und die Fields-Medaille n > 4 unmöglich, da äquivalent zum Wort-Problem Klassifikation von Flächen Grigori Perelmann Quelle: Wikipedia Klassifikation von Flächen Klassifikation topologischer Mannigfaltigkeiten und das Wort-Problem Fakt V.2.31 (ohne Beweis) Jede endlich erzeugte Gruppe läßt sich als Fundamentalgruppe einer 4-dimensionalen Mannigfaltigkeit realisieren. Das Wort-Problem Man entscheide, ob zwei Gruppen, gegeben durch Erzeuger und Relationen, isomorph sind. Dieses Problem ist nicht entscheidbar, d.h. es gibt keinen Algorithmus, der das leistet. Glatte Mannigfaltigkeiten Gliederung Abschnitt „Mannigfaltigkeiten“ 19 Topologische Mannigfaltigkeiten 20 Klassifikation von Flächen 21 Glatte Mannigfaltigkeiten Glatte Mannigfaltigkeiten Karten und Übergangsfunktionen Definition Definition V.3.1 M eine n-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit Eine Karte auf M ist ein Paar (U, ϕ) bestehend aus einer offenen Menge U ⊆ M und einem Homöomorphismus ϕ : U → ϕ(U) ⊆ Rn . Die Übergangsfunktion zwischen zwei Karten (Uα , ϕα ) und (Uβ , ϕβ ) ist ϕαβ := ϕβ ◦ ϕ−1 α : ϕα (Uα ∩ Uβ ) → ϕβ (Uα ∩ Uβ ). Beispiel V.3.2 Karten auf S n : (S n \ Nordpol, ϕN ), (S n \ Südpol, ϕS ) ϕN , ϕS stereographische Projektion vom Nord- bzw. Südpol Übergangsfunktion ϕNS : Rn \ {0} → Rn \ {0} ist Inversion Glatte Mannigfaltigkeiten Karten einer Mannigfaltigkeit Quelle: Wikipedia Glatte Mannigfaltigkeiten Atlanten Definition Definition V.3.3 M eine n-dimensionale topologische Mannigfaltigkeit Ein Atlas auf M ist eine Menge {(Uα , ϕα )} von Karten, die M überdecken: [ M = Uα . Ein Atlas ist glatt, falls alle Übergangsfunktionen glatt sind. Zwei glatte Atlanten sind kompatibel, falls ihre Vereinigung ein glatter Atlas ist. Beispiel V.3.4 inkompatible glatte Atlanten auf R: {(R, Id)} {(R, ϕ)} mit ϕ(x ) = x 3 Glatte Mannigfaltigkeiten Glatte Mannigfaltigkeiten Definition Fakt V.3.5 Die Kompatibilität von Atlanten ist eine Äquivalenzrelation. Jeder glatte Atlas ist in einem (bzgl. ⊆) maximalen glatten Atlas enthalten, nämlich der Vereinigung aller mit diesem kompatiblen glatten Atlanten. Definition V.3.6 Eine glatte Mannigfaltigkeit ist eine topologische Mannigfaltigkeit versehen mit einem maximalen glatten Atlas. Bemerkung V.3.7 Für die Angabe einer glatten Mannigfaltigkeit genügt ein beliebiger (nicht notwendigerweise maximaler) glatter Atlas. Glatte Mannigfaltigkeiten Weitere Klassen von Mannigfaltigkeiten Beispiele V.3.8 Rn Sn Flächen: S, nT , nP Bemerkung V.3.9 Auf gleiche Art und Weise definiert man, je nach Klasse der Übergangsfunktionen, folgende Klassen von Mannigfaltigkeiten: stückweise linear (PL) Lipschiz k-fach differenzierbar (C k ) glatt (C ∞ ) analytisch (C ω ) C 0 -Mannigfaltigkeiten sind einfach topologische Mannigfaltigkeiten. Glatte Mannigfaltigkeiten Glatte Abbildungen zwischen glatten Mannigfaltigkeiten Glatte Abbildungen zwischen glatten Mannigfaltigkeiten sind Abbildungen, die in allen Karten glatt sind: Definition V.3.10 Eine Abbildung f : M1 → M2 zwischen zwei Mannigfaltigkeiten ist glatt, falls für jede Karte (U1 , ϕ1 ) von M1 und jede Karte (U1 , ϕ2 ) von M2 folgende Abbildung glatt ist: −1 ϕ2 ◦ f ◦ ϕ−1 (U2 )) → ϕ2 (f (U1 ) ∩ U2 ) 1 : ϕ1 (U1 ∩ f Fakt V.3.11 Glatte Mannigfaltigkeiten zusammen mit glatten Abbildungen zwischen diesen bilden eine Kategorie. Glatte Mannigfaltigkeiten Diffeomorphismen Die Isomorphismen in der Kategorie glatter Mannigfaltigkeiten heißen Diffeomorphismen: Definition V.3.12 Ein Diffeomorphismus zwischen zwei glatten Mannigfaltigkeiten M1 und M2 ist eine bijektive glatte Abbildung f : M1 → M2 für die f −1 : M2 → M1 auch glatt ist. Zwei glatte Mannigfaltigkeiten sind diffeomorph, falls zwischen ihnen ein Diffeomorphismus existiert. Beispiel V.3.13 M1 = R mit Atlas {(R, ϕ1 )}, wobei ϕ1 (x ) = x M2 = R mit Atlas {(R, ϕ2 )}, wobei ϕ2 (x ) = x 3 Diffeomorphismus f : M1 → M2 , gegeben durch f (x ) = ϕ2 ◦ f ◦ ϕ1 = Id √ 3 x Glatte Mannigfaltigkeiten Differentialtopologie typische Fragestellungen Definition V.3.14 Eine differenzierbare Struktur auf einer topologischen Mannigfaltigkeit M ist eine Isomorphieklasse glatter Mannigfaltigkeiten, die homöomorph zu M sind. Die Differentialtopologie untersucht Existenz Klassifikation Invarianten von differenzierbaren Strukturen auf einer gegebenen topologischen Mannigfaltigkeit. Glatte Mannigfaltigkeiten Differentialtopologie einige Antworten Es gibt topologische Mannigfaltigkeiten, die keine differenzierbare Struktur besitzen. Jede topologische Mannigfaltigkeit der Dimension 6 3 bestitzt genau eine differenzierbare Struktur. Rn besitzt für n 6= 4 genau eine differenzierbare Struktur. Es gibt topologische Mannigfaltigkeiten, die mehr als eine differenzierbare Struktur besitzen – sogenannte exotische Strukturen: n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Sn 1 1 1 ? 1 1 28 2 8 6 992 1 3 2 16256 R4 besitzt überabzählbar unendlich viele differenzierbare Strukturen. Glatte Mannigfaltigkeiten Klausur Mittwoch, 29. Juli 2015, ab 8 Uhr, Hörsaal 1 Abbeanum Beherrschen von Definitionen Kreuzchentest über einfache Sachverhalte, z.B. I I Eigenschaft A impliziert Eigenschaft B Eigenschaft A bleibt unter Konstruktion B erhalten Umgang mit konkreter Topologie, z.B. durch (Sub-)Basis gegeben I I I Eigenschaften der Topologie Eigenschaften von Teilmengen Inneres, Rand und Abschluss berechnen Überblickswissen: Erläutern von Konzepten und Zusammenhängen Nachvollziehen von Beweisen: ein Beweis aus der Vorlesung I I nicht zu lang nicht „straightforward“ Beweisaufgabe keine Ordinale, aber die lange Gerade