Konvergenz von Folgen und Reihen I Vortrag zum Proseminar zur Analysis, 05.12.2012 Jan Schröder In diesem Vortrag sollen bekannte Eigenschaften von Folgen auf die hyperreellen Zahlen ausgeweitet werden. Weiterhin wollen wir vorangegangene Kriterien mit Hilfe der hyperrreellen Zahlen verifizieren und vereinfachen beziehungsweise abkürzen. Dieser Vortrag wurde auf Grundlage folgender Werke verfasst: Robert Goldblatt; Lectures on the hyperreals. An introduction to nonstandard analysis, Graduate Texts in Mathematics, 188. Springer-Verlag, New York, 1998. § 1 Konvergenz von Folgen und Reihen Dieser Abschnitt befasst sich mit der Konvergenz von Folgen unter Berücksichtigung von hyperreellen Zahlen. Konvergenz Wir wissen bereits aus der Analysis 1: Eine reelle Folge ist eine Abbildung s : N −→ R. Eine reelle Folge (sn )n∈N konvergiert genau dann gegen L ∈ R, wenn in jeder EpsilonUmgebung (L − ε, L + ε) alle bis auf endliche viele Folgeglieder liegen. Oder Anders: (∀ε ∈ R>0 )(∃mε ∈ N)(∀n ∈ N, n > mε ) : (|sn − L| < ε) ⇐⇒ (sn )n∈N konvergiert gegen L. Wir können nun unsere Folgen zu hyperreellen Folgen erweitern: s : ∗ N −→ ∗ R Wir führen dazu 2 neue Begriffe ein: 1) Fortsetzung der Folge nach ∗ N: Dies bedeutet, dass wir jetzt auch die Elemente von ∗N ∞ in die Folge einsetzen können, also unbeschränkte Zahlen. 2) nicht-standard Term: Dies sind die Folgeglieder sN , wobei N eine unbeschränkte Zahl ist. Das führt uns zu der Ansicht, dass eine Folge gegen L ∈ R konvergiert, wenn die Fortsetzung der Folge nach ∗ N im Halo von L liegt.(mehr dazu später) Konstruktion der reellen Zahlen § 1 Konvergenz von Folgen und Reihen (1.1) Satz (Konvergenz) Eine reelle Folge (sn )n∈N konvergiert genau dann gegen L ∈ R, wenn sn ' L (' bedeutet, dass L unendlich nah an sn liegt) für alle unbeschränkten n ∈ ∗ N∞ . Beweis =⇒ Es konvergiere (sn )n∈N gegen L ∈ R. Dann gilt nach der Standardanalysis: (∀ε ∈ R>0 )(∃nε ∈ N) : (|sm − L| < ε) für alle m ≥ nε , m ∈ N. Mit dem Transferprinzip folgt nun: (∀ε ∈ R>0 )(∃nε ∈ N) : (|sm − L| < ε) für alle m ≥ nε , m ∈ ∗ N. Wenn die Behauptung für ein beschränktes n ∈ ∗ N gilt, dann gilt sie insbesondere auch für ein unbeschränktes N ∈ ∗ N∞ , da N > nε für alle N ∈ ∗ N∞ . Daraus folgt: (∀ε ∈ R)(∀N ∈ ∗ N∞ ) : (|sN − L| < ε). Das ist äquivalent zur Behauptung. ⇐= Es liegt L unendlich nah an sN für jedes unbeschränkte N ∈ ∗ N, also gilt für jedes N ∈ ∗ N∞ : sN ' L. Das ist äquivalent dazu, dass |sN − L| = δ, mit δ infinitesimal. Da nach Definition dann für alle ε ∈ R>0 gilt: δ < ε, folgt: |sN − L| < ε. Es gilt nun also: (∀N ∈ ∗ N∞ ) : (|sN − L| < ε). Dann gilt aber auch, da ∗ N∞ ⊂ ∗ N : (∃z ∈ ∗ N)(∀n ∈ ∗ N, n > z ) : (|sn − L| < ε). Mit dem Transferprinzip folgt: (∃z ∈ N)(∀n ∈ N, n > z ) : (|sn − L| < ε). Das ist unser bekanntes Konvergenzkriterium, (sn )n∈N konvergiert also gegen L. Monotone Konvergenz Wir kennen bereits Konvergenzkriterien aus der Analysis, die auf Monotonie und Beschränktheit beruhen. (1.2) Satz Sei (sn )n∈N eine Folge. Die Folge konvergiert, wenn: 1) (sn )n∈N ist nach oben beschränkt in R und monoton steigend, das heisst (∀m, n ∈ N, m ≥ n) : (am ≥ an ) oder 2) (sn )n∈N ist nach unten beschränkt in R und monoton fallend: (∀m, n ∈ N, m ≤ n) : ( am ≥ an ) 2 Konstruktion der reellen Zahlen § 1 Konvergenz von Folgen und Reihen Dieses Kriterium wollen wir nun mit Hilfe der hyperreellen Zahlen verifizieren durch einen alternativen Beweis. Beweis 1) I) Sei (sn )n∈N eine monoton steigende Folge, die nach oben beschränkt ist. Dann existiert eine obere Schranke b für die Folge (sn )n∈N . Es gilt also: (∃b ∈ R)(∀n ∈ N) : (sn ≤ b). Mit dem Transferprinzip folgt: (∃b ∈ R)(∀n ∈ ∗ N) : (sn ≤ b). Dann gilt aber auch: (∃b ∈ R)(∀N ∈ ∗ N∞ ) : (sN ≤ b). Somit wissen wir, dass für jedes N ∈ ∗ N∞ sN limitiert ist. Dann existiert die eindeutig bestimmte Zahl sh(sN ) =: LN ∈ R, für die gilt sN ' LN . ( Der Standardteil von sN ) II) Sei A := {sn |n ∈ N}. Da (sn ) nach oben beschränkt ist, ist auch A nach oben beschränkt. Da (sn ) monoton steigen ist, gilt: (∀n, m ∈ N, n < m) : (sn ≤ sm ). Mit Transfer gilt dann: (∀n, m ∈ ∗ N, n < m) : (sn ≤ sm ). Wegen I) und der Monotonie gilt also: (∀N ∈ ∗ N∞ ) : (sn ≤ sN ' LN ). Da sn , LN reell, gilt also auch: sn ≤ LN für alle n ∈ N. Damit ist LN eine obere Schranke von A für alle N ∈ ∗ N∞ . III)Zeige nun, dass LN die kleinste obere Schranke von A ist. Sei r eine reelle obere Schranke von A. Dann ist sn ≤ r für alle n ∈ N. Mit Transfer gilt dann auch: sn ≤ r für alle n ∈ ∗ N. Nach Teil II) gilt dann also auch: (∀N ∈ ∗ N∞ ) : (LN ' sN ≤ r ). Da LN , r reell, gilt: LN ≤ r. Daraus folgt: LN ist das Supremum von A. IV)Da das Supremum einer Menge eindeutig ist, stimmen die LN für alle N ∈ ∗ N∞ überein. Daraus folgt, dass ein L ∈ R existiert, sodass L = LN für alle N ∈ ∗ N∞ . Hieraus folgt: (∀N ∈ ∗ N∞ ) : (sN ' LN = L). Das ist nach 1.1 äquivalent dazu, dass (sn )n∈N gegen L konvergiert. 2) analoges Vorgehen mit unterer Schranke und Infimum. 3 Konstruktion der reellen Zahlen § 1 Konvergenz von Folgen und Reihen Mit unseren gewonnenen Erkenntnissen können wir nun ein weiteres Ergebnis aus der Standardanalysis verifizieren: (1.3) Korollar Sei 0 ≤ c < 1, c ∈ R. Dann gilt n→∞ lim cn = 0 Beweis Der Fall c = 0 ist klar: Dann ist (cn )n∈N = (0n )n∈N die konstante Nullfolge. Diese konvergiert gegen 0. Für 0 < c < 1 ist die Folge (cn )n∈N monoton fallend und nach unten beschränkt. Es existiert also nach Satz 1.2 eine reelle Zahl L, gegen die die Folge konvergiert. Für jede unbeschränkte Zahl N gilt cN ' L sowie cN +1 ' L. Da für reelle Zahlen gilt: (∀n ∈ N) : (cn+1 = c · cn ), gilt durch Transfer auch: (∀n ∈ ∗ N) : (cn+1 = c · cn ). (*) Wir wissen bereits, dass für x, y ∈ ∗ R und b ∈ R gilt: x ' y ⇐⇒ b · x ' b · y. Es gilt: L ' cN ' cN +1 = c · cN . Mit (*) folgt, da c 6= 0 und c ∈ R : c · L ' c · cN . Da aber cN ' L ' cN +1 , gilt auch: c · L ' L, also gilt für den Standardteil : L = c · L. (Da L, c ∈ R, ist sh(L) = L und sh(c) = c) Da auch L ∈ R und c 6= 1 wird diese Gleichung nur erfüllt, wenn L = 0. Grenzwerte Wie auch in der Standardanalysis können wir für jede Folge, die konvergiert, einen Grenzwert angeben. Direkt aus 1.1 folgt das (1.4) Korollar Eine reelle Folge (sn )n∈N besitzt höchstens einen Grenzwert . Beweis Sei (sn )n∈N eine reelle Folge, die gegen M ∈ R und L ∈ R konvergiert. Sei N eine beliebige unbeschränkte Zahl, also N ∈ ∗ N∞ , dann gilt (sN ) ' L und (sN ) ' M . Dann muss aber bereits L = M gelten, da M , L ∈ R. Also ist der Grenzwert einer Folge, 4 Konstruktion der reellen Zahlen § 1 Konvergenz von Folgen und Reihen wenn er existiert, eindeutig. Dies liegt daran, dass wenn eine reelle Zahl unendlich nah an einer anderen reellen Zahl liegt, die Zahlen bereits gleich sind. Um mit den Grenzwerten von Folgen rechnen zu können, benötigen wir den (1.5) Satz Seien (sn )n∈N und (tn )n∈N reelle Folgen mit lim sn = L und lim tn = M . n→∞ Dann gilt: 1) lim (sn + tn ) = L + M n→∞ 2) lim (c · sn ) = c · L für alle c ∈ R n→∞ 3) lim (sn · tn ) = L · M n→∞ 4) lim (sn /tn ) = L/M falls M 6= 0 n→∞ n→∞ Beweis 1) Da (sn )n∈N und (tn )n∈N gegen L und M konvergieren, wissen wir nach Satz 1.1: (∀N ∈ ∗ N∞ ) : (sN ' L) und (∀N ∈ ∗ N∞ ) : (tN ' M ) Dass ist äquivalent dazu, dass L − sN und M − tN infinitesimal sind. Es gilt nun, dass (L + M ) − (sN + tN ) = L − sN + M − tN . Da L − sN und M − tN nach Voraussetzung jeweils infinitesimal sind, gilt das auch für deren Summe, sodass (L + M ) − (sN + tN ) infinitesimal ist. Damit gilt also L + M ' sN + tN . Diese Rechnung ist korrekt, da L, M , sN , tN limitiert sind. Da also nun für alle N ∈ ∗ N∞ gilt, dass (sN + tN ) ' L + M , folgt direkt: lim (sn + tn ) = L + M . n→∞ Die Gleichheit ergibt sich daher, dass zwei reelle Zahlen, wenn sie unendlich nah aneinander liegen, bereits gleich sind. Damit folgt die Behauptung. 2) Wir wissen, dass (sn )n∈N gegen L konvergiert. Mit Satz 1.1 folgt daraus: (∀N ∈ ∗ N∞ ) : (sN ' L). Es gilt nun, dass c · sN − c · L = c · (sN − L), mit (sN − L) infinitesimal nach Voraussetzung. Daraus folgt, dass c · sN ' c · L. Also ist nun c · sN ' c · L für alle N ∈ ∗ N∞ . So folgt die Behauptung. 3)Wir wollen zeigen: L · M ' sN · tN für alle N ∈ ∗ N∞ . Die Voraussetzung, dass L ' sN können wir anders ausdrücken: L − sN = ε mit ε infinitesimal. Damit ergibt sich: (ε + sN )M − sN tN = εM + sN M − sN tN = εM + sN (M − tN ) 5 Konstruktion der reellen Zahlen § 1 Konvergenz von Folgen und Reihen Nun wissen wir, dass (M − tN ) infinitesimal ist, ebenso ε. Weiter sind M und sN beschränkt. Dann folgt durch die bereits bekannten Rechenregeln für hyperreelle Zahlen, dass auch ε · M infinitesimal ist und dass sN · (M − tN ) infinitesimal ist. Die Summe zweier infinitesimaler Zahlen ist wiederum infinitesimal. Somit haben wir gezeigt: (∀N ∈ ∗ N∞ ) : (L · M ' sN · tN ). Das ist äquivalent zur Behauptung. 4) Wir wollen zeigen: (∀N ∈ ∗ N∞ ) : ( L sN L sN ' ). Das ist äquivalent dazu, dass − M tN M tN infinitesimal ist. Schreibe wieder L als sN + ε, also L = sN + ε mit ε infinitesimal. L sN ε sN sN · M s + ε sN s s ·t ε Dann gilt: − − − − = = N = N + = N N + M tN M tN M M tN M · tN M tN · M sN ε · (tN − M ) + . tN · M M Die Division durch tN ist erlaubt, da tN 6= 0. Das liegt daran, dass M 6= 0, was nach 1.1 äquivalent dazu ist, dass tN 6= 0. ε Wir wissen, dass infinitesimal ist, da ε infinitesimal und M beschränkt. Weiter ist M sN sN (tN − M ) nach Voraussetzung infinitesimal. Da beschränkt ist, ist · (tN − tN · M tN · M M ) infinitesimal. Die Summe zweier infinitesimaler Zahlen ist wieder infinitesimal. L sN Daher gilt nun: − ist infinitesimal für alle N ∈ ∗ N∞ . M tN Daraus folgt nun die Behauptung. Beschränktheit und Divergenz Nun wollen wir noch den Begriff der Divergenz einbringen und in Zusammenhang mit Beschränktheit bringen. (1.6) Satz Eine reelle Folge (sn )n∈N ist genau dann beschränkt in R, wenn alle ihre nicht-standard Terme beschränkt sind. Beweis =⇒ (sn )n∈N ist beschränkt heisst nichts anderes, als dass jedes Folgeglied in [−b, b] enthalten ist für ein b ∈ R, also (∀n ∈ N) : (|sn | ≤ b) Mit Transfer gilt, dass wenn (sn )n∈N beschränkt ist, die Fortsetzung der Folge nach ∗ N in ∗ [−b, b] enthalten ist, also |sn | ≤ b für alle n ∈ ∗ N. Insbesondere gilt das dann auch für alle N ∈ ∗ N∞ . ⇐= Sei (sn )n∈N eine Folge, deren Fortsetzung auf ∗ N beschränkt ist. Dann gilt: (∃y ∈ R)(∀N ∈ ∗ N∞ ) : (|sN | < y ). 6 Konstruktion der reellen Zahlen § 1 Konvergenz von Folgen und Reihen Dann ist sicherlich auch korrekt:(∃y ∈ ∗ R)(∀n ∈ ∗ N) : (|sn | < y ). Mit Transfer folgt daraus: (∃y ∈ R)(∀n ∈ N) : (|sn | < y ). Somit ist gezeigt, dass (sn )n∈N eine obere Schranke y hat. Somit ist die Folge beschränkt. Diese Aussage können wir präzisieren zu der (1.7) Bemerkung 1) Eine reell-wertige Folge (sn )n∈N ist nach oben beschränkt, das heisst es gibt eine reelle obere Schranke, genau dann, wenn sie keine positiven unbeschränkten nicht-standard Terme besitzt. 2) Eine reell-wertige Folge (sn )n∈N ist nach unten beschränkt, das heisst es gibt eine reelle untere Schranke, genau dann, wenn sie keine negativen unbeschränkten nichtstandard Terme besitzt. (1.8) Definition (Divergenz) Sei (sn )n∈N eine reelle Folge. Wir sagen, dass (sn )n∈N gegen unendlich divergiert, wenn für jedes r ∈ R ein m ∈ N existiert, sodass für alle n > m gilt: r < sn . Analog nennen wir eine Folge gegen minus unendlich divergierend, wenn für jedes r ∈ R ein m ∈ N existiert, sodass für alle m < n gilt: sn < r . Das führt uns zu dem (1.9) Satz Eine reelle Folge (sn )n∈N 1) divergiert gegen unendlich genau dann, wenn alle ihre nicht-standard Terme positiv und unbeschränkt sind. 2) divergiert gegen minus unendlich, wenn alle ihre nicht-standard Terme negativ und unbeschränkt sind. Beweis 1) =⇒ Wir wissen aus der Standardanalysis, dass eine reelle Folge (sn )n∈N genau dann gegen unendlich divergiert, wenn zu jedem M ∈ R, M > 0, ein n0 ∈ N existiert, sodass sn ≥ M für alle n ≥ n0 . Durch Transfer erhalten wir dann: Eine reelle Folge (sn )n∈N divergiert genau dann gegen unendlich, wenn zu jedem M ∈ R, M > 0, ein n0 ∈ N existiert, sodass sn ≥ M für alle n ≥ n0 mit n ∈ ∗ N. Wenn wir bereits für jedes M ein beschränktes n0 finden, sodass sn > M gilt für alle n > n0 , dann gilt das insbesondere auch für unbeschränkte N ∈ ∗ N∞ , da dann N > n0 gilt. Nun haben wir gezeigt, dass sN > M für alle N ∈ ∗ N∞ und M ∈ R. 7 Konstruktion der reellen Zahlen § 1 Konvergenz von Folgen und Reihen Da dies für jedes M gilt, können wir M beliebig groß wählen. Somit sind die nicht-standard Terme von (sn )n∈N unbeschränkt, da sie immer größer als M sind. ⇐= Es seien alle nicht-standard Terme der Folge unbeschränkt. Das heißt:(∀r ∈ R)(∀N ∈ ∗ N∞ ) : (sN > r ). Sei M ∈ R. Dann gilt: (∃k ∈ ∗ N)(∀n ∈ ∗ N, n ≥ k ) : (sn > M ). Mit Transfer folgt:(∃k ∈ N)(∀n ∈ N, n ≥ k ) : (sn > M ). Also haben wir gezeigt: (∀M ∈ R)(∃k = kM ∈ N)(∀n ∈ N, n ≥ kM ) : (sn > M ). Das ist nach unserer bekannten Definition die Eigenschaft, die eine Folge erfüllen muss, um gegen unendlich zu divergieren. 2) analog zu 1). 8