NMR-06 - Longitudinale-Relaxation-Messung

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Multipuls-NMR in der Organischen Chemie
Die longitudinale Relaxation
Die longitudinale Relaxation beschreibt die Rückkehr des durch einen Messpuls
gestörten Populationsverhältnisses eines Ensembles von Kernspins zum ursprünglichen Boltzmann-Gleichgewicht.
z
Die durch den Puls erzeugt Magnetisierung in
M0
der longitudinalen Ebene, Mz, kehrt in einem
B1
Vorgang 1. Ordnung mit der Zeitkonstanten
1/T1 = R1 zu M0, der Ausgangsmagnetisierung,
zurück:
y´
dMz/dt = -(Mz - M0)/T1
Mz
M
x´
T1: longitudinale Spin-Gitter-Relaxationszeit;
R1: longitudinale Spin-Gitter-Relaxationsrate.
Diese zeitliche Änderung der Magnetisierung findet in der longitudinalen, der zRichtung statt und ist damit für den Detektor, der nur Magnetisierung in der
transversalen y´-Richtung registrieren kann, nicht beobachtbar.
NMR-6 – Longitudinale Relaxation - Messung
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Andererseits kann die Kenntnis der T1-Zeiten sehr informativ sein; sie ist bei der
Parametrisierung vieler Multipuls-NMR-Experimente sogar Voraussetzung für
eine Optimierung der Pulsfolgen.
Die longitudinale Relaxation spielt aus folgenden Gründen eine wichtige, leider
oft unterschätzte Rolle:
(1) Die Relaxationszeit T1 ist einer der ganz wenigen Parameter, der Aussagen
über das Bewegungsverhalten der untersuchten Moleküle in Lösung liefert.
(2) In den meisten organischen Molekülen dominiert der Dipol-Dipol-Wechselwirkungs-Mechanismus die Spin-Gitter-Relaxation. Dieser ist die physikalische Basis der Kern-Overhauser-Effekts und unmittelbar mit dieser verknüpft.
(3) In zahlreichen Pulsfolgen müssen Wartezeiten für das Ausrelaxieren der
Spins vor dem nächsten Puls eingehalten werden. Für deren optimale Länge sollte man eine Vorstellung über T1 haben (ms, s, min?). Wählt man diesen Parameter zu kurz, kann das ganze Experiment scheitern, wählt man
ihn zu lang, wird unnötig viel Spektrometerzeit verschwendet.
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Messung von T 1-Zeiten
Zur Messung der longitudinalen Relaxation muss die Zeitentwicklung der z-Komponente der Magnetisierung nach einem Störpuls beobachtet werden. Da dies
direkt aber nicht möglich ist, muss zu vorher ausgewählten Zeitpunkten die zMagnetisierung in beobachtbare transverale Magnetisierung überführt werden.
Dies gelingt jeweils nur in Einzelexperimenten; die Messung von T1-Zeiten erfordert also eine ganze Serie von Einzelexperimenten.
Die älteste und auch heute noch am meisten angewendete, obwohl keineswegs
immer günstigste Methode ist die „Inversion-Recovery-Fourier-Transform“(IRFT)-Methode.
π/2
π
Relaxationsdelay
τ
t
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Hierbei wird zunächst die Magnetisierung M0 durch einen 1800-(π)-Puls inveriert. Danach wird ein bestimmtes Zeitintervall abgewartet, während dessen sich
die Magnetisierung von Mτ in Richtung auf +M0 „erholt“. Ein anschließender
900-Messpuls kippt die zum Zeitpunkt τ vorliegende longitudinale Magnetisierung M τ auf die y´-Achse, sodass sie als FID registriert werden kann. Die Fläche
unter dem nach FT erhaltenen Lorentzsignal ist dann ein relatives Mass für M τ.
Normalerweise ist das bei einem einzigen Durchlauf erzielte Signal-Rausch-Verhältnis nicht ausreichend; das Experiment muss mehrfach wiederholt und das
Ergebnis (FID) akkumuliert werden. Hierbei ist es aber von großer Bedeutung,
dass jeweils vor dem 1800-Puls alle Kern vollständig ausrelaxiert sind, denn
sonst würden das folgende Experiment nur noch einen Bruchteil der Magnetisierung erfassen.
Aus diesem Grund sollte auf jeden Fall ein „Relaxationsdelay“ eingelegt werden,
dass mindestens 5·T1 des am langsamsten relaxierenden Kerns entspricht. Dabei ist oft das Dilemma, dass man diesen Wert vorher ja nicht kennt. Mit etwas
Erfahrung jedoch kann man einen „guten Schätzwert“ ermitteln und einsetzen.
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Vektordarstellung des IRFT-Experiments:
EXPERIMENT 1:
z
z
M0
M0
Mz
π
y´
x´
y´
x´
τ1
z
z
M0
M0
y´
x´
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M1
π/2
FT
y´
x´
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EXPERIMENT 2:
z
z
M0
M0
Mz
π
y´
x´
y´
x´
τ2
z
z
M0
M0
y´
x´
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M2 = 0
π/2
FT
y´
x´
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EXPERIMENT 3:
z
z
M0
M0
Mz
π
y´
x´
y´
x´
τ3
z
z
M0
M0
y´
x´
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M3
π/2
FT
y´
x´
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EXPERIMENT 4:
z
z
M0
M0
Mz
π
y´
x´
y´
x´
τ4
z
z
M0
M0
M4
y´
x´
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π/2
FT
y´
x´
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Beispiel: 13C-IRFT-Experiment von Adamantan (2 Signale, CH und CH2)
CH2: δ = 37.8
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CH: δ = 28.5
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Die Auswertung kann grafisch erfolgen:
dMz/dt = -(Mz - M0)/T1
M − Mτ
ln( M 0 − M τ ) − ln 2 M 0 = − τ ⇒ ln 0
=−τ
T1
T1
2M 0
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Die IRFT-Methode ist leider extrem zeitaufwändig, weil vor jeder Wiederholung
eine völlige Relaxation abgewartet werden muss. Bei für 13C typischen T1-Zeiten von 1 bis 30 s sind das einige Minuten pro Einzelmessung! Sind pro τ-Wert
32 Akkumulationen notwendig, kommen leicht einigen Stunden zusammen. Darüber hinaus sollten für eine zuverlässige Messung mindestens 10-20 Experimente durchgeführt werden, insbesondere einige mit sehr langen τ-Zeiten, weil
es sehr wichtig ist, einen zuverlässigen Wert für M0 zu erhalten.
Zum Glück reicht es häufig, eine Abschätzung durchführen, indem man über die
Nulldurchgangszeiten τ0 (Mτ = 0) geht:
ln ½ = τ0/T1
T 1 = τ0/ln 2 τ 0/0.69
Eine experimentelle Möglichkeit, Messzeit einzusparen, ist der Verzicht auf den
1800-Störpuls, der durch einen 900-Puls ersetzt werden kann. Allerdings ist es
hier unabdingbar, unmittelbar danach einen sog. „Homospoil“-Puls auszuführen, der für kurze Zeit die Homogenität des B0-Feldes stört und damit zu einer
praktisch augenblicklichen transversalen Ausrelaxation führt. Dies ist sehr wichtig, weil sonst der Messpuls die durch den Störpuls erzeugte transversale
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Magnetisierung in nicht erwünschte longitudinale Magnetisierung überführen
würde.
In der 900-900-Variante wird also die gesamte Magnetisierung zerstört und der
Neuaufbau der longitudinalen beobachtet.
Es gibt noch andere Messmethoden, z.B. „Progressive Saturation“ (PSFT) oder
„Saturation Recovery“, die aber wegen ihrer heute nur noch relativ geringen
praktischen Bedeutung hier nicht weiter diskutiert werden sollen.
Literatur
E. Breitmaier, K.-H. Spohn, S. Berger, Angew. Chem. 1975, 87, 152.
G. C. Levy, Acc. Chem. Res. 1973, 6, 161.
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Beispiel: T1 des 77Se-Kerns von 2-Phenylselenenylpropan
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