Therapieleitfaden Standardisierte Diagnostik und Therapie des

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Therapieleitfaden
Standardisierte Diagnostik und Therapie
des Magenkarzinoms
Autoren
Frau Dr. V. Ghilescu
Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, Klinikum Heidenheim
PD Dr. M. Grünewald
Medizinische Klinik I, Klinikum Heidenheim
Prof. Dr. H. Hebart
Zentrum für Innere Medizin, Klinikum Schwäbisch Gmünd, Stauferklinik
Prof. Dr. A. Imdahl (federführend)
Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Klinikum Heidenheim
Prof. Dr. G. Kleber
Medizinische Klinik I, Ostalb-Klinikum Aalen
Prof. Dr. Roscher
Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie, Klinikum Schwäbisch Gmünd, Stauferklinik
Prof. Dr. M. Siech
Klinik für Allgemein-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Ostalb-Klinikum Aalen
Prof. Dr. B. Ultsch,
Abteilung für Chirurgie, Virngrund-Klinik Ellwangen
Dr. E. Wagner-Thiessen,
Pathologisches Institut, Schwäbisch Gmünd
Postanschrift aller Autoren
Onkologischer Schwerpunkt Ostwürttemberg
Schloßhaustraße 100
89522 Heidenheim
Quellenangaben
Anlehnung an die Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft
Erstellt Juli 2007
Aktualisierungszeitraum alle 2 Jahre
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
1.
Definition Magenkarzinom
Adeno-Karzinom mit den häufigsten Formen diffuses Karzinom oder Karzinom
vom Intestinalen Typ (Lauren) im Magen gelegen, - ausgenommen
Cardiakarzinom Typ I (nach Siewert) mit Haupttumormasse im distalen
Ösophagus.
2.
Prätherapeutische Diagnostik
Klinischer Befund mit detailliertem (supraclavikulärem) Lymphknotenstatus
Gastroskopie mit multiplen PE’s (6-10)
Histologische Sicherung mit Differenzierung: Diffuser oder intestinaler Typ
nach Lauren
Endosonographie
Ultraschall Abdomen
CT-Abdomen
Röntgen-Thorax
CT-Thorax bei begründetem Verdacht auf Lungenmetastasen
Laparoskopie vor neoadjuvantem Konzept
Tumormarker (mindestens einer der Marker CA 19-9, CEA)
3.
Prätherapeutische klinische TNM-Klassifikation
TX
T0
Tis
T4
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
Kein Anhalt für Primärtumor
Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne
Infiltration der Lamina propria
Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa
T1s
Invasion der Lamina propria
T1sm
Invasion der Submukosa
Tumor infiltriert Muscularis propria oder Subserosa
T2a
Tumor infiltriert Muscularis propria
T2b
Tumor infiltriert Subserosa
(einschließlich des Halteapparates)
Tumor penetriert Serosa (viszerales Peritoneum),
infiltriert aber nicht benachbarte Strukturen
Tumor infiltriert benachbarte Strukturen
NX
N0
N1
N2
N3
Lymphknoten nicht beurteilbar
Keine regionären Lymphknoten
Metastasen in 1-6 regionären Lymphknoten
Metastasen in 7-15 regionären Lymphknoten
Metastasen in mehr als 15 regionären Lymphknoten
MX
M0
M1
Fernmetastasen nicht beurteilbar
Keine Fernmetastasen
Fernmetastasen diagnostiziert
1a
Nur in nicht-regionären Lymphknoten
1b
Metastasen an anderer Lokalisation als Peritoneum
und Pleura
1c
Metastasen an Peritoneum und Pleura
T1
T2
T3
2
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
Grading
G1
G2
G3
G4
gut differenziert
mäßig differenziert
schlecht differenziert
undifferenziert
Stadiengruppierung
Stadium 0
Tis
N0
M0
Stadium IA
T1
N0
M0
Stadium IB
T1
T2
N1
N0
M0
M0
Stadium II
T1
T2
T3
N2
N1
N0
M0
M0
M0
Stadium IIIA
T2
T3
T4
N2
N1
N0
M0
M0
M0
Stadium IIIB
T3
N2
M0
Stadium IV
T4
T1,T2,T3
jedes T
N1,N2,N3
N3
jedes N
M0
M0
M1
Die pT-, pN- und pM-Kategorien entsprechen den T-, N- und M-Kategorien.
Für die Einschätzung der pN-Kategorie müssen mindestens 15 regionäre
Lymphknoten untersucht werden.
UICC, TNM-Klassifikation; 6 Auflage, 2003
modifiziert nach Junginger et al (2002)
3
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
c-Stadien
Tis N0 M0
Endoskopische
Mukosaresektion (EMR)
T1m N0 M0
EMR
T1sm N0 M0
Operation, ggf. endoskop.
assistiert laparoskopisch
T1 N+ M0
Bei Befall der Submukosa
Operation
Operation
T2 N0 M0
Bei diffusem Typ:
3 Zyklen ECF$#
Chirurgische Therapie
Bei Ansprechen auf präop.
Therapie: 3 Zyklen ECF$
T2 N1-3 M0
T3 N0-3 M0
T4 N0-3 M0
3 Zyklen ECF*#
Gastrektomie
Bei Ansprechen auf präop.
Therapie: 3 Zyklen ECF*
T1-4 N1-3 M1
ohne lok. Komplik.
Primäre Chemotherapie Studienanschluss wünschenswert
T1-4 N1-3 M1
Blutung/Stenose
$
: nach individueller Beratung ohne Studienevidenz
*: gemäß Cunningham NEJM 2006
Chirurgische Therapie
Chemotherapie (s.o.)
Nach kurativ intendierter R1Resektion, L1, V1, schlechtes Verh.
N+/N ges.,
T4: Radio-/Chemotherapie&
&
: gemäß MacDonald NEJM 2001
#: frühzeitiges Überprüfung des Verlaufs
4
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
4.
Standardisierte Therapie
Magenfrühkarzinom
Sofern die Diagnostik ein Magenfrühkarzinom ergibt (cT1) und eine
Multizentrizität ausgeschlossen ist wird ein endoskopisches Verfahren
angewandt zur lokalen Excision bei einem Karzinom ≤ 3 cm Ø. (Nach
japanischen Kriterien verschieben sich diese Grenzen weiter nach oben).
Sofern es sich um ein Frühkarzinom vom Mukosatyp handelt ist eine weitere
Therapie nicht erforderlich. Beim Karzinom vom Submukosatyp sollte die
Infiltrationstiefe < 0,5 mm liegen, andernfalls ist mit einem deutlich erhöhten
Risiko der Lymphknotenmetastasierung zu rechnen. In derartigen Fällen muss
konventionell nachoperiert werden.
Lokal fortgeschrittenes Magenkarzinom
Neoadjuvante Therapie
Liegt eine cT3 oder cT4 cM0 Situation vor bei einem Patienten im
ausreichenden AZ (Karnofsky ≥ 80 %) kann eine präoperative Chemotherapie
erfolgen, derzeit nach dem MAGIC Protokoll. Sofern eine neoadjuvante
Therapie geplant wird, ist durch eine prätherapeutische Staginglaparoskopie
eine Peritonealkarzinose auszuschließen. In einer cT2 cM0 Situation kann bei
diffusem Karzinomtyp ebenfalls eine neoadjuvante Therapie erwogen werden.
Die neoadjuvante Therapie wird derzeit nach dem MAGIC Protokoll
durchgeführt (Cunningham et al 2006; N Engl J Med 355: 11-20). Die
Chemotherapie besteht aus drei präoperativen Zyklen mit 50 mg/m2 Epirubicin
(i.v. Bolus an Tag 1), 60 mg/m2 Cisplatin (i.v. Tag 1), Fluorouracil 200 mg/m2
täglich für 21 Tage kontinuierlicher Infusion (Port). Während des 2. Zyklus (in
Therapiewoche 5 oder 6) erfolgt ein Re-Staging durch Gastroskopie und CTAbdomen. Bei Tumorprogress ist ein Abbruch der Therapie mit unmittelbar
anschließender Operation zu diskutieren. Angesichts der hohen
Thrombogenität des Ansatzes ist die Indikation zu einer prophylaktischen
Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin zu erwägen.
Die Chirurgische Therapie folgt nach dem 3. Therapiezyklus (4 Wochen nach
Abschluss). Vier bis 6 Wochen nach Operation werden erneut drei
Therapiezyklen appliziert.
5
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
RECIST-Remissionskriterien
Komplette Remission (CR)
Vollständige Rückbildung aller Tumormanifestationen; dokumentiert durch 2
Untersuchungen im Abstand von mindestens 4 Wochen, Normalisierung der
Tumormarker.
Partielle Remission (PR)
Größenabnahme der Summe der Flächenmasse um mindestens 50%. Bei nur
eindimensional messbaren Läsionen Reduktion der Summe der Längenmaße
um >30%. Dokumentiert durch 2 Kontrolluntersuchungen mindestens 4
Wochen auseinander liegend. Kein Größer werden einzelner Läsionen, keine
neuen Läsionen.
No Change (NC)
Keine Größenänderung („stable disease“) der Tumorparameter für mindestens
4 Wochen oder Tumorreduktion um weniger als 50% oder Größenzunahme
um <20% ohne Auftreten neuer Metastasen. Die Feststellung der No Change
Kategorie bedarf einer mindestens 6 Wochen langen Therapie.
Progressive Disease (PD)
Auftreten neuer Tumorläsionen oder mehr als 20% Größenzunahme der
Gesamtsumme des längsten Tumordurchmessers.
Therasse P, et al. JNCI 2000; 92:205-216
6
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
Fortgeschrittenes Magenkarzinom –
Chirurgische Therapie mit kurativem Ziel
Folgende operative Verfahren stehen zur Verfügung:
1. Gastrektomie mit systematischer Lymphadenektomie (Kompartment II)
2. Subtotale Magenresektion (3/4 oder 4/5 Resektion) mit systematischer
Lymphadenektomie (Kompartment II)
Die Studienlage zur Lymphadenektomie des zweiten Kompartments ist nicht
eindeutig, gleichwohl sprechen viele Daten für einen Vorteil für Patienten im
Stadium UICC II und IIIa, daher ist für die kurative Zielsetzung eine
systematische Lymphadenektomie empfehlenswert.
Die Rekonstruktion nach Gastrektomie erfolgt nach Präferenz des Operateurs,
da Lebensqualitätsstudien keine eindeutigen Abgrenzungen zwischen den
Verfahren zulassen.
Die Rekonstruktion nach subtotaler Magenresektion erfolgt in der Technik
nach Billroth II oder Roux-Y, nur in Ausnahmen nach Billroth I.
Operationsvorbereitung
•
•
•
perioperative Antibiotikaprophylaxe (Cepholosporin 3. Generation /
Metronidazol)
Eine selektive Darmdekontamination ist nicht erforderlich.
Eine Darmspülung ist nicht notwendig, Klysma präoperativ.
7
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
5.
Operatives Vorgehen
Endoskopische Mukosaresektion
Die jeweilige Technik bleibt der Erfahrung des Endoskopeurs vorbehalten. Es
muss sichergestellt sein, dass der Tumor komplett entfernt wird und dadurch
eine sichere Beurteilung der lateralen und tiefen Absetzungsränder durch den
Pathologen erfolgen kann.
Gastrektomie
Das Erfordernis der Gastrektomie ergibt sich aus den notwendigen
Sicherheitsabständen. Beim diffusen Typ nach Lauren sind 8-10 cm
notwendig (oralwärts) und beim intestinalen Typ 4-5 cm.
Die Gastrektomie sollte aus onkologischen Gründen mit der Lymphadenektomie en bloc des zweiten Kompartments (A. hepatica, Truncus
coeliacus, A. lienalis) erfolgen. Die Lymphadenektomie des dritten
Kompartments ist nicht zwingend, da für den onkologischen Nutzen
ausreichende Evidenz fehlt.
Eine Splenektomie en principe ist nicht notwendig, sondern sollte nur erfolgen,
sofern die Milzhiluslymphknoten eindeutig befallen sind, bzw. bei großem
Karzinom der großen Kurvatur. Sofern das Querkolon miteinbezogen ist,
erfolgt eine erweiterte Gastrektomie unter Mitnahme der befallenen Abschnitte
en bloc. Die oralen und aboralen Resektionsränder werden schnellhistologisch
auf Tumorfreiheit untersucht. Ob im Fall eines positiven Absetzungsrandes im
Bulbus duodeni eine zusätzliche Duodenumresektion im Sinne einer
Whippleschen Operation erfolgen soll, bleibt im Ermessen des Operateurs.
Bei mikroskopischem Tumorbefall oralwärts sollte der distale Ösophagus
mitreseziert werden.
Die multiviszerale Resektion bei Infiltration von Nachbarorganen (Leber,
Kolon, Zwerchfell, Pankreas, Milz) ist dann sinnvoll, wenn eine R0 Situation
erreicht werden kann. Diese Beurteilung obliegt der Erfahrung des
Operateurs.
Magenresektion
Sofern der histologische Typ und die notwendigen Sicherheitsabstände eine
Magenresektion zulassen ist dieser der Vorzug vor einer Gastrektomie zu
geben, da die Lebensqualität bei onkologisch unveränderter Situation nach
Magenresektion vorteilhafter ist. Eindeutige Unterschiede zwischen einer 2/3
oder einer 4/5 Resektion sind nicht belegt. Auch für die gängigen
Rekonstruktionsverfahren nach Roux oder Billroth II sind keine Unterschiede
evident. Eine Billroth I Rekonstruktion ist häufiger von einem
Anastomosenrezidiv gefolgt.
8
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
6.
Postoperative patho-histologische Diagnostik
Nach radikaler Tumorresektion sind für die weitere Prognoseabschätzung
Aussagen über die loco-regionäre Vollständigkeit der Tumorentfernung (RKlassifikation), die Invasionstiefe des Tumors (pT-Klassifikation), den
Lymphknotenstatus (pN-Klassifikation) notwendig. Erforderlich ist eine
Aussage über die Anzahl der untersuchten Lymphknoten (Minimum 15
untersuchte Lymphknoten). Nach neoadjuvanter Therapie ist ein
histologisches Regressionsgrading wünschenswert.
Die Beurteilung der Histologischen Regression kann gemäß der Jananese
Research Society for Gastric Cancer ( JRSGC ) erfolgen.
(Siehe auch Anhang).
Regressionsgrade nach JRSGC ( 1995 )
Grad O (keine Regression)
keine Veränderungen; weder Nekrosen noch zelluläre noch strukturelle
Veränderungen.
(Als zelluläre Veränderungen gelten Ballonierung oder Vakuolisierung der
Zellen und Kernpyknosen, als strukturelle Veränderungen Desorganisation der
drüsigen Strukturen).
Grad 1 (geringe Regression)
Nekrose oder Verschwinden des Tumors und / oder zelluläre oder strukturelle
Veränderungen in weniger als 1/3 des Tumors ( Grad 1a ) oder mehr als 1/3
aber nicht in 2/3 (Grad 1b).
Grad 2 (mäßiggradige Regression)
Nekrose oder Verschwinden des Tumors in mehr als 2/3 des Tumors, aber
noch vitale Tumorzellen erkennbar.
Grad 3 (ausgeprägte Regression)
Tumor komplett nekrostisch und / oder durch Fibrose ersetzt, keine vitalen
Tumorzellen nachweisbar.
7.
Chirurgische Therapie des Tumorrezidivs
Eine chirurgische Therapie eines Tumorrezidivs unter kurativer Zielsetzung ist
allenfalls in Ausnahmen möglich. Zur Palliation bieten sich in Ausnahmefällen
Umgehungsanastomosen an.
9
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
8.
Fernmetastasen
Die Fernmetastasen sind am häufigsten in Leber, Peritoneum und Lunge
nachzuweisen.
Bei
isolierten
Leberoder
Lungenmetastasen
besteht
eine
Operationsindikation nur in Ausnahmen (individuelle Entscheidung), da eine
onkologische Evidenz nicht besteht.
Eine Indikation zur neoadjuvanten Therapie in der M1-Situation gibt es derzeit
nicht.
9.
Adjuvante Therapie
Eine große amerikanische Multizenter Studie hat den Vorteil einer adjuvanten
Radio-Chemotherapie nach Gastrektomie belegt. Diese Studie gab Anlass, in
den USA eine postoperative adjuvante Radio-Chemotherapie standardmäßig
durchzuführen. In Deutschland hat sich diese Therapie bislang nicht
durchgesetzt, denn die Analyse der amerikanischen Studie belegt, dass nur
ein Bruchteil der Patienten eine Lymphadenektomie des zweiten
Kompartments erhielt. Hieraus folgt, dass in Deutschland derzeit eine
adjuvante Radio-Chemotherapie beim operierten Magenkarzinom nur erfolgen
soll, sofern eine ausreichende Lymphadenektomie nicht erfolgt ist und / oder
eine L1, V1 und R1-Resektion vorliegt und / oder >20% der untersuchten
Lymphknoten befallen waren. Für diese Patienten bietet sich eine RadioChemotherapie nach dem MacDonald Schema an (MacDonald JS et al 2001
NEJM 345:725-730, 2001):
425 mg 5-Fluorouracil/m2/Tag und 20 mg Leucovorin/m2/Tag für 5 Tage
jeweils als Bolusgabe, dann reduzierte Chemotherapie parallel zur
Bestrahlung (1,8 Gy/Tag, 5 x pro Woche bis 45 Gy). Nach Abschluss der
Radiotherapie erneut zweimal ein 5-Tageszyklus mit 5-FU/Leucovorin
(Dosierung s.o.) in einmonatigem Abstand. Eine alleinige adjuvante
Chemotherapie außerhalb von Studien ist momentan nicht gerechtfertigt.
10
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
10.
Palliative Chemotherapie
Eine Indikation zur Durchführung einer palliativen Chemotherapie besteht bei
inoperablem, R2-operiertem und / oder metastasiertem Magenkarzinom.
Therapiebeginn sollte bei Diagnosestellung sein, wegen des raschen
Spontanverlaufes (Lebenserwartung unbehandelter Patienten < 4 Monate;
Verdopplung der Lebenszeit in Studien BSC versus Chemotherapie sowie
Verbesserung auch der QoL). Voraussetzungen sind evaluierbare
Tumorparameter, ausreichender Allgemeinzustand (Karnofsky-Index > 50%)
und das Fehlen schwerer Begleiterkrankungen. Bei nicht-evaluierbaren
Tumorparametern
Individualentscheid
unter
Berücksichtigung
von
Symptomen, Laborparametern und gegebenenfalls perioperativen Befunden
(z.B. gesicherte Peritonealkarzinose); eine sofortige Therapie nach R1Resektion ist dagegen per se nicht indiziert.
Wegen der überlegenen Remissions- und Überlebenszeitdaten, ist eine
Behandlung mit früher üblichen Protokollen (FAM, FAMTX) nicht mehr
zeitgemäß. Ebenso ist die Behandlung mit Mono-Substanzen wegen deutlich
geringerer Wirksamkeit nur in Einzelfällen zu überlegen. Als
Behandlungsstandard gilt die Therapie mit infusionalem 5-FU, kombiniert mit
einem Platinderivat.
Das
PLF
Schema
ist
eine
übliche
Kombinationstherapie
zu
Behandlungsbeginn, Remissionen können in 60% der Patienten erwartet
werden. Eine weitere hocheffektive Therapie stellt eine Kombination von
Docetaxel, Cisplatin und infusionales 5-FU, das DCF-Schema dar.
Bei Kontraindikationen gegen Cisplatin kann Oxaliplatin eingesetzt werden
(FLO Protokoll), bei mindestens gleichwertiger Wirksamkeit. Bei hoher
Therapie-assoziierter Toxizität stellen FUFIRI und FOLFIRI gut verträgliche
Alternativen mit vergleichbarer Wirksamkeit dar.
Das ECF Schema sollte der neoadjuvanten / adjuvanten Indikation (s.o.)
vorbehalten bleiben, da die Behandlung für den Patienten aufgrund der
langen, kontinuierlichen Therapiedauer belastend ist und dies in palliativer
Therapieindikation nicht zu rechtfertigen ist, zumal im direkten Vergleich das
einfach zu verabreichende EOX Protokoll signifikant wirksamer war
(angeführte Protokolle – s.u.).
Grundsätzlich wird die palliative Chemotherapie bis zum Erreichen eines
maximalen Therapieansprechens und gegebenenfalls nachfolgender
Konsolidierung fortgeführt, üblicherweise nicht länger als 4-6 Monate. Bei
Progress unter Therapie und / oder schwerwiegender Toxizität muss eine
Dosisreduktion, ein Therapiewechsel oder ein Behandlungsabbruch erwogen
werden.
11
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
PLF (Wilke H et al, 1996, Ann Oncol 7, Suppl.2, A2130)
Folinsäure
500 mg/m2
i.v.
2 h-Infusion
5-Fluorouracil
2000 mg/m2
i.v.
22 h-Infusion
Cisplatin
50 mg/m2
i.v.
1 h-Infusion
Wiederholung Tag 50
d 1, 8, 15, 22, 29, 36
d 1, 8, 15, 22, 29, 36
d 1, 15, 29
DCF (AjaniJA et al, 2003, PASCO 22 abstr.999 )
Docetaxel
75 mg/m2
i.v.
1 h-Infusion
2
Cisplatin
75 mg/m
i.v.
1 h-Infusion
5-Fluorouracil
750 mg/m2
i.v.
24 h-Infusion
Wiederholung Tag 22
d1
d1
d 1,2,3,4,5
FLO (Al-Batran SE et al, J Clin Oncol. 2004;22:658-63)
Folinsäure
200 mg/m2
i.v.
2 h-Infusion
2
5-Fluorouracil
2600 mg/m
i.v.
22 h-Infusion
2
Oxaliplatin
85 mg/m
i.v.
1 h-Infusion
Wiederholung Tag 57
d 1, 15, 29, 43
d 1, 15, 29, 43
d 1, 15, 29, 43
FUFIRI (Möhler MH et al, 2004, PASCO abstr. 4064)
Irinotecan
80 mg/m2
i.v.
1 h-Infusion
2
Folinsäure
500 mg/m
i.v.
2 h-Infusion
5-Fluorouracil
2000 mg/m2
i.v.
22 h-Infusion
Wiederholung Tag 50
d 1, 8, 15, 22, 29, 36
d 1, 8, 15, 22, 29, 36
d 1, 8, 15, 22, 29, 36
FOLFIRI (Bouche O et al, 2003, PASCO 22, abstr. 1033)
Irinotecan
180 mg/m2
i.v.
1 h-Infusion
2
Folinsäure
200 mg/m
i.v.
2 h-Infusion
2
5-Fluorouracil
400 mg/m
i.v.
Bolus
5-Fluorouracil
600 mg/m2
i.v.
22 h-Infusion
Wiederholung Tag 15
d1
d 1, 2
d 1, 2
d 1, 2
ECF (Findlay M et al, 1994, Ann Oncol 5:609-616)
Epirubicin
50 mg/m2
i.v.
Bolus
2
Cisplatin
60 mg/m
i.v.
1 h-Infusion
2
5-Fluorouracil
200 mg/m
i.v.
24 h-Infusion
Wiederholung Tag 22
d1
d1
d 1-21 kontinuierlich
EOX (Sumpter KA et al, 2003, PASCO abstr. )
Epirubicin
50 mg/m2
i.v.
30 min-Infusion
Oxaliplatin
130 mg/m2
i.v.
2 h-Infusion
2
Capecitabin
2x1250 mg/m
p.o.
Wiederholung Tag 22
d1
d1
d 1-14
12
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
11.
Palliative Strahlentherapie bei Lokalrezidiven
Bei irresektablen, symptomatischen Magenkarzinomen bei Patienten in gutem
Allgemeinzustand, empfiehlt sich eine palliative Chemo-/Radiotherapie, mit
der eine 5-Jahre-Überlebenswahrscheinlichkeit von 5 - 15 % erreicht werden
kann.
12.
Nachsorge
Eine schematisierte Nachsorge verbessert die Prognose nicht und ist daher
nur im Rahmen von Studien indiziert.
Empfehlung: Symptomorientierte Nachsorge. Neu aufgetretene Symptome
sollten innerhalb von 4-6 Wochen differentialdiagnostisch geklärt werden.
Erfolgte die Behandlung eines Frühkarzinoms durch ein lokales
Therapieverfahren, ist eine 6monatige gastroskopische Kontrolle für 3 Jahre
zu empfehlen.
Literatur:
Moertel CG, Childs DS Jr, Reitemeier RJ, Colby MY Jr, Holbrook MA. Combined 5fluorouracil and supervoltage radiation therapy of locally unresectable gastrointestinal cancer.
Lancet 1969; 2: 865-867
Bleiberg H, Goffin JC, Dalesio O, Buyse M, Pector JC, Gignoux M, Roussel A, Samana G,
Michel J, Gerard A. Adjuvant radiotherapy and chemotherapy in resectable gastric cancer.
A randomized trial of the gastro-intestinal tract cancer cooperative group of the EORTC.
Eur J Surg Oncol 1989; 15: 535-543
Schein P, Novak J (for GITSG). Combined modality therapy (XRT-chemo) versus
chemotherapy alone for locally unresectable gastric cancer.
Cancer Chemother Pharmacol 1982; 49: 1771
Gunderson L, Hoskins B, Cohen AM. Combined modality treatment of gastric cancer.
Int J Radiat Oncol Biol Phys 1983; 9: 965
Siewert JR, Holscher AH, Becker K, Gossner W
Cardia cancer: attempt at a therapeutically relevant classification
Chirurg. 1987 Jan; 58(1):25-32
Junginger Th, Hermanek, P, Klimpfinger M
Klassifikation maligner Tumoren des Gastrointestinaltraktes I
( 2002 ) Springer Verlag Heidelberg
Becker K, Mueller JD, Schulmacher C, Ott K,
Fink U, Busch R, Böttcher K, Siewert JR, Höfler H
Histomorphology an grading of regression in gatric carcinoma treated with
neoadjuvant chemotherapy
Cancer 2003; 98:1521-1530
13
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms
Anhang
An der Technischen Universität in München wird das Regressionsgrading nach Becker et al
verwendet:
Kompletter Response (Grad 1a)
keine Tumorzellen im Tumorbett erkennbar
Subtotaler Response (Grad 1b)
in weniger als 10% des Tumorbettes morphologisch intakte Zellen
Partieller Response (Grad2)
in 10-50% des Tumorbettes morphologisch intakte Tumorzellen
Geringer / kein Response (Grad 3)
in mehr als 50% des Tumorbettes morphologisch intakte Tumorzellen
Kein Response (NR)
keine histologischen Regressionszeichen
Andere Untersucher verwenden auch für den Magen das primär für das Rektum
vorgeschlagene Regressionsgrading nach Dworak et al:
Regressionsgrad 0
Keine Regression
Regressionsgrad 1
Praedominanz der Tumorzellen über die peritumorale
Fibrose und Strahlenvaskulopathie
Regressionsgrad 2
Praedominaz der Fibrose über die Tumorzellnester,
diese jedoch in der Übersichtsvergrößerung mühelos erkennbar.
Regressionsgrad 3
Fibrose mit nur wenigen, nur in stärkerer Vergrößerung
Erkennbaren Tumorzellnester
Regressionsgrad 4
Absenz von Tumorzellen
Dworak O, Keilholz L, Hoffman A (1997)
Pathological features of rectal cancer after preoperative radiochemotherapy
Int J Colorectal Dis 12(1):19-23
Addendum
Bislang gilt für die endoskopische Mukosaresektion bzw. die endoskopische
Submukosadissektion, dass ein Frühcarcinom, < 3.1 cm in der Flächenausdehnung, OHNE
Ulceration, OHNE Lymphgefäßeinbruch das innere Drittel der Submukosa infiltrieren darf
(SM1, metrisch < 0.5 mm).
Folgt man einer aktuellen Publikation von Ishikawa et al
so sollte jegliche Invasion der Lamina submukosa die klassische Resektion zur Folge haben.
Möglicherweise wird dies in einer künftigen Auflage der Leitlinien berücksichtigt werden
müssen.
Gastric Cancer. 2007;10(1):35-8.
Indications for EMR/ESD in cases of early gastric cancer: relationship between histological
type, depth of wall invasion, and lymph node metastasis
14
Für die freundliche Unterstützung danken wir der Firma
Herausgegeben vom OSP Ostwürttemberg
Schlosshaustrasse 100, 89522 Heidenheim
Tel 07321-33-2954
Fax 07321-33-2953
Internet: www.osp-ostwuerttemberg.de
1. Auflage Juli 2007
15
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