Diskriminierende Werbung Die konträre Behandlung personenspezifischer Gruppen im Wettbewerbsrecht von Andrea Wassermeyer betreut von Prof. Dr. Karl-Heinz Fezer Konstanz/ Münster 1999/ 2000 Meinen lieben Eltern Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei meinen lieben Eltern bedanken, die erheblich meinen Lebensweg unterstützt und an meinem beruflichen Fortkommen mitgewirkt haben. Herzlich danken möchte ich auch meinem verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Karl-Heinz Fezer, an dessen Lehrstuhl ich lange Jahre tätig sein durfte und der meinen beruflichen Werdegang maßgeblich beeinflußte. Er hat mich während meiner Arbeit vielfältig unterstützt und das Erstgutachten erstellt. Mein Dank gilt auch Frau Prof. Dr. Stadler für die zügige Fertigung des Zweitgutachtens. Erstberichterstatter: Prof. Dr. Karl-Heinz Fezer Zweitberichterstatter: Prof. Dr. Astrid Stadler Tag der mündlichen Prüfung: 14.11.2000 Diskriminierende Werbung Die konträre Behandlung personenspezifischer Gruppen im Wettbewerbsrecht Inhaltsverzeichnis I Literaturverzeichnis IV Entscheidungsverzeichnis XIV Abkürzungsverzeichnis XXV KAPITEL: BEDEUTUNG, ENTWICKLUNG UND ERSCHEINUNGSFORMEN 1 DER WIRTSCHAFTSWERBUNG A. Einleitung und Problemstellung 1 B. Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert 4 C. Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft I. Institutionen zur Verhinderung diskriminierender 11 11 Werbung II. Wirksamkeit der Selbstkontrolle 17 20 KAPITEL 2: DISKRIMINIERENDE WERBUNG UND § 1 UWG A. Zum Begriff der Diskriminierung I. 20 Allgemeine Überlegungen 21 II. Wettbewerbsrechtliche Diskriminierung 25 1. Schutzzweck des § 1 UWG 26 2. Konkretisierung der guten Sitten 26 3. Diskriminierende Werbung als eigenständige 36 wettbewerbsrechtliche Fallkonstellation B. Diskriminierende Werbebilder 38 I. Benetton´s Werbebilder 38 II. Frauenfeindliche Werbebilder 40 III. Blasphemische Werbebilder 48 IV. Ausländer- und rassenfeindliche Werbebilder 50 V. Behindertenfeindliche Werbung 52 VI. Sonstige Werbebilder 53 I 55 KAPITEL 3: GEGENWÄRTIGE VERFASSUNGSRECHTSLAGE A. Konkretisierung des Begriffs der Sittenwidrigkeit 55 über die Werbung des Grundgesetzes I. Das Zusammenwirken von Privatrechten und Ver- 56 fassungsrecht II. Exkurs 59 1. Unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten 59 2. Mittelbare Drittwirkung von Grundrechten 64 3. Stellungnahme des BGH 69 III. Fazit 71 B. Einzelne Grundrechte 74 I. Kommunikationsgrundrechte 75 1. Der Grundrechtsschutz der Wirtschaftswerbung 76 2. Der Begriff der Meinung in Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz GG 81 a) Einzelne Urteile des BGH 87 b) Fazit 114 3. Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG 116 4. Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG 132 II. Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG 136 145 Kapitel 4: RECHTLICHE BEURTEILUNG A. Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Wer- 145 bung I. Keine Geschmackszensur 146 II. Sachlichkeitsgrundsatz 150 III. Zuordnung einer Fallgruppe 162 1. Gefühlsbetonte Werbung 162 2. Belästigende Werbung 168 3. Schockierende Werbung 169 4. Diskriminierende Werbung 173 B. Arten diskriminierender Werbung 176 I. Ausgangspunkt 176 II. Rassendiskriminierende Werbung 176 III. Ausländerdiskriminierende Werbung 179 II IV. Religionsdiskriminierende Werbung 180 V. Behinderten- und krankendiskriminierende 182 Werbung VI. Geschlechterdiskriminierende Werbung 184 VII. Tabuzonen der Werbung 192 VIII. Fazit 198 C. Antidiskriminierungsgesetz 199 D. Rechtsvergleich mit nordischen Ländern 201 I. Rechtslage in Norwegen 202 II. Rechtslage in Schweden 205 III. Rechtslage in Dänemark 206 IV. Rechtslage in Finnland 207 V. Fazit 208 Kapitel 5: Resümee 210 Anlagenverzeichnis 212 Lebenslauf 252 III Literaturverzeichnis Ahrens, Hans-Jürgen, Benetton und Busengrapscher - ein Test für die wettbewerbsrechtliche Sittenwidrigkeitsklausel und die Meinungsfreiheit, JZ 1995, 1096ff. Artmann, Eveline, Zur Wettbewerbswidrigkeit „gefühlsbetonte Werbung“, Anm. zu OGH vom 26.05.1998, Az. 4 Ob 139/98 „Opferlicht“, WBl. 1998, 474ff. Azzola, Axel, Benniger, Erhard/ Bäumlin, Richard u. a., Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Alternativkommentar, Band 1, 2. bearbeitete Auflage, 1989, Luchterhand Verlag, Neuwied Badura, Peter, Staatsrecht, Systematische Erläuterung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 2. neubearbeitete Auflage, 1996, C.H. Beck Verlag, München Bamberger, Heinz Georg, Mitleid zu Zwecken des Eigennutzes?, in Festschrift für Henning Piper, 1996, S. 41ff., Beck Verlag, München Baudenbacher, Carl, Suggestivwerbung und Lauterkeitsrecht, 1978, Dissertation, Schulthess Polygraphischer Verlag, Zürich Baumbach, Adolf/ Hefermehl, Wolfgang, Wettbewerbsrecht, Kurzkommentar, 21. neubearbeitete Auflage, 1999, C.H. Beck Verlag, München Benda, Ernst/ Maihofer, Werner/ Vogel, Hans-Jochen, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, 2. neubearbeitete und erweiterte Auflage, 1994, Walter Gruyter Verlag, Berlin/ New York Bergler, Reinhold/ Pörzgen, Brigitte/ Harich, Katrin, Frau und Werbung, 1992, Deutscher Inst.- Verlag, Köln Bezzenberger, Tilman, Ethnische Diskriminierung, Gleichheit und Sittenordnung im bürgerlichen Recht, AcP 196 (1996), 395ff. Bleckmann, Albert, Staatsrecht II - Die Grundrechte, 4. neubearbeitete Auflage, 1997, Carl Heymanns Verlag, Köln/ Berlin/ Bonn / München Blum, Mechthild/ Nesseler, Thomas, Weibsbilder - Das neue Bild der Frau in der Gesellschaft und Politik, 1994, Rombach Verlag, Freiburg im Breisgau Braun, Kurt, Werbung und Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, WRP 1982, 510ff. Brockhaus, Die Enzyklopädie, 24. Band, Buchstabe Weli - ZZ, 20. überarbeitete und aktualisierte Auflage, 1996, Fa. Brockhaus, Leipzig/ Mannheim Bülow, Peter, Anm. zu den Benetton-Urteilen, ZIP 1995, 1289ff. Bydlinski, Franz, Bemerkungen über Grundrechte und Privatrecht, ÖZöR, Band XII n.F., 1962/ 1963, S. 423ff. Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201ff. IV Canaris, Claus-Wilhelm, Erwiderung, AcP 185 (1985), 9ff. Canaris, Claus-Wilhelm, Grundrechtswirkungen und Verhältnismäßigkeitsprinzip in der richterlichen Anwendung und Fortbildung des Privatrechts, JZ 1989, 161ff. Coester-Waltjen, Dagmar, Zielsetzung & Effektivität eines Antidiskriminierungsgesetzes, ZRP 1982, 217ff. Degenhart, Christoph, Meinungs- und Medienfreiheit in Wirtschaft und Wettbewerb, in Festschrift für Lukes, 1989, Köln/ Berlin/ Bonn/ München Dolzer, Rudolf, und andere, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Band I, Einleitung bis Art. 5, Loseblattsammlung Stand März 1998, 89. Lieferung, C.F. Müller Verlag, Berlin Drettmann, Fritz, Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit, 1984, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main Dürig, Günter, in Festschrift für Hans Nawiasky, Grundrechte und Zivilrechtsprechung, 1956, S. 157ff., Isar Verlag, München Ebert-Weidenfeller, Andreas, Anm. zu dem Urteil BGHZ 112, 311ff. - „Biowerbung mit Fahrpreiserstattung“, GRUR 1991, 543f. Emmerich, Volker, Anm. zu den Benetton - Urteilen des BGH, JuS 1995, 1041 Emmerich, Volker, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 5. völlig neubearbeitete Auflage, 1998, C.H. Beck Verlag, München Enneccerus, Ludwig/ Nipperdey, Hans Carl, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 15. neubearbeitete Auflage, 1959, Verlag Mohr, Tübingen Erichsen, Hans Uwe, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit, Band I, 3. völlig neu bearbeitete Auflage, 1982, C.H. Beck Verlag, München Fezer, Karl-Heinz, Teilhabe und Verantwortung, Die personale Funktionsweise des subjektiven Privatrechts, 1986, C.H. Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München Fezer, Karl-Heinz, Diskriminierende Werbung - Das Menschenbild der Verfassung im Wettbewerbsrecht, JZ 1998, 265ff. Fischer, Florian, Politische Aussagen in der kommerziellen Produktwerbung, GRUR 1995, 641ff. Friauf, Karl Heinrich/ Höfling, Wolfram, Meinungsgrundrechte und Verfolgung von wirtschaftlichen Belangen, AfP 1985, 249ff. Gaedertz, Alfred-Carl/ Steinbeck, Anja Verena, Diskriminierende und obszöne Werbung, WRP 1996, 978ff. Gamillschleg, Franz, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, AcP 164 (1964), 385ff. Gamm, Otto-Friedrich Freiherr von, Wettbewerbsrecht, 1. Halbband, 5. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, 1987, Carl Heymanns Verlag, Köln/ Berlin/ Bonn/ München V Gamm, Otto-Friedrich Freiherr von, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 3. erweiterte Auflage, 1993, Carl Heymanns Verlag, Köln/ Berlin/ Bonn/ München Gitter, Wolfgang, Gleichberechtigung der Schwierigkeiten, NJW 1982, 1567ff. Gloy, Frau: Aufgaben Wolfgang, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 1997, C.H. Beck Verlag, München 2. und Auflage Godin, Hans von, Kommentar zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Warenzeichenverletzungen, Zugabeverordnung und Rabattgesetz, 2. Auflage, 1974, Walter de Gruyter Verlag, Berlin/ New York Grigoleit, Klaus Joachim/ Kersten, Jens, Grundrechtlicher Schutz und grundrechtliche Schranken kommerzieller Kommunikation, DVBl. 1996, 596ff. Grimm, Dieter, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, 167ff. Grimm, Jacob und Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, 7. Band, Buchstabe N - Q, 1989, Verlag von S. Hirzel, Leipzig Gröning, Jochem, Die Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs (auf dem jeweils relevanten Markt) in der Sicht des BGH, WRP 1995, 278ff. Hager, Johannes, Grundrechte im Privatrecht, JZ 1994, 373ff. Harrer, Friedrich, Benetton und das Wettbewerbsrecht, WBl 1996, 465ff. Hartwig, Henning, Buchbesprechung zu „Die Werbung ist ein lächelndes Aas“ von Oliviero Toscani, WRP 1997, 1224f. Hartwig, Henning, Über das Verhältnis von informativer und suggestiver Werbung - Anm. zur Benetton-Werbung, WRP 1997, 825ff. Hartwig, Henning, Gesellschaftskritische Unternehmenswerbung Kommerzielle Kommunikation zwischen Sponsoring und Public Relations - Zugleich Anm. zu BGH, Urteil vom 15.5.1997, Az. I ZR 10/95 - „Politikerschelte“, ZUM 1998, 782ff. Hartwig, Henning, Zulässigkeit und Grenzen der Imagewerbung das Beispiel Benetton, BB 1999, 1775ff. Henning-Bodewig, 533ff. Frauke, Schockierende Werbung, WRP 1992, Henning-Bodewig, Frauke, Werbung mit Realität oder wettbewerbswidrige Schockwerbung?, GRUR 1993, 950ff. 1582ff. Henning-Bodewig, Frauke, Neue Aufgaben für die Generalklausel des UWG? - Von „Benetton“ zu „Busengrapscher“, GRUR 1997, 180ff. Hering, Heide, Weibs-Bilder, 2. Auflage, 1982, Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg Hermes, Georg, Grundrechtsschutz durch Privatrecht auf neuer Grundlage?, NJW 1990, 1764ff. Heselhaus, Sebastian, Schockwerbung, JA 1995, 863ff. VI Hesse, Konrad, Verfassungsrecht Müller Verlag, Heidelberg und Privatrecht, 1988, C.F. Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, 20. neubearbeitete Auflage, 1995, C.F. Müller Verlag, Heidelberg Höfling, Wolfram/ Gern, Alfons, Menschenwürde und gute Sitten, NJW 1983, 1158ff. Hoffmann-Riem, Wolfgang, ZUM 1996, 1ff. Kommunikationsfreiheit für Werbung, Hundhausen, Carl, Wesen und Formen der Werbung, 1954, Verlag W. Girardet, Essen Isensee, Josef/ Kirchhof, Paul, Handbuch des Staatsrechts der BRD, Band V, 1992, C.F. Müller Verlag, Heidelberg Band VI, Freiheitsrechte, 1989 Jakobs, Rainer/ Lindacher, Walter F./ Teplitzky, Otto, UWG Großkommentar, 11. Lieferung Stand 1.9.1995 zur Einleitung UWG, Walter de Gruyter Verlag; Berlin/ New York Jarass, Hans D., Die Freiheit der Massenmedien, 1978, NomosVerlagsgesellschaft, Baden-Baden Jarass, Hans D., Rechtsfragen der Öffentlichkeitsarbeit, NJW 1981, 193ff. Jarass, Hans D., Die freien Berufe zwischen Standesrecht und Kommunikationsfreiheit, NJW 1982, 1833ff. Jarass, Hans D./ Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 4. Auflage, 1997, C.H. Beck´sche Verlagsbuchhandlung, München Kägi-Diener, Regula, Medienmacht und Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen am Beispiel des Bildes der Frau in den Medien, AfP/ PJA 1994, 1127ff. Kassebohm, Kristian, Grenzen schockierender Werbung, Dissertation, 1995, Freie Universität Berlin Kehl, Dieter, Wettbewerbsrecht, 1990, Köln/ Berlin/ Bonn/ München Carl Heymanns Verlag, Keßler, Jürgen, Wettbewerbsrechtliche Grenzen sozial orientierter Absatzsysteme, WRP 1999, 149ff. Kisseler, Marcel, Werbung zwischen Kreativität und Gefährdungshaftung, WRP 1979, 761f. Kisseler, Marcel, Das Bild der Frau in der Werbung, in Festschrift für Alfred-Carl Gaedertz, 1992, 283ff., Beck Verlag, München Kokott, Juliane, Zur Gleichstellung von Mann und Deutsches Verfassungsrecht und europäisches schaftsrecht, NJW 1995, 1049ff. Frau Gemein- Köller, Karsten von, Meinungsfreiheit und unternehmensschädigende Äußerung, 1971, Dissertation, Duncker & Humboldt Verlag, München Kort, Michael, Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung gefühlsbetonter Werbung, WRP 1997, 526ff. VII Kotelmann, Joachim/ Mikos, Lothar, Frühjahrsputz und Südseezauber, 1981, Baur Verlag, Baden-Baden Kraft, Alfons, Wettbewerbsrecht und Diskriminierungsverbot, in Festschrift für Max Kummer, 1980, S. 389ff., Verlag Stämpfli & Cie AG, Bern Kur, Annette, Anm. zu der norwegischen Entscheidung des Marktrates vom 23.4.1980 (Az. 2/1980), GRUR Int. 1980, 684 Kur, Annette, Anm. zu der Entscheidung des finnischen Marktgerichts vom 14.8.1990, GRUR Int. 1992, 301ff. Kur, Annette, Anm. zu dem dänischen Urteil des See- und Handelsgerichts vom 2.2.1992, GRUR Int. 1993, 555f. Kur, Annette, Die „geschlechtsdiskriminierende Werbung“ Recht der nordischen Länder, WRP 1995, 790ff. im Kur, Annette, Recht der Werbung in Schweden, in: Schricker, Gerhard (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Band II, Loseblattsammlung Stand 1995, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden Kur, Annette, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in Finnland, Norwegen und Schweden, GRUR Int. 1996, 38ff. Kur, Annette, Anm. zu dem finnischen Urteil des Marktgerichts vom 17.3.1995, GRUR Int. 1996, 255f. Kur, Annette, Recht der Werbung in Norwegen, in: Schricker, Gerhard (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Band II, Loseblattsammlung Stand März 1997, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden Kur, Annette/ Schovsbo, Jens, Recht der Werbung in Dänemark, in: Schricker, Gerhard (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Band I, Loseblattsammlung Stand 1998, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden Laufke, Franz, Vertragsfreiheit und Grundgesetz, in Festschrift für Heinrich Lehmann, Band 1, 1956, S. 145ff., de Gruyter Verlag, Berlin Lautmann, Rüdiger, Die Gleichheit der Geschlechter und die Wirklichkeit des Rechts, 1990, Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Leisner, Walter, Grundrechte und Privatrecht, 1960, C.H. Beck Verlag, München Lerche, Peter, Werbung und Verfassung, 1967, C.H. Beck Verlag, München und Berlin Levin, Marianne, Werbung und Informationsfreiheit - Probleme der Grenzziehung zwischen kommerzieller Werbung und presserechtlich geschützter Information: die Praxis des schwedischen Marktgerichts, GRUR Int. 1987, 207ff. Löffler, Christian, Verstößt die Benetton-Werbung gegen die guten Sitten i.S. des § 1 UWG?, AfP 1993, 536ff. Mähling, Friedrich W., Werbung, Wettbewerb und Verbraucherpolitik, 1983, Florentz Verlag, München Mangoldt, Hermann von/ Klein, Friedrich, Das Bonner Grundgesetz, Band 1, 2. Auflage, 1966, Verlag Franz Vahlen, Berlin/ Frankfurt a.M. VIII Mangoldt, Hermann von/ Klein, Friedrich/ Starck, Christian, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, Präambel, Art. 1 bis 19, 4. völlig neubearbeitete Auflage, 1999, Verlag Franz Vahlen, München Manssen, Gerrit, Staatsrechts I, Verlag Franz Vahlen, München Grundrechtsdogmatik, 1995, Marly, Jochen, Anm. zu dem Urteil „Busengrapscher“ in LM H 10/1995, § 1 UWG, Nr. 690 Marly, Jochen, Anm. zu dem Urteil „H.I.V.-Positive“ in LM H 11/1995, § 1 UWG, Nr. 691 Marly, Jochen, Anm. zu den Urteilen „Ölverschmutzte Ente/ Kinderarbeit“ in LM H 11/1995, § 1 UWG, Nr. 692 und Nr. 693 Maunz, Theodor/ Dürig, Günter, Grundgesetz, Band 1, Art. 1 bis 10, 34. Ergänzungslieferung, Stand Juni 1998, C.H. Beck Verlag, München Maunz, Theodor/ Zippelius, Reinhold, Deutsches Staatsrecht, 30. Auflage, 1998, C.H. Beck Verlag, München Melullis, Klaus Jürgen, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 2. neubearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage, 1995, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Menke, Burkhart, Zur Fallgruppe „Gefühlsbetonte Werbung“, GRUR 1995, 534ff. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 25 Bänden, Band 9, Buchstaben Fj - Gel, 1973, Lexikonverlag, Mannheim/ Wien/ Zürich Münch, Ingo von, Pressefreiheit und Werbefreiheit, AfP 1974, 601ff. Münch, Ingo von, Antidiskriminierungsgesetz - notwendig oder überflüssig, NJW 1999, 260ff. Münch, Ingo von/ Kunig, Philip, Grundgesetzkommentar, Band 1, Präambel bis Art. 20 GG, 4. Auflage, 1992, C.H. Beck Verlag, München Neumann-Duesberg, Horst, Rechtsgültigkeit Werbeverordnung?, JR 1954, 82ff. der Heilmittel- Nieschlag, Robert/ Dichtl, Erwin/ Hörschgen, Hans, Marketing, 18. durchgesehene Auflage, 1997, Duncker & Humblot Verlag, Berlin Nipperdey, Hans Carl, Wettbewerb und Existenzvernichtung, 1930, Carl Heymanns Verlag, Berlin Nipperdey, Hans Carl, Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis, Band II, 1954, Duncker & Humblot, Berlin Nordemann, Wilhelm/ Nordemann, Axel/ Nordemann, Jan Bernd, Wettbewerbs- und Markenrecht, 8. Auflage, Stand 15. Dezember 1995, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden - Baden Oechsler, Jürgen, Sittenwidrige Werbung mit sachfremder Schockwirkung, lauterkeitsrechtliche Haftung von Presseorganen/ „H.I.V.-Positive“, BGH EWiR § 1 UWG 20/94, S. 821f. Oellers, Bernhard, Wettbewerbswidrigkeit, Likörfläschchen „Anzüglichkeiten“/ „Busengrapscher“, BGH EWiR § 1 13/95, S. 811f. mit UWG IX Oppermann, Thomas, Wirtschaftswerbung und Art. 5 Grundgesetz, in Festschrift für Gerhard Wacke, 1972, 393ff., Otto Schmidt Verlag, Köln/ Marienburg Ossenbühl, Fritz, Medien zwischen Macht und Recht, JZ 1995, 633ff. Packard, Vance, Die geheimen Verführer - Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann, 1957, printed in Germany 1962, Ulstein Buch, Düsseldorf Paehler, Hans H., Elend, Reklame und Recht, Betrifft JUSTIZ 1995, Nr. 43, 127ff. Pepels, Werner, Kommunikationsmanagement, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 1996, Schäfer-Poeschel Verlag, Stuttgart Pfarr, Heide M./ Bertelsmann, Klaus, Gleichbehandlungsgesetz, 1985, Verlag Hessendienst der Staatskanzlei, Wiesbaden Pieroth, Bodo/ Schlink, Bernhard, Staatsrecht II, Grundrechte, 14. überarbeitete Auflage, 1998, C.F. Müller Verlag, Heidelberg Piper, Henning, Neuere Rechtsprechung des BGH zum Wettbewerbsrecht, GRUR 1996, 147ff. Pross, Harry, Moral der Massenmedien, Prolegomena zu einer Theorie der Publizistik, 1967, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln/ Berlin Pross, Helge, Gleichberechtigung im Beruf - Eine Untersuchung mit 7000 Arbeiterinnen in der EWG, 1973, Athenäum Verlag, Frankfurt a.M. Rauschenbach, Gerhard, Außenwerbung und Verunstaltung, MA 1955, 677ff. Reese, Ulrich, Grenzüberschreitende Werbung in der Europäischen Gemeinschaft, 1994, Dissertation, C.H. Beck Verlag, München Reichardt, Hans, Gestattet § 1 UWG gefühlsansprechende, unsachliche Werbung?, WRP 1995, 796ff. Reichold, Hermann, Sittenwidrige Image-Werbung, Störerhaftung des Verlegers, „H.I.V.-Positive, BGH EWiR § 1 UWG, 14/95, S. 813f. Reichold, Hermann, Unlautere Werbung mit der Realität?, 1994, 219ff. WRP Reinel, Stefan, Dokumentation der „Besonderheiten“ des Wettbewerbsrechts in Europa - Dänemark, WRP 1990, 92ff. Ring, Gerhard, Anm. 1995, 474ff. zu dem Urteil „H.I.V.-Positive“, DZWiR Rittner, Fritz, Wettbewerbsrecht und Kartellrecht, 6. völlig neubearbeitete Auflage, 1999, C.F. Müller Verlag, Heidelberg Roellecke, Gerd, Antidiskriminierungsgesetz auf europäisch, NJW 1996, 3261f. Rogge, Hans-Jürgen, Werbung, 4. überarbeitete Auflage, 1996, Kiehl Verlag, Ludwigshafen X Sack, Rolf, Sittenwidrigkeit, Sozialwidrigkeit und Interessenabwägung, GRUR 1970, 493ff. Saladin, Peter, Grundrechte im Wandel, 1970, Stämpfli Verlag, Bern Scheffczyk, Leo/ Luyten, Norbert A. u.a., Veränderungen im Menschenbild - Differgenzen der modernen Anthropologie, 1987, Verlag Karl Alber GmbH, Freiburg/ München Schmerl, Christiane, Das Frauen- und Mädchenbild in den Medien, 1984, Verlag Leske und Budrich, Opladen Schmerl, Christiane, Frauenfeindliche Verlag, Reinbeck bei Hamburg Werbung, 1987, Rowohlt Schmerl, Christiane, Frauenzoo der Werbung, 1992, Verlag Frauenoffensive, München Schmidt-Bleibtreu, Bruno/ Klein, Franz, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Auflage, 1999, Luchterhand Verlag, Neuwied und Krieftel Schmidt-Tophoff, Alfons, Das Recht der Außenwerbung, 1965, Heymanns Verlag, Köln/ Berlin/ Bonn/ München Schmitt Glaeser, Walter, Anzeigenblatt und Pressefreiheit, NJW 1971, 2012ff. Schmitt Glaeser, Walter, Die Sorge des Staates um die Gleichberechtigung der Frau, DöV 1982, 381ff. Schnorbus, York, Werbung mit Angst - Eine Analyse ihrer Erscheinungsformen, GRUR 1994, 15ff. Schott, Ekkehart, Gefühlsbetonte Werbung, Neue Bundesländer/ „Arbeitsplätze bei UNS“, EWiR § 1 UWG 17/95, S. 917f. Schramm, Carl, Anm. zu dem Urteil des BGH „Erotik in der Ehe“, GRUR 1970, 558 Schramm, Carl, Die gefühlsbetonte Werbung, GRUR 1976, 689ff. Schricker, Gerhard, Gefühlsbetonte Werbung, Appell an das Mitleid, „Ölverschmutzte Ente“, BGH EWiR § 1 UWG 18/95, S. 919f. Schröter, Rolf, Unterm Gürtel, W & V 45/1999, 104ff. Schünemann, Wolfgang, Wettbewerbsrecht: UWG, RabattG, ZugabeVO & PreisangabenVO - unter Berücksichtigung des GWB, 1989, München Schwabe, Jürgen, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, Goldmann Verlag, München Schwabe, Jürgen, Grundrechte und Privatrecht, AcP 185 (1985), 1ff. Seubert, Richard, Die zulässige vergleichende Werbung, BB 1960, 965ff. Sevecke, Torsten, Die Benetton-Werbung als Problem der Kommunikationsfreiheiten, AfP 1994, 196ff. Sevecke, Torsten, Wettbewerbsrecht und Kommunikationsgrundrechte - Zur rechtlichen Bewertung gesellschaftskritischer Aufmerksamkeitswerbung in der Presse und auf Plakaten am XI Beispiel der Benetton-Kampagnen, 1997, Dissertation, Nomos Verlag, Baden-Baden Sosnitza, Olaf, Werbung mit Realität, GRUR 1993, 540ff. Sosnitza, Olaf, Zulässigkeit und Grenzen der sogenannten ImageWerbung, WRP 1995, 786ff. Spengler, Albrecht, Das Postulat der Sachlichkeit im Wettbewerb, WuW 1956, 721ff. Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, C.H. Beck Verlag, München Strodthoff, Hans-Jürgen, Werbung in Wirtschaft und Recht, Dissertation, 1964, Hochschulschrift, Hamburg Teichmann, Arndt/ van Krüchten, Ulrich, Kriterien gefühlsbetonter Werbung, WRP 1994, 704ff. Teplitzky, Otto, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. völlig neubearbeitete Auflage, 1997, Carl Heymanns Verlag, Köln/ Berlin/ Bonn/ München Toscani, Oliviero, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main Traub, Fritz, Eilverfahren und Verjährung nach § 21 UWG, WRP 1979, 186f. Traumann, C. Clemens, Zum Einfluß des Vortrags von Rechtsansichten auf die Verjährung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, DB 1986, 262f. Ullmann, Eike, Der Verbraucher - ein Hermaphrodit, GRUR 1991, 789ff. Ullmann, Eike, Einige Bemerkungen zur Meinungsfreiheit in der Wirtschaftswerbung, GRUR 1996, 948ff. Ullmann, Eike, Erstbegehungsgefahr durch Vorbringen im Prozeß?, WRP 1996, 1007ff. Ulmer, Peter, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Grenzen der Preisunterbietung im Pressewesen, AfP 1975, 870ff. Vogt, Dieter, Die Drittwirkung der Grundrechte und Grundrechtsbestimmungen des Bonner Grundgesetzes, Dissertation, 1960, Hochschulschrift, Münster/ Westfalen Vogt, Stefan, Lexikon des Wettbewerbsrechts, 1994, C.H. Beck Verlag, München Wacke, Gerhard in Festschrift für Friedrich Schack zum 80. Geburtstag, Werbeaussagen als Meinungsäußerungen, 1966, Hamburg, Alfred Metzner Verlag, Berlin/ Frankfurt am Main Wahl, Rainer, Der Vorrang der Verfassung und die Selbständigkeit des Gesetzesrechts, NVwZ 1984, 401ff. Wahrig, Gerhard, Deutsches Wörterbuch, Band 2, Buchstaben J Z, 5. neu bearbeitete Auflage, 1997, Bertelsmann Lexikothek Verlag, Gütersloh Wehlau, Andreas, Wettbewerbsrechtliches Gebot zur Achtung der Menschenwürde?, DZWir 1996, 142ff. XII Wehner, Christa, Überzeugungsstrategien in der Werbung - Eine Längsschnittanalyse von Zeitschriftenanzeigen des 20. Jahrhunderts, 1996, Westdeutscher Verlag, Opladen Weides, Peter, Wirtschaftswerbung und Grundrechte, WRP 1976, 585ff. Wiedemann, Herbert, Anmerkung zum Beschluß des 7.2.1990, Az. 1 BvR 26/84, JZ 1990, 695ff. BVerfG vom Wintrich, Josef Marquard, Zur Problematik der Grundrechte 1957, Westdeutscher Verlag, Köln Wünnenberg, Ulrike, Schockierende Werbung - Verstoß gegen § 1 UWG?, 1993, Peter Lang Verlag, Frankfurt a.M./ Berlin/ Bern/ New York/ Paris/ Wien Zöllner, Wolfgang, Der Ordnungsdenker - 10 Thesen, in Juristen im Spiegel, 1998, C.H. Beck Verlag, Köln XIII Entscheidungsverzeichnis RG - Entscheidungen/ Zivilrecht RGZ - Fundstellen Urteil vom 11.4.1901, Az. VI 443/00, abgedruckt in RGZ 48, 114ff. Urteil vom 15.5.1936, Az. II 196/35, abgedruckt in RGZ 151, 239ff.- „Reverssystem“ GRUR - Fundstelle Urteil vom 12.3.1937, Az. II 225/36, abgedruckt in GRUR 1937, 466ff. - „Mulla 500“ JW - Fundstellen Urteil vom 30.11.1938, Az. II 106/38, abgedruckt in JW 1939, 429ff. BGH - Entscheidungen/ Zivilrecht BGHZ - Fundstellen Urteil vom 26.10.1951, Az. I ZR 8/51, abgedruckt in BGHZ 3, 270ff. - „Constanze I“ Urteil vom 25.5.1954, Az. I ZR 211/53, abgedruckt in BGHZ 13, 334ff. - „Veröffentlichung von Briefen“ Urteil vom 6.6.1954, Az. I ZR 38/53, abgedruckt in BGHZ 14, 163ff. - „Constanze II“ Urteil vom 26.11.1954, Az. I ZR 266/52, abgedruckt in BGHZ 15, 249ff. - „Tagebücher“ Urteil vom 3.12.1954, Az. I ZR 262/52, abgedruckt in BGHZ 15, 356ff. - „Progressive Kundenwerbung“ Urteil vom 20.12.1955, Az. I ZR 24/54, abgedruckt in BGHZ 19, 299f. - „Kurverwaltung“ Urteil vom 27.1.1956, Az. I ZR 146/54, abgedruckt in BGHZ 19, 392ff. - „Anzeigenblatt“ Urteil vom 8.5.1956, Az. I ZR 62/54, abgedruckt in BGHZ 20, 345ff. - „Motorroller“ Urteil vom 2.4.1957, Az. VI ZR 9/56, abgedruckt 24,72ff. - „Ärztliches Gesundheitszeugnis“ in BGHZ Urteil vom 14.2.1958, Az. I ZR 151/56, abgedruckt in BGHZ 26, 349ff. - „Herrenreiter“ Urteil vom 20.5.1958, Az. VI ZR 104/57, abgedruckt in BGHZ 27, 284ff. - „Tonbandaufnahme“ Urteil vom 22.12.1959, Az. VI ZR 175/58, abgedruckt in BGHZ 31, 308ff. - „Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft“ Urteil vom 26.10.1961, Az. KZR 1/61, abgedruckt in BGHZ 36, 91ff. - „Belieferung von AOK-Mitgliedern“ XIV Urteil vom 26.2.1965, Az. I b ZR 51/63, abgedruckt in BGHZ 43, 278ff. - „Kleenex“ Urteil vom 21.6.1966, Az. VI ZR 261/64, abgedruckt in BGHZ 45, 296ff. - „Höllenfeuer“ Urteil vom 10.4.1968, Az. I ZR 15/66, abgedruckt in BGHZ 50, 76ff.- „Poropan“ Urteil vom 18.12.1968, Az. I ZR 113/66, abgedruckt in BGHZ 51, 236ff. - „Stuttgarter Wochenblatt I“ Urteil vom 19.6.1970, Az. I ZR 115/68, abgedruckt in BGHZ 54, 188ff. - „Fernsprechwerbung“ Urteil vom 12.3.1971, Az. I ZR 119/69, abgedruckt in BGHZ 56, 18ff. - „Grabsteinaufträge II“ Urteil vom 6.10.1972, Az. I ZR 54/71, abgedruckt in BGHZ 59, 317ff. - „Telexwerbung“ Urteil vom 9.2.1978, Az. III ZR 59/76, abgedruckt in BGHZ 70, 313ff. - „Ehegattenstiftung“ Urteil vom 18.9.1979, Az. VI ZR 140/78, abgedruckt in BGHZ 75, 160ff. - „Jüdische Deutsche als Gruppe“ Urteil vom 3.6.1981, Az. I ZR 84/79, abgedruckt in BGHZ 81, 291ff. - „Bäckerfachzeitschrift“ Urteil vom 18.12.1981, Az. I ZR 34/80, abgedruckt in BGHZ 82, 375ff. - „Brillen-Selbstabgabestellen“ Urteil vom 3.2.1988, Az. I ZR 222/85, abgedruckt in BGHZ 103, 203ff. - „Bildschirmtext-Werbung“ Urteil vom 18.10.1990, Az. I ZR 113/89, abgedruckt in BGHZ 112, 311ff. - „Biowerbung mit Fahrpreiserstattung“ Urteil vom 24.1.1991, Az. I ZR 133/89, abgedruckt in BGHZ 113, 282ff. - „Telefonwerbung IV“ Urteil vom 18. 05.1995, Az. I ZR 91/93, abgedruckt in BGHZ 130, 5ff. - „Busengrapscher“ Urteil vom 6.6.1995, Az. I ZR 58/93, abgedruckt in BGHZ 130, 205ff. - „Feuer, Eis und Dynamit“ Urteil vom 06.07.1995, Az. I ZR 239/93, abgedruckt in BGHZ 130, 196ff. - „Ölverschmutzte Ente“ Urteil vom 30.1.1996, Az. VI ZR 386/94, abgedruckt in BGHZ 132, 13ff. - „Pressemäßige Sorgfalt“ AfP - Fundstellen Urteil vom 30.3.1986, Az. I ZR 13/84, abgedruckt in AfP 1986, 219ff. - „Gastrokritiker“ Urteil vom 15.5.1997, Az. I ZR 10/ 95, abgedruckt in AfP 1997, 905ff. - „Politikerschelte“ GRUR - Fundstellen Urteil vom 30.10.1956, Az. I ZR 199/55, abgedruckt in GRUR 1957, 342ff.- „Underberg“ XV Urteil vom 26.4.1957, Az. I ZR 220/55, abgedruckt in GRUR 1957, 491ff. - „Wellaform“ Urteil vom 8.4.1960, Az. I ZR 24/59, abgedruckt in GRUR 1960, 431ff. - „Kfz-Nummernschild“ Urteil vom 16.5.1961, Az. I ZR 175/58, abgedruckt in GRUR 1962, 34ff. - „Torsana“ Urteil vom 14.7.1961, Az. I ZR 40/60, abgedruckt in GRUR 1962, 45ff. - „Betonzusatzmittel“ Urteil vom 16.10.1962, Az. I ZR 162/60, abgedruckt in GRUR 1963, 218ff.- „Mampe Halb und Halb II“ Urteil vom 19.2.1965, Az. I b ZR 45/63, abgedruckt in GRUR 1965, 485ff. - „Versehrtenbetrieb“ Urteil vom 4.12.1968, Az. I ZR 17/67, abgedruckt in GRUR 1969, 283ff. - „Schornsteinauskleidung“ Urteil vom 29.5.1970, Az. I ZR 25/69, abgedruckt in GRUR 1970, 557f. - „Erotik in der Ehe“ Urteil vom 26.3,1971, Az. I ZR 128/69, abgedruckt in GRUR 1971, 477ff. - „Stuttgarter Wochenblatt II“ Urteil vom 24.6.1976, Az. I ZR 25/75, abgedruckt in GRUR 1977, 157ff. - „Filmzusendung“ Urteil vom 17.10.1980, Az. I ZR 132/78, abgedruckt in GRUR 1981, 140ff. - „Flughafengebühr“ Urteil vom 2.2.1984, Az. I ZR 4/82, abgedruckt in GRUR 1984, 461ff. - „Kundenboykott“ Urteil vom 24.4.1986, Az. I ZR 56/84, abgedruckt in GRUR 1987, 45ff.- „Sommerpreiswerbung“ Urteil vom 9.10.1986, Az. I ZR 158/84, abgedruckt in GRUR 1987, 125f. - „Berühmung“ Urteil vom 5.11.1987, Az. I ZR 212/85, abgedruckt in GRUR 1988, 313f. - „Auto F. GmbH“ Urteil vom 21.2.1989, Az. KZR 7/88, abgedruckt in GRUR 1989, 430f. - „Krankentransportbestellung“ Urteil vom 26.4.1990, Az. I ZR 198/88, abgedruckt in GRUR 1990, 678ff. „Herstellerkennzeichen auf Unfallwagen“ Urteil vom 26.4.1990, Az. I ZR 127/88, abgedruckt in GRUR 1990, 1012ff. - „Pressehaftung I“ Urteil vom 29.11.1990, Az. I ZR 241/88, abgedruckt in GRUR 1991, 545f. - „Tageseinnahmen für Mitarbeiter“ Urteil vom 16.1.1992, Az. I ZR 20/90, abgedruckt in GRUR 1992, 404ff. - „Systemunterschiede“ Urteil vom 25.2.1992, Az. X ZR 41/90, abgedruckt in GRUR 1992, 612ff. - „Nicola“ Urteil vom 25.6.1992, Az. I ZR 60/91, abgedruckt in GRUR 1992, 707ff. - „Erdgassteuer“ Urteil vom 29.9.1994, Az. I ZR 138/92, abgedruckt in GRUR 1995, 122ff. - „Laienwerbung für Augenoptiker“ Urteil vom 9.2.1995, Az. I ZR 44/93, abgedruckt in GRUR 1995, 742ff. - „Arbeitsplätze bei uns“ XVI JZ - Fundstelle Urteil vom 19.6.1960, Az. IV ZR 45/69, abgedruckt in JZ 1971, 387ff. - „Spitzel“ NJW - Fundstellen Urteil vom 26.4.1972, Az. IV ZR 18/71, abgedruckt in NJW 1972, 1414f. Urteil vom 20.6.1972, Az. VI ZR 26/71, abgedruckt in NJW 1972, 1658f. - „Baumaschinen“ Urteil vom 30.6.1972, Az. I ZR 1/ 71, abgedruckt in NJW 1972, 2302ff. - „Badische Rundschau“ Urteil vom 22.11.1974, Az. I ZR 23/74, abgedruckt in NJW 1975, 689ff. - „Werbung am Unfallort I“ Urteil vom 22.11.1974, Az. I ZR 50/74, abgedruckt in NJW 1975, 691 - „Werbung am Unfallort II“ Urteil vom 16.1.1976, Az. I ZR 32/75, abgedruckt in NJW 1976, 753f. - „UNICEF-Grußkarten“ Urteil vom 14.12.1979, Az. I ZR 29/78, abgedruckt in NJW 1980, 1690f. - „Werbung am Unfallort III“ Urteil vom 23.5.1985, Az. I ZR 18/83, abgedruckt in NJW-RR 1986, 33f. - „Landesinnungsmeister“ Urteil vom 28.4.1986, Az. II ZR 254/85, abgedruckt in NJW 1986, 2944f. - „Übernahme einer Rechtsanwaltspraxis“ Urteil vom 22.5.1986, Az. I ZR 72/84, abgedruckt in NJW-RR 1986, 1484f. - „Frank der Tat“ Urteil vom 12.3.1987, Az. I ZR 40/85, abgedruckt in NJW-RR 1987, 991f. - „McHappy Tag“ Urteil vom 7.5.1992, Az. I ZR 119/90, abgedruckt in NJW 1992, 2765f. - „Pressehaftung II“ Urteil vom 25.6.1992, Az. I ZR 60/91, abgedruckt in NJW 1992, 3304f. - „Erdgassteuer“ Urteil vom 19.3.1992, Az. I ZR 166/90, abgedruckt in NJW 1992, 3093ff. - „Ausländischer Inserent“ Urteil vom 30.6.1994, Az. I ZR 40/92, abgedruckt in NJW 1994, 2827ff. - „Suchwort (Bosch)“ Urteil vom 6.10.1994, Az. I ZR 155/90, abgedruckt in NJW 1995, 868ff. - „Cliff Richard II“ Urteil vom 06.07.1995, Az. I ZR 180/95, abgedruckt in NJW 1995, 2492f. - „H.I.V.-Positive“ Urteil vom 06.07.1995, Az. I ZR 110/93, abgedruckt in NJW 1995, 2490ff. - „Kinderarbeit“ Urteil vom 23.7.1997, Az. VIII ZR 130/96, abgedruckt in NJW 1997, 3304ff. - „Benetton I“ Urteil vom 23.7.1997, Az. VIII ZR 134/96, abgedruckt in NJW 1997, 3309ff. - „Benetton II“ XVII NVwZ - Fundstellen Urteil vom 12.7.1990, Az. I ZR 278/88, abgedruckt in NVwZ 1991, 300ff. - „Kreishandwerkerschaft II“ WRP - Fundstellen Urteil vom 13.2.1992, Az. I ZR 79/90, abgedruckt in WRP 1992, 380ff. - „Beitragsrechnung“ Urteil vom 15.12.1994, Az. I ZR 154/92, abgedruckt in WRP 1995, 310ff. - „Pharma-Hörfunk“ OLG - Entscheidungen AfP - Fundstellen OLG Frankfurt a. M., Beschluß vom 13.8.1992, Az. 6 W 72/92, abgedruckt in AfP 1992, 378f. - „Transportcontainer“ OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.5.1993, Az. 2 U 39/93, abgedruckt in AfP 1994, 310f. - „Verölter Wasservogel“ NJW - Fundstellen OLG Braunschweig, Urteil vom 24.2.1956, Az. Ss 122/55, abgedruckt in NJW 1956, 839f. OLG Frankfurt a. M., Beschluß vom 3.3.1994, Az. 6 W 10/94, abgedruckt in NJW-RR 1994, 945f. - „H.I.V.-Positive“ OLG Frankfurt a. M., Beschluß vom 10.2.1994, Az. 6 W 11/94, abgedruckt in NJW-RR 1994, 734 - „Paradise Now“ WRP - Fundstellen OLG Düsseldorf, Urteil vom 6.7.1978, Az. 2 U 36/78, abgedruckt in WRP 1978, 727f. - „Lockvogelangebot“ OLG Stuttgart, Urteil vom 22.5.1981, Az. 2 U 17/81, abgedruckt in WRP 1982, 115f. - „Grundstücksmaklergeschäft“ OLG Saarbrücken, Urteil vom 4.3.1992, Az. 1 U 175/91, abgedruckt in WRP 1992, 510ff. - „Umweltwerbung“ OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 20.1.1994, Az. 6 U 142/93, abgedruckt in WRP 1994, 405ff. - „verölter Wasservogel“ OLG München, Urteil vom 3.2.1994, Az. 6 U 6417/93, abgedruckt in WRP 1994, 413ff. - „Togal“ OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.1996, Az. 2 U 132/96, abgedruckt in WRP 1997, 358ff. - „Blickfangwerbung“ OLG Stuttgart, Urteil vom 29.8.1997, Az. 2 U 60/97, abgedruckt in WRP 1997, 1219ff. LG - Entscheidungen LG Hamburg, Urteil vom 26.7.1978, Az. 74 O 235/78, abgedruckt in NJW 1980, 56ff. - „Frauen gegen Stern“ XVIII LG Hamburg, Urteil vom 27.7.1988, Az. 15 O 451/88, abgedruckt in NJW-RR 1989, 488f. - „Werbung eines Bestattungsinstitus“ LG Hamburg, Urteil vom 18.1.1991, Az. 91 O 78/ 90 - „Busengrapscher“ LG Frankfurt a. M., Beschluß vom , Az. , abgedruckt in WRP 1992, 429 - „Farbiger mit Oberschenkelknochen“ LG Frankfurt a. M., Beschluß vom 16.12.1993, Az. 2/6 O 902/93, abgedruckt in AfP 1994, 242f. - „H.I.V. - Positive“ LG München I, Urteil vom 8.9.1993, Az. 7 HKO 16482/93, abgedruckt in GRUR 1993, 985ff. - „Togal-Werbung“ BGH - Entscheidungen/ Strafrecht BGHSt - Funstellen Beschluß vom 25.6.1953, Az. g.B. 3 StR 80/53, abgedruckt in BGHSt 5, 12ff. Beschluß vom 24.11.1955, Az. g. K. StR 311/55, abgedruckt in BGHSt 8, 360ff. - „Heilmittel-Werbeverordnung“ Beschluß vom 18.11.1957, Az. gR. G SSt 2/57, abgedruckt in BGHSt 11, 67ff. - „Werbeschrift für Mittel sexueller Reizsteigerung“ NJW - Fundstellen Urteil vom 15.1.1963, Az. I StR 478/62, abgedruckt in NJW 1963, 665ff. Urteil vom 30.8.1978, Az. 4 StR 682/77, abgedruckt in NJW 1979, 435f. Urteil vom 30.1.1979, Az. 1 StR 303/78, abgedruckt in NJW 1979, 1610ff. BVerfG - Entscheidungen BVerfGE - Fundstellen Beschluß vom 25.5.1956, Az. 1 BVerfGE 5, 13ff. - „Blutentnahme“ BvR 190/55, abgedruckt in Urteil vom 16.1.1957, Az 1 BvR 253/56, abgedruckt in BVerfGE 6, 32ff. - „Bund der Deutschen“ Urteil vom 15.1.1958, Az. 1 BvR 400/51, abgedruckt in BVerfGE 7, 198ff. - „Lüth“ Beschluß vom 22.1.1959, Az. BVerfGE 9, 124ff. - „Herkunft“ 1 BvR 154/55, abgedruckt in Beschluß vom 6.10.1959, Az. 1 BvL 118/53, BVerfGE 10, 118ff. - „Redakteursgesetz“ abgedruckt in Beschluß vom 22.6.1960, Az. 2 BvR 125/60, abgedruckt BVerfGE 11, 234ff. - „Jugendgefährdende Schriften“ in Beschluß vom 25.1.1961, Az. 1 BvR 9/57, abgedruckt in BVerfGE 12, 113ff. - „Pressefehde“ XIX Beschluß vom 28.2.1961. Az. 2 BvG BVerfGE 12, 205ff. - „Bundespost“ 1, 2/60, abgedruckt in Beschluß vom 10.6.1964, Az. 1 BvR 37/63, abgedruckt in BVerfGE 18, 85ff. - „Bräunungsmittel“ Urteil vom 5.8.1966, Az. 1 BvR 586/62, 610/63, 512/64, abgedruckt in BVerfGE 20, 162ff. - „Der Spiegel“ Urteil vom 4.4.1967, Az. 1 BvR 414/64, abgedruckt in BVerfGE 21, 271ff. - „Südkurier“ Beschluß vom 16.10.1968, Az. 1 BvR 241/66, abgedruckt BVerfGE 24, 236ff. - „Katholische Landesjugendbewegung“ in Beschluß vom 26.2.1969, Az. 1 BVerfGE 25, 256ff. - „Blinkfüer“ in BvR 619/69, abgedruckt Beschluß vom 16.7.1969, Az. 1 BvL 19/63, abgedruckt in BVerfGE 27, 1ff. - „Urlaubs- und Erholungsreisen“ Beschluß vom 9.6.1970, Az. 1 BvL 24/69, abgedruckt in BVerfGE 28, 386ff. Urteil vom 15.12.1970, Az. 2 BvF 1/69, 2 BvR 629/68 308/69, abgedruckt in BVerfGE 30, 1ff. - „Briefgeheimnis“ Beschluß vom 24.2.1971, Az. 1 BVerfGE 30, 173ff. - „Mephisto“ BvR 435/68, abgedruckt und in Beschluß vom 23.3.1971, Az. 1 BvL 25/61 und 3/62, abgedruckt in BVerfGE 30, 336ff. - „FKK“ Beschluß vom 7.7.1971, Az. 1 BvR 765/66, abgedruckt in BVerfGE 32, 229ff. - „Schulbuchprivileg“ Beschluß vom 19.10.1971, Az. 1 BvR 387/65, abgedruckt in BVerfGE 32, 98ff. - „Religiöse Vereinigung des evangelischen Brüdervereins“ Beschluß vom 8.2.1972, Az. 1 BvR 170/71, abgedruckt in BVerfGE 32, 311ff. - „Grabsteinwerbung“ Beschluß vom 14.3.1972, Az. 2 BvR 41/71, abgedruckt in BVerfGE 33, 1ff. - „Strafgefangener“ Beschluß vom 14.2.1973, Az. 1 BVerfGE 35, 269ff. - „Die Welt“ BvR 112/65, abgedruckt in Urteil vom 29.5.1973, Az. 1 BvR 424/71 und 325/72, abgedruckt in BVerfGE 35, 79ff. - „Hochschule“ Beschluß vom 28.11.1973, Az. 2 BvL 42/71, abgedruckt BVerfGE 36, 193ff. - „Frankfurter Tageszeitung“ in Urteil vom 11.12.1973, Az. 1 BvR 712/68, abgedruckt in BVerfGE 36, 321ff. - „Schallplatten“ Beschluß vom 10.12.1975, Az. 1 BvR BVerfGE 40, 371ff. - „Werbefahrten“ 118/71, abgedruckt in Beschluß vom 11.5.1976, Az. 1 BvR 671/70, BVerfGE 42, 143ff. - „Deutschland - Magazin“ abgedruckt in Beschluß vom 11.5.1976, Az. 1 BvR 163/72, BVerfGE 42, 163ff. - „Deutschland-Stiftung“ abgedruckt in Beschluß vom 7.12.1976, Az. 1 BVerfGE 43, 130ff. - „Flugblatt“ abgedruckt in BvR 460/72, Urteil vom 21.6.1977, Az. 1 BvL 14/76, abgedruckt in BVerfGE 45, 187ff. - „Heimtückischer Mord“ XX Beschluß vom 14.2.1978, Az. 2 BvR 523/75 und 958, 977/76, abgedruckt in BVerfGE 47, 198ff. - „Wahlwerbespots“ Beschluß vom 25.10.1978, Az. 1 BvR BVerfGE 49, 382ff. - „Kirchenmusik“ 352/71, abgedruckt in Beschluß vom 17.1.1979, Az. 1 BVerfGE 50, 166ff. - „Ausweisung“ 241/77, abgedruckt in BvR Beschluß vom 6.2.1979, Az. 2 BvR 154/78, abgedruckt in BVerfGE 50, 234ff. - „Kölner Volksblatt“ Beschluß vom 13.5.1980, Az. 1 BvR BVerfGE 54, 129ff. - „Kunstkritik“ 103/77, abgedruckt in Urteil vom 16.6.1981, Az. 1 BvL 89/78, abgedruckt in BVerfGE 57, 295ff. - „Rundfunksendung“ Beschluß vom 20.4.1982, Az. 1 BvR BVerfGE 60, 215ff. - „Steuerberater“ 522/78, abgedruckt in Beschluß vom 20.4.1982, Az. 1 BVerfGE 60, 234ff. - „Kredithai“ 426/80, abgedruckt in 1376/79, abgedruckt in Beschluß vom 22.6.1982, Az. 1 BVerfGE 61, 1ff. - „Wahlkampf“ BvR BvR Beschluß vom 15.11.1982, Az. 1 BvR 108, 438, 437/80, abgedruckt in BVerfGE 62, 230ff. - „Boykott“ Beschluß vom 10.5.1983, Az. 1 BvR BVerfGE 64, 108ff. - „Chiffreanzeige“ 385/82, abgedruckt in Urteil vom 15.12.1983, Az. 1 BvR 209, 269, 402, 440, 484/83, abgedruckt in BVerfGE 65, 1ff. - „Volkszählung“ Beschluß vom 25.1.1984, Az. 1 BVerfGE 66, 116ff. - „Wallraff“ BvR 272/81, abgedruckt in Beschluß vom 17.7.1984, Az. 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213ff. - „Anachronistischer Zug“ abgedruckt in Beschluß vom 31.10.1984, Az. 1 BvR 753/83, abgedruckt BVerfGE 68, 226ff. - „Privates Bewachungsunternehmen“ in Beschluß vom 14.5.1985, Az. 1 BvR 233, 341/81, abgedruckt in BVerfGE 69, 315ff. - „Brokdorf“ Beschluß vom 19.11.1985, Az. 1 BvR 934/82, abgedruckt BVerfGE 71, 162ff. - „berufswidrige Werbung durch Ärzte“ in Beschluß vom 3.12.1985, Az. 1 BvL 15/84, abgedruckt in BVerfGE 71, 206ff - „Flick-Spendenaffäre“ Beschluß vom 23.4.1986, Az. 2 BvR 261ff. - „Bergwerksgesellschaft“ 487/80, in BVerfGE 73, Beschluß vom 3.11.1987, Az. 1 BvR 1257/84 und 861/85, abgedruckt in BVerfGE 77, 240ff. - „Herrnburger Bericht“ Beschluß vom 7.3.1990, Az. 1 BvR 266/86 und 913/87, abgedruckt in BVerfGE 81, 278ff. - „Bundesflagge“ Beschluß vom 19.4.1990, Az. 1 BvR 40, 42/86, abgedruckt in BVerfGE 82, 43ff. - „Anti-Strauß-Komittee“ Beschluß vom 26.6.1990, Az. 1 BvR 1165/89, BVerfGE 82, 272ff. - „Ministerpräsident Strauß“ abgedruckt in Beschluß vom 9.10.1991, Az. 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1ff. - „Kritische Bayer-Aktionäre“ abgedruckt in XXI Beschluß vom 9.10.1991, Az. 1 BvR 221/ BVerfGE 85, 23ff. - „Rhetorische Fragen“ 90, abgedruckt in Beschluß vom 19.3.1992, Az. 1 BvR BVerfGE 86, 122ff. - „Auszubildende“ 126/85, abgedruckt in Beschluß vom 20.10.1992, Az. 1 BVerfGE 87, 209ff. - „Horrorfilm“ 698/89, abgedruckt in BvR Beschluß vom 26. 1.1993, Az. 1 BvL 38, 40, 43/92, abgedruckt in BVerfGE 88, 87ff. - „Transsexueller“ Beschluß vom 8.10.1996, Az. 1 BvR BVerfGE 95, 28ff. - „Werkszeitungen“ 1183/90, abgedruckt in Beschluß vom 22.1.1997, Az. 2 BvR 1915/91, BVerfGE 95, 173ff. - „Tabakerzeugnisse“ abgedruckt in Beschluß vom 26.2.1997, Az. 1 BvR 1864/94, 1102/95, abgedruckt in BVerfGE 95, 193ff. - „Hochschullehrer“ Beschluß vom 26.2.1997, Az. 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220ff. - „Sendezeitmitschnitte“ abgedruckt in GRUR - Fundstellen Urteil vom 15.11.1982, Az. 1 BvR 108, 437, 438/80, abgedruckt in GRUR 1984, 357ff. - „markt-intern“ NJW - Fundstellen Beschluß vom 24.9.1984, Az. 1 BvR 976/84, abgedruckt in NJW 1995, 263f. - „Hessenlöwe“ Beschluß vom 7.2.1990, Az. 1 BvR 26/84, abgedruckt in NJW 1990, 1469ff. - „Handelsvertreter“ Beschluß vom 04.10.1988, Az. 1 BvR 1611/87, abgedruckt in NJW 1992, 1153f. - „Rundschreiben“ Beschluß vom 27.5.1994, Az. 1 BvR 916/94, abgedruckt in NJW 1994, 3342f. - „Mars-Kondom“ Bayrische Verfassungsgerichtsentscheidungen Urteil vom 13.4.1951, Az. Vf. 167-V-50, abgedruckt in BayVGHE Band 4 (1951), Teil II n.F., S. 63ff. Urteil vom 5.3.1958, Az. Vf. 130 VII 56, abgedruckt in Band 11 (1958), Teil II n.F., S. 23ff. BVerwG - Entscheidungen BVerwGE - Fundstellen Urteil vom 28.6.1955, Az. BVerwG I C 146.53, abgedruckt in BVerwGE 2, 172ff. - „Reklame“ Urteil vom 7.6.1978, Az. BVerwG 7 C 6.78 , abgedruckt in BVerwGE 56, 56ff. - „Plakatständer“ Urteil vom 7.6.1978, Az. BVerwG 7 C 5.78, abgedruckt in BVerwGE 56, 63ff. - „Plakatträger“ XXII DVBl. - Fundstellen Urteil vom 4.3.1954, Az. BVerwG I C 2/53, abgedruckt in DVBl. 1954, 362ff. NJW - Fundstellen Urteil vom 4.3.1954, Az. I C 2/53, abgedruckt in NJW 1954, 1133f. Urteil vom 15.12.1981, Az. 1 C 232/79, abgedruckt in NJW 1982, 664f. - „Peep-Show“ OVG - Entscheidungen OVGE - Funstellen OVG Berlin, Urteil vom 4.11.1953, Az. OVG I B 147.52, abgedruckt in OVGE 3, 8ff. NJW - Fundstellen OVG Bremen, Urteil vom 30.1.1968, Az. II A 154/67, abgedruckt in NJW 1968, 2078 OVG Berlin, Urteil vom 1.6.1973, Az. OVG II B 16/72, abgedruckt in NJW 1973, 2044ff. VG - Entscheidungen VG Neustadt, Beschuß vom 21.5.1992, Az. 7 L 1271/92, abgedruckt in NVwZ 1993, 98ff. - „Zwergenweitwurf“ VG Gelsenkirchen, Beschluß vom 21.12.1995, Az. 1 K 6303/94, abgedruckt in EuZW 1996, 223f. BAG - Entscheidungen BAGE-Fundstellen Urteil vom 3.12.1954, Az. 1 AZR 150/54, abgedruckt in BAGE 1, 185ff. Urteil vom 10.5.1957, Az. 1 AZR 249/57, abgedruckt in BAGE 4, 274ff. Urteil vom 28.9.1972, Az. 2 AZR 469/71, abgedruckt in BAGE 24, 438ff. Urteil vom 20.12.1984, Az. 2 AZR 436/83, abgedruckt in BAGE 47, 363ff. Urteil vom 27.2.1985, Az. GS 1/84, abgedruckt in BAGE 48, 122ff. AP-Fundstellen Beschluß vom 27.5.1986, Az. 1 ABR 48/84, abgedruckt in AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 - „Überwachung“ XXIII Urteil vom 28.9.1972, Az. 2 AZR 469/71, abgedruckt in AP Nr. 2 zu § 134 BGB Urteil vom 15.1.1955, Az. 1 AZR 305/54, abgedruckt in AP Nr. 4 zu Art. 3 GG Urteil vom 2.3.1955, Az. 1 AZR 246/54, abgedruckt in AP Nr. 6 zu Art. 3 GG Urteil vom 29.6.1962, Az. 1 AZR 343/61, abgedruckt in AP Nr. 25 zu Art. 12 GG Urteil vom 25.1.1963, Az. 1 AZR 122/62, abgedruckt in AP Nr. 77 zu Art. 3 GG Urteil vom 15.1.1964, Az. 4 AZR 75/63, abgedruckt in AP Nr. 87 zu Art. 3 GG Urteil vom 11.1.1973, Az. 5 AZR 110 zu Art. 3 GG 321/72, abgedruckt in AP Nr. JZ-Fundstellen Urteil vom 3.12.1954, Az. 1 AZR 150/54, abgedruckt in JZ 1955, 117ff. Beschluß vom 12.6.1992, Az. GS 1/89, abgedruckt in JZ 1993, 908ff. Ausländische Entscheidungen Dänemark Urteil des See- und Handelsgerichts vom 2.2.1992, abgedruckt in GRUR Int. 1993, 553ff. - „Papstwerbung“ Finnland Entscheidung des finnischen Marktgerichts vom 14.8.1980, abgedruckt in GRUR Int. 1992, 297ff. - „G.I.Joe“ Urteil des Marknadsdomstolen (Marktgericht) vom 17.3.1995, abgedruckt in GRUR Int. 1996, 251ff. - „Benetton“ Norwegen Entscheidung des Markedsrådet (Marktrat) vom 23.4.1980, Az. 2/1980, abgedruckt in GRUR Int. 1980, 683f. Urteil des Marktrates vom 21.11.1994, Az. MR 22/94, abgedruckt in GRUR Int. 1996, 256ff. - „Benetton“ Österreich Entscheidung des OHG vom 26.5.1998, Az. 4 Ob 139/98i, abgedruckt in WBl 1998, 415f. - „Opferlicht“ XXIV Abkürzungsverzeichnis a.A. ........................ andere Ansicht AcP ......................... Archiv für die civilistische Praxis AfP ......................... Archiv für Presserecht Anm. ........................ Anmerkung AOK ......................... Allgemeine Ortskrankenkasse AP .......................... Arbeitsrechtliche Praxis. Entscheidungen richts, der des Landesarbeitsgerichte Arbeitsgerichte (1950 Nachschlagewerk des richts; Sammlung der Bundesarbeitsgebis 1954); und dann Bundesarbeitsge- Arbeitsrechtliche Praxis (1954ff.) Art. ........................ Artikel Az. ......................... Aktenzeichen BAG ......................... Bundesarbeitsgericht BAGE ........................ Entscheidungen des Bundesarbeitsge- richts Bay VerfGH .................. Bayrischer Verfassungsgerichtshof BB ......................... Betriebs-Berater BetrVG ...................... Betriebsverfassungsgericht BGB ......................... Bürgerliches Gesetzbuch BGH ......................... Bundesgerichtshof BGHSt ....................... Entscheidungen des Bundesgerichtshofs des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ ........................ Entscheidungen in Zivilsachen BRD ......................... Bundesrepublik Deutschland BVerfG ...................... Bundesverfassungsgericht BVerfGE ..................... Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG ...................... Bundesverwaltungsgericht BVerwGE ..................... Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts XXV bspw. ....................... beispielsweise bzw. ........................ beziehungsweise ders. ....................... derselbe d. h. ....................... das heißt dies. ....................... dieselbe Diss. ....................... Dissertation DÖV ......................... Die öffentliche Verwaltung DVBl. ....................... Deutsches Verwaltungsblatt DZWiR ....................... Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- recht Einf. ....................... Einführung Einl. ....................... Einleitung e.V. ........................ eingetragener Verein EWiR ........................ Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht f. .......................... folgende FAZ ......................... Frankfurter Allgemeine Zeitung ff. ......................... fortfolgende FKK ......................... Freikörperkultur Fn. ......................... Fußnote FS .......................... Festschrift GG .......................... Grundgesetz GRUR ........................ Gewerblicher Rechtsschutz und Urheber- recht, Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR Int. ................... Gewerblicher Rechtsschutz und Urheber- recht, Zeitschrift der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht - Auslands- und Internationaler Teil Hrsg. ....................... Herausgeber iSd. ........................ im Sinne des i.V.m. ...................... in Verbindung mit JA .......................... Juristische Arbeitsblätter JR .......................... Juristische Rundschau XXVI Jura ........................ Juristische Ausbildung JZ .......................... Juristische Zeitung Kap. ........................ Kapitel MA .......................... Der Markenartikel MFL ......................... nordische Markt(vertriebs)gesetze n.F. ........................ neue Folge NJW ......................... Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR ...................... NJW Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nr. ......................... Nummer NVwZ ........................ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZA ......................... Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht OLG ......................... Oberlandesgericht OLGE ........................ Entscheidungen des Oberlandesgerichte OVG ......................... Oberverwaltungsgericht OVGE ........................ Entscheidungen der Oberverwaltungsge- richte ÖZöR ........................ Österreichische Zeitschrift für Öffentliches Recht RGZ ......................... Entscheidungen des Reichsgerichts Rn. ......................... Randnummer RS .......................... Rechtsprechung S. .......................... Seite sog. ........................ sogenannte st. ......................... ständige U ........................... UWG u. a. ....................... und andere UWG ......................... Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb VGHE ........................ Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs vgl. ........................ vergleiche Vorb. ....................... Vorbemerkung WRP ......................... Wettbewerb in Recht und Praxis XXVII WRV ......................... Weimarer Reichsverfassung W & V ....................... Werben und Verkaufen WuW ......................... Wirtschaft und Wettbewerb z.B. ........................ zum Beispiel ZAW ......................... Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. ZIP ......................... Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZRP ......................... Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM ......................... Zeitschrift für Urheber- und Medien- recht XXVIII Kapitel 1: Bedeutung, Entwicklung und Erscheinungsformen der Wirtschaftswerbung A. Einleitung und Problemstellung Das enorme wirtschaftliche Wachstum im letzten Jahrhundert und das dadurch entstandene immer stärker werdende Konsumdenken läßt den Verbraucher mit einer Vielzahl von Produkten überfluten. Die Unternehmen sind bemüht, die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf sich und ihre Produkte zu lenken. Die Werbung gilt als das Instrument unternehmerischer Kommunikation. Es kommt der Werbung ein erheblicher Stellenwert zu, weil mit ihr der Konsument nicht unwesentlich beeinflußt wird. Mit dem wirtschaftlichen Wachstum hat auch die Werbung eine Entwicklung vollzogen, von der marktschreierischen Reklame hin zur Internet-Werbung. In dieser Arbeit werden zunächst allgemein die Bedeutung, die Entwicklung und die Erscheinungsformen der Wirtschaftswerbung dargestellt. Im besonderen wird auf die Erscheinungsformen der diskriminierenden Werbung näher eingegangen. Mit zunehmender Produktion ist es zu einer Informationsüberlastung des Verbrauchers gekommen; er wird mit Werbemaßnahmen überhäuft. Zur Reduzierung dessen wurde die Image-Werbung entwickelt. Mit dieser wird entgegen herkömmlichen Werbestrategien nicht mehr mit dem Produkt selbst, sondern mit dem Image eines Unternehmens geworben. Das ermöglicht dem Unternehmer, die Palette seiner Produkte über das Image seines Unternehmens zu vermarkten. Ziel des Werbenden bleibt es, sich von der Masse abzuheben. Der Unternehmer ist gehalten, seine Werbung immer einfallsreicher zu gestalten. Es entstand das Motto: „Lieber unangenehm auffallen als gar nicht!“ Dazu werden gerne provokante Werbebilder ver1 wendet. Als Vorreiter provokanter Werbebilder im Rahmen der Image-Werbung gilt das Textilunternehmen Benetton. Dessen Kampagne hat bei den Verbrauchern Entsetzen ausgelöst. Der Werbedesigner Toscani, Initiator der Benetton-Werbekampagne, provokante Werbebilder, deren kreierte Gegenstand besonders auch das Thema „Diskriminierung“ war. Diskriminierung kann unterschiedliche Inhalte haben, sie kann rassen-, ausländer-, kranken-, behinderten- oder auch geschlechterdiskriminierenden Inhalts sein. Diese Arbeit zeigt auf, was der Begriff Diskriminierung im einzelnen bedeutet und welche Fälle davon umfaßt werden. Gerade die Benetton-Werbekampagne gab den Anstoß zu heftigen Diskussionen in unserer Gesellschaft und Justiz und machte es erforderlich, die neuartige ImageWerbung auch unter rechtlichen Gesichtspunkten zu erörtern. Zwar gibt es freiwillige Institutionen wie beispielsweise den Deutschen Werberat zur Verhinderung des Mißbrauchs in der Werbung. Die von den Institutionen zu ergreifenden Maßnahmen sind aber zumindest bei Uneinsichtigkeit des Werbenden nicht wirkungsvoll, so daß ein rechtliches Vorgehen unumgänglich ist. Deshalb stellt sich die Frage, wie weit der Werbende in seinen Werbebildern unter rechtlichen Gesichtspunkten gehen darf. Wann liegt eine Diskriminierung vor? Welche Werbebilder sind wettbewerbsrechtlich zu beanstanden? Ziel der Arbeit wird sein, wettbewerbsrechtliche Kriterien aufzustellen, die eine Beanstandung von diskriminierenden Werbebildern rechtfertigt und als Beurteilungsmaßstab gelten. Ausführlich wird zunächst erörtert, welche Rolle das Verfassungsrecht für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung spielt. Inwieweit für diese Beurteilung auf 2 die Werteordnung des Verfassungsrechts als Leitlinie abzustellen ist. Es wird auf das Zusammenwirken von Privatrecht und Verfassungsrecht eingegangen und es werden die Schwierigkeiten aufgezeigt, die sich aus der verfassungsrechtlichen Wertung ergeben können. Es wird insbesondere herausgearbeitet, ob und wie die Kommunikationsgrundrechte in das Wettbewerbsrecht einwirken bzw. welche Grundrechte noch für die wettbewerbsrechtliche Wertung bedeutsam sind. Entscheidend ist dann die Frage, unter welchen wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten diskriminierende Werbung zu beurteilen ist. Darf der Werbende bei dem Kreieren seiner Werbebilder grenzenlos handeln? Bestehen Grenzen und was beinhalten diese? Darf die Werbung in die Tabubereiche unserer Gesellschaft eindringen? Sollten für den Werbenden Tabus abgesteckt werden? Wird dem Verbraucher hinreichend Schutz vor ausartenden Werbebildern gewährt? Als Resümee dieser Arbeit wird anhand eines Rechtsvergleichs mit nordischen Ländern geklärt, aufgrund welcher rechtlichen Grundlage diskriminierende Werbebilder zu beanstanden sind. Bedarf es eines Antidiskriminierungsgesetzes, sollte das UWG eine Novelle erhalten, in dem ein eigenständiger Tatbestand der Diskriminierung eingeführt wird oder bietet § 1 UWG als Generalklausel umfassend Schutz vor diskriminierenden Werbebilder. 3 Kapitel 1 B. - Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert B. Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert Die Werbung gilt als das entscheidende Instrument der Marktwirtschaft, als Instrument der unternehmerischen Kommunikation, auf das nicht verzichtet werden kann.1 Sie ist weiterhin wichtig für das öffentliche Leben und politische Auseinandersetzungen.2 Durch die Ausmaße, die die Werbewirtschaft in dem letzten Jahrhundert angenommen hat, werden darüber hinaus Arbeitsplätze gesichert.3 Für die freie Marktwirtschaft stellt die Werbung die Basis für das wirtschaftliche Wachstum im letzten Jahrhundert dar.4 Auch wenn Zweifel daran bestehen, daß werbliche Maßnahmen in unserer heutigen plurali stischen Massengesellschaft ihre tatsächliche Wirkung haben, was insbesondere auf der zunehmenden Informationsüberlastung der Konsumenten beruht, kommt ihr dennoch im Rahmen der unternehmerischen Kommunikation große Bedeutung zu.5 Durch ein stetiges Wachstum der Wirtschaft im 20. Jahrhundert hat die Werbung selbst erheblich an Bedeutung gewonnen. Aufgrund der Masse der Produkte, die auf den Markt gebracht werden, wurde die Werbung selbst zu einem notwendigen Instrument, ein Produkt von der Masse hervorzuheben, um die Gesellschaft auf diese Weise darauf aufmerksam zu machen. Denn auch wenn das wirtschaftliche Wachstum in vielen Bereichen zum Ende des 20. Jahrhunderts abgenommen hat, wurde gleichbleibend in die Werbung inve1 Fezer JZ 1998, 265ff. (267); Kisseler in FS für Gaedertz, 1992, S. 283ff. (285); Kisseler WRP 1979, 761f. mit weiteren Nachweisen; Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen, Marketing, 1997, Teil III, § 8, 1.2., S. 531ff.; Rogge, Werbung, 1996, A., 4., S. 27; Wünnenberg, Schockierende Werbung - Verstoß gegen § 1 UWG?, 1993, Kapitel 1, S. 1. 2 Kisseler in FS für Gaedertz, S. 283ff. (285). 3 Kisseler in FS für Gaedertz, S. 283ff. (285). 4 Wünnenberg, Schockierende Werbung - Verstoß gegen § 1 UWG, 1993, Kapitel 1, S. 1. 4 Kapitel 1 B. - Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert stiert.6 Die Begründung liegt darin, daß die Gesellschaft immer selbstbewußter und in ihrem Kaufverhalten selektiver wird. Gleichzeitig wird das Marktangebot immer vielfältiger, leistungsstärker und damit homogener, das heißt die Profilierung des einzelnen Angebots aus der Masse zunehmend schwieriger.7 Auch wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Werbung bestehen, so ist es nichtsdestotrotz eine erforderliche und ausschlaggebende Maßnahme, das jeweilige Produkt von der Masse abzuheben.8 Die Werbung selbst hat in dem letzten Jahrhundert eine gravierende Entwicklung vollzogen - von der marktschreierischen Reklame bis hin zur digitalisierten Werbung im Internet. Nicht nur die äußere Form der Werbung hat sich gewandelt, auch deren Bedeutungsinhalt ist im Laufe der Jahre ein anderer geworden. Werbung erscheint in unterschiedlichsten Formen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand die Werbung meist aus Mundpropaganda und persönlichem Verkauf, da es an entsprechenden Werbeträgern fehlte. Nur vereinzelt wurde in Zeitschriften geworben.9 Wenn zu Anfang des Jahrhunderts Werbebilder veröffentlicht wurden, so wurden ausschließlich Zeichnungen verwendet. In den 30er Jahren nutzten einzelne Werbende die im redaktionellen Teil seit Jahren praktizierte Möglichkeit, ihre Anzeigen mit schwarz-weiß Photographien anstelle 5 Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen, Marketing, 1997, Teil III, § 8, 1.2.1., S. 531ff. 6 Kassebohm, Grenzen der schockierenden Werbung, 1995, Kapitel 1, 2., S. 13ff; ZAW, Werbung in Deutschland 1998, S. 9. 7 Pepels, Kommunikationsmanagement, 1996, 1.5.6, S. 44f. 8 Pepels, Kommunikationsmanagement, 1996, 1.5.6, S. 44f. 9 Vgl. hierzu die auffällig gestaltete Eigenanzeige von Rudolf Mosse aus dem Jahre 1907: „Eine gute Annonce muß aus der Menge der übrigen Annoncen wirkungsvoll heraustreten, die Anordnung des Textes muß dem Leser ein schnelles Erfassen ihres Inhalts ermöglichen und dieser leicht im Gedächtnis haften, so daß die Annonce eine gewissermaßen suggestive Wirkung auf den Leser ausübt. Eine solche Annonce bei tun- 5 Kapitel 1 B. - Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert von Zeichnungen zu illustrieren.10 Inzwischen zählen Photographien zum Standard der Printwerbung, Zeichnungen und Illustrationen werden als eine Art besonderes Stilmittel verwendet.11 Veröffentlichte Photographien konnten erst aufgrund des drucktechnischen Fortschritts ab Mitte der 50er Jahre farbig dargestellt werden.12 In der heutigen Zeit zählen farbige Darstellungen vielfältigster Art zum Standard der Werbemittel. Die Entwicklung ist zum einen mit dem drucktechnischen Fortschritt zu begründen und zum anderen mit der Professionalisierung der Werbebran- che.13 Mittlerweile wird Werbung durch eine Vielzahl von Werbeträger veröffentlicht. Durch den Konsumrausch, den unsere heutige Gesellschaft durchlebt, ist Werbung nahezu allgegenwärtig. Als Werbeträger stehen Zeitungen, Fernsehen, Publikumszeitschriften, Fach- zeitschriften, Anzeigenblätter, Kundenzeitschriften, Adreßbücher, Hörfunk, Außenwerbung auf Plakatwänden, Kino, Messen und Ausstellungen, Schaufenster, Verpakkungen, Gebäude, Verkehrsmittel, Direktwerbung wie etwa Werbebriefe, Versandhauskataloge, Handzettel und Postwurfsendungen und nicht zuletzt auch das Internet zur Verfügung.14 Ordnet man die Werbung marktstrategisch einem Gesamtsystem zu, so muß zwischen den verschiedenen Formen wie Verkaufswerbung, Image-Werbung, Sponsoring, Ver- lichster Raum- d.h. Kostenersparnis abzufassen, gelingt in der Regel nur dem geübten Fachmann“ in Berliner Illustrirte, 1907, S. 700. 10 Sektkellerei Henkel in Berliner Illustrirte Zeitung, 1909, S. 322; Mercedes-Benz in Berliner Illustrirte Zeitung, 1909, S. 338. 11 Wehner, Überzeugungsstrategien in der Werbung, 1996, 3.5., S. 57f. 12 Wehner, Überzeugungsstrategien in der Werbung, 1996, 3.5., S. 57f. 13 Wehner, Überzeugungsstrategien in der Werbung, 1996, 3.2., S. 52f. 14 Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Hundhausen, Wesen und Formen der Werbung, 1954, S. 151ff.; Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen, Marketing, 1997, Teil III, § 8, 1.3.2, S. 541ff.; Rogge, Werbung, 1996, A., 5., S. 33. 6 Kapitel 1 B. - Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert kaufsförderung (Sales Promotions), Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations), Produkt-Pleasement sowie dem persönlichen Verkaufsgespräch unterschieden werden. Der Bedeutungsgehalt der Werbung hat eine nicht unwesentliche Wende erlebt. Anfang des Jahrhunderts wurde vornehmlich der Begriff „Reklame“ verwendet. Darunter wurde interpretiert „als Wissender des Guten andere Menschen, die dieses Gute noch nicht kennen, aufzuklären und ihnen dieses Gute ohne Zwang zugänglich zu machen“.15 Es wurde demnach vorrangig mit nachprüfbaren Qualitätsversprechen und Preis geworben.16 Mitte der 30er Jahre wurde der Begriff der Reklame von dem der Werbung überholt. Die Ausgangsbedeutung des Begriffs der „Werbung“, welches von dem mittelhochdeutschen Wort „wërben“ und dem „wërban“ abstammt, war „sich althochdeutschen drehen“.17 Der Wort Bedeu- tungswandel vollzog sich schon sehr früh und führte zu der Auslegung „die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken“. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahre die Interpretation, Werbung bedeute „jede Darbietung von Botschaften, mit dem Ziel, Einstellungen und Handlungen der Adressaten zum Vorteil der Werbenden zu steuern“.18 In den 50er Jahren begann dann ein Wandel des Werbeverständnisses. Die Werbefachleute begannen, sich die Lehre der Psychologie und der Sozialwissenschaft zu eigen zu machen, um noch geschickter den Verbraucher 15 Hundhausen, Wesen und Formen der Werbung, 1954, S. 37. Wünnenberg, Schockierende Werbung - Verstoß gegen § 1 UWG?, 1993, S. 3. 17 Hundhausen, Wesen und Formen der Werbung, 1954, S. 42. 18 Brockhaus, Die Enzyklopädie, 24. Band, Buchstabe Weli-ZZ, 1996, S. 73ff. 16 7 Kapitel 1 B. - Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert manipulieren zu können.19 Vance Packard kritisiert in seinem Buch „Die geheimen Verführer“ die Werbung, sie werde als Instrument der Manipulation der Verbraucher mißbraucht, deren Beeinflussung sich der Verbraucher kaum entziehen kann. Dies liege an dem Umstand, daß die Beeinflussung der alltäglichen Lebensführung der Gesellschaft auf zuvor durchgeführten zielgerichteten tiefenpsychologischen Studien basiere. 20 und sozialwissenschaftlichen Er beschreibt die Werbung als per- suasiv, als eine Überredungskunst. Der Präsident der Public Relations Society of America faßte in einer Ansprache an die Verbandsmitglieder in einem Satz zusammen, was in vielen Fällen Überredungskünstler wollen: „Das Material, mit dem wir arbeiten, ist die Struktur des menschlichen Geistes.“21 Auch diese Auffassung änderte sich im Laufe der Zeit. Durch die Überhäufung mit Konsumangeboten und Werbemaßnahmen in der heutigen Zeit ist es erforderlich, sich von der Masse abzuheben und in irgendeiner Weise aufzufallen. Der Trend ging in die Richtung, sich loszulösen von den ursprünglichen Werbeideen. So wurde die auf Qualitätszusagen beruhende Werbung in eine sogenannte „Lifestyle-Werbung“ umgewandelt, bei der vornehmlich mit Gefühlen, Stimmungen und Befindlichkeiten geworben wurde, die sich tendenziell vom beworbenen Produkt abhebt und keine Produktinformation mehr bezweckt.22 Doch auch diese Lifestyle-Werbung reichte nicht aus, um bei der Massenkommunikation für 19 Packard, Die geheimen Verführer - Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann, 1957, S. 6ff; vgl. hierzu auch Fezer JZ 1998, 265ff. (266). 20 Packard, Die geheimen Verführer - Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann, 1957. 21 Packard, Die geheimen Verführer - Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann, 1957, S. 7. 22 Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (978); Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff. (533); Reichold WRP 1994, 219ff. (219); Wünnenberg, Schockierende Werbung - Verstoß gegen § 1 UWG, 1993, Kapitel 1, S. 3. 8 Kapitel 1 B. - Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert genügend Aufmerksamkeit zu sorgen.23 Folglich wurde Ende der 90er Jahren ein neuer Trend entwickelt, bei dem der Werbedesigner und Fotograf Oliviero Toscani einer der Vorreiter war: Lieber unangenehm auffallen als gar nicht.24 In seinem Buch „Die Werbung ist ein lächelndes Aas“ zieht Toscani in einer sarkastischen Weise über das „heile-Welt-Bild“ der Werbung her mit dem Kommentar: „Diese idyllische Welt ist, wie Sie bestimmt bemerkt haben, das künstliche und abge- schmackte Reich der Werbung, die uns seit bald dreißig Jahren verblödet. - Schluß damit!“25 Die Werbung arte in soziale Nutzlosigkeit aus; die Werbung und die Kommunikation gehe nicht auf die großen gesellschaftlichen Probleme ein.26 Den Werbeschaffenden ermangele es an Wagemut und Verantwortungsgefühl, da sie das Wesentliche ihres Handwerkes vergessen: die Kommunikation!27 Es handele sich bei der „heilen Welt Werbung“ um ein Verbrechen gegen die Intelligenz und die Kreativität, um eine heimliche Verführung, die zu einer hemmungslosen Ausplünderung führe.28 Es wurde daraufhin eine Werbung entwickelt, die im höchsten Maße provokant ist und dadurch erheblich auffiel. Toscani thematisierte in seiner für das Modeunternehmen Benetton kreierten Werbekampagne Mißstände in anprangernder Form, um das Unternehmen in die politische und soziale Wirklichkeit seiner poten- 23 Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (978); Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff. (533); Reichold WRP 1994, 219ff. (219); Wünnenberg, Schockierende Werbung - Verstoß gegen § 1 UWG, 1993, Kapitel 1, S. 3f. 24 Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (978). 25 Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, Kapitel 1, S. 9 -12. 26 Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, Kapitel 2, S. 18. 27 Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, Kapitel 2, S. 19. 28 Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, Kapitel 2, S. 15 - 37. 9 Kapitel 1 B. - Der Wandel der Werbung im letzten Jahrhundert tiellen Kundschaft zu interpretieren.29 Die Zielgruppe soll sich nicht aufgrund ihrer Hoffnungen, Wünschen oder Idealvorstellungen, sondern aufgrund ihres Problembewußtseins und Protestverhaltens mit dem Unternehmen identifizieren bzw. solidarisieren. Dabei wurde der sogenannten „life-style“-Werbung den Rücken gekehrt und sich von einer neuen Entwicklung, der drastischen Darstellung von wirklich existierenden Problemen unserer heutigen Gesellschaft zugewandt. Es handelt sich hierbei um die sogenannte diskriminierende und schockierende Werbung, von der auch die geschmacklose Werbung umfaßt wird, welche vielfach unter den Begriff der Image-Werbung gefaßt wird. Diese Entwicklung ist sicherlich mit dem gesellschaftlichen Wertewandel unserer heutigen Zeit zu begründen. Mit der Werbung wurde nur leider nicht der gewünschten Erfolg erzielt. Sie löste vielmehr Entsetzen und Unverständnis in breiten Teilen der Bevölkerung aus. Aufgrund der Schaltung dieser Werbekampagne erlitt das Unternehmen Benetton einen deutlichen Umsatzrückgang seiner Produkte.30 Da diskriminierende Werbung in letzter Zeit vermehrt aufgetreten ist, soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit diese unter verfassungsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten analysiert werden. 29 Luhmann, Konzeptkunst, in FAZ vom 19.05.1995, S. 27. Vgl. die erfolglos gebliebenen Klagen der Vertriebsmittler und Vertragshändlern - entschieden in letzter Instanz vom BGH - die gegen das Unternehmen Schadensersatzforderungen geltend machten aufgrund von außergewöhnlichen Umsatzeinbußen, die auf der von Toscani kreierten Werbekampagne beruhten verbunden mit einem dadurch verursachten hohen Imageverlust der Marke Benetton, BGH NJW 1997, 3304ff. - „Benetton I“; BGH NJW 1997, 3309ff. - „Benetton II“. 30 10 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft C. Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft Deutschland hat anerkanntermaßen weltweit das strengste Wettbewerbsrecht. Und trotzdem gibt es immer wieder Tendenzen und Versuche, es weiter einzuschränken und zu reglementieren. Um weitere Einschränkungen zum Nachteil der Werbewirtschaft zumindest zu erschweren, aber auch um den Mißbrauch der Werbung zu verhindern, der gerade in diesem Bereich leicht aufkommt und nicht nur die Mitbewerber, sondern auch die Allgemeinheit auf das Schwerste schädigen kann, wurden Institutionen geschaffen. I. Institutionen zur Verhinderung diskriminierender Werbung Es gibt drei zentrale Institutionen der deutschen Werbewirtschaft, die 1912 gegründete Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerb den 1949 gegründeten „Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V.“ und den 1972 gegründeten Deutschen Werberat. Bei dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft sind sämtliche zur Werbewirtschaft zählende Gruppen in einer Organisation vereint. Ihm gehören aus- schließlich Verbände an. Insgesamt vierzig Organisationen, deren Mitglieder Wirtschaftswerbung betreiben, vorbereiten, durchführen, gestalten und vermitteln. Die Mitglieder entstammen den Sparten der werbenden Wirtschaft, der Werbeagenturen, der Medien, der Werbeberufe und der Forschung. Der Aufgabenbereich erstreckt sich von dem Interessenausgleich aller am Werbegeschäft Beteiligten bis hin zur Vertretung der Werbewirtschaft in allen grundsätzlichen Positionen nach außen. Der ZAW sieht seine zentrale 11 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft Aufgabe darin, ungerechtfertigten und unzulässigen Beschränkungen der Wirtschaft entgegenzuwirken. Hierbei handelt es sich nicht nur um Beschränkungen und Reglementierungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, sondern um alle das Werberecht betreffenden Gesetze. Der Deutschen Werberat wurde 1972 von dem ZAW gegründet. Zu dieser Gründung kam es aufgrund eines europäischen Vorgangs: der Europarat verabschiedete am 18. Februar 1972 seine Resolution mit der Aufforderung an seine Mitgliedsländer, die Bemühungen der Werbewirtschaft in der Gründung selbstdisziplinärer Institutionen zur Bekämpfung unlauterer und irreführender Werbung zu unterstützen. Die Tätigkeit des Deutschen Werberates ist auf den Bereich der Wirtschaftswerbung beschränkt. Angesichts der stetig wachsenden Komplexität der Gesellschaft stellt die Werbung als Kommunikationsmöglichkeit der Wirtschaft eine gravierendere Möglichkeit der Einflußnahme dar, welche unglaubliche Ausmaße haben kann. Dies wird insbesondere durch den rasch fortschreitenden Prozeß der Demokratisierung gefördert, welcher in allen Lebensbereichen von Bedeutung ist. Sicherlich ist die Werbung ein lebensnotwendiger Bestandteil unternehmerischen Handelns und braucht Akzeptanz in unserer Gesellschaft. Allerdings mußte dieser dadurch stark in den Vordergrund gerückten Einflußnahme der Werbung entgegengewirkt werden. Der Gesellschaft selbst, der Bürgerschaft und auch den gesellschaftlichen Institutionen mußte die Möglichkeit der Einflußnahme eingeräumt werden, um eine kritische Reflexion der Werbung zu ermöglichen. Zur Verhinderung einer ungleichgewichtigen Einflußnahme der 12 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft Medien in negativer Hinsicht wurde der Deutsche Werberat eingerichtet. Er ist - entsprechend der Resolution des Europarates vorgesehen - als selbstdisziplinäre, freiwillige Einrichtung der deutschen Werbewirtschaft zu verstehen, ein sogenanntes Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft. Er entwickelt die Werbung im Hinblick auf Inhalt, Aussage und Gestaltung weiter und ist bemüht, Mißstände im Werbewesen festzustellen und zu beseitigen. Durch ihn werden eine Vielzahl von Werbungen untersagt. Von den bei dem Deutschen Werberat eingereichten Beschwerden hat fast jede zweite Erfolg. Dies zeigt, welche bedeutende Stellung dem Deutschen Werberat zukommt. Durch ihn bekommen die Bürger als Verbraucher die Möglichkeit, in das Werbegeschehen einzugreifen und so dem großen Einfluß der Medien entgegenzuwirken. Der Deutsche Werberat bildet somit ein Gegengewicht und macht den Verbraucher selbst zu einem einflußreichen Werbeteilnehmer. Dadurch wird ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen der Einflußnahme der Medien und der Einflußnahme der Verbraucher gewährleistet. Der Deutsche Werberat fungiert darüber hinaus präventiv als „Sensor für gesellschaftliche Probleme“ in Zusammenhang mit der Marktkommunikation der Wirtschaft, indem er durch ständige Debatten über Fehlverhalten eine Sensibilität in den Unternehmen wie in der Öffentlichkeit entwickelt. Die bei dem Deutschen Werberat eingegangen Beschwerden betreffen meist die Gleichberechtigung von Frauen mit dem Ziel, Diskriminierungen zu verhindern. Ebenso stehen im Mittelpunkt die Säkularisierung der Gesellschaft - die Verletzung religiöser Empfindungen - oder die Ausdehnung der Jugendzeit in die Kindheit 13 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft und die damit verbundene Mißachtung des Kinderschutzes. Der Deutsche Werberat besteht aus einem Gremium mit Sitz in Bonn, dem zwölf Vertreter aus werbender Wirtschaft, Agenturen, Werbeberufen und Medien angehören. Getragen wird der Deutsche Werberat von der Wirtschaft selbst. Es wird über die Beschwerden auf der Grundlage der Gesetze, der werberechtlichen Vor- schriften und eigener Grundsätze entschieden. Darüber hinaus ist nach eigenen Angaben die „aktuell herrschende Auffassung über Sitte, Anstand und Moral in der Gesellschaft“ maßgebend. Dazu zählen nicht nur die Verhaltensweisen der Bürger im öffentlichen Leben, sondern auch die dargestellte Wirklichkeit in den redaktionellen Teilen der Medien. Tätig wird der Deutsche Werberat bereits in der sogenannten „Grauzone“, im Vorfeld der gesetzlich bezogenen Grenzen. Er geht sämtlichen Beanstandungen nach, um Aussagen und Darstellungen abzustellen, die aus der Sicht der Werbewirtschaft insgesamt und aus der Sicht der umworbenen Verbraucher anstößig oder unzuträglich sind. Ausschlaggebend für eine solche Beanstandung sind ausschließlich gesellschaftliche Kriterien, die Werbung muß nicht auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden sein. Konsequenz ist, daß der Schwerpunkt der Tätigkeit des Werberats nicht auf dem Gebiet der Verfolgung von Rechtsverstößen liegt. Wird eine Beschwerde bei dem Deutschen Werberat eingereicht, so entscheiden die Werberatsmitglieder unabhängig voneinander - um ein demokratisches Votum zu erlangen - durch Mehrheitsentscheid, ob Maßnahmen gegen die betroffene Werbung eingeleitet werden sollen oder nicht. Als Maßnahme gegen eine anstößige oder 14 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft unerträgliche Werbung kommt zunächst eine Anhörung durch den Deutschen Werberat des betreibenden Unternehmens in Betracht. In dieser Anhörung wird das Unternehmen um eine Mitteilung angehalten, ob diese Werbemaßnahmen auch künftig noch geschaltet werden. Darin ist eine konkludente Aufforderung zu sehen, die jeweiligen Werbemaßnahmen aufzugeben. Hält das jeweiligen Unternehmen trotz der Anhörung an ihrer Werbung fest, erteilt der Deutsche Werberat die „Öffentliche Rüge“, die schärfste Waffe des Deutschen Werberates. Zeigt auch die öffentliche Rüge nicht die erwünschte Resonanz, erfolgt zunächst eine weitere Anhörung mit einer dreitägigen Frist zur Abhilfe. Wenn auch diese Maßnahme keine Resonanz zeigt, dann werden durch den Deutschen Werberat die Medien hinsichtlich der betreffende Werbekampagne sensibilisiert und angeregt, diese Werbung nicht mehr zu veröffentlichen. Betrifft die Werbung dabei wettbewerbsrechtliche Grundsätze, so leitet der Deutsche Werberat aufgrund der eigenen Satzung die Angelegenheit weiter an die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. in Bad Homburg, wenn sie nicht von dieser schon selbständig aufgegriffen wurde. Diese unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten wohl wichtigste Zentrale wurde 1912 in Berlin gegründet. Mittlerweile unterhält sie im Bundesgebiet acht Zweigstellen.31 Durch intensive Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern baute die Wettbewerbszentrale darüber hinaus ihre Arbeit regional aus. Die Mitgliederschaft der Zentrale erstreckt sich auf alle Industrie- und Handelskammern des Bundesge- 15 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft bietes, auf die Handwerkskammern und weitere Verbände. Das Aufgabengebiet der Zentrale, die mit den Spitzenverbänden der gewerblichen Wirtschaft zusammenarbeitet, ist die Bekämpfung von unlauteren Wettbewerbshandlungen sowie die Beteiligung an der Rechtsforschung. Wirtschaftspolitische Aufgaben obliegen ihr nicht. Sie hat keine Zwangsbefugnis, aber sie kann bei Verstößen insbesondere gegen diskriminierende Werbung, die wettbewerbsrechtlich von Bedeutung sind, den Anspruch auf Unterlassung geltend machen. Die Klagebefugnis ergibt sich aus § 13 II Nr. 2 UWG, wonach die Wettbewerbszentrale als rechtsfähiger Verein zur Förderung gewerblicher Interessen aufgrund ihrer Mitgliederstruktur die umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet hat.32 Auch steht der Zentrale die Klagebefugnis gemäß § 13 AGBG zu. Die Wettbewerbszentrale geht im Falle diskriminierender Werbung im Klagewege gegen diese vor, wenn Grund zur wettbewerbsrechtlichen Beanstandung besteht. 31 Diese Zweigstellen befinden sich in Berlin, Dortmund, Dresden, Essen, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart. 32 BGH GRUR 1995, 122ff. – „Laienwerbung für Augenoptiker“. 16 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft II. Wirksamkeit der Selbstkontrolle Aus der in Bonn für das Jahr 1998 vorgelegten Jahresbilanz des Deutschen Werberats geht hervor, daß die Beschwerdemenge aus der Bevölkerung und auch die Anzahl der davon betroffenen Werbemaßnahmen 1998 gegenüber dem Vorjahr sinkt. Das Gremium erhielt insgesamt 306 Eingaben - im Vorjahr waren es noch 330. Bei den Eingaben waren insgesamt 228 Werbemaßnahmen betroffen, im Vorjahreszeitraum waren es noch 235 Werbemaßnahmen. Es zeigte sich daher eine erfreulich rückläufige Tendenz der zu beanstandenden Werbemaßnahmen. Dies läßt auf ein wirkungsvolles Arbeiten des Deutschen Werberates und ein kooperatives Zusammenarbeiten der Werbenden gegenüber dem Deutschen Werberat schließen. Im folgenden soll eine statistische Bilanz der Jahre 1996, 1997, 1998 einen Einblick über die Häufigkeit beanstandeter Werbemaßnahmen und derer wirksame Bekämpfung durch den Deutschen Werberat verschaffen.33 Jahr Jahr Jahr 1996 1997 1998 330 306 214 235 228 Vom Deutschen Werberat behandelte 174 181 168 54 60 Eingereichten Beschwerden; Mehr- 324 fachbeschwerden eingeschlossen Kritisierte Werbemaßnahmen Werbemaßnahmen Abgabe wegen Unzuständigkeit des 40 Deutschen Werberates 33 Siehe hierzu die Beschwerdebilanzen des Deutschen Werberates, entnommen den Jahrbücher des Deutschen Werberates aus den Jahren 1996, 1997 und 1998. 17 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft Werbende erklärten sich bereit, 60 57 56 2 10 die Werbemaßnahmen nicht mehr zu schalten Werbende erklärten sich bereit, 2 die Werbemaßnahme zu ändern Freigesprochen von der Kritik 108 116 100 Öffentliche Rüge 4 6 2 34% 35% Anteilig das Frauenbild in der 41 % Werbung Bei den zwei im Jahre 1998 ausgesprochenen öffentlichen Rügen handelte es sich um folgende Werbemaßnahmen: Das Düsseldorfer Textilunternehmen Amtraks führt in Deutschland die Geschäfte des italienischen Jeans Herstellers Diesel. Es wurde eine Werbemaßnahme in einer Zeitschriftenanzeige geschaltet, bei dem eine brutale Szene dargestellt wurde: Sie spielt sich in einem dunklen Raum mit verschmierten Wandfliesen ab von der Decke baumeln Körper, aus einer Mülltonne ragen Gliedmaßen hervor. Gezeigt wird ein mit Jeans bekleideter Mann, der auf einem Tisch einen menschlichen Unterarm zersägt.34 Diese Werbemaßnahme wurde als in unzumutbarer Weise mit Gewalt konfrontierend angesehen. Diese gezielt auf Schockeffekte ausgerichtete Produktpräsentation sei ungeachtet der ange- strebten Zielgruppe nicht hinnehmbar.35 Öffentlich gerügt wurde ebenso das Unternehmen B & T Bautechnik Tkalec GmbH (Raubling). Auf dem Titelblatt seines Werbeprospekts stand die Überschrift „Die hei- 34 35 Abbildung der Werbemaßnahme beigefügt als Anlage 1. Jahrbuch Deutscher Werberat 1999, S. 30. 18 Kapitel 1 C. - Verhaltensbeeinflussung durch die Werbewirtschaft ßeste Versuchung“. Gezeigt wird in einem kreisrunden Ausschnitt die Rückenansicht einer Frau mit leicht gespreizten Beinen. Auf ihrem Tangaslip lag eine beim Hausbau eingesetzte metallene Kombi-Hülse, das umworbene Produkt.36 Durch die pornographisch anmutende Pose wirke - so kritisierte der Deutsche Werberat die Darstellung frauenherabwürdigend und überschreite erheblich die moralischen Grenzen. Diese Werbemaßnahme wurde als diskriminierend beurteilt.37 36 37 Abbildung der Werbemaßnahme beigefügt als Anlage 2. Jahrbuch Deutscher Werberat 1999, S. 30ff. 19 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung Kapitel 2: Diskriminierende Werbung und § 1 UWG A. Zum Begriff der Diskriminierung Werbung ist in allen Lebensbereichen präsent. Sie greift sowohl in die Individualsphäre als auch in die Sozialsphäre, in die Privatsphäre, in die Intimsphäre als auch in die Wirtschaftsphäre verbunden mit ihren Produktionen ein. So wirbt der Liebende um die Gunst der Geliebten, der Politiker um die Stimme des Wählers, der Priester um die Gottesfurcht des Gläubigen und das Wirtschaftssubjekt scheidung. 38 um die Verbraucherent- Werbung kann in vielerlei Hinsicht ver- standen werden: sie kann beschreibend sein, überredend, provokativ, verachtend, künstlerisch, dokumentativ, informativ oder aber lediglich eine fantasiereiche Unterhaltung. Der Begriff der „Diskriminierung“ ist in der Werbung weit gefächert und umfaßt eine Vielzahl von Fällen. Inwieweit Werbung als diskriminierend zu werten ist, ist Frage der Einzelfallbetrachtung und kann nicht pauschal eingegrenzt werden. Es ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der einzelnen Fallgestaltungen erforderlich. 38 Zitat des Herrn Prof. Dr. Karl-Heinz Fezer aus seiner Antrittsvorlesung vom 25.06.1997 an der Juristenfakultät der Universität Leipzig aus Anlaß der Verleihung einer Honorarprofessur für Gewerblichen Rechtsschutz zu dem Thema „Markt zwischen Freiheit und Verantwortung“. 20 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung I. Allgemeine Überlegungen Das Augenmerk soll zunächst auf die allgemeine Bedeutung des Begriffs „Diskriminierung“ gerichtet werden. Mit Diskriminierung werden zum einen die (unter Umständen unzutreffenden) Äußerungen und Behauptungen in der Öffentlichkeit verstanden, die dazu geeignet und bestimmt sind, eines anderen Ansehen oder Ruf zu schädigen oder diesen herabzusetzen. Zum anderen kann in Diskriminierung die durch unterschiedliche Behandlung beabsichtigte Benachteiligung und Zurücksetzung gesehen werden. Auch kann Diskriminierung einfach und pauschaliert als eine Trennung verstanden werden, eine Absonderung in jedweder Hinsicht. Die Diskriminierung kann sowohl einzelne Personen als auch eine Gruppe betreffen. In der Regel sind bestimmte Gruppierungen Blickpunkt einer Diskriminierung. Denn die rechtliche Ordnung knüpft an Vorstellungen über gruppenspezifische Eigenheiten und an gesellschaftliche Auffassungen.39 Rechtliche Ordnung bedeutet, das Recht von seiner Ordnungsaufgabe her zu begreifen, ein jeweiliges Ganzes der Lebensverhältnisse sinnvoll zu ordnen. Nicht die Ordnung be- herrscht und determiniert das Recht, sondern Recht soll in dem zu Ordnenden die Ordnung herstellen, verbessern oder bewahren. Es gilt der Grundsatz, daß sich nur ordnen läßt, was beherrschbar und das heißt überschaubar ist.40 Zöllner führt zutreffend aus, „das Ganze auf einmal zu denken und zu ordnen, übersteigt bei weitem die menschliche Fähigkeit, mit Komplexität umzugehen“.41 39 Schenk, Medienwirkungsforschung, Tübingen, 1987, S. 36ff. Zöllner, „Der Ordnungsdenker“ in Juristen im Spiegel, 1998, S. 23ff. 41 Zöllner „Der Ordnungsdenker“ in Juristen im Spiegel, 1998, S. 23ff. (26). 40 21 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung Die Gesamtheit der Diskriminierungen, die der rechtlichen Ordnung unterfallen, ist demnach in einzelne Lebensbereiche aufzuschlüsseln. Eine Abgrenzung und Ausgrenzung erfolgt in verschiedenen Bereichen, von denen oft Minderheiten betroffen sind. Geht es um den Schutz und die Gleichberechtigung von Minderheiten, entfalten gesellschaftliche Mehrheiten keine normausfüllende Kraft. Eine Ab- und Ausgrenzung kann auf sozialen Verhaltensweisen beruhen, so wenn gesell- schaftliche Grundeinstellungen aufeinanderprallen und das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Verhaltensweisen der anderen Gruppierung fehlt. Durch eine solche Konfrontation wird eine Ab- und Ausgrenzung geradezu provoziert. Der Bereich der Frauen in Abgrenzung von demjenigen der Männer ist ebenso betroffen. Das Bild der Frau wird vielfach deformiert dargestellt neben dem des Mannes. Der Mann gilt als Ernährer der Familie, als Verteidiger des Landes; die Frau dagegen als Hausfrau und Mutter, als des Mannes Gespielin, als sexistisches Objekt.42 Gerade hier zeigt sich ein sehr weitläufiges Verständnis von Diskriminierung. In unserer heutigen Zeit hat sich aufgrund der fortschreitenden Emanzipation die Einstellung gegenüber den beiden Geschlechtern zwar weitläufig geändert, dennoch nimmt die Diskriminierung gerade in diesem Bereich nur unwesentlich ab. Des weiteren findet die Gruppe der Fremdsprachigen Beachtung und zwar in den Bereichen, die sprachliche Integration voraussetzen. Damit in Zusammenhang steht die sogenannte Ausländerdiskriminierung. Auch diese hat an Gewichtigkeit bislang nur unwesentlich verloren. Zwar 42 Am häufigsten werden Frauen allerdings ohne Rollenzuteilung dargestellt (44 %) oder gemeinsam mit einem Mann (33 %), als Hausfrau tauchen Frauen dagegen nur selten in der Werbung auf (4 %) ebenso als Mutter (5 %); so Nickel „Das Frauenbild in der Werbung“, Vortrag auf dem Aral-Symposium „Frau und Autofahren“ am 16.11.1990 in Wien. 22 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung ist nach der allseits bekannten goldenen Grundregel jeder Mensch außer in seinem Heimatland ein Ausländer. Dennoch - ungeachtet dieser Grundregel - werden immer wieder Ausländer aufgrund von Vorurteilen benachteiligt und zurückgesetzt. Der Begriff „Ausländer“ knüpft zumindest äußerlich nicht an Volkszugehörigkeit, Abstammung und Staatsangehörigkeit.43 Rasse Die an, sondern an Staatsangehörigkeit die ist zwar eng mit der Abstammung verbunden, letztendlich geht es aber gerade bei der Problematik der „Ausländerdiskriminierung“ mehr um die Nationalität und weniger um die Abstammung selbst. Als Abstammung ist die natürliche Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren zu verstehen in dem Sinne, daß sich Menschen ähnlicher Abstammung als Gruppe begreifen oder als solche deshalb gesehen eng mit werden.44 der Die Abstammung Staatsangehörigkeit hängt zusammen, weil diese in aller Regel von den Vorfahren übernommen wird. Gesonderte Bedeutung hat aus diesem Grunde der Bereich der Rassendiskriminierung. Mit dem Ausdruck „Rasse“ wird das vererbliche und typenhafte körperliche Erscheinungsbild bezeichnet, in dem sich die Abstammung vergegenständlichen kann.45 Eine Absonderung, die auf das Rassenmerkmal zurückzuführen ist, hat seinen Ursprung oft darin, daß verschiedene Rassen unterschiedliche Religionen ausüben, wegen derer sie eine Ab- und Ausgrenzung erleiden. Die Ausübung unterschiedlicher Religionen muß natürlich nicht notwendig im Zusammenhang mit einer Rasse stehen. Christen wurden zur Zeit des Römischen Reiches aufgrund ihrer Religion verfolgt, Juden wurden zu einer eigenen Rasse erklärt und insbesondere zur Nazi43 Bezzenberger AcP 1996 (196), 395ff. (412). BVerfGE 9, 124ff. (128) – „Herkunft“; vgl. auch BGHZ 75, 160ff. (162f.) - „Jüdische Deutsche als Gruppe“. 44 23 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung zeit verfolgt. Anhand dieser sehr krassen Beispiele soll gezeigt werden, zu welchen Auswirkungen eine Diskriminierung aufgrund verschiedenen Glaubensrichtungen führen kann. Wichtig in diesem Zusammenhang ist noch ein weiterer Bereich, die Behindertendiskriminierung. Immer wieder erfolgt eine Ab- und Ausgrenzung von Behinderten, die aufgrund eines Krankheitsbildes, eines Unfalls oder von Geburt an eine Behinderung erlitten.46 Um die Diskriminierung im allgemeinen erfassen und verstehen zu können, müssen weltanschauliche Aspekte hinzugezogen werden. Genau solche Aspekte tragen dazu bei, Einstellungen zu verhärten und Klischees zu vertiefen. Sie können von religiösen Anschauungen geprägt sein, von traditionellen, moralischen, gewohnheitsmäßigen oder auch von gesellschaftlichen. Auch muß eine aus diesen Aspekten resultierende Ab- und Ausgrenzung nicht zwingend bewußt sein; vielmals kommen solche unbewußt zu Tage. Demnach bedeutet Diskriminierung die benachteiligende - negative - Behandlung, die auf Vorurteilen, Klischees, Tradition, Moral, Religion oder gesellschaftlichen Einstellungen basieren und die zu einer Abund Ausgrenzung führen und die unter dem Gesichtspunkt ethischer bzw. gesellschaftlicher Werte als negativ eingestuft werden müssen. Es gibt auch eine sogenannte positive Diskriminierung. Eine solche erfolgt, wenn benachteiligte Minderheiten oder Gruppierungen in positiver Weise in den Vordergrund gestellt werden und Bevorzugungen er45 Bezzenberger AcP 1996 (196), 395ff. (396). Es handelt sich bei den aufgeführten Bereichen nicht um eine abschließende Aufzählung. 46 24 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung fahren oder in sonstiger Weise gefördert werden, um damit eine Chancengleichheit zu erzielen.47 Auf die Fallkonstellation der positiven Diskriminierung soll jedoch nicht näher eingegangen werden, da eine solche für diese Arbeit keine Bedeutung hat. II. Wettbewerbsrechtliche Diskriminierung Das UWG enthält keinen eigenständigen Tatbestand der diskriminierenden Werbung bzw. der Diskriminierung im allgemeinen, durch so daß die Rechtsprechung Anwendung der Generalklausel die gemäß § Fälle 1 UWG löst. Die Vorschrift wurde bereits im Jahre 1909 in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb einge- führt. Danach ist eine solche Werbung verboten, die gegen die guten Sitten verstößt. Es handelt sich dabei um einen sehr unbestimmten Rechtsbegriff, den es näher auszulegen und zu analysieren gilt. § 1 UWG ist eine Delegationsnorm zur Rechtsetzung durch Richterrecht.48 Die Vorschrift wurde von dem Gesetzgeber bewußt flexibel gestaltet, damit sie sich den unvorhergesehenen Entwicklungen im Wettbewerbsrecht anpassen kann und so der Dynamik des Wirtschaftslebens keine Grenzen gesetzt sind.49 Für den Richter bedeutet das einen gewollt großen Beurteilungsspielraum bei seiner Rechtsetzung. 1. Schutzzweck des § 1 UWG Der Schutzzweck Rechtsfortbildung der Norm heute ist aufgrund weitgehendst jahrelanger unumstritten. Aufgabe des UWG ist es danach vor allem, durch die 47 48 Vgl. dazu Kokott NJW 1995, 1049ff. (1050). Fezer JZ 1998, 265ff. (267). 25 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung Aufstellung von Verhaltensnormen im Interesse der Konkurrenten, der übrigen Marktbeteiligten und der Allgemeinheit die Funktionsfähigkeit unserer Wettbewerbsordnung sicherzustellen. Demnach soll die Vorschrift Mitbewerbern, sonstigen Marktteilnehmern einschließlich den Verbrauchern und auch der Allgemeinheit Schutz bieten.50 2. Konkretisierung der guten Sitten Zur Konkretisierung der Norm können nicht die gefundenen Grundzüge zur Sittenwidrigkeit der §§ 138, 826 BGB herangezogen werden. Die Sittenwidrigkeit nach dem UWG muß - anders etwa in §§ 138, 826 BGB - als wettbewerbswidriges oder wettbewerbsfremdes Handeln bereichsspezifisch verstanden und interpretiert werden.51 Zwischen den §§ 138, 826 BGB und § 1 UWG bestehen Funktionsunterschiede. Der verfolgte Zweck und die Sanktionen 52 lich. der Vorschriften sind unterschied- § 138 regelt die Nichtigkeit eines Rechtsge- schäftes, § 826 BGB ist eine Norm zur Regulierung schadenstiftenden Verhaltens, die zu einem Schadensersatzanspruch führt; § 1 UWG hingegen bezieht sich ausschließlich auf Wettbewerbshandlungen und läuft bei einer Zuwiderhandlung in erster Linie auf einen Unterlassungsanspruch hinaus. In zweiter Linie kann bei einer Zuwiderhandlung des § 1 UWG ein Schadensersatzanspruch entstehen. 49 Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (978); Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 1997, § 13, Rn. 3. 50 Vgl. auch Kisseler in FS für Gaedertz, 1992, S. 283ff. (291). 51 Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 1997, § 13 Rn. 5; Kehl, Wettbewerbsrecht, 1990, § 13 Rn. 2; Kort WRP 1997, 526ff. (527); Reichold WRP 1994, 219ff. 52 Andere Ansicht dazu vertritt Nipperdey, Wettbewerb und Existenzvernichtung, 1930, S. 12; Sack GRUR 1970, 493ff. (494ff., 498); Schünemann in Großkommentar UWG Jacobs/ Lindacher/ Teplitzky, Stand 1.9.1995, Einl. § 1 UWG, Anm. C 4 ff.; die keinen Unterschied zwischen § 1 UWG und § 138 BGB sehen. 26 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung Der Begriff „gute Sitten“ ist seinem Wortsinn nach mehrdeutig. Er kann unter dem Oberbegriff „Sitte“ verstanden werden, womit Bräuche und Gewohnheiten des geschäftlichen Verkehrs gemeint sind oder aber unter dem der „Sittlichkeit“. Unter Sittlichkeit ist das sittliche Empfinden, die Moral nicht nur im gesinnungs-ethischen Sinne zu verstehen, die Anforderungen des Gewissens an das Verhalten des Menschen.53 Diese beiden Oberbegriffe haben eine unterschiedliche Bedeutung und können deshalb nicht gleichzeitig zur Konkretisierung der Generalklausel herangezogen werden. Die Sitte umschreibt die tatsächlich vorliegenden Gegebenheiten, während mit der Sittlichkeit Umstände beschrieben werden, die herrschen sollten. Nach der von dem Reichsgericht vertretenen Ansicht entnahm der Richter den Maßstab für die Beurteilung des Begriffs „gute Sitten“ aus dem herrschenden Volksbewußtsein, dem Anstandsgefühl aller gerecht und billig Denkenden, wobei auch auf die Anschauungen der Kaufleute Rücksicht zu nehmen war.54 Dabei lehnte das Reichsgericht die Auslegung der guten Sitten an § 826 BGB.55 Der Begriff „Volksbewußtsein“ läßt darauf schließen, daß für die Konkretisierung des Begriffs „gute Sitten“ die Auslegungskriterien an dem sittlichen Bewußtsein gemessen wurden. Folglich wurden die guten Sitten danach bestimmt, wie man sich aufgrund der von uns verfaßten Wirtschaftsordnung objektiv verhalten sollte, um Wettbewerbsverhalten als unbean- 53 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 66; Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1998, § 5 Nr. 1 b); von Godin, Wettbewerbsrecht, Kommentar, 1974, U § 1, Rn. 59. 54 RGZ 48, 114ff. (124). 55 Vgl. hierzu auch von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Halbband, 1987, § 18, Rn. 3. 27 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung standet anzusehen und nicht danach, wie es mehrheitlich geschieht.56 „Aufgabe des Rechts ist es, gesellschaftliche Beziehungen zu ordnen, nicht aber gesinnungs-ethisches Verhalten zu erzwingen“.57 Die Formel des Reichsgerichts führte selbst bei hoher Erkenntnisfähigkeit des Richters dazu, daß dieser Formel subjektive Wertmaßstäbe zugrunde gelegt wurden und zwar aus einer inneren Beziehung des Wertenden zum Objekt, das bewertet werden soll.58 Zwar barg dies kein unabwägbares Risiko, da über allem die Werteordnung des Verfassungsrechts stand.59 Es war dennoch eine Korrektur erforderlich, um den Begriff zu objektivieren. Ein objektiver Gehalt war erforderlich, um der Generalklausel einen umfassenden Geltungsbereich zukommen zu lassen. Der BGH distanzierte sich deshalb von der Auffassung des Reichsgerichtes und entwickelte die mittlerweile von der Rechtsprechung des BGH und der herrschenden Literaturmeinung jahrzehntelang benutzte Lehrformel, wonach sittenwidrig im Sinne dieser Vorschrift ein Wettbewerbsverhalten ist, das dem Anstandsgefühl der beteiligten Verkehrskreise widerspricht oder von der Allgemeinheit mißbilligt und für untragbar angesehen wird.60 Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs liegt vor, wenn das Verhalten objektiv geeignet ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines 56 Ullmann GRUR 1991, 789ff. (791). Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 66. 58 Von Godin, Wettbewerbsrecht, 1974, U § 1, Rn. 57 ff. 59 Ullmann GRUR 1991, 789ff. (791). 60 BGHZ 15, 356ff. (364f.) - „Progressive Kundenwerbung“; BGHZ 19, 392ff. (396) - „Anzeigenblatt“; BGHZ 54, 188ff. (191) - „Fernsehwerbung“; BGHZ 56, 18ff. - „Grabsteinaufträge II“; Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 85ff.; von Gamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 1993, § 1 UWG, Rn. 30. 57 28 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung anderen zu begünstigen.61 Der Begriff wurde im Hinblick auf die Wahrung der Allgemeininteressen erweitert, um den Schutzzweck der Norm zu wahren. Dadurch wurde eine Relativierung auf objektiver Ebene er- reicht, bei dem der jeweilige Kulturkreis Ausgangspunkt war. Es ist ohnehin bei unserer heutigen pluralistischen Gesellschaft schwierig, einen Einheitsbegriff wie den der guten Sitten zu erläutern. Diese Auslegung verschafft aber dem Richter den notwendigen Beurteilungsspielraum, um dem Schutzzweck des UWG gerecht werden zu können und im Rahmen der Verkehrsauffassung und einer Interessenabwägung anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls das tatbestandsmäßige Verhalten zu konkretisieren. In der jüngsten Rechtsprechung treten die Anschauungen der Allgemeinheit einschließlich selbständig neben die das der Verbraucher Anstandsgefühl geradezu der Durch- schnittsgewerbetreibenden. Hefermehl vertritt die Auffassung, bei der Konkretisierung der Generalklausel muß darüber hinaus eine sozialmoralische Komponente Berücksichtigung finden. Aufgrund eines Funktionswandels des UWG vom Individualrecht zum Sozialrecht in den letzten Jahrzehnten habe sich die Bedeutung der „guten Sitten“ in § 1 UWG geändert. § 1 UWG stelle insoweit eine Ermächtigungsnorm dar, bei der der Richter unter Abwägung der schutzwürdigen Interessen und Güter Verhaltensregeln aufstellen müsse.62 Die sozialmoralische Komponente ist davon abhängig, inwieweit überhaupt außerrechtliche Moralvorstellungen vorhanden sind. In unserer heutigen Zeit haben sich Moralvorstellungen in Teilen 61 Ständige RS: BGH NJW-RR 1986, 1484f. - „Frank der Tat“; BGH WRP 1992, 380ff. (383) - „Beitragsrechnung“; BGH NJW 1992, 3304f. (3304) - „Erdgassteuer“. 29 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung der Bevölkerung gewandelt und sind aufgrund unserer herrschenden Massengesellschaft nur noch bedingt vorhanden. Die Menschen haben in vielerlei Hinsicht eine liberalere Einstellung bekommen als noch vor hundert Jahren. Auch sind die heutigen Werbemethoden sehr viel aggressiver geworden, als es noch vor hundert Jahren der Fall war. Deshalb muß sich die Moral nach den sich wandelnden Anstandsgefühlen der beteiligten Verkehrskreise bestimmen. Nach Ansicht von Gamm ist ausschlaggebend nicht die Sozialmoral, sondern maßgebend sind die Wertvorstellungen der beteiligten Verkehrskreise, vor allem die der Verbraucher. Objektiv sittenwidrig ist ein Wettbewerbsverhalten, wenn es aufgrund einer Interessenabwägung - auf Grundlage der bestehenden Wirtschaftsordnung und der verfassungsrechtlichen Bewertung der einander gegenübertretenden Interessen sowie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des UWG - der sittlich-rechtlichen Wertung nach Maßgabe der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise und der Allgemeinheit widerspricht.63 Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung und die Wettbewerbsfreiheit finden dort ihre Grenzen, wo Eingriffe in die Belange der Allgemeinheit oder der Mitbewerber in einer Art erfolgen, die den sittlich-rechtlichen Anschauungen widersprechen und nicht mit dem Sinn und Zweck des Leistungswettbewerbs in Einklang stehen.64 Die sittlich-rechtliche Wertung enthält keine moralische Wertung, keine Geschmackszensur.65 62 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 55. 63 Von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Halbband, 1987, Kapitel 18, Rn. 2; vgl. auch Piper GRUR 1996, 147ff. (154). 64 Von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Halbband, 1987, Kapitel 18, Rn. 2, Rn. 8ff. 65 BGH GRUR 1970, 557ff. (558) - „Erotik in der Ehe“. 30 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung Es besteht nach Ansicht der Literatur wie auch der Rechtsprechung insoweit Einigkeit, daß die sittlichrechtliche Wertvorstellung zur Bestimmung der Generalklausel Berücksichtigung finden muß nach Maßgabe des Empfindens eines normalen Durchschnittsbürgers und nach Maßgabe der Auffassung und des sittlichen Bewußtseins der Allgemeinheit.66 Abzustellen ist demnach auf die Wertvorstellungen der beteiligten Verkehrskreise, deren Gewicht und Relevanz für die Beurteilung des in Frage stehenden Verhaltens jeweils aufgrund einer umfassenden Abwägung auch der einander gegenübertretenden Interessen sowie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu erfolgen hat, wobei auch verfassungsrechtliche Bewertungen solcher Interessen eine Rolle spielen können.67 Auch Hefermehl sieht die Generalklausel in ihrem Kern sittlich-rechtlich fundiert.68 Es müssen Abwägungen getroffen werden, die einer objektiven Betrachtung bedürfen. Eine rein moralischethische Betrachtungsweise ist zur Konkretisierung nicht genügend. Dabei muß sich jede auf § 1 UWG beruhende Entscheidung an der Verfassung orientieren und sich in dem von dem Grundgesetz, insbesondere den Grundrechten gesteckten Rahmen befinden.69 66 Von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Halbband, 1987, Kapitel 18, Rn. 2. BGHZ 130, 5ff. (8) - „Busengrapscher“; Dürig in Maunz/ Dürig, Grundgesetzkommentar, Band 1, Stand 1998, Art. 1 III, Rn. 132; Schünemann in Großkommentar UWG Jakobs/ Lindacher/ Teplitzky, Stand 1.9.1995, Einl. A, Rn. 58; D., Rn. 30 mit weiteren Nachweisen. 68 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 68. 69 So für Art. 5 GG BVerfGE 7, 198ff. (205f., 215) - „Lüth“; für Art. 4 II GG BVerfGE 24, 236ff. (251f.) - „Katholische Landjugendbewegung“; für Art. 12 GG BVerfGE 32, 311ff. (317f.) - „Grabsteine“; BGHZ 51, 236ff. (246ff.) - „Stuttgarter Wochenblatt I“; BGHZ 130, 5ff. (8) - „Busengrapscher“; BGHZ 130, 196ff. (200) - „Ölverschmutzte Ente“; Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1998, § 5, Nr. 8; Ulmer AfP 1975, 870ff. (875ff.). 67 31 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung Des weiteren wird von der Rechtsprechung und einem Großteil der Literatur an das tatbestandliche Vorliegen der Generalklausel eine subjektive Komponente geknüpft, die Wettbewerbsabsicht, da die obligatorischen Ansprüche aus unerlaubter Handlung stammen.70 Unter Wettbewerbsabsicht wird das Wissen und Wollen des wettbewerblichen Zieles der Handlung verstan- den.71 Zwar wird nicht das Bewußtsein, sittenwidrig zu handeln, vorausgesetzt, es ist aber erforderlich, daß die Wettbewerbshandlung in subjektiver Hinsicht mit Wettbewerbsabsicht, also der Absicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, begangen wird und diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt.72 Bei Gewerbetreibenden und Wirt- schaftsverbänden wird eine Wettbewerbsabsicht vermutet, wenn eine objektiv wettbewerbsfördernde Handlung vorgenommen wird.73 Dabei braucht die Wettbewerbsabsicht keineswegs die einzige oder wesentliche Zielsetzung des Handelns zu sein; es genügt, wenn mit der in Rede stehenden Handlung auch Wettbewerbszwecke, die nicht als völlig nebensächlich hinter dem eigentlichen Beweggrund zurücktreten, verfolgt werden.74 Letztendlich kommt der subjektiven Komponente in den meisten Fällen keine große Bedeutung zu, da der Ver70 Ständige RS: BGHZ 3, 270ff. (277)- „Constanze I“; BGHZ 14, 163ff. (171) - „Constanze II“; BGHZ 19, 392ff. (394f.) - „Anzeigenblatt“; BGH GRUR 1989, 430f. - „Krankentransportbestellung“; BGH GRUR 1990, 1012ff. (1013) - „Pressehaftung I“; Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 125ff., Rn. 232ff. mit weiteren Nachweisen. 71 Von Godin, Wettbewerbsrecht, Kommentar, 1974, U § 1, Rn. 8. 72 Ständige RS: RG GRUR 1937, 466ff. - „Mulla 500“; BGHZ 3, 270ff. (277) - „Constanze I“; BGH GRUR 1981, 140ff. (142) - „Flughafengebühr“; BGH NJW-RR 1986, 1484f. - „Frank der Tat“; BGH WRP 1992, 380ff. (383) - „Beitragsrechnung“; Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 232ff.; von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Halbband, 1987, § 18, Rn. 36ff. 73 BGHZ 3, 270ff. (277) - „Constanze I“; BGH GRUR 1962, 34ff. (36) „Torsana“; BGH GRUR 1962, 45ff. (47) - „Betonzusatzmittel“; vgl. Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1998, § 5, Nr. 10. 32 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung letzter spätestens mit Abmahnung bzw. Klageerhebung die erforderliche Kenntnis erhält und sich damit nicht bei zukünftigen Verletzungshandlungen auf Unkenntnis berufen kann.75 Um der Generalklausel einen umfassenden Anwendungsbereich zukommen zu lassen, wurden als Ergebnis jahrzehntelanger Rechtsentwicklung durch Rechtsanwendung unterschiedlichste Fallkonstellationen herausgebil- det, in denen Grundsätze und Maßstäbe verankert sind, die trotz der Vielzahl möglicher Erscheinungsformen wettbewerblichen Handelns geeignet sind, allgemeingültige Richtlinien aufzustellen. Zwar müssen diese Grundsätze und Maßstäbe immer wieder einer Überprüfung standhalten und können auch nicht ohne weiteres auf den Einzelfall übertragen werden; aber es ist der Judikatur und dem Schrifttum gelungen, zahlreiche Kategorien mit unterschiedlichsten Fallgruppen herauszuarbeiten, die einer Überdehnung des unbestimmten Rechtsbegriffs der guten Sitten vorbeugen. Bei den verschiedenen Ansätzen, eine systematische Einordnung in Kategorien zu finden, hat sich das von Hefermehl entwickelte Konzept bis heute weitgehendst durchgesetzt.76 Er teilt die Kategorien nach Art der Kampfmittel, der Richtung ihres Einsatzes und der durch sie betroffenen Interessen der Mitbewerber, Marktpartner und der Allgemeinheit ein, so daß letztend- 74 BGHZ 19, 299ff. (303) - „Kurverwaltung“; BGH NJW-RR 1986, 33f. „Landesinnungsmeister“. 75 von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Halbband, 1987, Kapitel 18, Rn. 36; vgl. auch Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 1998, § 5, Nr. 10. 76 Fezer, JZ 1998, 265ff. (266); Kehl, Wettbewerbsrecht, 1990, § 13, Rn. 21ff.; Reichold WRP 1997, 219ff. (221). 33 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung lich sich fünf Kategorien ergeben: Kundenfang, Behinderung, Ausbeutung, Rechtsbruch und Marktstörung.77 Die Kategorie „Kundenfang“ umfaßt Werbemethoden, bei denen der Kunde mit sachfremden Mitteln durch Beeinträchtigung der freien Entschließungsfähigkeit derart beeinflußt wird, daß er gerade durch diese Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit nicht aber geworben wird. Eine „Behinderung“ „gefangen“, 78 liegt im wettbewerbsrechtlichen Sinne vor, wenn ein Mitbewerber nicht sachlich mit der Güte seiner Ware oder Leistung zu überzeugen versucht, sondern mit Mitteln, die sich gegen einen anderen Mitbewerber persönlich oder gegen das Unternehmen richten, also einen feindseligen Einschlag haben, in seiner wettbewerblichen Betätigung zu hindern sucht.79 Unter die Kategorie der „Ausbeutung“ wird nicht schon die Benutzung fremder Arbeitsergebnisse subsumiert. Vielmehr kommt durch den verwendeten Begriff Ausbeutung statt Ausnutzung zum Ausdruck, daß ein weiterer Umstand erforderlich ist, um in diese Kategorie zu fallen. Ein wettbewerbsfremdes Verhalten liegt nicht schon vor, wenn der Wettbewerb mit fremden Leistungen und Arbeitsergebnissen geführt bzw. gefördert wird. Es kommt auf die Art und Weise an, wie sich die Ergeb77 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 160ff.; so auch Reese, Grenzüberschreitende Werbung in der Europäischen Gemeinschaft, 1994, S. 193ff.; Rittner, Wettbewerbsund Kartellrecht, 1999, § 2 A. III. 2., Rn. 43ff. ; Schünemann, Wettbewerbsrecht, 1989, 2.3.5.; Vogt, Lexikon des Wettbewerbsrechts, 1994, S. XII. 78 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 161, § 1, Rn. 4 - 207; vgl. auch BGH GRUR 1957, 491ff. - „Wellaform“. 79 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 162, § 1, Rn. 208 - 437; BGH GRUR 1960, 431ff. - „KfzNummernschild“. 34 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung nisse fremder Tätigkeit und fremder Aufwendungen angeeignet werden.80 Von der Kategorie „Rechtsbruch“ werden Verhaltensweisen erfaßt, die auf gesetzlichen, vertraglichen oder sonstigen Verletzungen beruhen und in den Anwendungsbereich des § 1 UWG fallen. Betroffen sind die Fälle der Mißachtung vertikaler Preis- oder Vertriebsbindungssysteme und sozialen Dumpings, worunter das durch Tarifbruch oder Verletzung sonstiger Arbeitsbedingungen ermöglichte Preisunterbieten zu verstehen ist oder die Verletzung schriften oder Grundsätze. wettbewerbsordnender Vor- 81 Unter die Bezeichnung der „Marktstörung“ lassen sich Wettbewerbsmethoden erfassen, die geeignet sind, gemeinschaftsschädigende Störungen des Wettbewerbs hervorzurufen durch Beeinträchtigung der Freiheit von Angebot und Nachfrage und damit den Allgemeininteressen zuwiderlaufen, weil ein Unternehmen nicht leistungsgerechte Mittel einsetzt.82 Unter diese fünf Kategorien wiederum werden eine Vielzahl von einzelnen Fallgruppen subsumiert, die jede für sich eigene Charakteristika bieten, die den Begriff „gute Sitten“ genauer eingrenzen. So wurden wegweisend Fallkonstellationen herausgearbeitet wie etwa die vergleichende Werbung, die irreführende Werbung, die täuschende Werbung, die anstößige Werbung, 80 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 163, § 1, Rn. 438 - 607. 81 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 164, § 1, Rn. 608 - 831. 82 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 165, § 1, Rn. 832 - 880; BGHZ 43, 278ff. - „Kleenex“; BGHZ 51, 236ff. (242) - „Stuttgarter Wochenblatt I“; BGHZ 81, 291ff. (295) - „Bäckerfachzeitschrift“; BGH GRUR 1971, 477ff. - „Stuttgarter 82, 375ff. (395f.) „BrillenWochenblatt II“; BGHZ Selbstabgabestellen“. 35 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung die geschmacklose Werbung, die gefühlsbetonte Werbung, die suggestive Werbung, die subliminale und die aleatorische Werbung. Es stellt sich die Frage, ob die diskriminierende Werbung unter eine dieser Fallgruppen fällt oder ob sie in diesem Zusammenhang als eigenständige Fallgruppe aufgeführt werden muß. 3. Diskriminierende Werbung als eigenständige wettbewerbsrechtliche Fallkonstellation Unter einer Diskriminierung im wettbewerbsrechtlichen Sinne ist die sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung von Personen im geschäftlichen Verkehr zu verstehen.83 Bislang wird die diskriminierende Werbung in die unterschiedlichen Fallgruppen der Sittenwidrigkeit eingegliedert. Die diskriminierende Werbung gehört jedoch keiner der oben aufgeführten, den fünf Kategorien zugeordneten Fallgruppen an. Die verschiedenen Fallgruppen sind jede für sich gesehen nicht geeignet bzw. ausreichend, den Tatbestand der Diskriminierung entsprechend auszufüllen. So finden sich im Schrifttum Ausdrücke wieder wie schockierende, geschmacklose und anstößige Werbung.84 Diese Fallgruppen sind zwar geeignet, teilweise den Umstand der Diskriminierung zu umschreiben, erfassen jedoch meist nicht den Kern der Diskriminierung. Demnach ist die diskriminierende Werbung keiner dieser bereits aufgeführten Fallgruppen vollständig zuzuordnen. Vielmehr handelt es sich um eine eigenständige Fallgruppe, bei der zwar einige 83 Baumbach/ Hefermehl, Kurzkommentar zum Wettbewerbsrecht, 1999, § 1 UWG, Rn. 301; Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff. (534f.); jeweils mit weiteren Nachweisen. 84 Fezer JZ 1998, 265ff. (266). 36 Kapitel 2 A. - Zum Begriff der Diskriminierung der Kriterien herangezogen werden, die zu den oben genannten Fallgruppen bereits aufgestellt wurden. Im Kern weist sie jedoch eine eigene wettbewerbsrechtliche Problemstellung auf.85 85 So auch Fezer JZ 1998, 265ff. (266); danach geht die wettbewerbsrechtliche Problemstellung dahin, unter welchen Voraussetzungen der Kommunikationsprozeß Werbung als diskriminierend zu beurteilen ist. 37 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder B. Diskriminierende Werbebilder In jüngster Zeit sind vermehrt Fälle der Diskriminierung in der Werbung aufgetreten. Die Problematik der diskriminierenden Werbung nahm insbesondere eine juristische Brisanz an durch die von dem mailändischen Photographen und Werbedesigner Oliviero Toscani für das italienische Modeunternehmen Benetton kreierten Werbekampagnen, mit denen weltweit enormes Aufsehen erregt wurde. I. Benetton´s Werbebilder Die Firma Benetton vertreibt Textilien. Sie ist mit einer Reihe von Photos, die sich auf das Elend und Leid der Welt beziehen, an die Öffentlichkeit getreten. Damit hat der Modehersteller erstmals die schöne Konsum- und Werbewelt verlassen und Probleme einer häßlichen Lebensrealität thematisiert, wie Armut, Krieg, Gewalt, Umweltzerstörung und Rassendiskriminierung. Die Werbekampagne begann im Herbst 1989 mit der Abbildung einer Farbigen, die ein weißes Baby stillt.86 Es wurden zwei Kleinkinder auf Nachttöpfen sitzend gezeigt, ein weißes und ein farbiges, die miteinander spielen.87 Im Herbst 1991 wurde eine Photographie gezeigt, bei der ein Priester eine Nonne küßt;88 es folgte die Abbildung Neugeborenen; 89 eines noch blutverschmierten ein Photo eines als Engelchen aufge- machten weißen und eines als Teufelchen aufgemachten schwarzen Kindes.90 86 87 88 89 90 Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung der der der der der Werbung Werbung Werbung Werbung Werbung beigefügt beigefügt beigefügt beigefügt beigefügt als als als als als Anlage Anlage Anlage Anlage Anlage 3. 4. 5. 6. 7. 38 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder Gegenstand dieser Werbekampagne war des weiteren die farbphotographische Abbildung einer ölverschmutzten Ente, die auf einem Ölteppich schwimmt;91 schwer arbeitende Kleinkinder der Dritten Welt beim Hausbau;92 ein nacktes menschliches Körperteil (Oberarm, Gesäß oder Schamgegend) mit dem Stempelaufdruck „H.I.V.Positive“;93 ein elektrischer Stuhl;94 die Rückenansicht eines Farbigen in Uniform abgebildet, der ein Maschinengewehr menschlichen auf dem Rücken Oberschenkelknochen trägt in und den einen Händen hält;95 ein an Aids Sterbender in den Armen seines Vaters umgeben von seiner Familie;96 ein überfülltes Flüchtlingsschiff, von dem verzweifelte Menschen ins Meer springen;97 ein mit Menschen gefüllter Trans- portcontainer, auf den ein Kleinkind gezerrt wird und neben dem sich zwei bewaffnete Soldaten befinden;98 ein Soldatenfriedhof, die Abbildung wurde zur Zeit des Golfkrieges publiziert;99 ein Mann, der von zwei anderen mit Gewalt am Boden festgehalten wird, während ein danebenkniender Reporter Scheinwerfer und Mikrophon auf den Festgehaltenen richtet.100 Es handelt sich bei den genannten Veröffentlichungen nicht um eine abschließende Aufzählung.101 Die Firma Benetton hat jeweils auf den Abbildungen, die zum Teil in Illustrierten und zum Teil auf Plakatwänden abgedruckt waren, auf dem Rand des Bildes 91 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 8. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 9. 93 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 10. 94 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 11. 95 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 12. 96 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 13. 97 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 14. 98 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 15. 99 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 16. 100 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 17. 101 Siehe hierzu weitere Werbebilder der Firma Benetton, die nicht als Anlage beigefügt sind im Internet unter http://www.benetton.com. 92 39 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder den sie benennenden Hinweis „United Colors of Benetton“ angebracht. Die aufgeführten Werbebilder der Firma Benetton wurden größtenteils von verschiedenen Gerichten unter den „alle Fallgruppen implizierenden“ Oberbegriff der Sittenwidrigkeit subsumiert und deshalb als wettbewerbswidrig untersagt. Diese Werbebilder sollen jedoch erst an späterer Stelle detailliert unter juristischen Gesichtspunkten beurteilt werden.102 Die nachfolgenden Beispiele anderer werbender Unternehmen sollen zeigen, welch große Bandbreite der Begriff Diskriminierung haben kann. II. Frauenfeindliche Werbebilder Ein Vertrieb von Miniaturlikörfläschchen zu 0,02 l gefüllt mit Brombeer- und Schlehenlikör bildete auf den 4 x 5 cm großen Etikettierungen zum einen eine comic-artig gezeichnete üppige Frau und einen dahinter stehenden Mann ab, der die Brüste der Frau berührt. Die Etikettierung trug die Überschrift „Busengrapscher“.103 Zum anderen wurde eine ebenfalls comicartige nackte Frau abgebildet, die sich gerade den Schlüpfer über die Beine zieht mit der Überschrift „Schlüpferstürmer“.104 Erst der BGH bezeichnete diese Werbung als eine diskriminierende und die Menschenwürde verletzende Werbung, da die Bezeichnungen „Busengrapscher“ und „Schlüpferstürmer“ mit sexuell anzüglichen Bilddarstellungen von Frauen verbunden sind und somit der Eindruck der sexuellen Verfügbarkeit 102 103 104 Siehe unter Kapitel 4. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 18. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 19. 40 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder der Frau als mögliche Folge des angepriesenen alkoholischen Getränks vermittelt wird.105 Der Fernsehsender Tele 5 warb für die Fernsehsendung „Polizeireport Deutschland“. Dabei wurde ein mit Hemd und Krawatte in einem Bürostuhl sitzender Mann gezeigt, dem eine mit Unterwäsche und Strapsen bekleidete Frau, deren Körper lediglich abgebildet wurde, gegenübersteht. Der Mann gibt in einer Sprechblase von sich „Baby, du kannst einpacken. Ich muß um Punkt 19.00 Uhr zu Hause sein. Deutschland.“106 Bei einer Da läuft Beschwerde Polizeireport gegenüber dem Deutschen Werberat wurde die Auffassung vertreten, die Werbung sei diskriminierend in bezug auf Frauen, da mit der Abbildung einer kopflosen Frau mit schönem Körper und einer Korsage bekleidet zusammen mit einem vollständig bekleideten Mann die Frau zu einem reinen Sexualobjekt reduziert werde. Daraufhin wurde diese Werbekampagne nicht mehr geschaltet. Die staatseigene Schweizer Post setzte auf die Werbewirkung von „Hawaii-Girls“, indem sie einen Postmann abbildete, der unter dem Arm ein strahlendes HawaiiGirl trägt mit der Unterschrift „Die Post bringt Ferienkataloge“.107 Im Schweizer Parlament forderten drei Volksvertreterinnen den Minister auf, die Plakatserie sofort zu stoppen. Zunächst verharmloste die Post die Werbung, erst als das pauschale Urteil fiel, für viele Schweizer bedeute Urlaub ein Abenteuer mit einer Frau, wurde diese Werbekampagne eingestellt. Die Schraubenmuttern herstellende Firma FRESA präsentierte in ihrem Prospekt die Abbildung einer üppigen 105 BGHZ 130, 5ff. - „Busengrapscher“, Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 18. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 20. 107 Siehe in der Zeitschrift Emma, Ausgabe September/ Oktober 1993, S. 10, Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 21. 106 41 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder barbusigen Frau, die hinter einer überdimensional großen Schraubenmutter sitzt, lediglich mit Schuhen bekleidet, Männern statt untermauert Spaß ´eines macht mit ... Covergirls den Worten deshalb ´ne an „Alles, dieser besonders was Stelle: dufte Mut- ter“.108 Der Deutsche Werberat beurteilte die Abbildung in dem Prospekt als diskriminierend und herabwürdigend in bezug auf Frauen, denn es bestehe keinerlei Zusammenhang zwischen der Abbildung einer nackten Frau und den beworbenen Produkten des Unternehmens. Darüber hinaus würden mit der Bildunter- schrift Frauen mit den beworbenen Schraubenmuttern gleichgesetzt. Erst nach dieser Beurteilung wurde die Werbung künftig nicht mehr geschaltet. Die Firma Arcer gestaltete seine Werbung derart, daß die Zeichnung einer fettleibigen nackten Frau auf einer Couch posierend abgebildet wurde mit der Überschrift „Mißwahl“. Die Werbung wurde mit dem Text „Bekannte Computermarken locken. Aber die nackten Tatsachen sehen oft ganz anders aus! Auch wir stellen uns zur Wahl...“ versehen.109 Eine bei dem Deutschen Werberat eingereichte Beschwerde wurde damit begründet, die Werbung sei wegen der „nackten Tatsachen“ beleidigend für Frauen. Auf ein Anschreiben zur Rückäußerung gab sich die Firma Arcer kooperativ und schaltete die Werbung nicht mehr. Die Radio- und Television Gesellschaft rtv schaltete eine Werbung für ein Seminar für Art-Direktoren und Texter in New York, indem sie in einer Zeitschrift eine mit Unterwäsche aus Lack und Leder bekleidete Frau von hinten abbildete, die eine Peitsche in der Hand hält mit den Worten „Alle reden vom Wetter, wir 108 109 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 22. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 23. 42 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder nicht.“ Kleingedruckt wurde dem hinzugefügt „Wir kommen gleich zur Sache: Wir wollen, daß sie sich outen! ...“.110 Ein Beschwerdeführer beanstandete, sowohl die textlichen als auch die bildlichen Hinweise auf SadoMasochismus seien nicht der geeignete Weg, auf die „Nr. 1 in Reichweite und Auflage“ aufmerksam zu machen, zumal diese Werbung alle Art-Direktoren und Texter anspreche und ihnen so ein „beschämend degeneriertes Niveau“ unterstelle. Die Werbung wurde daraufhin nicht mehr geschaltet. Die Agentur Trend warb mit einer Plakatwerbung für Diskotheken. Es handelt sich um die Abbildung eines römischen Kriegers, dem drei Frauen, die leichte römische Gewänder und Ketten um den Hals tragen, zu Füßen liegen, während er die Ketten in der einen Hand und eine Peitsche in der anderen Hand hält und diese „in Schach hält“. Beschriftet wurde die Werbung mit den Worten „Antiker römischer Sklavenmarkt, ersteigern Sie sich Ihre „Sklavin“, ab sofort gibt´s hier Sklaven-Taler“.111 Gegen diese Werbung richtete sich die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, da diese herabwürdigend und diskriminierend in bezug auf Frauen sei, die Frauen würden zur bloßen käuflichen Handelsware degradiert. Die Agentur zeigte sich kooperativ und schaltete die Werbung nicht mehr. Ein Augenoptiker in Köln gestaltete sein Schaufenster mit dem unteren Teil von weiblichen Schaufensterpuppen (von der Hüfte abwärts) mit einer schwarzen, durchsichtigen Strumpfhose bekleidet, indem er diese mit den Füßen nach oben an Seilen aufhing und auf die Füße 110 111 der Schaufensterpuppen seine Brillen plazier- Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 24. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 25. 43 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder te.112 Diese Werbemaßnahmen wurde den Mitgliedern des Deutschen Werberates zur Beurteilung vorgelegt. Der Deutsche Werberat ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Schaufensterwerbung zu beanstanden ist, da sie herabwürdigend und diskriminierend in bezug auf Frauen sei. Eine derartige Werbung sei nicht nur aus der Sicht der Umworbenen, sondern auch aus der Sicht der Werbewirtschaft zu mißbilligen. Erst nach der Androhung einer öffentlichen Rüge wurde diese Werbemaßnahme eingestellt. Die Tourismus-Zentrale in Hamburg stellte bei einer Anzeigenwerbung eine mit Spitzenunterwäsche bekleidete Frau dar, die in den Händen eine überdimensional große Hamburg-Card hält, versehen mit den Worten „Wir sollten uns kennenlernen, bevor Ihr Besuch kommt!“.113 Eine Fraktion der Hamburger Bürgerschaft legte daraufhin Beschwerde bei dem Deutschen Werberat ein, der damit begründet wurde, der Text in Verbindung mit der Abbildung einer Frau im BH sei frauenfeindlich und sexistisch. Die Tourismus-Zentrale zog ihre Werbekampagne in der Form zurück. Die Westdeutsche Zeitung bildete einen in ein Flugzeug einsteigenden 61jährigen ab, der sich in Begleitung einer gutaussehenden 18jährigen befindet mit den Maßen 90 - 60 - 90. Folgende Worte beschreiben den Artikel: „Personalchef (61) erfüllt sich Jugendtraum (18). Wolfgang H. hält nicht viel von Stellungswechseln. Für Wolfgang H. ging die Rechnung auf. Und für Sie? Anruf genügt: Telefonnummer.“114 Auch diese Werbung wurde von einer Beschwerdeführerin als sexi- stisch bezeichnet und von dem Werbenden zurückgenommen. 112 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 26. 44 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder Die Privatbrauerei Franz Joseph Sailer warb mit einem Gutschein für einen verbilligten Kasten Bier mit der Abbildung einer mit einem Bustier und einer Jeans bekleideten Frau, die je eine Flasche Bier an ihre Brüste legt und der Aufschrift „Oh Mann, sind die cool!“115 Sowohl die Frauenbeauftragte der Stadt Nürnberg als auch die Gleichstellungsstelle für Frauenfragen der Stadt Erlangen vertraten die Auffassung, die Prospektwerbung sei herabwürdigend und diskriminierend in bezug auf Frauen. Die Werbung wurde nach einem Anschreiben an das Unternehmen nicht mehr geschaltet. In Konstanz warb die Firma Schwarz für Werbeflächen auf Litfaßsäulen mit der Abbildung eines üppigen Frauenbusens umhüllt von einem Bustiers mit den Worten „Einfach riesig - Unsere Großflächen“.116 Diese Werbemaßnahme wurde von 13 Frauengruppen als frauenfeindlich und sexistisch bezeichnet. Der Deutsche Werberat entlastete die Firma, das Plakat sei nicht zu beanstanden. Das Plakat sei nicht geeignet, um das Bild der Frauen in herabwürdigender Weise darzustellen. Das Textilhandelsunternehmen Shirt Shock schaltete eine Werbung, die eine comic-artig gezeichnete Frau in der Hocke mit gespreizten Beinen zeigt, ihrem Schambereich ist das Gesicht der bekannten Märchenfigur Pinocchio zugewandt mit dem darüber stehenden Text „... und jetzt lüg, Pinocchio, lüg“.117 Dieses Inserat wurde von dem Deutschen Werberat als in provokativer Weise die Würde der Frau verletzend gerügt, 113 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 27. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 28. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 29. 116 Abbildung im Südkurier vom Samstag, den 23.01.1999, S. 21, beigefügt als Anlage 30. 117 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 31. 114 115 45 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder sie sei frauendiskriminierend und extrem geschmacklos. Nachdem das Textilunternehmen nicht gewillt war, die Werbung zurückzunehmen, mit der Begründung, sie verkaufe auch T-Shirts mit dieser abgedruckten Werbung, sprach der Deutsche Werberat im Jahre 1996 eine öffentliche Rüge aus. Anzeigen würden in Massenmedien vertrieben, während der Kauf eines T-Shirts eine individuelle Entscheidung sei. Aus diesem Grunde gelten für die Werbung strengere Grundsätze als für den Verkauf und die damit verbundene private Kaufentscheidung, so der Deutsche Werberat. Ebenso verhielt es sich mit der Werbemaßnahme des Benedikt Taschen Verlags in Köln. Der Buchproduzent hatte auf der Umschlag-Rückseite einer BuchhändlerZeitschrift mit einer Vierfarbenanzeige geworben. Das Bild ist ausgefüllt mit einer Frau, die mit gespreizten Beinen in der Hocke sitzt. Ihr Oberkörper ist nackt und der Schambereich nur notdürftig verdeckt.118 Der Werberat wertete diese Verlagspropaganda als besonders krassen Fall geschmackloser und abstoßender Art der Diskriminierung von Frauen zu betriebswirtschaftlichen Zwecken. Gegen diese Werbung wurde eine öffentliche Rüge ausgesprochen. Die in Mainz ansässige Prisma GmbH hatte in ihrer Werbung eine im Hintergrund liegende nackte Frau gezeigt, deren Unterleib von einer geschälten Banane verdeckt ist. Darüber ist zu lesen: „Analog & Digital“.119 Hier wurde von dem Deutschen Werberat beanstandet, daß die menschliche Sexualität in grober Weise für die Bewerbung von Dienstleistungen ausgebeutet wird und sprach aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft eine öffentliche Rüge aus. 118 119 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 32. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 33. 46 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder Eine Werbung von Otto Kern - Jeans, bei der das Abendmahl von Leonardo da Vinci nachgeahmt wurde, indem lediglich mit einer Jeans bekleidete Frauen als Jünger abgebildet sind und in der Mitte ein lediglich mit einer Jeans bekleideter Mann, der als Jesus fungiert. Die Abbildung wurde versehen mit den Worten „Wir wünschen mit Jesus, daß die Männer die Frauen respektieren lernen.“120 Es gingen mehrfache Beschwerden bei dem Deutschen Werberat ein, da durch die Darstellung der Abendmahlszene mit barbusigen Frauen unabhängig vom Anzeigentext - sowohl Frauen herabgewürdigt als auch religiöse Gefühle verletzt werden. Der Deutsche Werberat kam bei dieser Werbung zu dem Ergebnis, daß diese zu beanstanden sei, die Darstellung der Abendmahlszene mit der erklärten religiösen Bezugnahme ist zu Zwecken der Werbung für Jeans zu mißbilligen, weil dadurch Christen in ihren religiösen Gefühlen verletzt werden. Derartige Zwecke könnten keine Rechtfertigung dafür sein, bei Maßnahmen der Wirtschaftswerbung die Verletzung religiöser Gefühle in Kauf zu nehmen. Der Modemacher Otto Kern zeigte sich uneinsichtig und vertrat die Auffassung, das Motiv sei keinesfalls obszön. Da er nicht bereit war, auf seine Werbung zu verzichten, wurde von dem Deutschen Werberat eine öffentliche Rüge ausgesprochen und ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor dem Landgericht München I eingeleitet. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht lenkte das Unternehmen Otto Kern ein und zog die Werbemaßnahme zurück. 120 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 34. 47 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder III. Blasphemische Werbebilder Die Firma Fuji warb mit Disketten, indem sie den Papst mit einem Koffer in den Händen haltend abbildete und sinngemäß aussagte, mit dieser Diskette können sie unproblematisch um die ganze Welt reisen. „Ein Segen für alle, die z.B. für ihren Chef um die ganze Welt eilen...“121 Es wurde von einem Beschwerdeführer geltend gemacht, die Werbung würde die Gefühle einer Vielzahl religiös denkender Menschen verletzen, denn es bestehe keinerlei Zusammenhang zwischen der Abbildung eines Papst-Doubles und den beworbenen Produkten. Darüber hinaus sei es blasphemisch, wenn mit der Abbildung eines Papst-Imitators im Zusammenhang mit dem Satz „Ein Segen für alle, die z.B. für ihren Chef um die ganze Welt eilen ...“ geworben werde. Die Werbung wurde umgehend nicht mehr geschaltet. Die Werbemaßnahme des Jeanshersteller Levi´s beinhaltete eine Abbildung des Papstes, der auf dem Boden kniend den Boden küßt mit folgenden Worten: „Do it with a 517. The 501 that comes with more legroom.“122 Diese Werbung wurde ebenfalls aus religiösen Gründen beanstandet und als geschmacklos betitelt und deshalb nicht mehr geschaltet. Die London STYLE shoes´n´clothing warb mit der Abbildung von Schlangenlederstiefel auf einer Toilettenschüssel plaziert, die mit den Bibelworten versehen war „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“.123 Eine bei dem Deutschen Werberat einge- reichte Beschwerde wurde damit begründet, die Verknüpfung des Bibelwortes „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“ mit der Darstellung einer 121 122 123 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 35. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 36. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 37. 48 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder Toilettenschlüssel, auf der Stiefel stehen, verletze religiöse Gefühle. Bei einer Überprüfung beanstandete auch der Deutsche Werberat selbst diese Werbung und sprach aufgrund der Uneinsichtigkeit des Unternehmens eine öffentliche Rüge aus. Die Firma Reemtsma schaltete für ihre Zigarettenmarke West eine Kinowerbung, bei der rauchende buddhistische Mönche dargestellt wurden. Diese Werbung wurde aus religiöser Sicht beanstandet, da buddhistische Mönche Nichtraucher seien. Die Kinowerbung wurde eingestellt. Die Firma Media-Markt schaltete eine Werbung, in der das Gesicht eines Mannes, der den Zeigefinger erhebt, abgebildet war und in einer Sprechblase von sich gibt „Morgen ist der Tag der Gerechtigkeit. Achtet auf mein Zeichen!“ Darunter ist das Firmenzeichen abgebildet mit den Worten: Wir geben viel und nehmen wenig. Diese Werbung wurde verschiedentlich mit anderen Sprechblasen geschaltet wie „Und wer mir folgt soll ab 1. Juli belohnt werden mit großer Auswahl und niedrigen Preisen“; „Und achtet am 1. Juli auf die Zeichen, die ich Euch an dieser Stelle geben werde“; „Kommet in Scharen! Der Media Markt wird genug haben für alle.“; „Ihr sollt keine anderen Anzeigen lesen neben dieser hier!“.124 Die Aussagen in den Sprechblasen wurden als blasphemisch angesehen und verletze die religiösen Gefühle eines Teiles der Bevölkerung. Die Anzeigenkampagne wurde daraufhin nicht mehr geschaltet. Der Sibylle-Verlag warb für ein Probe-Abo, indem er einen jungen Mann mit einem Tuch um die Hüften geschwungen gekreuzigt abbildete mit den Worten „Nicht 124 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 38. 49 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder alles, was wir zeigen, ist schön und bequem.“ Kleingedruckt wird dem hinzugefügt: Natürlich berichten wir in der neuen Sibylle auch über Schönheit und Mode. Aber nicht nur! ...125 Auch der Deutsche Werberat vertrat bei dieser Werbung die Auffassung, die Anzeige sei geeignet, die religiösen Empfindungen von Christen zu verletzen, für die der Opfertod Jesu von zentraler Bedeutung für ihren Glauben und ihr Leben ist und beanstandete die Werbung. Der Verlag zeigte sich kooperativ und schaltete die Werbung nicht mehr. Unitra-Reisen warb mit verschiedentlichen Angeboten für Flugreisen mit den Worten „Aufsteigen, wenn Maria niederkommt.“126 Der Beschwerdeführer beanstandete die Werbung als geschmacklos und gedankenlos und machte geltend, es verletze die religiösen Gefühle gläubiger Menschen. Das Unternehmen zog seine Anzeige zurück. IV. Ausländer- und rassenfeindliche Werbebilder Die Unternehmensgruppe Tengelmann warb für ihre Filialen mit den Worten „Ausländer herzlich willkommen. Wir akzeptieren selbstverständlich die Wertgutscheine der Sozialbehörde als Zahlungsmittel“.127 Eine bei dem Deutschen Werberat eingereichte Beschwerde wurde damit begründet, daß die Äußerung in dieser Werbung geeignet sei, ausländische Mitbürger zu diskriminieren. Denn mit dieser Werbung werde zum Ausdruck gebracht, daß alle Ausländer Sozialhilfeempfänger seien und es etwas besonderes sei, ausländische Mitbürger willkommen zu heißen. Die Werbung wurde daraufhin nicht mehr publiziert. 125 126 127 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 39. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 40. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 41. 50 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder Die Aktiengesellschaft Sixt warb mit der Abbildung eines neuen Mercedes-Modells versehen mit einem Satz in osteuropäischer Sprache, welcher kleingedruckt in deutsch übersetzt wurde mit den Worten „Bei unseren Mietpreisen lohnt sich das Klauen nicht.“128 Bei dieser Werbung wurde durch einen Beschwerdeführer beanstandet, daß diese Werbung Vorurteile gegen Menschen aus Osteuropa fördere. Die Beanstandung wurde von Sixt beherzigt. Die Wochenzeitschrift „Stern“ ließ kurz vor der 19Uhr-“heute“-Sendung im ZDF eine Werbung ausstrahlen, bei der ein Standbild des „Stern“-Logo gezeigt wurde mit folgendem Bildtext: „Für Sarah; der Stern.“ Dazu wurde dieser Text verbal von einer süßlichen Frauenstimme wiedergegeben. Auch wurde dieses „Stern“-Logo in Zeitschriften veröffentlicht, bei dem 50 Namen verkaufsfördernd über dem “Stern“-Logo plaziert wurden.129 Ein Landtagsabgeordneter beanstandete diese Werbemaßnahme nicht nur als Geschmacklosigkeit, er ging soweit, die Werbemaßnahme als „Infamie, die alle Äußerungen über die ‘Ausschwitz-Lüge’ unendlich übersteige“ zu betiteln. Der Deutsche Werberat hingegen gab zu Bedenken, daß der in der Werbekampagne für diese Zeitschrift eine große Zahl der in Deutschland gebräuchlichen Namen verwendet werden, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft; dazu zähle auch der verbreitete Mädchenname „Sarah“: Auch wenn die Verbindung des Namens „Sarah“ mit dem Wort „Stern“ bei der einer Person Betroffenheit auslöse, die mit der NSVergangenheit vertraut sei, hätte es für eine im politischen Leben tätige Person wie dem Beschwerdeführer naheliegen müssen, da der von ihm hergestellte 128 129 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 42. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 43. 51 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder Zusammenhang den meisten der heute in Deutschland lebenden Personen nicht (mehr) bekannt ist. Es wäre daher ausreichend gewesen, den Werbenden in angemessener Form auf diese Betroffenheit hinzuweisen. Dem Verlag könne nicht der Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus oder des Antisemitismus gemacht werden. Abgesehen davon sei es nicht nur überzogen, sondern unhaltbar und nicht zu rechtfertigen, einem zweifellos seriösen Werbenden und damit auch den die Werbung schaltenden Medien „eine Infamie vorzuwerfen, die alle Äußerungen über die ‘Ausschwitz-Lüge’ unendlich übersteigt“. Da die Zeitschrift Stern den Fernsehspot und die Plakatierung nicht mehr weiter verfolgen wollte, wurde vom Deutschen Werberat die Sache als erledigt erachtet. V. Behindertenfeindliche Werbebilder Der Radiosender Radio NRW bildete in seiner Kampagne einen mit einer Krone versehenen Papagei ab, der die Worte „Lieber ein Vogel in der Anzeige als ein Tauber vor dem Radio“ von sich gibt.130 Ein Beschwerdeführer machte geltend, diese Werbung diskriminiere gehörlose Menschen. Daraufhin wurde diese Werbekampagne zurückgezogen. Die Versicherungsgesellschaft VHV bildete eine Schachtel mit mehreren Glasaugen ab, mit den Worten: „Zu Beitragsrechnungen, die schwummerig machen, fragen sie ihren Arzt ... oder die VHV. Glasauge sei wachsam...“131 Die Werbung wurde als geschmacklos gewertet. Es sei zu mißbilligen, wenn in der Werbung für 130 131 eine Krankenversicherung Glasaugen abgebildet Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 44. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 45. 52 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder seien. Darüber hinaus sei es nicht hinzunehmen, wenn in einer Wirtschaftswerbung mit dem Satz „Glasauge sei wachsam...“ sehbehinderte Menschen verspottet würden. Nach dieser Beanstandung wurde die Werbung nicht mehr geschaltet. Die Westdeutsche Zeitung plus veröffentlichte in einer Werbekampagne eine Abbildung eines am Straßenrand sitzenden Blinden, der seinen Hut bettelnd hinhält und ein Schäferhund neben ihm sitzend, mit den Worten „Marketing-Experte (42) nahm seinen Hut.“ Sinngemäß wies die Zeitung darauf hin, mit ihr sei es die andere Art, Gewinne zu machen.132 Hierbei wurde die Verharmlosung des Schicksals behinderter und obdachloser Menschen kritisiert und die Werbung aus diesem Grunde mißbilligt. Das Unternehmen zeigte sich einsichtig und zog diese Art von Werbung zurück. VI. Sonstige Werbebilder Ein Jeansgeschäft aus Angelbach warb für ihre Jeans mit den Worten „ Wir sind L.E.V. i´s Positiv“.133 Die eingereichte Beschwerde wurde damit begründet, daß diese Werbung geeignet sei, das Leiden H.I.V.- positiver Menschen zur Erregung von Aufmerksamkeit zu benutzen. Die Werbung wurde aufgrund der Beanstandung nicht mehr geschaltet. Pré Na Tal warb mit der Abbildung eines in einem Einkaufsnetz befindlichen Kleinkindes für ihre Produkte.134 Die Beschwerdeführer waren hierbei der Auffassung, die Abbildung eines Kindes im Einkaufsnetz suggeriere, daß man ein Kind kaufen könne, bei Nichtgefallen zurückgeben oder nach einiger Zeit - wie ver132 133 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 46. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 47. 53 Kapitel 2 B. - Diskriminierende Werbebilder welktes Gemüse - wegwerfen könne. Auch in diesem Fall zeigte sich das Unternehmen kooperativ und reagierte entsprechend auf die Beanstandung. 134 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 48. 54 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Kapitel 3: Gegenwärtige Verfassungsrechtslage A. Konkretisierung des Begriffs der Sittenwidrigkeit über die Wertung des Grundgesetzes Für die Beurteilung sittenwidriger Werbebilder muß nach der jüngeren Rechtsprechung auf die Werteordnung des Verfassungsrechts als Leitlinie abgestellt werden.135 Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß die Grundrechte Wirkung auch in den Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten entfalten können und somit auf die soziale Marktwirtschaft und die Wettbewerbsordnung Einfluß haben.136 Das BVerfG erkennt den Grundrechten zwar in erster Linie die Bedeutung zu, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern, und wertet sie vor allem als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.137 Ebenso mißt es der sich in den Grundrechtsbestimmungen verkörpernden objektiven Werteordnung Bedeutung zu, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt.138 Das Grundgesetz stellt keine wertneutrale Ordnung dar.139 Dies soll 135 BGHZ 130, 5ff. - „Busengrapscher“; BGHZ 130, 196ff. - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2492f. - „H.I.V.-Positive“; BGH NJW 1995, 2490ff. - „Kinderarbeit“. 136 Von Gamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 1993, Einf. A, Rn. 3; von Mangoldt/ Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 1999, Art. 1 Abs. 3, Rn. 198; Maunz/ Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 1998, § 19 I. 1., S. 141; Sevecke AfP 1994, 196ff. (198f.); ders., Wettbewerbsrecht und Kommunikationsgrundrechte - Zur rechtlichen Bewertung gesellschaftskritischer Aufmerksamkeitswerbung in der Presse und auf Plakaten am Beispiel der Benetton-Kampagne, 1997; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 I 1., S. 1511ff. 137 BVerfGE 7, 198ff. (205f.) - „Lüth“. 138 BVerfGE 7, 198ff. (204) - „Lüth“. 139 BGHZ 13, 334ff. (338) - „Veröffentlichung von Briefen“; BGHZ 20, 345ff. (351f.) - „Motorroller“; BGHZ 24, 72ff. (76ff.) - „Ärztliches Gesundheitszeugnis“; BGHZ 70, 313ff. (324) - „Ehegattenstiftung“; BGH NJW 1972, 1414f. (1415); BVerfGE 7, 198ff. (204f.) - „Lüth“; BVerfGE 73, 261ff. - „Bergwerksgesellschaft“; Benda/ Maihofer/ Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der BRD, 1994, § 5, Rn. 21f.; Bleckmann, Staatsrecht II, Die Grundrechte, 1997, § 10, Rn. 104, 124; § 11, Rn. 55 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte gerade durch eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck gebracht werden.140 Durch den Einfluß der verfassungsrechtlichen Wertungen finden die Grundrechte als Eckpfeiler der objektiven Werteordnung Eingang in das Privat- und Wirtschaftsrecht.141 Dabei kommt den Grundrechten eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.142 Denn letztlich geht es bei diesem zivilrechtlichen Problem im Kern um eine verfassungsrechtliche Frage. Deshalb muß eine sinnvolle Einordnung der wirtschaftswerbenden Tätigkeit in das Grundrechtssystem des Grundgesetzes gefunden werden.143 Es geht um die Erweiterung der Grundrechtswirkung vom vertikalen Verhältnis zwischen Bürger und Staat auf die horizontale Beziehung zwischen Bürger untereinander. Für diese Arbeit ist das Zusammenwirken von Privatrecht und Verfassungsrecht von Bedeutung, um den Einfluß der einzelnen Grundrechte auf das Wettbewerbsrecht und damit auf die werbenden Unternehmen ermessen zu können. I. Das Zusammenwirken von Privatrecht und Verfas- sungsrecht Der Einfluß der verfassungsrechtlichen Wertungen entfaltet auf das Wettbewerbsrecht eine gravierende Wirkung. Dies spiegelt sich insbesondere bei der Auslegung des Begriffs der Sittenwidrigkeit wieder, die 145ff.; von Mangold/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band 1, 1966, Vorb. A II 4., S. 61ff.; Maunz/ Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 1998, § 19 I. 2., S. 143; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 I. 1., S. 1512. 140 BVerfGE 7, 198ff. (198, 205) - „Lüth“; von Mangoldt/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, 1966, Vorb. B III 4., S. 93. 141 Wehlau DZWir 1996, 142ff. (144). 142 Wehlau DZWir 1996, 142ff. (146). 143 Vgl. hierzu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 I., S. 1509ff. 56 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte durch die verfassungsrechtlich gebotene Interessenund Güterabwägung wesentlich mitbestimmt wird. Es fragt sich, wie es zu einem verfassungsrechtlichen Einfluß auf privatrechtliche Vorschriften kommen kann. Deshalb muß zunächst das Verhältnis von Verfassungsrecht zum Privatrecht erörtert werden.144 Es ist unproblematisch, daß die Grundrechte primär eine Bindungswirkung gegenüber der hoheitlichen Tätigkeit des Staates entwickeln. Dies ergibt sich schon aus Art. 1 Abs. 3 GG, der als Grundrechtsverpflichteten die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung nennt. Es stellt sich die Frage, inwieweit eine Erweiterung der Grundrechtswirkung vom vertikalen Verhältnis zwischen Bürger und Staat auf eine horizontale Beziehung zwischen den Bürgern untereinander hergeleitet werden kann.145 Das BVerfG geht von einer Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf die Privatrechtsbeziehungen aus, die sich folglich auch auf die wettbewerbsrechtliche Generalklausel auswirkt.146 Inwieweit die Verfassungsrechtsnormen, die Grundrechte enthalten, auf Privatrechtsbeziehungen anwendbar sind und nach Bestand und Umfang auf Privatrechtspositionen einwirken, ist im einzelnen umstritten.147 Die Ursache für den Streit liegt gerade in der grundsätzlich staatsgerichteten Geltung der Grundrechte, die zum einen aus dem Verfassungstext selbst und zum anderen aus der historischen Entwicklung des Grundgesetzes resultiert.148 144 Fezer JZ 1998, 265ff. (267); Wehlau DZWir 1996, 142ff. (144). Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 I Nr.1, S. 1512. 146 Wehlau DZWir 1996, 142ff. (144). 147 Vgl. hierzu auch BVerfGE 7, 198ff. (205) - „Lüth“. 148 Vgl. hierzu von Mangoldt/ Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 1999, Art. 1 Abs. 3, Rn. 195ff. 145 57 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte In schon jahrzehntelang andauernden Theorienstreitigkeiten wurde die Wirkung des Verfassungsrechts auf das Privatrecht problematisiert.149 Da die Werbung selbst im Grundgesetz keine ausdrückliche Geltung erfährt und der Verfassung auch kein indirekter Geltungsbereich entnommen werden kann, müssen verfassungsrechtlich verankerte Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht übertragen werden.150 Demnach kommt es auf die Geltung der Grundrechte hinsichtlich der Rechtsbeziehungen Privater untereinander an, so daß es um die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte geht. Um Klarheit über den tatsächlichen Einfluß der Grundrechte auf das Wettbewerbsrecht zu gewinnen, wurden verschiedene Grundrechtstheorien entwickelt, auf die einzugehen ist. Die Streitigkeiten gehen im Kern um die Frage, ob sich der Einfluß der Grundrechte auf die zivilrechtlichen Vorschriften entweder über die Rechtsfigur der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte (auch die sogenannte horizontale Geltung der Grundrechte genannt) oder die der unmittelbaren Drittwirkung manifestiert.151 149 Vgl. vor allem Canaris AcP 184 (1984), 201ff.; ders. AcP 185 (1985), 9ff.; Dürig in FS Nawiasky, 1956, S. 157ff.; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit, Band 1, 1982, S. 37ff.; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, S. 305ff.; Nipperdey, Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, 1954, Band II, S. 111ff. (143) mit weiteren Nachweisen in Fn. 109; Saladin, Grundrechte im Wandel, 1975, S. 307ff.; Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1977, S. 10ff.; ders. AcP 185 (1985), 1ff.; Vogt, Die Drittwirkung der Grundrechte und Grundrechtsbestimmungen des Bonner Grundgesetzes, Diss., 1960, S. 1ff. 150 Vgl. auch Oppermann in FS für Wacke, 1972, S. 393ff. (394). 151 Canaris AcP 184 (1984), 201ff. (202); Fezer JZ 1998, 265ff. (267); Oppermann in FS für Wacke, 1972, S. 393ff. (394); Sevecke AfP 1994, 193ff. (198). 58 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte II. Exkurs 1. Unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten Nach der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung besteht eine direkte Grundrechtsbindung aller staatlichen Rechtsmacht unter Einschluß der Privatrechtsnormen.152 Als Adressat der Grundrechte werden nicht nur der Staat, sondern auch die Privatrechtssubjekte angesehen, so daß die Grundrechte in Form von Eingriffsverboten bzw. von Abwehrrechten angewendet werden. Zwar sind sie historisch gesehen als subjektive Abwehrrechte gegenüber dem Staat zu werten und können in dieser Funktion nicht im Privatrechtsverkehr angewendet werden.153 Die Anwendung der Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr wird zum Teil dennoch befürwortet, da es der den Grundrechtsnormen zugedachten Bedeutung nicht gerecht würde, wenn sie lediglich gegenüber der Staatsgewalt Anwendung fänden.154 Sinn und Zweck des Grundgesetzes sei es, dem einzelnen einen möglichst wirkungsvollen Schutz zu gewähren. Aus diesem Grund könnten die Grundrechte im Privatrecht nicht nur als „Leitsätze“ oder „Auslegungsregeln“ Bedeutung haben.155 Dies wirke sich zivilrechtlich dergestalt aus, daß die Grundrechte als gesetzliche Verbote gemäß § 134 BGB, absolute Rechte im Sinne des 152 Mayer JZ 1985, 111ff. (113); Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 30, 47, 157; ders. AcP 185 (1985), 1ff.; das BAG ging in seiner früheren Rechtsprechung ebenfalls von einer unmittelbaren Geltung der Grundrechte aus, welches aus der sozialen Ordnungsfunktion der Grundrechte hergeleitet wurde und damit teilweise eine unmittelbare Bedeutung auch für den Rechtsverkehr der Bürger untereinander gelten ließ, vgl. hierzu BAGE 1, 185ff. (191), BAGE 24, 438ff. (441). 153 Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 1959, IV, § 15, 4. a), S. 92; Gamillscheg AcP 164 (1964), 385ff. (404). 154 Hager JZ 1994, 373ff. 155 Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 1959, IV, § 15, 4. c), S. 95. 59 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte § 823 Abs. 1 BGB oder Schutzgesetze gemäß § 823 Abs. 2 BGB unmittelbar auch für den privaten Rechtsverkehr gälten.156 Diese unmittelbare Wirkung beruhe auf dem Verfassungstext selbst, wonach gemäß Art. 1 Abs. 3 GG auch Privatrechtsnormen rechtsbindung unterlägen. der 157 ganz normalen Grund- Dies ergebe sich schon aus dem Umstand, daß ein Richter, der eine zivilrechtliche Streitigkeit zu entscheiden habe, dabei ebenso öffentliche Gewalt ausübe und somit aufgrund von Art. 1 Abs. 3 GG den Grundrechten unterworfen sei.158 Danach sei die „Grundrechtsorientierung des Privatrechts über die Grundrechtsbindung der öffentlichen Gewalt“, nämlich den Gerichten, zu begründen. Eine mittelbare Geltung der Grundrechte sei deshalb gar nicht zu diskutieren.159 Als Anhänger der Theorie von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gelten unter anderem Nipperdey160 und das Bundesarbeitsgericht161, das in früheren Entscheidungen mehrfach sowohl die Diskriminierungsverbote des Art. 3 GG als auch eine Reihe von Freiheitsrechten als gesetzliche Verbote im Sinne von § 134 BGB qualifizierte.162 Die Vertreter dieser Theorie verweisen jedoch darauf, daß eine absolute Wir- 156 So Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 1959, IV, § 15, 4. a), S. 92; BAGE 1, 193ff.; BAGE 4, 243ff. (276); BAGE 13, 174ff.; anders aber jetzt BAG AP § 87 BetrVG 1972 „Überwachung“ Nr. 15. 157 Schwabe AcP 185 (1985), 1ff. (1f.). 158 Schwabe AcP 185 (1985), 1ff. (4). 159 Schwabe AcP 185 (1985), 1ff. (8). 160 Nipperdey war Präsident des BAG. 161 Das BAG wand die Grundrechte erstmals unmittelbar an in seiner Entscheidung vom 03.12.1954, abgedruckt in JZ 1955, 117ff. Mittlerweile folgt das BAG in der Praxis der Gegenansicht, der Theorie von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, vgl. hierzu BAGE 48, 122ff. (138); BAGE 47, 363ff. (374); zuletzt BAG JZ 1993, 908ff. (909). 162 BAGE 1, 185ff.; BAGE 4, 274ff.; BAGE 24, 438ff. (441); ferner BAG AP Nr. 4, 6, 77, 87, 110 zu Art. 3 GG; BAG AP Nr. 25 zu Art. 12 GG; BAG AP Nr. 2 zu § 134 BGB. 60 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte kung der Grundrechte nur dem Grundsatz nach bestehe. Die Wirkung gelte nicht ohne weiteres für jedes Grundrecht. Vielmehr müsse die Frage der unmittelbaren Wirkung für jede Grundrechtsnorm gesondert geprüft werden.163 Zwar ist richtig, daß auch der Zivilrichter bei der Ausübung seiner öffentlichen Gewalt unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist, die z. B. der Beweiserhebung und der Beweisverwertung Grenzen ziehen können.164 Daraus läßt sich jedoch nicht auf eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte im allgemeinen schließen. Der Theorie der unmittelbaren Drittwirkung muß entgegengehalten werden, daß bezüglich der Grundrechtsbindung nicht das Verhältnis eines Richters zum Privatrechtssubjekt, sondern ausschließlich das materiell-rechtliche Verhältnis der Parteien untereinander entscheidend sein darf.165 Die Grundrechte richten sich schon nach dem Wortlaut, der Systematik, der Geschichte und der teleologischen Funktion an die „staatliche Gewalt“ (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG) bzw. an die „Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“ (Art. 1 Abs. 3 GG) und nicht an die Privatpersonen selbst.166 Im deliktischen Bereich wird auch nach der Rechtsprechung des BGH teilweise eine unmittelbare Drittwir- 163 Eckold-Schmidt, Legitimation durch Begründung, 1974, S. 80; Enneccerus/ Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, 1959, IV, § 15, 4. c), S. 93ff.; ders., Grundrechte und Privatrecht, 1961, S. 12, 20; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 1988, Rn. 353; Hermes NJW 1990, 1764ff. (1764); Laufke in FS für Lehmann, Band 1, 1956, S. 145ff. (155). 164 BVerfGE 5, 13ff - „Blutentnahme“; BGHZ 27, 284ff. - „Tonbandaufnahme“; BGH JZ 1971, 387ff. - „Spitzel“. 165 Vgl. auch von Mangoldt/ Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 1999, Art. 1 Abs. 3, Rn. 208. 166 Vgl. auch Canaris AcP 184 (1984), 201 ff. (203-207); ders. AcP 185 (1985), 9ff. (9). 61 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte kung von Grundrechten anerkannt, allerdings aus- schließlich im Rahmen der die Freiheitsrechte betreffenden Grundrechten. So ist nach ständiger Rechtsprechung dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in verfassungskonformer Anwendung und Auslegung der Generalklauseln der Schutz der absoluten Rechte im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB zuerkannt worden, soweit nicht bereits eine speziellere Norm Anwendung findet.167 Danach wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht als einheitliches und umfassendes subjektives Recht auf Achtung und Entfaltung der Persönlichkeit verstanden.168 In solchen Ausnahmefällen kommt ein unmittelbarer Durchgriff auf die Grundrechte auch in Betracht.169 Die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte hat sich jedoch lediglich im Rahmen des Deliktsrechts durchgesetzt, wonach alle personalen Freiheitsrechte als absolute Rechte anerkannt sind und einen solchen Schutz genießen.170 Wollte man der Theorie der unmittelbaren Drittwirkung nicht folgen, dann würde dies schon dem geschichtlichen Hintergrund denn die des gesamte Grundgesetzes geschichtliche zuwiderlaufen, Entwicklung des Grundrechtssystems verneint eine absolute Wirkung der Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr.171 In der Entstehungsgeschichte der Grundrechte stand zunächst das Bemühen im Vordergrund, Übergriffe der Staatsge- 167 BGHZ 13, 334ff. - „Veröffentlichung von Briefen“; BGHZ 24, 72ff. „Ärztliches Gesundheitszeugnis“; BGHZ 26, 349ff. - „Herrenreiter“; BGHZ 27, 284ff. – „Tonbandaufnahme“. 168 BGHZ 13, 334ff. - „Veröffentlichung von Briefen“. 169 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 III 3., S. 1556. 170 Canaris AcP 184 (1984), 201ff. (208). 171 Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der BRD, Band V, Allgemeine Grundrechtslehren, 1992, § 109, S. 45ff. 62 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte walt in private Bereiche abzuwehren, eine Sphäre privater Freiheit abzuschirmen. Zwar wurden auch zur Zeit der Weimarer Verfassung in einzelnen Vorschriften Grundrechtsgehalte auf Privatrechtsnormen angewendet.172 Diese galten jedoch als Ausnahme, die die grundsätzliche nicht Staatsgerichtetheit antastete. Diese der Grundrechte geschichtliche Entwicklung wurde in Art. 1 Abs. 3 GG fortgeführt, der als Grundrechtsadressaten lediglich die öffentliche Gewalt nennt.173 Die staatlichen Aufgaben, Freiheiten einander zuzuordnen und voneinander abzugrenzen, ließe sich nicht mehr verwirklichen, wenn die Privaten in Rechtsstreitigkeiten im Verhältnis zueinander unmittelbar an die Grundrechte gebunden wäre. Die Kritik an dieser Theorie zeigt sich insbesondere im rechtsgeschäftlichen Bereich. Dort führt eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte zur Aushöhlung der Privatrechtsautonomie.174 Das Problem stellt sich bereits bei der unmittelbaren Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 GG; diese würde zu einem Kontrahierungszwang führen, welcher der Vertragsfreiheit zuwiderlaufen würde, da diese dann nicht mehr gewährleistet wäre. Die Freiheitsrechte stehen grundsätzlich nicht zur Disposition. Sie können lediglich in einem zulässigen Ausmaß eingeschränkt werden. Im Rahmen der unmittelbaren Drittwirkung würde dies als Konsequenz bedeuten, die zulässige Einschränkung richte sich nach dem 172 So fand gemäß Art. 118 Abs. 1 Satz 2 WRV die Meinungsfreiheit im Rahmen von Arbeits- und Wirtschaftsverhältnissen Anwendung und gemäß Art. 159 Satz 2 WRV genoß die Koalitionsfreiheit auch gegenüber von privatrechtlichen Einschränkungen Schutz. 173 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 III 2, S. 1553. 174 Canaris AcP 184 (1984), 201ff. (208f.). 63 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte verfassungsrechtlichem Übermaßverbot. Die Prinzipien der Eignung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit würden zu schärferen Kontrollen führen und damit § 138 BGB außer Kraft setzen. Der Einfluß grundrechtlicher Wertmaßstäbe muß zwar Berücksichtigung finden und wird auch von der Rechtsprechung durch die Auslegung der Generalklauseln unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten reali- siert.175 Dabei wird die Auslegung des Begriffs der guten Sitten der Generalklauseln nicht an dem verfassungsrechtlichem Übermaßverbot gemessen, sondern ausschlaggebend für die Auslegung sind die Grundrechte als Auslegungsrichtlinien und Konkretisierungsmaßstäbe. Eine unmittelbare Verpflichtung der Privatrechtssubjekte begründen sie jedoch nicht.176 Das BVerfG hat damit die Generalklauseln als Einbruchstelle der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet und eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte durch Anwendung der Generalklauseln befürwortet.177 2. Mittelbare Drittwirkung von Grundrechten Nach der Theorie der mittelbaren Drittwirkung verpflichten die Grundrechte aufgrund ihrer öffentlichrechtlichen Herkunft nicht die Subjekte des Privatrechts, sondern lediglich den Staat selbst. Ver- 175 Zum Teil wird vertreten, die Grundrechtswirkung dürfe sich nicht ausschließlich auf Generalklauseln beschränken, vielmehr müsse die Bedeutung der Grundrechte auf die wertausfüllungsfähigen und wertausfülllungsbedürftigen Begriffe ausgedehnt werden, um der Bedeutung der Grundrechte auf die Privatrechtsautonomie gerecht zu werden. So Dürig in Maunz/ Dürig, Grundgesetzkommentar, Band 1, Präambel bis Art. 5 GG, Stand Juni 1998, Art. 1 III, Rn. 132; hingegen widersprüchlich in FS für Nawiasky, 1956, S. 157ff. (176f.), wo er teils nur von der „wertausfüllungsfähigen und wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln“ spricht. 176 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 III 3., S. 1556. 64 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte pflichtete hinsichtlich der grundgesetzlichen Werteordnung sind insbesondere der Gesetzgeber und der Richter.178 Die Ableitung und der Anwendungsbereich des Rechtsinstituts der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten ist bislang unscharf geblieben. Das BVerfG verneint zwar eine unmittelbare Grundrechtsbindung des Richters bei privatrechtlichen Streitigkeiten.179 Dennoch spricht es den Grundrechtsnormen in ständiger Rechtsprechung neben der Gewährleistung als Abwehrrechte gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt auch die Elemente einer objektiven Werteordnung zu, die über dem Privatrecht schwebt und als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und somit auch auf das Privatrecht mittelbar einwirkt.180 Ein solcher Vorrang der Verfassung ergibt sich schon aus dem Grundgesetz selbst in Art. 20 Abs. 3 GG und wird für die Grundrechte in Art. 1 Abs. 3 GG noch einmal speziell betont.181 Aus diesem Grunde empfangen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung von den Grundrechten Richtlinien und Impulse.182 So wird das bürgerliche Recht von diesem Wertesystem beeinflußt, denn keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihnen stehen, ebensowenig die 177 BVerfGE 7, 198ff. (206) - „Lüth“. Vgl. Canaris AcP 184 (1984), 201ff. (210); Dürig, in FS für Nawiaky, 1956, S. 157ff.; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, III, S. 20ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/ 1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 III 2, S. 1552ff. 179 Zuletzt zusammenfassend BVerfGE 73, 261ff. (269) - „Bergwerksgesellschaft“. 180 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 7, 198ff. (205) - „Lüth“; BVerfGE 35, 79ff. (114) - „Hochschule“; BVerfGE 42, 143ff. (148) „Deutschland-Magazin“; BVerfGE 73, 261ff. (269) - „Bergwerksgesellschaft“ mit weiteren Nachweisen; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 23f. 181 Dazu Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 20f.; Wahl NVwZ 1984, 401ff. 178 65 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Auslegung und Anwendung der bürgerlichen Normen im Einzelfall. Jede muß in ihrem Geiste ausgelegt werden.183 Dabei wirken die Grundrechte nicht unmittelbar als gesetzliche Verbote oder Schutzgesetze auf das Privatrecht ein, sondern es bedarf gewisser Einbruchstellen der Grundrechte in das Zivilrecht.184 Diese werden durch die privatrechtlichen Vorschriften bzw. über das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere der Generalklauseln und an sonstigen auslegungsbedürftigen Begriffen, manifestiert.185 Der Rechtsprechung bieten sich zur Realisierung dieses Einflusses gerade die Generalklauseln, da diese zur Beurteilung menschlichen Verhaltens auf Maßstäbe wie die „guten Sitten“ verweisen, so daß alle wertausfüllungsfähigen und wertausfüllungsbedürftigen Normen, wie beispielsweise §§ 138, 242, 315 und 826 BGB, von Bedeutung sind.186 Der Einfluß grundrechtlicher Wertmaßstäbe macht sich vor allem bei denjenigen Vorschriften des Privatrechts geltend machen, die zwingendes Recht enthalten und so einen Teil des ordre public - im weitesten Sinne - bilden, das heißt der Prinzipien, die aus Gründen des gemeinen Wohls auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen verbindlich sein sollen und deshalb der Herrschaft des Privatwillens entzogen wird.187 Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einem Grundrecht unmittelbare Wirkung als Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 134 BGB 182 BVerfGE 7, 198ff. (205) - „Lüth“; BVerfG ZIP 1993, 1775ff. (1779). BVerfGE 7, 198ff (205) - „Lüth“. 184 Dürig in FS für Nawiasky, 1956, S. 157ff. (162). 185 BVerfGE 7, 198ff. (Leitsatz 2 und S. 205) - „Lüth“. 186 BVerfGE 7, 198ff. - „Lüth“; BVerfG NJW 1990, 1469ff. - „Handelsvertreter“; Wiedemann JZ 1990, 695ff. 187 BVerfGE 7, 198ff. (206) - „Lüth“. 183 66 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte zuzusprechen, allerdings nur dann, wenn dies verfassungsrechtlich ausdrücklich angeordnet sei.188 Erstmals hat sich das BVerfG mit der Frage der Wirkung von Grundrechten auf das Privatrecht in seinem Urteil vom 15.01.1958 auseinandergesetzt.189 In dem sogenannten Lüth-Urteil wird den Grundrechten die Wirkung einer Leitlinie im Privatrecht zuerkannt.190 Zwar wird in diesem Urteil zunächst betont, es bestehe kein Anlaß, die Streitfrage der Drittwirkung in vollem Umfang zu erörtern.191 Allerdings wird dennoch erstmals ausgeführt, das Grundgesetz entfalte eine objektive Werteordnung, mit der in allen Bereichen des Rechts Richtlinien und Impulse ausgesendet würden.192 Damit hat es sich der Theorie der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten angeschlossen.193 Das BVerfG spricht den Grundrechten eine Ausstrahlungswirkung zu, die sich über die Generalklauseln im Privatrecht verwirklichen läßt. Die Theorie der mittelbaren Drittwirkung ist ebenfalls geeignet, Probleme aufkommen zu lassen. Denn durch die mittelbare Anwendung der Grundrechte auf zivilrechtliche Streitigkeiten kann die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Mitleidenschaft gezogen werden. Die grundgesetzliche Ordnung besteht lediglich aus wenigen sehr weit auszulegenden und oft unbestimmten Rechtssätzen. Dennoch hat sie Vorrang vor den zivilrechtlichen Gesetzen. Gerade die unter- schiedlichen Auslegungsmöglichkeiten der Grundrechte 188 189 190 191 192 193 Dürig in FS für Nawiasky, 1956, S. 157ff. (162). BVerfGE 7, 198ff. - „Lüth“. BVerfGE 7, 198ff. (204f.)- „Lüth“. BVerfGE 7, 198ff. (204) - „Lüth“. BVerfGE 7, 198ff. (205) - „Lüth“. BVerfGE 7, 198ff. (205) - „Lüth“. 67 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte können dazu führen, daß die Privatautonomie ihre Eigenständigkeit verliert. Hinzu kommt, daß die Besonderheiten der Grundrechtskonstellationen für alle Beteiligten gelten, da alle Beteiligten am Schutz der Grundrechte teilhaben. Dies könnte dazu führen, daß Privatrechtssubjekte in ihrem Verhältnis zueinander nicht von den Grundrechtssätzen abweichen dürfen, obwohl dies grundsätzlich aufgrund der im Privatrecht vorherrschenden Vertragsfreiheit gewährleistet sein sollte. Dieses Problem kann jedoch bewältigt werden, indem die in Betracht kommenden Grundrechtspositionen beider Seiten berücksichtigt, und sollten diese kollidieren, einander verhältnismäßig zugeordnet werden. Dies führt zu einem angemessenen Schutz der Grundrechte gegen Beeinträchtigungen und Gefährdungen aus dem nicht-staatlichen Bereich. Auch ist dem Aspekt Bedeutung zu schenken, daß keine Schranke für Verfassungsbeschwerden gegen zivilrechtliche Entscheidungen bestünde und somit das BVerfG zum obersten Gericht zivilrechtlicher Streitigkeiten würde.194 Die Ansicht des BVerfG findet in der Literatur mittlerweile großen Anklang.195 Entgegen der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung seien die Grundrechte nicht unmittelbar auf das Verhalten der Privatrechtssubjekte untereinander anzuwenden. Normadressat der Grundrechte sei allein der Staat. Dennoch entfalteten die Grundrechte eine mittelbare Wirkung, indem sie im 194 Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 25f. Hermes NJW 1990, 1764ff.; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, 25f.; vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutsch- 195 68 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Wege von Richtlinien und Impulsen für die Auslegung der Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen von Bedeutung seien. Allerdings wird vereinzelt vertreten, entgegen der Ansicht des BVerfG entwickelten die Grundrechte nicht nur eine Ausstrahlungswirkung auf das Privatrecht, sondern sie müßten in ihrer herkömmlichen Funktion als Eingriffsverbote und Abwehrrechte gelten.196 Denn auch der Privatrechtsgesetzgeber sei Gesetzgeber und daher nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar und nicht nur auf eine mittelbare Weise an die Grundrechte gebunden.197 Grundrechte dürften ihren Charakter als Eingriffsverbote für das Privatrecht nicht verlieren. Dabei ergebe die Güter- und Interessenabwägung, daß eine Verletzung des betreffenden Grundrechtes unmittelbar gegeben sei. Die „Mittelbarkeit“ der Grundrechte sei insoweit abzulehnen, als sie die Grundrechtsgeltung für das Privatrecht schlechthin behaupte, als auch für dessen Normen, denn diese würden der unmittelbaren Bindung unterliegen.198 3. Stellungnahme des BGH Der BGH hatte zu dem Theorienstreit zunächst nicht ausdrücklich Stellung genommen. Anfänglich sah er der von dem BVerfG vertretenen Meinung mit Skepsis entgegen. Er sah hierin zunächst eine Gefahr für die Eigenständigkeit des Zivilrechts.199 Seine Rechtspre- land, Band III/ 1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 I. 5., S. 1532ff. 196 Canaris AcP 184 (1984), 201ff. (245); ders. JuS 1989, 161ff. 197 Canaris AcP 184 (1984), 201ff. (212); ders. JuS 1989, 161ff. 198 Canaris AcP 184 (1984), 201ff. (222); ders. JuS 1989, 161ff. 199 Bydlinski ÖZöR 1962/ 1963, Band XII, n. F., S. 423ff. 69 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte chung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht200 und zum Recht auf freie Meinungsäußerung201 ging ohne weiteres von einer Drittwirkung der Grundrechte aus, ohne daß dies näher begründet worden wäre. Er machte dabei geltend, daß das Grundgesetz das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde (Art. 1 GG) und das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auch als privates, von jedermann zu achtendes Recht anerkennt, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art. 2 GG). Folglich wird das Persönlichkeitsrecht verfassungsmäßig gewährlei- stet.202 Es gab allerdings Entscheidungen, in denen diese Frage offen blieb.203 Mittlerweile hat sich der BGH ausdrücklich zu der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte bekannt.204 Er geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß der Werteordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere in den Grundrechten niedergelegt sei, bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen, insbesondere der Generalklauseln, wesentliche Bedeutung zukomme.205 Der Zivilrichter habe bei der Anwen200 BGHZ 13, 334ff. (338) - „Veröffentlichung von Briefen“; BGHZ 15, 249ff. (258) - „Tagebücher“; BGHZ 26, 349ff. (354) - „Herrenreiter“. 201 BGHZ 31, 308ff. (313) - „Nachrichtenblatt der Bonner Studentenschaft“; BGHZ 45, 296ff. (308) - „Höllenfeuer“. 202 BGHZ 13, 334ff. (338) - „Veröffentlichung von Briefen“. 203 BGHZ 36, 91ff. (95) - „Belieferung von AOK-Mitgliedern“. 204 BGHZ 13, 334ff. (338) - „Veröffentlichung von Briefen“; BGHZ 20, 345ff. (351) - „Motorroller“; BGHZ 24, 72ff. (76ff.) - „Ärztliches Gesundheitszeugnis“; BGHZ 26, 349ff. (353) - „Herrenreiter“; BGHZ 70, 313ff. (324ff.) - „Ehegattenstiftung“; BGH NJW 1972, 1414f. (1415); BGH NJW 1986, 2944f. - „Übernahme einer Rechtsanwaltspraxis“. 205 BGHZ 13, 334ff. (338) - „Veröffentlichung von Briefen“, BGHZ 20, 345ff. (351f.) - „Motorroller“; BGHZ 24, 72ff. (76ff.) - „Ärztliches Gesundheitszeugnis“; BGHZ 26, 349ff. (353) - „Herrenreiter“; BGHZ 70, 313ff. (324) - „Ehegattenstiftung“; BGH NJW 1986, 2944f. (2944) „Übernahme einer Rechtsanwaltspraxis“; BGHZ 130, 5ff. (8) - „Busengrapscher“; BGHZ 130, 196ff. (203) - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) „H.I.V.-Positive“. 70 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte dung eines unbestimmten Rechtsbegriffs eine rechtliche Wertung vorzunehmen, die er zum Ausdruck bringt durch Abwägung der schutzwürdigen Interessen und Güter der Verkehrsbeteiligten unter Berücksichtigung der vorhandenen Sozialnormen aufgrund der Rechtsordnung, sung. insbesondere 206 der Wertprinzipien der Verfas- Diese Normen stehen unter dem Gebot der Aus- legung im Lichte der verfassungsrechtlichen Grundrechte.207 III. Fazit Würde bei der Beurteilung sittenwidriger und diskriminierender Werbebilder der Theorie der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gefolgt, so wären die werbenden Unternehmen direkt an die Grundrechte gebunden. Denn dann würden die Grundrechtsgehalte im Privatrechtsverkehr gegen jedermann gelten. Die werbenden Unternehmen wären in ihrer Handlungsfreiheit erheblich beschränkt, da sie keine Handlungen vornehmen könnten, die den Grundrechtssätzen der Verfassung widerstreiten.208 Die einzelnen Werbebilder müßten unter unmittelbarer Beachtung der einzelnen Grund- rechtsgehalte kreiert werden. Dies würde im Ergebnis den Grundrechtsträger und damit den werbenden Unternehmen mit den Mitteln, die der Stärkung ihrer Position dienen sollen, Beschränkungen auferlegen. Es würde den Grundrechtsträgern die individuelle Frei- 206 BGHZ 130, 5ff. (8) - „Busengrapscher“; BGHZ 130, 196ff. (203) „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.-Positive“. 207 BGHZ 130, 196ff. (203) - „Ölverschmutzte Ente“. 208 Vgl. hierzu Dürig in FS für Nawiasky, 1956, S. 157ff. (159). 71 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte heit zur Gestaltung des rechtlichen Miteinander nehmen.209 Würde hingegen der Beurteilung sittenwidriger und diskriminierender Werbebilder die Theorie der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zugrunde gelegt, so würden die Regelungsgehalte der Grundrechte lediglich als Leitsätze und Auslegungsdirektiven wirken. Danach käme den Grundrechten eine Ausstrahlungswirkung zu, die auf die im Grundgesetz enthaltene objektive Werteordnung zurückzuführen wäre und auf alle Bereiche des Privatrechts Anwendung fände. Diese objektive Werteordnung würde die Auslegung der wertausfüllungsbedürftigen Begriffe des Privatrechts, wie die „guten Sitten“ in § 1 UWG beeinflussen. Werbende Unternehmen müßten bei der Kreierung der Werbemaßnahmen mittelbar die Werteordnung der Grundrechte beachten, damit ihre Werbung nicht aufgrund gemäß § 1 UWG untersagt werden kann. Im Ergebnis ist der Theorienstreit um die Frage der mittelbaren oder unmittelbaren Drittwirkung von Grundrechten zugunsten der mittelbaren Drittwirkung entschieden worden.210 Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte widerspricht den Bindungstrias des Art. 1 Abs. 3 GG, der als Grundrechtsadressaten nur die öffentliche Gewalt nennt und würde die geschichtliche Entwicklung des Grundrechtssystems umgehen.211 Das BVerfG hat zu Recht angenommen, daß der Staat verpflichtet ist, die Inhalte der Grundrechte zu gewährleisten, auch wenn es um die Rechtsbeziehungen der Privaten untereinander geht. Dieses Wertesystem 209 Dürig in FS für Nawiasky, 1956, S. 157ff. (158f.). BVerfGE 7, 198ff. (206) - „Lüth“; BVerfGE 73, 261ff. (269) „Bergwerksgesellschaft“; Hager JZ 1994, 373ff. 211 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/ 1, Allgemeine Lehren und Grundrechte, 1988, § 76 III 2, S. 1553; vgl. auch in Kapitel 3 A. 1. 210 72 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte strahlt Richtlinien und Impulse für alle Bereiche des Rechts aus.212 Durch das Einbringen von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen bietet der Gesetzgeber die Möglichkeit, Wertungsspielräume des Richters und damit die Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Regelungsgehalte der Grundrechte in die Regelungen des Zivilrechts einzubringen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Sittenwidrigkeit ist demnach verstärkt mit den verfassungsrechtlichen Inhalten der Grundrechte auszulegen und nach Abwägung der schutzwürdigen Interessen und Güter der Verkehrsbeteiligten zu konkretisieren und einzuschränken, so daß es zu einer verfassungskonformen Auslegung des Wettbewerbsrechts kommt.213 Damit bietet die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte den werbenden Unternehmen einen größeren Spielraum bei der Gestaltung ihrer Werbung. Dementsprechend müssen werbende Unternehmen bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung - so z. B. im Rahmen von Veröffentlichungen ihrer Werbemaßnahmen - für die Gewährleistung der Marktfreiheit die objektive Werteordnung des Grundgesetzes beachten. Die Grundrechte sollen in Form wirtschaftliche von Ausstrahlungswirkung Betätigung des einzelnen die freie auf dem Markt ermöglichen und sichern. Die einzelnen Werbemaßnahmen unterliegen bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung aufgrund des auslegungsbedürftigen Be- griffs der Sittenwidrigkeit dieser Ausstrahlungswirkung, bei der die Grundrechte zur Auslegung als Direktiven herangezogen werden. 212 BVerfGE 7, 198ff. (205) - „Lüth“. BVerfGE 7, 198ff. (206, 215) - „Lüth“; BGHZ 130, 196ff. (203) „Ölverschmutzte Ente“; Grigoleit/ Kersten DVBl. 1996, 596ff. (598); Hoffmann-Riem ZUM 1996, 1ff. (6); Sevecke AfP 1994, 196ff. (198). 213 73 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte B. Einzelne Grundrechte Nach der Theorie der mittelbaren Drittwirkung gehört es zur judikativen Rhetorik, auf die Grundrechtsnormen Bezug zu nehmen. Damit sich die werbenden Unternehmen wirtschaftlich frei betätigen und ihre Werbebilder anstandslos veröffentlichen können, bedarf es der mittelbaren Beachtung der einzelnen Grundrechtsgehalte. Denn werden Werbemaßnahmen von Unternehmen veröffentlicht, die geeignet sind, einzelne Gruppierungen zu diskriminieren, so beurteilt sich die Zulässigkeit der Werbemaßnahmen wettbewerbsrechtlich nach § 1 UWG. Danach ist eine Werbemaßnahme unzulässig, wenn sie sittenwidrig ist. Der Begriff der Sittenwidrigkeit unterliegt wiederum der objektiven Werteordnung der Grundrechte. Welche Grundrechte die freie wirtschaftliche Betätigung des einzelnen auf dem Markt ermöglichen und sichern sollen, ist Frage des Einzelfalls. Gerade diese Frage hat große Bedeutung für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung und Auslegung des Begriffs der Sittenwidrigkeit. Denn das Verfassungsrecht ist als wertvolle Orientierung bei der Konkretisierung des Begriffs der Sittenwidrigkeit zu werten. Folgende verfassungsrechtlichen Inhalte sind vornehmlich bedeutsam: die Kommunikationsfreiheiten (Art. 5 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG iVm. Art 1 Abs. 1 GG) und die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 I GG). Im folgenden ist der Schutzbereich der einzelnen Grundrechte zu bestimmen, um prüfen zu können, welche Grundrechte im Einzelfall normative Wirkung gegenüber § 1 UWG entfalten. 74 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte I. Kommunikationsgrundrechte Seit den Urteilen des BGH zur „Benetton-Werbung“214 ist die Frage des Schutzes der Kommunikationsfreiheiten im Rahmen kommerzieller Werbung erneut aufgeworfen worden. Im folgenden ist zunächst allgemein zu klären, ob und wie Kommunikationsgrundrechte in das Wettbewerbsrecht hineinwirken. Der Begriff der Kommunikationsfreiheiten faßt als Oberbegriff die darin enthaltenen einzelnen Grundrechte zusammen. Er hat keine normative Bedeutung, die über die Garantien der einzelnen Grundrechte hinausgeht.215 Art. 5 Abs. 1 GG enthält mehrere Grundrechte; dazu zählen die Meinungsäußerungs- und Meinungsverbreitungsfreiheit, die Informationsfreiheit, die Pressefreiheit, Filmfreiheit. 216 die Rundfunkfreiheit und die In Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG findet die Kunstfreiheit ihren Schutz, die ebenfalls als Ausfluß der Kommunikationsfreiheiten gilt.217 Diese verschiedenen Grundrechte stehen in einem inneren Zusammenhang und überschneiden sich zum Teil.218 Die Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, aber auch die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG sind für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommerzieller Werbung bedeutsam. Das werbende Unternehmen kann sich möglicherweise auf seine Meinungsäu- 214 BGHZ 130, 196ff. - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. - „H.I.V.-Positive“; siehe auch BGHZ 130, 5ff. – „Busengrapscher“. 215 Vgl. Ossenbühl JZ 1995, 633ff. (635); Pieroth/ Schlink, Staatsrecht II, Die Grundrechte, 1998, Rn. 547. Daneben kann auch die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG [BVerfGE 69, 315ff. (344) - „Brokdorf“] zu den Kommunikationsgrundrechten gezählt werden. 216 Bleckmann, Staatsrecht II, Die Grundrechte, 1997, § 26, Rn. 8; von Mangoldt/ Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 1999, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 23 – 155. 217 BVerfGE 77, 240ff. (251) - „Herrnburger Bericht“. 218 Vgl. Degenhart in: Bonner Grundgesetz, Kommentar, Stand März 1998, Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2, Rn. 8f. 75 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte ßerungsfreiheit berufen. Für den Verleger könnte die Pressefreiheit und auch die Meinungsfreiheit eine rechtliche Relevanz aufweisen. Zumindest ist der verfassungsrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit für den Verleger dann von Bedeutung, wenn er sich den Inhalt der Veröffentlichung zu eigen macht und hinter der Anzeige steht. Schließlich können sich beide unter Umständen auf die Kunstfreiheit berufen, sollte die Anzeige ein Kunstwerk enthalten.219 Zunächst gilt es, Klarheit zu erlangen, ob der Schutzbereich der Kommunikationsgrundrechte eröffnet ist, wenn es sich um kommerzielle Werbung handelt, das heißt, wenn mit der Werbung wirtschaftliche Zwekke verfolgt werden oder die Äußerung im wirtschaftlichen Kontext erfolgt. Denn gälte der Schutzbereich der Kommunikationsgrundrechte nicht für die Wirt- schaftswerbung, so würden vielfältige Meinungsäußerungen aus diesem Schutzbereich herausgenommen und seinen Wirkungskreis äußerst beschränken. 1. Der Grundrechtsschutz der Wirtschaftswerbung Durch kommerzielle Werbung wird eine wirtschaftliche Betätigung ausgedrückt, die mit wirtschaftlichen Interessen verfolgt wird, dem Wettbewerb zu dienen bestimmt und von einer Wettbewerbsabsicht getragen ist; damit unterliegt die kommerzielle Werbung der rechtlichen Beurteilung nach der Wirtschaftsordnung, insbesondere dem Wettbewerbsrecht. Anfänglich wurde der kommerziellen Wirtschaftswerbung der Schutz der Kommunikationsgrundrechte von der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung mit der Begründung versagt, werbliche Äußerungen könnten als 219 Sevecke AfP 1994, 196ff. (199). 76 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte kommerzielle Meinung nicht unter den Begriff der verfassungsgeschützten Meinung fallen.220 Es wurde argumentiert, der verfassungsgeschützte Meinungsbegriff stelle qualitativ ein mehr dar, er sei geistig ausgelegt, das heißt Werturteile umfassend und nicht bloße Tatsachenbehauptungen einschließend. Ziel des Schutzbereiches sei, die Freiheit des Geistes zu wahren; nur solche Äußerungen seien geschützt, mit denen dieses Ziel verfolgt werde.221 Werbeäußerungen hingegen drückten keine persönliche Überzeugung des Werbenden aus, vielmehr hätten sie eine Beeinflussung des Käufers zum Ziel. Lediglich die Kaufbereitschaft werde durch die Werbung ausgelöst.222 Der Meinungsbegriff sei hingegen darauf ausgerichtet, rational zu überzeugen und nicht – wie etwa die Wirtschaftswerbung – emotional anzuregen. Nach dieser Ansicht wurde die reine Wirtschaftswerbung dem Schutzbereich des Art. 12 GG zugerechnet.223 Das BVerfG entschied zunächst in diesem Sinne, allerdings nur, wenn die Meinungsäußerung ihren Grund allein in eigenen Interessen wirtschaftlicher Art fand und nicht in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemein220 Vgl. hierzu – wenn auch zum Teil mit unterschiedlicher Begründung BVerwG NJW 1954, 1133f. (1134); BVerwGE 2, 172ff. (178f.) - „Reklame“; BVerwG DVBl. 1954, 362ff.; BGH GRUR 1984, 461 - „Kundenboykott“; BGHSt 5, 12ff. (22); BGHSt 8, 360ff. (379) - „HeilmittelWerbeverordnung“; BayVerfGH VGHE n.F. 4 (II) S. 63ff. (76ff.); BayVerfGH VGHE n. F. 11 (II) S. 23ff. (34); OVG Berlin OVGE 3, 8ff. (14); OLG Braunschweig NJW 1956, 839f. (840); Neumann-Duesberg JR 1954, 82ff.; Rauschenbach MA 1955, 677ff. (683); Seubert BB 1960, 965f. (966). 221 Vgl. Ausführungen von Wacke in FS für Schack, 1966, S. 197ff. (197). 222 BVerwG NJW 1954, 1133ff. (1134); BVerwGE 2, 172ff. (178f.) - „Reklame“; OVG Berlin OVGE 3, 8ff. (19); BGHSt 5, 12ff. (22). 223 Vgl. Wendt in von Münch/ Kunig, Grundgesetzkommentar, 1992, Art. 5, Rn. 11. Dies führte aber zu unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn z.B. ideale und wirtschaftliche Ziele oder politische und wirtschaftliche Ziele miteinander verknüpft sind. Siehe hierzu BVerfGE 30, 336ff. (352) - „FKK“; BVerfGE 11, 234ff. (238) - „Jugendgefähr- 77 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte heit. Denn im letzteren Falle diene die Meinungsäußerung der Einwirkung auf die öffentliche Meinung, so daß die Äußerung durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sei.224 Mittlerweile besteht jedoch Einigkeit,225 daß auch kommerzielle Wirtschaftswerbung den Grundrechtsschutz der Kommunikationsfreiheiten genießt.226 Damit ten- diert die Rechtsprechung zu einer weiten Auslegung des Begriffs der Meinungsfreiheit.227 Denn grundsätzlich werde jedem Bürger das Recht auf wirtschaftliche Freiheit zugesprochen. Eine derartige Unterscheidung zwischen Meinung und kommerziellen Werbung konnte nicht überzeugen und wäre mit dem Gewicht und der Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte unvereinbar.228 dende Schriften“. Z.B. bei einer Firmenanzeige: Investiert und kauft, damit die Wirtschaft angekurbelt wird! 224 BVerfGE 62, 230ff. (244) – „Boykott“. 225 In der Entscheidung des BVerfG vom 27.5.1994 ist die Frage, ob die Wirtschaftswerbung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fällt, offen gelassen worden (BVerfG NJW 1994, 3342f. – „MarsKondom“). Das BVerfG bezweifelte dabei nicht die Eröffnung des Schutzbereichs der Kommunikationsgrundrechte auf die Wirtschaftswerbung, vielmehr sei der Schutzbereich des Kommunikationsgrundrechts in diesem Fall gar nicht betroffen, da eine Meinung über das betreffende Erzeugnis (Mars-Kondom) nicht verbreitet werden sollte, sondern vielmehr sollte eine fremde angesehene Marke zu rein kommerziellen Zwekken genutzt werden, ein sonst nicht verkäufliches eigenes Produkt auf den Markt zu bringen. So auch Braun WRP 1982, 510ff.; Degenhart in FS für Lukes, 1989, S. 287ff. (292f.); Drettmann, Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit, 1984; Friauf/ Höfling AfP 1985, 249ff; von Köller, Meinungsfreiheit und unternehmensschädigende Äußerung, 1971, S. 117ff.; Lerche, Werbung und Verfassung, 1971, S. 77ff. 226 BVerfGE 21, 271ff. (278f.) - „Südkurier“; BVerfGE 64, 108ff. (114) - „Chiffreanzeige“; BVerfGE 71, 162ff. (175) - „berufswidrige Werbung durch Ärzte“; BVerfGE 95, 220ff. (229ff.) - „Sendemitschnitte“; so auch Braun WRP 1982, 510ff. (512); Degenhart in FS für Lukes, 1989, S. 287ff. (300ff.); Fezer JZ 1998, 265ff. (269); Friauf/ Höfling AfP 1985, 249ff. (254); Lerche, Werbung und Verfassung, 1967, S. 76ff., S. 197ff. (201ff.); Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der BRD, Band VI, Freiheitsrechte, 1989, § 141, Rn. 21 mit weiteren Nachweisen; Wacke in Festschrift für Schack, 1966; Weides WRP 1976, 585ff. (587); kritisch dazu Oppermann in FS für Wacke, 1972, S. 393ff. (395ff.). 227 BVerfG NJW 1992, 1153ff. - „Rundschreiben“. 228 Vgl. Lerche, Werbung und Verfassung, 1967, S. 77 mit weiteren Nachweisen; ständige RS BVerfGE 7, 198ff. (208ff.) - „Lüth“; BVerfGE 30, 336ff. (352f.) - „FKK“; BVerfGE 68, 226ff. (232f.) - „Privates Bewachungsunternehmen“; BVerfGE 71, 162ff. (175) - „berufswidrige Werbung durch Ärzte“; BVerfG NJW 1992, 1153f. - „Rundschreiben"; OLG München NJW-RR 1994, 731ff. (732) - „Togal“. 78 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Die kommerzielle Wirtschaftswerbung enthält eine Meinung, mit der auf andere eingewirkt wird, damit sie das jeweilig angebotene Produkt kaufen oder von der angepriesenen Dienstleistung Gebrauch machen.229 Mit der Werbung sollen Werturteile und Überzeugungen hinsichtlich des betreffenden Produkts vermittelt werden. Dies wird dadurch dokumentiert, daß die Werbung sich heute weitgehend auf die Ergebnisse der Verhaltensforschung und Meinungsforschung stützt. Die Meinungsforschung ist wirklich um die Erkundung der Meinungen der Produktabnehmer bemüht. Mit der Äußerung einer Meinung wird dem Grundsatz nach auch immer ein Zweck verfolgt, den Werbeempfänger zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Der Werbung wird immer mehr die Funktion der Produkt- und Verbraucherinformation eingeräumt.230 Wirtschaftliche Gegenstände sind auch Gegenstände, über die Meinungen gebildet und geäußert werden. Soweit also Werbung meinungshaltig ist, fällt sie unter den Begriff der Meinung.231 Der Umstand der wirtschaftlichen Vorteile ändert an dem Charakter der Meinung nichts.232 Die Kundgabe einer Meinung ist grundsätzlich auch dann von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, wenn sie wirtschaftliche Vorteile bringen soll.233 Das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht kann von Verfassungs wegen kein geeignetes Kriterium für die Beurteilung der Frage sein, ob eine Meinungsäußerung im konkreten Einzelfall dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfällt. Wird jedem Bürger das Recht auf wirtschaftliche Freiheit garantiert, 229 Von Mangoldt/ Starck/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 1999, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 25. 230 Braun WRP 1982, 510ff. (512). 231 Enger noch BVerfGE 71, 162ff. (175) - „berufswidrige Werbung durch Ärzte“. 232 Von Mangoldt/ Starck/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 1999, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 25. 233 Vgl. BVerfGE 30, 336ff. (352) - „FKK“; BVerfGE 68, 226ff. (230) „Privates Bewachungsunternehmen“. 79 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte dann ergibt sich schon daraus mittelbar die Garantie eines Mindestmaßes wettbewerblicher Konkurrenz.234 Zu keinem anderen Ergebnis führt der Vergleich von Wahlpropaganda und wirtschaftlicher Werbung. Während die Wahlpropaganda zweifelsohne in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt, kann nichts anderes für die Wirtschaftswerbung gelten. Denn die politischen und wirtschaftlichen Gehalte sind praktisch kaum voneinander trennbar.235 Zudem würde die Nichteinbeziehung von Äußerungen mit wirtschaftswerbendem Charakter im Widerspruch zum Verbot staatlicher Bewertung von Meinungsäußerungen im weitesten Sinne nach Motivation, Gegenstand, Inhalt und Form stehen.236 Allerdings hat das BVerfG entschieden, das Grundrecht der Meinungsfreiheit könne für die Wirtschaftswerbung nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Werbung einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen, also dann, wenn die Äußerungen zwar in Wettbewerbsabsicht erfolgt ist, aber wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Probleme zum Gegenstand hat und daher wesentliche Belange der Allgemeinheit berührt.237 Nicht nur das Grundrecht der Meinungsfreiheit bietet der Wirtschaftswerbung verfassungsrechtlichen Schutz. Ebenso verhält es sich mit der verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit und der Kunstfreiheit. 234 Vgl. hierzu Lerche, Werbung und Verfassung, 1967, S. 71 mit weiteren Nachweisen dort in Fn. 7. 235 Braun WRP 1982, 510ff. (513); Wacke in FS für Schack, 1966, S. 197ff. (206). 236 Vgl. hierzu BVerfGE 71, 162ff (175) - „berufswidrige Werbung durch Ärzte“. 237 BVerfGE 71, 162ff. (175) - „berufswidrige Werbung durch Ärzte“; BVerfGE 95, 173ff. (182) - „Tabakerzeugnisse“; anders noch BVerfGE 40, 371ff. (382) - „Werbefahrten“; BVerfGE 60, 215ff. (229ff.) „Steuerberater“, in diesen Entscheidungen wurde der Wirtschaftswerbung nicht der Schutzbereich des Art. 5 GG eröffnet . 80 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Dem Grundsatz nach wird der Wirtschaftswerbung verfassungsrechtlicher Schutz geboten. Ob sich werbende Unternehmen im Einzelfall mit ihren Werbemaßnahmen auf diesen Schutz berufen können, soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit erörtert werden. 2. Der Begriff der Meinung in Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz GG Inwieweit der Aussagegehalt einer Werbemaßnahme begrifflich eine Meinung enthält, hängt zunächst vom Umfang des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit ab. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt den individuellen Meinungsbildungsprozeß, freiheit umfaßt. Die der die Meinungsäußerungs- Meinungsfreiheit sichert den Prozeß der geistigen Auseinandersetzung. Es soll gewährleistet werden, eine Meinung zu äußern, um daraus die Möglichkeit zu verwirklichen, geistige Wirkungen auf andere zu bezwecken und damit überzeugend auf die Gesamtheit zu wirken.238 Das BVerfG hat daher bereits in dem Lüth-Urteil auf die Unmöglichkeit einer Trennung zwischen Äußerung und bezweckter Wirkung hingewiesen.239 Unter den Begriff Meinung fallen nach einhelliger Ansicht die Elemente der Stellungnahmen, der Ansichten, der Auffassungen, der Überzeugungen, der Urteile und der Einschätzungen zu allen möglichen sachlichen Gegenständen und Personen.240 Der Schutz des Grundrechts wird unabhängig von dem Wert der Äußerung, ihrer 238 Weides WRP 1976, 585ff. (587). BVerfGE 7, 198ff. (210) — „Lüth“. 240 Bleckmann, Staatsrecht II, Die Grundrechte, 1997, § 26, Rn. 14; Badura, Staatsrecht, 1996, C 62; von Mangoldt/ Klein/ Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 1999, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 23ff. mit weiteren Nachweisen; BVerfGE 65, 1ff. (41) — „Volkszählung“ 239 81 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Richtigkeit, ihrer rationalen Begründetheit oder ihrer Emotionalität gewährleistet.241 Früher wurde die Werbung nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen, weil zwischen Überredung und Überzeugung differenziert wurde. Die Werbung wurde lediglich als Überredung deklariert, weil der Werbende nur darauf abziele, den potentiellen Käufer zu beeinflussen, was vorwiegend durch das Ansprechen des emotionalen Bereichs erfolge. Diese Form der Überredung sei nicht mitteilungswürdig und falle demnach nicht in den Schutzbereich.242 Die durch eine Werbemaßnahme ausgedrückte Überredung unterscheide sich von der eine Meinung ausdrückenden Überzeugung, da diese der Vernunft der Angesprochenen zugänglich sei. Damit wurde der Bereich der Beeinflussung aus dem Begriff der Meinungsfreiheit ausgeklammert. Der Begriff der Meinungsfreiheit wurde definiert als das Ergebnis rationaler Denkvorgänge, das im Gegenteil zum Emotionalen der geistigen Auseinandersetzung diene.243 Eine solche Differenzierung führte zu einer sehr engen Auslegung des Meinungsbegriffs und war wenig praktikabel. Die daraus resultierende Ausklammerung der Werbung aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit führte zu untragbaren Ergebnissen und konnte der Bedeutung der Kommunikationsgrundrechte nicht gerecht werden. Denn zum Teil wird Werbung genau strukturiert nach lerntheoretischen Gesichtspunkten vermittelt, so daß sich der Werbende sehr wohl mit der Resonanz der 241 BVerfGE 33, 1ff. (14) — „Strafgefangener“; BVerfGE 61, 1ff. (7) — „Wahlkampf“; BVerfGE 65, 1ff. (41) — „Volkszählung“. 242 Neumann-Duesberg Jura 1954, 82ff. (84); Rauschenbach MA 1955, 677ff. (683); Schmidt-Tophoff, Das Recht der Außenwerbung, 1965, S. 58; Strodthoff, Werbung in Wirtschaft und Recht, 1964, S. 69; Wacke in FS für Schack, 1966, S. 197ff. (198ff.). 82 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Allgemeinheit und dem Meinungsbildungsprozeß auseinandersetzt. Dies zeigt, daß die Werbung dann selbst nicht mehr als marktschreierische Reklame zu werten ist, sondern die Funktion einer Produkt- und Verbraucherinformation hat.244 Auch die Reaktionen der Allgemeinheit auf die einzelnen Werbemaßnahmen zeigen den Beitrag zur Kommunikation. Es gibt zahlreiche Beispiele, bei denen gerade die Beeinflussungsabsicht für die Gewährleistung des Grundrechtsschutzes ohne Belang ist. So wird die Wahlwerbung politischer Parteien unabhängig von ihrer überzeugenden oder gar beeinflussenden Wirkung dem Schutz der Meinungsfreiheit unterstellt.245 So sind bei einer politischen Wahlwerbung die politischen und wirtschaftlichen Gehalte praktisch kaum noch voneinander trennbar, da sich die politische Werbung im wesentlichen mit wirtschaftlichen Inhalten befaßt und diese unter anderem in plakativer Form vermittelt.246 Demnach kann die Absicht der Beeinflussung als Kriterium nicht herangezogen werden. Zudem muß eine Werbeanzeige als Nachricht gewertet werden.247 Denn schließlich wird bei einer Anzeige eine Ansicht geäußert, die in der Regel das umworbene Produkt betrifft. Wird eine Werbeaussage ohne Produktbezug gestaltet, so ist deshalb dem Werbenden nicht abzusprechen, daß er eine eigene Meinung ver243 Von Mangoldt/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, 1966, Art. 5 Abs. 3, Rn. 1. 244 Braun WRP 1982, 510ff. (512). 245 BVerfGE 7, 230ff. (234) - „Lüth“; BVerfGE 47, 198ff. (232ff.) „Wahlwerbespots“; BVerwGE 56, 56ff. (58ff.) - „Plakatständer“; BVerwGE 56, 63ff. (66ff.) - „Plakatträger“; BGH NJW 1979, 435ff. (436); BGH NJW 1979, 1610ff. (1611); OVG Bremen NJW 1968, 2078; OVG Berlin NJW 1973, 2044ff. (2046); vgl. Jarass NJW 1981, 193ff. (197) mit weiteren Nachweisen. 246 Braun WRP 1982, 510ff. (513); Wacke in FS für Schack, 1966, S. 197ff. (206); vgl. auch ZAW-Studie: Werbung über Satelliten; Rechtsfragen der Ausstrahlung und des Empfangs von Werbesendungen ausländischer Satelliten, edition ZAW, Bonn, 1981, S. 20. 247 BVerfGE 21, 271ff. (279) - „Südkurier“. 83 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte breiten will.248 Werbeaussagen ohne Produktbezug müssen ebenso in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen werden.249 Dazu führte das BVerfG bereits im Jahre 1967 aus: „So bedienen sich politische Parteien, wirtschaftliche und kulturelle Vereinigungen sowie Einzelpersonen häufig des Anzeigenteils von Zeitungen, um ihren Standpunkt der Allgemeinheit gegenüber zu vertreten und für ihre Bestrebungen zu werben.“250 Der Werbende wiederum macht sich die Anzeige zu eigen und steht hinter der inhaltlichen Aussage. Mittlerweile ist die Differenzierung zwischen Überredung und Überzeugung aufgegeben und der Schutzbereich der Meinungsfreiheit damit erheblich erweitert worden. Ohne ausdrücklich zwischen „Werturteilen“ und „Tatsachenbehauptungen“ zu unterscheiden, soll jedermann das Recht gewährt werden, seine Meinung frei zu äußern: Jeder soll frei sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann.251 Die Tatsache, daß ein Gewerbetreibender in Wettbewerb zu anderen steht, nimmt ihm nicht das Recht, zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen, die auch außerhalb seines ge- schäftlichen Bereichs liegen können, öffentlich Stellung zu nehmen.252 Auch bloße Bilder sind als Meinungsäußerung zu verstehen, wenn in diesen ein Wert- 248 Vgl. hierzu BGHZ 130, 198ff. (204) - „Ölverschmutzte Ente“; ebenso BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.-Positive“. 249 Toscani will mit seinen kreierten Werbebilder für die Firma Benetton Botschaften offenbaren. Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997. 250 BVerfGE 21, 271ff. (279) - „Südkurier“. 251 BVerfGE 42, 163ff. (170f.) – „Deutschland–Magazin“; BVerfGE 61, 1ff. (7) — „Wahlkampf“. 252 BGHZ 130, 198ff. (204) - „Ölverschmutzte Ente“. 84 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte urteil, eine Ansicht oder eine Anschauung zum Ausdruck kommt.253 Die Mitteilung einer Tatsache hingegen ist im engen Sinne keine Äußerung einer „Meinung“, weil ihr jenes Element fehlt. Geschützt ist sie allerdings insoweit, als sie vorhandene Meinungen bestätigt, bestärkt, bzw. das Entstehen von Meinung fördert oder beeinflußt und damit die Voraussetzung von Bildung der Meinungen ist.254 Unter Zugrundelegung dieses umfassenden Meinungsbegriffs stellt die Werbung im allgemeinen die Äußerung einer Meinung dar und fällt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.255 Mit dieser wird typischerweise das Ziel verfolgt, den Adressaten zu beeinflussen und zu überzeugen.256 Natürlich soll die Werbung potentielle Verbraucher über das Vorhandensein einer Ware informieren und darüber hinaus die Eigenschaften und Vorzüge des jeweiligen Produkts herausheben.257 Damit sollen potentielle Käufer bzw. Abnehmer eines Produkts oder einer Leistung zum Kauf oder aber zur Abnahme veranlaßt werden.258 So wird zum Teil sogar mit den Forschungsergebnissen des betreffenden Produkts geworben. durchgeführten Diese beruhen entweder Forschungsergebnissen auf oder eigens solchen, 253 BVerfGE 30, 336ff. (352) – „FKK“. BVerfGE 65, 1ff. (41) — „Volkszählung“. 255 Grundlegend Lerche, Werbung und Verfassung, 1967, S. 72ff.; Bethge in Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 1999, Art. 5, Rn. 25a; Braun WRP 1982, 510ff; Drettmann, Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit, 1984; Fezer, JZ 1998, 265ff.; Friauf/ Höfling, AfP 1985, 249ff.; Hoffmann-Riem ZUM 1996, 1ff.; Jarass NJW 1982, 1834; Ullmann GRUR 1996, 948ff.; Weides WRP 1976, 585ff.; Wendt in von Münch/ Künig, Grundgesetzkommentar, Band 1, 1992, Art. 5, Rn. 11; aus der neueren Rechtsprechung BGHZ 130, 205ff. — „Feuer, Eis & Dynamit“; BGHZ 132, 13ff. — „Pressemäßige Sorgfalt“; BGH AfP 1997, 905ff. — „Politikerschelte“. 256 Braun WRP 1982, 510ff. (512). 257 Vgl. Wacke in FS für Schack, 1966, S. 197ff. (202). 258 Friauf/ Höfling AfP 1995, 249ff.; Lerche, Grundrechtsfragen eines gemeinschaftsrechtichen Verbots mittelbarer Werbung, 1990, S. 55f. (53f.). 254 85 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte die an wirtschaftlichen Einrichtungen vergeben wurden.259 Der Wiedergabe solcher naturwissenschaftlich gefundenen Ergebnisse kann wohl kaum der Charakter geistiger Erkenntnisse abgesprochen werden. Aber auch ein Werbender, dessen Werbemaßnahmen keinen Produktbezug aufweisen, kann sich grundsätzlich auf das Recht der Meinungsfreiheit berufen. Denn einem Unternehmen, dem es in seiner Werbung lediglich um die Steigerung seiner namentlichen Bekanntheit im Verkehr geht, kann sich auch solcher Werbemethoden oder Werbegags bedienen, die keinerlei Bezug zum Gegenstand des Unternehmens oder zu dessen Leistungsfähigkeit haben.260 Diese unterschiedlichen Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu erwecken, ändern daran nichts.261 Es steht jedem frei, seine Meinung zu allgemein interessierenden politischen oder anderen Themen mit der Werbung für sein Unternehmen zu verbinden.262 Auch mit produktfremder Werbung kann demnach eine geistige Auseinandersetzung mit dem potentiellen Käufer stattfinden. Dies zeigen die von diesen geäußerten kritischen Äußerungen der Verbraucher gegen Form und Inhalt der jeweiligen Werbung, die bis hin zum Aufruf des Boykotts bestimmter Firmen oder Produkte führen kann.263 Die in Anzeigen, Prospekten, Plakaten, Werbefilmen und ähnlichem veröffentlichte Werbung ist ohne die Äußerung von Meinungen und Überzeugungen kaum denk- 259 Wacke in FS für Schack, 1966, S. 197ff. (202). BGHZ 130, 196ff. (200) — „Ölverschmutzte Ente“; BGH 905ff. (906) — „Politikerschelte“. 261 Vgl. BGHZ 130, 196ff. (199, 203f.) - „Ölverschmutzte NJW 1995, 2490ff. (2491f.) - „Kinderarbeit“. 262 BGHZ 130, 196ff. (204) — „Ölverschmutzte Ente“; BGH 905ff. (906) — „Politikerschelte“. 263 Von Mangoldt/ Starck/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band 1, 1999, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 25. 260 AfP 1997, Ente“; BGH AfP 1997, Kommentar, 86 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte bar.264 Denn die Aussage der Werbemaßnahme — produktbezogen oder nicht — macht sich der Werbende durch deren Produktion zu eigen. Demnach ist Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG für die Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Sittenwidrigkeit gemäß § 1 UWG von Bedeutung. In einigen Urteilen hat der BGH diese Problematik abgehandelt.265 Die darin ausgeführten Argumentationen lassen Zweifel an der hinreichenden Würdigung der Kommunikationsgrundrechte unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten aufkommen. a) Einzelne Urteile des BGH In dem „Busengrapscher-Urteil“ wird der Eindruck erweckt, der Inhalt einer Werbeaussage sei nun doch nicht uneingeschränkt schlossen. Dem vom Vertreiber Grundrechtsschutz von einge- Likörfläschchen mit Etiketten, auf denen die Bezeichnungen „Busengrapscher“ und „Schlüpferstürmer“ mit sexuell anzüglichen Bilddarstellungen von Frauen verbunden waren, wurde der Vertrieb aufgrund eines Verstoßes gegen § 1 UWG untersagt. Es vermittele den Eindruck der sexuellen Verfügbarkeit der Frau als mögliche Folge des Genusses des angepriesenen alkoholischen Getränks.266 In seinen Entscheidungsgründen führt der BGH aus, grundsätzlich sei zwar der verfassungsrechtliche Schutz von Kommunikationsfreiheiten für kommerzielle Werbeaussagen gewährleistet. In diesem Fall könne der Vertreiber einen solchen Schutz für seine Bezeichnungen 264 Braun WRP 1982, 510ff. (512). So z.B. BGHZ 130, 5ff. - „Busengrapscher“; BGHZ 130, 198ff. - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. - „H.I.V.-Positive“; BGH AfP 1997, 905ff. - „Politikerschelte“. 266 BGHZ 130, 5ff. (Leitsatz) - „Busengrapscher“. 265 87 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte jedoch nicht in Anspruch nehmen.267 Ein solcher Schutz setze voraus, daß der Werbung jedenfalls auch der Charakter einer Meinungsaussage zuzubilligen wäre, für den das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen geistiger Auseinandersetzung konstitutiv ist. An diesem Element fehle es, da die Werbung keinerlei Aussagebedürfnisse befriedige, sondern allein der Förderung des Absatzes der Ware diene. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit wird also den Likörfläschchen vorenthalten. Dann - und zwar obwohl der Schutzbereich dem Umfang nach bereits abgelehnt wird - wertet der BGH die Werbung aus und stellt fest, daß „beide Etiketten durch Wort- und Bilddarstellungen geprägt werden, die in obszöner Weise den Eindruck der freien Verfügbarkeit der Frau in sexueller Hinsicht vermitteln und zugleich die Vorstellung fördern sollen, die so bezeichneten alkoholischen Getränke seien geeignet, solcher Verfügbarkeit für die angesprochenen sexuellen Handlungen Vorschub zu leisten. Der angesprochene Verkehr werde daher zu großen Teilen obszöne Andeutungen dieser Art als ernstgemeint ansehen, wenn sie - wie hier - zur Förderung des Absatzes eines alkoholischen Getränks eingesetzt werden. Denn bei Berücksichtigung einerseits der in starkem Maße anzüglichen Schlagworte und Abbildungen, andererseits der allgemein bekannten enthemmenden Wirkung von Alkohol sei die Feststellung des Berufungsgerichts, das Publikum werde die Etikettierung nicht mindestens auch als Propagierung eines Mittels zur Überwindung sexueller Widerstände verstehen, mit der Lebenserfahrung nicht in Einklang zu bringen.“268 Die Darstellung der sexuell freien Verfügbarkeit der Frau infolge Genusses alkoholischer 267 BGHZ 130, 5ff. (11) - „Busengrapscher“. 88 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Getränke sei mit der „Herabsetzung eines Bevölke- rungsteils“ verbunden und müsse als Diskriminierung der Frau gewertet werden.269 Muß daraus geschlossen werden, daß die mit den Likörfläschchen verbundenen Etiketten doch einen Aussagegehalt haben? Auch vermag nicht zu überzeugen, daß sich der BGH nach seiner vorangegangenen Argumentation auf die Ebene der Interessenabwägung begibt und ausführt, ein ausschließlich kommerzielles Interesse habe bei der gebotenen Güterabwägung an Bedeutung und Gewicht zurückzutreten, wenn ihm ein schützenswertes Interesse anderer gegenüberstehe.270 Wenn doch schon der Schutzbereich abgelehnt wird, dann kommt es gar nicht mehr zu einer solchen Abwägung! Deshalb trägt diese Entscheidung der Bedeutung und dem Ausmaß der Meinungsfreiheit nicht ausreichend Rechnung. Diese Entscheidung wird einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kaum standhalten können. Zudem hat das BVerfG verschiedentlich festgestellt, daß der Einfluß dieses Grundrechts bereits verkannt wird, wenn die Gerichte ihrer Beurteilung eine Äußerung zugrunde legen, die so nicht gefallen ist, wenn sie dieser einen Sinn geben, den sie nach dem gestellten Wortlaut objektiv nicht hat, oder wenn sie sich unter mehreren möglichen Deutungen für die zur Verurteilung führende entscheiden, ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen.271 Die Etiketten lassen noch eine andere Deutung zu als die von dem Gericht getroffene. Das Gericht legt seiner Beurteilung zwar die mögliche Doppeldeutigkeit 268 269 270 BGHZ 130, 5ff. (9) - „Busengrapscher“. Vgl. auch Wehlau DZWir 1996, 142ff. (143). BGHZ 130, 5ff. (11f.) – „Busengrapscher“. 89 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte der Etiketten zugrunde: es werde der Gedanke an Enthemmung nicht allein der Frau geweckt, sondern auch des Mannes, um ihm Mut zu sexuellem Vorgehen zu machen.272 Diese bildlichen Darstellungen führten zur Herabsetzung und Diskriminierung des weiblichen Bevölkerungsteils. Dabei verkennt das Gericht allerdings, daß mit den „Schlüpferstürmer“ Begriffen die „Busengrapscher“ männliche Bevölkerung und ange- sprochen wird und zwar nicht in Bezug darauf, diesen Mut zur sexuellen Vorgehensweise zu machen.273 Auch wenn kein „Busengrapscher“ dargestellt ist, sondern ein harmonierendes Pärchen, spricht der Begriff selbst doch die männliche Bevölkerung in diskriminierender Weise an.274 Und auch die Abbildung eines harmonierenden Pärchens mit der Überschrift „Busengrapscher“ läßt nicht notwendig den Schluß auf die Herabsetzung der weiblichen Bevölkerung zu. Diese andere Deutungsmöglichkeit hätte der BGH in seinen Entscheidungsgründen zumindest erwähnen und im Ergebnis mit überzeugender Begründung ablehnen müssen. Auch die Argumentation des BGH bezüglich der Benetton-Werbekampagne vermag nicht zu überzeugen.275 Zwar erkennt er an, die Meinungsäußerung eines Gewerbetreibenden liege nicht außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 werbszwecken Abs. im 1 Satz Sinne von 1 GG, § 1 weil UWG sie Wettbe- diene.276 Der Schutzbereich sei nur dann eröffnet, wenn der Aussagegehalt einer Werbemaßnahme neben Wettbewerbszwecken 271 BVerfGE 43, 130ff. (136) - „Flugblatt“; BVerfGE 82, 43ff. (50f.) „Anti-Strauß-Komitee“; BVerfGE 82, 272ff. (280f.) - „Ministerpräsident Strauß“. 272 BGHZ 130, 5ff. (9) - „Busengrapscher“. 273 Vgl. Oellers BGH EWiR § 1 UWG 13/95, 811f. (812). 274 Hoffmann-Riem ZUM 1996, 1ff. (2). 275 BGHZ 130, 198ff. - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. - „H.I.V.-Positive“. 276 Vgl. Kapitel 3 A. I 1. a); BGHZ 130, 196ff. (203) — „Ölverschmutzte Ente“. 90 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte auch Belange der Allgemeinheit betreffe.277 Wenn sie wirtschaftliche, politische, soziale und kulturelle Probleme zum Gegenstand habe, denen innerhalb der öffentlichen Auseinandersetzung ein nicht unerheblicher Stellenwert zugemessen wird, die Meinungskundgabe der Werbemaßnahme also das Mittel zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden — auch wirtschaftspolitische — Frage darstellt und es dem Werbenden um eine argumentative Auseinandersetzung der interessierten Öffentlichkeit geht, dann sei in die Abwägung der wechselseitigen Rechtsgüter — Lauterkeit des Meinungsäußerungsfreiheit ten. Wettbewerbs einerseits andererseits — und einzutre- 278 Eine solche an die Öffentlichkeit gerichtete Äußerung müsse vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sein, so daß ein daneben auftretendes Handeln zum Zwecke sei.279 „Der des Wettbewerbs vernachlässigungswürdig verfassungsrechtliche Schutz der Mei- nungsäußerungsfreiheit und das Interesse der Öffentlichkeit, in den Meinungsbildungsprozeß wichtiger öffentlicher und wirtschaftlicher Fragen eingebunden zu werden, lassen es nicht zu, hinter jeder im Meinungskampf getroffenen Äußerung mit wettbewerbsrechtlichem Bezug ein entsprechendes zielgerichtetes absichtliches Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs zu sehen.“280 Nur wenn die Absicht, den eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, hinter den anderen Beweggründen der öffentlichen Meinungsäußerung zurücktrete, könne 277 Vgl. auch BGHZ 130, 196ff. (203) — „Ölverschmutzte Ente“; ferner auch BGH GRUR 1992, 707ff. (708f.) — „Erdgassteuer“. 278 BGH NJW 1992, 3304f. (3304) — „Erdgassteuer“; BGHZ 130, 196ff. (203f.) - „Ölverschmutzte Ente“. 279 BGH NJW 1992, 3304f. (3304) - „Erdgassteuer“; BGH AfP 1986, 219ff. (220) - „Gastrokritiker“. 91 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte die Sittenwidrigkeit gemäß § 1 UWG nicht begründet werden. Ebenfalls wird der Schutzbereich verwehrt, wenn solche Äußerungen über eine bloße Meinungskundgabe hinaus dazu dienten, in den individuellen Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs bestimmter Marktkonkurrenten einzugreifen und wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung der Allgemeinheit lediglich als Mittel zum Zweck der Förderung privater Wettbewerbsinteressen eingesetzt werde.281 Der BGH trifft auch hier bereits auf der Ebene der Bestimmung des Schutzbereichs eine Einschränkung der Meinungsfreiheit für den Werbenden. Er führt aus, würde es im Falle der Benetton-Werbung zu einer Interessenabwägung von Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und dem Schutz des unlauteren Wettbewerbs andererseits kommen, sei die in dieser Werbekampagne betriebende Image-Werbung nicht zu beanstanden.282 Allerdings kommt er gar nicht erst zu einer solchen Interessenabwägung. Vielmehr beurteilt er die öffentlichen Äußerungen der Firma Benetton dahingehend, daß mit den unterschiedlichen Werbebildern, bei denen sich das Unternehmen jeweils auf das Elend der Welt bezieht, eine solidarisierende Gefühlslage mit dem werbenden Unternehmen geschaffen werde. Das Unternehmen spreche die Gefühle des Mitleids des Verbrauchers an und stelle sich gleichermaßen als betroffen dar. Damit solle eine Solidarität von sozialem Engagement und den Gefühlen des Mitleides des Verbrauchers mit dem Namen und der Geschäftstätigkeit des Unternehmens ohne eine sachliche Veranlassung hergestellt wer- 280 BVerfG NJW 1992, 1153f. (1154) — „Rundschreiben“; BGHZ 130, 196ff. (204) — „Ölverschmutzte Ente“. 281 BGH GRUR 1984, 357ff. (359) - „Kundenboykott“. 282 BGHZ 130, 196ff. (204) — „Ölverschmutzte Ente; BGH NJW 1995, 2490ff. - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. - „H.I.V.-Positive“. 92 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte den.283 Zwar wird nicht ausgeschlossen, daß die Abbildungen über das aufgezeigte Elend möglicherweise eine Äußerung als öffentliche Stellungnahme zu den unsere Gesellschaft berührenden Ereignissen darstellen könnten. Der Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sei dennoch versagt, da diese Äußerungen nichts wesentliches zur Auseinandersetzung zu öffentlichen und wirtschaftlichen Fragen Elend unserer Gesellschaft über das beitrügen. 284 aufgezeigte Dabei ver- kennt der BGH, daß sich das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht im Schutz einzelner Äußerungen erschöpft, sondern die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung insgesamt sichern will.285 Indem Aufmerksamkeit auf Probleme gelenkt wird und dadurch Antworten hervorgerufen werden, wird zur Bildung von Meinungen beigetragen, da diese Antworten wieder in den Prozeß der Kommunikation einfließen.286 Die Frage der Kommerzialisierung einer Äußerung ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium für die Bestimmung des Schutzbereichs. Der BGH nimmt bereits auf der Schutzbereichsebene eine Beurteilung vor, die erst auf der Schrankenebene stattfinden dürfte. Denn die grundsätzliche Einbeziehung der kommerziellen Werbung in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit verlagert die notwendigen Abgrenzungsaufgaben zur Feststellung der endgültigen Schutzgewährung in die Bestimmung der Grundrechtsschranken des Art. 5 Abs. 2 GG.287 Der Gesetzgeber kann die Werbeaussagen nur nach dieser Maßgabe verbieten oder beschränken. Gemäß Art. 283 BGHZ 130, 196ff. (200f.) - „Ölverschmutzte Ente“ mit weiteren Nachweisen. 284 BGHZ 130, 198ff. - „Ölverschmutze Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. „Kinderarbeit“. 285 BVerfGE 57, 295ff. (319) – „Rundfunksendung“; BVerfGE 85, 23ff. (31) – „Rhetorische Fragen“. 286 BVerfGE 85, 23ff. (31) – „Rhetorische Fragen“. 93 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte 5 Abs. 2 GG wird die Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährleistet. Sie findet ihre Schranken vielmehr in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze.288 Allgemeine Gesetze sind nach dem BVerfG solche, die „nicht eine Meinung als solche verbreiten, die sich nicht gegen die Äußerungen der Meinung als solche richten,“ die vielmehr „dem Schutz des Gemeinschaftswertes, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit Vorrang hat.“289 Im Bereich der Wirtschaftswerbung hat § 1 UWG als schrankenkonkretisierende Norm erhebliche Bedeutung.290 Die Meinungsfreiheit entbindet den Werbenden nicht von seiner Pflicht, die Gesetze zum Schutz des unlauteren Wettbewerbs zu beachten.291 Soweit er sich im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken äußert, ist er eingebunden in die Ordnungsregeln des Wettbewerbsrechts.292 Diese Normen stehen - wie gerade bei der Generalklausel des § 1 UWG mit ihrem unbestimmten Rechtsbegriff der guten Sitten deutlich wird, ihrerseits unter dem Gebot der Auslegung im Lichte der verfassungsrechtlichen Grundrechte, damit dessen wertersetzende Bedeutung für das Privatrecht auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommen kann.293 Findet eine Einschränkung statt, dann muß die Vorschrift des § 1 UWG als allgemeines Gesetz in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im 287 So jetzt die RS, vgl. z.B. BGH AfP 1997, 905ff. (907) — „Politikerschelte“. 288 Auf die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und der persönlichen Ehre wird in dieser Arbeit nicht eingegangen. 289 So grundlegend - unter Kombination verschiedener Ansichten der Weimarer Staatsrechtslehre: BVerfGE 7, 198ff. (209) - „Lüth“; BVerfGE 50, 234ff. (240f.) - „Kölner Volksblatt“; BVerfGE 62, 230ff. (243f.) - „Boykott“; BVerfGE 71, 206ff. (214) - „Flick-Spendenaffäre“; BVerfGE 95, 220ff. (235f.) - „Sendezeitmitschnitte“. 290 Vgl. BVerfGE 62, 230ff. (248) - „Boykott“; BGHZ 130, 196ff. (203f.) - „Ölverschmutzte Ente“. 291 BGHZ 130, 196ff. (203) — „Ölverschmutzte Ente“. 292 BGHZ 130, 196ff. (203) — „Ölverschmutzte Ente“. 94 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts auf Meinungsfreiheit gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Rechts auf jeden Fall gewahrt bleibt.294 Das heißt, es findet eine Wechselwirkung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und § 1 UWG als allgemeines Gesetz statt.295 Und im Rahmen dieser Abwägung gewinnt die Frage nach der Kommerzialisierung an Bedeutung.296 Schon terminologisch gesehen ist es geboten, eine strikte Trennung zwischen der Grundrechtsgewährleistung, das heißt der Bestimmung des Schutzbereichs der Grundrechte und die Feststellung des Vorliegens eines Eingriffs in den Schutzbereich einerseits und der Grundrechtsbeschränkung, das heißt der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs in die Grundrechte anhand einer Interessenabwägung andererseits, vorzunehmen.297 Diese systematische Grundrechtsprüfung wird vom BVerfG und der Literatur verwendet, damit eine Rationalisierung der grund- rechtstheoretischen Argumentation möglich wird. Die logische Konsequenz bei der Einhaltung dieser Trennung ist, daß sowohl der Werbende als auch der Adressat an jenem Prozeß der öffentlichen Kommunikation teilnehmen und den Grundrechtsschutz der Kommunikati- 293 BVerfGE 7, 198ff. (208) - „Lüth“; BVerfGE 82, 272ff. (280) - „Ministerpräsident Strauß“. 294 BVerfGE 7, 198ff. (208f.) - „Lüth“; BVerfGE 82, 43ff. (50) - „Anti-Strauß-Komitee“; BVerfG NJW 1992, 1153f. (1154) - „Rundschreiben“; BGHZ 130, 196ff. (203f.) - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490f. (2491) - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) „H.I.V.-Positive“. 295 Wechselwirkungslehre des BVerfG, BVerfGE 7, 198ff. (208f.) „Lüth“; BVerfGE 71, 206ff. (214) - „Flick-Spendenaffäre“; vgl. auch Pieroth/ Schlink, Staatsrecht II, Grundrechte, 1998, Rn. 595ff.; Bleckmann, Staatsrecht II, Die Grundrechte, 1997, § 12, Rn. 79f. 296 BVerfGE 61, 1ff. (7f.) – „Wahlkampf“; BVerfG NJW 1992, 1153f. – „Rundschreiben“; Grimm NJW 1995, 1697ff. (1698); Grigoleit/ Kersten DVBl. 1996, 596ff. (601). 297 Fezer JZ 1998, 265ff. (269); Pieroth/ Schlink, Staatsrecht II, Grundrechte, § 6, Rn. 195ff. 95 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte onsfreiheiten genießen.298 Durch das unter wettbe- werbsrechtlichen Gesichtspunkten gesehene gerichtlich ausgesprochene Verbot wird in den Grundrechtsschutz des Werbenden eingegriffen. Unerheblich ist dabei zunächst der Kontext des Kommunikationsaktes. Relevant wird dieser erst im Rahmen der Rechtmäßigkeit des Eingriffs und der damit verbundenen Interessenabwägung.299 In den Benetton-Urteilen des BGH ist aus den Entscheidungsgründen nicht klar erkennbar, ob die Werbeaussagen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen und die gerichtliche Untersagung der Verbreitung dieser als Eingriff darin gewertet wird.300 Vielmehr vermischen sich in der Argumentation die Frage nach dem Umfang des Schutzbereichs mit der der Rechtmäßigkeit des Eingriffs. Dabei bleiben die Grundsätze des BVerfG unbeachtet, wonach die Motive, und damit zusammenhängend das Ziel und der Zweck der Werbeaussagen, im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung ohne jede Bedeutung sind.301 Erst in der Interessenabwägung, also bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Untersagung einer Werbeaussage sind die Grundsätze wesentlich.302 Finden die Werbeaussagen ihren Grund nicht in eigenen Interessen wirtschaftlicher Art, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit, 298 Ahrens JZ 1995, 1096ff. (1100). Vgl. Ahrens JZ 1995, 1096ff. (1100), der allerdings im Ergebnis verkennt, daß der BGH die notwendigen Abgrenzungsaufgaben zur Feststellung der endgültigen Schutzgewährung nicht in die Grundrechtsschranken des Art. 5 Abs. 2 GG verlagert, sondern diese Problematik bereits auf der Schutzbereichsebene erörtert, indem der Grundrechtsschutz verwehrt wird und dennoch eine pro forma Abwägung stattfindet. 300 Vgl. Fezer JZ 1998, 265ff. (269); Hoffmann-Riem ZUM 1996, 1ff. (2). 301 BVerfGE 7, 198ff. (212, 215) - „Lüth“; BVerfGE 25, 256ff. (264) „Blinkfüer“; BVerfGE 62, 230ff. (244) - „Boykott“; BVerfG NJW 1992, 1153f. (1154) - „Rundschreiben“. 302 BVerfGE 62, 230ff. (244) - „Boykott“; BVerfG NJW 1992, 1153f. (1154) - „Rundschreiben“. 299 96 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte dient sie der Einwirkung auf die öffentliche Meinung, dann ist die Aufforderung durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, auch wenn dadurch private und namentlich wirtschaftliche Interessen beeinträchtigt werden.303 Unter Beachtung der Grundsätze des BVerfG stellt sich auch bei den Entscheidungen zur Benetton- Werbekampagne die Frage, ob der BGH dem Aussagegehalt der Werbebilder die richtige Beurteilung zugrunde gelegt hat. Andernfalls wäre der Einfluß des Grundrechts auf Meinungsfreiheit verkannt, insbesondere wenn eine andere mögliche Deutungen nicht hinreichend gewürdigt wurde.304 Zwar steht die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall prinzipiell dem zuständigen Fachgericht zu. Allerdings muß dies insoweit einer Überprüfung standhalten, daß der Bedeutung und Tragweite des betroffenen Rechts ausreichend Rechnung getragen wird.305 Bei Eingriffen in die Meinungsfreiheit kann sich die Überprüfung nicht auf die Frage beschränken, ob die angegriffenen Entscheidungen Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen rechts, Anschauung insbesondere von vom der Bedeutung Umfang seines des Grund- Schutzbe- reichs, beruhen.306 Vielmehr muß geprüft werden, ob jene Entscheidungen bei Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts die verfassungsrechtlich gewährlei303 BVerfGE 7, 198ff. (219) - „Lüth“. Vgl. BVerfGE 43, 130ff. (136) - „Flugblatt“; BVerfGE 82, 43ff. (52f.) - „Anti-Strauß-Komitee“; BVerfGE 82, 272ff. (280f.) - „Ministerpräsident Strauß“. 305 BVerfGE 18, 85ff. (92) - „Bräunungsmittel“; BVerfGE 68, 226ff. (230) - „Privates Bewachungsunternehmen“; BVerfGE 82, 272ff. (280) „Ministerpräsident Strauß“. 304 97 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte stete Meinungsfreiheit verletzt haben.307 Denn je mehr eine zivilrechtliche Entscheidung grundrechtsge- schützte Voraussetzungen freiheitlicher Existenz und Betätigung verkürzt, desto eingehender muß die verfassungsrechtliche Prüfung sein, ob eine solche Verkürzung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.308 Eine Verletzung von Verfassungsrecht kommt dann in Betracht, wenn für die Beurteilung der in § 1 UWG vorausgesetzten Sittenwidrigkeit der Einfluß des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG von Bedeutung ist.309 In seiner Argumentation ist der BGH in die Interessenabwägung der verschiedenen Güter eingetreten. Eine solche findet regelmäßig im Rahmen der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs statt. Der BGH beurteilte die mit der Image-Werbung der Firma Benetton getätigten öffentlichen Äußerungen als nichts Wesentliches zur Auseinandersetzung über das aufgezeigte Elend beitragend. Vielmehr werde darauf abgezielt, beim Verbraucher eine mit dem werbenden Unternehmen solidarisierende Gefühlslage zu schaffen, die der Steigerung des Ansehens des solchermaßen werbenden Unternehmens diene und damit letztlich zu kommerziellen Zwecken eingesetzt werde. Es solle bei dem Verbraucher über dessen Gefühle des Mitleids und der Ohnmacht eine Solidarisierung mit dem Namen des Unternehmens bewirken, welches dieses Elend aufspüre.310 Diese Beurteilung weist jedoch Defizite auf. Die Benetton-Werbekampagne wird durch die Thematisierung von politisch-sozialen Problemen, wie Krieg, 306 BVerfGE 18, 85ff. (93) - „Bräunungsmittel“. BVerfGE 43, 130ff. (36) - „Flugblatt“. 308 BVerfGE 54, 129ff. (135) – „Kunstkritik“; BVerfGE 61, 1ff. (6) – „Wahlkampf“. 309 BVerfG NJW 1992, 1153f. - „Rundschreiben“. 307 98 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Aids, Rassismus und die Probleme unserer heutigen Umwelt charakterisiert.311 Die Werbebilder sind losgelöst von dem umworbenen Produkt und verbunden mit Gefühlen, Stimmungen und Befindlichkeiten, mit denen keine Produktinformationen mehr bezweckt werden. Mit dieser Werbekampagne vollzieht die herkömmlich produktbezogene und in dieser Hinsicht informative Werbung einen Wandel hin zur Lifestyle-Werbung. Die Werbekampagne begann mit der Abbildung einer Farbigen, die ein weißes Baby stillt. Mit dieser Abbildung wurde die Problematik der Rassendiskriminierung angesprochen. Durch diese Abbildung fühlte sich eine Gruppe von Farbigen diskriminiert, da diese Abbildung das frühere Klischee von der farbigen Frau, die als „Amme“ fungiert, aufwarf.312 Auch das in diesem Rahmen veröffentlichte Bild von zwei Kleinkindern auf Nachttöpfen sitzend – ein weißes und ein farbiges – erinnert an die Entwicklung der Rassenzusammengehörigkeit. Im Verlauf dieser Werbekampagne wurden Photographien von existentieller und bedrückender Not der Menschen unserer Zeit veröffentlicht. Es wurden unter anderem ein Aids-Toter, der von seinen verzweifelten Angehörigen betrauert Menschenknochen und wird, ein ein mit Kämpfer Menschen mit einem überfülltes Flüchtlingsschiff dargestellt. So sind Farbige abgebildet, die sich gedrängt in einem roten TransportContainer befinden, und viele weitere Farbige, die versuchen, mit ihren Kindern und ihrer geringen Habe den Container noch zu erreichen. Daneben wird ein Kleinstkind auf den Container gezerrt, und zwei Soldaten, von denen einer mit einem Maschinengewehr be- 310 BGHZ 130, 198ff. (205) - „Ölverschmutzte Ente“. Vgl. Hoffmann-Riem ZUM 1996, 1ff. (2f.); Kassebohm, Grenzen schokkierender Werbung, 1995, 2. Kapitel, Abschnitt 3.3.2, S. 108ff. 312 Siehe hierzu konkrete Angaben in Kapitel 4 B. II. 311 99 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte waffnet ist, stehen dicht beim Container.313 Diese Bilder problematisierten die Flüchtlingswelle, da sie in einem Zeitpunkt veröffentlicht wurden, in dem aus der Tagespresse und dem Fernsehen Flucht- und Bürgerkriegssituationen in Afrika allgemein bekannt wa- ren.314 Dann folgte die Abbildung eines Soldatenfriedhofes zum Zeitpunkt des Golfkrieges, kurz später die eines blutverschmierten T-Shirts und der Uniformhose eines bei Mostar gefallenen bosnischen Studenten. Die Werbekampagne schloß ab mit der Abbildung eines H.I.V.-Positiven, umgeben von seiner Familie; einer ölverschmutzten Ente, die auf einem Ölteppich schwimmt und Kleinkindern aus der Dritten Welt, die bei einem Hausbau helfen und schwere Ziegelsteine verladen und stapeln.315 Damit wurden die Themen der Stigmatisierung von H.I.V.-Positiven in unserer Gesellschaft, der Umweltverschmutzung verbunden mit der Gefährdung der natürlichen Lebenswelt und die Ausbeutung von Kindern problematisiert. Bei den meisten Abbildungen handelt es sich um Photographien mit realem Geschehen, die im Rahmen von Nachrichten bereits veröffentlicht wurden. Aus diesem Grunde hat die Anzeigenkampagne enorme Aufmerksamkeit gefunden. Vielfach wurden bei dem Betrachter Emotionen des Mitleides und des Mitgefühls mit den betroffenen Menschen ausgelöst. Anstoß nahm der BGH an den Werbebildern, da sie mit dem Werbelogo der Firma Benetton316 versehen waren. Die Abbildungen zeigen allesamt einen graphisch zurückhaltend angebrachten Hinweis auf das Unternehmen 313 Vgl. zur Entwicklung der Werbekampagne der Firma Benetton auch die unter Kapitel 2 B. I. dargestellten Abbildungen. 314 Vgl. OLG Frankfurt a. M. AfP 1992, 378f. – „Transportcontainer“. 315 BGHZ 130, 196ff. – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. – „H.I.V.-Positive“. 100 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Benetton. Dieses entsprechenden Firmenlogo Abbildungen in Verbindung erfordert die mit den Darlegung der einzelnen Interpretationsmöglichkeiten, um zu einer gleichgewichtigen Interessenabwägung gelangen zu können.317 Das Ziel und der Zweck der Meinungsäußerung einerseits und die Absicht, den eigenen Wettbewerb zu fördern andererseits, hätten zunächst einer Feststellung bedurft, um später zu einer Abwägung gelangen zu können. Der BGH würdigt in seinen Entscheidungsgründen nicht, daß durch den Werbeslogan auf den Abbildungen alleine nicht ein möglicher politisch-sozialer Gehalt und dessen Eignung, die Meinungsbildung zu beeinflussen, entfällt. Es hätte einer eingehenden Begründung bedurft, ob der werbende oder der politisch-soziale Gehalt im Vordergrund steht. Der BGH ist damit den entwickelten Grundsätzen des BVerfG nicht gerecht geworden, da er die einzelnen Bedeutungsgehalte der Werbebilder nicht hinreichend dargelegt und miteinander abgewogen hat. Somit fehlt es an Angaben überzeugender Gründe, warum sich der BGH vorrangig für den werbenden Gehalt der Werbebilder entschied. Zwar schließt er nicht aus, daß die Äußerung eines Unternehmens in einer Werbemaßnahme zugleich eine öffentliche Stellungnahme zu die Gesellschaft berührenden Ereignisse sein könne. Die Werbebilder der Firma Benetton würden jedoch nichts wesentliches zur öffentlichen Auseinandersetzung beitragen, so daß ein informatorischer Gehalt der Anzeigenkampagne abgelehnt wird. Dabei wird verkannt, daß aufgrund der Thematisierung aktueller politisch-sozialer Probleme den 316 „United Colors of Benetton“. So führt Hoffmann-Riem aus, da auf ein bestimmtes Produkt in den Werbebildern nicht verwiesen werde, werde derjenige, der die Firma 317 101 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Werbebildern in jedem Fall auch ein informatorischer Gehalt zuzusprechen ist. Denn das dezent angebrachte Werbelogo ohne jedweden Produktbezug weist nicht notwendig auf einen rein werbenden Charakter hin. Zwar wurde sowohl von dem OLG Frankfurt als auch von dem BGH entschieden, daß die Werbebilder der Firma Benetton in sittenwidriger Weise der Umsatzsteigerung mittels „emotionaler Ansprache“ dienten und damit außerhalb des Leistungswettbewerbs stünden.318 Der BGH hätte zumindest eingehend darlegen und begründen müssen, warum der werbende Gehalt der Werbebilder dem informatorischen gegenüber vorrangig ist.319 Denn die Kommerzialisierung einer Werbemaßnahme darf nicht zur zensorischen Beurteilung des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit herangezogen werden.320 Auch diese Entscheidungen des BGH genügen deshalb in ihrer Argumentation den Ansprüchen des BVerfG nicht, da in den Werbebildern auch eine Äußerung informatorischen Charakters zu sehen war und diese mögliche Deutung der Äußerungen ohne Angaben von überzeugenden Gründen abgelehnt bzw. gar nicht erst gesehen wurde.321 Zwar ist im Ergebnis sicherlich richtig, daß die Firma Benetton mit den Ausschnitten realer Not- und Katastrophensituationen vorrangig die Durchsetzung wirtschaftlicher und ökonomischer Interessen bezweckte, der Weg zu diesem Ergebnis ist jedoch unzurei- Benetton nicht kennt, keinen werbenden Gehalt erkennen können; in ZUM 1996, 1ff. (2). 318 OLG Frankfurt AfP 1992, 378f. (378) – „Transportcontainer“; BGHZ 130, 196ff. (200f.) - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.Positive“. 319 Hoffmann-Riem ZUM 1996, 1ff. (2f.). 320 Fezer JZ 1998, 265ff. (269). 321 Vgl. BVerfGE 82, 43ff. (50f.) – „Anti-Strauß-Komitee“; BVerfGE 82, 272ff. (280f.) –„Ministerpräsident Strauß“. 102 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte chend.322 Es weisen viele Indizien auf eine solche Interpretation. So äußerte der Firmeninhaber Luciano Benetton während eines Interviews, das Ziel seiner Werbekampagne sei, den Wettbewerb nicht den Kopf zu verlieren. 323 zu gewinnen und Weiterhin wies Luciano Benetton darauf hin, die von der Bevölkerung aufgrund der geschalteten Werbemaßnahmen erfolgten Proteste seien von dem Unternehmen eingeplant worden und gehörten zu Teilen der Werbestrategien.324 Durch diese Äußerung wird ein rücksichtsloses Streben nach Gewinn zum Ausdruck gebracht.325 Folgende Worte wurden von der Presse vielfach zitiert: „Unsere Werbekampagne soll zeigen, daß es in unserem Betrieb nicht nur um Geld geht, sondern daß auch der Wille da ist, über bestimmte Probleme der Gesellschaft zu diskutie- ren.“326 Auch Oliviero Toscani ließ sich über den Sinn der Werbekampagne aus: „Wenn über eine Firma so gesprochen wird, dann werden auch deren Produkte, vielleicht nicht für intelligenter, aber auch jeden Fall für interessanter gehalten, als die der Konkur- renz.“327 Diese Worte zeigen, daß es der Firma zumindest in erster Linie um das Geld geht und damit der werbende Charakter der Anzeigen vorrangig ist. 322 Vertreten wird diese Ansicht von Kassebohm, Grenzen schockierender Werbung, 1995, Kapitel 2, 3.3.2, S. 108ff.; Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff. (539); dieselbe GRUR 1993, 950ff. (952). Sevecke hält diese Ansicht zumindest genauso gut vertretbar wie die mögliche Interpretation, Benetton sei es um eine Einwirkung auf die öffentliche Meinung zu den betreffenden Themen gegangen, in AfP 1994, 193ff. (203). In Frage gestellt wird dies zumindest aufgrund der ungenügenden Argumentation des BGH von Hoffman-Riem ZUM 1996, 1ff. (2f.); Grigoleit/ Kersten vertreten die Ansicht, der Meinungsfreiheit hätte Vorrang vor der Lauterkeit des Wettbewerbs gebührt, da die Image-Werbung nicht ausschließlich wettbewerbsrechtlichen Zwecken diene, in DVBl. 1996, 596ff. (602). 323 So wiedergegeben von Glabus, in FAZ vom 12.9.1994, S. 18. 324 Ohne Verfasser, Artikel in der FAZ vom 17.2.1994, S. 9. 325 Kassebohm, Grenzen schockierender Werbung, 1995, Kapitel 2, Abschnitt 3.3.2, S. 113f. 326 So z.B. wiedergegeben in W + V Background 10/1994, S. 61. 327 Siehe Süddeutsche Zeitung/ Magazin, Nr. 41 vom 9.10.1992, S. 38ff. (45). 103 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Die vom BGH in seinem Urteil vom 15.5.1997 abgehandelten Werbekampagne der Firma Togal weist dogmatisch gesehen in seinen Entscheidungsgründen ebenfalls Fehler auf.328 Die Firma schaltete in dem Nachrichtenmagazin Spiegel folgende Anzeigen: Ausgabe Spiegel 24/93 Wenn ein leitender Angestellter... • wichtige Sachverhalte verschweigt, • mehr Geld ausgibt als in der Kasse ist, • Fehlinvestitionen in Millionenhöhe vornimmt, • auf Geschäftskosten Privatreisen durchführt, dann wird er zur Verantwortung gezogen und gefeuert. Wenn gewisse leitende Staatsdiener ähnlich verfahren... • bleiben sie im Amt und Würden oder • werden sie befördert, • treten sie aus gesundheitlichen Gründen zurück, • werden sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt Bei hohen Pensionsansprüchen und 3 Monaten Gehaltsfortzahlung. Wir fordern gleiches Recht für alle! (Unterschrift) Togal Werk München Ausgabe Spiegel 25/93 Wenn wir... • den Hund des Nachbarn beißen, • Firmengelder veruntreuen, • verbindliche Zusagen nicht einhalten, • vor Gericht unter Eid falsch aussagen, 328 BGH AfP 1997, 905ff. - „Politikerschelte“; die Entscheidung des Berufungsgericht abgedruckt in OLG München WRP 1994, 413ff. - „Togal“ mit Anm. von Sosnitza. 104 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte • Steuern hinterziehen, • einen Verkehrsunfall verursachen, • gesundheitsschädliche Produkte vertreiben, dann sind wir... haftbar und werden bestraft, sogar mit Gefängnis. Gewisse Politiker dagegen... • machen falsche Versprechungen/Aussagen, • verschwenden unsere Steuergelder, • bereichern sich am Staat, • reisen auf Kosten der Steuerzahler. Haften die Vertreter des Volkes für gar nichts und mit welchem Recht??? (Unterschrift) Togal Werk München Ausgabe Spiegel 28/93 An alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages... Innerhalb von nur 7 Tagen ist der Deutsche Bundestag zweimal nicht beschlußfähig gewesen, weil nicht genügend Abgeordnete anwesend waren! Mit welcher Legitimation sprechen Sie dann über die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche und die Karenztage bei der Pflegeversicherung, wenn Sie den Auftrag Ihrer Wähler nicht erfüllen? Wir fordern von Ihnen mehr Fleiß, Pünktlichkeit und Verantwortungsgefühl, ... das Gleiche, was für meine Mitarbeiter eine Selbstverständlichkeit ist. (Unterschrift) Togal Werk München Ausgabe Spiegel 30/93 An die Parlamentarier! Mit DM 500.000,- kann man einiges machen, z.B. 105 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte • 12 Pflegeplätze im Altenheim bezahlen oder • 10 Arbeitsplätze in der Wirtschaft schaffen oder • 3 kleine Sozialwohnungen finanzieren oder • 1 Kindergarten bauen Wie aber gehen Sie mit unseren Steuergeldern um? Sie bauen die neue Bar des Bundestages jetzt schon wieder um: für DM 500.000,Das ist in unserer heutigen Zeit instinktlos, unfaß-bar. Gegen diese Art von Schmerzverursachung helfen mir nicht einmal mehr meine Tabletten. Gute Besserung wünscht Ihnen Ihr (Unterschrift) P.S.: Was kostet denn die Bar demnächst in Berlin? Togal Werk München Die Anzeigen 24/93, 26/93 und 28/93 blieben vom Berufungsgericht wie auch vom BGH unbeanstandet. Lediglich in der Anzeige im Spiegel in der Ausgabe 30/93 wurde ein Verstoß gegen § 1 UWG gesehen. Der BGH prüfte hier zunächst ausgiebig, daß ein Handeln zu Wettbewerbszwecken mit der erforderlichen Wettbewerbsabsicht vorhanden sei. Begründet wird dies insbesondere durch die jeweiligen Hinweise auf Mitarbeiter und das Firmen-Logo.329 Auch reine Aufmerksam- keitswerbung, welche geeignet sei, den Namen des werbenden Unternehmens im Verkehr bekanntzumachen oder dessen Verkehrsbekanntheit zu steigern, rechne zu den Wettbewerbshandlungen im geschäftlichen Verkehr im Sinne des § 1 UWG.330 Der fehlende Sachbezug zum Produkt habe rechtlich keine Auswirkungen und führe damit allein nicht zur Wettbewerbswidrigkeit. Zu Recht, 329 330 BGH AfP 1997, 905ff. (907) - „Politikerschelte“. BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) - „Kinderarbeit“. 106 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte denn dies liegt in einer freiheitlichen Rechts- und Wirtschaftsordnung begründet, mit der nicht zu vereinbaren wäre, Werbung nur auf produktbezogene Werbemaßnahmen zu beschränken.331 Aufgrund des Wandels der Werbung muß es einem Unternehmen möglich sein, lediglich Image-Werbung für das Unternehmen zu betreiben und sich mit politischen und sozialen Themen zu beschäftigen.332 Die Image-Werbung muß keinerlei Bezug zum Waren- oder Dienstleistungsangebot des Unternehmens aufweisen.333 Einem Unternehmen, dem es in seiner Werbung lediglich darum geht, seine namentliche Bekanntheit im Verkehr zu steigern, bleibt es unbenommen, sich dabei auch solcher Werbemethoden oder Werbegags zu bedienen, die keinerlei Bezug zum Gegenstand des Unternehmens oder zu dessen Leistungsfähigkeit haben.334 Solche Werbemaßnahmen können der Anwendung des UWG unterfallen, eine Image-Werbung allein begründe noch keine Sittenwidrigkeit im wettbewerbsrechtlichen Sinne.335 Deshalb konnte das Unternehmen ohne Arzneimittelwerbung lediglich für sich selbst werben. Bezüglich der ersten drei beanstandeten stimmt der BGH mit der rechtlichen Anzeigen Beurteilung des Berufungsgericht überein, welches sich exakt im Rahmen der vom BVerfG entwickelten Grundrechtsprüfung hält. Das Berufungsgericht unterstellte die Anzeigen dem Schutz der Meinungsfreiheit. Da es sich bei den Inseraten um wettbewerbliche Äußerungen handele, könne der Schutz auf Meinungsäußerungen durch das allge331 Vgl. auch Sosnitza in Anm. zum Urteil des OLG München vom 3.2.1994 - „Togal“, WRP 1994, 417ff. (418). 332 BGH AfP 1997, 905ff. (906) - „Politikerschelte“; so auch schon das Berufungsgericht, OLG München WRP 1994, 413ff. (415) - „Togal“, in dem auf das Urteil des BVerfG verwiesen wird, abgedruckt in NJW 1992, 1153f. – „Rundschreiben“ 333 BGHZ 130, 196ff. (200) - „Ölverschmutzte Ente“. 334 BGHZ 130, 196ff. (202) - „Ölverschmutzte Ente“. 107 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte meine Gesetz des UWG eingeschränkt werden. § 1 UWG als allgemeines Gesetz sei indessen im Lichte der Bedeutung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit auszulegen und so in seiner das Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken. Es wird eine Abwägung der wechselseitigen Rechtsgüter und Interessen vorgenommen, da möglicherweise in den Anzeigen eine beeinträchtigende Meinungsäußerung liege. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung seien auf der einen Seite Ziel und Zweck der Meinungsäußerung zu berücksichtigen und auf der anderen Seite die Absicht, eine Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition zu erreichen, wobei auch das zur Zielerreichung eingesetzte Mittel einbezogen werden müsse. Das Berufungsgericht führt aus: „In den Anzeigentexten bringt der Vorstand der Arzneimittelherstellerin seine Sorge um politische, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Belange der Allgemeinheit zum Ausdruck. Er versucht dadurch auf die öffentliche Meinung einzuwirken, indem er z. B. eine sparsame Verwendung von Steuergeldern, eine Haftung von leitenden Staatsdienern für Fehler, oder Fleiß, Pünktlichkeit und Verantwortungsgefühl von Politikern und Abgeordneten fordert. Demgegenüber tritt die Werbeabsicht deutlich zurück. Lediglich der Abdruck des Firmenlogos weist auf die Arzneimittelherstellerin hin. Es werden weder der Produktionszweig genannt noch konkrete einzelne Erzeugnisse beworben, so daß ein Leser, der die Arzneimittelherstellerin nicht kennt, sich aufgrund dieser Art von Werbung gar nicht für deren Produkte entscheiden könnte. Hinzu kommt, daß die Arzneimittelherstellerin bei allen Lesern, die ihre Ansicht nicht teilen, eher eine Negativwerbung betreibt. Eine er- 335 BGH AfP 1997, 905ff. (907) - „Politikerschelte“. 108 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte hebliche Verbesserung ihrer eigenen Wettbewerbsposition erreicht sie mit den drei restlichen Anzeigen nicht.“336 Die von der Arzneimittelherstellerin geäußerte Kritik halte sich nach Maß und Art noch im Rahmen des Erforderlichen, auch wenn sie grob verallgemeinert und lediglich „holzschnittartig“ darstelle. Weder würden konkrete Einzelpersonen angegriffen noch pauschal alle Staatsdiener, Politiker und Abgeordnete. Der Vorstand der Arzneimittelherstellerin bringe nur seine Sorgen und sein Unbehagen über gewisse Unregelmäßigkeiten im öffentlichen Leben zum Ausdruck. Auch wenn diese Kritik wenig differenziert geäußert werde, sie scharf und unter Umständen „auffällig“ sei, enthalte sie noch keine Schmähkritik oder gar Verletzungen.337 Der BGH beschäftigt sich an dieser Stelle mit der Frage der pauschalen Diskriminierung der Staatsdiener jeglicher Art. Der Vorwurf der pauschalen Diskriminierung trage im Streitfall das wettbewerbsrechtliche Verbot nicht. Die Arzneimittelherstellerin nutze zwar eine beifallheischende Politikerschelte als Vorspann für die Werbung ihres Unternehmens. Eine auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten verwerfliche Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe sei damit allerdings nicht verbunden. Es liege im Wesen eines Politikers verankert, sich der Kritik der Öffentlichkeit zu stellen.338 Anders läge es, würden bei Teilen des Verkehrs vorhandene herabsetzende Vorurteile beispielsweise gegenüber durch Religion oder Herkunft verbundenen Bevölkerungsgruppen zu Zwecken des Wettbewerbs ausgebeutet. Denn ein solches Geschäftsgeba- 336 337 338 OLG München WRP 1994, 413ff. (417) - „Togal“. OLG München WRP 1994, 413ff. (417) - „Togal“. BGH AfP 1997, 905ff. (908) - „Politikerschelte“. 109 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte ren würde den „ethischen Minimalkonsens“ verletzen und zur Sittenwidrigkeit führen.339 Zutreffend erkennt der BGH, der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sei in diesem Fall vorrangig. Dabei läßt das Gericht offen, ob die Sittenwidrigkeit auf diesen Fall überhaupt Anwendung gefunden hätte. Damit folgt der BGH der schulbuchmäßigen Grund- rechtsprüfung des Berufungsgerichts dieser drei Anzeigen. Hinsichtlich der Anzeige in der Ausgabe des Spiegels 30/93 weisen die Entscheidungsgründe jedoch Defizite auf. Es wird ausgeführt, da es sich aufgrund des Zusatzes „Gegen diese Art der Schmerzverursachung helfen mir nicht einmal mehr meine Tabletten“ um eine Werbung Fall für die Arzneimittel gemäß § 4 handele, Abs. 1 HWG seien in diesem vorgeschriebenen Pflichtangaben erforderlich. Einbezogen in den Anwendungsbereich des Heilmittelgesetzes sei nur die produktbezogene Werbung, nicht aber eine allgemeine Unternehmensimage-Werbung, die ohne Bezugnahme auf bestimmte Präparate dem Ansehen oder der Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein diene.340 Dabei sei ohne Bedeutung, daß die Werbung scherzhaft formuliert sei. Gerade solche scherzhaften mit negativer Abgrenzung versehenen Formulierungen erregen durch ihre gaghafte Fassung eine besondere Aufmerksamkeit und entfalten somit eine besondere Werbewirksamkeit.341 Von den bei einer Werbung für Arzneimittel erforderlichen Pflichtangaben war nur die gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 HWG vorhanden.342 Schon aus diesem Grunde sei 339 BGH AfP 1997, 905ff. (908) - „Politikerschelte“; Reichold WRP 1994, 219ff. (224). 340 BGH WRP 1994, 310ff. - „Pharma-Hörfunkwerbung“. 341 OLG München WRP 1994, 413ff. (415) - „Togal“. 342 In deutlich abgesetzter und erkennbarer Weise (§ 4 IV HWG) hätte es einer Aufführung der genauen Bezeichnung der Tabletten, der Anwen- 110 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte die Werbung sittenwidrig und die Firma Togal könne sich insoweit nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Das aus dem HWG hergeleitete Verbot schränke die Arzneimittelherstellerin nicht in ihrer Freiheit ein, zu ihrer Meinung nach brisant erscheinenden politischen Themen in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen. Ihr werde mit dem ausgesprochenen Verbot lediglich die Bezugnahme auf das von ihr vertriebene Schmerzmittel untersagt. Eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung sei damit nicht verbunden.343 Mit dieser Argumentation verkennt der BGH die vom BVerfG entwickelte Grundrechtsdogmatik. Denn auch wenn die Entscheidung im Ergebnis richtig ist, so hätte doch zunächst geprüft werden müssen, ob der Schutzbereich der Meinungsfreiheit eröffnet ist, um dann einen Eingriff in dieses Grundrecht durch die gerichtliche Untersagung der Werbung festzustellen. Dann - und zwar im Rahmen der Rechtmäßigkeit des Eingriffs – wäre eine Abwägung erforderlich gewesen, innerhalb derer die Wirkungskraft des § 1 UWG zu diskutieren gewesen wäre. Dabei hätte festgestellt werden müssen, daß eine Sittenwidrigkeit schon aufgrund der fehlenden Pflichtangaben gemäß § 4 Abs. 1 HWG gegeben sei und es hätte argumentativ dargelegt werden müssen, warum vorliegend die Sittenwidrigkeit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gegenüber überwiegt. Es geht jedoch fehl, einen Eingriff in die Meinungsfreiheit zu verneinen, obwohl die getätigte Äußerung des Unternehmens in der Werbeanzeige - erschienen in der Spiegelausgabe 30/93 - gerichtlich untersagt wird. dungsgebiete, der Gegenreaktionen, Nebenwirkungen bedurft. 343 BGH AfP 1997, 905ff. (909) - „Politikerschelte“. und Warnhinweise 111 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Wird diese Werbung mit der von Benetton verglichen, so ist bemerkenswert, daß im Fall „Togal“ ein Zurücktreten der Werbeabsicht bejaht wird, „da lediglich der Abdruck des Firmenlogos auf die Arzneimittelherstellerin hinweise.“ Zwar wird mit dem Urteil ausgeführt, es handele sich bei der Togal-Werbung - anders als bei der Benetton-Werbung - nicht um eine unzulässige gefühlsbetonte Image-Werbung mit der Darstellung des Elends der Welt, die das soziale Gewissen oder das Mitgefühl des Verbrauchers wecke, bei diesem eine mit dem Werbenden solidarisierende Gefühlslage schaffe, die der Steigerung des Ansehens eines solchermaßen werbenden Unternehmens und damit letztlich dessen kommerziellen Zwecken diene und die öffentliche Äußerung zur Auseinandersetzung mit dem aufgezeigten Mißstand nichts Wesentliches beitrüge. Dennoch wurde aufgrund des Firmenlogos der Firma Benetton die Werbeabsicht bejaht, obwohl dieses ebenfalls graphisch zurückhaltend angebracht war. Gerade das Zusammenwirken von aufgezeigtem Elend und dem Werbehinweis wurde als wettbewerbswidrig beurteilt. Die in dem TogalUrteil aufgeführte Begründung ist aber exakt auf den Fall Benetton anzuwenden. Die Firma Benetton hat ebenfalls weder mit einem Produktionszweig noch mit konkreten trifft zu, einzelnen daß Erzeugnissen derjenige, der geworben. die Firma Ebenso Benetton nicht kennt, sich aufgrund der Art der Werbung gar nicht für deren Produkte entscheiden kann. Und auch hier muß der Umstand der Negativwerbung in Betracht gezogen werden. Denn durch die Werbekampagne der Firma Benetton kam doch ein extremer Umsatzrückgang zustande. 112 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte In einer frühen Entscheidung des BGH344 ging es um den Bericht eines Gastrokritikers. Der Gastrokritiker war selbst Geschäftsführer einer Weinkellerei, die auch einen Weinhandel betrieb. Er berichtete in verschiedenen Zeitschriften über seine Eindrücke und Erfahrungen im Bereich der Gastronomie, insbesondere verfaßte er einen Artikel über ein bestimmtes Weinlokal mit der Überschrift „Ein totaler Reinfall“. Dem Gastrokritiker, der das besagte Weinlokal in negativer, überzeichneter Weise beschrieb, wurde dabei vorgeworfen, er habe mit dieser „Schmähkritik“ für den eigenen Weinhandel, an dem er wirtschaftlich beteiligt war, werben wollen. Auch in diesem Fall verwehrte der BGH dem Gastrokritiker bereits den Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit mit der Begründung, in diesem Fall dienten solche Äußerungen über eine bloße Meinungskundgabe hinaus dazu, in den individuellen Bereich des wirtschaftlichen Wettbewerbs bestimmter Marktkonkurrenten einzugreifen, und das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Informationsinteresse werde lediglich als Mittel zum Zweck der Förderung privater Wettbewerbsinteressen eingesetzt. Eine Pressebe- richterstattung könne im Falle einer Beurteilung eines gewerblichen Angebots durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nur gedeckt sein, wenn die ihr zugrundeliegende Meinungskundgabe das Mittel zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage sei, wenn es also dem Handelnden um eine argumentative Auseinandersetzung z.B. über politische, soziale, kulturelle oder wirt- 344 BGH AfP 1986, 219ff. - „Gastrokritiker“. 113 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte schaftliche Belange der interessierten Öffentlichkeit gehe.345 Demzufolge wird bereits in dieser frühen Entscheidung des BGH eine Inhaltskontrolle zur Schutzbereichsbestimmung vorgenommen, obwohl diese eine rechtliche Relevanz erst im Rahmen einer Interessenabwägung erhalten durfte. b) Fazit Im Ergebnis führt die Argumentation des BGH zu einer restriktiven Auslegung der Schutzfunktion des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Einerseits verwehrt der BGH kommerzieller Werbung den Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit, obwohl das Kommerzialisierungsinteresse kein geeignetes Abgrenzungskriterium für die Bestimmung des Schutzbereichs ist, andererseits tritt er dann in eine Abwägung zwischen der Meinungsäußerung und der Wettbewerbswirkung ein, obwohl grundrechtsdogmatisch die Prüfung bereits beendet wäre. Es handelt sich bei der getroffenen Interessenabwägung um eine pro forma Abwägung. Im Rahmen dieser „Abwägung“ findet keine Darlegung und Gewichtung der möglicherweise kollidierenden Interessen statt, vielmehr führt der BGH eine Inhaltskontrolle bei der Benetton- Werbekampagne und den anderen oben aufgeführten Urteilen durch. Letztendlich findet doch eine Unterscheidung zwischen kommerziellen und nicht kommerziellen Meinungsäußerungen statt, wobei der kommerziellen der Grundrechtsschutz der kommerziellen dann im Ergebnis vorenthalten wird. Diese Schlußfolgerungen lassen Zweifel schaftswerbung 345 am Grundrechtsschutz aufkommen. Denn der Wirt- Meinungsäußerungen BGH AfP 1986, 219ff. (220) - „Gastrokritiker“. 114 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte sollen doch gerade unabhängig von ihrem Inhalt und ihren Gründen geschützt werden.346 Der Charakter einer Meinungsäußerung entfällt auch nicht aufgrund der Kommerzialisierung einer Äußerung, wie dies bei Werbekampagnen in der Regel der Fall ist.347 Das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kein geeignetes Kriterium für den Beurteilungsmaßstab sein, ob eine Meinungsäußerung im konkreten Einzelfall dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfällt.348 Bei der Frage nach dem Umfang des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit darf nicht auf die Kommerzialisierung der Werbung abgestellt werden. Die Äußerung in einer Werbung mit kommunikativem Gehalt muß per se in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen. Erst auf der Ebene der Rechtmäßigkeit und der in diesem Rahmen erforderlichen Erörterung über kollidierende Schutzgüter kann das Kommerzialisierungsinteresse des Werbenden bei der Konkretisierung der wettbewerbsrechtlichen tung erlangen. 349 Generalklausel rechtliche Bedeu- Solche Kollisionslagen werden dahin- gehend gelöst, daß die verschiedenen grundrechtlichen Interessen im Wege der Herstellung der praktischen Konkordanz ausgeglichen werden.350 Nach dem Prinzip der Einheit der Verfassung müssen beiden geschützten, miteinander kollidierenden Gütern Grenzen gesetzt werden, damit beide zu einer optimalen Wirksamkeit 346 BVerfGE 12, 113ff. (126, 130) – „Pressefehde“; BVerfGE 30, 336ff. (347) - „FKK“; BVerfGE 33, 1ff. (15) – „Strafgefangener“; BVerfGE 54, 129ff. (139) – „Kunstkritik“; BVerfGE 61, 1ff. (7) – „Wahlkampf“; BVerfGE 85, 23ff. (31f.) – „Rhetorische Fragen“; Grimm NJW 1995, 1697ff. (1698); Schmidt-Jortzig in Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, Freiheitsrechts, 1989, § 141, Rn. 22; Wendt in Münch/ Kunig, Grundgesetzkommentar, Band 1, 1992, Art. 5, Rn. 8. 347 Vgl. BVerfGE 21, 271ff. (279) - „Südkurier“. 348 BVerfG NJW 1992, 1153f. (1153) - „Rundschreiben“. 349 Fezer JZ 1998, 265ff. (269); Hoffmann-Riem ZUM 1996, 1ff. (5ff.). 115 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte gelangen können und zwar durch verhältnismäßige Zuordnung der Meinungsfreiheit einerseits und der durch allgemeine Gesetze geschützten Rechtsgüter andererseits. Die Entscheidungsgründe des BGH sind äußerst dürftig und lassen in weiten Bereichen der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu wünschen übrig. Denn diese dem entscheiden Wettbewerb das und Spannungsverhältnis den zwischen Kommunikationsgrundrechten einseitig zugunsten des Wettbewerbs. Zudem verkennt der BGH die Grundsätze des BVerfG, weil die Entscheidungen Auslegungsfehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung des in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen und bereits damit die Schwelle eines Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht erreicht haben.351 Ob die Entscheidungen des BGH einer verfassungsrechtlicher Überprüfung durch das BVerfG standhalten, werden die Entscheidungen des BVerfG über die Verfassungsbeschwerden der Firma Benetton zeigen, die voraussichtlich am Ende des Jahres 2000 erwartet werden.352 3. Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Alle wesentlichen Werbemaßnahmen werden über die Medien verbreitet. Die Verbreitungsformen fallen unter den Oberbegriff „Massenmedien“ bzw. „Massenkommunikationsmittel“.353 Bedeutsam ist die Frage, inwieweit in die Beurteilung sittenwidriger und diskriminierender 350 Hesse, Grundzüge des Staatsrechts der BRD, 1995, Rn. 317; Manssen, Staatsrecht, Grundrechtsdogmatik, 1995, Rn. 608. Vgl. auch BVerfGE 18, 85ff. (93) – „Bräunungsmittel“. 352 Die anhängigen Verfassungsbeschwerden vor dem BVerfG der Firma Benetton tragen die Az: 1 BvR 1762/95 und 1 BvR 1787/95. 351 116 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Werbebilder im Sinne des § 1 UWG der verfassungsrechtliche Schutz der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einbezogen werden muß. Die Pressefreiheit ist nicht nur ein Unterfall der Meinungsfreiheit.354 Vielmehr kommt ihr eine selbständige Bedeutung zu. Zwar bleibt es dann bei der Maßgabe nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn die Meinungsäußerungsfreiheit mit der der Pressefreiheit konkurriert. Folglich ist die Meinungsäußerungsfreiheit dann vorrangig, wenn eine Meinung in der Presse publiziert wird. Die Pressefreiheit ist weder ein Spezialgrundrecht für drucktechnisch verbreitete Meinungen noch eine auf die Presse gemünzte verstärkende Wiederholung der Meinungsfreiheit. Gedruckte Äußerungen sind demnach nicht aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit auszuschließen und statt dessen Schutzbereich der Pressefreiheit zuzuweisen. 355 dem Eine selbständige Bedeutung kommt der Pressefreiheit zu, wenn es um die Gewährleistung der institutionellen Eigenständigkeit der Presse geht.356 Dabei wird der Begriff der Presse vom BVerfG weit und formal ausgelegt.357 Der Schutzbereich der Pressefreiheit beginnt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG bereits mit der Beschaffung der Information und deren Verbreitung, nicht erst mit der pressemäßigen Verbreitung einer eigenen Meinung.358 Nach der ‘Südkurier’- Ent- 353 Herzog in Maunz/ Dürig, Grundgesetzkommentar, Band 1, Stand Juni 1998, Art. 5 I, II, Rn. 119; Oppermann in FS für Wacke, 1972, S. 393ff. (402). 354 BVerfGE 62, 230ff. (243) - „Boykott“. 355 BVerfGE 85, 1ff. (11f.) - „Kritische Bayer-Aktionäre“. 356 BVerfGE 85, 1ff. (12) - „Kritische Bayer-Aktionäre“. 357 BVerfGE 34, 269ff. (283) - „Die Welt“; BVerfGE 66, 116ff. (134) „Wallraff“; BVerfGE 95, 28ff. (35) - „Werkszeitungen“. 358 BVerfGE 10, 118ff. (121) - „Redakteursgesetz“; BVerfGE 12, 205ff. (260) - „Bundespost“; BVerfGE 20, 162ff. (176) - „Der Spiegel“; BVerfGE 21, 271ff. (279) - „Südkurier“; BVerfGE 36, 193ff. (204) „Frankfurter Tageszeitung“; BVerfGE 64, 108ff. (115) - „Chiffreanzeige“; BVerfGE 85, 1ff. (12) - „Kritische Bayer-Aktionäre“; BVerfGE 86, 117 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte scheidung ist es „Aufgabe der Presse, nicht nur eigene Meinung gleichzeitig zu bilden die und zu gewissermaßen verbreiten, sondern ‘medienspezifische’ Pflicht, im informierenden Sinne Träger reiner Nachrichtenvermittlung ohne eigene Stellungnahme zu sein.“359 Bei der Bestimmung des Begriffs der Pressefreiheit dürfen keine inhaltlichen Kriterien herangezogen werden.360 Vielmehr ist dieser von der Herstellungs- und Vervielfältigungsmethode her zu definieren.361 Begründet wird dies zum einen mit der Vorbeugung einer inhaltlichen Kontrolle durch den Staat, die unweigerlich zu einer staatlichen Zensur führen würde.362 Auf der Eigenart der Institution einer freien Presse beruhend bedarf es bestimmter Sicherungen, um der Presse die Möglichkeit zu geben, ihre Aufgaben wahrzunehmen.363 Es müssen für Presseunternehmen die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden, sich im gesellschaftlichen Raum frei entfalten zu können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätze und in privatrechtlichen Organisationsformen; sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in welche die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf.364 Zudem würde eine staatliche Zensur die erforderliche Vertraulichkeitssphäre der 122ff. (128) - „Auszubildende“; so auch Herzog in Maunz/ Dürig, Grundgesetzkommentar, Stand Juni 1998, Band 1, Art. 5 I, II, Rn. 133f. 359 Oppermann in FS für Wacke, 1972, S. 393ff. (403). 360 BGH NJW 1963, 665ff. (667); Starck in von Mangoldt/ Klein/ Starck, Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 1999, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 60; von Münch AfP 1974, 601ff. 361 BVerfGE 34, 269ff. (283) - „Die Welt“; BVerfGE 66, 116ff. (134) „Wallraff“; BVerfGE 85, 28ff. (35) - Werkszeitungen“; Herzog in Maunz/ Dürig, Grundgesetzkommentar, Stand Juni 1998, Art. 5 I, II, Rn. 129; so auch Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, 1978, S. 175f. mit weiteren Literaturhinweisen. 362 So auch Friauf/ Höfling AfP 1985, 249ff. (252). 363 BVerfGE 64, 108ff. (114) - „Chiffreanzeige“. 118 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Presse zerstören, welche als wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit einer Presse gilt. Auch ergibt sich dies aus dem Begriff „Presse“ selbst. Dieses Wort leitet sich von pressen = drücken = drucken ab.365 Des weiteren wird das Recht der im Pressewesen tätigen Personen miteingeschlossen, ihre Meinung in der ihnen geeignet erscheinenden Form ebenso frei und ungehindert zu äußern wie jeder andere Bürger.366 Vom Grundrecht der Pressefreiheit werden gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die im Pressewesen tätigen Personen in der Ausübung ihrer jeweiligen Funktion, Presseerzeugnisse mit ihren institutionell–organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie schlechthin die Einrichtung der freien Presse erfaßt.367 Dazu gehören unter anderem sowohl die publizistische Verbreitung von Meinungen368 als auch die Akquisition und Veröffentlichung von Werbung.369 Bei der publizistischen Verbreitung äußert der Verlag grundsätzlich keine eigene Meinung. Zu ihrem Inhalt verhält er sich neutral, er will dabei keine Verantwortung für seine Richtigkeit übernehmen und sie sich nicht zu eigen machen.370 Damit ist dem Verleger selbst nicht der Schutzbereich der Meinungsfreiheit eröffnet, wohl aber der der Pressefreiheit. 364 BVerfGE 20, 162ff. (175) – „Der Spiegel“; BVerfGE 66, 116ff. (133) – „Wallraff“. 365 Grimm, Deutsches Wörterbuch, 7. Band, Buchstaben N - Q, 1889, S. 2103; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 2, Buchstaben J - Z, 1997, S. 981. 366 BVerfGE 85, 1ff. (12) - „Kritische Bayer-Aktionäre“; BVerfGE 86, 122ff. (128) - „Auszubildende“. 367 BVerfGE 85, 1ff. (12f.) - „Kritische Bayer-Aktionäre“. 368 BVerfGE 10, 118ff. (121) - „Redakteursgesetz“. 369 BVerfGE 21, 271ff. (278f.) – „Südkurier“; BVerfGE 85, 1ff. (12f.) - „Kritische Bayer-Aktionäre“. 370 Vgl. BVerfGE 21, 271ff. (278) - „Südkurier“. 119 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Es stellte sich lange Zeit die Frage, ob der Anzeigenteil überhaupt von der Pressefreiheit umfaßt ist und der Verleger im Falle einer Veröffentlichung von z.B. Werbemaßnahmen oder sonstige Anzeigen den verfassungsrechtlichen Schutz der Pressefreiheit ge- nießt. Dieses Problem gewann im Zusammenhang mit gesetzlichen Beschränkungen bei Veröffentlichungen von Werbeanzeigen an Bedeutung.371 Früher wurde die Ansicht vertreten, Werbeanzeigen beträfen nicht den Begriff der Pressefreiheit. Zwar sei die Presse in diesen Fällen insofern betroffen, als sie keine Anzeigen aufnehmen dürfe, die dem Werbenden untersagt seien. Das berühre jedoch nicht den Begriff der Pressefreiheit. Denn von der Pressefreiheit sei nur die Freiheit der Berichterstattung und der Meinungsäußerung in der Presse umfaßt, nicht jedoch die völlige Freiheit zur Veröffentlichung von Werbeanzeigen Drit- ter.372 Dies war logische Konsequenz der damals vertretenen Auffassung, Werbeaussagen würden nicht in den Begriff der Meinungsfreiheit fallen. Da nunmehr nach einhelliger Auffassung die Werbung grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fällt, kann dieser Ansicht nicht mehr gefolgt werden. Seit dem „Südkurier“-Urteil sieht das BVerfG auch den Anzeigenteil einer Zeitung als von der Pressefreiheit erfaßt an; dieser sei allgemein geeignet, die Anliegen der inserierenden Stellen zu offenbaren.373 In der Regel gibt die Anzeige keine Meinung des Anzeigenden wieder, sondern fordert lediglich nicht bekannte mögliche Leser auf, ihm ein Angebot zum Abschluß eines Vertrages über den in der Anzeige bezeichneten Gegen371 Siehe hierzu insbesondere BVerfGE 21, 271ff. - „Südkurier“. Bay VerfGHE 4 II, S. 63ff. (76ff.); BGHSt 8, 360ff. (379) - „Heilmittel-Werbeverordnung“; OLG Braunschweig NJW 1956, 839f. 373 BVerfGE 21, 271ff. (278) - „Südkurier“; so auch BVerfGE 64, 108ff. (114f.) – „Chiffreanzeige“. 372 120 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte stand zu machen.374 Auch wenn es vorkommt, daß der Anzeigende sich gerade einer Anzeige bedient, um seine Meinung zu verbreiten; so verhält es sich bei politischen Parteien, wirtschaftlich und kulturellen Vereinigungen sowie Einzelpersonen, die den Anzeigenteil von Zeitungen nutzen, um ihren Standpunkt der Allgemeinheit gegenüber zu vertreten und für ihre Bestrebungen zu werben.375 Trotzdem bringt die Presse die Anzeige, ebenso wie Nachrichten, im redaktionellen Teil ihren Lesern ohne eigene Stellungnahme zur Kenntnis und informiert sie lediglich über die in den Anzeigen enthaltenen wirtschaftlichen Möglichkeiten oder über die ihnen etwa enthaltenen, von anderen geäußerten Meinungen.376 Demnach liegt in der Veröffentlichung von Anzeigen die Verbreitung von Nachrichten. Schon deshalb muß der Anzeigenteil von dem Schutzbereich der Pressefreiheit umfaßt sein.377 Auch wenn der Schutzbereich der Pressefreiheit eröffnet ist, gilt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht uneingeschränkt. Die Pressefreiheit findet ihre Grenzen unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), also solcher Gesetze, die sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten, vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen.378 § 1 UWG ist als schrankenkonkretisierende Norm ausdrücklich anerkannt wor- 374 BVerfGE 21, 271ff. (279) - „Südkurier“; Schmitt Glaeser NJW 1971, 2012ff. (2014). 375 BVerfGE 21, 271ff. (279) - „Südkurier“. 376 BVerfGE 21, 271ff. (279) - „Südkurier“; BVerfGE 64, 108ff. (114) „Chiffreanzeige“. 377 BVerfGE 64, 108ff. (115) - „Chiffreanzeige“; BGH GRUR 1990, 1012ff. (1014) - „Pressehaftung I“; von Münch/ Kunig, Grundgesetzkommentar, 1992, Art. 5, Rn. 5; Schmitt Glaeser NJW 1971, 2012ff. (2014). 378 BVerfGE 7, 198ff. (209f.) – „Lüth“; BVerfGE 50, 234ff. (240f.) – „Kölner Volksblatt“; BVerfGE 62, 230ff. (243f.) – „Boykott“. 121 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte den.379 Dementsprechend ergibt sich die konkrete Tragweite des Grundrechts erst aus der Zuordnung der geschützten Rechtsgüter, der Pressefreiheit einerseits und der Lauterkeit des Wettbewerbs andererseits. § 1 UWG als grundrechtsbeschränkende Vorschrift des einfachen Rechts muß im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung herangezogen werden. Dabei muß § 1 UWG wiederum im Lichte der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausgelegt werden, damit dessen wertsetzende Bedeutung für das einfache Recht auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt und § 1 UWG in seiner das Grundrecht einschränkenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt wird.380 In den Präzedenzfällen - den Entscheidungen des BGH betreffend die Werbebilder der Firma Benetton - fand der verfassungsrechtliche Schutz der Pressefreiheit seine Bedeutung. Denn die Beurteilung der in § 1 UWG vorausgesetzten Sittenwidrigkeit wurde im Lichte der Tragweite des Grundrechts der Pressefreiheit gesehen. In einem der drei Fälle wurde die Firma Benetton selbst verklagt, da sie das Photo einer ölverschmutzten Ente auf einem Ölteppich schwimmend auf den Umschlagseiten der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Colors“ abbildete mit dem auf sie hinweisenden Zusatz dort auf der Rückseite. In dieser Werbung wurde ein Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb angenommen, weil sie das Gefühl des Mitleids des Verbrauchers anspreche, das werbende Unternehmen als gleichermaßen betroffen darstelle und damit eine Solidarisierung der Einstellung solchermaßen berührter 379 BVerfGE 62, 230ff. (248) - „Boykott“; BVerfG NJW 1992, 1153f. (1154) - „Rundschreiben“. 380 BVerfGE 7, 198ff. (208) – „Lüth“; BVerfGE 60, 234ff. (240) – „Kredithai“; BVerfGE 62, 230ff. (245) – „Boykott“; BVerfGE 85, 1ff. (16) – „Kritische Bayer – Aktionäre“. 122 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Verbraucher mit dem Namen und zugleich mit der Geschäftstätigkeit dieses Unternehmens herbeiführe. Der BGH geht richtigerweise in seiner Entscheidungsbegründung mit keinem Wort auf die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit ein. Dies begründet sich mit dem Konkurrenzverhältnis zur Meinungsfreiheit. Denn das Unternehmen hatte in diesem Fall eine doppelte Funktion: es trat als Werbender und auch als Werbeträger auf, da es Herausgeber der die Werbemaßnahme veröffentlichten Zeitschrift ist. Die in einem Presseerzeugnis enthaltene Meinungsäußerung ist bereits durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, so daß dem Presseprivileg keine selbständige Bedeutung mehr zukommt.381 In den anderen beiden Fällen wurde die Herausgeberin der Zeitschrift Stern verklagt. Die Klage richtete sich gegen die Veröffentlichung von Photographien in der Größe einer Doppelseite, die ebenfalls die ölverschmutzte Ente auf einem Ölteppich schwimmend bzw. schwer arbeitende Kleinkinder der Dritten Welt beim Hausbau zeigte mit dem jeweiligen Hinweis auf die Firma Benetton.382 Die andere betraf die Veröffentlichung eines doppelseitigen Farbphotos, welches ein nacktes menschliches Körperteil mit dem Stempelaufdruck „H.I.V.-Positive“ zeigt wiederum mit entsprechenden Hinweis auf die Firma Benetton. In dem Fall „Kinderarbeit“ warf der BGH dem Presseunternehmen die Förderung sittenwidrigen Wettbewerbs vor, weil es im Rechtsstreit die besagte – als sittenwidrig beurteilte – Image-Werbung als rechtlich zulässig ohne Vorbehalt verteidigte und mit diesem 381 BVerfGE 20, 162ff. (175f.) – „Der Spiegel“; BVerfGE 85, 1ff. (12) – „Kritische Bayer-Aktionäre“. 382 Vgl. Abbildung der Werbung beigefügt als Anlagen 8 und 9. 123 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Verhalten die Gefahr begründe, weitere solcher Werbeanzeigen zu veröffentlichen.383 Das Verhalten des Presseunternehmens sei auch unter Berücksichtigung des Presseprivilegs nicht zu rechtfertigen.384 Zwar sei scheidungen des BVerfG Schutzbereich der entsprechend das mehrfachen Anzeigengeschäft Pressefreiheit umfaßt, 385 so Entvom daß hier der verfassungsrechtliche Schutz zugunsten des Presseunternehmens eingreife. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung sei § 1 UWG als Einschränkung gem. Art. 5 Abs. 2 GG zu berücksichtigen. Denn mit der Veröffentlichung der beanstandeten Anzeige handele das Presseunternehmen zu Zwecken des Wettbewerbs. Das Anzeigengeschäft dient objektiv nach ständiger Rechtsprechung – neben der Förderung des eigenen Wettbewerbs – stets auch dem Zweck der Unterstützung des Wettbewerbs des Anzeigenkunden. Damit ist das Anzeigengeschäft eine typische wettbewerbsfördernde Maßnahme, bei welcher aus der Wettbewerbshandlung auf die Vermutung geschlossen werden darf, der Herausgeber des Werbemediums handele in der Absicht, die wettbewerbliche Stellung des Werbeträgers zu fördern.386 Grundsätzlich unterliegen Verleger und die für diese handelnden Redakteure der wettbewerbsrechtlichen Haftung, so daß § 1 UWG als Schranke des Schutzbereichs der Pressefreiheit eingreift. Allerdings haften diese nicht dem Umfang nach wie die Wer383 BGH NJW 1995, 2490ff. (2492) – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 384 BGH NJW 1995, 2490ff. (2492) - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.-Positive“. 385 BVerfGE 21, 271ff. (278) - „Südkurier“; BVerfGE 64, 108ff. (114f.) – „Chiffreanzeige“; so auch BGH GRUR 1990, 1012ff. (1014) - „Pressehaftung I“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2492) - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.-Positive“. 386 BGH GRUR 1990, 1012ff. (1013) – „Pressehaftung I“; BGH NJW 1992, 3093ff. (3094) – „Ausländischer Inserent“; BGH NJW 1994, 2827ff. (2828) – „Suchwort (Bosch)“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“. 124 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte beträgerin selbst. Die wettbewerbsrechtliche Haftung eines Presseunternehmens gebietet für wettbewerbswidrige Anzeigen seiner Inserenten eine Einschränkung.387 Verleger und Redakteure sind zwar angehalten, bei der Entgegennahme von Anzeigenaufträgen die Anzeige der Prüfung zu unterziehen, ob die Veröffentlichung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt.388 Im Fall eines Verstoßes sind Anzeigen mit gesetzwidrigem Inhalt abzulehnen.389 Die Anforderungen an das Ausmaß der Prüfung dürfen jedoch entsprechend den praktischen Notwendigkeiten des Pressewesens nicht überspannt werden. Besonders bei der Anzeigenwerbung ist die Prüfungspflicht in der Regel auf grobe und eindeutige Verstöße zu beschränken. Eine darüber hinausgehende wettbewerbsrechtliche Überprüfung ist den Verantwortlichen nicht zumutbar, da dies einschlägige wettbewerbsrechtliche Kenntnisse voraussetzt und damit den Aufgabenbereich eines Presseunternehmens überspannen würde.390 Wird die häufig gegebene Vielzahl von Anzeigen berücksichtigt, ist eine weitergehende Prüfungspflicht schon aus Zeitgründen wenig praktikabel. Das würde zu einer untragbaren Erschwerung der Arbeit eines Presseunternehmens führen.391 Denn der Verleger bzw. der Redakteur arbeitet unter dem Gebot der raschen Entscheidung.392 Außerdem mangelt es an der Erforderlichkeit, das Presseunternehmen selbst in vollem Umfang haften zu lassen. Zum einen sind in erster Linie für ihre Anzeigen bereits die Werbenden selbst 387 BGH NJW 1972, 2302ff. (2303) – „Badische Rundschau“; BGH NJW 1992, 3093ff. (3094) – „Ausländischer Inserent“; BGH NJW 1994, 2827ff. (2828) – „Suchwort (Bosch)“. 388 BGH NJW 1972, 2302ff. (2303) – „Badische Rundschau“; BGHZ 50, 76ff. (78ff.) – „Poropan“. 389 BGH NJW 1972, 1658f. – „Baumaschinen“. 390 BGH NJW 1972, 2302ff. (2303) - „Badische Rundschau“; BGH NJW 1992, 3093ff. (3094) – „Ausländischer Inserent“. 391 BGH NJW 1972, 2302ff. (2303) – „Badische Rundschau“; BGH GRUR 1990, 1012ff. (1014) – „Pressehaftung I“. 392 BGH NJW 1992, 3093ff. (3094) – „Ausländischer Inserent“. 125 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte zur Verantwortung zu ziehen, zum anderen macht sich das Presseunternehmen in der Regel die Anzeigen nicht zu eigen, sondern tritt lediglich als Vermittler auf. Dementsprechend kommt für das Presseunternehmen lediglich eine eingeschränkte wettbewerbsrechtliche Haftung in Betracht. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien und unter Abwägung der wechselseitigen Wirkungen der Rechtsgüter – der Pressefreiheit einerseits und der eingeschränkten wettbewerbsrechtlichen Haftung andererseits - konnte durch die Veröffentlichung der Werbemaßnahmen ein wettbewerbswidriges Verhalten des Presseunternehmens nicht begründet werden. Das wettbewerbswidrige Verhalten des Werbeträgers selbst war schon nicht ohne weiteres erkennbar. Die sog. Image-Werbebilder wiesen zum Zeitpunkt der Klage keinen Präzedenzfall in der Rechtsprechung auf. Die Literatur beurteilte diese Werbung sehr unterschiedlich und stufte sie vielfach als nicht wettbewerbswidrig ein.393 Diese unterschiedlichen Einschätzungen zeigen, daß es für das Presseunternehmen pflicht ohne eine bei Einhaltung eingehende seiner Prüfungs- wettbewerbsrechtliche Prüfung ein grober und eindeutiger Verstoß der Werbemaßnahmen nicht erkennbar war. Aus diesem Grunde kann allein aufgrund der Veröffentlichung dieser Werbemaßnahme das Presseunternehmen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Der Schutz der Pressefreiheit überwog hier folglich und konnte nicht durch § 1 UWG eingeschränkt werden. 393 Mit unterschiedlichster rechtlicher Begründung und intensiver Abwägung der einzelnen Interessen wird eine Sittenwidrigkeit bejaht von: Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff.; dieselbe GRUR 1993, 950ff. Hingegen wird die Sittenwidrigkeit verneint von: Grigoleit/ Kersten DVBl. 1996, 596ff.; Löffler AfP 1993, 535ff.; Reichold WRP 1994, 219ff.; Schnorbus GRUR 1994, 18ff.; Sevecke AfP 1994, 196ff.; Sosnitza GRUR 1993, 540ff. 126 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Grund einer wettbewerbsrechtlichen Haftung des Presseunternehmens war ein anderer. Der BGH begründete eine fahr. solche 394 mit der sogenannten Erstbegehungsge- Diese bestehe, wenn sich das Presseunterneh- men des Rechts berühmt, zu einer bestimmten Handlung - beispielsweise der Veröffentlichung einer Werbemaßnahme - berechtigt zu sein. Es werde dadurch der Eindruck erweckt, das Presseunternehmen werde auch im Falle des gerichtlichen Untersagens der Werbemaßnahme diesen Standpunkt vertreten.395 Dabei entstehe die ernsthafte und greifbare Besorgnis, bei nächster Gelegenheit erneut Inserate der beanstandeten Art abdrucken zu lassen.396 Das gelte insbesondere, wenn sich der Beklagte im Unterlassungsprozeß darauf berufe, zu seinem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein.397 Es ist nicht erforderlich, daß eine solche „Rechtsberühmung“ ausdrücklich erklärt wird, sondern auch bei entsprechendem konkludenten Verhalten kann eine solche angenommen werden.398 Die Lebenserfahrung spreche dafür, daß die Verteidigung einer bestimmten Handlungsweise jedenfalls auch den Weg zu ihrer beabsichtigten künftigen Fortsetzung eröffnen soll.399 Ei- 394 BGH NJW 1995, 2490ff. (2492) - „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.-Positive“. 395 RGZ 151, 239ff. (246)- „Reverssystem“; BGHZ 3, 270ff. (276) – „Constanza I“; BGH GRUR 1957, 342ff. (345) - „Underberg“; BGH GRUR 1963, 218ff. (220) - „Mampe Halb und Halb II“; BGH GRUR 1987, 45ff. (46) – „Sommerpreiswerbung“; BGH GRUR 1987, 125f. (126) – „Berühmung“; BGH GRUR 1988, 313f. (313) – „Auto F. GmbH“; BGH GRUR 1990, 678ff. (679) – „Herstellerkennzeichen auf Unfallwagen“; BGH GRUR 1992, 404f. (405) – „Systemunterschiede“; BGH NJW 1992, 2765f. „Pressehaftung II“; OLG Düsseldorf WRP 1978, 727f. – „Lockvogelangebot“; OLG Stuttgart WRP 1982, 115f. (116) – „Grundstücksmaklergeschäft“. 396 BGH NJW 1992, 3093ff. (3095) – „Ausländischer Inserent“. 397 Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 1995, Rn. 599; Ullmann WRP 1996, 1007ff. (1010). 398 BGH GRUR 1988, 313f. (313) – „Auto F. GmbH“; BGH GRUR 1990, 678ff. (679) – „Herstellerkennzeichen auf Unfallwagen“; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 1997, Kap. 10, Rn. 9f.; Ullmann WRP 1984, 1007ff. (1008). 399 BGH GRUR 1963, 218ff. (220) – „Mampe Halb und Halb II“; BGH GRUR 1987, 125f. (126) – „Berühmung“; BGH GRUR 1992, 404f. (405) – „Syste- 127 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte ne Erstbegehungsgefahr könne jedoch ausgeschlossen werden, wenn der Beklagte eindeutig klarstellt, sich des Rechts ausschließlich zum Zwecke der Durchsetzung bzw. der Verteidigung im anhängigen Prozeß zu berühmen und dieses nicht erneut in der Praxis umsetzen wird.400 Nach insoweit gefestigter Rechtsprechung des BGH ist es Sache des Verletzers, diese ausschließliche Zielsetzung zweifelsfrei deutlich machen.401 zu Wisse ein Presseunternehmen oder müsse es davon ausgehen, daß die Werbeanzeigen wettbewerbswidrig seien, so könne es sich nicht darauf berufen, daß seine Pflicht zur Überprüfung sich nur auf grobe, leicht erkennbare Wettbewerbsverstöße beschränke.402 Nachdem in erster Instanz einstweilige Verfügungen erlassen wurden, die auf Unterlassung der Veröffentlichung der Werbemaßnahmen gerichtet waren, habe das Presseunternehmen nicht mehr die Möglichkeit verneinen dürfen, daß die Werbemaßnahmen als wettbewerbswidrig eingestuft werden könnten. Das Presseunternehmen verteidigte sich jedoch mit dem Einwand, daß in der abgedruckten Anzeige kein oder jedenfalls kein grober, leicht erkennbarer Wettbewerbsverstoß liege, ohne zugleich deutlich zu machen, daß es ihm damit ausschließlich um die Wahrung seiner Rechte im anhängigen Rechtsstreit ging. Zur Vermeidung der Begründung der Erstbegehungsgefahr hätte das Presseunternehmen zweifelsfrei deutlich machen müssen, daß die munterschiede“; BGH GRUR 1992, 612ff. (614) – „Nicola“; BGH NJW 1995, 868ff. (870) – „Cliff Richard II“. 400 BGH GRUR 1987, 125f. (125f.) - „Berühmung“; BGH GRUR 1988, 313f. (313) ; BGH NVwZ 1991, 300ff. (301) – „Kreishandwerkerschaft II“; BGH GRUR 1992, 404ff. (405) – „Systemunterschiede“; OLG Stuttgart WRP 1997, 358ff. (361f.) - „Blickfangwerbung“; OLG Stuttgart WRP 1997, 1219ff. (1223). 401 BGH NJW 1972, 2302ff. (2303) – „Badische Rundschau“; BGH GRUR 1992, 404ff. (405) – „Systemunterschiede“; BGH NJW 1992, 3093ff. (3095) – „Ausländischer Inserent“; BGH NJW 1992, 2765f. (2766) – „Pressehaftung II“. 402 BGH GRUR 1992, 612ff. (614f.) – „Nicola“. 128 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Verteidigung - das frühere Verhalten sei rechtmäßig ausschließlich zur Wahrung seiner Rechte und zum Zwecke des Obsiegens im Prozeß selbst diene. Werde hingegen ein solcher Ausschließlichkeitszweck nicht geltend gemacht, so ließe daraus auf eine ernsthafte und greifbare Besorgnis schließen, daß das Presseunternehmen bei nächster Gelegenheit erneut Inserate der beanstandeten Art veröffentliche. Alleine damit wurde eine wettbewerbsrechtliche Haftung begründet, bei der auch die Berücksichtigung der Pressefreiheit nichts zu ändern vermag. Kritisch wird die Annahme der Erstbegehungsgefahr hingegen von Teilen der Literatur gesehen.403 Dem beklagten Presseunternehmen werde auferlegt, entgegen seiner eigenen Überzeugung im Wirtschaftsleben von der Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige auszugehen und sich nur im Interesse der Rechtsverteidigung auf die Wettbewerbsmäßigkeit der Anzeige berufen. Dies gelte auch für den Fall, in dem erstinstanzlich bereits die Werbemaßnahme als nicht zu beanstanden beurteilt wurde. Andernfalls werde durch das Verhalten des Presseunternehmens die Erstbegehungsgefahr begründet mit der Folge, daß das zunächst gewährte Haftungsprivileg der Presse aufgehoben wird. In diesem Fall werde dem Presseunternehmen auferlegt, sich dem Umfang nach den Prüfungspflichten eines Werbeträgers zu unterziehen. Dies widerspreche schon den allgemeinen Grundsätzen der Prozeßführung. Gemäß dem Satz „iura novit curia“ müßten Rechtsausführungen im Prozeß nicht vorgetragen werden, da sie kein Element des Lebenssachverhaltes bilden.404 Mit der Begründung der Erstbegehungsgefahr 403 Hoffmann–Riem ZUM 1996, 1ff. (15f.); Traumann DB 1986, 262f.; Traub WRP 1979, 186ff. 404 Traumann DB 1986, 262f. (262). 129 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte werde jedoch der Vortrag einer Rechtsansicht gewertet und eine Bedeutung beigemessen. Problematisch ist bei der Annahme der Erstbegehungsgefahr, daß dem beklagten Presseunternehmen auferlegt wird, sich zunächst dem Begehren des Klägers zu stellen und sein eigenes Verhalten einzuschränken. Sich dem Ansinnen seiner Konkurrenten zu beugen, ist zwar im Ergebnis nicht wünschenswert für das jeweilig beklagte Presseunternehmen. Denn es führt zu dem Ergebnis, daß sich das Presseunternehmen für die nächsten Jahre, genau gesagt bis zum letztinstanzlichen Urteil verbindlich festlegt, diese Anzeigen nicht mehr zu veröffentlichen. Auch bleibt zu befürchten, durch das Nachgeben etwaige Schadensersatzansprüche bzw. die spätere Kostenforderung zu präjudizieren. Ein allzu bereitwilliges Nachgeben könnte auch weitere Unterlassungsklagen nach sich ziehen. Dennoch ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine solche Einschränkung der Handlungsfreiheit des Presseunternehmens zumutbar. Beruft sich das Presseunternehmen darauf, es handele sich um eine wettbewerbsmäßige Anzeige ausschließlich zum Zwecke der Verteidigung, so wird der vertretene Standpunkt des Unternehmens hinreichend deutlich. In diesem Fall ist eine Kürzung des Presseprivilegs nicht zu befürchten. Auch muß dem Kläger die Sicherheit geboten werden, weiteren möglicherweise wettbewerbswidrigen Maßnahmen vorbeugen zu können. Dieses Ziel ließe sich nicht verwirklichen, würde dem Kläger zugemutet, bis zum Ausgang des Prozesses mit der Veröffentlichung wettbewerbswidriger Werbemaßnahmen rechnen zu müssen. Dies würde der Möglichkeit eines vorbeugenden Rechtsschutz zuwiderlaufen. Eine Abwägung der gegenseitigen Interessen zeigt, daß mit der Begründung der Erstbegehungsgefahr eine er- 130 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte forderliche und angemessene Lösung gefunden wurde, beiden Interessen gerecht zu werden.405 Nach den Ausführungen des BGH in dem vorherigen Urteil verwundert insbesondere seine Argumentation in den Entscheidungsgründen zu dem „H.I.V.-Positive“- Urteil,406 in dem es heißt: „Angesichts der aufgezeig- ten Tragweite des Wettbewerbsverstoßes der ... ImageWerbung, deren grob wettbewerbswidriger Charakter im Rahmen einer dem Presseunternehmen zumutbaren Prüfung ohne weiteres erkennbar gewesen wäre, ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß ... die Haftung ... aus der Mißachtung der Verpflichtung, die Werbeanzeige hat.“ nicht zu veröffentlichen, hergeleitet 407 Nicht schlüssig ist, warum diese Werbemaßnahme für das Presseunternehmen nach zumutbarer Prüfung ohne weiteres erkennbar sein muß. Ebenso wie in dem Urteil zur Werbemaßnahme „Kinderarbeit“ wurde auch dieser Fall unterschiedlich von der Literatur beurteilt und zum Teil als nicht zu beanstandend eingeschätzt.408 Auch hier wies die Rechtsprechung keinen Präzedenzfall auf, auf den das Presseunternehmen bei seiner Prüfung, ob ein grober und eindeutiger Verstoß vorliegt, hätte zurückgreifen können. Nicht zuletzt wurde gerade in dieser Sache in erster Instanz durch das LG Frankfurt a. M. entschieden, daß die Werbemaßnahme unter keinem Gesichtspunkt als wettbewerbswidrig im 405 A.A. Hoffmann–Riem ZUM 1996, 1ff. (15f.). BGH NJW 1995, 2492f. - „H.I.V.-Positive“. 407 BGH NJW 1994, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 408 Löffler AfP 1993, 536ff.; Reichold WRP 1994, 219ff.; Schnorbus GRUR 1994, 18ff.; Sevecke AfP 1994, 196ff.; Sosnitza GRUR 1993, 540ff. 406 131 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Sinne der §§ 1, 3 UWG zu beanstanden sei.409 Erst durch das OLG Frankfurt a. M. wurde eine gegenteilige Ansicht vertreten.410 Es bleibt festzuhalten, daß der Pressefreiheit neben der Meinungsfreiheit eine eigenständige Bedeutung zukommt. Der Schutzbereich ist für das Presseunternehmen eröffnet, weil es mit der Veröffentlichung von Werbebildern grundsätzlich keine eigene Meinung abgeben will. Jedoch gilt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht uneingeschränkt. Die Pressefreiheit ist durch die allgemeine Vorschrift des § 1 UWG einzuschränken, so daß auch das Presseunternehmen der Einhaltung wettbewerbsrechtlichen Vorschriften unterliegt. Allerdings kommt dem Presseunternehmen die Haftungsprivilegierung der Erstbegehungsgefahr zugute, es sei denn, es verteidigt die Werbemaßnahme im Rechtsstreit vorbehaltlos. 4. Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG In zwei der drei Benetton-Urteile wurde noch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erörtert.411 Sowohl die Firma Benetton selbst412 als auch das Presseunternehmen Stern413 stellten sich auf den Standpunkt, die in der Werbung eingesetzten Photographien stellten Kunst dar, so daß das Grundrecht der Kunstfreiheit einschlägig sei, welches nicht durch Gesetze 409 LG Frankfurt a. M. AfP 1994, 242f. - „H.I.V.-Positive“. OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 1994, 945f. - „H.I.V.-Positive“. 411 BGHZ 130, 196ff. (202f.) – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“. 412 In dem Urteil BGHZ 130, 196ff. – „Ölverschmutzte Ente“ wurde die Firma Benetton selbst verklagt. 413 In dem Urteil BGH NJW 1995, 2490ff. – „Kinderarbeit“ wurde das Presseunternehmen „Stern“ aufgrund der Veröffentlichung der Werbemaßnahmen der Firma Benetton verklagt. 410 132 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte eingeschränkt werden könne. Die Werbemaßnahmen seien mit Mitteln der Kunst verwirklicht worden, so daß sich diese im wettbewerbsfreien Raum befinde. Es ist sehr schwierig, den Kunstbegriff zu definieren. Denn es ist gerade das Merkmal der Kunst, daß es keine gemeinsame Meinungen der Künstler, Kunstkritiker und der Philosophen über Kunst gibt.414 Das BVerfG hat einzelne Definitionsversuche vorgenommen und dabei drei Kunstbegriffe entwickelt: den materiellen, den formalen und den kommunikationstheoretischen.415 Wie weit die Verfassungsgarantie der Kunstfreiheit reicht und was sie im einzelnen bedeutet, läßt sich nicht ohne tieferes Eingehen auf die sehr verschiedenen Äußerungsformen darstellen.416 schöpfend betrifft künstlerischer in gleicher Die Weise Betätigung er- Kunstfreiheitsgarantie den „Werkbereich“, die künstlerische Betätigung als solche und den „Wirkbereich“ des künstlerischen Schaffens einschließlich der Tätigkeit derjenigen Personen, die eine unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Kunstwerk und Publikum ausüben.417 Geschützt ist damit nicht nur die künstlerische Betätigung selbst, sondern auch der damit verbundene Kommunikationsprozeß mit der gesellschaftlichen Außenwelt, die für die Begegnung mit dem Werk als einem kunstspezifischen Vorgang sachnotwendig ist.418 In den Entscheidungen zu den Benetton–Werbemaßnahmen hat der BGH offen gelassen, ob diese überhaupt in den 414 Starck in von Mangoldt/ Klein/ Starck, Bonner Grundgesetz, Kommentar, 1999, Band 1, Art. 5 Abs. 3, Rn. 276. 415 BVerfGE 67, 213ff. (226f.) – „Anachronistischer Zug“. 416 BVerfGE 30, 173ff. (188f.) – „Mephisto“; BVerfGE 67, 213ff. (226ff.) – „Anachronistischer Zug“; BVerfGE 81, 278ff. (291ff.) „Bundesflagge“. 417 BVerfGE 30, 173ff. (189, 191) – „Mephisto“; BGH NJW 1985, 263f. (263) – „Hessenlöwe“; s. auch BVerfGE 36, 321ff. (331) – „Schallplatten“. 133 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Anwendungsbereich der Kunstfreiheit fallen.419 Auf die Reichweite des Schutzbereichs der Kunstfreiheit ist an nicht näher einzugehen. Denn für das Problem, ob ein Werbebild diskriminierend und damit wettbewerbsrechtlich zu untersagen ist, hat dies keine Relevanz. Beanstandet werden nicht die Photographien als solche, sondern die Verwendung der Photographien zu wettbewerbsrechtlichen Zwecken. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist die wirtschaftliche Verwertung des Kunstwerks, also die Einnahmeerzielung, nicht geschützt, da diese weder in den Schaffensprozeß noch in den der Kommunikation fällt.420 Auch ist die Nutzung eines Kunstwerks durch Dritte nicht vom Schutzbereich umfaßt.421 Auch der BGH erörtert nicht, ob die streitgegenständlichen Photographien überhaupt in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fallen.422 Die Kunstfreiheit schütze nicht den zweckwidrigen Einsatz von Kunst zur Mißachtung von gesetzlichen Ordnungsvorschriften in der Absicht, daraus einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen. In diesem Zusammenhang sei sie nicht in rechtlich unzulässiger Weise eingeschränkt. Denn in diesen Fällen könne das UWG Anwendung finden, ohne in das Grundrecht der Kunstfreiheit einzugreifen. Die Anwendung des UWG gebe eine Antwort auf die Frage, ob es gestattet sei, ein – unterstellt künstlerisch wertvol418 BVerfGE 36, 321ff. (331) – „Schallplatten“. BGHZ 130, 196ff. (202f.) - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“. 420 Vgl. BVerfGE 31, 229ff. (238f.) – „Schulbuchprivileg“; BVerfGE 49, 382ff. (392) – „Kirchenmusik“; BVerfGE 71, 162ff. (176) – „berufswidrige Werbung durch Ärzte“; vgl. auch BGHZ 130, 205ff. (208) – „Feuer, Eis & Dynamit“; so auch Grigoleit/ Kersten DVBl. 1996, 596ff. (600); Jarass in Jarass/ Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 1997, Art. 5, Rn. 68; Oppermann in FS für Wacke, 1972, S. 393ff. (408); Scholz in Maunz/ Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Band 1, Stand Juni 1998, Art. 5 Abs. 3, Rn. 18; Sevecke AfP 1994, 196ff. (204). 421 BVerfG NJW 1985, 263f. – „Hessenlöwe“. 419 134 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte les – Medium in wettbewerbswidriger Weise zu eigenem geschäftlichen Vorteil einzusetzen. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Denn dem Unternehmen bleibt es unbenommen, die Photographien ohne den auf sie hinweisenden Zusatz „United Colors of Benetton“ zu veröffentlichen. Daran wird das Unternehmen indes kein Interesse haben, was wiederum die vorrangig wettbewerbsrechtliche Ausrichtung der Veröffentlichungen bestätigt. In der Literatur wird zum Teil vertreten, Werbung grundsätzlich in den Schutzbereich des Kunstbegriffs aufzunehmen.423 Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Grundsatz überhaupt besteht. Auf den Fall Benetton angewandt bleibt diese Sichtweise schon deshalb verschlossen, weil sich die Firma Benetton mit Ausnahme der Photographie „H.I.V.-Positive“ Photographien bediente, die bereits zuvor als Pressephotos veröffentlicht wurden.424 Damit bediente sich die Firma Benetton allenfalls der künstlerischen Betätigung Dritter, welche ohnehin nicht in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fällt. Die Firma Benetton übte mit der Veröffentlichung keine unentbehrliche Mittler- funktion zwischen Kunstwerk und Publikum aus. Auch selbst unter dem Gesichtspunkt der Verwendung der Photographien zum Zwecke der Werbung ist der Bereich der Kunstfreiheit nicht betroffen, da weder die künstlerische Betätigung des Werbenden noch irgend- 422 BGHZ 130, 196ff. (203) – „Ölverschmutzte Ente“; ebenso in BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“. 423 Grigoleit/ Kersten DVBl. 1996, 596ff. (601); Sevecke AfP 1994, 196ff. (204f.); Wünnenberg, Schockierende Werbung – Verstoß gegen § 1 UWG, 1993, S. 141ff., die eine solche Annahme jedoch im Ergebnis verneint. 424 So bei folgenden Photographien: ölverschmutzte Ente, Kinderarbeit, blutverschmiertes Neugeborenes, Transportcontainer und vielen anderen. 135 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte welche kunstspezifischen Verbreitungsformen betroffen sind. Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, daß das Grundrecht der Kunstfreiheit für die Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit einer Werbemaß- nahme keine Bedeutung hat. II. Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG Der BGH hat sowohl in dem Urteil „H.I.V.-Positive“ als auch in dem „Busengrapscher- und Schlüpferstürmer-Urteil“ die Sittenwidrigkeit der Werbemaßnahmen vor allem mit dem Verstoß gegen die Achtung der Menschenwürde begründet.425 In dem Urteil zu Benetton´s Werbemaßnahme „H.I.V.Positive“ geht der BGH davon aus, daß die Werbeanzeige nicht nur das Gefühl des Mitleides in starkem Maße anspreche, sondern in grober Weise gegen die Grundsätze der Wahrung der Menschenwürde verstoße. Durch die Abbildung eines menschlichen Körperteils mit dem Stempelaufdruck „H.I.V.-Positive“ werde der Aids- Kranke abgestempelt und damit als aus der menschlichen Gesellschaft ausgegrenzt dargestellt.426 Denn dem abgebildeten Körperteil sei, wie den Opfern des Holocaust die Häftlingsnummer oder wie den Teilen eines geschlachteten Tieres der Beschaustempel, der stigmatisierte Stempel „H.I.V.-Positive“ in die Haut eingebrannt.427 Ohne eine Geschmackszensur vorzunehmen, müsse die Werbung zumindest von H.I.V.-Erkrankten als grob anstößig und ihre Menschenwürde verletzend angesehen werden. Damit habe die Werbung eine Wirkung, 425 BGH (10f.) 426 BGH 427 OLG NJW 1995, 2492f. (2493)- „H.I.V.-Positive“; BGHZ 130, 5ff. – „Busengrapscher“. NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.-Positive“. Frankfurt a. M. NJW-RR 1994, 945f. (946) - „H.I.V.-Positive“. 136 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte der sich auch ein Betrachter, der weder selbst noch durch persönliche Beziehungen zu Aids-Kranken unmittelbar mit dem lebensbedrohenden Aids-Virus konfrontiert worden sei, nicht entziehen könne. Der BGH wertete dies insbesondere aufgrund einer in einer französischen Tageszeitung erschienene Werbung der Firma Benetton, in der das Gesicht eines Aids-Kranken, gezeichnet von dessen Krankheit, mit dem Untertitel „pendant l´agonie, la vente continue“ (während des Todeskampfes, der Verkauf geht weiter) abgebildet wurde. Es sei ein deutliches Zeichen dafür, wie zynisch und menschenverachtend die Darstellung menschlichen Leids in dieser Werbemaßnahme der Firma Benetton von Betroffenen empfunden werden müsse.428 In Teilen der Literatur hingegen wird diese Werbemaßnahme lediglich als überspitzte Darstellung angesehen, die Kritik an unserer Gesellschaft übe. Dies sei insbesondere aufgrund der gestellten Situation anzunehmen. Mit der Werbemaßnahme würden gesellschaftliche Phänomene iert. 429 thematisiert und kritisch akzentu- Deshalb überzeuge die Entscheidungsbegründung des BGH nicht, der allein die Darstellung eines AidsKranken als gesellschaftlich stigmatisiert und sittenwidrig werte.430 Es wird jedoch offensichtlich verkannt, daß der BGH in seinen Entscheidungsgründen die Sittenwidrigkeit der Werbemaßnahme nicht alleine mit der Abbildung selbst begründet, sondern auf seine im vorherigen Absatz getätigten Ausführungen Bezug nimmt, in denen er bereits auf Nutzung zu Werbezwekken eingeht. 428 BGH NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.-Positive“. Fezer JZ 1998, 265ff. (274); Wehlau DZWir 1996, 142ff. (144); anders Marly LM H 11/1995, § 1 UWG, Anm. zu Nr. 691 (Blatt 2) „H.I.V.-Positive“. 430 Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff. (538); Reichold EWiR 1995, 813f. (814); Ring DZWir 1995, 474ff. (476). 429 137 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Die kommerzielle Ausnutzung, welche insbesondere durch das Anbringen des Firmenlogos am Rande der Abbildung deutlich wird,431 in Verbindung mit dem im wahrsten Kranker Sinne ist des nicht Wortes nur „Abstempeln“ unheilbar menschenverachtend, sondern darüber hinaus von einem kaum zu überbietendem Zynismus.432 Die Argumentation der Firma Benetton, die Werbung wende sich in erster Linie an die heutige jüngere Generation, bei der der Vergleich der Werbung mit den Holocaust-Opfern nicht ernsthaft naheliege, verschließt sich der Präsenz der Geschehnisse während des zweiten Weltkrieges in unserer heutigen Gesellschaft. Ähnlich argumentiert der BGH in dem BusengrapscherUrteil. Er stellt bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit auf die Wertvorstellungen der beteiligten Verkehrskreise ab, deren Gewicht und Relevanz für die Beurteilung des in Frage stehenden Verhaltens jeweils aufgrund einer umfassenden Abwägung auch der einander gegenübertretenden Interessen zu erfolgen hat, wobei auch verfassungsrechtliche Bewertungen solcher Interessen eine Rolle spielen können.433 Nachdem der BGH die Absatzförderung des Etiketts in den Vordergrund stellt, trifft er eine detaillierte Beurteilung hinsichtlich der Wort- und Bilddarstellungen. Er wertet sie nicht als Scherz,434 sondern mißt diesen einen prägenden Charakter zu. Mit dem Genuß des Li- 431 Vgl. hierzu auch Oechsler EWiR § 1 UWG, 20/94, S. 821f. (822). So auch Marly LM H 11/1995, § 1 UWG, Anm. zu Nr. 691 (Blatt 2) „H.I.V.-Positive“. 433 BGHZ 130, 5ff. (8) – „Busengrapscher“. 434 Diese Ansicht wurde noch von dem Berufungsgericht (Kammergericht Berlin) und der ersten Instanz (Landgericht Berlin) vertreten. Eine solche geschmacklose Werbung verletze noch nicht schamlos anstößig das sittliche Befinden und das Publikum habe sich an frivole Texte und sexbetonte Bilder gewöhnt. 432 138 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte körfläschchens würden die Frauen zum frei verfügbarem Objekt. So bezeichnete alkoholische Getränke würden einer Verfügbarkeit für die angesprochenen sexuellen Handlungen Vorschub zu leisten. Der angesprochene Verkehr werde daher zu großen Teilen obszöne Andeutungen dieser Art als ernstgemeint ansehen, wenn sie zur Förderung des Absatzes eines alkoholhaltigen Getränks eingesetzt werden. Denn bei Berücksichtigung einerseits der in starkem Maße anzüglichen Schlagworte und Abbildungen und andererseits der allgemein bekannten enthemmenden Wirkung von Alkohol sei die Feststellung, das Publikum werde die Etikettierung nicht mindestens auch als Propagieren eines Mittels zur Überwindung sexueller Widerstände verstehen, mit der Lebenserfahrung nicht in Einklang zu bringen. Ein solches Verständnis liege im Gegenteil nahe und werde mit den verwendeten Etiketten auch bewußt angesprochen, und zwar in doppelter Hinsicht: durch Weckung des Gedankens an Enthemmung nicht allein der Frau, sondern auch des Mannes, um ihm Mut zu sexuellem Vorgehen zu machen.435 Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Werbeaussage bedeute diese eine Herabsetzung und Diskriminierung der Frau allein zum Zweck der Förderung des Absatzes eines bestimmten Produkts, welche eine Verletzung der Menschenwürde darstelle.436 In der Literatur wurde diese Betrachtungsweise des BGH wiederum vielfach kritisiert. Scherzartikel mit sexuellem Bezug seien massenhaft im („normalen“) Handel erhältlich.437 Auch sei die Betrachtungsweise des BGH einseitig. Schließlich ließen die Bild- und Wort- 435 436 437 BGHZ 130, 5ff. (9) – „Busengrapscher“. BGHZ 130, 5ff. (10) – „Busengrapscher“. Oellers EWiR § 1 UWG 13/95, S. 811f. (812). 139 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte darstellungen noch andere Interpretationen zu, bei denen nicht der weibliche Bevölkerungsteil, sondern der männliche diskriminiert würde. Denn der Begriff „Busengrapscher“ bzw. „Schlüpferstürmer“ richte sich an die männliche Bevölkerung. Somit ergebe sich die Herabsetzung der Frau nicht von selbst. Auch sei nicht vertretbar, der angesprochene Verkehr werde zu große Teilen die Wort- und Bilddarstellungen als ernstgemeint ansehen. Damit würde der im Volk verbreitete Wunderglauben überschätzt. Aufgrund des Überflusses der heutigen Medien sei die Bevölkerung in breiter Hinsicht abgehärtet, so daß eine solche Betrachtungsweise abwegig sei.438 Eine solche Beurteilung führt jedoch zu sach- und lebensfremden Erwägungen. Abgestellt werden darf nicht allein auf die Bezeichnung, vielmehr muß diese im Zusammenhang mit der Bilddarstellung gesehen werden. Es ist klar zu erkennen, daß Frauen dabei als bloße Objekte männlicher Lust dargestellt werden, deren Standhaftigkeit und Willenskraft durch die Einnahme des Getränks verbunden mit dessen Wirkung ohne weiteres abgeschaltet werden kann. Auch vermag die Argumentation, aufgrund des viel- schichtigen Angebots in der heutigen Werbung sei eine Herabsetzung des Maßstabes bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit anzunehmen, nicht überzeugen.439 Die Vielschichtigkeit der Werbemaßnahmen unserer heutigen Zeit und die damit verbundene Ausreizung der Werbemittel darf nicht dazu führen, daß im Kampf um das Überleben auf dem Markt die eigenen Produkte durch derart drastische Mittel angepriesen werden. Dies 438 Oellers EWiR § 1 UWG 13/95, S. 811f. (812). So Oellers EWiR § 1 UWG 13/95, S. 811f. (812); a.A. Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (980). 439 140 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte würde den Weg zu weiteren herabwürdigenden und diskriminierenden Werbekampagnen eröffnen und es ließe sich dann kaum noch Einhalt gebieten. Die Grenzen der Sittenwidrigkeit sind hier bei weitem überschritten, so daß die Werbemaßnahme nicht als Ausgangspunkt neuer sittenwidriger Verstöße verwendet werden darf.440 Vielmehr müssen hier Maßstäbe durch die Rechtsprechung gesetzt werden, die als vorbeugend für weitere Wettbewerbsverstöße gelten soll.441 Auch an dieser Stelle bestätigt sich wieder, daß den Grundrechten im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Sittenwidrigkeit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt. Zentraler Wert des Grundgesetzes und mithin inhaltsbestimmend für den Begriff der guten Sitten ist die Verpflichtung zum Schutz und zur Achtung der Menschenwürde. Den Kern des somit maßgeblichen sozialethischen Ordnungsgefüges bilden die wertethischen Prinzipien, über deren Verbindlichkeit die Rechtsgemeinschaft im Verfas- sungskonsens befunden hat. Die Wertordnung des Grundgesetzes mit. teilt sich dem Inhalt der guten Sitten 442 Die Würde des Menschen stellt den obersten Wert im grundrechtlichen Wertsystem dar und tragenden Konstitutionsprinzipien. 443 gehört zu den Das BVerfG ver- bindet mit dem Begriff der Menschenwürde den sozialen Wert- und Achtungsanspruch des Menschen, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu 440 Im Ergebnis so auch Fezer JZ 265ff. (268); vgl. hierzu auch Kur WRP 1995, 790ff. (791); Wehlau DZWir 1996, 142ff. (145). 441 So auch Kur WRP 1995, 790ff. (791). 442 BVerfGE 7, 198ff. (215)- „Lüth“. 443 BVerfGE 6, 32ff. (41) – „Bund der Deutschen“; BVerfGE 27, 1ff. (6) – „Urlaubs- und Erholungsreisen“; BVerfGE 30, 173ff. (193) – „Mephisto“; BVerfGE 32, 98ff. (108) – „Religiöse Vereinigung des evangelischen Brüdervereins“; BVerfGE 45, 187ff. (227) – „Heimtückischer 141 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt.444 Die Menschenwürde schützt den personalen Eigenwert des Menschen und ist verletzt, wenn die einzelnen Personen zum Objekt herabgewürdigt werden.445 Nicht erforderlich ist, daß der verletzte Angriff vom Staat ausgeht. Vielmehr kann ein solcher auch von Privatpersonen – wie beispielsweise einer Firma oder einem Presseunternehmen ausgehen.446 Die Menschenwürde ist zudem betroffen, wenn die prinzipielle Freiheit und Gleichheit eines Menschen mit allen anderen Menschen in Zweifel gezogen wird.447 Die Vorschrift enthält eine Verhaltensnorm für jedermann, niemandes Menschenwürde zu verletzen.448 Diese beschränkt sich nicht auf das Verfassungsrecht, sondern gilt für alle Rechtsgebiete. Bei der Beurteilung wettbewerbsrechtlicher Sittenwidrigkeit wird die Werteordnung der Verfassung hinzugezogen, insbesondere das Gebot zum Schutz der Menschenwürde als Leitlinie verwendet. Die Menschenwürde ist dabei als Mindeststandard zu verstehen, dessen Mißachtung niemandem gestattet ist. Natürlich besteht auch bei den Gerichten nicht immer Einigkeit bei der Beurteilung geschlechterdiskrimi- Mord“; BVerfGE 50, 166ff. (175) – „Ausweisung“; BVerfGE 87, 209ff. (228) – „Horrorfilm“. 444 BVerfGE 27, 1ff. (6) - „Urlaubs- und Erholungsreisen“; BVerfGE 28, 386ff. (391); BVerfGE 30, 1ff. (26) - „Briefgeheimnis“; BVerfGE 45, 187ff. (227) - „Heimtückischer Mord“; BVerfGE 50, 166ff. (175) „Ausweisung“; BVerfGE 87, 209ff. (228) – „Horrorfilm“. 445 Vgl. BVerwG NJW 1982, 664f. (664) - „Peep-Show“; VG Neustadt NVwZ 1993, 98ff. (99) – „Zwergenweitwurf“; vgl. hierzu auch Höfling/ Gern NJW 1983, 1582ff. 446 Vgl. hierzu BVerwG NJW 1982, 664f. (664) – „Peep-Show“. 447 Kirchhof in Isensee/ Kirchhoff, Handbuch des Staatsrechts der BRD, Band V, 1992, § 124, Rn. 100; Jarass in Jarass/ Pieroth, Grundgesetz für die BRD, 1997, Art. 1, Rn. 4. 448 Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 1999, Art. 1 Rn. 5; Podlech in Azzola u.a., Kommentar zum Grundgesetz für die BRD, Alternativkommentar, Band 1, 1989, Art. 1, Rn. 18; Wintrich, Zur Problematik der Grundrechte, S. 12. 142 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte nierender Werbebilder. Es gibt vergleichbare Ent- scheidungen der Instanzengerichte zu obszönen Produkten, die zum Teil sehr unterschiedlich ausfallen. So hat das LG Hamburg in seiner Entscheidung „Kleiner Bengel“ entschieden, daß der Vertrieb einer Spirituosenflasche mit einer gleichlautenden Bezeichnung, an deren Flaschenhals ein Kondom befestigt war, ebenfalls als sittenwidrig einzustufen sei. Eine solche Werbemaßnahme sei weder üblich noch erforderlich. Auch unter Berücksichtigung der vorherrschenden Liberalisierung und der zunehmenden Normalität bei der Verwendung von Kondomen wirke dies auf den Verbraucher störend, lästig und für nicht zu vernachlässigende Teile des Verkehrs auch anstößig.449 Eine andere Beurteilung ließ das LG Bayreuth zu. Streitgegenstand war ein Likörfläschchen mit einem Etikett, auf dem comic-artig eine rekelnde, nackte Frau innerhalb einer Gedankenblase eines nackten Mannes mit der Bezeichnung „Scharfer Hüpfer“ abgebildet war.450 Auch das OLG München ließ eine sexistische Werbemaßnahme unbeanstandet, in der das Photo einer Frau in einem schulterfreien Latexkostüm, bei dem auf der Vorderseite über die gesamte Länge ein Reißverschluß angebracht und das der Gestalt einer Nixe nachempfunden, abgebildet war. Neben der Frau steht eine Flasche Wodka. Die Werbeanzeige ist betitelt mit den Worten: “Hätten Sie nicht Lust, sie gleich zu öffnen?“451 449 Urteil des LG Hamburg vom 13.9.1995, Az.: 315 O 387/95 – „Kleiner Bengel“, nicht veröffentlicht. 450 Urteil des LG Bayreuth vom 29.3.1996, Az.: KH O 19/96 – „Scharfer Hüpfer“, nicht veröffentlicht. 451 Urteil des OLG München vom 13.5.1996, Az.: 29 W 1587/96, nicht veröffentlicht; vgl. hierzu auch Fezer JZ 1998, 265ff. (274). 143 Kapitel 3 B. - Einzelne Grundrechte Der Phantasie der Werbefachleute sind natürlich keine Grenzen gesetzt.452 Solche mit der Achtung der Menschenwürde kollidierenden Fälle treten immer häufiger auf, so daß diese an Bedeutung erheblich zunehmen. Dieser Form der Werbung muß Einhalt geboten werden. Werbebilder, die geeignet sind, andere Menschen in ihrer Würde zu verletzten, sind zu untersagen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn in einer Werbung einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Diese Ausführungen zeigen, daß es notwendig ist, die mögliche Verletzung der Menschenwürde zu berücksichtigen. Zu kritisieren ist, daß in der Literatur zum Teil die Kommunikationsgrundrechte detailliert analysiert und auf die Fälle Benetton für anwendbar erklärt werden, aber mit keinem Wort die Verletzung der Menschenwürde angesprochen wird.453 452 Vgl. hierzu dargestellte Werbemaßnahmen ohne weitere Angaben einer Fundstelle von Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (979): Es wurde ein Produkt auf den Markt gebracht, eine kleine Plastikflasche gefüllt mit Likör, die an einer Seite aufgerissen und so der Alkohol direkt an den Mund gespritzt werden kann. Das Produkt trägt den Namen „Flotter Rammler“ und zeigt zwei kopulierende Hasen. Darüber hinaus befindet sich auf der Plastiktüte der Spruch „Spritz Dir einen“. 453 So z.B. Heselhaus JA 1995, 863ff.; Löffler AfP 1993, 536ff.; Schnorbus GRUR 1994, 15ff.; Sevecke AfP 1994, 196; Sosnitza WRP 1995, 786ff.; Teichmann/ van Krüchten WRP 1994, 704ff.; Ullmann GRUR 1996, 948ff. 144 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Kapitel 4: Rechtliche Beurteilung diskriminierender Darstellungen A. Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Die Entwicklung der Werbung in den letzten Jahrzehnten zeigt deutlich den Trend zu Werbemaßnahmen mit politischem, gesellschaftspolitischem, wirtschaftlichem, religiösem, sozialem oder kulturellem Bezug. Die herkömmliche Werbung geht in dem Fluß der Massenmedien unter und die zunehmende Informationsüberlastung des Konsumenten läßt die Aufmerksamkeit des Betrachters schwinden.454 Das Publikum stumpft ab. Es gilt, durch besondere Effekte die eigene Werbung hervorzuheben, um Ansehen zu erhaschen. Dabei sind den Phantasien der Werbefachleute keine Grenzen gesetzt und zur Verwirklichung ihrer Ziele keine Mittel zu schade. Im Rahmen dieser Entwicklung nimmt die sog. ImageWerbung an Häufigkeit zu. Es wird nicht mehr ein unmittelbarer Bezug zu dem Produkt hergestellt, sondern der Name des jeweiligen Unternehmens wird hervorgehoben, um dessen Bekanntheitsgrad zu steigern und dadurch den Absatz zu fördern. Es wurden aufgrund dieser Werbestrategien Werbebilder veröffentlicht, deren Bezeichnung von geschmacklos über schockierend bis hin zur Diskriminierung reichen. Der Image-Werbung kommt dabei eine sehr weitläufige Werbewirkung zu, da die auf diese Werbestrategie empört reagierenden Verbraucher mit ihrer Kritik natürlich einen besonders einprägenden Charakter der Werbebilder bewirken. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll vertieft auf die mit der Image-Werbung auftretende diskriminieren- 145 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung de Werbung eingegangen werden. Es wurden immer wieder Versuche unternommen, den Hefermehl von diese besonderen entwickelten Kategorien darin enthaltenen Fallgruppen zuzuordnen. gend wurden die Fallgruppen Werbebilder der 455 und den Überwie- gefühlsbetonten, schockierenden oder auch anstößigen Werbeformen bevorzugt. Die Zuordnung in eine derartige Fallgruppe ist schwierig, denn diese verschiedenen Fallgruppen sind jede für sich gesehen nicht geeignet bzw. ausreichend, den Tatbestand der diskriminierenden Werbung auszufüllen. Bei der Frage der Zuordnung gilt es zunächst allgemeine wettbewerbsrechtliche Grundsätze zu beachten. I. Keine Geschmackszensur Werbemaßnahmen im Rahmen der neuartigen Image-Werbung werden von vielen Verbrauchern als geschmacklos empfunden. Andere werden sie als einfallsreich und originell bezeichnen, da ihr subjektiv geprägtes Empfinden ein anderes ist. Es bleibt immer eine Frage des „Geschmacks“, wie diese Werbemaßnahmen zu beurteilen sind. Eine Bestimmung des sogenannten guten Ge- schmacks ist von subjektiven Empfindungen geprägt, für die es keine einheitliche Definition gibt, denn das menschliche Empfinden ist individuell. Über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten!456 Bereits im Jahre 1970 entschied der BGH, daß § 1 UWG nicht den Zwecken einer Geschmackszensur dient.457 Er hatte einen Werbeslogan für ein Buch, in dem für die 454 Vgl. hierzu Ausführungen in Kapitel 1 B. Vgl. hierzu Ausführungen in Kapitel 2 A. 2.-3. 456 Fezer JZ 1998, 265ff. (268); Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (979). 457 BGH GRUR 1970, 557f. (558) – „Erotik in der Ehe“. 455 146 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung erotische Liebesvollendung in der Ehe geworben wurde, wettbewerbsrechtlich zu beurteilen.458 Der Slogan wurde zwar als taktlos eingestuft, blieb aber unbeanstandet, da die Geschmacklosigkeit nicht als taugliches Kriterium zur Bestimmung der Sittenwidrigkeit einer Aufmerksamkeitswerbung verwendet werden kön- ne.459 Die Ausgrenzung der Geschmacklosigkeit aus dem Beurteilungsmaßstab der Sittenwidrigkeit wurde in der Rechtsprechung und auch in der Literatur immer wieder bestätigt.460 Es ist nicht Aufgabe des Wettbewerbsrichters, die Werbung einer Geschmackszensur zu unterziehen.461 Eine geschmack- oder taktlose Werbung ist nicht auf der Grundlage des § 1 UWG zu beurteilen.462 Auch der Umstand, daß sich Werbende dabei sexueller Motive bedienen, reicht für sich alleine noch nicht zur Begründung der Sittenwidrigkeit aus.463 Hier zeigt sich besonders deutlich die Grenze zwischen Ge- schmacklosigkeit und Sittenwidrigkeit. Bei derartigen 458 Es wurde dabei für ein Buch mit dem Titel „Die erotische Liebesvollendung in der Ehe“ mit einem Werbezettel geworben, der folgenden Inhalt enthielt: „Die erotische Liebesvollendung in der Ehe. Das Glück in der Ehe hängt nicht nur von der gegenseitigen Liebe ab. In mancher Ehe ist eine Gleichgültigkeit eingetreten, weil beide Partner über die intimsten Geheimnisse nicht unterrichtet waren. Der Autor dieses Buches gibt eine bis ins Einzelne gehende Anleitung und spricht über die geheimsten Wünsche des Verlangens so offen und frei, wie es noch vor kurzer Zeit undenkbar erschien. Wer in seiner Ehe glücklich leben will, muß dieses Buch gelesen haben!“ Entscheidung abgedruckt in BGH GRUR 1970, 557f. – „Erotik in der Ehe“. 459 BGH GRUR 1970, 557f. (558) – „Erotik in de Ehe“. 460 BGHZ 130, 5ff. (8) – „Busengrapscher“; BGHZ 130, 196ff. (202) – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“; so auch Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1, Rn. 84; Fezer JZ 1998, 265ff. (268), Henning-Bodewig GRUR 1997, 180ff. (186); dies. WRP 1992, 533ff. (535, 538); Schramm GRUR 1970, 558; Wehlau DZWir 1996, 142ff. (145). 461 BGHZ 130, 196ff. (202) „Ölverschmutzte Ente“. 462 Vgl. hierzu LG Hamburg NJW-RR 1989, 488f. (488) – „Werbung eines Bestattungsinstituts“; so auch Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1, Rn. 84; Fezer JZ 1998, 265ff. (269). 463 Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (980). 147 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Werbebildern ist auf Wertvorstellungen der beteiligten Verkehrskreise abzustellen, deren Gewicht und Relevanz für die Beurteilung des in Frage stehenden Verhaltens jeweils aufgrund einer umfassenden Abwägung auch der einander gegenüberstehenden Interessen sowie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu erfolgen hat, wobei auch verfassungsrechtliche Bewertungen solcher Interessen eine Rolle spielen können.464 In dem Fall „Busengrapscher“ hat das Berufungsgericht die Bilder und den dazugehörigen Text auf den Likörfläschchen als noch wettbewerbskonform eingestuft, da eine solche geschmacklose Werbung noch nicht schamlos anstößig das sittliche Befinden verletze. Das Publikum habe sich an frivole Texte und sexbetonte Bilder gewöhnt. Der BGH hingegen vertritt die Auffassung, die Likörfläschchen könnten eben nicht mehr als Scherz eingestuft werden, sondern würden in obszöner Weise den Eindruck der freien Verfügbarkeit der Frau in sexueller Hinsicht vermitteln und zugleich die Vorstellung fördern, die so bezeichneten Getränke seien geeignet, solcher Verfügbarkeit für die angesprochenen sexuellen Handlungen Vorschub zu leisten.465 Hier zeigt sich, wie schwierig es im einzelnen ist, geschmacksbestimmende Kriterien nicht in die wettbewerbsrechtliche Beurteilung einfließen zu lassen und vor allem diese von diskriminierender Entwürdigung zu differenzieren. In den Benetton–Urteilen führt der BGH aus, die Werbemaßnahmen seien nicht mehr als eine nur geschmack- 464 465 Vgl. hierzu Ausführungen in Kapitel 4. BGHZ 130, 5ff. (9) - „Busengrapscher“. 148 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung lose Werbung zu klassifizieren, die als solche keiner Zensur durch die Wettbewerbsgerichte unterliegt. Der Bereich des bloß schlechten Geschmacks sei hier bei weitem überschritten.466 Entscheidendes Kriterium sei, daß die Firma Benetton bei ihrer Werbung das Mitleidsgefühl der Verbraucher anspreche und sich zunutze mache. Eine Geschmackszensur ist mit den wettbewerbsrechtlichen Beurteilungsmaßstäben unvereinbar. Diese Sichtweise überzeugt insbesondere unter dem Aspekt, daß eine einheitliche Definition des Geschmacks de facto nicht möglich ist. Die Auffassungen über Geschmack sind aufgrund der individuell subjektiven Prägung zum Teil derart konträr, daß eine Richtlinie zur Bestimmung des Begriffs „Geschmack“ durch Auseinanderlegung und Erklärung seines Inhalts kaum möglich ist. Sie obliegt allein der persönlichen Ansicht und Einschätzung. Außerdem kann sich die individuelle Auffassung von Geschmack laufend ändern. Was heute noch gefällt, gehört morgen vielleicht schon der Vergangenheit an. Mit der Entwicklung des einzelnen und der Ausprägung seines Charakters ändert sich unweigerlich auch dessen persönliches Geschmacksempfinden. Dies wird beeinflußt und gefördert durch Faktoren wie die Umwelt, das gesellschaftliche Umfeld, die einzelnen Kulturen, die individuelle Reife und vieles mehr. So wie sich die Zeiten ändern, ändern sich auch die Geschmäcker. Mit dem Wandel der Zeit vollzieht sich eine rasante Entwicklung. Besonders deutlich zeigt sich dieser Wandel an dem Fall „Erotik in der Ehe“. Während noch im Jahre 1970 466 BGHZ 130, 196ff. (202) – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 149 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung das Aufklärungsbuch erhebliches Aufsehen erregen konnte, würde es in der jetzigen Zeit kaum Beachtung finden. Denn in der heutigen Zeit gehören sexuelle Themen zur Tagesordnung unserer Gesellschaft. Eine sittenwidrige Werbemaßnahme kann demnach erst dann angenommen werden, wenn eine Werbung nach der Auffassung der betroffenen Verkehrskreise das sittliche Empfinden verletzt, insbesondere in grobem Maße gegen Pietät und Takt verstößt, und dadurch ärgerniserregend und belästigend wirkt.467 II. Sachlichkeitsgrundsatz Für die Image-Werbung ist charakteristisch, daß entgegen herkömmlichen Werbestrategien keinerlei sachlicher Bezug zu dem umworbenen Produkt hergestellt wird. Vielmehr soll mittels drastischer Schlagworte, frivoler Texte und sexbetonter, obszöner Bilder die Aufmerksamkeit des Publikums geweckt werden.468 Dabei werden von den Werbenden Themen aufgegriffen, die bislang als Tabu in unserer heutige Gesellschaft gelten.469 Die Tendenz geht weg von der produktbezogenen Werbung und hin zu einer das Ansehen und die Verkehrsbekanntheit des Namens eines Unternehmens steigernde Werbung. Diese ist nicht auf die Darstellung der von dem Unternehmen Vielmehr hergestellten soll das Image Produkte des ausgerichtet. Unternehmens „aufge- frischt“ werden. 467 So auch Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1, Rn. 84. So auch Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1, Rn. 84. 469 So bezeichnet Ahrens die Werbemaßnahmen der Firma Benetton als in den „Tabu-Bereich eindringend“, JZ 1995, 1097ff. (1098). 468 150 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Es fragt sich, ob dieser einer Werbemaßnahme fehlende sachliche Bezug zum Produkt für die Beurteilung der Werbemaßnahme unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten eine Rolle spielt. Dabei erörterte die Rechtsprechung zunächst, ob diese Werbemaßnahmen überhaupt als Wettbewerbshandlungen zu bezeichnen sind. Nach der herkömmlichen Definition liegt ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs in jedem Verhalten, daß äußerlich geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen Person zu för- dern.470 Die in Rede stehenden Werbemaßnahmen setzen sich vorzugsweise zum Teil in drastischer Weise mit Themen auseinander, die politischer, gesellschaftspolitischer, wirtschaftlicher, religiöser, sozialer und kultureller Natur sind. Sie sind dabei ohne sachlichen Bezug zum Produkt lediglich mit einem Hinweis auf das Unternehmen versehen. Durch diese Art von Werbung, die vielfach schockartige Wirkung auf den Betrachter ausübt, wird die Aufmerksamkeit des Betrachters ohne Zweifel erregt und damit zumindest der Bekanntheitsgrad des Unternehmens gesteigert.471 Aus diesem Grund kann der Anwendung des § 1 UWG nicht entgegenstehen, daß die Gestaltung einer Werbung nicht auf das Warenangebot des Werbenden gerichtet ist. Auch eine reine Aufmerksamkeitswerbung, welche geeignet ist, den Namen des werbenden Unternehmens im Verkehr bekanntzumachen oder dessen Verkehrsbekanntheit zu steigern, muß den Wettbewerbshandlungen im geschäftlichen Verkehr zugerechnet werden.472 Schließlich darf nicht außer acht bleiben, daß mit der Image-Werbung zumindest auch mittelbar der Absatz der jeweiligen Produkte gefördert werden soll. 470 471 Marly in LM H 11/1995, § 1 UWG, Nr. 692 und Nr. 693. Siehe hierzu Oechsler BGH EWiR § 1 UWG 20/94, 821f. (822). 151 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Dem Verbraucher soll eine positive Einstellung zu dem Unternehmen vermittelt werden, mit der er sich solidarisiert und sich aus diesem Grunde vorzugsweise für dessen Produkte entscheidet. Dies bedeutet jedoch nicht, daß sich der Umworbene mit den bestimmten Wertvorstellungen identifiziert, die die Produkte des jeweiligen Unternehmens zu verkörpern vorgeben.473 Eine insbesondere im solche Hinblick Interpretation auf die ist Benetton- Werbekampagne kaum vertretbar. Ein Pullover verkörpert sicherlich schmutzung bzw. keine zur Einstellung zur Stigmatisierung von Umweltver„H.I.V.- Positive“ in unserer heutigen Gesellschaft. Es kann lediglich davon ausgegangen werden, daß sich der Verbraucher möglicherweise mit der Unternehmensphilosophie identifiziert. Kassebohm dehnt die Kaufmotivation des Verbrauchers und die damit verbundene Einstellung zum Produkt noch weiter aus: „Diejenigen Personen, die Benetton´s Ware kauften, konnten hierüber wiederum das Gefühl erhalten, selbst nicht als langweilig zu gelten, sondern ebenso Gegenstand aktueller Auseinandersetzungen und allgemeiner Beachtung zu sein. Das starke Prestigestreben, das hinter der Motivation zum Kauf von Kleidung steckt, wurde insofern wegen der sozialen Auffälligkeit gerade der BenettonKleidung geschickt ausgenutzt.“474 Diese Überlegung scheint als Kaufmotivation höchst abwegig und wird schon durch den eklatanten Umsatzrückgang der Firma Benetton widerlegt. Dieser zeigt, daß sich der Verbraucher keineswegs mit der Abnahme des Produkts in 472 BGHZ 130, 196ff. (199) – „Ölverschmutzte Ente“. So versteht Hartwig die Image-Werbung, WRP 1997, 825ff. (827). 474 Kassebohm, Grenzen schockierender Werbung, 1995, 2. Kapitel, 1.1.3, S. 59. 473 152 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung den gesellschaftlichen Mittelpunkt stellen will, sondern sich im Gegenteil von der Marke absondert. Des weiteren gilt zu klären, ob der Sachlichkeitsgrundsatz als Auslegungsdirektive und Wertungskriterium zur Begründung einer wettbewerbswidrigen Maßnahmen fungieren kann.475 Ansatzpunkt dieser Überlegung ist, daß der Sachlichkeitsgrundsatz aus dem Lei- stungsprinzip (auch unter den Begriff Leistungswettbewerb zu fassen) resultiert.476 Nach diesem Lei- stungsprinzip ist der wirtschaftliche Wettbewerb ausgerichtet.477 Ziel des Leistungswettbewerbs ist die Verbesserung von Qualität und Preis der Ware sowie die damit verbundene Serviceleistung.478 Der Wettbewerb soll in der Förderung der Absatztätigkeit des eigenen Unternehmens mit den Mitteln der eigenen Leistung bestehen.479 Dagegen liegt ein Nichtleistungswettbewerb vor, wenn Mittel angewandt werden, die geeignet sind, einen echten Vergleich der Leistungen der einzelnen Wettbewerber durch die Marktgegenseite auszuschließen. Dazu gehört der Bereich der Wertreklame wie Werbegeschenke, Gewinnspiele, Zugaben und Vergünstigungen.480 Der Nichtleistungswettbewerb unterliegt einem strengeren Beurteilungsmaßstab als der Leistungswettbewerb, da der Begriff des Nichtleistungswettbewerbs den spezifischen Unrechtsgehalt einer Wettbewerbshandlung impliziert.481 475 Vgl. Fezer JZ 1998, 265ff. (270); Henning-Bodewig GRUR 1997, 180ff. (188); Teichmann/ van Krüchten WRP 1994, 704ff. 476 Siehe hierzu Fezer JZ 1998, 265ff. (270). 477 Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, Rn. 96. 478 Kassebohm, Grenzen schockierender Werbung, 1995, 2. Kapitel, 3.2., S. 97. 479 Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 96. 480 Fezer JZ 1998, 265ff. (270); Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1 , Rn. 85ff. 481 Vgl. hierzu Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 1999, § 1, Rn. 24. 153 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Das Leitbild des Leistungswettbewerbs entspricht der erstrebenswerten und damit auch schutzwürdigen Form des Wettbewerbs und wird deshalb als materieller Beurteilungsmaßstab von lauteren und unlauteren Wettbewerbshandlungen herangezogen.482 Eine Werbemaßnahme, in der eine sachliche Information das Produkt bzw. die Dienstleistung betreffend wiedergegeben wird, die dem Interesse des Verbrauchers dient und nicht seine Entscheidungsfreiheit unangemessen beeinträchtigt, ist wettbewerbskonform.483 Damit besteht der allgemeine Grundsatz, daß eine Werbung sachlich sein soll.484 An die Sachlichkeit selbst werden keine großen Erwartungen gestellt. Diesem Grundsatz wird gerecht, wer in seiner Werbung mit seinen Produkten in irgendeiner Weise die Qualität, den Preis und bzw. oder die Serviceleistung betreffend wirbt.485 Ausreichend für die Herstellung eines solchen sachlichen Bezuges ist schon die bildliche Darstellung des umworbenen Produkts.486 Eine weitläufige Diskussion in der Rechtsprechung und der Literatur wurde bei der Frage entfacht, ob Werbemaßnahmen ohne Sachbezug die Interessen der Allgemeinheit gefährden.487 Der fehlende Sachbezug kann al- 482 Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, Einl. UWG, Rn. 96. Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1 UWG, Rn. 176a und UWG vor §§ 3-8, Rn. 6; BGH GRUR 1969, 283ff. – „Schornsteinauskleidung“; kritisch dazu Spengler WuW 1956, 721ff. 484 BGH GRUR 1969, 283ff. – „Schornsteinauskleidung“; Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, UWG vor §§ 3-8, Rn. 6; kritisch dazu Spengler WuW 1956, 721ff. 485 Kassebohm, Grenzen der schockierenden Werbung, 1995, 2. Kapitel, 3.2.1., S. 97. 486 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 734 – „Paradise now“; in der Entscheidung wurden von dem Modehersteller Otto Kern Photographien veröffentlicht, in denen die darin agierenden Personen die Mode des Werbeträgers präsentieren. 487 Vgl. hierzu Fezer JZ 1998, 265ff. (270); Fischer GRUR 1995, 641ff. (646); Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff.; Henning-Bodewig GRUR 1997, 180ff. (188); dies. GRUR 1993, 950ff. (951); dies. WRP 1992, 533ff. (536); Kassebohm, Grenzen der schockierenden Werbung, 1995, 2. Kapitel, 3.2.1., S. 97; Menke GRUR 1995, 534ff. (536); Sosnitza GRUR 483 154 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung leine als Kriterium zur Begründung einer sittenwidrigen Werbemaßnahme kaum ausreichen. Dies würde zu einer eklatanten Einschränkung des Anwendungsbereichs des Leistungswettbewerbs führen. Eine sachbezogene Werbung kann zwar den Leistungswettbewerb als solchen begründen, ist jedoch als Kriterium für die Abgrenzung zum Nichtleistungswettbewerb gänzlich ungeeignet.488 Noch die Instanzenrechtsprechung stellte entscheidend auf den erforderlichen Sachbezug zwischen Produkt und Werbung ab und ließ den fehlenden sachlichen Bezug für sich alleine schon zur Begründung der Sittenwidrigkeit ausreichen.489 Dieser gehe zu der angebotenen Leistung verloren oder aber es werde damit gezielt auf eine unsachliche Kundenbeeinflussung hingewirkt. Eine Werbung mit dem Leid von Menschen und Tieren ohne jeden Sachbezug wirke den wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen entgegen.490 Diese Sichtweise verwirft der BGH. Er führt in den Benetton-Urteilen aus, daß „die Schwelle sittenwidriger Aufmerksamkeitswerbung nicht schon dann als überschritten angesehen werden könne, wenn die Image- Werbung keinerlei Bezug zum Waren- oder Dienstlei- 1993, 540ff. (542); Teichmann/ van Krüchten WRP 1994, 704ff.; Wünnenberg, Schockierende Werbung – Verstoß gegen § 1 UWG?, 1993, 4. Kapitel, III. 2. c), S. 110. BGHZ 130, 196ff. – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. – „H.I.V.-Positive“. 488 Wünnenberg, Schockierende Werbung – Verstoß gegen § 1 UWG?, 1993, 4. Kapitel, III. 2. c), S. 114. 489 Das OLG Frankfurt a.M. führt aus, daß zwischen der Abbildung des verölten Wasservogels und der von der Firma Benetton vertriebenen modischen Kleidung eine so große Kluft liege, daß man geradezu von einem makabren Gegenteil des Leistungswettbewerbs sprechen könne. Siehe OLG Frankfurt a.M. WRP 1994, 405ff. (406f.) - „Verölter Wasservogel“. 490 So OLG Frankfurt a.M. AfP 1992, 378f. – „Transportcontainer“; OLG Frankfurt a.M. WRP 1994, 405ff. – „Verölter Wasservogel“; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 945f. – „H.I.V.-Positive“, auch OLG Saarbrükken WRP 1992, 510ff. (511) – „Umweltwerbung“; LG München GRUR 1993, 985ff. (986) – „Togal-Werbung“. 155 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung stungsangebot des Unternehmens aufweist.“491 Zutreffend wird dargelegt, ohne das Hinzutreten besonderer Umstände sei ohnehin schon kein Anlaß gegeben, von einer unlauteren Werbemaßnahme zu sprechen.492 Die Image-Werbung alleine kann die Sittenwidrigkeit nicht begründen.493 Das folgt aus dem Wandel der Zeit, denn durch diesen ändern sich auch grundlegend die Marktstrategien. Während früher von dem sachlich orientierten Verbraucher die Rede war, der erst nach ordnungsgemäßer Prüfung der Ware sich als Ergebnis rationaler Überlegungen für ein Produkt entschied,494 sind diese Überlegungen nach heutigen Maßstäben nicht mehr kaufentscheidend. Der Verbraucher steht der Werbung skeptisch gegenüber.495 Die Werbung gilt allgemein als nicht besonders glaubhaft. Der Verbraucher wird mit einer Vielzahl von Produkten überflutet, so daß er sein Augenmerk nicht mehr auf sachlich orientierte Gesichtspunkte richtet, sondern auf andere Faktoren, wie z.B. das Prestige einer Marke, die Verkehrsbe491 BGHZ 130, 196ff. (200) – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 492 Während das OLG Frankfurt a.M. noch in dem Fall „verölter Wasservogel“ entscheidend auf den die Sittenwidrigkeit begründenden fehlenden Sachbezug abstellte, hat derselbe Senat die Werbemaßnahme von Otto Kern „Paradise Now“ wettbewerbsrechtlich als nicht zu beanstanden angesehen. In seiner Begründung weist er zwar darauf hin, daß der Inhalt der Werbefotos nicht völlig leistungsfremd ist. Ein fehlender Sachbezug reiche ohnehin allein nicht aus, um die Werbemaßnahme wettbewerbsrechtlich zu beanstanden. Zwar erkennt er an, daß die werbemäßige Benutzung religiöser Themen durchaus geeignet sein können, Irritationen und Empörung bei einem Teil der Bevölkerung auszulösen, der seine religiösen Glaubensinhalte nicht in Verbindung gebracht sehen will mit einer auf eigennützige Gewinnerzielung gerichteten Wirtschaftswerbung. Vorliegend sei dies nicht zu befürchten, da die biblischen Motive bewußt zurückhaltend und ohne Pervertierung der eigentlichen Inhalte verwendet würden. OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 734 – „Paradise Now“ 493 So auch BGH AfP 1997, 905ff. – „Politikerschelte“. 494 Baudenbacher, Suggestivwerbung und Lauterkeitsrecht, 1978, 2. Kapitel, § 1, S. 12ff.; vgl. auch Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1 UWG, Rn. 176a; Wünnenberg, Schockierend Werbung – Verstoß gegen § 1 UWG?, 1993, 4. Kapitel, III. 2. c), S. 110ff. 495 Dies zeigen empirische Untersuchungen, siehe hierzu Mähling, Werbung, Wettbewerb und Verbraucherpolitik, 1983. 156 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung kanntheit eines Unternehmens und deren Gesinnung. Damit gewinnt das Image eines Unternehmens einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Ihm kommt die Aufgabe zu, das Angebot an Gütern und Dienstleistungen sowie das werbliche Angebot durch Vereinfachung und Reduzierung auf die als charakteristisch empfundenen Details psychologisch zu bewältigen.496 Mit der ImageWerbung wird einerseits erreicht, Aufmerksamkeit beim Verbraucher zu erregen und andererseits diesen nicht unnötig mit Informationen zu belasten. Die Unternehmen müssen deshalb in ihren Gestaltungsmöglichkeiten frei sein, damit eine kreative Auseinandersetzung gewährleistet ist. Die Werbebilder – wenn auch ohne sachlichen Bezug zu Bekleidungstextilien – waren allesamt versehen mit dem Firmenemblem. Dies ermöglichte dem Verbraucher, die Werbemaßnahmen sowohl dem Unternehmen Benetton als auch der dazugehörigen Ware zuzuordnen.497 Durch diese Werbekampagne hat die Firma Benetton einen Bekanntheitsgrad erlangt, woraus geschlossen werden kann, daß der Verbraucher das Image eines Unternehmens als Leistung anerkennt.498 Weitgehende Einigkeit besteht darüber, daß der fehlende sachliche Bezug einer Werbemaßnahme allein ohne das Hinzutreten besonderer, die Sittenwidrigkeit be496 Baudenbacher, Suggestivwerbung und Lauterkeitsrecht, 1978, 1. Kapitel, § 4 III. 2. C., S. 37. 497 Kassebohm, Grenzen der schockierenden Werbung, 1995, 2. Kapitel, 3.2.3, S. 105. 498 Wünnenberg, Schockierende Werbung – Verstoß gegen § 1 UWG?, 1993, 4. Kapitel, III. 2. c), S. 114; vgl. auch Sosnitza WRP 1995, 786ff. (788). Allerdings ist dies nicht notwendig in Zusammenhang mit einer Absatzsteigerung zu sehen. Aufgrund der diskriminierenden und auch schockierenden Werbemaßnahmen erlitt das Unternehmen erhebliche Umsatzrückgang, wie spätere Klagen der Einzelhändler auf Schadenersatz zeigen. Vgl. hierzu die von den Händlern geführten Prozesse gegen die Firma Benetton aufgrund der erheblichen Umsatzeinbußen nach Veröffentlichung der Werbekampagne, BGH NJW 1997, 3304ff. – „Benetton I“ und BGH NJW 1997, 3309ff. – „Benetton II“. Siehe hierzu auch Artikel 157 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung gründender Umstände nicht Anlaß gibt, von einer unlauteren Werbemaßnahme zu sprechen.499 Es ist unzeitgemäß, bei der Wettbewerbsmäßigkeit einer Werbemaßnahme ausschließlich auf eine sachlich informative Werbeform abzustellen. Stimmen in der Literatur fordern sogar, gänzlich auf das Kriterium des sachlichen Bezugs im Wettbewerb zu verzichten.500 Denn dieses sei an wettbewerbsrechtliche Anforderungen einer tradierten Werbeform verankert, die weder der heutigen Funktionsweise und Aufgabe des Wettbewerbs allgemein noch der aufgrund neu entwickelter Werbestrategien zur Image-Werbung speziell gerecht werde.501 Tatsächlich bestimmen zunehmend unternehmensorientierte Argumente in der Konsumgüterwerbung das Marktverhalten des Verbrauchers und weniger sachbezogene Kriterien. Die Zeiten, in denen ausschließlich die Werbung darauf abzielte, dem Verbraucher Produktinformationen zukommen zu lassen, sind vorbei. So stehen sich die informative und die suggestive Werbeform nicht gegenüber, sondern die suggestive Werbeform hat sich aus der sachlich informativen entfaltet. Durch die Überflutung der Werbelandschaft soll mit der Imagepflege bezweckt werden, angeregt durch Gefühle, Stimmungen und Befindlichkeiten Aufmerksamkeit zu erhalten, so daß der Verbraucher in der Süddeutschen Zeitung vom 14./15.1.1995, S. 34, „Aufstand gegen Benetton: Händler wehren sich“. 499 BGHZ 130, 196ff. – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. – „H.I.V.-Positive“; BGHZ 130, 5ff. (10) – „Busengrapscher“; OLG Frankurt a.M. NJW-RR 1994, 734 „Paradise now“; Artmann WBL 1998, 474ff.; Fezer JZ 1998, 265ff. (270); Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (978); Harrer WBl. 1996, 465ff. (466ff.); Hartwig ZUM 1998, 782ff. (789); Henning-Bodewig GRUR 1997, 180ff. (188f.); dies. GRUR 1993, 950ff. (951); dies. WRP 1992, 533ff. (536); Menke GRUR 1995, 534ff. (537); Keßler WRP 1999, 146ff. (150ff.); Sosnitza WRP 1995, 786ff. (788, 790); ders. GRUR 1993, 540ff. (542f.); Teichmann/ van Krüchten WRP 1994, 704ff. 500 Hartwig ZUM 1998, 782ff. (789f.); Menke GRUR 1995, 534ff. (535f., 538); Sosnitza GRUR 1993, 540ff. (542); vgl. auch Bülow, ZIP 1995, 1289ff. (1290); Henning-Bodewig GRUR 1997, 180ff. (188f.). 158 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung seine Blickrichtung auf das Unternehmen richtet und dadurch selbst die Assoziation zum vertriebenen Produkt herstellt. Es ist unzeitgemäß, am Sachlichkeitsgrundsatz festzuhalten. Aus dem Fehlen eines sachlichen Zusammenhangs können sich keine lauterkeits- rechtlichen Grenzen ergeben. Der BGH hingegen bleibt dem Sachlichkeitsgrundsatz treu. Interessanterweise führt er in den BenettonUrteilen aus, daß bei einem Sachbezug des dargestellten Elends eine andere wettbewerbsrechtliche Beurteilung gerechtfertigt sein könnte.502 Dies sei im Fall „Ölverschmutzte Ente“ ohne weiteres einsichtig, stelle man sich vor, ein chemisches Unternehmen, das ölfressende bakterielle Substanzen herstellt, bediene sich dieser Photographie zu Werbezwecken.503 Diese Argumentation findet sich auch wieder bei dem BenettonWerbebild eines bosnischen Soldaten. Dieses Werbebild wäre wettbewerbsrechtlich unbeanstandet geblieben, würde es von einer Hilfsorganisation zu Zwecken der Bosnien-Hilfe verwendet worden sein.504 Einen ähnlichen Vergleich bringt der BGH in dem Fall „Busengrapscher“. Dort argumentiert er, es müßten andere Maßstäbe angelegt und im Wettbewerb als unanstößig (noch) zu tolerieren angesehen werden, würde sich die sexistische Werbung auf Ware beziehen, deren besonderer Charakter sich schon aus ihrer spezifischen Zwecksetzung – wie etwa bei unmittelbar zur sexuellen Verwendung bestimmten oder bei pornographischen Arti- 501 Vgl. Teichmann/ van Krüchten WRP 1994, 704ff. (704). BGHZ 130, 196ff. (200) – „Ölverschmutzte Ente“. 503 BGHZ 130, 196ff. (200) - „Ölverschmutzte Ente“. 504 Vgl. hierzu Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, 1995, Rn. 176. 502 159 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung keln – und ihrem entsprechenden besonderen Vertriebsstätten wie Sex-Shops ergibt.505 Dies führt zu dem Schluß, daß eine Werbemaßnahme ohne Sachbezug schneller die Schwelle zur Sittenwidrigkeit überschreitet als eine mit Sachbezug. Der Werbende muß sich bei derartiger Vorgehensweise einer genauen Betrachtung unterziehen.506 Damit wird bereits im Vorfeld ein Richtungsweiser gesetzt, der einer Vorabentscheidung gleich kommt und jeglichen marktstrategischen Entwicklungen zuwiderläuft. Bei einer produktbezogenen Werbemaßnahme hingegen müssen die Umstände schon sehr viel gewichtiger sein, um die Unlauterkeit zu begründen. Trotz alledem bleibt es auch nach Ansicht der Rechtsprechung bei dem im Ergebnis, daß zur Begründung einer sittenwidrigen Werbemaßnahme – mit oder ohne Sachbezug - weitere Umstände hinzukommen müssen. Allein der fehlende Sachbezug genügt nicht. Dabei ist auf solche Umstände abzustellen, die dem Ziel einer Werbemaßnahme, welches in der Verbesserung der Qualität und des Preises der Ware sowie der damit verbundenen Serviceleistung liegt, zuwiderläuft.507 So verhält es sich in den von dem BGH entschiedenen Benetton-Werbebildern.508 In drei Urteilen wurden Werbemaßnahmen der Firma Benetton als sittenwidrig beurteilt, weil die durch die photographische Darstellungen mit dem Elend der Welt – sei es mit der Kreatur im allgemeinen, sei es des Menschen im besonderen beim Betrachter ausgelösten Wirkungen wie Mitleid, 505 BGHZ 130, 5ff. (10) – „Busengrapscher“. Vgl. hierzu auch Henning-Bodewig GRUR 1993, 950 (951); Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (978). 507 Vgl. hierzu Kassebohm, Grenzen der schockierenden Werbung, 1995, 2. Kapitel, 3.2.2, S. 99. 508 BGHZ 130, 196ff. – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. – „H.I.V.-Positive“. 506 160 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Ohnmacht und Enttäuschung über die eigene Hilflosigkeit vom Werbenden als Vehikel zur eigenen Umsatzsteigerung oder - was bereits ausreiche - zur Steigerung der Verkehrsbekanntheit seines Namens eingesetzt werde.509 In dem Fall „H.I.V.-Positive“ führte der BGH darüber hinaus aus, daß die Werbeanzeige nicht nur das Gefühl des Mitleids in starkem Maße anspreche, sondern in grober Weise gegen die Grundsätze der Wahrung der menschlichen Würde verstoße, indem sie den Aids-Kranken als „abgestempelt“ und damit als aus der menschlichen Gesellschaft ausgegrenzt darstelle.510 Die Etikettierung der Likörfläschchen führte neben dem fehlenden Sachbezug zu einer Verletzung der Menschenwürde sowie zur Herabsetzung und Diskriminierung eines Bevölkerungsteils zu dem Zweck, den Absatz eines bestimmten Produkts zu fördern. Denn die Bezeichnung Busengrapscher und Schlüpferstürmer verbunden mit sexuell anzüglichen Bilddarstellungen von Frauen vermittele den Eindruck der sexuellen Verfügbarkeit der Frau als mögliche Folge des Genusses des angepriesenen alkoholischen Getränks.511 In anderen Werbemaßnahmen der Firma Benetton fehlt zwar ebenfalls der sachliche Bezug zum umworbenen Produkt, jedoch konnte mangels Vorliegen weiterer unlauterer Umstände eine sittenwidrige Maßnahme nicht begründet werden. So verhält es sich mit den Werbebildern des Soldatenfriedhofs, des blutverschmierten Neugeborenen und dem Bild eines eine Nonne küssenden Priesters.512 509 BGHZ 130, 196ff. (200) - „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) - „Kinderarbeit“. 510 BGH NJW 1995, 2492f. (2493) - „H.I.V.-Positive“. 511 BGHZ 130, 5ff. (10) – „Busengrapscher“. 512 In Italien hingegen wurde die Werbung mit einem Priester, der eine Nonne küsst und das Werbebild des Soldatenfriedhofs verboten, da ein sachlicher Bezug gänzlich fehlt. 161 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung III. Zuordnung einer Fallgruppe 1. Gefühlsbetonte Werbung Der BGH versucht die Fälle der Image-Werbung513 der etablierten Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung zuzuordnen.514 Diese umfaßt Werbemaßnahmen, die an Gefühle des Umworbenen wie Mitleid, Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeitssinn, Mildtätigkeit, Spendenfreudig- keit, Eitelkeit, soziale Verantwortung, Vaterlandsliebe, Frömmigkeit und Trauer appelliert.515 Ursprünglich fand diese Fallgruppe Anwendung auf die Fälle des Türverkaufs von Artikeln, die in Behindertenwerkstätten hergestellt worden sind (z.B. Seife, Grußkarten ect.). Die gefühlsbetonte Werbung gilt als beliebtes Mittel der Verkaufsförderung und wird mittlerweile in einer Vielzahl von Fällen angewandt. Für sich alleine genommen ist gefühlsbetonte Werbung noch nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.516 Nicht jeder werbemäßige Appell an ein Gefühl ist unzulässig. Denn es gehört zum Bild der modernen Werbung, auch den emotionalen Bereich des umworbenen Verbrauchers anzusprechen, um diesen zum Erwerb der angebotenen Ware oder Leistung zu veranlassen. Es kann daher nicht jedes bloße Ansprechen von Gefühlsregungen der Umworbenen als wettbewerbswidrig angesehen wer513 Insbesondere die Benetton-Fälle sowie den Busengrapscher-Fall. Schricker EWiR § 1 UWG 18/95, 919f. (919). 515 Es handelt sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung. Vgl. hierzu Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1 UWG, Rn. 185ff.; Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 1986, § 49, Rn. 22; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, 1995, Rn. 191ff.; Schramm GRUR 1976, 689ff. (689). 516 BGH GRUR 1995, 742ff. (743) – „Arbeitsplätze bei uns“; BGH GRUR 1991, 545f. (545) – „Tageseinnahmen für Mitarbeiter“; BGHZ 112, 311ff. (313, 315) – „Biowerbung mit Fahrpreiserstattung“; BGH NJW-RR 1987, 991f. – „McHappy-Tag“; BGH NJW 1976, 753f. – „UNICEFGrußkarten“; so auch Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1 UWG, Rn. 185ff.; Fezer JZ 1998, 265ff. (269f.); Schramm GRUR 1976, 689ff. (689). 514 162 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung den. Vielmehr begründen erst zusätzliche unzulässige Tatumstände zumindest 518 men. Wettbewerbswidrigkeit.517 die für eigennützig tätige Dies gilt Erwerbsunterneh- Solche Tatumstände liegen beispielsweise vor, wenn über die karitative Stellung des Werbenden getäuscht wird oder sich der karitative Zweck als unwahr herausstellt.519 Dazu hat der BGH mehrfach ausgeführt, daß bei der Erweckung des Kaufinteresses aus sozialem Verantwortungsgefühl, Hilfsbereitschaft oder Mitleid die Wettbewerbswidrigkeit eines wettbewerblichen Vorgehens anzunehmen ist, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem sozialen Engagement und der Ware oder Leistung nicht besteht, die Gegenstand der Werbung ist; wenn vielmehr zielbewußt und planmäßig an die soziale Hilfsbereitschaft appelliert wird, um diese im eigenen wirtschaftlichen Interesse Kaufmotivation auszunutzen. als entscheidende 520 Es überzeugt, wenn eine unmittelbare Kausalität zwischen der Gefühlsregung des Verbrauchers und seiner Kaufentscheidung liegt, der Verbraucher folglich „unsachlich“ beeinflußt wird.521 Bei der Benetton-Werbung liegt der Fall hingegen anders. Zwar handelt es sich 517 BGH GRUR 1965, 485ff. – „Versehrtenbetrieb“; vgl. auch Schramm GRUR 1976, 689ff. (689). 518 Anders liegt der Fall, wenn es sich bei dem werbenden Unternehmen um eine gemeinnützige Organisation mit karitativer Tätigkeit handelt, so bereits BGH NJW 1976, 753f. – „UNICEF-Grußkarten“. Vgl. hierzu auch Schott EWiR § 1 UWG 17/95, S. 917f. (917). 519 Schramm GRUR 1976, 689ff. (690). 520 BGH GRUR 1995, 742ff. (743) – „Arbeitsplätze bei uns“; BGH GRUR 1991, 545f. (545) – „Tageseinnahmen für Mitarbeiter“; BGHZ 112, 311ff. (313, 315) – „Biowerbung mit Fahrpreiserstattung“; BGH NJW-RR 1987, 991f. – „McHappy-Tag“; BGH NJW 1976, 753f. – „UNICEFGrußkarten“. 521 Anderes muß natürlich gelten, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem in der Werbung angesprochenen sozialem Engagement und der umworbenen Ware besteht. So wurde eine in einer Informationsbroschüre eines Krankenhauses veröffentlichte Anzeige, in der für die Durchführung von Erd-, Feuer- und Seebestattungen durch ein Unternehmen nebst Preisen geworben wurde, als wettbewerbsmäßig beurteilt. LG Hamburg NJW-RR 1989, 488f. – „Werbung eines Bestattungsinstituts“. 163 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung um Werbebilder, die die Gefühle der Verbraucher ansprechen. Dieser Appell an die Gefühle ist aber gerade nicht mit dem Absatz der von Benetton vertriebenen Produkte verbunden. Mit den Werbebildern der Firma Benetton soll der Verbraucher nicht unmittelbar zum Kauf eines Pullovers angeregt werden. Ein direkter Bezug zum umworbenen Produkt existiert nicht. Die Benetton-Kampagne zeichnet sich vielmehr durch progressive Werbung aus, die ausschließlich dazu dient, den Bekanntheitsgrad der Firma Benetton zu erhöhen. Der Verbraucher kauft nicht einen Pullover, um einen Beitrag für den Umweltschutz oder die Armut und das Leid in Teilen der Bevölkerung zu leisten. Auch ist die Annahme nicht überzeugend, die Kaufmotivation des Verbrauchers liege darin, mit dem Kaufentschluß das Gefühl zu erhalten, ebenso wie die Benetton-Werbung nicht als langweilig zu gelten und damit Gegenstand aktueller Diskussion zu sein.522 Es liegt eben kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gefühlsregung des Verbrauchers und seiner Kaufentscheidung. Dennoch sieht der BGH den Vorwurf des sittenwidrigen Werbeverhaltens der Firma Benetton im Kern darin begründet, daß sie mit der lediglich auf sie als publizierendes Unternehmen hinweisenden Darstellung des Elends geschundener Kreatur bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher starke Gefühle des Mitleids und der Ohnmacht über die Umweltzerstörung wekke, sich dabei als gleichermaßen betroffen darstelle und damit eine Solidarisierung der Einstellung solchermaßen berührter Verbraucher mit dem Namen und zugleich mit der Geschäftstätigkeit ihres Unternehmens herbeiführe. Wer im geschäftlichen Verkehr Gefühle 522 Kassebohm, 1.1.3, S. 59. Grenzen schockierender Werbung, 1995, 2. Kapitel, 164 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung des Mitleids oder der Solidarität mit sozialem Engagement ohne sachliche Veranlassung zu Wettbe- werbszwecken ausnutze, setze sich dem Vorwurf sittenwidrigen Handelns im Wettbewerb aus. Eine solcherart gefühlsbetonte Werbung sei nicht nur dann wettbe- werbswidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn sie unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit dem Warenoder Dienstleistungsangebot des werbenden Unternehmens stehe.523 Diese Begründung vermag nicht überzeugen. Es liegt schon ein Wertungswiderspruch darin, daß einerseits Image-Werbung, die keinerlei Bezug zum Waren- oder Dienstleistungsangebot des Unternehmen aufweist, für sich alleine genommen noch keine Sittenwidrigkeit begründet. Nach Ausführungen des BGH kann dann die Schwelle sittenwidriger Aufmerksam- keitswerbung noch nicht als überschritten angesehen werden.524 Andererseits aber soll eben diese ImageWerbung als sittenwidrig gelten, wenn die Gefühle des Verbrauchers ohne sachliche Veranlassung ausgenutzt werden.525 Der BGH verwendet zwar den Begriff „sachliche Veranlassung“ und nicht den sonst üblichen Ausdruck „sachlichen Bezug“, dem Inhalt nach dürfte es jedoch keinen Unterschied machen.526 Denn es ist äu- 523 BGHZ 130, 196ff. (200f.) –„Ölverschmutzte Ente“ mit weiteren Nachweisen; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“; mit ähnlicher Begründung BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 524 Siehe so BGHZ 130, 196ff. (200) –„Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 525 BGHZ 130, 196ff. (201) –„Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 526 Im Ergebnis so auch Henning-Bodewig GRUR 1997, 180ff. (188); Sosnitza WRP 1995, 186ff. (188). Schramm hingegen will allein auf die Sachlichkeit der Werbung abstellen. Das Fehlen eines Sachzusammenhangs der Werbung mit der angebotenen Ware bzw. Leistung führe noch nicht zur Unsachlichkeit. Andererseits führt er aus, die Unsachlichkeit könne auch darin liegen, daß die Werbung so in den Vordergrund geschoben würde, daß sie von Qualität und Preiswürdigkeit der Ware und Leistung ablenke. Siehe hierzu Schramm GRUR 1976, 689ff. (690). Dies ist in sich schon ein Wertungswiderspruch und vermag zudem nicht überzeugen. Selbst wenn diese Ansicht als Beurteilungsmaßstab für die Benetton-Werbung zugrunde gelegt würde, ließe sich eine Sittenwidrig- 165 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung ßerst problematisch, die Benetton-Werbung in die Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung einzuordnen. Die Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung umfaßt nicht den Charakter der neuartigen Image-Werbung.527 Der BGH selbst weist darauf hin, daß derartige Werbeformen keinen Präzedenzfall bieten.528 Schon dies läßt den Schluß zu, daß die Einordnung in eine herkömmliche Fallgruppe wie die gefühlsbetonte Werbung nicht zutreffend ist. Vielmehr hätte es der Ausarbeitung einer neuen Fallgruppe bedurft. Denn die gefühlsbetonte Werbung ist im Kern nicht betroffen. Es soll keineswegs der Altruismus des Verbrauchers angesprochen werden oder eine tiefgreifende emotionale Einwirkung erreicht werden. Die Firma Benetton will bewußt mit Abscheu und Entsetzen auf sich aufmerksam machen. Es werden dabei allenfalls negative Gefühle des Verbrauchers angeregt. Natürlich steht dahinter die Intention, den Bekanntheitsgrad des Unternehmens zu steigern. Dieser wird auch wirkungsvoll nachgegangen, denn es zeigt sich immer wieder, daß negative Kritik den Bekanntheitsgrad des Unternehmens enorm steigert. Aber dies wird doch nicht mit Mitteln der herkömmlichen Gefühlsanregung verwirklicht. Eine solche regt typischerweise den Verbraucher an, zur Befriedigung der durch die Werbung angeregten Gefühle die Produkte des werbenden Unternehmens zu kaufen. Die hier zu beurteilende gesellschaftskritische Werbung zielt gerade darauf nicht ab. Denn der Verbrau- keit unter dem Aspekt nicht begründen. Denn die Benetton-Werbebilder zeigen realistische, aus dem Leben gegriffene Szenen (mit Ausnahme des gestellten Bildes „H.I.V.-Positive“), denen es an Sachlichkeit nicht mangelt. 527 So auch Bülow Anm. ZIP 1995, 1289ff. (1290); Fezer JZ 1998, 265ff. (269f.); Henning-Bodewig GRUR 1997, 180ff. (188); Reichold WRP 1994, 219ff. (222); Sosnitza WRP 1995, 786ff. (789). 528 Wenn dies auch in einem anderen Zusammenhang erwähnt wird. BGH NJW 1995, 2490ff. (2492) – „Kinderarbeit“; nicht ganz aussagekräftig dazu Rittner, Wettbewerbsrecht - & Kartellrecht, 1999, Rn. 104. 166 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung cher wird die Produkte der Firma Benetton (z.B. einen Pullover, eine Hose oder ähnliches) nicht kaufen, um damit z.B. einen Beitrag zugunsten des Umweltschutzes zu leisten. Dementsprechend fehlt es an der erforderlichen Kausalität zwischen Gefühlsregung des Verbrauchers und seinem Kaufentschluß. Die Werbekampagne der Firma Benetton ist nicht geeignet, den Verbraucher unsachlich zu beeinflussen. Gerade die Umsatzeinbußen der Firma Benetton zeigen, daß Werbemaßnahmen mit gesellschaftskritischem Inhalt den Verbraucher nicht vermehrt zur Kaufentscheidung anregen.529 Auch die Solidarisierung des Verbrauchers mit dem werbenden Unternehmen kann kaum zur Begründung der Sittenwidrigkeit ausreichen. Diese muß als zulässiges Werbemittel gelten. Schließlich ist es gerade der Sinn und Zweck der neuartigen Image-Werbung, aufgrund der Bekanntheit des Namens eines Unternehmens die Produkte auf den Markt zu bringen. Letztendlich sind Markenprodukte gegenüber unbekannten Produkten diesen absatztechnisch gesehen immer einen kleinen Schritt voraus. Nach Ansicht des BGH liegt die Sittenwidrigkeit trotz des Gesichtspunktes verfassungsrechtlicher Rechtfertigung vor. Die öffentliche Äußerung zur Auseinandersetzung über das aufgezeigt Elend trage nichts Wesentliches bei, sondern ziele darauf ab, beim Verbraucher eine mit dem werbenden Unternehmen solidarisierende Gefühlslage zu schaffen, die der Steigerung des Ansehens des solchermaßen werbenden Unternehmens diene und damit letztlich zu kommerziellen Zwecken 529 Siehe hierzu die Klagen der Einzelhändler, BGH NJW 1997, 3304ff. – „Benetton I“; BGH NJW 1997, 3309ff. – „Benetton II“. Siehe auch in Fn. 497. 167 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung eingesetzt werde.530 Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen, denn es ist nicht Aufgabe des Wettbewerbsrichters, gesellschaftskritische Themen im Rahmen einer Werbemaßnahme auf ihre Essenz hin zu überprüfen.531 Die Fallgruppe der gefühlsbetonten Werbung ist nicht geeignet, diskriminierende Werbebilder rechtlich zu erfassen. Es fehlt schon der für das Eingreifen dieser Fallgruppe erforderliche sachliche Zusammenhang zwischen der Gefühlsregung durch die Werbemaßnahme und dem Kaufentschluß des Verbrauchers. 2. Belästigende Werbung Die Fallgruppe der belästigenden Werbung erweist sich ebenfalls als ungeeignet zur Einordnung der vorliegenden Fälle. Bei der belästigenden soll durch aufdringliche Werbung der Verbraucher derart unter psychischen Druck gesetzt werden, daß er sich nicht aus sachlichen Gründen, sondern vornehmlich deshalb zum Kauf entschließt, um der Belästigung und der mit ihr verbundenen Zwangslage zu entgehen.532 Der Verbraucher will seinen „lästigen und aufdringlichen Werber“ loswerden. Diese Werbung wird als in die Intimsphäre des Verbrauchers eindringend empfunden. Dieser Fallgruppe werden z.B. die Hausbesuche533, das direkte Ansprechen des Verbrauchers auf der Straße,534 530 BGHZ 130, 196ff. (205) –„Ölverschmutzte Ente; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“. 531 So auch Fezer JZ 1998, 265ff. (270). 532 Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1 UWG, Rn. 50. 533 Natürlich ist nicht jede Art von Hausbesuchen wettbewerbswidrig, sondern nur solche, bei denen sich der Verbraucher genötigt fühlt. 534 BGH GRUR 1960, 431ff. - „Kfz-Nummernschild“. 168 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Telefon- und Telefaxwerbung535 oder das Zustellen von unbestellter Ware536 zugeordnet. So entschied der BGH, daß Haustürbesuche zur Erlangung von Aufträgen für Grabsteine insbesondere im Hinblick auf die Privatsphäre der Hinterbliebenen per se wettbewerbswidrig seien.537 Auch seien typischerweise Fälle erfaßt, in denen Verkehrsunfallbeteiligte vor Ort zum Abschluß eines Reparaturvertrages oder Automietvertrages angeregt werden.538 Einer vertieften Ausführung des Anwendungsbereichs dieser Fallgruppe bedarf es nicht, denn schon die Aufzählung der typischerweise auftretenden Fälle belästigender Werbung zeigt, daß die hier zu erörternden Werbemaßnahmen nicht in diese Kategorie fallen. Bei den zu erörternden Anzeigenkampagnen läuft der Verbraucher sicherlich nicht Gefahr, zu einem Kaufentschluß genötigt zu werden. Mag auch der eine oder andere die Werbebilder belästigend oder auch anstößig empfinden, so wird der Verbraucher keineswegs durch die Werbung derart unter psychischen Druck gesetzt, daß er sich aus unsachlichen Gründen zum Kauf entschließt. 3. Schockierende Werbung Ein Großteil der Literatur kategorisiert die ImageWerbung in die Fallgruppen der schockierenden Werbung.539 Bei der schockierenden Werbung würden die Mo535 BGHZ 54, 188ff. – „Fernsprechwerbung“; BGHZ 59, 317ff. – „Telexwerbung“; BGHZ 103, 203ff. – „Bildschirmtextwerbung“; BGHZ 113, 282ff. – „Telefonwerbung IV“. 536 BGH GRUR 1977, 157ff. (158) - „Filmzusendung“. 537 BGHZ 56, 18ff. – „Grabsteinaufträge II“. 538 BGH NJW 1975, 689ff. – „Werbung am Unfallort I“; BGH NJW 1975, 691 – „Werbung am Unfallort II“; BGH NJW 1980, 1690f. – „Werbung am Unfallort III“. 539 Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 1999, § 1 UWG, Rn. 187aff.; Gröning WRP 1995, 278ff. (280); Henning-Bodewig GRUR 1993, 950ff.; 169 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung tive inhaltlich so gewählt, daß sie den Verbraucher unvorbereitet vor den Kopf schlagen und dadurch eine psychische Beeinträchtigung darstellt. Die Werbung dringe in die geistige und emotionale Privatsphäre ein.540 Eine solche grobe psychische Beeinträchtigung sei mit dem körperlichen Eindringen in die Privatsphäre gleichzusetzen.541 Die schockierende Werbung für sich genommen sei noch nicht wettbewerbswidrig. Vielmehr liege die Begründung der Sittenwidrigkeit in dem Zusammentreffen durch zweier menschliches Komponenten, oder zum tierisches Leid einen der erregten Schockeffekt der beanstandeten Werbemaßnahmen und zum anderen der diesen Werbemaßnahmen fehlende Sachbezug zur unternehmerischen Tätigkeit.542 Diese Kombination widerspreche werbs. den Grundsätzen Letztendlich führe des eine LeistungswettbeInteressenabwägung zwischen denen der Werbenden, der Verbraucher und der Allgemeinheit zu dem Ergebnis der Sittenwidrigkeit. Zwar kann das Ergebnis, jedoch nicht die Begründung überzeugen. Denn die Begründung setzt voraus, daß eine Werbemaßnahme einen sachlichen Bezug zum Produkt, z.B. den Preis, die Qualität oder die Dienstleistungen betreffend aufweisen muß. Die Image-Werbung zeichnet sich aber gerade durch diesen fehlenden Produktbezug aus. Diese Form der Werbung befaßt sich nicht wie herkömmliche Werbemaßnahmen mit positiven Aspekten des Lebens, sondern mit dem Elend unserer heutigen Zeit. Soweit der Verbraucher durch die Bil- dies. WRP 1992, 533ff.; Kassebohm, Grenzen der schockierenden Werbung, 1995, 2. Kapitel, 3.1.3., S. 95ff.; Nordemann, Wettbewerbs- und Markenrecht, 1995, Rn. 176a; Oechsler EWiR § 1 UWG 20/94, 821f.; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 1999, § 2, Rn. 104; Sevecke AfP 1994, 196ff. (202f.); Reichardt WRP 1995, 796ff. (797); Wünnenberg, Schockierende Werbung – Verstoß gegen § 1 UWG, 1993, S. 64ff. 540 Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff. (535). 541 Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff. (539). 542 Oechsler EWiR § 1 UWG 20/94, 821f. 170 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung der des Elends der Welt behelligt wird und sich dadurch belästigt fühlt, ist es ein Leichtes, sich den Werbebildern durch Wegschauen oder Umblättern zu entziehen.543 Auch wenn sich der Verbraucher nicht ohne weiteres einer Plakatwerbung im öffentlichen Raum entziehen kann, so darf eine liberale und tolerante Gestaltung von Plakatwänden nicht zum wettbewerbsrechtlichen Problem werden. Zutreffend weist Fezer darauf hin, daß dies Gegenstand demokratischer Entscheidungen über die Gestaltung öffentlicher Plätze und Straßen ist.544 Die Begründung, die Werbung dringe in die Privatsphäre ein, ist ebenfalls mit Skepsis zu betrachten. Dem Grundsatz nach ist richtig, soweit Henning-Bodewig geltend macht, der Verbraucher müsse intensiver geschützt sein, je mehr die räumliche Privatsphäre betroffen sei.545 Dieser Grundsatz ist nur nicht auf die vorliegenden Werbebilder anzuwenden. Denn eine Verletzung des Verbraucherpersönlichkeitsrechts546 ist im Ansatz nicht zu erkennen. Der Verbraucher wird konfrontiert mit Bildern der Realität. Ähnlich wie beispielsweise in den Tagesthemen wird dem Verbraucher das Elend der Welt präsentiert. Dabei ist schon äußerst fragwürdig, ob dem Verbraucher eine „geistige oder emotionale“ Privatsphäre gebührt, wenn er in einen kommunikativen Kontakt mit seiner Umwelt tritt.547 Zudem bleibt es den 543 So im Ergebnis auch Sosnitza GRUR 1993, 540ff. (544). Teichmann/ van Krüchten hingegen vertreten die Ansicht, ein „Wegsehen“ komme zu spät, es gebe keine angemessene Abwehr gegen die Einwirkung der Werbebilder, WRP 1994, 704ff. (708f.). 544 Fezer JZ 1998, 265ff. (275). 545 Henning-Bodewig WRP 1992, 533ff. (535f.); dies. GRUR 1993, 959ff. (952). 546 So bezeichnet es Wehlau DZWiR 1996, 142ff. (146). 547 Sosnitza GRUR 1993, 540ff. (545). 171 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung betroffenen Verbrauchern auch hier unbenommen, sich den Werbebildern zu entziehen. Die Parallele zur belästigenden Werbung geht schon aus dem Grunde fehl, da der Verbraucher durch das Erscheinen der Werbebilder in den Zeitschriften oder auf Plakatwänden wohl kaum zum Kaufentschluß aufgrund psychologischen Zwangs genötigt wird.548 Schon der immense Umsatzrückgang der Firma Benetton nach Erscheinen der progressiven Werbekampagne widerlegt diese Argumentation.549 Der Verbraucher reagiert auf Werbemaßnahmen, die ihm nicht zusagen. Es kommt zu einer Selbstregulierung des Marktes. Demnach müssen die Werbenden grundsätzlich die Möglichkeit haben, auch progressive Werbestrategien auf den Markt zu bringen, um der Entwicklung von Marktwirtschaft und Wettbewerbsfreiheit ungehinderten Fortgang zu gewährlei- sten. Die rasante Entwicklung unserer Gesellschaft und damit auch das veränderte Konsumverhalten der Verbraucher erfordern es, auf den Sachbezug gänzlich zu verzichten.550 Und alleine der Schockeffekt ist nach vorherrschender Ansicht nicht ausreichend zur Begründung der Sittenwidrigkeit.551 Dem Werbenden muß es unbenommen bleiben, mit dem Image seines Unternehmens werben 548 Henning-Bodewig will die schockierende Werbung der Kategorie der belästigenden Werbung zuordnen, da diese Parallelen zur unerwünschten Telefon- und Briefwerbung sowie aufdringlichen Haustürvertretern aufweise. WRP 1992, 533ff. (535f.); dies. auch GRUR 1993, 950ff.(952). Im Ergebnis so auch Wünnenberg, Schockierende Werbung – Verstoß gegen § 1 UWG, 1993, S. 76ff., S. 161f. 549 Siehe hierzu die Klagen der Einzelhändler auf Schadensersatz wegen Umsatzeinbußen BGH NJW 1997, 3304ff. – „Benetton I“; BGH NJW 1997, 3309ff. – „Benetton II“. 550 So auch Löffler AfP 1993, 536ff. (539); Sosnitza GRUR 1993, 540ff. (544f.); ders. WRP 1995, 786ff. 551 Hierzu führt der BGH aus, daß mit schockierenden Werbebildern lediglich in gesteigerten Form auf das Unternehmen aufmerksam gemacht wird, BGHZ 130, 196ff. (200) – „Ölverschmutzte Ente“; BGH NJW 1995, 2490ff. (2491) – „Kinderarbeit“; BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. Reichardt hingegen vertritt die Ansicht, schockie- 172 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung zu dürfen. Dieser schaftlichen nicht in Gefüge der Werbekampagne. 552 Grundsatz weithin drastischen findet im Akzeptanz, Form der marktwirtwenn auch Benetton- Auf eine solche Werbekampagne rea- giert natürlich der Verbraucher. Diese Erkenntnisse sollen aber nicht zu dem Ergebnis führen, daß die Werbenden unter dem Deckmantel der Image-Werbung uneingeschränkt ihre Werbemaßnahmen dem Verbraucher offenbaren können. Die Image-Werbung unterliegt der wettbewerbsrechtlichen Untersagung, wenn die Schwelle zur Sittenwidrigkeit überschritten ist. Die aufgeführten Erkenntnisse zeigen lediglich, daß die Begründung der Annahme einer Sittenwidrigkeit im Kern fehlschlägt. Denn auch die schockierende Werbung erweist sich nicht als geeignete Fallgruppe, um die Unlauterkeit rechtlich zu fundieren. 4. Diskriminierende Werbung Die vorgenannten Ausführungen zeigen deutlich, daß die Werbebilder nicht ohne weiteres einer der obigen Fallgruppen zugeordnet werden können, vielmehr erhebliche Schwierigkeiten bestehen bei der rechtlichen Erfassung der neuartigen Image-Werbung. Die bisher angewandten Maßstäbe und Fallgruppen reichen zur Begründung der Sittenwidrigkeit nicht aus. Die Werbebilder werden in die anerkannten Fallgruppen von Hefermehl gezwängt, ohne daß ihre Eigenständigkeit akzeptiert wird. Im Ergebnis paßt eine derartige Zuordnung nicht. Denn es kann bei der Image-Werbung nicht davon ausgegangen werden, daß der Verbraucher durch rende Werbung sei für sich genommen bereits sittenwidrig, WRP 1995, 796ff. (797). 552 Vgl. hierzu die Ausführungen von Teichmann/ van Krüchten WRP 1994, 704ff. (708). 173 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung Ausnutzung unsachlicher Beeinflussung zum Kauf motiviert oder gar durch psychologische Einwirkung zum Kauf genötigt wird. Schon der vehemente Umsatzrückgang nach der Schaltung der progressiven Werbekampagne der Firma Benetton widerlegt dies. Die bislang angewandten Maßstäbe beruhen auf der herkömmlichen Absatzförderung, bei der noch mit dem Produkt, deren Preis, deren Qualität oder aber mit den Dienstleistungen selbst geworben wurde. Durch den Wandel der Zeit haben sich die Werbestrategien aber grundlegend geändert. Die Image-Werbung ist gerade nicht auf die herkömmliche Absatzförderung gerichtet, sondern soll bei dem Verbraucher das Image eines Unternehmens nahebringen. Die Werbung geht weg vom Produkt und hin zur Darstellung des Unternehmens selbst. Es bietet sich folglich an, für die neuartig entstandene Werbeform eine neue und eigenständige Fallgruppe zu bilden. Die neue Werbeform beinhaltet vorwiegend Werbebilder, die in die Tabu-Zone eindringen. Das Unlauterkeitsmoment liegt im Kern in den Werbemaßnahmen begründet, in denen die Ausgrenzung von Bevölkerungsteilen aufgezeigt wird, die zugleich auch Adressaten der Werbung sind. Dementsprechend bietet es sich an, eine eigenständige Fallgruppe der diskriminierenden Werbung zu bilden, da vorwiegend Werbemaßnahmen mit diskriminierendem Inhalt zu beanstanden sind. Bereits im Busengrapscher-Urteil führt der BGH aus, die Etikettierungen, auf denen die Bezeichnungen „Busengrapscher“ oder „Schlüpferstürmer“ mit sexuell anzüglichen Bilddarstellungen von Frauen verbunden seien, verstoße gegen § 1 UWG, weil dadurch ein diskriminierender und die Menschenwürde verletzender Ein- 174 Kapitel 4 A. - Allgemeine Grundsätze zur diskriminierenden Werbung druck entstehe.553 Denn es werde in obszöner Weise der Konsum alkoholischer Getränke in Verbindung mit der freien Verfügbarkeit der Frau in sexueller Hinsicht gesetzt. Die Abbildung eines menschlichen Körperteils mit dem Stempelaufdruck „H.I.V.-Positive“ erweist sich ebenfalls als geeignet, die mit dieser Krankheit befallene Bevölkerungsgruppe zu diskriminieren. Denn es signalisiert eine Stigmatisierung der Kranken, die durch das Aufstempeln eines „Beschaustempels“ gekennzeichnet sind. 553 BGHZ 130, 5ff. (9 und Leitsatz). 175 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung B. Arten diskriminierender Werbung I. Ausgangspunkt Bei der Beurteilung diskriminierender Werbebilder verbietet sich eine schematische Lösung. Die Werbebilder unterliegen vielmehr der Einzelfallbetrach- tung, bei der lediglich die allgemeinen wettbewerbsrechtlich gewonnenen Kriterien herangezogen werden können. Im weiteren Verlauf sollen weniger nochmals die möglicherweise diskriminierenden Werbebilder aufge- zeigt,554 sondern sollen anhand einiger Beispiele Kriterien gefunden werden, die als Eckpfeiler die Fallgruppe der diskriminierenden Werbung stützen und damit eine Sittenwidrigkeit begründen. II. Rassendiskriminierende Werbung Mit der Rassendiskriminierung ist die Ausgrenzung eines vererblichen und typenhaft körperlichen Erscheinungsbildes gemeint, in dem sich die Abstammung vergegenständlichen kann, während die Ausländerdiskriminierung auf der Stigmatisierung aufgrund der Staatsangehörigkeit beruht.555 Eine Absonderung, die auf das Rassenmerkmal zurückzuführen ist, hat ihren Ursprung oft darin, daß verschiedene Rassen unterschiedliche Religionen ausüben, wegen derer sie eine Ab- und Aussonderung erleiden. Bedeutsam sind die Diskriminierungen der Juden während des Nationalsozialismus.556 So galt es unter 554 Eine Aufzählung diskriminierender Werbebilder wurde bereits in Kapitel 2 B. vorgenommen. 555 Siehe hierzu Ausführungen in Kapitel 2 A I. 556 Interessant sind hierzu die Ausführungen von Fezer über die Vergemeinschaftung des subjektiven Rechts in rechtlichen Handelnsordnungen totalitärer Gesellschaften, die marxistisch-leninistische Rechtstheo- 176 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten im Jahre 1939 als zulässig, wenn ein deutscher Kaufmann bei der Werbung für seine Waren einen Volksgenossen, der sich bei einem Lieferanten bereits eingedeckt hat und ihm dies entgegenhält, darauf aufmerksam macht, daß der andere Lieferant Jude sei. Die öffentliche Ankündigung des Geschäftsinhabers, er sei Mitglied der Deutschen Arbeitsfront, sei dahin aufzufassen, daß in dem Geschäft Waren jüdischer Herkunft nicht feilgehalten werden.557 Es wurde argumentiert, der deutsche Kaufmann wolle darüber aufgeklärt sein, wenn er etwa aus Irrtum eine Geschäftsverbindung mit einem jüdischen Warenhersteller eingegangen ist oder aufrechterhalten hat.558 Als wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden galt selbst die Äußerung eines der Deutschen Arbeiterfront angehörigen Reisenden559, er werde der Partei melden, daß der Kaufmann Geschäfte mit Juden mache. In dieser Zeit gab es eine Vielzahl an Diskriminierungen. Eine solche Werbung ist nach heutigen Beurteilungsmaßstäben als rassendiskriminierend anzuse- hen, da die Rasse der Juden durch diese Form der Werbung erheblich benachteiligt wird und dies zu einer Ausgrenzung führt. Als Beispiel neueren Datums für die Thematisierung der Rassenzusammengehörigkeit gilt die Werbekampagne der Firma Benetton. Dort wurden zwei Kleinkinder auf Nachttöpfen sitzend gezeigt, ein weißes und ein farbiges.560 Dieses Werbebild ist nicht geeignet, eine rie im Zivilrecht der ehemaligen DDR mit dem völkischen Rechtsdenken zur Zeit des Nationalsozialismus. Fezer, Teilhabe und Verantwortung – Die personale Funktionsweise des subjektiven Privatrechts, 1986, § 6 B. I., S. 281ff. und § 6 B. II., S. 301ff. 557 RG JW 1939, 429ff. (429). 558 RG JW 1939, 429ff. (430). 559 Der damalige Beruf des „Reisenden“ umfaßt den Tätigkeitsbereich des heutigen Handelsvertreters. 560 Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 4 beigefügt. 177 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung der beiden Rassen zu benachteiligen und damit auszugrenzen.561 Das wiederum zeigt, daß nicht jedes Werbebild, welches sich mit dem Problem der Rassenzusammengehörigkeit beschäftigt, zugleich wettbewerbswidrig ist. Einer anderen Beurteilung bedarf allerdings das ebenfalls von Toscani kreierte Werbebild, welches ein als Engelchen aufgemachtes weißes und ein als Teufelchen dargestelltes schwarzes Kind zeigt.562 Dieses Bild gibt den Anstoß, das schwarze Kind sei ein Teufel und damit eine niedere Kreatur. Diese Darstellung des Teufels reicht bereits zur Begründung einer rassendiskriminierenden Werbung aus. Dies wird zusätzlich unterstrichen, indem ein weißes Kind als Engel dargestellt wird. Ein solches Bild ist geeignet, die Rasse der Schwarzen in der Gesellschaft auszugrenzen. Ein Grenzfall in diesem Bereich ist das Werbebild von Toscani, welches eine schwarze Frau darstellt, die ein weißes Baby stillt.563 Dieses Werbebild hat in den USA großen Anklang gefunden. Allerdings hat eine dort ansässige schwarze Minderheitsbewegung Anstoß an dem Bild genommen, da sie in dem Bild die Aufrechterhaltung des Klischees von der schwarzen Amme zu kolonistischen Zeiten sah.564 Diese ist aus europäischer Sicht nicht naheliegend. Vielmehr ist dieses Bild als ästhetischer Beitrag für die Rassenzusammengehörigkeit zu werten. Anders kann die Beurteilung ausfallen, wenn dem Bild die amerikanische Historie zugrunde gelegt wird. 561 Toscani gibt an, dieses Werbeplakat sei einerseits in der USA ausgezeichnet worden und andererseits sei es von einer sozialistischen Rathausmehrheit in Mailand zu plakatieren verboten worden, siehe hierzu Toscani, die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, S. 47ff. 562 Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 7 beigefügt. 563 Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 3 beigefügt. 564 Siehe dazu Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, S. 44ff. 178 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß nicht jedes das Thema „Rassen“ aufgreifende Werbebild als diskriminierend einzustufen ist. Vielmehr liegt eine rassendiskriminierende Werbung erst dann vor – und ist in diesem Fall auch wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, wenn diese einen Beitrag zur Rassendiskriminierung leisten.565 Ein Beitrag in der Werbung, der unter dem Gesichtspunkt ethischer und gesellschaftlicher Werte als negativ eingestuft werden muß, da er geeignet ist, rassistische Einstellungen entstehen zu lassen oder aber zu verhärten und zu vertiefen, muß als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG beurteilt werden. III. Ausländerdiskriminierende Werbung Vergleichbare Kriterien sind bei der ausländerdiskriminierenden Werbung heranzuziehen. Eine Werbung, welche geeignet ist, Menschen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit zu benachteiligen und damit auszugrenzen, ist wettbewerbswidrig. Denn ein Werbebild, welches Menschen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit herabzusetzen geeignet ist und damit diese als minderwertig darstellt, entspricht nicht den ethischen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen. So verhält es sich beispielsweise mit der Werbemaßnahme der Firma Sixt.566 Das Werbebild zeigt ein neues Mercedes-Modell versehen mit einem Satz in osteuropäischer Sprache, welcher kleingedruckt in deutsch mit den Worten übersetzt wurde „Bei unseren Mietpreisen lohnt sich das Klauen nicht.“ Das suggeriert, daß Osteuropäer strafrechtlich in Erscheinung treten und es deshalb eines solchen Hinweises bedürfe. 565 566 So auch Fezer JZ 1998, 265ff. (273). Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 42 beigefügt. 179 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung Ebenso ist die Werbung der Unternehmensgruppe Tengelmann zu beurteilen, in denen es heißt „Ausländer herzlich willkommen. Wir akzeptieren selbstverständlich die Wertgutscheine der Sozialbehörde als Zahlungsmittel.“ Diese Aussage erweckt den Anschein, Ausländer seien Sozialhilfeempfänger. IV. Religionsdiskriminierende Werbung Immer wieder sind biblische und andere religiöse Motive Gegenstand werblicher Äußerungen. Es gilt auch in diesen Fällen zu beurteilen und Kriterien aufzustellen, wann diese geeignet sind, einzelne Gruppierungen aufgrund ihrer Glaubensrichtung zu diskriminieren. In der Entscheidung „Paradise now“ führt das OLG Frankfurt a.M. zutreffend aus, die biblischen Motive der Otto Kern Werbung würden bewußt zurückhaltend und ohne Pervertierung der eigentlichen Inhalte verwendet.567 Gezeigt wurden dabei Adam und Eva im Paradies, jeweils eine Jeans tragend. Diese Zurückhaltung lasse lediglich die beiden Abendmahl-Szenen vermissen, in denen zwölf Frauen mit unbekleidetem Oberkörper die zwölf Apostel verkörpern bzw. ein Mann die Gestalt von Jesus angenommen hat.568 Diese Werbebilder waren jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens, so daß eine weitere Beurteilung nicht vorgenommen wurde. Als entscheidendes Kriterium muß die Verächtlichmachung einer Glaubensrichtung durch werbliche Maßnahmen gelten. Wird eine Glaubensrichtung in negativer Weise dargestellt und dadurch die gebotene Achtung der Religiosität Andersgläubiger nicht mehr gewähr- 567 568 OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1994, 734 - „Paradise now“. Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 34 beigefügt. 180 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung leistet, dann ist die Darstellung verletzend, benachteiligend und zugleich diskriminierend für die betroffenen Gläubigen. Auch bei der Verwendung von biblischen Motiven oder biblischen Worten ist eine gewisse Zurückhaltung geboten, deren Nichteinhaltung zur Begründung der wettbewerbsrechtlichen Sittenwidrigkeit führen kann.569 Ein Beispiel für das Vorliegen einer Religionsdiskriminierung bietet das Werbebild des Jeansherstellers Levi´s.570 Es zeigt den Papst, der auf dem Boden kniend den Boden küßt mit dem Untertitel: „Do it with a 517. The 501 that comes with more legroom.“ Übersetzt bedeutet das: „Mach es mit einer 517. Diese hat einen ähnlichen Schnitt wie die 501, aber mehr Beinfreiheit.“ Diese Werbemaßnahme läßt eine gewisse Zurückhaltung nicht mehr erkennen. Sie stellt eine Respektlosigkeit gegenüber den Gläubigen dar, weil der Papst im Zusammenhang mit dieser Werbung ins Lächerliche gezogen wird. Durch diese Infamie wird die Achtung der Gläubigen nicht gewahrt. Diese Verächtlichmachung diskriminiert die betroffenen Religionsge- meinschaften. Um eine Diffamierung besonderer Art handelt es sich bei der Werbung des Verlags Sybille. Dieser warb mit der Abbildung eines gekreuzigten jungen Mannes, der ein Tuch um die Hüften geschwungen hat und den zusätzlichen Worten : „Nicht alles was wir zeigen, ist schön und bequem.“571 Diese Werbemaßnahme ist ihrem Charakter nach in höchstem Maße verletzend für die 569 Vgl. hierzu das Urteil des dänischen See- und Handelsgericht, das die Anzeige für Sportschuhe als wettbewerbswidrig beurteilte, in der ein als Double von Papst Johannes Paul II auftretender Darsteller auf dem Rollfeld eines Flughafen kniend gezeigt und in deren Text u.a. erklärt wird, der Glaube allein sei manchmal nicht ausreichend. GRUR Int. 1993, 553ff. - „Papstwerbung“ mit Anm. von Kur GRUR Int. 1993, 555f. 570 Eine Abbildung der Werbung ist als Anlage 36 beigefügt. 181 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung Gläubigen und gewährleistet nicht mehr die gebotene Achtung einer Glaubensrichtung. Ebenso verhält es sich mit der Werbung der London STYLE shoes´n´clothing.572 Dabei ist das Bildnis selbst noch ohne religiösen Bezug. Es werden Schlangenlederstiefel auf einer Toilettenschüssel plaziert gezeigt. Allerdings sind diese mit folgenden Bibelworten versehen: „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“573 V. Behinderten- und krankendiskriminierende Werbung Wird ein Werbebild derart gestaltet, daß die Behinderung eines Menschen z.B. scherzhaft für kommerzielle Zwecke verwendet wird oder die Behinderung in die Werbebotschaft aufgenommen wird, so ist die Reflexion einer möglichen Diskriminierung besonders hoch. Es ist besondere Feinfühligkeit geboten. Fezer nennt es zutreffend die Verantwortung gegenüber den Behinderungen der Menschen.574 Deshalb ist das Thema Behinderung mit Samthandschuhen anzufassen. Die VHV Versicherung warb mit einer Schachtel, in denen sich mehrere Glasaugen befinden und dem zusätzlichen Worten: Zu Beitragsrechnungen, die schwummerig machen, fragen sie ihren Arzt ... oder die VHV. Glasauge sei wachsam...“575 Diese Werbung ist geeignet, sehbehinderte Menschen zu verhöhnen und damit eine Diskriminierung zu begründen. Denn die Bevölkerungs571 Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 39 beigefügt. Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 37 beigefügt. 573 Vgl. auch die anschaulich von Fezer beurteilten Werbebilder: Der einen Priester küssende Nonne (die Abbildung der Werbung ist als Anlage 5 beigefügt), die Darstellung des reisenden Papstes für die Fuji-Software (die Abbildung der Werbung ist als Anlage 35 beigefügt) und die Werbung der Firma Media-Markt mit den Worten „Ihr sollt keine Anzeigen lesen neben dieser hier.“ Fezer JZ 1998, 265ff. (273). 574 Fezer JZ 1998, 265ff. (273). 575 Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 45 beigefügt. 572 182 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung gruppe der sehbehinderten Menschen wird in einer besonders schändlichen Weise dargestellt. Denn insbesondere aufgrund des Vermerks wird die Botschaft vermittelt, ein Glasauge bedürfe einer besonderen Aufmerksamkeit. Dies deutet auf eine bestehende Minderwertigkeit hin, womit eine Ausgrenzung erreicht wird.576 Zwar stellt eine schwere Krankheit keine Behinderung dar, dennoch sei diese Problematik aufgrund des vergleichbaren Leids der betroffenen Personen an dieser Stelle erwähnt. Das von Toscani kreierte Werbebild „H.I.V.-Positive“ ist ein Paradebeispiel für die Ausgrenzung daran erkrankter Menschen.577 Diese Werbung mit der Abbildung eines menschlichen Körperteils mit dem Stempelaufdruck „H.I.V.-Positive“ mißachtet in grober Weise die Grundsätze der Menschenwürde eines H.I.V.-infizierten Menschen. Zutreffend führt der BGH aus, mit dieser Werbung würden Aids-Kranke als „abgestempelt“ und damit als aus der menschlichen Gesellschaft ausgegrenzt dargestellt.578 Denn in der Zeit, in der die Krankheit Aids bekannt wurde, also zu Beginn der 90er Jahre, kam es häufig zu einer Ausgrenzung von gesellschaftlichen Gruppen, bei denen aufgrund ihrer Lebensführung die Krankheit häufig auftrat. Dieses Werbebild ist geeignet, entweder eine solche Voreingenommenheit zu begründen oder aber eine bereits bestehende zu verhärten. 576 Vgl. auch die anschaulich von Fezer beurteilten Werbebilder: Die Anzeige der Westdeutschen Zeitung, die einen bettelnden Blinden zeigt (die Abbildung der Werbung ist als Anlage 46) und die Werbung für einen Radiosender mit dem Text „Lieber ein Vogel in der Anzeige als ein Tauber vor dem Radio“ (die Abbildung der Werbung ist als Anlage 44 beigefügt). Fezer JZ 1998, 265ff. (273). 577 BGH NJW 1995, 2492f. – „H.I.V.-Positive“. 578 BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 183 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung VI. Geschlechterdiskriminierende Werbung Brisant ist auch die Problematik der geschlechterdiskriminierenden Werbung. Gehäuft treten frauendiskriminierenden Werbung auf, 579 Fälle der Männer dagegen werden nur selten in dieser Form dargestellt. Obwohl das Bild der Frau in der Werbung bereits jahrzehntelang unter soziologischen und populärwissenschaftlichen Gesichtspunkten erörtert wurde,580 erlangt diese Thematik in rechtlicher Hinsicht erst mit den Werbebildern Toscanis und dem Busengrapscher-Fall Bedeutung. Kisseler setzt sich vertieft mit dem Bild der Frau in der Werbung auseinander.581 Als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Wettbewerbszentrale beschäftigte er sich mit einer Vielzahl von Werbemaßnahmen frauendiskriminierender Art, die der Deutsche Werberat zu beurteilen hatte.582 Im Laufe der Zeit habe sich der sozial-ethische Gehalt der Rechtsordnung geändert und damit die Beurteilung frauendiskriminierender Werbung an Bedeutung gewonnen.583 Werbemaßnahmen über herabsetzende und diskriminierende Behandlung von Frauen, und zwar auch durch Darstellung in der Werbung, habe in der Meinungsbildung erheblichen 579 Vgl hierzu frauenfeindliche Werbebilder dargestellt in Kapitel 2 B. III; siehe auch die Beschwerdebilanzen des Deutschen Werberates, abgedruckt in Kapitel 1 C. 580 Blum/ Nesseler, Weibsbilder – Das neue Bild der Frau in der Gesellschaft und Politik, 1994; Kotelmann/ Mikos, Frühjahrsputz und Südseezauber, 1981; Lautmann, Die Gleichheit der Geschlechter und die Wirklichkeit des Rechts, 1990; Pross, Moral der Massenmedien, Prolegomena zu einer Theorie der Publizistik, 1967; Pross, Gleichberechtigung im Beruf? Eine Untersuchung mit 7000 Arbeitnehmerinnen in der EWG, 1973; Scheffczyk u.a., Veränderungen im Menschenbild - Differgenzen der modernen Anthropologie, 1987; Schmerl, Frauenzoo der Werbung, 1992; dies., Frauenfeindliche Werbung, 1987; dies., Das Frauenund Mädchenbild in den Medien, 1984. 581 Kisseler in FS für Gaedertz, 1992, 283ff. 582 Eine entsprechende Aufzählung in Kisseler in FS für Gaedertz, 1992, 283ff (288ff.). 583 Kisseler in FS für Gaedertz, 1992, 283ff (283). 184 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung Niederschlag gefunden. Erst dadurch sei ganz allgemein eine besondere Sensibilität entstanden.584 Tatsächlich findet sich eine Begründung in dem gewandelten Verständnis unserer Gesellschaft und auch in der immer stärker werdenden Reizüberflutung der Konsumenten. Der Werbende will sich von seinen Konkurrenten durch besonders auffällige Werbung absetzen. Aufgrund dieses erhöhten Werbedrucks werden immer provokantere und freizügigere Themenbereiche in die Werbebilder eingebracht. Als beliebtes Thema gilt natürlich das sexistische.585 Diese beiden Faktoren, das gewandelte Verständnis und die Reizüberflutung gaben den Anstoß, geschlechterbzw. im konkreten frauendiskriminierende Werbung unter juristischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Bereits im Jahre 1978 hatte das LG Hamburg einen solchen Fall zu beurteilen, in dem es um das Bild der Frau in den Medien ging.586 Eine Gruppe von Frauen klagte gegen den Herausgeber und Chefredakteur des Magazins „Stern“. Anlaß der Klage war die Gestaltung einiger Titelseiten. Auf diesen würden Frauen als bloßes Lust- und Sexualobjekt dargestellt und es werde dadurch beim männlichen Betrachtern der Eindruck erweckt, der Mann könne über die Frau beliebig verfügen und sie beherrschen. Zumindest aber sollte verboten werden, auf den Titelseiten der Zeitschrift Frauen als beliebig verfügbares und beherrschbares Objekt darzustellen. Als Zweck der Klage galt das gemeinsame Anliegen der Frauen, die Diskriminierung der Frauen 584 Kisseler in FS für Gaedertz, 1992, 283ff (296). Auch wenn viele Werbeschaffenden davor warnen, derartige Werbebilder auf den Markt zu bringen. So vertritt der Direktor des Genfer Instituts für Markentechnik - Klaus Brandmeyer - die Ansicht, der Betrachter empfinde Geschlechtsverkehr zu Verkaufszwecken als anstößig und eine Sensationshascherei. Im übrigen schade Sex der Marke. Siehe hierzu Schröter W & V 45/1999, 104ff. (104). 586 LG Hamburg NJW 1980, 56ff. - „Frauen gegen Stern“. 585 185 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung zu beseitigen, ihrer Erniedrigung Einhalt zu bieten und den Anspruch auf Menschenwürde auch für Frauen zu verwirklichen, da sie sich durch die Darstellungen von Frauen auf den Titelbildern persönlich beleidigt fühlten. Dem Betrachter werde suggeriert, Frauen seien verfügbar, benutzbar, ausgeliefert, minderwertige Wesen. Durch die Darstellung der Frau als bloßes Sexualobjekt werde sie völlig entpersönlicht und reduziert auf geschlechtliche Benutzbarkeit. Auch wenn die Klage erfolglos blieb, so gilt dieser Prozeß doch als Vorreiter, den ersten Schritt gegen die Bekämpfung diskriminierender Werbebilder zu gehen und diesbezüglich eine gesellschaftliche Dynamik auszulösen. Als einschneidende Wende in juristischer Hinsicht gilt der Fall „Busengrapscher“.587 Denn er wurde in allen Instanzen durchgefochten und bietet nunmehr den Frauen die rechtliche Möglichkeit, gegen diskriminierende Werbebilder vorzugehen. Entscheidend war die Frage, ob die Abbildung auf den Fläschchen noch dem Maß des Ertragbarem entsprach, mit dem sich die heutige Gesellschaft täglich konfrontieren lassen müsse oder ob dies eine nicht hinnehmbare Diskriminierung darstelle.588 Der BGH führt aus, die Herabsetzung und Diskriminierung der Frau lägen darin begründet, daß „die beiden Etiketten durch Wort- und Bilddarstellungen geprägt seien, die in obszöner Weise den Eindruck der sexuellen Verfügbarkeit der Frau in sexueller Hinsicht vermitteln und zugleich die Vorstellung fördern sollten, die so bezeichneten alkoholischen Getränke geeignet seien, solcher Verfügbarkeit für die angesprochenen sexuellen Handlungen Vorschub zu lei- 587 588 BGHZ 130, 5ff. – „Busengrapscher“. Gaedertz/ Steinbeck WRP 1995, 978ff. (978). 186 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung sten.“589 „Die Verletzung der hier betroffenen menschlichen Würde sowie die hier in Rede stehende Diskriminierung eines Bevölkerungsteils allein zum Zwecke, den Absatz eines bestimmten Produkts zu fördern, entspricht nicht den Anschauungen der großen Mehrheit des Publikums und der Wettbewerbsteilnehmer von einem grundsätzlich einzuhaltenden Mindeststandard dessen, was im Wettbewerb als unanstößig (noch) zu tolerieren ist.“590 Mit welcher Diskrepanz ein solcher Fall allerdings beurteilt werden kann, zeigt das erstinstanzliche Urteil in dieser Sache.591 Das Landgericht Berlin vertrat noch die Ansicht, die Etiketten seien wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit einem Vergleich auf die Freizügigkeit in Filmen und an deutschen Bühnen hat das Gericht angenommen, die Darstellung des weiblichen Körpers (nackt/ spärlich bekleidet) sei in der Werbung üblich. Das sittliche Empfinden der betroffenen Verkehrskreise sei hierdurch nicht verletzt. Das Gericht verweist darauf, es sei eine Frage der Lebensphilosophie, die Auffassung zu beurteilen, Frauen schlechtsverkehr würden einwilligen erst oder dann sich in den die GeBrust liebkosen lassen, wenn sie vorher mit Alkohol „abgefüllt“ worden seien. Es sei nicht Aufgabe der staatlichen Gerichte, diese Problematik zu beurteilen. Das Landgericht hat die Auffassung der betroffenen Verkehrskreise nicht zutreffend gewürdigt. Die Frage nach der Herabwürdigung des Bildes der Frau in der Werbung als eine Frage der Lebensphilosophie abzuhandeln, geht im Ergebnis fehl. Auch Ahrens verkennt bei 589 BGHZ 130, 5ff. (9) – „Busengrapscher“. BGHZ 130, 5ff. (10) – „Busengrapscher“. 591 Urteil des LG Berlin vom 18.1.1991, Az. 91 O 78/90 - „Busengrapscher“. 590 187 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung seiner Ansicht, das Wettbewerbsrecht sei kein rechtliches Instrument zur Erhebung des kulturellen Niveaus oder zur gesellschaftlichen Förderung der Emanzipation der Frau,592 daß es doch von erheblicher Bedeutung ist, rechtlichen Wirkungsgrad diese Problematik Gesichtspunkten der Werbung zu auf unter wettbewerbs- erörtern. den Denn Verbraucher der darf keinesfalls unterschätzt werden. „Die Werbung soll Spiegelbild der vorherrschenden Kultur und damit Ausdruck des Zeitgefühls sein.“593 Würde aber die rechtliche Beurteilung diskriminierender Bilder außen vor bleiben, so widerspräche dies den Bemühungen in unserer Gesellschaft, Diskriminierungen in jeder Form zu vermeiden bzw. gegen bestehende vorzugehen. Diskriminierende Werbebilder sind damit ein gesellschaftliches Thema, von ökonomischer, ästhetischer, moralischer, psychologischer und nicht zuletzt normativer und auch wettbewerbsrechtlicher Bedeutung.594 Die Beurteilung sexistischer Werbebilder ist auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht relevant. Nicht zuletzt sind für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung eben diese sittlichen Wertvorstellungen der Allgemeinheit relevant. Zwar mag grundsätzlich die Beurteilung sexistischer Werbebilder von der persönlichen Anschauung des einzelnen Betrachters abhängen.595 Aber das subjektiv geprägte Empfinden darf der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden. Das von unserer verfaßten Wirtschaftsordnung gewollte sittliche Verhalten steckt die Grenzen ab, innerhalb derer das 592 Ahrens JZ 1096ff. (1100). Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (982). 594 So auch Hartwig in der Buchbesprechung von Toscanis „Die Werbung ist ein lächelndes Aas, WRP 1997, 1224f. (1224). 595 Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (981). 593 188 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung Wettbewerbsverhalten unbeanstandet bleibt.596 Dies richtet sich nach der sittlich-rechtlichen Wertvorstellung nach Maßgabe des Empfindens eines normalen Durchschnittsbürgers und nach Maßgabe der Auffassung und des sittlichen Bewußtseins der Allgemeinheit.597 Demnach fragt es sich, wie das Rollenbild der Frau nach diesen Maßgaben aussieht und wann die Schwelle zur Diskriminierung überschritten ist. Es lassen sich nur Anhaltspunkte festlegen, die als Kriterien für die Beurteilung einer frauendiskriminierenden Werbung herangezogen werden können. Eine solche ist begründet, wenn ein Widerspruch im Spannungsgefälle zwischen Fortschritt und Rückständigkeit die Darstellung der Frau betreffend besteht. Ein Widerspruch liegt regelmäßig vor, wenn sich das Bild der Frau in der Werbung von dem tatsächlichen Selbstverständnis der Frauen von heute unterscheidet und damit noch vorhandene Vorurteile verstärkt oder zumindest aufrecht erhalten werden.598 Wird die Frau beispielsweise lediglich als Objekt599 dargestellt, wird dadurch ihre Persönlichkeit unterdrückt. Dies begründet eine Veränderung der Gesellschaftsstruktur, die sich nicht mehr mit den heutigen Vorstellungen von Emanzipation der Frau im weitesten Sinne decken. Wird die Frau in der Werbung verdinglicht und wird zugunsten des Objektcharakters ihre Persönlichkeit aufgeben und gehen damit alle Züge ihrer Individualität verloren, dann ist die Schwelle zur Diskriminierung überschritten. 596 Ullmann GRUR 1991, 789ff. (791). Von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Halbband, 1987, Kapitel 18, Rn. 2. 598 So auch Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (981). 599 Damit ist nicht nur die Darstellung der Frau als Lustobjekt des Mannes gemeint. 597 189 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Frau in besonders herabwürdigender Weise dargestellt wird und als reines Sex- oder Lustobjekt fungiert, welches allzeit für den Mann verfügbar erscheint. Wenn sich also die Darstellung der Frau auf die geschlechtliche Benutzbarkeit reduziert. Nicht ausschlaggebend für eine solche Beurteilung sollte der Umstand sein, daß etwa eine Frau nackt bzw. nur leicht bekleidet dargestellt wird. Vielmehr gilt als Maßstab der Zusammenhang der Darstellung beispielsweise mit einem besonders frivolen Text, die Perspektive des Betrachters, der Gesichtsausdruck der Frau, u.a.600 Demnach entspricht eine Werbung nicht den Wertvorstellungen der beteiligten Verkehrskreise, wenn sie geschlechterdiskriminierenden Charakter aufweist. Das sittliche Bewußtsein ist dort verletzt, wo der Mensch lediglich als frei verfügbares Sexualobjekt dargestellt und damit seine soziale, wirtschaftliche oder kulturelle Gleichwertigkeit aufgehoben wird.601 Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung muß hier ihre Grenzen finden. Als diskriminierend ist deshalb das Titelblatts des Werbeprospekts des Unternehmens B & T Bautechnik Tkalex GmbH zu beurteilen, das in einem kreisrunden Ausschnitt die Rückenansicht einer Frau mit leicht gespreizten Beinen zeigt versehen mit der Überschrift „Die heißeste Versuchung“. In ihrem Tangaslip steckt eine beim Hausbau eingesetzte metallene Kombi-Hülse, das umworbene Objekt.602 Diese Abbildung ist schon für sich genommen als diskriminierend zu werten. Denn sie 600 Fezer JZ 1998, 265ff. (273); Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (981); Kur WRP 1995, 790ff. (792). 601 Vgl. hierzu insbesondere Fezer JZ 1998, 265ff. (273f.). 602 Siehe hierzu die Abbildung der Werbemaßnahme beigefügt als Anlage 1. 190 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung vermittelt den Eindruck, die Frau diene lediglich dem Verwendungszweck, ebenso wie eine Kombi-Hülse „gebraucht zu werden“. Untermauert wird dies noch durch die entsprechende Überschrift, in der die Frau ebenso wie eine Kombi-Hülse als Objekt besonders angepriesen wird. Diese Darstellung ist keineswegs mit dem heutigen Rollenverständnis der Frau zu vereinbaren. Ihre Persönlichkeit wird unterdrückt, insbesondere auf- grund der gewählten Perspektive. Zu sehen ist nicht etwa das Gesicht der Frau, sondern lediglich ihr Gesäß, welches durch die bückende Haltung der Frau noch besonders in den Vordergrund gehoben wird und damit den herabwürdigenden Charakter verstärkt. Wie weit der Werbende geht, um Aufmerksamkeit zu erlangen, zeigt auch der Werbegag von der Herforder Pils Brauerei. In einer unter anderem von der Firma Herforder Pils veranstalteten Weihnachtsfeier in der Osnabrücker Stadthalle wurden drei Frauen angeworben, die lediglich mit schwarzen Stiefel und einem Stringtanga bekleidet waren. Im übrigen wurde ihnen ein rotes Nikolauskostüm mittels body-painting603 auf den Körper gemalt. Versehen war dieses gemalte Kostüm mit weißen Rüschen am Arm und an den Oberschenkeln. Des weiteren war ein schwarzer Gürtel um die Taille gemalt. Der einen Frau wurden ihre nackten Brüste mit die Worte „Herforder Weihnacht“ beschriftet, die anderen hatten dieselbe Aufschrift auf dem Rücken.604 Sie wurden den gesamten Abend über lediglich „zur Schau gestellt“. Für die Herren der Gesellschaft bestand die Möglichkeit, sich mit diesen auf einem Photo zu verewigen, wobei bei der Anfertigung der Photos 603 Die Farbe wird hierbei unmittelbar auf die Haut aufgetragen und soll als Kleidungsersatz fungieren. Abbildung der Werbemaßnahme beigefügt als Anlage 49. 604 191 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung ein direkter Körperkontakt seitens der Herren nicht ausgeschlossen war. Diese Art der Werbung verletzt nicht nur schamlos anstößig das sittliche Empfinden, sondern auch die Menschenwürde und ist damit diskriminierend. Hier ist eine Parallele zum Fall „Busengrapscher“ deutlich. Es wird der Eindruck vermittelt, mit dem Genuß eines Herforder Pils könne der Abend mittels einer mit einem Nikolauskostüm bemalten nackten Frau verschönert werden. Es muß als sexuelle Anspielung gewertet werden, daß direkt über den Brüsten der Frau die Worte „Herforder Weihnacht“ aufgemalt wurden. Damit wird der Frau die Rolle eines Weihnachtspräsentes zugewiesen, welches im Zusammenhang mit dem Genuß eines Biers der Marke Herforder vergeben wird. Dies stellt eine untragbare Verletzung der Menschenwürde sowie die Diskriminierung von Frauen dar.605 Diese Argumentation ist auch auf das Werbebild der Agentur Trend übertragbar. In dieser Plakatwerbung für Diskotheken werden Frauen als Sklavinnen dargestellt, die vor einem römischen Soldaten verängstigt knien und mittels einer Peitsche und angebrachten Halsketten von ihm „in Schach gehalten“ werden. Mit diesem Werbebild werden Frauen zur bloßen käuflichen Handelsware degradiert.606 VII. Tabuzonen der Werbung Letztendlich stellt sich die sachlich schwierig zu beantwortende gesellschafts-politische Frage, ob es 605 Vgl. auch die anschaulich von Fezer beurteilten Werbebilder: Die Schaufenstergestaltung eines Kölner Optikers (die Abbildung der Werbung ist als Anlage 26 beigefügt) und die Prospektwerbung des Schraubenmutterherstellers FRESA (die Abbildung der Werbung ist als Anlage 22 beigefügt). Fezer JZ 1998, 265ff. (273f.). 606 Die Abbildung der Werbung ist als Anlage 25 beigefügt. 192 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung überhaupt Grenzen in der Werbung gibt bzw. geben muß. Existieren Lebens- und Themenbereiche, deren Kommerzialisierung durch die Werbung aufgrund gesellschaftlicher Vorgaben oder aber durch die Herstellung praktischer Konkordanz miteinander kollidierender Grundrechte versagt bleibt?607 Die Liberalisierung unserer Gesellschaft ist auf dem fortschreitenden Ast. Themen wie das Sexualverhalten des Menschen bis hin zu sexistischen Werbebildern sind heute quasi an der Tagesordnung. Die Reizüberflutung der Konsumenten läßt die Bildsprache immer härter, voyeuristischer und pornographischer werden. Nur in Ausnahmefällen stört sich die Gesellschaft daran. Bereits im Jahre 1957 nahm der Große Strafsenat Stellung zu diesem Themenbereich.608 Er hatte darüber zu entscheiden, ob die Zusendung einer unaufgeforderten Werbeschrift für Mittel sexueller Reizsteigerung als Beleidigung gelte. In den Entscheidungsgründen führte er aus, die bisherige Tabuisierung des Sexuallebens sei nahezu völlig abgebaut worden, so daß Fragen der Sexualität nunmehr (im Jahre 1957) in aller Offenheit erörtert würden. Selbst unter der wenig liberalen Sichtweise der damaligen Zeit zeigen diese Überlegungen deutlich die Änderung der Einstellung zu Sexualfragen. Noch im Jahre 1970 hat sich der BGH in seinem Urteil „Erotik in der Ehe“ mit der Überlegung auseinandergesetzt, ob die Werbung mit einem Werbeslogan für ein Aufklärungsbuch wettbewerbswidrig sei, da es sich zur Durchsetzung eigener wirtschaftlicher Interessen über 607 Vgl. hierzu Fezer JZ 1998, 265ff. (274f.) BGHSt 11, 67ff. – „Werbeschrift für Mittel sexueller Reizsteigerung“. 608 193 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung das durch § 185 StGB geschützte Rechtsgut der Ehre und Würde anderer hinwegsetze. Der BGH schloß sich bei seiner Urteilsfindung den Ausführungen des Großen Strafsenats an.609 Heute würde so nicht mehr argumentiert. In unserer Gesellschaft ist weitgehend anerkannt, daß Sexualität in aller Offenheit erörtert wird. Unsere Gesellschaft stört sich aufgrund ihrer gewandelten Moralvorstellung nicht mehr an der Erörterung sexueller Fragen oder deren bildlichen Darstellungen. Die Erwägung eines Tabu hinsichtlich sexistischer Werbebilder erweist sich daher als gänzlich ungeeignet. Anders könnte es sich allerdings mit den Themen in der Werbung über Gewalt, Tod, Krieg oder schwerster Krankheit verhalten. Die Frage nach einem Tabu ist die Frage nach einer gesellschaftlichen Zensur. Tabuthemen sind auch in unserer heutigen Zeit sicherlich immer noch stark verankert, wenn diese auch mit der Zeit vermehrt abgebaut werden. So wird es einem Großteil der Verbraucher beispielsweise mißfallen, wenn ein Stromerzeuger für sein Produkt mit der Abbildung eines auf einem elektrischen Stuhl verendeten Menschens werben würde. Für die Problematik „Tod und Krankheit“ bietet es sich geradezu an, die Werbebilder von Toscani das Thema Aids betreffend anzusprechen.610 Immer wieder bezieht sich Toscani darauf, er mache keine Werbung im klassischen Sinne. Er verkaufe keine Pullover. Diese sprächen für sich, da sie von guter Qualität 609 BGH GRUR 1970, 557f. (557) – „Erotik in der Ehe“. Beachtung finden sollte hier insbesondere die Abbildung eines menschlichen Körperteil mit dem Stempelaufdruck „H.I.V.-Positive“ und der an Aids Sterbende in den Armen seines Vaters umgeben von seiner Familie, siehe hierzu Anlagen 10 und 13. 610 194 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung seien und sich somit gut verkaufen ließen.611 Er versteht seine Werbung als Anregung. Es bleibe dem Betrachter überlassen, dem Passanten, der auf die Werbung stößt, der mit seinem Nachbarn oder Arbeitskollegen darüber diskutiere, Stellung zu beziehen und deshalb über das Problem nachzudenken, sich eine Meinung zu bilden und aktiv in den Kommunikationsprozeß einzutreten.612 Der BGH legt die Abbildung eines nackten menschlichen Körperteils mit dem Stempelaufdruck „H.I.V.-Positive“ dergestalt aus, daß die Aids-Kranken als „abgestempelt“ und damit aus der Gesellschaft ausgegrenzt gelten würden.613 Durch das Werbebild werde bewußt und gezielt eben eine Ausgrenzung bezweckt. Diese Sichtweise wird insbesondere mit einer zuvor erschienenen Anzeige der Firma Benetton mit der Abbildung eines Aidskranken mit dem Untertitel „pendant l´agonie, la vente continue“ (während des Todeskampfes, der Verkauf geht weiter) begründet. Diese Anzeige sei ein deutliches Zeichen dafür, wie zynisch und menschenverachtend die Darstellung menschlichen Leids in der Werbung der Firma Benetton von Betroffenen empfunden werden müsse. Natürlich ist auch eine andere Interpretation möglich. Fezer beispielsweise faßt den kommunikativen Inhalt der Benetton-Werbung zur Aids-Problematik als Aussage gegen die Ausgrenzung Aids-Kranker aus der Gesellschaft an. Das Motiv stelle als plakative Metapher ein Plädoyer zur Hilfe für Aids-Kranke und zum 611 612 613 Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, S. 44. Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, S. 86. BGH NJW 1995, 2492f. (2493) – „H.I.V.-Positive“. 195 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung Kampf gegen den Aidsvirus dar. So will auch Toscani selbst sein Werbebild verstanden wissen.614 Welcher Interpretation auch immer gefolgt wird, so besteht doch Einigkeit, daß das Thema „Aids“ in unserer Gesellschaft nach wie vor als äußerst „heikel“ angesehen wird. Ob sich daraus bereits ein Tabu für die Werbelandschaft ergeben sollte, ist äußerst fragwürdig. Zunächst stellt sich aber doch die Frage, ob das Setzen von Tabus in der Werbung überhaupt erforderlich ist. Dem Verbraucher steht grundsätzlich kein Schutz vor plakativen Abbildungen der Werbenden von dem Elend der Welt zu. Und den Phantasien der Werbenden sollten grundsätzlich keine Grenzen gesetzt werden. Wer vermag zu entscheiden, ob die Werbelandschaft nach den Prinzipien der Schönheit, der Freude oder ähnlich positiven Aspekten kreiert werden sollte. Die Werbestrategien sind nicht mehr nach diesen Prinzipien ausgerichtet. Im Rahmen des gesellschaftlichen Wandels bietet die herkömmliche Werbung nicht genügend Möglichkeiten zur freien Entfaltung der einzelnen Werbestrategien. Das Werbekonzept von Toscani geht gerade dahin, Tabus zu brechen und damit Diskussionen in der Gesellschaft anzuregen. Fezer hält die Anerkennung solcher der Werbung entzogener Tabuzonen der Kommunikation nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, sondern eher als verfassungsrechtlich unzulässig.615 Werbebilder, die sich am Rande oder auch inmitten eines Tabubereichs befinden, wecken bei der Allgemeinheit natürlich reges Interesse. Nicht zuletzt auch wegen der Sensationslust der Menschen. Und ein solches Interesse birgt 614 Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, S. 75ff. 196 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung natürlich auch Reaktionen. Mit welcher Empfindlichkeit der Verbraucher auf die Werbung reagiert, spürt die werbetreibende Wirtschaft unmittelbar.616 Diese Reaktionen des Verbrauchers bei Werbemaßnahmen gehen von negativer Kritik bis hin zur Aufruhr und zum Boykott des werbenden Unternehmens. Andererseits sind Werbemaßnahmen, die positiv bei dem Verbraucher ankommen, als Sympathieträger für das Unternehmen oder dessen Produkte zu werten. Die Markttransparenz zeigt, daß eine Selbstregulierung des Marktes durch den Verbraucher bei Werbebildern erfolgt, die mögliche Tabubereiche anschneiden. Besonders deutlich zeigt sich dies bei der Werbekampagne von Benetton, aufgrund dessen das Unternehmen eine erhebliche Umsatzeinbuße verzeichnen mußte. Insofern ist das Aufstellen von Tabus von vornherein nicht erforderlich.617 Eine Regulierung nimmt der Verbraucher selbst vor. Einer Tabuzone bedarf es demnach nicht, zumal dem kommunikativen Prozeß nicht von vornherein Grenzen gesetzt werden sollten. Die vorgenannten Ausführungen zeigen, daß der Verbraucher durch seine Reaktionen eine Selbstregulierung des Marktes vornimmt. Zudem ist die Wirtschaftswerbung einem derart strengen wettbewerbsrechtlichen Beurteilungsmaßstab unterworfen, daß ein umfassender Verbraucherschutz gewährleistet wird. Denn unberührt von dieser Frage bleibt natürlich, ob sich der Werbende aufgrund seiner Werbemaßnahmen nach 615 Fezer JZ 1998, 265ff. (275). Siehe hierzu auch Kisseler in FS für Gaedertz, 1992, 283ff. (294f.). 617 Anders Ahrens JZ 1995, 1096ff. (1097); Gaedertz/ Steinbeck WRP 1996, 978ff. (978f.). 616 197 Kapitel 4 B. - Arten der diskriminierenden Werbung wettbewerbsrechtlichen Kriterien zu verantworten hat.618 VIII. Fazit Eine Werbemaßnahme ist diskriminierend, wenn aufgrund einer Zugehörigkeit Personengruppen stigmatisiert und aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden oder in sonstiger Weise eine Aus- und Absonderung erfahren. Eine solche Ausgrenzung kann aufgrund der Zugehörigkeit einer Rasse, einer Religion, einer Staatsangehörigkeit, einer Behinderung, einer Krankheit oder aufgrund eines Geschlechts erfolgen. Werbebilder, die ihrem Inhalt nach geeignet sind, diskriminierende Einstellungen entstehen zu lassen oder bereits vorhandene zu verhärten und zu vertiefen, sind wettbewerbsrechtlich zu untersagen. Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung muß dort seine Grenzen finden, wo die soziale, wirtschaftliche oder kulturelle Gleichwertigkeit von Personengruppen aufgehoben wird. 618 Ohne tatsächliche Stellungnahme, ob ein Tabu-Bereich vorliegen sollte, führt Hartwig aus „Der Hinweis auf das Eindringen in Tabubereiche“ allein dürfte kaum als Grundlage für ein Verbot der BenettonWerbung dienen“ BB 1999, 1775ff. (1777). 198 Kapitel 4 C. - Antidiskriminierungsgesetz C. Antidiskriminierungsgesetz Das Thema Diskriminierung ist schon jahrzehntelang Gegenstand öffentlicher Diskussionen. In diesem Zusammenhang wird das Problem der Darstellung der Frau in der Werbung diskutiert. Immer wieder wurden Stimmen nach einem Antidiskriminierungsgesetz laut.619 So wurde Anfang 1982 durch das Bundesinnenministerium und das Bundesfamilienministerium die Frage erörtert, ob u.a. ein generelles, für den gesamten Rechtsbereich geltendes Diskriminierungsverbot in Form einer Generalklausel oder als Alternative die Normierung einzelner Verbotstatbestände für bestimmte Lebensbereiche wie Arbeitsmarkt, Geschäftsverkehr, Werbung und Medien dienlich wäre. Auch Anfang Mai 1998 wurde beispielsweise der Entwurf eines Antidiskriminie- rungsgesetzes vorgelegt.620 Ziel dieses Gesetzes sollte sein, die durchzusetzen, Gleichberechtigung das heißt einzelne zu sichern bzw. benachteiligende und willkürliche Ungleichbehandlungen zu vermeiden, die mit der Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe oder zu sonstigen sozialen Kategorien zusammenhängen.621 Hinsichtlich der Verwirklichung eines solchen Gesetzes wurde aber Zurückhaltung geübt, da es in verfassungsrechtlicher wie auch in tatsächlicher Hinsicht 619 Vgl. hierzu Ahrens JZ 1995, 1096ff. (1100); Coester-Waltjen ZRP 1982, 217ff.; Fezer JZ 1998, 265ff. (271); Gitter NJW 1982, 1567ff.; Kaegi-Diener AJP/PJA 1994, 1127ff.; Kokott NJW 1995, 1049ff.; Kraft in FS für Kummer, 1980, S. 389ff.; von Münch NJW 1999, 260ff.; Pfarr/ Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz – Zum Verbot der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben, 1985; Schmitt Glaeser DÖV 1982, 382ff. 620 Siehe hierzu näher ausführend von Münch NJW 1999, 260ff. (260f.), der berichtet, der Brandenburger Justizminister, Hans Otto Bräutigam, habe einen solchen Entwurf ohne vorherige Abstimmung mit den anderen Mitgliedern der Landesregierung vorgelegt. 621 Diskriminierungen können in vielfältiger Weise auftreten, vgl. hierzu beispielhaft BVerfGE 88, 87ff. – „Transsexueller“. 199 Kapitel 4 C. - Antidiskriminierungsgesetz erhebliche Probleme birgt.622 Auf diese soll hier nicht näher eingegangen werden, weil die nachfolgenden Ausführungen in Kapitel 4 D. zeigen werden, daß ein Antidiskriminierungsgesetz letztendlich für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung diskriminierender Werbebilder nicht erforderlich ist. 622 Auf die Probleme bei der Verwirklichung eines Antidiskriminierungsgesetzes soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Siehe hierzu aber Coester-Waltjen ZRP 1982, 217ff.; Gitter NJW 1982, 1567ff.; von Münch NJW 1999, 260ff.; Roellecke NJW 1996, 3261f.; Schmitt Glaeser DÖV 1982, 381ff. 200 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern D. Rechtsvergleich mit nordischen Ländern Die Benetton-Werbekampagne hat international unterschiedlichste Reaktionen in der Gesellschaft und der Justiz hervorgerufen. Während Japan und die Niederlande den Werbebildern positive gegenüber standen,623 - Japan zeichnete das Bild der ölverschmutzten Ente sogar mit einem Werbepreis aus -,624 waren Deutschland, Frankreich625 und Norwegen626 weniger erbaut über diese Art von Werbekampagnen. In Großbritannien wurde beispielsweise das Bild der ölverschmutzten Ente für rechtlich zulässig erachtet,627 während Brasilien bereits das Bild der den Priester küssenden Nonne als unzulässig ansah.628 Die Niederlande nahmen Anstoß an dem Werbebild des als Engelchen verkleideten weißen Kindes und des als Teufelchen verkleideten schwarzen Kindes und untersagten dieses gerichtlich.629 In den USA und Österreich hingegen wurde die Benetton-Werbung zu keinem Zeitpunkt rechtlich beanstandet.630 Die unterschiedliche Behandlung der Werbebilder läßt die Frage aufkommen, welche Bedeutung diskriminierenden Werbebildern in Deutschland zukommt. Reicht es 623 Siehe hierzu Toscani, Die Werbung ist ein lächelndes Aas, 1997, S. 80f. 624 So Paehler Betrifft JUSTIZ 1995, Nr. 43, 127ff. (127). 625 In Frankreich wurde das Werbebild „H.I.V.-Positive“ untersagt, Tribunal de grande instance de Paris, Urteil vom 1.2.1995. 626 In Norwegen wurden die Werbebilder des blutigen T-Shirts und der Hose eines toten Soldaten untersagt, Marktrat GRUR Int. 1996, 256ff. – „Benetton“ 627 Advertising Standards Authority (ASA), ASA´s Monthly Report Nr. 23 vom 14.4.1993, S. 23. 628 Die Entscheidungen der Conselho Nacional de Auto-Regulamentacao Publicitaria (CONAR) können im Internet unter http://www.conar.org.br abgerufen werden. 629 Entscheidung vom 16.10.1991, abgedruckt in Tijdschrift voor Consumentenrecht 1992, S. 93. 630 Dem Österreichischen Werberat (ÖWR) lagen lediglich die Motive der den Priester küssenden Nonne und das blutverschmierte T-Shirt eines getöteten Bosnier-Soldaten vor. Der ÖWR kam zu dem Ergebnis, daß ein Einschreiten nicht erforderlich sei, hierzu Extradienst Nr. 10 vom 4.6.1999, 44ff. (50). 201 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern aus, die von Hefermehl gefundenen Fallgruppe lediglich um eine weitere, die der diskriminierenden Werbung zu ergänzen oder bedarf es einer Novelle des UWG, in dem eine eigene Regelung zur Bekämpfung der Diskriminierung eingeführt werden sollte.631 Zur abschließenden Beantwortung dieser Frage soll zunächst ein Rechtsvergleich mit nordischen Ländern herangezogen werden. Denn in den nordischen Ländern hat zumindest die geschlechterdiskriminierende Werbung einen besonderen Stellenwert. Norwegen hat beispielsweise als einziges europäisches Land eine Regelung gegen geschlechterdiskriminierende Werbung. I. Rechtslage in Norwegen In Norwegen beurteilt sich das Wettbewerbsrecht nach den sogenannten Markt(vertriebs)gesetzen.632 Zur Einhaltung der dortigen Regelungen ist ein höherer Beamte berufen, der sog. Forbrukerombud. Dieser wird in seinem Tätigkeitsbereich von einer staatlichen Behörde unterstützt. Verstöße werden entweder von dem Forbrukerombud selbst festgestellt oder aber Verbraucher u.a. weisen ihn auf solche hin. Ist der Werbende uneinsichtig, ahndet der Forbrukerombud den Verstoß zunächst mit einer Unterlassungsverfügung, bei deren Zuwiderhandlung ein Bußgeld angedroht wird. Meist ist zur Durchsetzung einer Untersagung der Werbemaßnahme jedoch Klage bei der Verwaltungsbehörde mit gerichtlichen Befugnissen erforderlich, dem sog. Marktrat (Markedsrådet). Klagebefugt sind neben dem Forbru- 631 632 Z.B. gekennzeichnet als Antidiskriminierungsgesetz. Im folgenden abgekürzt als MFL. 202 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern kerombud auch Gewerbetreibende, Verbraucher und Verbände.633 Die Rechtslage in Norwegen hat in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung, da bereits seit 1978 eine gesetzliche Regelung gegen geschlechterdiskriminie- rende Werbung existiert, § 1 Abs. 2 MFL. Eingefügt wurde diese Vorschrift durch das Gesetz über die Gleichberechtigung der Geschlechter. Dabei wurde in Erwägung gezogen, bereits in dieses Gesetz eine entsprechende Vorschrift einzuführen. Diese Erwägung wurde jedoch aus Gründen der Zweckmäßigkeit verworfen, da andernfalls nicht die zuständigen Werbeorgane (Marktrat und Forbrukerombud) deren Überprüfung unterlägen.634 § 1 Abs. 2 MFL verbietet Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter, insbesondere die herabsetzende Beurteilung und die kränkende Darstellung. Als Grundsatz der Gleichberechtigung gilt die aktive Förderung der Stellung der Frau. Von der herabsetzende Beurteilung werden Darstellungen und Aussagen erfaßt, in denen Frauen oder Männer in klischeehafter Weise bestimmte negative Eigenschaften zugeschrieben werden.635 Als Fälle der kränkenden Darstellung haben sich solche herauskristallisiert, in denen durch die starke Betonung von Geschlechtsmerkmalen der weibliche Blickfang in der Werbung eingesetzt wird. Körper 636 als Adressat sind Werbende, zu denen auch Werbebüros und Werbeagenturen gezählt werden, sowie alle Personen, die 633 Der Eingehung auf die einzelnen Verfahrensstrukturen bedarf es an dieser Stelle nicht, siehe hierzu aber Kur, Recht der Werbung in Norwegen, in Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Band II, Loseblattsammlung Stand März 1997; dies. GRUR 1995, 790ff.; dies. GRUR Int. 1996, 38ff. 634 So Kur WRP 1995, 790ff. (791). 635 Kur GRUR 1995, 790ff. (793). 636 Marktrat GRUR Int. 1980, 683f. mit Anm. Kur GRUR Int. 1980, 684; siehe auch Kur GRUR 1995, 790ff. (792). 203 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern für die Gestaltung der Werbemaßnahme verantwortlich sind. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, grundsätzlich geschlechterdiskriminierende Werbung gegenüber dem Verbraucher als wettbewerbswidrig zu erklären, so daß es einer Erörterung, ob diskriminierende Werbung überhaupt rechtlich erfaßt wird und unter welche Vorschrift diese subsumiert werden kann, nicht mehr bedarf. So beurteilte der Marktrat als diskriminierend eine Annonce, in der Bademäntel, Sweater und T-Shirts mit Reklameaufdruck in einer Zeitschrift angeboten wurde. Der Bademantel wurde von einem Mann vorgeführt, während die übrige Kleidungsstücke von drei Frauen vorgeführt wurden. Eine Frau war in einem hautengen schwarzen T-Shirt mit schwarzer enger Hose abgebildet, die ein wenig im Hohlkreuz stehend die Brüste nach vorne streckte. Die anderen beiden Bilder zeigten Frauen, die lediglich mit einem weißen T-Shirt bekleidet waren und aufreizend stehend das T-Shirt mit den Händen in den Schoß zogen.637 Der Marktrat führte dazu aus, der Mann sei mit seinem Bademantel sehr natürlich dargestellt, die Frauen hingegen seien in einer unnatürlichen und konstruiert wirkenden Körperhaltung abgebildet, sie würden einen herausfordernden Gesichtsausdruck zeigen und betonten die Blickfangfunktion ihres Körpers. Es bestehe ein auffallender Unterschied in der Art und Weise, in der die Kleidungsstücke von dem Mann bzw. von den Frauen getragen werde. Die Abbildung der Frauen betone den Körper und hebe dabei die äußerlichen weiblichen Merkmale in einer Weise hervor, die eindeutig den Körper der Fotomodelle und nicht das Produkt und sei- 204 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern ne Verwendung als wesentlichen Inhalt der Anzeige erscheinen ließe. Darin werde eine Ausnutzung des weiblichen Körpers zum Zwecke der Absatzförderung charakterisiert. Dies erscheint als Beurteilungsmaßstab besonders streng. Denn dieses Bild wirkt verglichen mit anderen in dieser Arbeit aufgezeigten geschlechterdiskriminierenden Werbebildern eher harmlos. Dies zeigt allerdings, welche Bedeutung der geschlechterdiskriminierenden Werbung in Norwegen beigemessen wird. II. Rechtslage in Schweden Die Rechtslage in Schweden ist mit der in Norwegen vergleichbar.638 Das Kontrollorgan wird nicht ge- schlechtsneutral Forbrukerombud genannt, sondern Verbraucherombudsmann. Allerdings ist bei Nichteinhaltung einer Unterlassungsverfügung nicht die Verwaltungsbehörde zuständig, sondern es wird vor Gericht geklagt.639 In Schweden gibt es keine dem norwegischen § 1 Abs. 2 MFL vergleichbare Vorschrift. Das Marktgericht hat bereits in einer festgestellt, daß Entscheidung die aus rechtliche schlechterdiskriminierender dem Jahre Beurteilung Werbebilder nicht 1976 geunter die Generalklausel (§ 2 des schwedischen MFL) subsumiert werden könne.640 Die Generalklausel biete keine Handhabe dafür, einzelne Bevölkerungsgruppen als solche gegen Diskriminierungen zu schützen. Aus dieser 637 Abbildung der Werbung beigefügt als Anlage 50. Siehe im einzelnen zum Werberecht in Schweden Kur GRUR Int. 1996, 38ff.; dies., Recht der Werbung in Schweden, in Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Band II, Loseblattsammlung Stand 1995; auch dies. GRUR 1995, 790ff.; auch Levin GRUR Int. 1987, 207ff. 639 Zuständig ist Stadtgericht Stockholm. Das Marktgericht fungiert als Berufungsgericht. 640 Entscheidung des Marktgerichts aus dem Jahr 1976, Az.: 1976:8. 638 205 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern grundlegenden Entscheidung wurden jedoch bislang keine Konsequenzen gezogen. Das schwedische Recht läßt einen eigenständigen Tatbestand der diskriminierenden Werbung vermissen. Die Folge davon ist, daß eine gerichtliche Vorgehensweise gegen diskriminierende Werbung zwecklos ist und dementsprechend dem Kontrollorgan entscheidende Bedeutung zukommt. Der Verbraucherombudsmann kann aber nur auf die Einhaltung hinwirken. Bei Uneinsichtigkeit des Werbenden ist die Untersagung der Werbung gerichtlich nicht durchsetzbar und damit nicht erzwingbar. III. Rechtslage in Dänemark Das dänische Recht des unlauteren Wettbewerbs641 unterscheidet sich nicht von dem schwedischen. Das Kontrollorgan nennt sich auch hier Verbraucherombudsmann. Bei Zuwiderhandlungen der von diesem erlassenen Verfügung schreitet ebenfalls das Gericht ein.642 Allerdings kommen die Länder bei der Auslegung ihrer unbestimmten Rechtsbegriffe zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während nach schwedischer Rechtsprechung diskriminierende Werbebilder nicht in den Anwendungsbereich der Generalklausel fallen, erfaßt das dänische Gericht die geschlechterdiskriminierenden Werbebilder rechtlich, indem es diese den Vorschriften des dänischen MFL zuordnet.643 641 Siehe im einzelnen zum Werberecht in Dänemark Kur, Recht der Werbung in Dänemark, in Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Band I, Loseblattsammlung Stand 1998; Reinel WRP 1990, 92ff.; siehe auch Kur GRUR 1995, 790ff. 642 Zuständig ist das See- und Handelsgericht in Kopenhagen (sø –og handelsret). 643 Dies war das Resultat einer mit diesem Thema von dem Verbraucherombudsmann beauftragen Arbeitsgruppe aus den siebziger Jahren. Siehe hierzu Kur, Recht der Werbung in Dänemark, in Schricker (Hrsg.), Recht der Werbung in Europa, Band I, Loseblattsammlung Stand 1998. 206 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern In der Praxis kam der Beurteilung geschlechterdiskriminierender Werbung bisher keine rechtlichen Bedeutung zu. Im Jahre 1993 wurden vom dänischen Verbraucherombudsmann Richtlinien für die Beurteilung geschlechterdiskriminierender Werbung erlassen.644 Diese Richtlinien werden von den Werbenden weitgehend auch ohne formelle Rechtskraft eingehalten.645 IV. Rechtslage in Finnland Auch das finnische Werberecht646 unterscheidet sich im Ergebnis nur unwesentlich von dem der anderen nordischen Länder. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nennt sich hier, je nachdem welches Schutzobjekt betroffen ist, Verbraucherschutzgesetz (VSG) oder aber Gesetz gegen unlauteres Verhalten im Geschäftsbetrieb (UVG). Auch hier schreitet bei Zuwiderhandlung gegen die Verfügung des Verbraucherombudsmanns das Gericht ein.647 Erstmals urteilte das finnische Marktgericht 1994 über eine Werbemaßnahme geschlechterdiskriminierenden Inhalts.648 Dabei galt es, eine Werbung für eine Maler-Farbe namens Panu zu beurteilen. Übermittler der Werbebotschaft war eine Frau, die lediglich mit Shorts und einem trägerlosen Top bekleidet war. Das Gericht hatte bei der Auslegung der Generalklausel649 keine Schwierigkeiten und erachtete diese Werbung als unzulässig, da Blickfang zur eine spärlich Übermittlung bekleidete einer Frau als suggestiv- 644 Siehe zur detaillierten Auflistung der Richtlinien: Kur GRUR 1995, 790ff. (795). 645 Kur GRUR 1995, 790ff. (795). 646 Siehe im einzelnen zum Werberecht in Finnland Kur GRUR Int. 1996, 38ff. (42ff.); dies. GRUR 1995, 790ff. (791, 795). 647 Zuständig ist das Marktgericht (Marknadsdomstol). 648 Finnisches Marktgericht GRUR Int. 1995, 722ff. – „Panu“. 207 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern zweideutigen Werbebotschaft gezeigt werde. Zwar gebe es derzeit in Finnland keine spezielle Vorschrift betreffend die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in der Werbung. Nach den internationalen Verhaltensregeln für die Werbepraxis sei aber u.a. auch die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verboten. Eine solche könne nicht akzeptiert werden.650 Dabei verglich das Gericht diese Werbung mit Werbebildern von Gewalt, die ebenfalls mehrfach als unzulässig erklärt wurden.651 V. Fazit Der Rechtsvergleich mit den nordischen Ländern zeigt, daß die Bedeutung diskriminierender Werbung erheblich und damit die rechtliche Beurteilung notwendig ist, um solchen Ausgrenzungen Einhalt zu gebieten. Unerheblich ist dabei, ob die Verwirklichung mittels einer eigenständigen Vorschrift, der Subsumtion unter die Generalklausel oder aber lediglich aufgrund von ohne formelle Rechtskraft bestehenden Richtlinien erfolgt. Hauptsache ist doch, daß solche Fälle im Ergebnis rechtlich erfaßt sind. Dies läßt den Schluß zu, daß es einer gesonderten Vorschrift zur Regelung diskriminierender Werbung im deutschen Wettbewerbsrecht dann nicht bedarf, wenn sie dem Anwendungsbereich der Generalklausel nach § 1 UWG zuzuordnen ist. Denn während lediglich Norwegen eine derartige Vorschrift aufzuweisen hat, ist die Vorgehensweise zur Bekämpfung diskriminierender Werbung in Dänemark wie 649 Anwendung fand hier insoweit Kap. 2 § 1 des finnischen Verbraucherschutzgesetz. 650 Finnisches Marktgericht GRUR Int. 1995, 722ff. (725) – „Panu“. 651 Die Entscheidung des finnischen Marktgerichts GRUR Int. 1995, 722ff. (725) – „Panu“ verweist auf die Entscheidung des finnischen Marktgerichts GRUR Int. 1992, 297ff. – „G.I.Joe“; mit Anm. von Kur GRUR Int. 1992, 301ff. 208 Kapitel 4 D. - Rechtsvergleich mit nordischen Ländern auch in Finnland zumindest ebenso durchgreifend, bei der geschlechterdiskriminierendes Werbeverhalten unter die Generalklausel subsumiert wird. Norwegen erweist sich hinsichtlich seines Beurteilungsmaßstabes als besonders streng. Aus diesem Grund sollte dieser Beurteilungsmaßstab zwar richtungsweisend sein, aber seinem Umfang nach nicht als Grundlage dienen. Nicht unbeachtet darf bleiben, daß der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel nach deutschem Recht ein sehr viel umfassenderer Anwendungsbereich zukommt als der der nordischen Länder. Auch wenn die von Hefermehl zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppen den Kern der diskriminierenden Werbung nicht treffen,652 so steht doch außer Frage, daß es sich dem Grunde nach bei der diskriminierenden Werbung um einen Fall sittenwidrigen Wettbewerbsverhaltens handelt. Damit bedarf das UWG keiner Novelle. Ausreichend ist, die bislang bestehenden Fallgruppen um eine weitere, die der diskriminierenden Werbung, zu erweitern. 652 Siehe hierzu Kapitel 4 A. 209 Kapitel 5 - Resümee Kapitel 5: Resümee Mit dem Fall „Busengrapscher“ und auch mit der Benetton- Werbekampagne hat die diskriminierende Werbung an rechtlicher Bedeutung erheblich gewonnen. Aufgrund zunehmender Reizüberflutung der Konsumenten und dem Versuch der Werbenden, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erlangen, kommt es immer häufiger zu dergleichen Überschreitungen. Es ist erforderlich, solche Verstöße zu ahnden und sowohl Werbende wie auch Werbeträger rechtlich in ihre Schranken zu weisen. Eine derartige Einschränkung darf allerdings nicht dazu führen, dem Werbenden Äußerungen innerhalb einer Image-Werbung über gesellschafts-politische Themen gänzlich zu verbieten. Solche Äußerungen müssen weiterhin gestattet bleiben. Denn andernfalls würden im vorhinein Tabus aufgestellt. Solche Tabubereiche sollten im Zuge der Liberalisierung unserer Gesellschaft nicht aufgestellt werden. Allerdings muß die Werbung dort ihre Grenzen finden, wo sie geeignet ist, einzelne Bevölkerungsgruppen zu stigmatisieren. Bei der rechtlichen Beurteilung diskriminierender Werbebilder zeigt sich, daß die in diesem Rahmen bedeutsamen Kommunikationsgrundrechte gemäß Art. 5 GG den Werbenden wie auch den Werbeträger nicht rechtfertigen können. Im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Interessenabwägung überwiegt der Schutz der Allgemeinheit. Die rechtliche Zuordnung diskriminierender Werbebilder erweist sich zunächst als schwierig, da die von Hefermehl zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppen den Kern der Diskriminierung nicht treffen. Insbesondere bei dem Rechtsvergleich mit nordischen Ländern wird deutlich, daß die Überlegungen der Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes nicht erforderlich sind. Auch braucht das UWG selbst nicht novelliert bzw. um einen eigenständigen Tatbestand der Diskriminierung ergänzt werden. Die Generalklausel des UWG bietet für die vorliegenden Fälle ausreichend Rechtsschutz. Allerdings ist die Gründung und Einführung einer neuen Fallgruppe, die der diskriminierenden Werbung, 210 Kapitel 5 - Resümee zur abschließenden rechtlichen Beurteilung dieser Fälle unerläßlich. Die Fallgruppe der diskriminierenden Werbung soll solches Werbeverhalten erfassen, bei dem einzelne Personengruppen aufgrund ihrer Zugehörigkeit stigmatisiert werden. Denn dort muß die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung ihre Grenzen haben. 211 Anlagenverzeichnis Anlage 1 212 Anlagenverzeichnis Anlage 2 213 Anlagenverzeichnis Anlage 3 Anlage 4 214 Anlagenverzeichnis Anlage 5 Anlage 6 215 Anlagenverzeichnis Anlage 7 Anlage 8 216 Anlagenverzeichnis Anlage 9 Anlage 10 217 Anlagenverzeichnis Anlage 11 Anlage 12 218 Anlagenverzeichnis Anlage 13 Anlage 14 219 Anlagenverzeichnis Anlage 15 Anlage 16 220 Anlagenverzeichnis Anlage 17 221 Anlagenverzeichnis Anlage 18 Anlage 19 222 Anlagenverzeichnis Anlage 20 223 Anlagenverzeichnis Anlage 21 224 Anlagenverzeichnis Anlage 22 225 Anlagenverzeichnis Anlage 23 226 Anlagenverzeichnis Anlage 24 227 Anlagenverzeichnis Anlage 25 228 Anlagenverzeichnis Anlage 26 229 Anlagenverzeichnis Anlage 27 230 Anlagenverzeichnis Anlage 28 231 Anlagenverzeichnis Anlage 29 232 Anlagenverzeichnis Anlage 30 Anlage 31 233 Anlagenverzeichnis Anlage 32 234 Anlagenverzeichnis Anlage 33 235 Anlagenverzeichnis Anlage 34 236 Anlagenverzeichnis Anlage 35 237 Anlagenverzeichnis Anlage 36 238 Anlagenverzeichnis Anlage 37 239 Anlagenverzeichnis Anlage 38 240 Anlagenverzeichnis Anlage 39 241 Anlagenverzeichnis Anlage 40 242 Anlagenverzeichnis Anlage 41 243 Anlagenverzeichnis Anlage 42 244 Anlagenverzeichnis Anlage 43 245 Anlagenverzeichnis Anlage 44 246 Anlagenverzeichnis Anlage 45 247 Anlagenverzeichnis Anlage 46 248 Anlagenverzeichnis Anlage 47 249 Anlagenverzeichnis Anlage 48 250 Anlagenverzeichnis Anlage 49 Anlage 50 251 Lebenslauf Lebenslauf Am 03.01.1971 wurde ich als viertes Kind der Apothekerin Heide Wassermeyer, geb. Brandau und ihres Ehemannes Richter am Bundesfinanzhof Prof. Dr. Franz Wassermeyer, in Bonn geboren. Meine Schulzeit verbrachte ich von 1977-1981 auf der Grundschule in St. Augustin, in der Zeit von 1982-1991 auf dem AlbertEinstein Gymnasium in St. Augustin, wo ich 1991 die allgemeine Hochschulreife erlangte. Vom Wintersemester 1991/1992 bis zum Wintersemester 1995/1996 studierte ich an der Universität in Konstanz. Im Februar 1996 legte ich in Konstanz meine erste juristische Staatsprüfung ab. Nach einem Wechsel nach Münster/Westfalen und der zwischenzeitlichen Referendarausbildung legte ich im November 1998 meine zweite juristische Staatsprüfung ab. In der Zeit von Januar 1999 bis Dezember 1999 schrieb ich an meiner Dissertation. Zum 03.01.2000 habe ich in Essen meine Tätigkeit als Rechtsanwältin in Essen begonnen. 252