Epileptischer Anfall

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Neurogenetik-Vorlesung SS 2011
20. Mai
Epilepsie
Epilepsie
Sabine Hölter-Koch
Struktur der Vorlesung
• Was ist Epilepsie?
– Definition
– Klinische Symptome, EEG
– Klassifikationen
• Neurobiologie
– Ursachen
– Involvierte Hirnstrukturen
– Behandlungsmöglichkeiten
• Beteiligte Gene
– Humanstudien
– Tiermodelle
– Genetische Mausmodelle
Definition
• Epilepsie:
¾ aus voller Gesundheit chronisch wiederholend auftretende
epileptische Anfälle
¾ Begriff ist abgeleitet vom griechischen Wort für “erfasst
werden”
¾ “Fallsucht”
• Epileptischer Anfall:
¾ Hirnfunktionsstörung in Form von abnormen Entladungen der
Nervenzellen (gleichzeitige, synchronisierte Erregung einer
Vielzahl von Nervenzellen im ZNS)
¾ “Gewitter im Gehirn”
Häufigkeit
•Epilepsie:
¾ eine der häufigsten Erkrankungen des ZNS
¾ 600.000 – 800.000 Patienten in Deutschland
¾ 40.000 Neuerkrankungen im Jahr
¾ 3,5 % der Bevölkerung erleiden eine Epilepsie mit
wiederkehrenden Anfällen
¾ bei 2/3 der Patienten medikamentös kontrollierbar
¾ bei 1/3 therapieresistent – chirurgische Eingriffe
•Epileptischer Anfall:
¾ Über die gesamte Lebensspanne erleiden ca. 10% der
Bevölkerung einen einzelnen epileptischen Anfall
Geschichtliches
¾ Altertum: “heilige Krankheit”
¾ 1750 v. Chr.: erstmalige Erwähnung (Babylon)
¾ 5. Jh. v. Chr.: Hippokrates: Epilepsie - Gehirn
¾ 1863 (J.H. Jackson): erste exakte Beschreibung von Anfällen
¾ 1870 (G. Fritsch & E. Hitzig): Auslösung epileptischer Anfälle
beim Hund durch elektrische Reizung der Großhirnrinde
¾ 1924 (H. Berger): Entwicklung der Elektroenzephalographie und
verbesserte Differenzierung der Epilepsie
¾ Berühmte Persönlichkeiten mit Epilepsie:
¾ Caesar, Newton, Flaubert, Dostojewski, Berlioz, Paganini, van
Gogh, Nobel, Lenin, Helmholtz
EEG
¾ “Goldstandard” zur eindeutigen Identifikation
epileptischer Aktivität: Korrelation des beobachteten
konvulsiven Verhaltens mit synchronisierter
elektrischer Hirnaktivität
¾ detektiert relativ unauffällige petit-mal Anfälle
¾ detektiert inter-iktuale Ereignisse, die Indikatoren
sind für den Zustand der neuronalen Übererregbarkeit
¾ kombiniert mit der Gabe von Antikonvulsiva, ist es
ein Werkzeug zur Überprüfung der Wirksamkeit des
Medikaments
Diagnostik EEG
Klassifikation epileptischer Anfälle
•Fokale (partielle) Anfälle:
¾ einfach-fokale Anfälle (Bewußtsein erhalten)
¾ komplex-fokale Anfälle (Bewußtsein gestört)
¾ fokale Anfälle mit sekundärer Generalisierung
•Generalisierte Anfälle:
¾ altersgebundene kleine Anfälle (Petit mal)
¾ Grand mal (tonisch-klonisch)
•Unklassifizierbare epileptische Anfälle
Einfache fokale Anfälle
charakteristisch:
¾
¾
¾
¾
zeigen keine Bewußtseinsstörung
haben einen umschriebenen kortikalen Ursprung
EEG-Veränderungen sind herdförmig
Symptome treten unilateral auf (z.B. motorische,
sensible, sensorische …), entsprechen der
kortikalen Ausbreitung und können sekundär
generalisieren (als Initialsymptom eines tonischklonischen Anfalls werden sie als Aura bezeichnet
Einfach fokale Anfälle
Komplex-fokale (psychomotorische)
Anfälle
charakteristisch:
¾ gehen mit Bewußtseinsstörung einher
(Dämmerzustand)
¾ motorische Symptome in Form von
Automatismen bzw. stereotypen
Bewegungsabläufen (Kauen, Schmatzen, Nesteln,
Hantieren)
¾ vegetative Symptome (Blässe, Tachykardien,
Speichelfluß)
¾ EEG: “Temporallappenepilepsie”
¾ für das Anfallsereignis besteht Amnesie
Komplex-fokale (psychomotorische)
Anfälle
Generalisierte Anfälle
• Grand-mal (tonisch-klonisch) Anfälle
• Altersgebundene kleine Anfälle (Petit-mal)
¾
¾
¾
¾
BNS-Krämpfe
akinetische (myoklonisch-astatische) Anfälle
Absencen (Pyknolepsie)
Myoklonische Anfälle
charakteristisch:
¾
¾
¾
¾
sind von Bewußtseinsverlust begleitet
motorische Symptome treten bilateral auf
EEG-Veränderungen treten über beiden Hemisphären auf
für das Anfallsereignis besteht Amnesie
Altersgebundene kleine Anfälle
Absencen
Generalisierter Anfall
Fragen
• Welche Anfallstypen unterscheidet man?
• Was unterscheidet einen Petit-mal von
einem Grand-mal Anfall?
• Wie kann man einen epileptischen Anfall
erkennen?
Struktur der Vorlesung
• Was ist Epilepsie?
– Definition
– Klinische Symptome, EEG
– Klassifikationen
• Neurobiologie
– Ursachen
– Involvierte Hirnstrukturen
– Behandlungsmöglichkeiten
• Beteiligte Gene
– Humanstudien
– Tiermodelle
– Genetische Mausmodelle
Ursachen für epileptische Anfälle
¾ unspezifische prädisponierende Faktoren:
individuelle Schwelle (genetische Faktoren, Alter,
zirkadiane Rhythmen, Drogen, Alkohol…)
¾ spezifische epileptogene Faktoren: pathologische
Synchronisation von Neuronen (genetische
Störungen, Läsionen, Tumoren, Fehlbildungen)
¾ Anfallstrigger: endogene oder exogene Stimuli
Ursachen
epileptischer
Anfälle
Fragen
• Welche neurobiologischen Grundlagen
können epileptische Anfälle haben?
• Wie kann man Epilepsien behandeln?
• Welche möglichen Ursachen gibt es für
pharmakoresistente Epilepsien?
Struktur der Vorlesung
• Was ist Epilepsie?
– Definition
– Klinische Symptome, EEG
– Klassifikationen
• Neurobiologie
– Ursachen
– Involvierte Hirnstrukturen
– Behandlungsmöglichkeiten
• Beteiligte Gene
– Humanstudien
– Tiermodelle
– Genetische Mausmodelle
Epilepsie - Genetik
¾ genetische Faktoren spielen eine Rolle bei der
Pathogenese von ca. 50% aller Epilepsie-Fälle
¾ einige Gene für seltenere, monogene
Epilepsieformen sind bereits identifiziert (humane
Bindungs- oder Assoziationsstudien)
¾ epileptogene Faktoren sind konserviert in
Säugetieren, so daß Mausmodelle sehr gut beitragen
können zu:
• Identifikation oder Überprüfung von Kandidatengenen für
Epilepsie
• Entwicklung antikonvulsiver Medikamente
Epilepsie - Genetik
¾ alle bisher identifizierten humanen Epilepsie-Gene sind
autosomal dominant und kodieren “missense” Mutationen
(Ausnahme: SCN1A - Nullmutation)
¾ Patienten sind i.d.R. heterozygot für das Krankheitsgen
¾ “knock-in” der missense Mutation in Mausmodell –
Überprüfung der Epilepsie-Symptomatik und neurobiologische
Analyse
¾ homozygote Mäuse können weitere Informationen liefern für
das Verständnis des pathologischen Mechanismus
von: Y. Yang & W. N. Frankel in: Recent Advances in Epilepsy Research 2004
von R.S. Puranam & J.O. McNamara: Seizure disorders in mutant mice: relevance to human epilepsy
von R.S. Puranam & J.O. McNamara: Seizure disorders in mutant mice: relevance to human epilepsy
Epileptische Anfälle bei der Maus
Beobachtbare Verhaltensweisen
während eines Anfalls:
spontaner partieller Anfall
spontaner
generalisierter
tonisch-klonischer
Anfall
Anfallsaktivität ist:
-episodisch, d.h. unterbrochen von normaler
Aktivität
-nicht unterbrechbar durch externe Stimuli
a) exzessives Putzen
(„Paddeln“ mit den Pfoten)
b) Aufrichten und Umfallen
c) exzessiver Speichelfluß
oder Koten
d) dorsale oder ventrale
Nackenbeugung
e) tonisch-klonische Kieferoder Extremitätenstreckung
f) wildes Rennen und Springen
g) tonische Streckung der
Hinterbeine, bisweilen
endend mit dem Tod
Induzierte Anfälle bei der Maus
¾ bei Mausmutanten mit erhöhter Anfallsneigung können Anfälle z.T.
bereits durch das Handling hervorgerufen werden
¾ zur Quantifizierung der Anfallsneigung werden folgende Methoden
verwendet:
•
ECT: Electroconvulsive Threshold
•
Chemokonvulsiva
-
•
exzitatorische Aminosäuren (z.B…)
Gamma-Hydroxybutyrat (GHB)
Beta-Carboline
Nikotin
Pentylentetrazol (PTZ)
Bicucullin
Audiogenic Seizures (AGS)
Induzierte Anfälle bei der Maus: PTZ
¾ PTZ: nicht-kompetitiver GABAA-Rezeptor Antagonist
¾ PTZ-induzierte Anfälle: beliebtestes pharmakologisches
Antikonvulsiva-Testmodell
¾ reduziert neuronale Inhibition
¾ verursacht keinen Zelltod
¾ induziert wahrscheinlich sekundäre Epilepsien
¾ muß nicht metabolisiert werden, um zu wirken
¾ hat eine schnelle Umsatz-Rate
Induzierte Anfälle bei der Maus: PTZ
¾ subkutan injiziert, verursacht PTZ eine dosisabhängige
Progression der Verhaltensweisen:
• myoklonische Zuckungen
• minimale klonische Anfälle
• tonische Extension der Vorder- und Hinterbeine
¾ PTZ beschleunigt typischerweise den Beginn eines Anfalls
oder verstärkt ihn
¾ PTZ-Dosis-Wirkungskurve liefert ein quantifizierbares Maß für
die Detektion verringerter Krampfschwellen in genetischen
Mausmodellen für Epilepsie
von: Y. Yang & W. N. Frankel in: Recent Advances in Epilepsy Research 2004
KCNQ2 und KCNQ3
¾ kodieren für die Haupt-Untereinheiten des M-Kanals
¾ M-Kanal: spannungsabhängiger Kalium-Kanal
•
inhibierbar durch Aktivierung muskarinerger Acetylcholin-Rezeptoren
(Name!)
•
aktivierbar bei einem Membranpotential unterhalb der Feuerschwelle
•
daher besonders interessant, weil offensichtlich wichtig für die Kontrolle
der neuronalen Erregbarkeit
•
Aktivität stabilisiert das Membranpotential und verhindert spiking
¾ Mutationen führen zu BFNC: benign familial neonatal convulsions
•
häufige Krampfanfälle in den ersten Lebenswochen, die nach einigen
Wochen verschwinden
•
Risiko für im Jugend- und Erwachsenenalter wiederkehrende Anfälle:
ca. 10 - 16%
KCNQ2 Mutanten
KCNQ2 Mutanten
KCNQ2 Mutanten
Schlußfolgerungen KCNQ2
¾ das Mausmodell reproduziert die Haupt-Phänotypen des
humanen Phänotyps bei BFNC
¾ es zeigt die Bedeutung von KCNQ/M-Kanälen für BNFC
¾ es zeigt die Bedeutung von KCNQ/M-Kanälen für die
charakteristischen elektrophysiologischen Eigenschaften
hippokampaler Pyramidenzellen – die höchstwahrscheinlich
wesentlich sind für hippokampus-abhängiges Lernen
¾ der Unterschied zwischen Mutanten und WDW-Mutanten zeigt,
daß die Hyperaktivität und die häufigen partiellen Anfälle im
Zusammenhang stehen mit morphologischen Veränderungen
im Hippokampus (Mutanten),
¾ während die Lern- und Gedächtnisdefizite abhängig sind von
morphologisch unauffälligen, nur elektrophysiologisch
meßbaren Defekten in der hippokampalen Netzwerk-Aktivität
(WDW-Mutanten)
Schlußfolgerungen
¾ Erkenntnisse aus der Epilepsie-Forschung mit Hilfe
von Mausmodellen:
• Identifizierung der großen Anzahl von Epilepsie-relevanten
Genen in der Maus liefert eine lange Liste von
Kandidatengenen für Epilepsie-relevante Gene beim
Menschen
• Fehlfunktionen in Proteinen mit einer enormen funktionellen
Diversität können zu neuronaler Übererregbarkeit führen –
viel mehr als erwartet
• Größere genetische Heterogenität als erwartet: bereits 5
Gene sind bekannt, die zu dem relativ eng definierten
Phänotyp der Absence-Anfälle führen
Fragen
• Welche genetischen Faktoren können zur
Epilepsie führen?
• Wie können Krampfanfälle im Tiermodell
ausgelöst werden?
• Was sind M-Kanäle?
The End
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