ÜBUNGEN STRUKTURBÄUME (1) nach dem äußerst erfolgreichen Treffen der Außenminister am vergangenen Dienstag (2) der aufgrund seines großen Verdienstes um die Republik geehrte Beamte (3) ein von all den Vorträgen kaum beeindruckter Linguist (4) mit seinen Krankheiten schwer gestraft (5) ein während der Bauarbeiten der STRABAG in den Donauauen gefundenes Dinosaurierskelett [potentiell ambig, gesucht ist die Lesart "Bauarbeiten finden in den Donauauen statt"] (6) eine mit all meinen Prinzipien vollkommen unvereinbare Handlung (7) ein guter Freund meines Kollegen in Wien [ambig, beide Strukturen] ÜBUNGEN SATZGLIEDER Im Kurs zu kurz gekommen sind die sogenannten Prädikative. Wir haben sie bereits kennengelernt bei der Diskussion um den Unterschied zwischen Adjektiven und Adverbien, aber auch bei der Satzgliedbestimmung spielen sie eine Rolle. Zur Erinnerung: (a) Ich esse mein Fleisch hastig. [Adverb, da auf "essen" bezogen, also das Verb] (b) Ich esse rohes Fleisch. ["rohes" ist ein attributiv verwendetes Adjektiv] (c) Ich esse mein Fleisch roh. ["roh" ist ein prädikativ verwendetes Adjektiv, das sich auf "Fleisch" bezieht, also auf das Akkusativobjekt] (d) Ich esse mein Fleisch nackt. ["nackt" ist ein prädikativ verwendetes Adjektiv, das sich auf "ich" bezieht, also auf das Subjekt] Hier war also die Rede von prädikativ und attributiv verwendeten Adjektiven. Wir haben also davon geredet, wie eine bestimmte Wortart verwendet wird. Bei der Bestimmung der Satzglieder bezeichnen wir solche Adjektive als Prädikative. Also: (e) Ich esse mein Fleisch roh. Ich = Subjekt esse = Prädikat mein Fleisch = Akkusativobjekt roh = Prädikativ Oder, ein anderes Beispiel: (f) Ich bin zufrieden Ich = Subjekt bin = Prädikat zufrieden Prädikativ Und noch eines: (g) Hans ist der Polizei bekannt. Hans = Subjekt ist = Prädikat der Polizei = Dativobjekt bekannt = Prädikativ Nicht nur Adjektive, auch Nomen können als Prädikative auftreten. Etwa im folgenden Satz. (h) Er ist Linguist. Er = Subjekt ist = Prädikat Linguist = Prädikativ In vielen Fällen muss ein Nomen, das als Prädikativ auftritt, vom Wort "als" eingeleitet werden. Also: (i) Als reicher Mann kam er zurück. Als reicher Mann = Prädikativ reicher = Attribut kam … zurück = Prädikat er = Subjekt (j) Ich kenne ihn als einen hervorragenden Koch Ich = Subjekt kenne = Prädikat ihn = Akkusativobjekt als einen hervorragenden Koch = Prädikativ hervorragenden = Attribut Mit diesen zusätzlichen Informationen sollten die folgenden Beispiele keine Probleme bereiten. Bitte um Bestimmung der Satzglieder. (1) Gestern bat mich ein junger Mann auf der Straße um Geld. (2) Gerne gab ich ihm rasch 10 Euro. (3) Mit leeren Worten kann man keine Freunde gewinnen. (4) Mein Bruder dachte verunsichert über seine Erlebnisse nach. (5) Der Mann mit dem grünen Pulli gab mir Feuer für meine Zigarette. (6) Die Antwort auf meinen langen Brief kam gestern. (7) Morgen reise ich als Tourist nach Rom. (8) Er benimmt sich schlecht. (9) Günther musste ewig auf den Zug warten. (10) Scheu sah er sich in dem riesigen Raum voller Leute um. Sätze Bisher haben wir von Sätzen nur gesagt, dass sie zumindest aus Subjekt und Prädikat bestehen müssen. (Wobei das Subjekt unter bestimmten stilistischen Umständen getilgt werden kann, z.B. in Tagebucheinträgen, Telegrammen, SMSen etc.) Im deutschen Satz kann das finite Verb an recht unterschiedlichen Stellen auftreten. Vergleichen wir: (a) [Die Hände] [wäscht] er sich nie. (b) [Mit diesem Verhalten] [erreichst] du nichts. (c) [Ohne Übungen] [geht] gar nichts. In (a–c) steht das finite Verb an zweiter Stelle, d.h. davor steht genau eine Konstituente. Solche Sätze nennt man V-zweit oder V2. Angenommen, ich antworte auf eine Frage ("Was hast du gesagt?") mit (d): (d) Dass [du] [ihm] [dringend] [bei seiner Arbeit] [helfen] [sollst]. Hier steht das finite Verb, "sollst", an letzter Stelle: V-final. Zuguterletzt kann das finite Verb auch an erster Stelle stehen, z.B. bei Befehlen, Aufforderungen, Wünschen etc. (e) [Sei] endlich still! (f) [Käme] er doch nur mit! Solche Sätze bezeichnet man, wenig überraschend, als V-initial oder V1. Wozu müssen wir das jetzt verstehen? Betrachten wir eine einfachen Satz wie den folgenden. (g) Er kommt aus London. (g) ist ein Satz und besteht aus einem Subjekt und einem Prädikat. Das finite Verb steht an zweiter Stelle, der Satz ist vom Typus V2. All dies gilt auch für (h). (h) Sie fährt nach Paris. Ich kann nun beide Sätze kombinieren zu (i) (i) [Er kommt aus London] und [sie fährt nach Paris]. Mit anderen Worten, einfache Sätze können zu komplexen Sätzen kombiniert werden. (g) und (h) sind einfache Sätze, (i) ist ein komplexer Satz. Mit anderen Worten, jeder Satz, der selbst aus mehreren Sätzen besteht, ist komplex. In (i) werden zwei sogenannte Hauptsätze zu einem neuen Satz verbunden. Einen Hauptsatz erkennt man daran, dass er V2 ist. Außerdem können Hauptsätze nur durch nebenordnende Konjunktionen verbunden werden (und, oder, aber...). Anders liegt der Fall bei subordinierten oder untergeordneten Sätzen. (j) Es heißt, dass man für das Studium der Linguistik ein gewisses Maß an Geduld braucht. Auch (j) ist komplex, allerdings auf andere Art als (i). Während in (i) beide Sätze Hauptsätze waren, also gleichberechtigt, ist das in (j) nicht der Fall. In (j) wird einem Hauptsatz ("Es heißt") ein ganzer Satz ("dass … braucht") untergeordnet, d.h. "dass … braucht" ist ein subordinierter Satz. Der Satz, der einem untergeordneten Satz übergeordnet ist, heißt auch Matrixsatz, und das darun auftretende Verb Matrixverb. In (i) ist "Es heißt" der Matrixsatz und "heißt" somit das Matrixverb. Einen subordinierten Satz erkennt man oft (aber nicht immer!) daran, dass das Verb nicht an V2 steht, sondern an V-final (k) oder V1 (l). (k) …dass man für das Studium der Linguistik ein gewisses Maß an Geduld [braucht] (l) [Wäre] ich ein reicher Mann, müsste ich nicht arbeiten. (Anmerkung: was ist mit "müsste"? An welcher Stelle steht dieses finite Verb? Nicht an erster, sondern an zweiter, da davor genau eine Konstituente, in diesem Fall ein ganzer Satz steht.) Dies ist nicht das einzige Merkmal: Ein subordinierter Satz, der V-final ist, muss für gewöhnlich durch bestimmten Wörter eingeleitet werden. Solche Wörter sind subordinierende Konjunktionen ("dass" in (j)) oder in manchen Fällen auch Relativpronomen oder Pronominaladverbien oder Interrogativpronomina (s.u.). Ein subordinierter Satz vertritt ein bestimmtes Satzglied und kann dessen Funktion ausüben. Ein Beispiel: (m) [Das gute Prüfungsergebis] hat alle erfreut. (n) [Dass die Prüfung so gut ausgefallen ist], hat alle erfreut. In (m) ist [Das gute Prüfungsergebis] das Subjekt des Satzes. [Das gute Prüfungsergebis] ist ein Satzglied, also Teil eines Satzes, aber selbst kein Satz. In (n) erfüllt [Dass die Prüfung so gut ausgefallen ist] dieselbe Aufgabe wie [Das gute Prüfungsergebis] in (m): [Dass die Prüfung so gut ausgefallen ist] ist ein Satzglied (Subjekt), also ein Teil eines Satzes, aber selbst auch wieder ein Satz. [Dass die Prüfung so gut ausgefallen ist] ist, da es ein Subjekt vertritt, ein Subjektssatz. Sehen wir uns nun einige solcher subordinierten Sätze im Detail an. Subjektssatz Einleitung subordinierende Konjunktionen wie dass, ob (o) Dass ich dir helfe, bedarf keiner Diskussion. (p) Ob ich dir helfe, ist fraglich. Wenn der Subjektssatz am Ende auftritt, muss er durch ein "es" am Anfang vertreten werden. (o') Es bedarf keiner Diskussion, dass ich dir helfe. (p)' Es ist fraglich, ob ich dir helfe. Auch Einleitung durch Interrogativpronomen oder Pronominaladverbien (wann, wo, womit...): (q) Es ist unklar, wann Hans eintrifft. (r) Womit er den Safe geöffnet hat, ist uns ein Rätsel. Ein weitere Alternative besteht darin, keinen Satz mit finitem Verb zu verwenden, sondern eine Infinitivkonstruktion. (s) Es ist möglich, dass man die Prüfung mit einem "Sehr gut" besteht. (s') Es ist möglich, die Prüfung mit einem "Sehr gut" zu bestehen. Eine derartige Infinitivkonstruktion ist gleichberechtigt mit einem Subjektsatz und daher auch als solcher zu werten. Objektsatz Ersetzen für gewöhnlich Akkusativobjekte. (t) Er kündigt [seine Rückkehr] an. (t') Er kündigt an, [dass er zurückkehrt]. Beim Subjektsatz haben wir gesehen, dass ein Subjektsatz am Ende seines Matrixsatzes ein "es" am Anfang Matrixsatzes erfordert (p). Objektsätze sind hier weniger heikel und erfordern kein solches "es": (t'') [Dass er zurückkehrt], kündigt er an. Anders ist die Lage bei Objektsätzen, die Präpositionalobjekte ersetzen. (u) Ich warte [auf seine Rückkehr]. (u') Ich warte darauf, [dass er zurückkehrt]. (u'') ?? Ich warte, [dass er zurückkehrt]. In (u') sehen wir, dass die Präposition "auf" mit dem Pronominaladverb "darauf" aufgenommen werden muss. Wird dieses "darauf" weggelassen, wird der Satz fraglich, wenn nicht gar ungrammatisch. "Dass" ist nicht die einzige Möglichkeit, einen Objektsatz einzuleiten. (v) Ich frage, ob er kommt. (v') Ich frage, wann er kommt. Sogar Objektsätze ohne Einleitung sind möglich: (x) Er sagt, sie könne kommen. Und auch Infinitivkonstruktionen sind möglich, vgl. (y'). (y) Ich hoffe, dass ich dich bald wiedersehe. (y') Ich hoffe, dich bald wiederzusehen. In manchen Fällen (bei manchen Verben) sind Subjekts- und Objektssätze möglich: (z) Dass er krank ist, bedeutet, dass wir einen Ersatz suchen müssen. Dass er krank ist = Subjektssatz dass wir einen Ersatz suchen müssen = Objektssatz Adverbialsätze Ersetzen, wenig überraschend, Adverbiale. (za) Er kommt [nach Beendigung der Arbeit] (za') Er kommt, [nachdem er mit der Arbeit fertig ist] (zb) Er nimmt [trotz seiner Krankheit] an der Prüfung teil. (zb') Er nimmt an der Prüfung teil, [obwohl er krank] ist. (zc) Sie reiste nach Italien [wegen des guten Essens dort] (zc') Sie reiste nach Italien, [weil es dort gutes Essen gibt]. Attributsätze Ersetzen, ebenfalls wenig überraschend, Attribute. Wie ein Attribut sind auch Attributsätze in andere Konstituenten eingebettet. In den meisten Fällen gibt es ein Bezugswort. Einleitung mit einem Relativpronomen (sog. Relativsatz als Unterart der Attributsätze): (zd) [Der [geschlagene] Hund] lief weg. (zd') [Der Hund, [der geschlagen worden war]], lief weg. [geschlagene] in (zd) ist ein Attribut, [der geschlagen worden war] in (zd') ist ein Attributsatz, und zwar von der Unterart Relativsatz. Das Bezugswort zu diesem Relativsatz, also das Wort, von dem er abhängt, ist "Hund". Auch Einleitung mit Konjunktionen ist möglich: (ze) [In dem Jahr, [als er nach Wien zog]], passierte es. Das Bezugswort ist "Jahr". Vgl. die ganz ähnliche Konstruktion mit einem Relativpronomen: (ze') [In dem Jahr, [in dem er nach Wien zog]], passierte es. ÜBUNGEN Welcher Art sind die folgenden Sätze? (1) Es wird gebeten, die Türe zu schließen. (2) Er bat sie, die Türe zu schließen. (3) Er schrie so laut, dass man ihn im ganzen Dorf hörte. (4) Dass man ihn angestellt hatte, bedeutet, dass man keinen besseren Kandidaten hatte. (5) Die Behauptung, dass die Erde rund ist, wird heute nicht mehr bezweifelt. (6) Als es dunkel wurde, gingen wir nach Hause. (7) Obwohl es keinen Sinn ergibt, sich noch einen dritten iPod zu kaufen, hat er es dennoch getan.