Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Grammatische Derivation (Aspekt, Genus verbi, Komparation, Partizip und andere Phänomene zwischen Flexion und Wortbildung) Volkmar Lehmann Mel’cˇuk, Bondarko und die Derivation im Slavischen Nach heutigem Verständnis wird in der Wortbildung (slovoobrazovanie) die Bildung von Wörtern aus anderen Wörtern rekonstruiert, in der Formenbildung (formoobrazovanie) die Veränderung im Affixbestand eines Wortes. Die Veränderungen werden als komplementäre Prozesse gesehen: Entweder führt eine Veränderung im Affixbestand zu einem anderen Wort und gehört damit zur Wortbildung, oder das Wort bleibt bestehen, dann gehört sie zur Formenbildung. In Russland gibt es primär zwei Traditionen der morphologischen Beschreibung (s. dazu Bondarko 1976, 110-115; Lehfeldt / Kempgen 1999). Mit dem eben erwähnten Begriff der Formenbildung wird die Tradition von Sµcˇerba und Vinogradov fortgeführt, die allerdings die Bildung von Formen noch etwas weiter als heute angesetzt haben; Sµcˇerba rechnet auch die Ableitungen wie trubka > trubocˇka dazu, Vinogradov z.B. Doppelverben wie sidit-sidit. Sie stellen der Wortbildung die Formenbildung gegenüber. Fortunatov stellt der Wortbildung die Flexion (slovoizmenenie) gegenüber. Scheinbar ganz in der Tradition Fortunatovs unterscheidet auch Mel’cˇuk am Anfang seiner vierbändigen typologischen Morphologie (Kurs obsˇcˇej morfologii = KOM) Wortbildungsbedeutungen (slovoobrazovatel’nye znacˇenija = derivatemy) und flektivische Bedeutungen (slovoizmenitel’nye znacˇenija = grammemy) (KOM I, 251). Beide sind für ihn grammatische Bedeutungen, die den lexikalischen Bedeutungen gegenüberstehen (letztere sind alle Bedeutungen, die nicht grammatisch sind (KOM I, 307). -1- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. äzykovye znaçeniä grammatiçeskie leksiçeskie slovoobrazovatel´nye slovoizmenitel´nye (= derivatemy) (= grammemy) Tabelle: Bedeutungstypen nach Mel’cˇuk (KOM I, 251) Seine („grammatischen“)Wortbildungsbedeutungen unterscheiden Lexeme (KOM I, 274). Sie entsprechen extensional durchaus dem, was nicht zuletzt in der in der Slavistik als Bedeutung l e x i k a l i s c h e r Affixe angesehen wird und keineswegs dem, was im weiteren hier „grammatische Derivation“ genannt wird. Zwischen den wort- und den formbildenden Bedeutungen (KOM I:251) siedelt Mel’cˇuk nämlich noch die („besonders wichtigen“, ebd.: 286) q u a s i f l e k t i v i s c h e n Bedeutungen an (kvazislovoizmenitel’nye znacˇenija = kvazigrammemy), sieht sich aber zum Verzicht auf eine ernsthafte Behandlung gezwungen (KOM I; 288). Da er somit anerkennen muss, wovon viele andere ausgehen (s. HSK, 929f), dass nämlich zwischen Derivation und Flexion Übergänge bestehen, sind seine Definitionen der Grammeme und Derivateme als idealtypisch anzusehen. Während Mel’cˇuk die quasiflektivischen Bedeutungen eher den flektivischen Bedeutungen zurechnet, wird hier als Zwischenkategorie zwischen lexikalischer Wortbildung und Flexion die „grammatische Derivation“ angesetzt, weil, wie gezeigt werden soll, der Unterschied zwischen lexikalischer und grammatischer Derivation nur den S t a t u s der Funktion betrifft und ein fließender Übergang zwischen beiden Arten der Derivation besteht. Mel’cˇuks KOM ist eine Morphologie im großen, typologischen Maßstab, während hier aus slavistischem Blickwinkel mit der grammatischen Derivation etwas für die slavischen Sprachen besonders Charakteristisches fokussiert wird. Ein Stück darüber hinaus geht allerdings die damit zusammenhängende zweite Stoßrichtung des vorliegenden Beitrags: der Hinweis auf die grammatischen (morphologischen) Funktionen lexikalischer Bedeutungen, deren Unterschätzung keineswegs eine slavistische Besonderheit zu sein scheint. Mel’cˇuk schließt einen weiteren großen Bereich grammatischer Funktionen explizit aus seiner Morphologie aus: die von lexikalischen Bedeutungen implizierten grammatischen Funktionen (KOM II, 5). In KOM -2- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. I (S. 317f) sagt er, dass dies eine Aufgabe nicht der Morphologie, sondern der Lexikologie sei, die „die komplexe Erforschung der Lexeme einschließlich ihrer semantischen, syntaktischen, morphologischen und phonologischen Erforschung“ bereitstelle. Diese Zuordnung darf man auf die Architektur seines „Sinn-Text-Modells“ zurückführen. Morphologisch relevante Komponenten lexikalischer Bedeutungen wie Belebtheit und Genus des Substantivs, Komponenten wie ‘telisch’, ‘transitiv’, ‘homogen’, ‘zählbar’, oder die Frage, ob eine telische lexikalische Bedeutung zugleich aspektuelle Funktion hat, werden in der klassischen Morphologie jedoch nicht im Rahmen der Lexikologie, sondern im Rahmen der Grammatik behandelt. Jedenfalls ist die Frage, ob und inwiefern der lexikalische Stamm bzw. die von ihm getragene Bedeutung grammatisch relevant sind, der zweite zentrale Gegenstand dieses Beitrags. Die Polonistik hat es in der Morphologie mit den gleichen sprachlichen Strukturen zu tun wie die Russistik. In den polnischen Grammatiken werden Affigierungen wie die Bildung des Aspekts oder der Adverbien meistens der Wortbildung zugerechnet, ohne dass damit an der grammatischen Natur etwa des Aspekts gezweifelt würde. Wortbildung erstreckt sich hier tendenziell auf die Affigierung insgesamt, nur die Flexion ist ausgeschlossen. Dieses weitergehende Verständnis von Derivation, das neben der Bildung von Possessiva, Diminutiva und Ordinalia auch Komparativa umfasst, geht über die Polonistik hinaus. Es ist keine polonistische Besonderheit (s. Puzynina, 1964). In der Russistik gibt es sehr verschiedene Ansichten darüber, ob z.B. mit der Bildung von Aspektpartnern, also durch das Anfügen grammatischer Affixe, vgl. stroit’ > postroit’, pisat’ > napisat’, neue Wörter oder nur neue Wortformen entstehen. Im Prinzip ist das russische Verständnis von Wortbildung auf den Bereich der Inhaltswörter beschränkt. Allgemein gesagt tendiert „Wortbildung“ in der russischen Beschreibungstradition zu einem Umfang, der dem Begriff „lexikalische Wortbildung“ entspricht, während er in der polnischen Tradition eher dem Umfang des Begriffs „nichtflektivische Affigierung (plus Komposition u.ä,)“ entspricht. Für die Polonistik enthält der Begriff „grammatische Wortbildung“ keineswegs einen Widerspruch. -3- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. In den Wörterbüchern jedenfalls bilden z.B. Aspektpartner eigene Lemmata / Stichwörter, so dass aus dieser Sicht zwischen ihnen Wortbildungsbeziehungen bestehen. Und wenn man den Aspekt als „nichtflektivische“ Kategorie auffasst, wie die AG 1980, oder als klassifizierende Kategorie (also eine wie das Genus der Substantive), wie z.B. Paducˇeva (1964, 85), dann impliziert dies, dass die Beziehung zwischen pisat und napisat’, zwischen otkryt’ und otkryvat’ eine Wortbildungsbeziehung ist, was sollte es sonst sein. Wenn es eine Wortbildungsbeziehung ist, dann eine derivationale. Da weiterhin die entsprechenden Affixe grammatischen Status haben und nicht lexikalischen, handelt es sich um grammatische Derivation, damit auch um „grammatische Wortbildung“. Ich möchte nicht versuchen, eine allgemeingültige Verwendung des Ausdrucks „Wortbildung“ entgegen den nationalen Traditionen zu propagieren. Trotzdem muss man sich als Autor und Lehrender für eine Verwendung entscheiden, die für slavistische, nicht nur auf eine Sprache bezogene Bescheibungen gebraucht werden kann. Einen bedeutenden Vorschlag zur Lösung der Frage, wie mit den Erscheinungen umgegangen werden soll, die weder der Flexion noch der lexikalischen Wortbildung angehören, hat Bondarko bereits 1976 vorgelegt. Er geht zum einen davon aus, dass Formenbildung und Wortbildung sich überschneiden, so dass durch Formenbildung auch neue Wörter entstehen können (Bondarko 1976, 115f) und unterteilt die so genannten morphologischen Kategorien in alternierende und derivationale (ebd., 100f). Diese Linie wird im vorliegenden Beitrag weiter verfolgt. Extensional entsprechen Bondarkos „alternierenden“ und derivationalen morphologischen (Form-Funktions-)Kategorien die von mir als „flektivisch“ bezeichneten und die derivationalen grammatischen Kategorien und Paradigmen. Intensional, in den Definitionen, gibt es jedoch beträchtliche Unterschiede. Damit im Zusammenhang stehen weitere Unterschiede zu Bondarkos Theorie der morphologischen Kategorien: Bondarko behandelt Erscheinungen wie den Infinitiv oder die Adverbialpartizipien nicht. In einer Anmerkung (ebd., 117) rechnet er sie zwar zur Formenbildung, aber nicht zu den morphologischen Kategorien. -4- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Im vorliegenden Beitrag werden die Adverbialpartizipien wie auch die Partizipien oder die deadjektivischen Adverbien (sil’no, po-russki) zu einer eigenen Art der derivationalen Funktionskategorien gerechnet. Die lexiko-grammatischen Kategorien und Paradigmen werden hier intensional und extensional anders als bei Bondarko bestimmt und ebenfalls in das System der morphologischen Funktionskategorien integriert. Wie auch im Unterschied zu Mel’cˇuk wird hier den lexikalischen Bedeutungen eine grundlegende, systematisch relevante Rolle für die synchrone Konstitution der morphologischen Funktionskategorien zuerkannt. Das definitorische Intrumentarium soll dabei an Unterscheidungskraft, Präzision und Adäquatheit gewinnen. Grammatische und lexikalische Funktionen von Affixen Die Endungen sind eindeutig grammatische Affixe, und ebenso eindeutig gehört die Ableitung von spa-l’nja ‘Schlafzimmer’ aus spat’ zur Wortbildung. Mit der Aufteilung der Affixe auf solche, die zur (lexikalischen) Wortbildung und solche, die zur (grammatischen) Formenbildung gehören, wird der Eindruck erweckt, als seien die Morpheme eindeutig in lexikalische (Wurzeln, lexikalische Wortbildung) und grammatische (Formenbildung) aufzuteilen. Dem ist jedoch keineswegs so. Aus der traditionellen Grammatik ist lange bekannt, dass ein Affixparadigma zugleich der Wortbildung und der Formenbildung dienen kann. Wenn man sagt, dass per Wortbildung aus rab ‘Sklave’ das Wort raba ‘Sklavin’ abgeleitet wird, analog zur Ableitung (Derivation) des Wortes studentka von student, dann besteht der Ableitungsvorgang in folgendem: Ersetzt wird das Endungsparadigma einer Deklination, also (rab)-Ø, (rab)-a, (rab)-e, (rab)-a, ... durch ein Endungsparadigma einer anderen Deklination, also (rab)-a, (rab)-y, (rab)e, (rab)-u, .... Mit der Ersetzung des einen Endungsparadigmas durch das andere wird also ein neues Wort gebildet, das die Bedeutung ‘Sklavin’ hat. Das dazu verwendete Paradigma besteht aber aus Endungen, also aus Affixen mit grammatischer Funktion. Bei der Bildung von Aspektpartnern wird ein neues Wort abgeleitet, z.B. otkryvat’ von otkryt’, resˇat’ von resˇit’, postroit’ von stroit’, es wird -5- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. aber ein Affix mit grammatischer und nicht mit lexikalischer Funktion angefügt. Das Gleiche gilt für die Bildung des ipf. Passivs mit dem Postfix sja: stroit’ > stroitsja. Bei der Ableitung von Adverbien aus Adjektiven, vgl. krasivyj > krasivo, russkij > po-russki, wird ebenfalls ein neues Wort gebildet, aber lexikalisch nichts geändert. Soweit die Bildung neuer Wörter o h n e Änderung der lexikalischen Bedeutung. Es können aber auch neue Wörter m i t geänderter lexikalischer Bedeutung gebildet werden und g l e i c h z e i t i g die grammatische Funktion sich ändern, wie es bei der Derivation von ipf. stroit’ ‘bauen’ > pf. perestroit’ ‘umbauen’ oder ipf. idti ‘gehen’ > pf. perejti ‘über (etwas) hinübergehen’ geschieht. Die Verschränkung von Wort- und Formbildung ist jedoch noch enger. Es ist nicht nur so, dass e i n u n d d a s s e l b e P r ä f i x zur Bildung von grammatischen Aspektpartnern, vgl. pf. na-pisat’ zu ipf. pisat’, und zur Bildung von Wörtern mit anderer lexikalischer Bedeutung wie in na-plyt’ ‘auf (etwas) schwimmen’ verwendet werden kann. Immerhin könnte dann die affixale Veränderung bei napisat’ als Formbildung, bei naplyt’ als Wortbildung angesehen werden. Es gibt auch genügend Fälle, in denen ein Präfix i n e i n u n d d e m s e l b e n W o r t , je nach Funktion und Kontext des Wortes, grammatische oder lexikalische Funktion hat. Das Präfix raz- in razdelit’ kann einerseits eine grammatische ohne eine lexikalische Funktion haben und andererseits eine lexikalische, verbunden mit einer grammatischen: Als Derivat von delit’ ist razdelit’ z.B. nach Ozˇegov dessen Aspektpartner, mit der gemeinsamen Standardbedeutung ‘zer-, aufteilen’. Die Veränderung ist rein grammatisch. Dagegen führt die Präfigierung mit raz- in razdelit’ u.a. zur neuen lexikalische Bedeutung ‘(das Schicksal u.ä.) teilen’, in diesem Fall mit dem Aspektpartner razdeljat’. Das Postfix -sja dient zur Wortbildung von Reflexivverben und zur Bildung des Passivs von ipf. Verben (vgl. hierzu jetzt Wiemer, i.Dr.). Otkryvat’sja kann Reflexivverb sein, vgl. dver’ otkryvalas’ ‘die Tür ging auf’, und Passivform, vgl. dver’ otkryvalas’ s trudom ‘die Tür wurde mit Mühe geöffnet’. Gehört das Postfix hier nun zur Wort- oder gehört es zur Formbildung? -6- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Aus der geschilderten Situation können folgende Konsequenzen gezogen werden: 1. Bei der Affigierung können sich lexikalische und grammatische Prozesse überschneiden. Wortbildung und Formenbildung sind daher keine komplementären Bereiche, sie überlappen sich vielmehr. 2. Da dem Unterschied zwischen lexikalischen und grammatischen Funktionen nicht immer formale Unterschiede entsprechen, ist die Unterscheidung zwischen lexikalischem und grammatischem Status anhand der Funktionen zu definieren. Ein Morphem oder eine Morphemkombination kann eine lexikalische, eine grammatische oder eine lexikalische u n d grammatische Funktion besitzen. 3. Affixe, die je nach Funktion und Umgebung grammatischen oder lexikalischen Status haben können, sei es in verschiedenen Wörtern (naplyt’ und na-pisat’), sei es in ein und demselben Wort wie das erwähnte raz- in razdeljat’ oder -sja wie in otkryvat’sja, wollen wir hinsichtlich des Status „ambivalent“ nennen. Sie werden sowohl im Rahmen der lexikalischen Wortbildung als auch in der Morphologie beschrieben. Wenn wir die nicht flektivische Formenbildung „morphologischer Kategorien“ wie Aspekt oder Genus verbi zur grammatischen Derivation rechnen, bleibt immer noch ein Rest an formbildenden Affixen, die weder zu den „morphologischen Kategorien“ noch zur Flexion gezählt werden und die ebenfalls als Kandidaten für die grammatische Derivation in Frage kommen, z.B. die Bildung von Partizipien. Diese Suffixe sind, wie erwähnt, eine Untermenge der so genannten formbildenden Morpheme. Daher soll zunächst eine Definition von „grammatischer Funktion“ im Sinne von „Funktion mit grammatischem Status“ gefunden werden, mit der die Gemeinsamkeit der Funktion von Endungen, von den anderen grammatischen Affixen und auch von klassifikatorischen Kategorien wie der des Genus des Substantivs erfasst wird. Zu den so definierten „Funktionen mit grammatischem Status“ gehören alle Bedeutungen der grammatischen Kategorien, aber eben darüber hinaus eine Reihe anderer, für die ein angemessener Platz in der Morphologie zu finden wäre. Im Strukturalismus, nicht zuletzt in der strukturalistisch geprägten Russistik, ist das Kriterium grammatischer Kategorien die Obligatheit. Mit -7- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. diesem Begriff wird üblicherweise der grammatische Status von MorphemParadigmen definiert. Dieser Terminus kann jedoch verschieden interpretiert werden. Wird er z.B. in dem Sinne verstanden, dass Morpheme zwangsweise verwendet werden müssen, wenn ein Wort verwendet wird, dann sind viele in der Grammatik-Literatur als grammatisch angesehene Morpheme nicht obligatorisch. Bei den Aspektpartnern gibt es immer ein Partnerverb, bei dem kein aspektuelles Morphem den Aspekt markiert, im Paar otkryvat’ – otkryt’ ist letzteres – obwohl nicht durch Affix markiert – ein Verb des pf. Aspekts. Wenn das Genus nicht als Funktion der Flexionsmorpheme, sondern seines Stammes gesehen wird (was die Regel ist, s.u.), dann wäre bei diesem Obligatheits-Begriff das Genus der Substantive keine grammatische Kategorie, weil es keine obligatorisch mit dem Substantiv verwendeten Genus-Morpheme gibt. Auch z.B. die Morpheme der Adverbialpartizipien wären nicht grammatisch, weil sie nicht obligatorisch mit dem Verb verwendet werden. Dieser Begriff der Obligatheit ist sehr eng, denn er wurde ausgehend von Deklinationen und Konjugationen entwickelt, die in der Tat obligatorisch zu realisieren sind. Eine weniger enge Definition findet sich bei Ch. Lehmann (1992, 12) in der Wiedergabe der Konzeption von Jakobson und Mel’cˇuk, analog bei Plungian (2000, 106). Danach ist eine Bedeutung grammatisch in einer Sprache L, wenn der Sprecher nicht wählen kann, ob er sie unspezifiziert lässt. Das ist zum Beispiel beim Aspekt der Fall. Man kann kein Verb verwenden, ohne dass damit nicht auch ein Aspekt spezfiziert würde. Aber auch damit wären die Funktionen von Partizipien, Adverbialpartizipien oder abgeleiteten Adverbien wie sil’no nicht grammatisch, denn man muss sie nicht spezifizieren, wenn man ein Verb bzw. Adjektiv benutzt. Eine traditionelles und aktuell diskutiertes Kriterium der Grammatizität ist die (morpho-)syntaktische Funktion einer Einheit. Die Numerusendungen der Adjektive erfüllen eine rein syntaktische Funktion, indem sie die Kongruenz mit Substantivendungen anzeigen, vgl. russkie studenty. Der Aspekt z.B. hat demgegenüber aber keine im konventionellen Sinne syntaktische Funktion, so dass er entsprechend dem Kriterium der syntaktischen Funktion keine grammatische Kategorie wäre. Außerdem gibt es viele Funktionen, die als „syntaktisch“ zu bezeichnen sind und trotzdem -8- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. der (lexikalischen) Wortbildung zugerechnet werden, so das Affix {-et’ / et’sja} in Verben wie belet’ / belet’sja ‘weiß sein’ (vgl. Beleet parus odinokij ... ‘Es schimmert weiß ein einsam Segel ...’), zelenet’ / zelenet’sja ‘grün sein’ u.s.w., das nur die Funktion besitzt, ein Adjektiv so zu verändern, dass es als Verb benutzt werden kann (vgl. auch die Abstrakta wie sila ‘Stärke’ und Beziehungsadjektive wie gorodskoj ‘Stadt-’) Ich schlage vor, die grammatischen Funktionen so zu definieren, dass die obligatorischen Funktionen eingeschlossen sind, jedoch auch nicht obligatorische wie die des Partizips oder des Adverbialpartizips erfasst werden. Dabei soll eine allgemeinen Definition des Begriffs der Funktion zugrundegelgt werden, nämlich die Funktion verstanden als „Folge der Anwesenheit einer Form“: Besteht eine Funktion ‘F’ in einer Äußerung nur dann, wenn die Form F anwesend ist, dann hat F die Funktion ‘F’. Da die russische Vokabel für ‘öffnen’ dann ipf. Funktion hat, wenn das Verb otkryvat’ das Suffix {-va-} enthält, ist {-va-} Träger der Funktion ‘imperfektiv’. Funktion ist damit ein Oberbegriff, der alle Arten von Bedeutungen und Bedeutungskomponenten umfasst. Als g r a m m a t i s c h bezeichnen wir Funktionskategorien, die solche Funktionen von Wortformen (s.u.) und Kombinationen von Wortformen enthalten, die aufgrund einer allgemeinen Regel für beliebige Wörter einer Wortart und für Kombinationen von Wortarten vorausgesagt werden können. Grammatische Funktionskategorien stehen in Opposition zu lexikalischen (s. dazu unten) und enthalten morphologische und syntaktische1 Funktionskategorien. 1 Als syntaktisch bezeichnen wir Funktionskategorien, die solche Funktionen von Kombinationen von Wortformen enthält, die aufgrund einer allgemeinen Regel für Kombinationen von Wortarten vorausgesagt werden können. Auch hier gilt: Einheiten können sowohl morphologische, als auch syntaktische Funktion haben. 2 Die Bedingung „für ein beliebiges Wort einer Wortart“ entspricht in Mel’cˇuks Definition der flektivischen Kategorien der Bedingung 2.(c), s. KOM I, 249. 3 Es besteht eine Analogie zwischen materialer Implikation und „(semantisch nicht fundierter) Koppelung“ einerseits und strikter Implikation/ entailment und „semantisch fundierter Implikation“ andererseits, der ich hier aber lieber nicht nachgehen möchte. Die logischen Implikationen beziehen sich auf Aussagen, die hier verwendeten auf Wörter. -9- Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Als m o r p h o l o g i s c h bezeichnen wir oppositive Funktionskategorien, die solche Funktionen von Wortformen (s.u.) enthalten, die aufgrund einer allgemeinen Regel für beliebige Wörter einer Wortart vorausgesagt werden können2. Ich verwende „morphologische“ bzw. „grammatische Funktionskategorien“ und „Funktionen“ im Unterschied zu den traditionellen „grammatischen Kategorien“ (wie Genus, Numerus, Aspekt) mit deren oppositiven Elemente, den „grammatischen Bedeutungen“ (wie maskulin, Singular, pf. Aspekt). Die traditionellen „grammatischen Kategorien“ werden unten als spezifische Subkategorien der grammatischen Funktionskategorien eingegrenzt. Betrachten wir einige Beispiele. Endungen sind immer Affixe mit morphologischer, und damit grammatischer, Funktion. Die Funktionskategorien können dementsprechend vorausgesagt werden: Für ein bliebiges Adjektiv gilt die Voraussage, dass mit ihm die Kategorien Kasus, Numerus und Genus realisiert werden. Aber auch bezüglich anderer Affixe als Endungen besteht Voraussagbarkeit: Bezüglich eines beliebigen Verbs kann vorausgesagt werden, dass es einem Aspekt angehört. Wird ein Substantiv gebraucht, so kann vorausgesagt werden, dass es eine Genusfunktion ausübt, dass es z.B. das Genus des kongruierenden Adjektivs determiniert. Mit der Definition sind zunächst einmal jene grammatischen Funktionen erfasst, die obligatorischen grammatischen Kategorien angehören: Endungen sind formal und funktional obligatorisch, d.h. mit einem Substantiv muss eine Endung aus einem bestimmten Paradigma mit den entsprechenden Funktionen realisiert werden. Mit dem Verb muss eine der Bedeutungen des Aspekts realisiert werden, er ist funktional obligatorisch. Ein Adverbialpartizip hingegen ist weder formal noch funktional obligatorisch, mit einem Verb muss weder die Funktion noch die Form des Adverbialpartizips realisiert werden. Für ein beliebiges Verb kann jedoch vorausgesagt werden, dass es die Derivationsbasis für ein Adverbialpartizip sein k a n n , und diese Voraussage ist für Substantive oder Adjektive nicht zulässig. 2 Die Bedingung „für ein beliebiges Wort einer Wortart“ entspricht in Mel’cˇuks Definition der flektivischen Kategorien der Bedingung 2.(c), s. KOM I, 249. - 10 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Ausnahmen im Einzelfall stören nicht die auf einer R e g e l basierende Voraussagbarkeit. Ausnahmen gibt es bereits bei den Kategorien, die das Kriterium der Obligatheit erfüllen und über deren grammatischen Status kein Zweifel besteht. „Regelgegründet“ bedeutet, dass bei der Anwendung der Regel Spielraum für Ausnahmen gelassen werden muss. Die Definition soll in dieser Form gelten, d.h. als Prinzip, das Ausnahmen zulässt, wobei zwei Arten der Ausnahmen unterschieden werden können: (a) Die Ausnahme ist semantisch begründet. Substantive bestimmter lexiko-grammtischer Kategorien wie die Stoffnamen (voda, muka, kartofel’) erlauben keine Pluralbildung oder stative Verben wie znacˇit’, stoit’ keine Ableitung von Aspektpartnern. (b) Die Ausnahme beruht auf einer sprachhistorisch begründeten Norm, vgl. Pluralwörter wie sutki, budni. Die Definition dessen, was morphologische Funktionskategorien sind, geht im Umfang (in der Extension) deutlich über die Menge der Funktionen hinaus, die traditionell zu den „grammatischen Kategorien“ gezählt werden. Anders gesagt: Die Bedeutungen, die zu den traditionellen grammatischen Kategorien gehören, z.B. die Tempora, sind nur eine Untermenge der grammatischen Funktionen, wie sie hier definiert wurden. Mit dem vorliegenden Begriff der grammatischen Funktion wird nicht nur die Grammatizität von flektivischen und bestimmten derivationalen „grammatischen“ Kategorien erfasst, sondern auch die der Partizipien oder Adverbialpartizipien und der lexiko-grammatischen Kategorien wie ‘Stoffname’ ‘(In)Transitivität’, ‘Telizität’, auch die Kategorie der ‘Belebtheit’. Wir gehen unten darauf ein. Das Gegenstück zum grammatischen Status von Affixfunktionen ist der lexikalische: Als lexikalisch bezeichnen wir Funktionskategorien, die solche Funktionen von Wortformen enthält, die nicht aufgrund einer allgemeinen Regel für beliebige Wörter einer Wortart vorausgesagt werden können. Zu den lexikalischen Funktionen gehören neben den Funktionen der Wurzeln von Inhaltswörtern die von Stämmen und von Wortbildungsaffixen. Das Suffix {-l’n’a} wird nur mit einigen semantisch geeigneten Verben kombiniert, wie cˇital’nja ‘Lesezimmer’, belil’nja - 11 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. ‘Bleiche, Bleichwiese’, nicht aber mit allen Verben, denn Wörter wie *kusˇal’nja ‘Esszimmer’ oder *pisal’nja ‘Schreibzimmer’ gibt es nicht. Man kann also nicht anhand einer allgemeinen Regel voraussagen, dass es zu einem beliebigen Verb ein Derivat gibt mit der Bedeutung ‘Räumlichkeit, in der der vom motivierenden Wort genannte Vorgang stattfindet’. Deshalb ist die Funktion dieses Affixes als lexikalische zu klassifizieren. Man kann demgegenüber anhand einer allgemeinen Regel voraussagen, dass es im Russischen zu einem beliebigen pf. Verb auch die Kombination mit der Funktion des ipf. Aspekts gibt, oder dass es zu einem transitiven Aktiv-Verb auch die Passiv-Funktion gibt. Die Funktionskategorien sind eben morphologisch und damit grammatisch, auch wenn mit den Affixen Wörter gebildet werden. Da hier die gegenseitige Ausschließung des lexikalischen und grammatischen Status nur bezüglich der F u n k t i o n e n angesetzt wird, ist die oben besprochenen Tatsache berücksichtigt, dass Formen von Morphemen und Morphemkomplexen zugleich lexikalische und grammatische Funktionen zugeordnet sein können. Dies ist hinsichtlich eines lexikalischen Stammes wie dem von djadja, der auch die grammatische Funktion ‘maskulin’ trägt, längstens bekannt und wurde oben im Zusammenhang mit der lexikalischen und zugleich grammatischen Aspekt-Präfigierung, vgl. stroit’ > perestroit’ und raz- in razdelit’ erläutert. Dem muss auch die Klassifizierung von Form-Funktions-Einheiten, von Morphemen und Stämmen in lexikalische und grammatische Rechnung tragen. Folgende Bezeichnungen für Morpheme sollen hinsichtlich ihres Status gelten: Lexikalisch: Morpheme, die eine oder mehrere lexikalische Funktionen haben, s.o. {-lnja}; Grammatisch: Morpheme, die eine oder mehrere grammatische Funktionen haben, z.B. Endungen; Ambivalent: Morpheme, die lexikalische und grammatische Funktionen haben, na-, raz-, -sja (s.o.). Bei lexikalischen Stämmen müssen wir definitorisch anders verfahren, weil diese neben der lexikalischen Bedeutung fast immer auch grammatische Funktionen haben. Als l e x i k a l i s c h e n S t a m m - 12 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. bezeichnen wir die Summe der Allomorphe der Wortform(en) eines Inhaltswortes, die lexikalische Funktion haben, also die Wortform ohne die Morpheme, die n u r grammatische Funktion haben. Demnach bildet stro(X)- den lexikalischen Stamm u.a. der Wörter stroit’, postroit’, stroit’sja, postroennyj und perestr(X)- den lexikalischen Stamm u.a. der Wörter perestroit’, perestraivat’, perestroiv, perestraivaja. Die flektivischen, klassifikatorischen und derivationalen Kategorien Nachdem wir gezeigt haben, dass es notwendig ist, bei Affixveränderungen am Wort den lexikalischen und grammatischen Status als Eigenschaft der Funktion zu definieren und einen Vorschlag gemacht haben, wie eine trennscharfe Definition aussehen kann, sollen nun Typen grammatischer Funktionskategorien unterschieden werden. Die Unterscheidung der Typen morphologischer Funktionskategorien und morphologischer Form-Funktionsparadigmen beruht auf deren Verhältnis zur lexikalischen Bedeutung der Wortformen, und zwar darauf, ob und inwieweit die Bedeutungen der voraussagbaren, also grammatischen Kategorie eine Implikation der lexikalischen Bedeutung in folgendem Sinne sind: Wenn Wort W mit der lexikalischen Bedeutung ‘X’ gebraucht wird, dann wird auch die grammatische Bedeutung ‘Y’ gebraucht“ (oder kurz: „‘X’, also auch ‘Y’“) So sind Kasus und Numerus keine, wohl aber das Genus eine Implikation der lexikalischen Bedeutung von djadja oder stol. Tritt djadja mit der Bedeutung ‘Onkel’ und stol mit der Bedeutung ‘Tisch’ auf, dann tritt auch das Genus ‘maskulin’ auf, denn die kongruierenden Adjektive haben maskuline Endungen. Ebenso sind die grammatischen Bedeutungen der Kategorien Tempus, Genus und Numerus z.B. in otkryla keine Implikation der Verbbedeutung, wohl aber der pf. Aspekt. Erst durch die Affigierung von /-va-/ und damit die Ableitung eines neuen Wortes ergibt sich die Kombination der lexikalischen Bedeutung ‘öffnen’ mit dem ipf. Aspekt. Das Aktiv ist eine Implikation der lexikalischen Bedeutung von stroit’, und erst durch die Bildung des Wortes stroit’sja ergibt sich die Kombination seiner lexikalischen Bedeutung ‘bauen’ mit dem Passiv. - 13 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Drei Konstellationen der Implikation und damit drei Arten von grammatischen Funktionskategorien (und auf dieser Basis drei Arten von Form-Funktionsparadigmen) können unterschieden werden: • Flektivische Funktionskategorien: Die oppositiven Bedeutungen der voraussagbaren Funktionskategorie sind keine Implikation der lexikalischen Bedeutung. Sie sind ohne Veränderung der lexikalischen Bedeutung austauschbar. Bei Substantiven können die Kasusbedeutungen Nominativ, Genitiv und Dativ usw. oder die Numerusbedeutungen Singular und Plural ausgetauscht werden, ohne dass dabei die lexikalische Bedeutung geändert wird. • Klassifikatorische Funktionskategorien: Die oppositiven Bedeutungen der voraussagbaren Funktionskategorie sind Implikationen der lexikalischen Bedeutung. Bei Substantiven können die Kategorien Belebtheit oder Genus vorausgesagt werden. Das Genus und die Unbelebtheit des Substantivs stol treten mit der lexikalischen Bedeutung auf und sind nicht austauschbar wie bei flektivischen Kategorien. Sie sind fest mit der lexikalischen Bedeutung von stol ‘Tisch’ verbunden. • D e r i v a t i o n a l e Funktionskategorien: Von den oppositiven Bedeutungen der voraussagbaren Funktionskategorie ist eine die Implikation der lexikalischen Bedeutung, die anderen stehen in Opposition zu der Implikation. Die Bedeutung ‘perfektiv’ ist eine Implikation der lexikalischen Bedeutung von otkryt’ ‘öffnen’, die Bedeutung ‘imperfektiv’ steht in Opposition dazu (und wird von dem Derivat otkryvat’ vermittelt). Umgekehrt ist die Bedeutung ‘imperfektiv’ von guljat’ eine Implikation seiner lexikalischen Bedeutung ‘spazieren gehen’. Der hier verwendete Begriff der Implikation enthält zwei Varianten, die für die weiteren Unterscheidungen der grammatischen Funktionskategorien wesentlich sind und die deshalb an dieser Stelle erläutert werden sollen. Es gibt semantisch fundierte und semantisch nicht fundierte Implikationen zwischen Bedeutungen. Bei stena und stol ist die Implikation zwischen lexikalischer Bedeutung und Genus-Bedeutung semantisch nicht fundiert, bei zˇena und otec ist die feminine bzw. maskuline grammatische Bedeutung lexikalisch fundiert, es besteht eine Gemeinsamkeit zwischen Sexus und - 14 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Genus. Die semantisch nicht fundierte Implikation wollen wir im weiteren als „Koppelung“ bezeichnen3. Verblexeme, die telisch (predel’nyj) sind, implizieren, wenn nicht die oppositionsbildende Affigierung vorliegt, den pf. Aspekt. Diese Implikation ist semantisch fundiert, da telische und pf. Bedeutung eine Gemeinsamkeit besitzen, die Ereignis-Funktion (‘Ganzheitlichkeit’, ‘Grenzerreichung’). Verblexeme, die atelisch sind und keine Aspektaffigierung haben, implizieren den ipf. Aspekt, die stativen Bedeutungen von znacˇit’ oder ljubit’ implizieren auf diese semantisch fundierte Weise den ipf. Aspekt; Verblexeme, die transitiv sind, das Aktiv, wenn nicht die oppositionsbildende Affigierung vorliegt. „Implizieren“ heißt hier, dass bestimmte Funktionen übereinstimmen, und deshalb kann gesagt werden, dass die Implikation der lexikalischen und grammatischen Bedeutungen semantisch fundiert ist. Eine solche Übereinstimmung besteht, wie gesagt, nicht zwischen der Bedeutung von stol ‘Tisch’ und dem maskulinen Genus. Trotzdem gilt, dass immer dann, wenn das Substantiv stol mit der Bedeutung ‘Tisch’ auftritt, dieses maskulin ist, was sich darin zeigt, dass ein kongruierendes Adjektiv maskulin ist (oder ein kongruierendes Prädikat, ein koreferentielles Personalpronomen). Es gibt also auch hier eine Implikation im Sinne von „lexikalische Bedeutung X (‘Tisch’), also auch grammatische Bedeutung Y (‘maskulin’)“, aber sie ist nicht semantisch fundiert im Sinne einer Gemeinsamkeit funktionaler Komponenten, wie dies der Fall ist bei: „telische lexikalische Bedeutung, also auch grammatische Bedeutung ‘pf.’“, oder zu zˇena: „lexikalische Bedeutung ‘Ehefrau’, also auch ‘feminin’“. Die flektivischen Paradigmen Bei den flektivischen Kategorien entspricht dem Austausch der Funktionen typischerweise die Substitution von Affixen. Die voraussagbaren, grammatischen Funktionen der Kategorie werden durch grammatische Morpheme markiert. Ersatzweise kann die Markierung analytisch – durch 3 Es besteht eine Analogie zwischen materialer Implikation und „(semantisch nicht fundierter) Koppelung“ einerseits und strikter Implikation/ entailment und „semantisch fundierter Implikation“ andererseits, der ich hier aber lieber nicht nachgehen möchte. Die logischen Implikationen beziehen sich auf Aussagen, die hier verwendeten auf Wörter. - 15 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Funktionswort und Affix – geschehen. Die Markierung ist formal und funktional obligatorisch. Unter den grammatischen Bedeutungen bestehen grammatische Oppositionen, sie bilden grammatische Kategorien. Funktion(en)x, ... Funktion(en)y, ... (Stammz)+Affixx (Stammz)+Affixy Allgemeines Schema der flektivischenParadigmen Da die flektivischen Kategorien hier nicht zur Debatte stehen, zähle ich in den unten folgenden Tabellen nur die Kategorien und ihre Bedeutungen auf, die im Russischen entsprechend der Definition flektivische sind. Eine Reihe von Trägern flektivischer Bedeutungen werden mit grammatischen Paradigmen des Aspekts oder des Genus verbi kombiniert, solche Umgebungen sind in der Tabelle in gerade Klammern gesetzt. Einige Teilparadigmen sind mit dem anschließend aufgeführten Adjektiv-VerbEndungsparadigma kombiniert, dies ist ebenfalls in geraden Klammern genannt [A-V-E]. Der Infinitiv ist in die Verbflexion aufgenommen, weil er funktional in Opposition zu den anderen flektivischen Kategorien steht. Seine Funktion ist die Markierung der Abwesenheit der anderen flektivischen Funktionen des Verbs – der Person, des Modus, des Tempus, des Numerus, des Genus. Demgegenüber werden die Kategorien Aspekt und Genus verbi in Kombination mit dem Infinitiv derivational markiert. Morphologisches Paradigma Substantiv-Flexion Adjektiv-Flexion Adjektiv-VerbFlexion Verb-Flexion Morphologische Teilparadigmen Grammatische (Träger der grammatischen (Funktions-)Kategorien Funktion) I., II., III. Substantiv-Deklinationen Numerus, Kasus Adjektiv-Deklinationen Genus, Numerus, Kasus s. Tabelle der Adjektiv-Verb-Flexion s. Tabelle der Verb-Flexion Tabelle: Die Flexionen im Russischen - 16 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Die Adjektiv-Verb-Flexion (A-V-F) des Russischen: Das Endungsparadigma allgemein: grammatische Kategorie ([Auxiliar] &) [Stamm] & Endung {-ø},{-a},{-o}, {-i} Genus, Numerus in Kombination mit folgenden Ko-Paradigmen: Ko-Paradigmen Ko-Bedeutung [Null-Kopula (Präsens von byt’)] & Adjektiv: Präsens [Adjektivstamm] +{-ø},{-a},{-o}, {-i} (A-V-F = „Kurzform“ des Adjektivs); vgl. ø silen [Infinitivstamm & Suffix {-l-}] + {-ø},{-a},{-o}, {-i}; Verb: Präteritum vgl. stroil [Hilfsverb byt’] & Verb: Passiv [pf. Infinitivstamm & Suffix{-n/t-}] +{-ø},{-a},{-o}, {-i} (A-V-F = „Kurzform des Partizips Präteritum Passiv“); vgl. ø / byl / budet postroen [Infinitivstamm & Suffix {-l-}] +{-ø},{-a},{-o}, {-i} Verb: Konditional [& by]; vgl. postroil by Tabelle: Formen und Funktionen des Adjektiv-Verb-Flexion und ihrer Umgebungen Die Verbflexion des Russischen: Namen der synthetischen Teilparadigmen Formen der Teilparadigmen „PräsensParadigma“ Konjugationen Standardfunktionen [ipf.]Präsens[pf.]Futur, Numerus, Person Präteritum Suffix{-l} [+A-V-F] Globalpräteritum (Perfekt, Präteritum, Plusqu.pf.), [(i)pf.] ImperativImperativ-Endungen Imperativ, Paradigma Person, Numerus Infinitiv-Suffix Suffix {-t’} Infinitiv Tabelle: Die Verbflexion im Russischen mit ihren synthetischen Teilparadigmen - 17 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Namen der analytischen Teilparadigmen analytisches Futur Formen der Teilparadigmen Standardfunktionen budu-Paradigma & Infinitiv-Suffix [ipf.] Futur vgl. budu otkryvat’ Passiv-Tempora byt’-Paradigmen [Passiv, pf.] [& Partizip Prät.Passiv +A-V-F]: byt’-Paradigma: Nullform von byt’ Präsens-Perfekt vgl. dver’ Ø otkryta, dver’ Ø otkryta nedavno byt’-Paradigma: byl[+A-V-F], Präeritumvgl. potom dver’ byla otkryta; dver’ byla Plusquamperf., otkryta Genus, Numerus byt’-Paradigma: bud(-u)-Paradigma, Futur vgl. dver’ budet otkryta Person, Numerus Konditional Suffix{-l} [+A-V-F ]& by Optativ-Konditional vgl. otkryl by Tabelle: Die Verbflexion im Russischen mit ihren analytischen Teilparadigmen Alle Tempusparadigmen haben den Modus Indikativ. Typisch für flektivische Affixe ist, dass ein Affix, die Endung, mehrere grammatische Funktionen verschiedener grammatischer Kategorien markieren kann, und dass umgekehrt die Funktionen z.B. des Akkusativs der Adjektive durch verschiedene Endungen ausgedrückt werden. Es gibt jedoch auch Ausnahmen: das Flexionssuffix {-l-} hat nur die Tempusbedeutung ‘präterital’. Die klassifikatorischen Paradigmen Auch die klassifikatorischen Funktionskategorien stehen hier nicht zur Debatte, so dass eine Übersicht ausreichen mag. Dieser Typ ist dadurch gekennzeichnet, dass die grammatische Funktionskategorie durch allgemeine, für die Wortart geltende klassifikatorische Regeln vorausgesagt wird. Das klassifikatorische Form-Funktions-Paradigma enthält also keine Affixe. Klassifikatorisch sind Regeln, bei denen syntagmatisch kookkurierende Einheiten K die Kategorienzugehörigkeit einer anderen Einheit indizieren. So indizieren die Endungen von kongruierenden Adjektiven die Genuszugehörigkeit von Substantiven, von stol, stena, okno, taksi oder djadja (s. hierzu Lehmann 2001). Die klassifikatorischen Funktionen werden also nicht durch austauschbare oder anfügbare Affix-Paradigmen wie bei flektivischen oder derivationalen Paradigmen markiert. Träger der grammatischen Funktion ist - 18 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. prinzipiell der lexikalische Stamm: Haben wir den Stamm otec-, stol-, dvigatel’-, djadj-, so steht das maskuline Genus fest, entsprechend steht mit devusˇk-, sten-, grubost’- das feminine Genus und mit okn-, cˇteni-, taksi das neutrale Genus fest. Diese grammatischen Funktionen der Stämme bilden untereinander grammatische Oppositionen. Funktionx Funktiony lexikalischer Stammx lexikalischer Stammy Allgemeines Schema klassifikatorischer Paradigmen Neben den kongruierenden Adjektiven indizieren bei den unbelebten Substantiven auch die Endungsparadigmen das jeweilige Genus des Sustantivs. Ausgehend von Kempgen (1995) oder praktischen Grammatiken kann man die Frage stellen, ob nicht die Endungen selbst als Träger der Genusfunktionen der Substantive angesehen werden sollten, zumindest bei den unbelebten Substantiven. Die Indeklinabilia wie taksi könnten dann als Ausnahmen angesehen werden; bei den belebten Substantiven ist dies schwieriger, hier sind Ausnahmen wie djadja recht zahlreich, ganz zu schweigen von semi-ambigenen Bezeichnungen wie vracˇ, professor usw. Hier entscheidet die lexikalische Bedeutung über das Genus. Aber auch eine Beschränkung auf unbelebte Substantive macht deren Endungen nicht zu vollgültigen Indikatoren des Genus. Denn ehe ich die Frage stellen kann: Welches Genus indiziert das Endungsparadigma des Substantivs N, muss ich festgestellt haben, ob das Substantiv belebt ist, und diese Information entnehme ich der lexikalischen Bedeutung, deren Träger wiederum der lexikalische Stamm ist. Wenn ich wissen will, ob die Regel „Bestimme das Genus eines unbelebten Substantivs anhand des Endungsparadigmas“ z.B. auf sˇirota, sirota, sipota anwendbar ist, muss ich erst einmal die lexikalische Bedeutung dieser Wörter kennen. Erst diese gibt darüber Auskunft, ob das Substantiv belebt oder unbelebt ist und die Regel anwendbar ist oder nicht. Man kommt ohne die lexikalische Bedeutung also auch hier nicht aus, so dass die einfachste Regel zur Feststellung des Genus von Substantiven die geltende ist, also die Kongruenz mit dem Adjektiv. Endungen haben bei den unbelebten Substantiven ebenfalls eine Funktion als eine Art „Klassifikatoren“, so wie andere Kontexte, seien es Pronomina oder die Endungen von Präterita, aber nicht die des Trägers der - 19 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Genusfunktion bei Substantiven. Träger der Genusfunktion bei Substantiven ist der lexikalische Stamm. Klassifikatorisch sind auch die oben erwähnten, in der russischen Grammatographie als lexiko-grammatisch bezeichneten Paradigmen, also Stoffnamen, belebte und unbelebte Substantive, transitive und intransitive Verben, persönliche und unpersönliche Verben, telische und nicht telische Verben (predel’nye – nepredel’nye glagoly) u.a. Sie werden ebenfalls durch klassifikatorische Regeln konstituiert, transitive Verben z.B. kookkurrieren prinzipiell mit einem direkten Objekt und Passiv-Formen, intransitive nicht. Der Unterschied zwischen diesen und den grammatischen Kategorien liegt darin, dass die grammatische Bedeutung einer lexiko-grammatischen Kategorie prinzipiell eine semantisch fundierte Implikation der lexikalischen Bedeutung des Wortes ist, während die grammatische Bedeutung des Genus der Substantive zu einem großen Teil, nämlich bei den unbelebten Substantiven, nur an die Bedeutung gekoppelt ist (s. Lehmann 2001). Aufgrund dieses Kriteriums ist z.B. die Belebtheitskategorie im Russischen eine lexiko-grammatische und keine grammatische Kategorie. Die Koppelung ist also ein definitorisch entscheidendes Merkmal, das die Schwäche des Begriffs „Obligatheit“ als einziger definitorischer Grundlage für den Begriff der grammatischen Kategorie offenlegt. Für Plungian ist die Obligatheit einer Bedeutung das Merkmal, das eine grammatische Bedeutung (bzw. eine grammatische Kategorie als Menge sich gegenseitig ausschließender grammatischer Bedeutungen, Plungian 2000, 113) von einer lexikalischen unterscheidet (ebd., 106). So sagt er z.B. S. 126: Innerhalb der „Klasse der obligatorischen (grammatischen) sprachlichen Bedeutungen, oder Grammemen, unterscheiden wir einerseits semantische und syntaktische Grammeme, andererseits klassifizierende und flektivische (slovoklassificirujusˇcˇie i slovoizmenitel’nye)“. Nun werden aber die leksiko-grammatischen Kategorien von Plungian (2000), obwohl sie obligatorisach sind, nicht zu den grammatischen Kategorien gezählt. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen und der grammatischen Kategorie Genus des Substantivs ist das Merkmal der Koppelung bei den letzteren. - 20 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Die derivationalen Paradigmen Der pf. Aspekt ist eine semantisch fundierte Implikation der lexikalischen Bedeutung von otkryt’, in Opposition dazu steht der ipf. Aspekt, markiert durch das Suffix in otkryvat’. Der ipf. Aspekt ist eine semantisch fundierte Implikation der lexikalischen Bedeutung von znacˇit’. Der lexikalische Stamm otkry- ist Träger der grammatischen Aspektfunktion.Träger der derivationalen grammatischen Funktionen ist auch das grammatische Affix, mit dem von diesem Stamm ein Derivat abgleitet wird. Es ist aufgrund einer allgemeinen Regel voraussagbar, dass der Stamm des pf. Verbs mit einem Suffix kombiniert werden kann, welches zu einem Derivat mit der Funktion ‘imperfektiv’ führt, und dass das Suffix eine Variante von {-iva-, -va-, -a-} ist. Das Suffix ist die derivationale Markierung des ipf. Aspekts, es ist Träger der Funktion ‘verändere das perfektive Verb zu einem imperfektiven Verb’. Funktionx Funktiony lexikalischer Stammx (lexikalischerStammx)+Affixy Allgemeines Schema der derivationalen Paradigmen Derivationale Markierungen können zu zwei verschiedenen Arten von derivationalen grammatischen Kategorien führen. Bei der aspektuellen oder der Passiv-Affigierung sowie der Komparation findet kein Wechsel der Wortart statt, im Unterschied z.B. zu Partizipien, die von Verben zu Adjektiven transponiert sind (s. z.B. Zaliznjak 1967, 3) oder den zu Adverben transponierten Adverbialapartizipien. Es sind also zu unterscheiden: (a) Nicht transpositionale Kategorien: Die vom Derivationsaffix getragenen grammatische Funktionen stehen in Opposition zu grammatischen Funktionen von Stämmen innerhalb d e r s e l b e n W o r t a r t . Nur wenn dies der Fall ist, bilden die grammatischen Funktionen eine grammatische Kategorie im geläufigen Sinne. Ein Beispiel ist der Aspekt. (b) Transpositionskategorien: Die oder eine grammatische Funktion des Derivationsaffixes besteht darin, den Stamm in eine andere Wortart zu überführen. Wenn das Affix eine solche transpositive Funktion hat, dann - 21 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. gehört diese Funktion keiner „grammatischen Kategorie“ im traditionellen Sinne an. Ein Beispiel ist die Derivation von Adverbialpartizipien. Im Russischen gibt es drei derivationale „grammatische Kategorien“: Wortart Verb Affixe Kategorien Aspekt-Affixe Aspekt: pf., ipf. Analytische Passiv-Formen [pf.] Genus verbi: Aktiv, Passiv Postfix -sja [ipf.] Adjektiv, Suffix Komparation: Positiv, Komparativ, Adverb vgl. sil’nee, sil’nejsˇ(ij) Elativ/Superlativ Tabelle: Die derivationalen „grammatischen Kategorien“ des Russischen Beim Genus verbi entspricht dem Stamm ohne derivationales Affix das Aktiv, dem Derivationsaffix das Passiv. Im Unterschied dazu gibt es beim Aspekt eine Überkreuzbeziehung zwischen Stämmen und Affixen: Träger sowohl des pf. Aspekts, als auch des ipf. Aspekts sind sowohl Stämme als auch Affixe. Das liegt daran, dass die lexikalischen Bedeutungen von Verben wie otkryt’ die Funktion des pf. Aspekts implizieren4 und dass durch das Suffix diese Funktion in eine oppositive Funktion verändert wird. Bei Verben wie stroit’ ist es umgekehrt, hier verändert das Präfix die ipf. Stammfunktion in die Funktion des pf. Aspekts. In älteren Theorien wird nur die Suffigierung mit {-iva-, -va-, -a-} als grammatische Markierung des Aspekts anerkannt und im Sinne einer Flexion interpretiert. Neuere Konzeptionen sehen die Aspekte auch als klassifikatorische Paradigmen an. Gegen die Einordnung der Aspektpartnerschaften / Aspektpaare als klassifikatorische Oppositionen spricht, dass dann der Unterschied verloren geht, der besteht zwischen StammOppositionen ohne grammatische Affigierung, wie bei den Genera der Substantive, und Oppositionen, die immer auch eine grammatische Affigierung enthalten, wie beim Aspekt. Wenn man den Aspekt als klassifikatorische Kategorie ansieht, dann impliziert dies aber ohnehin, wie erwähnt, dass die Bildung von Aspektpartnern, otkryvat’ zu otkryt’, postroit’ zu stroit’ usw. zur Wortbildung gerechnet wird, denn es wird ja 4 Genauer: Die Teilfunktion des pf. Aspekts ‘Ereignis’ (= ‘Ganzheitlichkeit’) ist eine semantisch fundierte Implikation der lexikalischen Verbbedeutung, die Teilfunktion ‘episodisch’ (= ‘zeitlich lokalisiert’) ist mit der lexikalischen Bedeutung gekoppelt. - 22 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. dann die Beziehung zwischen zwei verschiedenen Wörtern rekonstruiert (und diese Wortbildung ist gleichwohl grammatische Wortbildung). Man kann allerdings die derivationalen und klassifikatorischen Kategorien als Subtypen eines Typs „nicht flektivische Kategorien“ ansehen, entsprechend dem in der AG 1980 gebrauchten Terminus. Diesen Subtypen würde dann die „nicht derivationale“ Kategorie des Genus der Substantive angehören und die derivationalen Kategorien Aspekt, Genus verbi und Komparation (s. auch Wiemer, i.Dr.). Wird der Aspekt als flektivische Kategorie angesehen, dann müssen die Verb-Stämme ohne Aspektaffix, also otkry-(t’), stroj-(t’), jeweils als markiert mit einem Null-Suffix, otkry-Ø-(t’) bzw. mit einem Null-Präfix, Ø-stroit’, angesetzt werden (vgl. Kempgen 2000, 152). Das würde bedeuten, dass fast die Hälfte der russischen Verben Null-Morpheme mit oppositiver Funktion enthielte, einmal imperfektivierend, otkry-Øipf-(t’), einmal perfektivierend, Øpf-stroit. (Die Frage ist übrigens, ob der Aspekt von affixlosen Verben wie des ipf. znacˇit’ auch markiert sein soll, etwa znacˇit’Øipf?, obwohl dieses Verb keinen pf. Aspektpartner hat.) Weiterhin müsste man in analoger Weise bei der Aktiv-Passiv-Opposition verfahren, stroit’ØAktiv : stroit’sja, so dass z.B. ein ipf. Verb vorn und hinten ein NullSuffix besäße, Øpf-stroit’-ØAktiv. Dann wären immer noch die Markierungen für Partizipien und Adverbialpartizipien unterzubringen. Entweder man muss dann noch zwei Null-Morpheme bei Abwesenheit der partizipialen Suffixe, also bei allen „normalen“ Verbformen, ansetzen, womit sich der Trick mit dem Null-Affix vollends ad absurdum führt. Oder man muss wenigstens diese Formen als derivational ansehen, nämlich als grammatische Oppositionen nach dem Schema „Stammx : (Stammx+)Affixy“. Wenn man die derivationale Opposition aber hier anerkennt, dann ist sie auch für die analogen Fälle Aspekt, Passiv und Komparation angebracht. In der Komparation ist Träger der Positiv-Funktion nicht die Adjektiv-Endung, die ja auch in den anderen Formen der Komparation auftritt. Auch die lexikalische Bedeutung der steigerbaren Adjektive zeigt, dass der Adjektiv-Stamm Träger der Positiv-Funktion ist. Beim - 23 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. synthetischen Komparativ ist das Suffix {-ee} Träger der grammatischen Funktion, bei der Elativ-Funktion ist es das Affix {-ejsˇ-}. Die T r a n s p o s i t i o n s k a t e g o r i e n umfassen zumindest die Partizipien, die Adverbialpartizipien und die deadjektivischen Adverben. Ob alle Partizipialaffixe entsprechend der Definition eine morphologische Funktion besitzen, ist allerdings zumindest für das Partizip Präsens Passiv, vgl. cˇitaemyj, fraglich. Dagegen wären entsprechend der Definition die desubstantivischen Beziehungsadjektive, vgl. gorodskoj, dazu zu zählen, weil mit einem Substantiv die mögliche Transposition zum Beziehungsadjektiv vorausgesagt werden kann. Bei deverbalen und deadjektivischen Abstrakta, vgl. intensifikacija, belizna, ist der grammatische Status fraglich. Die Transpositionaffixe sind meist mit weiteren Funktionen neben der Transpositionsfunktion kombiniert, die Partizipialsuffixe z.B. sind auch Träger des Genus verbi. Wortarten Verb-Adjektiv Verb-Adverb Träger der Transpositionsfunktion Klasse der Transponate Paradigma der Partizipialsuffixe (adjektivisches) Partizip Paradigma der Suffixe des Adverbialpartizip Adverbialpartizips AdjektivAffix/ analytische Wortform deadjekt. Adverbien Adverb vgl. sil’no, druzˇeski, po-russki SubstantivSuffixe desubstantivische Adjektiv vgl. gorodsk(oj) Beziehungsadjektive Tabelle: Derivationale Transpositionskategorien (mit morphologischer Funktion5) „Grammatische Kategorien“ Die Klassifizierung morphologischer Funktionskategorien und Paradigmen in flektivische, klassifikatorische und derivationale stimmt nur teilweise überein mit der traditionellen Einteilung in grammatische / morphologische Kategorien und lexiko-grammatische Kategorien / Paradigmen. Eine terminologische Frage ist, was von den flektivischen, klassifikatorischen und derivationalen Funktionskategorien zu den „grammatischen 5 Und zwar entsprechend der Definition, d.h. die spezifische Transponierbarkeit ist aufgrund der Wortart anhand einer allgemeinen Regel voraussagbar: Die Kategorie Beziehungsadjektiv ist ausgehend von der Wortart Substantiv voraussagbar, vgl. gorod > gorodskoj, also liegt eine morphologische Funktion vor. Ausgehend von der Wortart Verb, vgl. zapisat’ > zapisnoj, chvalit’ > chvalebnyj ist die Kategorie Beziehungsadjektiv im Russischen nicht voraussagbar. - 24 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Kategorien“ bzw. welche morphologischen Paradigmen zu den „morphologischen Kategorien“ gerechnet werden sollen. Offensichtlich beruhen die traditionellen Klassifizierungen der morphologischen bzw. im engeren Sinne grammatischen Kategorien, die in der Literatur ja durchaus kontrovers sind, auf anderen Kriterien als der Konstellation von Bedeutungsimplikationen. Aufgrund der hier vorgenommenen Subkategorisierung der derivationalen und klassifikatorischen Funktionskategorien können wir jedoch die traditionell als „grammatische“ bzw. als „morphologische Kategorien“ bezeichneten Mengen wiederfinden. Im folgenden werden die Kategorien mit den sie konstituierenden Kriterien noch einmal aufgelistet: • Unterscheidungskriterium für lexikalische und grammatische Funktionskategorien ist, ob die Kategorie aufgrund einer allgemeinen wortartbezogenen Regel voraussagbar ist. • Kriterium für die Unterscheidung grammatischer Funktionskategorien in flektivische, klassifikatorische und derivationale ist die Implikation der grammatischen Bedeutung durch die lexikalische Bedeutung. • Kriterium für die Unterscheidung derivationaler Funktionskategorien in nicht transpositionale und transpositionale ist der Wortartwechsel. • Kriterium für die Unterscheidung klassifikatorischer Funktionskategorien in grammatische und lexiko-grammatische ist die semantische Fundierung der Implikation6. Die beiden letzten Kriterien spalten jeweils diejenigen Funktionskategorien ab, die nicht zu den klassischen „grammatischen Kategorien“ gehören: die transpositorischen und die lexiko-grammatischen. Vgl. dazu die folgende Übersichtstabelle zu den morphologischen Funktionskategorien: 6 Während bei den anderen Funktionskategorien das Kriterium an jeder einzelnen Wortform erkennbar ist, gilt dieses Kriterium nur für die Kategorie insgesamt. Bei den belebten Substantiven ist im Einzelfall die semantische Fundierung der Implikation genauso gegeben, wie bei den telischen oder intransitiven Verben. - 25 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Morphologische Funktionskategorien flektivische Kategorien Genus (Adj., Verb) Numerus, Kasus Person Tempus, Modus Infinitiv I derivationale Kategorien transpositionale Funktion: ohne Aspekt Genus verbi Komparation mit Funktion der Partizipien Adverbialptz. deadjekt. Adv. Beziehungsadj. II III klassifikatorische Kategorien grammatische Funktion semantisch fundiert: teilweise ganz Genus des Belebtheit Substantivs Homogenität Transitivität Personalität Telizität u.a. IV V Die Einteilung entspricht extensional folgenden Kategorien: (a) I in den Tabelle, ohne den Infinitiv, entspricht dem engen traditionellen Verständnis von „grammatischer Kategorie“ ; (b) I, II, IV entspricht dem heute in der Russistik üblichen Verständnis von „grammatische Kategorie“ (vgl. dazu Lehfeldt / Kempgen 1999, 121). Ihnen stehen einerseits die Transpositionskategorien (in den Tabelle Nr. III) und andererseits die lexiko-grammatischen Kategorien (in den Tabelle Nr. V) gegenüber. Offen ist noch, was hier nun zur Formenbildung gerechnet wird. Die flektivischen Kategorien auf jeden Fall, die klassifikatorischen auf jeden Fall nicht. Bleiben die derivationalen Paradigmen. Sie gehören zur grammatischen Wortbildung / Derivation. Sie können zugleich zur Formenbildung gerechnet werden, nämlich zur Bildung grammatischer Formen von V o k a b e l n . Wenn wir nämlich Derivation und Formenbildung nicht als komplementär definieren, sondern als sich überschneidende Bereiche im Sinne der polonistischen Tradition oder des Ansatzes von Bondarko und im gewissen Sinne von Mel’cˇuk, dann müssen wir uns überlegen, was die Ausdrücke „Wort“ und „Wortform“ besagen. Vokabeln, Derivate, Wortformen Mit derivationalen grammatischen Affixen werden grammatische Derivate gebildet, z.B. pro-cˇita(t’), cˇita(t’)-sja, sil’n-ejsˇ(ij), procˇita-v, sil’n-ee. - 26 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Grammatische Derivate können ihrerseits flektiert werden z.B. z.B. procˇitaju, cˇitalas’, sil’nejsˇego, oder sie werden nicht flektiert, z.B. procˇitav, sil’nee. Alle bezeichnen wir als Wortformen, nämlich Wortformen des Wortes cˇita(t’) bzw. sil’n(yj). Sowohl cˇita(t’), procˇita(t’), als auch procˇitav, cˇitaju, procˇitaju usw. werden in der vortheoretischen Fachsprache als „Wörter“ bezeichnet. Es erscheint sinnvoll, als Spezifizierungen dieses allgemeinen Begriffs neben „grammatisches Derivat“ und „Wortform“ einen Begriff für diejenige Einheit zu bestimmen, die den Wortformen cˇitaju, sil’nogo, procˇitaju, procˇitav usw. und den Derivaten pro-cˇita(t’), , cˇita(t’)-sja, sil’n-ejsˇ(ij) usw. zugrundeliegt, d.h. für das, was ihnen gemeinsam ist. Ich schlage dafür den Begriff „Vokabel“ vor, der aus der Lexikographie und dem Sprachunterricht bekannt ist und von Mel’cˇuk neben dem Begriff „Lexem“ terminologisiert wurde (vgl. TKS, S. 79 oder KOM, S. 346f). Die beiden Begriffe werden in diesem Sinne hier gebraucht, allerdings definitorisch angepasst. Grundlage der Bestimmungen soll das L e m m a sein, d.h. diejenige sprachliche Einheit, die im Wörterbuch als Stichwort erscheint. Die Definition des Lemmas benötigt natürlich weitere Operationalisierungen (im Sinne von: „Russische Lemmata sind die sprachlichen Einheiten, denen die Stichwörter in den großen russischen Wörterbüchern entsprechen“) . Eine V o k a b e l ist ein Lemma mit Variablen für grammatische Funktionskategorien (cˇitat’, perecˇitat’) oder ohne solche Variablen (segodnja, ili, ved’). Die Wortformen einer Vokabel mit lexikalischer Bedeutung haben denselben lexikalischen Stamm. Ein L e x e m ist eine Vokabel mit bestimmter lexikalischer Bedeutung, z.B. cˇita(t’) 1. ‘lesen’, cˇita(t’) 2. (lekciju) ‘Vorlesung halten’, segodnja 2. ‘heutzutage’. Ein g r a m m a t i s c h e s D e r i v a t ist eine Vokabel mit genau einer derivationalen grammatischen Bedeutung je derivationaler Kategorie, cˇitaja, procˇita(t’), procˇitav, sil’no. Vgl.: Ein lexikalisches Derivat ist eine Vokabel mit mindestens einer lexikalischen Affixbedeutung, z.B. perecˇita(t’), razdeli(t’). - 27 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Eine W o r t f o r m ist eine Vokabel in der oder in einer der morphematischen und funktionalen Ausprägungen, in denen sie im Satz gebraucht wird, z.B. sind cˇitaju, procˇitala, cˇitaja Wortformen der Vokabel cˇita(t’) und sil’nomu, sil’nejsˇego Wortformen der Vokabel sil’n(yj); segodnja, ili, ved’ sind Wortformen der gleichlautenden Vokabeln. Eine Wortform enthält damit für jede Variable der grammatischen Funktionskategorien als Wert genau eine Bedeutung. Seine Wortform ist die Entsprechung nicht nur einer Vokabel, sondern auch eines Lexems im Satz, da eine polyseme Vokabel im Satz prinzipiell mit einer bestimmten lexikalischen Bedeutung auftritt. Diese Definition der Wortform ist nicht klassisch, sie entspricht aber z.B. der in AG 1980 (§ 173). Sie impliziert, dass es Wortformen ohne und mit lexikalischer Bedeutung, ohne und mit grammatischen Affixen gibt. Eine Wortform mit flektivischem Affix ist eine flektierte Wortform, eine mit (lexikalischem oder grammatischem) Derivationsaffix ist eine (lexikalisch oder grammatisch) derivierte Wortform. In der folgenden Tabelle sind die genannten Begriffe mit den unterscheidungsrelevanten definitorischen Merkmalen der Existenzform von Wörtern mit lexikalischer Bedeutung zusammengefasst (NB: nicht alle lexikalischen Wörter haben alle Existenzformen): mit Variablen für morphol. Funktionskategorien mit genau einer Bedeutung je morphologischer Funktionskategorie grammatisches Derivat mit allen lexikalischen Vokabel Bedeutungen (Lemma) mit genau einer lexikalischen (flektierte / derivierte) Bedeutung Lexem Wortform Tabelle: Existenzformen von Wörtern mit lexikalischer Bedeutung Vokabeln, Lemmata7, Derivate und Lexeme sind Einheiten Sprachystems („langue“), Wortformen sind Einheiten Sprachverwendung. 7 des der Das Lemma ist die lexikographische Entsprechung zur Vokabel, welche eine grammatische und lexikologische Einheit darstellt. Alle Vokabeln sind Lemmata, darüber hinaus fungieren jedoch auch einige grammatische Derivate als Lemma (welche, hängt vom Umfang des Wörterbuchs ab; die Aspektderivate, wie hier procˇitat’, gehören prinzipiell dazu, bei deadjektivischen Adverbien wie hier sil’no, schwankt die Aufnahme - 28 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Für die meisten der hier behandelten Existenzformen wird der Ausdruck „Wort“ verwendet: für die Vokabeln, für die Wortformen und für einen Teil der grammatischen Derivate. Die analytischen Wortformen werden ebenfalls als „Wörter“ bezeichnet. Die Komparation wurde und wird in anderen Traditionen, wie erwähnt, zur Wortbildung gerechnet. Die partizipialen Derivate von Verben gehören grammatisch zu einer anderen Wortart (Adverben, Adjektive), so dass auch sie als „andere“ Wörter gelten können. „Wort“ ist also ein „Joker-Terminus“, der ungeachtet der Existenzform für die kleinste freie Einheit der Sprache verwendet werden kann. Die Variablen von Vokabeln können derivationale und/oder flektivische Bedeutungen sein. Derivationale Affixe k ö n n e n vorkommen, flektivische m ü s s e n erscheinen (sind obligatorisch), wenn die Vokabel oder das Derivat Variablen dafür hat. Da auch nichtflektierbare Wörter wie Pronominaladverbien, Partikel, Konjunktionen usw. Vokabeln sein können, treten Vokabeln in folgender Weise auf: ohne grammatische Affixe, allein mit derivationalem Affix, allein mit flektivischem Affix, mit derivationalem und flektivischem Affix. In der folgenden Tabelle ist eine Reihe von Beispielen zusammengestellt: als Stichwort). Andere grammatische Derivate, wie hier cˇitajusˇcˇ(ij) und sil’nejsˇ(ij), werden im Regelfall nur in den Grammatiken im Rahmen der Formenbildung behandelt. Verantwortlich für die unterschiedliche Behandlung sind u.a. lexiko- und grammatographische Traditionen und die Regelmäßigkeit der Ableitung der grammatischen Derivate. - 29 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. Vokabeln segodnja ili gorod sil’n(yj) cˇita(t’) grammatische Derivate – – – – sil’nee sil’nejsˇ(ij) bolee sil’n(yj) sam(yj) sil’ny(yj) sil’no (Adverb) – procˇita(t’) cˇitaja procˇitav procˇitavsˇ(ij) procˇitann(yj) by(t’) procˇitan(Ø) cˇita(t’)sja flektierte Wortformen – – goroda, ... sil’nogo, ... – sil’nejsˇego, ... bolee sil’nego, ... samogo sil’nogo, ... – cˇitaju, cˇitala, budu cˇitat’, cˇitat’, ... procˇitaju, procˇitala, budet procˇitan, ... – – procˇitavsˇego, ... procˇitannogo, ... procˇitan, byla procˇitana, budut procˇitany, ... cˇitaetsja, cˇitat’sja, ... Literatur: AG 80 = Russkaja grammatika. T. I. Moskva, 1980. Bondarko A.V. 1976. Teorija morfologicˇeskich kategorij, Leningrad. HSK = Booij, G. / Lehmann, Ch. / Mugdan, J. (Hg.) 2000. Morphologie. Ein internationales Handbuch zur Flexion und Wortbildung, Vol. 1. Kempgen, S. 1995. Der Umbau des altrussischen Flexionssystems und seine synchronen Implikationen, in: Welt der Slaven 40/2, 1995, 201219. 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Rezüme: Grammatiçeskaä derivaciä: Vid, passiv, komparaciä, priçastie i drugie ävleniä meΩdu fleksiej i slovoobrazovaniem Odnoj iz nere‚ennyx problem opisatel´noj grammatiki i leksikografii slavänskix äzykov ävläetsä status räda affiksov: vidovyx affiksov, postfiksa -sä i affiksov dlä proizvodstva nareçij, kak naprimer sil´no. SluΩat li oni obrazovaniü novyx slov ili tol´ko formy odnogo slova? V slovaräx oni imeüt svoi otdel´nye stat´i. V tradicii polonistiki, naprimer, mnogie grammatiçeskie affiksy priçisläütsä k slovoobrazovatel´nym. Predlagaemoe re‚enie moΩno opisat´ sleduüwim obrazom: Postuliruetsä g r a m m a t i ç e s k a ä d e r i v a c i ä , t.e. grammatiçiçeskie slovoobrazovatel´nye affiksy. S pomow´ü - 31 - Berger T. / Gutschmidt K. (eds.) Funktionale Beschreibung slavischer Sprachen. München 2003: 139-162. qtix affiksov obrazuütsä raznye formy vokabuly (”vokabula“ v smysle ”Tolkovo-kombinatornogo slovarä“). V rezul´tate takoj affiksacii obrazuetsä novoe slovo. Takim obrazom, proizvodstvo leksiçeskix edinic otkryvat´ < otkryt´, postroit´ < stroit´ ili sil´no < sil´nyj ävläetsä obrazovaniem novogo slova (grammatiçeskim slovoproizvodstvom, grammatiçeskoj derivaciej) i formoobrazovaniem (v ramkax vokabuly). Ä predlagaü primenit´ qtot podxod ko vsemu nefleksijnomu formoobrazovaniü, t.e. k grammatiçeskim affiksam, kotorye ne ävläütsä okonçaniämi (suffiksy russkogo pro‚ed‚ego vremeni rassmatrivaütsä pri qtom kak fleksijnye). Qto oblegçit nam re‚enie räda problem. MoΩno, naprimer, skazat´, çto priçastiä ävläütsä grammatiçeskimi formami ”glagol´noj vokabuly“ i v to Ωe vremä qlementami grammatiçeskoj çasti reçi imeni prilagatel´nogo. - 32 -