Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Das INEPT-Experiment Das Prinzip des Polarisations-Transfers (PT) ist im Zusammenhang mit dem heteronuklearen (13C,1H) Experiment „Selective Population Inversion“ (SPI) beschrieben worden. Hierbei wird im 1H-NMR-Spektrum die Spin-Population eines (und nur eines) 13C-Satellitensignals durch einen 1800-Grad-Puls invertiert, was zu einer Antiphasen-Polarisation des Signales des koppelnden 13C-Kerns führt. Dieses Experiment hat mehrere Nachteile: - selektive Voreinstrahlung; Gefahr unzureichender Selektivität - genaue Kenntnis der Lage der 13C-Satelliten erforderlich - nur eine Einstrahlstelle pro Experiment Besser ist ein Experiment, bei dem die Antiphasen-Orientierung der beiden 13CSatellitenübergänge durch eine Pulsfolge ohne selektive Einstrahlung und für alle 13 C,1H-Spinsysteme gleichzeitig möglich ist. Dieses Experiment ist INEPT (Insensitive Nuclei Enhancement by Polarisation Transfer). NMR-11 – INEPT 1 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Stellen wir uns wieder den einfachsten Fall des1H,13C -Spinsystems AX vor. E1 ββ X1 (13C) (1H) A1 1H A2 (1H) (13C) X2 E4 E3 βα αβ E2 αα Energiezustände und Übergänge des AX-Spinsystems NMR-11 – INEPT 13C INEPT-Pulsfolge 2 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Die Pulsefolge zeigt im Protonenkanal einen 900-Puls (a), gefolgt von einer SpinEcho-Pulsfolge mit einer Wartezeit τ = 1/(4J); J ist wieder 1J(13C,1H) = 125 Hz (b). Zeitgleich mit dem 1H-Refokussierungspuls (c) wird ein 1800-Puls im 13C-Kanal ausgelöst (d). Nach einer weiteren Zeit τ (e) erfolgt ein 1H-900-Puls, aber aus der y´-Richtung zugleich mit einem 900-Messpuls (f). I II I II II I I NMR-11 – INEPT II II I 3 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Wirkung der INEPT-Pulsfolge: Der erste 90°x 1H-Puls legt die Magnetisierung auf die y´-Achse (a). Da es im AXSystem zwei 1H-Übergänge gibt (I und II) laufen die beiden entsprechenden Magnetisierungsvektoren unterschiedlich schnell um. Nach der Zeit τ = 1/(4J) sind sie zueinander orthogonal (b) [τ = 1/J entspricht einem Phasenunterschied von 3600 (Einholen)]; das gleichzeitige „Dephasing“ ist hier aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt. Der 1800-1H-Puls kehrt die beiden Vektoren innerhalb der transversalen Ebene um (c), und gleichzeitig kehrt der 180°-13C-Puls die beiden „Spin-Labels“ (α bzw. β) um (d), d.h. der „schnellere“ I ist nun wieder „vorn“. (Warum dieser 1800-13C-Puls die Spin-Labels umdreht, wird im Anhang separat nachgewiesen .) Die zweite Zeit τ sorgt dafür, dass die beiden Vektoren am Ende antiparallel angeordnet sind (e); zugleich sind sie refokussiert. Der letzte 90°y-1H-Puls stellt diese antiparallelen Magnetisierungsvektoren in die longitudinalen Richtung (f). Dies ist genau die Situation, die im SPI-Experiment durch den selektiven 1800-Puls hervorgerufen wird, hier aber ohne selektive Einstrahlung und für alle Spinsysteme gleichzeitig; es ist der Augenblick der SpinPolarisation (Mischzeit). Der 900-13C-Puls ist dann der eigentliche Messpuls für die polarisierten 13C-Übergänge. NMR-11 – INEPT 4 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Eine entscheidende Erweiterung der INEPT-Pulsfolge stellt die Refokussierung der Magnetisierungsvektoren infolge einer J-Modulation dar, wobei während der FIDAufnahme der 1H-Entkoppler ein- oder ausgeschaltet sein kann. Entsprechend erhält man 1H-ent- bzw. 1H-gekoppelte 13C-Signale. Refokussiertes INEPT mit optionaler 1H-Entkopplung: 1H 13C NMR-11 – INEPT 5 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Die erste Wartezeit ist wieder τ1 = 1/(4J), die INEPT-Wartezeit. Die zweite τ2 sorgt für die J-Modulation. Allerdings ist die Zeitentwicklung nicht „cosn(πJτ2)“ wie beim APT-Experiment (s. zuvor), sondern „sin(2πnJτ2)“, mit n = Zahl der am CAtom befindlichen Wasserstoffatome. τ2 1/(4J) = 2 ms NMR-11 – INEPT 1/(2J) = 4 ms 6 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Bei τ2 = 1/(4J) [2 ms] erhält man ausschließlich CH-Signale. Addiert man die Spektren mit τ2 = 1/(8J) [1 ms] und τ2 = 5/(8J) [5 ms], erscheinen nur CH2-Signale. Addiert man Sie Spektren mit τ2 = 1/(12J) [0.667 ms], τ2 = 5/(12J) [3.33 ms] und τ2 = 3/(4J) [6 ms], erhält man nur CH3-Signale. Dieses Vorgehen nennt man „Spectral Editing“. Ein Beispiel (Cholesterylacetat) ist auf der folgenden Seite zu sehen. Quartäre Kohlenstoffatome geben keine INEPT-Signale, weil für sie kein Polarisationstransfer existiert; sie tauchen also in diesen Spektren gar nicht auf. Man erkennt sie durch Vergleich der INEPT-Spektren mit dem BB-13C-NMR-Spektrum. Spectral Editing ist zwar sehr elegant, aber unökonomisch, weil insgesamt sechs INEPT-Spektren aufgenommen werden müssen. Die gleiche „APTInformation“ erhält man auch durch nur zwei Messungen, nämlich τ2 = 1/(4J) [2 ms] für CH-Signale und τ2 = 3/(4J) [6 ms] für positive CH und CH3 sowie für negative CH2-Signale. NMR-11 – INEPT 7 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie NMR-11 – INEPT 8 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie Auch bei der Messung anderer Kerne ist das INEPT-Experiment sehr vorteilhaft. Dies gilt besonders für Kerne wie 15N und 29Si. Ersterer ist extrem unempfindlich, zumal seine natürliche Häufigkeit nur ca. 0.37% beträgt, aber das Verhältnis der relevanten magnetogyrischen Verhältnisse γ(1H)/γ( 15N) ist mit ca. 10 sehr günstig für ein PT-Experiment. Man kann im Optimalfall für ein N-H-Fragment eine Polarisation von 10 erwarten, bei NH2, NH3 und NH4+ sogar noch mehr. Beide Kerne, 15N und 29Si haben ein negatives magnetogyrisches Verhältnis γ, was mit einem negativen NOE einhergeht. Dies kann bei 1H-Entkopplung zu einer Verkleinerung der Signale bis hin zur Annullierung führen, wenn nämlich wegen nicht-dominierendem dipolaren Anteil an der longitudinalen Relaxation ( s. NOE) nicht der volle NOE erreicht wird. Leider ist dies bei beiden Kernen sehr oft der Fall. Auf der folgenden Seite sind 29Si-INEPT-Messungen mit Direkt-Messungen verglichen. Die Probe ist ein Siliconöl (CH3)3Si-O-[Si(CH3)2]n-O-Si(CH3)3; J optimiert auf 2 29 J( Si,1H). NMR-11 – INEPT 9 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie NMR-11 – INEPT 10 Multipuls-NMR in der Organischen Chemie ANHANG: Warum drehen sich die Spin-Labels bei gleichzeitiger Anwendung von 180°-1H- und 180°-13C-Puls um? Durch den 180°-13C-Puls kehren sich die Populationen der 13C-Übergänge um: αc → βC und βc → αC βH βC E1 Betrachten wir die 1H-Übergänge: X1 (13C) (1H) A1 A2 (13C) X2 E4 E3 βH αC αH βC E2 αH αC (1H) Linie ohne π(13C) mit π(13C) A1 αH βC → βH βC αH αC → βH αC A2 αH αC → βH αC αH βC → βH βC A1! A2! Aus A1 wird A2, und aus A2 wird A1. Das ist die Umkehrung der Spin-Labels. NMR-11 – INEPT 11