Therapieleitfaden Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms Autoren Frau Dr. V. Ghilescu Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, Klinikum Heidenheim PD Dr. M. Grünewald Medizinische Klinik I, Klinikum Heidenheim Prof. Dr. H. Hebart Zentrum für Innere Medizin, Klinikum Schwäbisch Gmünd, Stauferklinik Prof. Dr. A. Imdahl (federführend) Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Klinikum Heidenheim Prof. Dr. G. Kleber Medizinische Klinik I, Ostalb-Klinikum Aalen Prof. Dr. Roscher Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie, Klinikum Schwäbisch Gmünd, Stauferklinik Prof. Dr. M. Siech Klinik für Allgemein-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Ostalb-Klinikum Aalen Prof. Dr. B. Ultsch, Abteilung für Chirurgie, Virngrund-Klinik Ellwangen Dr. E. Wagner-Thiessen, Pathologisches Institut, Schwäbisch Gmünd Postanschrift aller Autoren Onkologischer Schwerpunkt Ostwürttemberg Schloßhaustraße 100 89522 Heidenheim Quellenangaben Anlehnung an die Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft Erstellt Juli 2007 Aktualisierungszeitraum alle 2 Jahre Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms 1. Definition Magenkarzinom Adeno-Karzinom mit den häufigsten Formen diffuses Karzinom oder Karzinom vom Intestinalen Typ (Lauren) im Magen gelegen, - ausgenommen Cardiakarzinom Typ I (nach Siewert) mit Haupttumormasse im distalen Ösophagus. 2. Prätherapeutische Diagnostik Klinischer Befund mit detailliertem (supraclavikulärem) Lymphknotenstatus Gastroskopie mit multiplen PE’s (6-10) Histologische Sicherung mit Differenzierung: Diffuser oder intestinaler Typ nach Lauren Endosonographie Ultraschall Abdomen CT-Abdomen Röntgen-Thorax CT-Thorax bei begründetem Verdacht auf Lungenmetastasen Laparoskopie vor neoadjuvantem Konzept Tumormarker (mindestens einer der Marker CA 19-9, CEA) 3. Prätherapeutische klinische TNM-Klassifikation TX T0 Tis T4 Primärtumor kann nicht beurteilt werden Kein Anhalt für Primärtumor Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne Infiltration der Lamina propria Tumor infiltriert Lamina propria oder Submukosa T1s Invasion der Lamina propria T1sm Invasion der Submukosa Tumor infiltriert Muscularis propria oder Subserosa T2a Tumor infiltriert Muscularis propria T2b Tumor infiltriert Subserosa (einschließlich des Halteapparates) Tumor penetriert Serosa (viszerales Peritoneum), infiltriert aber nicht benachbarte Strukturen Tumor infiltriert benachbarte Strukturen NX N0 N1 N2 N3 Lymphknoten nicht beurteilbar Keine regionären Lymphknoten Metastasen in 1-6 regionären Lymphknoten Metastasen in 7-15 regionären Lymphknoten Metastasen in mehr als 15 regionären Lymphknoten MX M0 M1 Fernmetastasen nicht beurteilbar Keine Fernmetastasen Fernmetastasen diagnostiziert 1a Nur in nicht-regionären Lymphknoten 1b Metastasen an anderer Lokalisation als Peritoneum und Pleura 1c Metastasen an Peritoneum und Pleura T1 T2 T3 2 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms Grading G1 G2 G3 G4 gut differenziert mäßig differenziert schlecht differenziert undifferenziert Stadiengruppierung Stadium 0 Tis N0 M0 Stadium IA T1 N0 M0 Stadium IB T1 T2 N1 N0 M0 M0 Stadium II T1 T2 T3 N2 N1 N0 M0 M0 M0 Stadium IIIA T2 T3 T4 N2 N1 N0 M0 M0 M0 Stadium IIIB T3 N2 M0 Stadium IV T4 T1,T2,T3 jedes T N1,N2,N3 N3 jedes N M0 M0 M1 Die pT-, pN- und pM-Kategorien entsprechen den T-, N- und M-Kategorien. Für die Einschätzung der pN-Kategorie müssen mindestens 15 regionäre Lymphknoten untersucht werden. UICC, TNM-Klassifikation; 6 Auflage, 2003 modifiziert nach Junginger et al (2002) 3 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms c-Stadien Tis N0 M0 Endoskopische Mukosaresektion (EMR) T1m N0 M0 EMR T1sm N0 M0 Operation, ggf. endoskop. assistiert laparoskopisch T1 N+ M0 Bei Befall der Submukosa Operation Operation T2 N0 M0 Bei diffusem Typ: 3 Zyklen ECF$# Chirurgische Therapie Bei Ansprechen auf präop. Therapie: 3 Zyklen ECF$ T2 N1-3 M0 T3 N0-3 M0 T4 N0-3 M0 3 Zyklen ECF*# Gastrektomie Bei Ansprechen auf präop. Therapie: 3 Zyklen ECF* T1-4 N1-3 M1 ohne lok. Komplik. Primäre Chemotherapie Studienanschluss wünschenswert T1-4 N1-3 M1 Blutung/Stenose $ : nach individueller Beratung ohne Studienevidenz *: gemäß Cunningham NEJM 2006 Chirurgische Therapie Chemotherapie (s.o.) Nach kurativ intendierter R1Resektion, L1, V1, schlechtes Verh. N+/N ges., T4: Radio-/Chemotherapie& & : gemäß MacDonald NEJM 2001 #: frühzeitiges Überprüfung des Verlaufs 4 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms 4. Standardisierte Therapie Magenfrühkarzinom Sofern die Diagnostik ein Magenfrühkarzinom ergibt (cT1) und eine Multizentrizität ausgeschlossen ist wird ein endoskopisches Verfahren angewandt zur lokalen Excision bei einem Karzinom ≤ 3 cm Ø. (Nach japanischen Kriterien verschieben sich diese Grenzen weiter nach oben). Sofern es sich um ein Frühkarzinom vom Mukosatyp handelt ist eine weitere Therapie nicht erforderlich. Beim Karzinom vom Submukosatyp sollte die Infiltrationstiefe < 0,5 mm liegen, andernfalls ist mit einem deutlich erhöhten Risiko der Lymphknotenmetastasierung zu rechnen. In derartigen Fällen muss konventionell nachoperiert werden. Lokal fortgeschrittenes Magenkarzinom Neoadjuvante Therapie Liegt eine cT3 oder cT4 cM0 Situation vor bei einem Patienten im ausreichenden AZ (Karnofsky ≥ 80 %) kann eine präoperative Chemotherapie erfolgen, derzeit nach dem MAGIC Protokoll. Sofern eine neoadjuvante Therapie geplant wird, ist durch eine prätherapeutische Staginglaparoskopie eine Peritonealkarzinose auszuschließen. In einer cT2 cM0 Situation kann bei diffusem Karzinomtyp ebenfalls eine neoadjuvante Therapie erwogen werden. Die neoadjuvante Therapie wird derzeit nach dem MAGIC Protokoll durchgeführt (Cunningham et al 2006; N Engl J Med 355: 11-20). Die Chemotherapie besteht aus drei präoperativen Zyklen mit 50 mg/m2 Epirubicin (i.v. Bolus an Tag 1), 60 mg/m2 Cisplatin (i.v. Tag 1), Fluorouracil 200 mg/m2 täglich für 21 Tage kontinuierlicher Infusion (Port). Während des 2. Zyklus (in Therapiewoche 5 oder 6) erfolgt ein Re-Staging durch Gastroskopie und CTAbdomen. Bei Tumorprogress ist ein Abbruch der Therapie mit unmittelbar anschließender Operation zu diskutieren. Angesichts der hohen Thrombogenität des Ansatzes ist die Indikation zu einer prophylaktischen Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin zu erwägen. Die Chirurgische Therapie folgt nach dem 3. Therapiezyklus (4 Wochen nach Abschluss). Vier bis 6 Wochen nach Operation werden erneut drei Therapiezyklen appliziert. 5 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms RECIST-Remissionskriterien Komplette Remission (CR) Vollständige Rückbildung aller Tumormanifestationen; dokumentiert durch 2 Untersuchungen im Abstand von mindestens 4 Wochen, Normalisierung der Tumormarker. Partielle Remission (PR) Größenabnahme der Summe der Flächenmasse um mindestens 50%. Bei nur eindimensional messbaren Läsionen Reduktion der Summe der Längenmaße um >30%. Dokumentiert durch 2 Kontrolluntersuchungen mindestens 4 Wochen auseinander liegend. Kein Größer werden einzelner Läsionen, keine neuen Läsionen. No Change (NC) Keine Größenänderung („stable disease“) der Tumorparameter für mindestens 4 Wochen oder Tumorreduktion um weniger als 50% oder Größenzunahme um <20% ohne Auftreten neuer Metastasen. Die Feststellung der No Change Kategorie bedarf einer mindestens 6 Wochen langen Therapie. Progressive Disease (PD) Auftreten neuer Tumorläsionen oder mehr als 20% Größenzunahme der Gesamtsumme des längsten Tumordurchmessers. Therasse P, et al. JNCI 2000; 92:205-216 6 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms Fortgeschrittenes Magenkarzinom – Chirurgische Therapie mit kurativem Ziel Folgende operative Verfahren stehen zur Verfügung: 1. Gastrektomie mit systematischer Lymphadenektomie (Kompartment II) 2. Subtotale Magenresektion (3/4 oder 4/5 Resektion) mit systematischer Lymphadenektomie (Kompartment II) Die Studienlage zur Lymphadenektomie des zweiten Kompartments ist nicht eindeutig, gleichwohl sprechen viele Daten für einen Vorteil für Patienten im Stadium UICC II und IIIa, daher ist für die kurative Zielsetzung eine systematische Lymphadenektomie empfehlenswert. Die Rekonstruktion nach Gastrektomie erfolgt nach Präferenz des Operateurs, da Lebensqualitätsstudien keine eindeutigen Abgrenzungen zwischen den Verfahren zulassen. Die Rekonstruktion nach subtotaler Magenresektion erfolgt in der Technik nach Billroth II oder Roux-Y, nur in Ausnahmen nach Billroth I. Operationsvorbereitung • • • perioperative Antibiotikaprophylaxe (Cepholosporin 3. Generation / Metronidazol) Eine selektive Darmdekontamination ist nicht erforderlich. Eine Darmspülung ist nicht notwendig, Klysma präoperativ. 7 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms 5. Operatives Vorgehen Endoskopische Mukosaresektion Die jeweilige Technik bleibt der Erfahrung des Endoskopeurs vorbehalten. Es muss sichergestellt sein, dass der Tumor komplett entfernt wird und dadurch eine sichere Beurteilung der lateralen und tiefen Absetzungsränder durch den Pathologen erfolgen kann. Gastrektomie Das Erfordernis der Gastrektomie ergibt sich aus den notwendigen Sicherheitsabständen. Beim diffusen Typ nach Lauren sind 8-10 cm notwendig (oralwärts) und beim intestinalen Typ 4-5 cm. Die Gastrektomie sollte aus onkologischen Gründen mit der Lymphadenektomie en bloc des zweiten Kompartments (A. hepatica, Truncus coeliacus, A. lienalis) erfolgen. Die Lymphadenektomie des dritten Kompartments ist nicht zwingend, da für den onkologischen Nutzen ausreichende Evidenz fehlt. Eine Splenektomie en principe ist nicht notwendig, sondern sollte nur erfolgen, sofern die Milzhiluslymphknoten eindeutig befallen sind, bzw. bei großem Karzinom der großen Kurvatur. Sofern das Querkolon miteinbezogen ist, erfolgt eine erweiterte Gastrektomie unter Mitnahme der befallenen Abschnitte en bloc. Die oralen und aboralen Resektionsränder werden schnellhistologisch auf Tumorfreiheit untersucht. Ob im Fall eines positiven Absetzungsrandes im Bulbus duodeni eine zusätzliche Duodenumresektion im Sinne einer Whippleschen Operation erfolgen soll, bleibt im Ermessen des Operateurs. Bei mikroskopischem Tumorbefall oralwärts sollte der distale Ösophagus mitreseziert werden. Die multiviszerale Resektion bei Infiltration von Nachbarorganen (Leber, Kolon, Zwerchfell, Pankreas, Milz) ist dann sinnvoll, wenn eine R0 Situation erreicht werden kann. Diese Beurteilung obliegt der Erfahrung des Operateurs. Magenresektion Sofern der histologische Typ und die notwendigen Sicherheitsabstände eine Magenresektion zulassen ist dieser der Vorzug vor einer Gastrektomie zu geben, da die Lebensqualität bei onkologisch unveränderter Situation nach Magenresektion vorteilhafter ist. Eindeutige Unterschiede zwischen einer 2/3 oder einer 4/5 Resektion sind nicht belegt. Auch für die gängigen Rekonstruktionsverfahren nach Roux oder Billroth II sind keine Unterschiede evident. Eine Billroth I Rekonstruktion ist häufiger von einem Anastomosenrezidiv gefolgt. 8 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms 6. Postoperative patho-histologische Diagnostik Nach radikaler Tumorresektion sind für die weitere Prognoseabschätzung Aussagen über die loco-regionäre Vollständigkeit der Tumorentfernung (RKlassifikation), die Invasionstiefe des Tumors (pT-Klassifikation), den Lymphknotenstatus (pN-Klassifikation) notwendig. Erforderlich ist eine Aussage über die Anzahl der untersuchten Lymphknoten (Minimum 15 untersuchte Lymphknoten). Nach neoadjuvanter Therapie ist ein histologisches Regressionsgrading wünschenswert. Die Beurteilung der Histologischen Regression kann gemäß der Jananese Research Society for Gastric Cancer ( JRSGC ) erfolgen. (Siehe auch Anhang). Regressionsgrade nach JRSGC ( 1995 ) Grad O (keine Regression) keine Veränderungen; weder Nekrosen noch zelluläre noch strukturelle Veränderungen. (Als zelluläre Veränderungen gelten Ballonierung oder Vakuolisierung der Zellen und Kernpyknosen, als strukturelle Veränderungen Desorganisation der drüsigen Strukturen). Grad 1 (geringe Regression) Nekrose oder Verschwinden des Tumors und / oder zelluläre oder strukturelle Veränderungen in weniger als 1/3 des Tumors ( Grad 1a ) oder mehr als 1/3 aber nicht in 2/3 (Grad 1b). Grad 2 (mäßiggradige Regression) Nekrose oder Verschwinden des Tumors in mehr als 2/3 des Tumors, aber noch vitale Tumorzellen erkennbar. Grad 3 (ausgeprägte Regression) Tumor komplett nekrostisch und / oder durch Fibrose ersetzt, keine vitalen Tumorzellen nachweisbar. 7. Chirurgische Therapie des Tumorrezidivs Eine chirurgische Therapie eines Tumorrezidivs unter kurativer Zielsetzung ist allenfalls in Ausnahmen möglich. Zur Palliation bieten sich in Ausnahmefällen Umgehungsanastomosen an. 9 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms 8. Fernmetastasen Die Fernmetastasen sind am häufigsten in Leber, Peritoneum und Lunge nachzuweisen. Bei isolierten Leberoder Lungenmetastasen besteht eine Operationsindikation nur in Ausnahmen (individuelle Entscheidung), da eine onkologische Evidenz nicht besteht. Eine Indikation zur neoadjuvanten Therapie in der M1-Situation gibt es derzeit nicht. 9. Adjuvante Therapie Eine große amerikanische Multizenter Studie hat den Vorteil einer adjuvanten Radio-Chemotherapie nach Gastrektomie belegt. Diese Studie gab Anlass, in den USA eine postoperative adjuvante Radio-Chemotherapie standardmäßig durchzuführen. In Deutschland hat sich diese Therapie bislang nicht durchgesetzt, denn die Analyse der amerikanischen Studie belegt, dass nur ein Bruchteil der Patienten eine Lymphadenektomie des zweiten Kompartments erhielt. Hieraus folgt, dass in Deutschland derzeit eine adjuvante Radio-Chemotherapie beim operierten Magenkarzinom nur erfolgen soll, sofern eine ausreichende Lymphadenektomie nicht erfolgt ist und / oder eine L1, V1 und R1-Resektion vorliegt und / oder >20% der untersuchten Lymphknoten befallen waren. Für diese Patienten bietet sich eine RadioChemotherapie nach dem MacDonald Schema an (MacDonald JS et al 2001 NEJM 345:725-730, 2001): 425 mg 5-Fluorouracil/m2/Tag und 20 mg Leucovorin/m2/Tag für 5 Tage jeweils als Bolusgabe, dann reduzierte Chemotherapie parallel zur Bestrahlung (1,8 Gy/Tag, 5 x pro Woche bis 45 Gy). Nach Abschluss der Radiotherapie erneut zweimal ein 5-Tageszyklus mit 5-FU/Leucovorin (Dosierung s.o.) in einmonatigem Abstand. Eine alleinige adjuvante Chemotherapie außerhalb von Studien ist momentan nicht gerechtfertigt. 10 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms 10. Palliative Chemotherapie Eine Indikation zur Durchführung einer palliativen Chemotherapie besteht bei inoperablem, R2-operiertem und / oder metastasiertem Magenkarzinom. Therapiebeginn sollte bei Diagnosestellung sein, wegen des raschen Spontanverlaufes (Lebenserwartung unbehandelter Patienten < 4 Monate; Verdopplung der Lebenszeit in Studien BSC versus Chemotherapie sowie Verbesserung auch der QoL). Voraussetzungen sind evaluierbare Tumorparameter, ausreichender Allgemeinzustand (Karnofsky-Index > 50%) und das Fehlen schwerer Begleiterkrankungen. Bei nicht-evaluierbaren Tumorparametern Individualentscheid unter Berücksichtigung von Symptomen, Laborparametern und gegebenenfalls perioperativen Befunden (z.B. gesicherte Peritonealkarzinose); eine sofortige Therapie nach R1Resektion ist dagegen per se nicht indiziert. Wegen der überlegenen Remissions- und Überlebenszeitdaten, ist eine Behandlung mit früher üblichen Protokollen (FAM, FAMTX) nicht mehr zeitgemäß. Ebenso ist die Behandlung mit Mono-Substanzen wegen deutlich geringerer Wirksamkeit nur in Einzelfällen zu überlegen. Als Behandlungsstandard gilt die Therapie mit infusionalem 5-FU, kombiniert mit einem Platinderivat. Das PLF Schema ist eine übliche Kombinationstherapie zu Behandlungsbeginn, Remissionen können in 60% der Patienten erwartet werden. Eine weitere hocheffektive Therapie stellt eine Kombination von Docetaxel, Cisplatin und infusionales 5-FU, das DCF-Schema dar. Bei Kontraindikationen gegen Cisplatin kann Oxaliplatin eingesetzt werden (FLO Protokoll), bei mindestens gleichwertiger Wirksamkeit. Bei hoher Therapie-assoziierter Toxizität stellen FUFIRI und FOLFIRI gut verträgliche Alternativen mit vergleichbarer Wirksamkeit dar. Das ECF Schema sollte der neoadjuvanten / adjuvanten Indikation (s.o.) vorbehalten bleiben, da die Behandlung für den Patienten aufgrund der langen, kontinuierlichen Therapiedauer belastend ist und dies in palliativer Therapieindikation nicht zu rechtfertigen ist, zumal im direkten Vergleich das einfach zu verabreichende EOX Protokoll signifikant wirksamer war (angeführte Protokolle – s.u.). Grundsätzlich wird die palliative Chemotherapie bis zum Erreichen eines maximalen Therapieansprechens und gegebenenfalls nachfolgender Konsolidierung fortgeführt, üblicherweise nicht länger als 4-6 Monate. Bei Progress unter Therapie und / oder schwerwiegender Toxizität muss eine Dosisreduktion, ein Therapiewechsel oder ein Behandlungsabbruch erwogen werden. 11 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms PLF (Wilke H et al, 1996, Ann Oncol 7, Suppl.2, A2130) Folinsäure 500 mg/m2 i.v. 2 h-Infusion 5-Fluorouracil 2000 mg/m2 i.v. 22 h-Infusion Cisplatin 50 mg/m2 i.v. 1 h-Infusion Wiederholung Tag 50 d 1, 8, 15, 22, 29, 36 d 1, 8, 15, 22, 29, 36 d 1, 15, 29 DCF (AjaniJA et al, 2003, PASCO 22 abstr.999 ) Docetaxel 75 mg/m2 i.v. 1 h-Infusion 2 Cisplatin 75 mg/m i.v. 1 h-Infusion 5-Fluorouracil 750 mg/m2 i.v. 24 h-Infusion Wiederholung Tag 22 d1 d1 d 1,2,3,4,5 FLO (Al-Batran SE et al, J Clin Oncol. 2004;22:658-63) Folinsäure 200 mg/m2 i.v. 2 h-Infusion 2 5-Fluorouracil 2600 mg/m i.v. 22 h-Infusion 2 Oxaliplatin 85 mg/m i.v. 1 h-Infusion Wiederholung Tag 57 d 1, 15, 29, 43 d 1, 15, 29, 43 d 1, 15, 29, 43 FUFIRI (Möhler MH et al, 2004, PASCO abstr. 4064) Irinotecan 80 mg/m2 i.v. 1 h-Infusion 2 Folinsäure 500 mg/m i.v. 2 h-Infusion 5-Fluorouracil 2000 mg/m2 i.v. 22 h-Infusion Wiederholung Tag 50 d 1, 8, 15, 22, 29, 36 d 1, 8, 15, 22, 29, 36 d 1, 8, 15, 22, 29, 36 FOLFIRI (Bouche O et al, 2003, PASCO 22, abstr. 1033) Irinotecan 180 mg/m2 i.v. 1 h-Infusion 2 Folinsäure 200 mg/m i.v. 2 h-Infusion 2 5-Fluorouracil 400 mg/m i.v. Bolus 5-Fluorouracil 600 mg/m2 i.v. 22 h-Infusion Wiederholung Tag 15 d1 d 1, 2 d 1, 2 d 1, 2 ECF (Findlay M et al, 1994, Ann Oncol 5:609-616) Epirubicin 50 mg/m2 i.v. Bolus 2 Cisplatin 60 mg/m i.v. 1 h-Infusion 2 5-Fluorouracil 200 mg/m i.v. 24 h-Infusion Wiederholung Tag 22 d1 d1 d 1-21 kontinuierlich EOX (Sumpter KA et al, 2003, PASCO abstr. ) Epirubicin 50 mg/m2 i.v. 30 min-Infusion Oxaliplatin 130 mg/m2 i.v. 2 h-Infusion 2 Capecitabin 2x1250 mg/m p.o. Wiederholung Tag 22 d1 d1 d 1-14 12 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms 11. Palliative Strahlentherapie bei Lokalrezidiven Bei irresektablen, symptomatischen Magenkarzinomen bei Patienten in gutem Allgemeinzustand, empfiehlt sich eine palliative Chemo-/Radiotherapie, mit der eine 5-Jahre-Überlebenswahrscheinlichkeit von 5 - 15 % erreicht werden kann. 12. Nachsorge Eine schematisierte Nachsorge verbessert die Prognose nicht und ist daher nur im Rahmen von Studien indiziert. Empfehlung: Symptomorientierte Nachsorge. Neu aufgetretene Symptome sollten innerhalb von 4-6 Wochen differentialdiagnostisch geklärt werden. Erfolgte die Behandlung eines Frühkarzinoms durch ein lokales Therapieverfahren, ist eine 6monatige gastroskopische Kontrolle für 3 Jahre zu empfehlen. Literatur: Moertel CG, Childs DS Jr, Reitemeier RJ, Colby MY Jr, Holbrook MA. Combined 5fluorouracil and supervoltage radiation therapy of locally unresectable gastrointestinal cancer. Lancet 1969; 2: 865-867 Bleiberg H, Goffin JC, Dalesio O, Buyse M, Pector JC, Gignoux M, Roussel A, Samana G, Michel J, Gerard A. Adjuvant radiotherapy and chemotherapy in resectable gastric cancer. A randomized trial of the gastro-intestinal tract cancer cooperative group of the EORTC. Eur J Surg Oncol 1989; 15: 535-543 Schein P, Novak J (for GITSG). Combined modality therapy (XRT-chemo) versus chemotherapy alone for locally unresectable gastric cancer. Cancer Chemother Pharmacol 1982; 49: 1771 Gunderson L, Hoskins B, Cohen AM. Combined modality treatment of gastric cancer. Int J Radiat Oncol Biol Phys 1983; 9: 965 Siewert JR, Holscher AH, Becker K, Gossner W Cardia cancer: attempt at a therapeutically relevant classification Chirurg. 1987 Jan; 58(1):25-32 Junginger Th, Hermanek, P, Klimpfinger M Klassifikation maligner Tumoren des Gastrointestinaltraktes I ( 2002 ) Springer Verlag Heidelberg Becker K, Mueller JD, Schulmacher C, Ott K, Fink U, Busch R, Böttcher K, Siewert JR, Höfler H Histomorphology an grading of regression in gatric carcinoma treated with neoadjuvant chemotherapy Cancer 2003; 98:1521-1530 13 Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms Anhang An der Technischen Universität in München wird das Regressionsgrading nach Becker et al verwendet: Kompletter Response (Grad 1a) keine Tumorzellen im Tumorbett erkennbar Subtotaler Response (Grad 1b) in weniger als 10% des Tumorbettes morphologisch intakte Zellen Partieller Response (Grad2) in 10-50% des Tumorbettes morphologisch intakte Tumorzellen Geringer / kein Response (Grad 3) in mehr als 50% des Tumorbettes morphologisch intakte Tumorzellen Kein Response (NR) keine histologischen Regressionszeichen Andere Untersucher verwenden auch für den Magen das primär für das Rektum vorgeschlagene Regressionsgrading nach Dworak et al: Regressionsgrad 0 Keine Regression Regressionsgrad 1 Praedominanz der Tumorzellen über die peritumorale Fibrose und Strahlenvaskulopathie Regressionsgrad 2 Praedominaz der Fibrose über die Tumorzellnester, diese jedoch in der Übersichtsvergrößerung mühelos erkennbar. Regressionsgrad 3 Fibrose mit nur wenigen, nur in stärkerer Vergrößerung Erkennbaren Tumorzellnester Regressionsgrad 4 Absenz von Tumorzellen Dworak O, Keilholz L, Hoffman A (1997) Pathological features of rectal cancer after preoperative radiochemotherapy Int J Colorectal Dis 12(1):19-23 Addendum Bislang gilt für die endoskopische Mukosaresektion bzw. die endoskopische Submukosadissektion, dass ein Frühcarcinom, < 3.1 cm in der Flächenausdehnung, OHNE Ulceration, OHNE Lymphgefäßeinbruch das innere Drittel der Submukosa infiltrieren darf (SM1, metrisch < 0.5 mm). Folgt man einer aktuellen Publikation von Ishikawa et al so sollte jegliche Invasion der Lamina submukosa die klassische Resektion zur Folge haben. Möglicherweise wird dies in einer künftigen Auflage der Leitlinien berücksichtigt werden müssen. Gastric Cancer. 2007;10(1):35-8. Indications for EMR/ESD in cases of early gastric cancer: relationship between histological type, depth of wall invasion, and lymph node metastasis 14 Für die freundliche Unterstützung danken wir der Firma Herausgegeben vom OSP Ostwürttemberg Schlosshaustrasse 100, 89522 Heidenheim Tel 07321-33-2954 Fax 07321-33-2953 Internet: www.osp-ostwuerttemberg.de 1. Auflage Juli 2007 15