Sphärische Trigonometrie. Berechnungen Hans Walser Sphärische Trigonometrie. Berechnungen ii Inhalt 1 Sphärische Trigonometrie....................................................................... 1 1.1 Worum geht es? ............................................................................ 1 1.2 Der Seiten-Cosinus-Satz................................................................... 1 1.3 Zusammenhang mit der Trigonometrie des ebenen Dreieckes ........................ 3 1.4 Das Polardreieck............................................................................ 4 1.5 Der Winkel-Cosinus-Satz ................................................................. 5 1.6 Der Sinus-Satz.............................................................................. 7 1.7 Weitere Formeln der Sphärischen Trigonometrie....................................... 7 1.8 Kombinatorischer Aspekt ................................................................. 8 1.9 Rechtwinklige sphärische Dreiecke ...................................................... 9 1.10 Zusammenstellung der Formeln........................................................11 2 Berechnungen ...................................................................................11 2.1 Angepasste Koordinaten..................................................................11 2.1.1 Polarkoordinaten in der Ebene .....................................................11 2.1.1.1 Archimedische Spiralen........................................................12 2.1.1.2 Logarithmische Spiralen.......................................................13 2.1.2 Kugelkoordinaten im Raum ........................................................14 2.1.3 Analogie im 4D-Raum...............................................................15 2.2 Inhaltsberechnungen ......................................................................16 2.2.1 Kreisflächeninhalt....................................................................16 2.2.2 Kugelinhalt ...........................................................................18 2.2.3 Inhalt der 4D-Hyperkugel...........................................................18 2.2.4 Allgemeine Formeln für Inhalt und Oberfläche...................................19 Literatur ............................................................................................20 Anhang: Kreisscheiben...........................................................................21 1995 1996 1999 2001 2002 Erstausgabe Korrektur von Fehlern Erweiterungen. Graphische Überarbeitung Erweiterungen. Neue Moduleinteilung Fehlerbereinigungen [email protected] 1 Sphärische Trigonometrie 1. 1 Worum geht es? Wir bezeichnen die sphärischen Dreiecke entsprechend den Dreiecken der ebenen Geometrie. C M γ b β α a B c A Bezeichnungen Trotzdem besteht aber ein wichtiger Unterschied zur ebenen Geometrie: Eine Dreiecksseite kann jetzt auch als Winkel aufgefasst werden. So kann zum Beispiel die Seite a als Winkel ∠BMC interpretiert werden. Auf der Einheitskugel (mit Radius 1) ist das Bogenmaß dieses Winkels die Länge der Seite a. In der sphärischen Trigonometrie werden deshalb auch Seiten als Argumente trigonometrischer Funktionen erscheinen. Ein weiterer Unterschied zur ebenen Trigonometrie besteht darin, dass die drei Winkel eines sphärischen Dreieckes nicht mehr voneinander abhängig sind. Aus diesen Gründen hat die sphärische Trigonometrie eine interessantere Struktur als die ebene Trigonometrie. Wir werden aber sehen, dass sich die ebene Trigonometrie als Grenzfall aus der sphärischen Trigonometrie ergibt. Wo nichts anderes vermerkt ist, werden wir in diesem Abschnitt mit der Einheitskugel arbeiten. 1. 2 Der Seiten-Cosinus-Satz z γ b A N=C a B c M y x Spezielle Lage des Dreieckes A B C Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 2 Ein gegebenes sphärisches Dreieck ABC können wir so auf der Kugel herumschieben, dass die Ecke C auf den Nordpol auf der z-Achse und die Ecke A auf den Nullmeridian in der x,z-Ebene zu liegen kommen. Dann hat lediglich der Punkt B keine spezielle Lage. → Für den Vektor MA erhalten wir: sin b MA = 0 cosb → Die Seite b ist die Zenitdistanz des Punktes A und wird hier als Winkel verwendet. Analog folgt: sin a cos γ MB = sin asin γ cos a → → → Der Zwischenwinkel dieser beiden Vektoren MA und MB ist die Seite c. Da diese beiden Vektoren die Länge 1 haben, gilt nach dem Skalarprodukt cosc = → → MA ⋅ MB → → = sin bsin a cos γ +0+cos b cos a , 1 MA ⋅ MB also: cosc = cos a cosb + sin asin b cos γ Dies ist der Seiten-Cosinus-Satz. Er gilt in jedem sphärischen Dreieck, da die zur Herleitung verwendete spezielle Lage in der Schlussformel nicht mehr erscheint. c a γ b α β Zyklische Vertauschung Durch zyklische Vertauschung erhalten wir die drei Formeln: Seiten-Cosinus-Satz cosc = cos a cosb + sin asin b cos γ cos a = cosb cosc + sin bsin c cos α cosb = cosc cos a + sin csin a cos β Eine Anwendung des Seiten-Cosinus-Satzes ist die Berechnung des sphärischen Abstandes zwischen zwei Kugelpunkten P(ϕ P , λ P ) und Q ϕ Q , λ Q , welche durch ihre geographischen Breiten und Längen gegeben sind. ( ) Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 3 z N π 2 P − 2 π −ϕQ λQ − λ P ϕ Q c P y x Bogenlänge von P nach Q Zusammen mit dem Nordpol N erhalten wir ein sphärisches Dreieck NPQ, von dem zwei Seiten, nämlich NP = π2 − ϕ P und NQ = π2 − ϕ Q , sowie deren Zwischenwinkel λ Q − λ P gegeben sind, und die gegenüberliegende Seite c = PQ gesucht ist. Der Seiten-CosinusSatz liefert: ( cosc = cos π 2 ) − ϕ Q cos( π2 − ϕ P ) + sin ( π 2 ) ( − ϕ Q sin( π2 − ϕ P ) cos λ Q − λ P ) Wegen cos( π2 − ϕ ) = sin ϕ und sin( π2 − ϕ ) = cos ϕ ergibt sich daraus: ( cosc = sin ϕ Q sin ϕ P + cos ϕ Q cos ϕ P cos λ Q − λ P ) Die so berechnete Seite c ist dann die Bogenlänge auf der Einheitskugel. Für eine beliebige Kugel muss noch mit dem Kugelradius r multipliziert werden. Somit gilt: ( ( c = r arccos sin ϕ Q sin ϕ P + cos ϕ Q cos ϕ P cos λ Q − λ P )) Beispiel: Für den Bogen c mit den Endpunkten P(30°S, 60° W ) , Q(60° N, 60° E ) erhalten wir: cosc = sin(60°)sin( −30°) + cos(60°)cos( −30°)(60° −(−60°)) = − 83 3 12 4 4 3 1424 3 1 424 3 1424 3 14 4244 3 3 2 − 12 1 2 3 2 − 12 Somit erhalten wir für c den Winkel ( ) c = arccos − 83 3 ≈ 130.5053° ≈ 2.2777, und für den zugehörigen Bogen auf der Erdkugel die Länge 14 500 km. 1. 3 Zusammenhang mit der Trigonometrie des ebenen Dreieckes Ein sehr kleines sphärisches Dreieck oder ein sphärisches Dreieck auf einer Kugel mit sehr großem Radius ist beinahe eben. In beiden Fällen ist der zu einer Seite gehörende Zentriwinkel mit dem Kugelmittelpunkt als Scheitel sehr klein. Wir überlegen uns nun, was geschieht, wenn die drei Seiten a, b und C des sphärischen Dreieckes sehr klein werden. Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 4 Zunächst ist festzuhalten, dass dabei die drei Winkel α, β und γ nicht klein werden. Die Grundidee unserer Überlegungen beruht darauf, die trigonometrischen Funktionen in eine TAYLOR-Reihe zu entwickeln und höhere Glieder wegzulassen. Für kleine x gilt 2 cos x ≈ 1 − x2 und sin x ≈ x . Damit erhalten wir aus dem Seiten-Cosinus-Satz cosc = cos a cosb + sin asin b cos γ die Beziehung: ( 2 1 − c2 ≈ 1 − a2 2 )(1 − ) + ab cos γ b2 2 Der Faktor cos γ kann nicht umgeschrieben werden, da der Winkel γ nicht klein wird. Ausmultiplikation ergibt: 2 1 − c2 ≈ 1 − Der Summand folgt: a2 b2 2 2 a2 2 − b2 2 + a2 b2 2 2 + ab cos γ ist vom vierten Grad und kann daher weggelassen werden. Dann c 2 ≈ a 2 + b 2 − 2ab cos γ Dies ist der Cosinus-Satz in der ebenen Trigonometrie. 1. 4 Das Polardreieck Für die Herleitung der weiteren Sätze benötigen wir den Begriff des Polardreiecks und des Pols. Die Pole eines Großkreises Unter den Polen eines Großkreises verstehen wir die beiden Schnittpunkte der Kreisachse mit der Trägerkugel. Die Namengebung orientiert sich am Spezialfall der Erdkugel; die beiden Pole des Äquators sind der Nordpol und der Südpol. Dem Schnittwinkel α zweier Großkreise kann ein Polarbogen zugeordnet werden, indem je die "äußeren" Pole der beiden Großkreise durch einen Großkreisbogen a* verbunden werden. α A′ A = A′ a∗ α A α a∗ Dem Winkel α wird der Polarbogen a* zugeordnet Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 5 Offensichtlich gilt die Beziehung: α + a∗ = π . Nun können wir das Polardreieck definieren: Das Polardreieck besteht aus den drei Polarbögen a*, b* und c* der drei Winkel α, β und γ. Das Polardreieck ist also ebenfalls ein sphärisches Dreieck. c* B* A* b* a γ M b a* C α A β B c C* Das Polardreieck A*B*C* des sphärischen Dreieckes A B C → Der Vektor MA∗ ist orthogonal zur Ebene des Großkreisbogens a, daher ist dieser Vek → → → tor MA∗ auch orthogonal zu den beiden Vektoren MB und MC . Durch zyklische Vertauschung folgt: → → → → → → → → → MA∗ orthogonal zu MB , MC MB∗ orthogonal zu MC , MA MC∗ orthogonal zu MA , MB Daraus folgt aber: → → → → → → → → → MA orthogonal zu MB∗ , MC∗ MB orthogonal zu MC∗ , MA∗ MC orthogonal zu MA∗ , MB∗ Das heißt, dass das Polardreieck des Polardreieckes wieder das ursprüngliche Dreieck ist, so wie das Spiegelbild des Spiegelbildes wieder das ursprüngliche Bild ist. 1. 5 Der Winkel-Cosinus-Satz Da das Polardreieck A*B*C* auch ein sphärisches Dreieck ist, gilt dafür nach dem Seiten-Cosinus-Satz: cosc∗ = cos a∗ cosb∗ + sin a∗ sin b∗ cos γ ∗ Wegen α + a∗ = π , β + b∗ = π und γ + c∗ = π folgt daraus: cos( π − γ ) = cos( π − α ) cos( π − β ) + sin( π − α ) sin( π − β ) cos( π − c) Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 6 und schließlich: cos γ = − cos α cos β + sin α sin β cosc Dies ist der Winkel-Cosinus-Satz. Er gilt für das ursprüngliche sphärische Dreieck ABC. Gegenüber dem Seiten-Cosinus-Satz sind die Begriffe "Seiten" und "Winkel" vertauscht, der Satz hat aber bis auf ein Vorzeichen dieselbe Struktur. Durch zyklische Vertauschung ergibt sich Winkel-Cosinus-Satz cos γ = − cos α cos β + sin α sin β cosc cos α = − cos β cos γ + sin β sin γ cos a cos β = − cos γ cos α + sin γ sin α cosb Als Anwendung berechnen wir die Seitenlänge eines regelmäßigen sphärischen Fünfekkes der folgenden Figur. Regelmäßige Fünfecke auf der Kugel Da an jeder Fünfecks-Ecke drei Fünfecke zusammenstoßen, misst ein Innenwinkel 23 π . Die Innenwinkelsumme beträgt somit 10 3 π , der sphärische Exzess ist gleich 10 π − 3π = 1 π . Dies ist ein Zwölftel der Kugeloberfläche der Einheitskugel; es hat also 3 3 genau zwölf solcher regelmäßiger Fünfecke. Zur Berechnung der Seitenlänge s eines solchen Fünfeckes unterteilen wir dieses vom Mittelpunkt M aus in fünf gleichschenklige sphärische Dreiecke. D M E C 2π 5 π 3 A s π 3 B Unterteilung in gleichschenklige Dreiecke Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 7 Diese gleichschenkligen Dreiecke haben Basiswinkel von 13 π (Hälfte des Innenwinkels von 23 π ), der Winkel an der Spitze misst 25 π . Wir haben also hier ein Beispiel eines Dreieckes, von dem alle drei Winkel gegeben sind, aber keine Seite. In der Ebene ist diese Situation nicht möglich, daher gibt es auch keinen dem Winkel-Cosinus-Satz entsprechenden Satz in der ebenen Trigonometrie. Durch Einsetzen erhalten wir cos 25 π = − cos π3 cos π3 + sin π3 sin π3 cos s Daraus ergibt sich s ≈ 0.7297 ≈ 41.81°. 1. 6 Der Sinus-Satz Aus dem Winkel-Cosinus-Satz folgt cosc = cos γ +cos α cos β sin α sin β und daraus sin 2 c = 1 − cos2 c = sin 2 α sin 2 β −cos 2 γ −2 cos γ cos α cos β −cos 2 α cos 2 β sin 2 α sin 2 β und weiter sin 2 csin 2 α sin 2 β = = −2 cos γ cos α cos β + (1 − cos2 α )(1 − cos2 β ) − cos2 γ − cos2 α cos2 β = −2 cos γ cos α cos β + 1 − cos2 α − cos2 β + cos2 α cos2 β − cos2 γ − cos2 α cos2 β = −2 cos γ cos α cos β + 1 − cos2 α − cos2 β − cos2 γ Die rechte Seite dieser Gleichung ist zyklisch symmetrisch bezüglich der drei Winkel α , β und γ. Wir können also links eine zyklische Vertauschung vornehmen, ohne dass sich am Wert des Ausdrucks etwas ändert. Daher ist sin 2 csin 2 α sin 2 β = sin 2 asin 2 β sin 2 γ , also: sin 2 c sin 2 γ = sin 2 a sin 2 α Da die vorkommenden Seiten und Winkel alle kleiner als π sind, sind alle vorkommenden Sinuswerte positiv. Wir können also die Quadrate weglassen und erhalten (mit zyklischer Vertauschung) den Sinussatz: Sinus-Satz sin a sin b sin c = = sin α sin β sin γ 1. 7 Weitere Formeln der Sphärischen Trigonometrie In der sphärischen Trigonometrie gelten weitere Formeln, welche keine Entsprechung in der ebenen Trigonometrie haben. Sie lassen sich aus den bis anhin gefundenen Formeln auf rechnerischem Wege herleiten: Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 8 Cotangens-Satz, erste Gruppe cot bsin c = cosc cos α + sin α cot β cot csin a = cos a cos β + sin β cot γ cot asin b = cosb cos γ + sin γ cot α Cotangens-Satz, zweite Gruppe cot bsin a = cos a cos γ + sin γ cot β cot csin b = cosb cos α + sin α cot γ cot asin c = cosc cos β + sin β cot α 1. 8 Kombinatorischer Aspekt Im Unterschied zur ebenen Geometrie sind in der sphärischen Geometrie die sechs Dreieckselemente a, b, c und α , β , γ völlig unabhängig voneinander. In jeder unserer Formeln kommen vier dieser sechs Elemente vor, das heißt man kann aus dreien das vierte 6 berechnen. Nun gibt es in einer Menge mit 6 Elementen = 15 Möglichkeiten, deren 4 4 auszuwählen. Tatsächlich werden mit unseren 15 Formeln genau diese 15 Fälle abgedeckt. Im einzelnen sieht das so aus: a) Es sind drei Seiten und ein Winkel im Spiel. α b c γ β a Drei Seiten und ein Winkel Hier muss der Seiten-Cosinus-Satz verwendet werden: cosc = cos a cosb + sin asin b cos γ b) Eine Seite und drei Winkel sind im Spiel. α b c γ β a Eine Seite und drei Winkel Hier wird der Winkel-Cosinus-Satz verwendet: cos α = − cos β cos γ + sin β sin γ cos a Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 9 c) Zwei Seiten und deren gegenüberliegende Winkel α b c γ β a Zwei Seiten und deren gegenüberliegende Winkel Hier wird der Sinus-Satz benötigt: sin a sin b = sin α sin β d) Zwei Seiten und zwei Winkel, nur ein Paar gegenüberliegender Seite und Winkel α b c γ β a Zwei Seiten und zwei Winkel Das ist ein Fall für die Cotangens-Sätze: cot bsin c = cosc cos α + sin α cot β 1. 9 Rechtwinklige sphärische Dreiecke Wir untersuchen sphärische Dreiecke mit γ = π2 . A C B Rechtwinkliges sphärisches Dreieck Aus dem Seiten-Cosinus-Satz cosc = cos a cosb + sin asin b cos γ erhalten wir: cosc = cos a cosb Für kleine rechtwinklige Dreiecke heißt das: Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 2 ( 1 − c2 ≈ 1 − Wenn wir den Summanden a2 b2 2 2 a2 2 10 )(1 − ) = 1 − b2 2 a2 2 − b2 2 + a2 b2 2 2 , welcher vom vierten Grad ist, weglassen, folgt: c2 ≈ a2 + b2 Es ist daher berechtigt, von der sphärischen Formel des Pythagoras zu sprechen. Sphärischer Pythagoras cosc = cos a cosb P YTHAGORAS 580 - 496 v.Chr. (Chorgestühl im Ulmer Münster von Jörg SY R L I N dem Älteren 1469 - 1474) Der griechische Philosoph PYTHAGORAS von Samos lebte von 580-496 v.Chr. PYder schon bei Lebzeiten eine legendäre Persönlichkeit war, soll ursprünglich als Kaufmann Ägypten, Kleinasien, Persien und Babylonien bereist haben. 529 v.Chr. ging er nach Kroton in Unteritalien, wo er den Bund der Pythagoreer gründete, der sich mit Mathematik, Astronomie und Musik befasste. PYTHAGORAS hat selber keine Schriften hinterlassen, doch sind uns seine und die Lehren der Mitglieder des Bundes von einigen Anhängern überliefert worden. Grundlagen der pythagoreischen Philosophie ist eine Zahlenlehre, die später in eine Zahlenmystik ausartete. Der Name des PYTHAGORAS ist vor allem durch den nach ihm benannten Lehrsatz bis in unsere Zeit lebendig geblieben; dieser war in seinem Grundgedanken allerdings bereits den alten Babyloniern bekannt. THAGORAS, Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 11 1. 10 Zusammenstellung der Formeln Seiten-Cosinus-Satz cosc = cos a cosb + sin asin b cos γ cos a = cosb cosc + sin bsin c cos α cosb = cosc cos a + sin csin a cos β Winkel-Cosinus-Satz cos γ = − cos α cos β + sin α sin β cosc cos α = − cos β cos γ + sin β sin γ cos a cos β = − cos γ cos α + sin γ sin α cosb Sinus-Satz sin a sin b sin c = = sin α sin β sin γ Cotangens-Satz, erste Gruppe cot bsin c = cosc cos α + sin α cot β cot csin a = cos a cos β + sin β cot γ cot asin b = cosb cos γ + sin γ cot α Cotangens-Satz, zweite Gruppe cot bsin a = cos a cos γ + sin γ cot β cot csin b = cosb cos α + sin α cot γ cot asin c = cosc cos β + sin β cot α Sphärischer Pythagoras cosc = cos a cosb 2 Berechnungen 2. 1 Angepasste Koordinaten 2. 1. 1 Polarkoordinaten in der Ebene x2 ρ P ϕ x1 Polarkoordinaten Für viele Kreisprobleme sind die „natürlichsten“ Koordinaten die durch Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 12 x1 = ρ cos ϕ x2 = ρ sin ϕ definierten Polarkoordinaten ρ und ϕ . Dabei ist ρ ∈[0,∞[ und ϕ ∈[0,2 π ] . Für ρ = const.= r erhalten wir die übliche Parameterdarstellung des Kreises. 2. 1. 1. 1 Archimedische Spiralen Die archimedische Spirale kann in Polarkoordinaten durch eine lineare Funktion ρ (ϕ ) beschrieben werden. Archimedische Spirale, ρ = 0.1ϕ A R C H I M E D E S , 287 - 212 v. Chr. Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 13 Archimedische Spiralen spielen in der Technik eine wichtige Rolle, zum Beispiel bei Aufwickelprozessen. Archimedische Spirale bei Aufwickelprozess 2. 1. 1. 2 Logarithmische Spiralen Eine Exponentialfunktion für ρ (ϕ ) führt zu einer logarithmischen Spirale. Logarithmische Spirale für ρ = 1.1 ϕ Logarithmische Spiralen kommen in der Natur an vielen Stellen vor. Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 14 Logarithmische Spirale 2. 1. 2 Kugelkoordinaten im Raum x3 P ρ ϕ x1 λ x2 Kugelkoordinaten Die Kugelkoordinaten ρ, λ , ϕ ergeben sich aus x1 = ρ cos λ cos ϕ x2 = ρ sin λ cos ϕ ρ sin ϕ x3 = [ ] mit ρ ∈[0,∞[ , λ ∈[0,2 π ] und ϕ ∈ − π2 , π2 . Für ρ = const.= r erhalten wir die übliche Parameterdarstellung der Kugel. Im folgenden Beispiel ist ρ = 0.2 λ + 0.1ϕ , dies ist eine Art Verallgemeinerung der archimedischen Spirale. Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 15 ρ (ϕ , λ ) = 0.1ϕ + 0. 2 λ Im folgenden Beispiel ist ρ (ϕ , λ ) = 1.2 ϕ + λ , dies ist eine Art Verallgemeinerung der logarithmischen Spirale. ρ (ϕ , λ ) = 1. 2 ϕ+λ 2. 1. 3 Analogie im 4D-Raum Wir erhalten in Analogie zu den Kugelkoordinaten die „Hyperkugelkoordinaten“ ρ , α , β , γ durch x1 = ρ cos α cos β cos γ x2 = ρ sin α cos β cos γ x3 = ρ sin β cos γ x4 = ρ sin γ Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 16 [ ] [ ] Dabei ist ρ ∈[0,∞[ , α ∈[0,2 π ], β ∈ − π2 , π2 , γ ∈ − π2 , π2 . Im 4D-Raum haben wir nämlich 16 „Hexadekanten“, da wir vier Koordinaten mit je den zwei Vorzeichen Plus und Minus haben. Der Parameter α bestreicht 4, die beiden Winkel β und γ je zwei Hexadekanten. Damit kommen wir auf 4 ⋅ 2 ⋅ 2 = 16 Hexadekanten. Für ρ = const.= r erhalten wir eine Parameterdarstellung der 4D-Hypersphäre. Es ist leicht einzusehen, wie die Sache in höhere Dimensionen fortzusetzen ist. 2. 2 Inhaltsberechnungen Um den 4D-Inhalt der 4D-Hyperkugel zu berechnen, studieren wir zunächst das Vorgehen in den uns bekannten Dimensionen 2 und 3. 2. 2. 1 Kreisflächeninhalt Für das Flächenelement erhalten wir in Polarkoordinaten: ρ dϕ dρ dρ ρ ρ dϕ dϕ Flächenelement Damit ergibt sich für den Flächeninhalt des Kreises: Flächeninhalt = 2π r ∫ 0 ∫ ρ dρ dϕ = πr 2 0 Das Flächenelement ρ dϕ dρ kann auch analytisch hergeleitet werden. Aus r ρ cos ϕ x (ρ , ϕ ) = mit ρ ∈[0,1] und ϕ ∈[0,2 π ] ρ sin ϕ ergeben sich die partiellen Ableitungen: Sphärische Trigonometrie. Berechnungen r ∂ x (ρ ,ϕ ) ∂ρ r cos ϕ = und sin ϕ 17 r ∂ x (ρ ,ϕ ) ∂ϕ −ρ sin ϕ = ρ cos ϕ r ∂ x (ρ ,ϕ ) ∂ x (ρ ,ϕ ) Die Vektoren ∂ρ dρ und ∂ϕ dϕ spannen das Flächenelement auf. Für das Flächenelement erhalten wir somit: r r cos ϕ ∂ x (ρ ,ϕ ) ∂ x (ρ ,ϕ ) Flächenelement = det ∂ρ , ∂ϕ dρ dϕ = det sin ϕ −ρ sin ϕ dρ dϕ = ρ dρ dϕ ρ cos ϕ r r cos ϕ −ρ sin ϕ ∂ x (ρ ,ϕ ) ∂ x (ρ ,ϕ ) Die Matrix ∂ρ , ∂ϕ = heißt Jacobische Matrix. Ihre Determi sin ϕ ρ cos ϕ nante, multipliziert mit dρ dϕ , ist das Flächenelement. Mit Maple sieht die Sache so aus: > with(linalg): x:=vector([rho*cos(phi),rho*sin(phi)]); x := [ ρ cos( φ ) ρ sin( φ ) ] > Jacobische:=jacobian(x,[rho, phi]); cos( φ ) -ρ sin( φ ) Jacobische := sin( φ ) ρ cos( φ ) > Determinante:=simplify(det(Jacobische)); Determinante := ρ > Int(Int(Determinante,rho=0..r),phi=0..2*Pi) = int(int(Determinante,rho=0..r),phi=0..2*Pi); 2π r ⌠ ⌠ ρ dρ dφ = r 2 π ⌡ ⌡ 0 0 > Analog können wir nun in den höheren Dimensionen vorgehen. Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 18 2. 2. 2 Kugelinhalt Aus ρ cos λ cos ϕ r x (ρ, λ , ϕ ) = ρ sin λ cos ϕ mit ρ ∈[0,1] , λ ∈[0,2 π ] , ϕ ∈ − π2 , π2 ρ sin ϕ [ ergibt sich der Kugelinhalt 4 πr 3 3 ] wie folgt: > with(linalg): x:=vector([rho*cos(lambda)*cos(phi),rho*sin(lambda)*cos(phi), rho*sin(phi)]); x := [ ρ cos( λ ) cos( φ ) ρ sin( λ ) cos( φ ) ρ sin( φ ) ] > Jacobische:=jacobian(x,[rho, lambda, phi]); cos( λ ) cos( φ ) -ρ sin( λ ) cos( φ ) -ρ cos( λ ) sin( φ ) Jacobische := sin( λ ) cos( φ ) ρ cos( λ ) cos( φ ) -ρ sin( λ ) sin( φ ) sin( φ ) 0 ρ cos( φ ) > Determinante:=simplify(det(Jacobische)); Determinante := cos( φ ) ρ 2 > Int(Int(Int(Determinante,rho=0..r),lambda=0..2*Pi), phi=-Pi/2..Pi/2) = int(int(int(Determinante,rho=0..r),lambda=0..2*Pi), phi=-Pi/2..Pi/2); 1 2π 2π r ⌠ 4 ⌠ ⌠ cos( φ ) ρ 2 dρ dλ dφ = 3 r 3 π ⌡ ⌡ ⌡ 1 0 0 -2π 2. 2. 3 Inhalt der 4D-Hyperkugel Ausgehend von der Darstellung ρ cos α cos β cos γ ρ sin α cos β cos γ r ρ ∈[0,1] , α ∈[0,2 π ], β ∈ − π2 , π2 , γ ∈ − π2 , π2 x (ρ , α , β , γ ) = ρ sin β cos γ ρ sin γ [ erhalten wir mit Maple den 4D-Inhalt der 4D Hyperkugel: ] [ ] Sphärische Trigonometrie. Berechnungen 19 > with(linalg): x:=vector([ rho*cos(alpha)*cos(beta)*cos(gamma), rho*sin(alpha)*cos(beta)*cos(gamma), rho*sin(beta)*cos(gamma), rho*sin(gamma)]); x := [ ρ cos( α ) cos( β ) cos( γ ) ρ sin( α ) cos( β ) cos( γ ) ρ sin( β ) cos( γ ) ρ sin( γ ) ] > Jacobische:=jacobian(x,[rho, alpha, beta, gamma]); Jacobische := [ cos( α ) cos( β ) cos( γ ) , -ρ sin( α ) cos( β ) cos( γ ) , -ρ cos( α ) sin( β ) cos( γ ) , -ρ cos( α ) cos( β ) sin( γ ) ] [ sin( α ) cos( β ) cos( γ ) , ρ cos( α ) cos( β ) cos( γ ) , -ρ sin( α ) sin( β ) cos( γ ) , -ρ sin( α ) cos( β ) sin( γ ) ] [ sin( β ) cos( γ ) , 0 , ρ cos( β ) cos( γ ) , -ρ sin( β ) sin( γ ) ] [ sin( γ ) , 0 , 0 , ρ cos( γ ) ] > Determinante:=simplify(det(Jacobische)); Determinante := cos( β ) cos( γ ) 2 ρ 3 > Int(Int(Int(Int(Determinante,rho=0..r),alpha=0..2*Pi), beta=-Pi/2..Pi/2) , gamma=-Pi/2..Pi/2)= int(int(int(int(Determinante,rho=0..r),alpha=0..2*Pi), beta=-Pi/2..Pi/2) , gamma=-Pi/2..Pi/2); 1 2π 1 2π 2π r ⌠ 1 ⌠ ⌠ ⌠ cos( β ) cos( γ ) 2 ρ 3 dρ dα dβ dγ = 2 r 4 π 2 ⌡ ⌡ ⌡ ⌡ 1 1 0 0 -2π -2π Die 4D-Hyperkugel hat also den 4D-Inhalt π quadratisch vorkommt. 1 π 2r 4 . 2 Überraschend ist, dass die Kreiszahl 2. 2. 4 Allgemeine Formeln für Inhalt und Oberfläche Man kann zeigen, dass für den nD-Inhalt der nD-Hyperkugel und den (n – 1)D-Inhalt der zugehörigen Hypersphäre (das ist die „Oberfläche“ der nD-Hyperkugel) die folgenden Formeln gelten: nD-Inhalt der nD-Hyperkugel (n – 1)D-Inhalt der zugehörigen Hypersphäre n gerade = 2k 1 k 2k k! π r k 2k −1 2 ( k −1)! π r n ungerade = 2k + 1 2 2 k +1 k! π k r 2k +1 ( 2k +1)! 2 2 k +1 ( 2k )! π k r 2k Da die Fakultäten schneller wachsen als die Potenzen, verschwinden diese Inhalte für n → ∞. Sphärische Trigonometrie. Berechnungen Literatur [Berger 1987.2] 20 Berger, Marcel: Geometry II. New York: Springer 1987. ISBN 0387-17015-4 [Bigalke 1984] Bigalke, Hans Günther: Kugelgeometrie. Otto Salle Verlag, Frankfurt am Main 1984. ISBN 3-7935-5530-5 [Gray 1993] Gray, Alfred: Modern Differential Geometry of Curves and Surfaces. CRC Press, Boca Raton 1993. ISBN 0-8493-7872-9 [Heitzer 1998] Heitzer, Johanna: Spiralen, ein Kapitel phänomenaler Mathematik. Leipzig: Klett 1998. ISBN 3-12-720044-7 [Schröder E 1988] Schröder, Eberhard: Kartenentwürfe der Erde. Teubner Verlag, Leipzig 1988. ISBN 3-322-00479-1 [Schröder EM 1991] Schröder, Eberhard M.: Vorlesungen über Geometrie. Band 1: Möbiussche, elliptische und hyperbolische Ebenen. B.I. Wissenschaftsverlag, Mannheim 1991. ISBN 3-411-15291-5 Sphärische Trigonometrie. Berechnungen Anhang: Kreisscheiben 21