Das Paradoxon Lateinamerika

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Einleitung
Einleitung
Zur problematischen Koexistenz von Demokratie
und eklatanter sozialer Ungleichheit in Lateinamerika
Ingrid Wehr*
Die hartnäckige Persistenz strukturierter sozialer Ungleichheit
in Lateinamerika
Abgesehen vom südlichen Afrika ist Lateinamerika zu Beginn des 21. Jahrhunderts die
Region mit den weltweit höchsten Ungleichheitsraten. Diese manifestieren sich nicht
nur in extremen Einkommens- und Vermögensdisparitäten, sondern auch in einer Reihe
zentraler Verteilungs- und Zugangsasymmetrien, so etwa bei Land und zentralen öffentlichen Gütern wie Bildung, sozialer Sicherung sowie Gesundheit.1 Die extreme soziale
Ungleichheit lässt sich insbesondere anhand der Einkommensunterschiede deutlich machen: Im Jahr 2005 verdiente eine Person aus Haushalten des obersten Einkommensdezils im regionalen Durchschnitt das Siebzehnfache einer Vergleichsperson aus den
40% der ärmsten Haushalte (CEPAL 2010: 185). In Ländern mit überdurchschnittlich
hohen Einkommensdisparitäten wie etwa Brasilien beliefen sich die Anteile des ärmsten
Einkommensdezils am nationalen Gesamteinkommen auf knappe 0,9%, während das
reichste Dezil 43,5% auf sich vereinigen konnte (Barros et al. 2010: 134). Trotz nennenswerter Unterschiede hinsichtlich des ökonomischen Entwicklungsstandes (gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf) zeichnen sich alle mittel- und südamerikanischen Staaten – im internationalen Vergleich – durch überdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensunterschiede aus. Selbst diejenigen Staaten der Region mit relativ
niedrigen Ungleichheitsraten (etwa Uruguay und Costa Rica) liegen deutlich über dem
Niveau vergleichsweise inegalitärer Industriestaaten oder Schwellenländer in anderen
Regionen (Segura-Ubiergo 2007: 263).
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Hans-Jürgen Burchardt, Tanja Ernst, Rosa Lehmann, Reinhart Kößler und Beate Rosenzweig bin ich
für konstruktive Anregungen zu Dank verpflichtet. Jörg Baten verdanke ich wichtige Hinweise zu
den jüngsten Forschungsergebnissen der WirtschaftshistorikerInnen.
Zum jüngeren Forschungsstand vgl. CEPAL 2010; Deininger/Squire 1996; ECLAC 2009; Lopez/Perry 2008; Machinea/Hopenhayn 2005; Milanovic/Muñoz 2008.
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Ingrid Wehr
Zentral für das Ungleichheitsszenario in Lateinamerika ist zudem die hohe Landkonzentration. Auch hier liegen die Gini-Koeffizienten2 wesentlich über denen anderer
Weltregionen (Deininger/Olinto 1999; de Ferranti et al. 2004: 436; Frankema 2009:
Kap. 3).3 So verfügten etwa in Bolivien trotz der Agrarreform von 1953 in den 1980er
Jahren 86% der Bauern über lediglich 2,4% des Ackerlandes, während sich ein Großteil
des kultivierbaren Bodens in den Händen einiger weniger Großgrundbesitzer (0,22%
der Bevölkerung) befand (Weisbrot/Sandoval 2008: 2–3). Derartig krasse Eigentumsgegensätze stellen jedoch keinen Einzelfall dar. Unter der von Frankema (2009: 52) zusammengestellten Top-Twenty-Liste der Staaten mit der höchsten Ungleichverteilung
von Landbesitz befinden sich 16 lateinamerikanische Staaten. Auffällig ist ferner, dass
Lateinamerika weltweit die einzige Region4 darstellt, in der es kaum intraregionale Varianzen bezüglich der Landverteilung gibt.5 Dies erklärt sich u. a. aus der Tatsache, dass
umfassende Landreformen, die zu einer Transformation der bestehenden Besitzverhältnisse beitragen könnten, zwar in lateinamerikanischen Ländern immer wieder eingefordert wurden, entsprechende Maßnahmen – im Gegensatz zu zahlreichen ostasiatischen
Ländern – jedoch entweder gar nicht oder lediglich mit einem geringen, kurzfristigen
Erfolg durchgeführt wurden. Zwar kam es in den 1950er bis 1970er Jahren in nicht wenigen Ländern zu umfassenden Reformprozessen, die der traditionellen HaciendaWirtschaft ein Ende bereiteten (vgl. Kaltmeier in diesem Band). Diese Reformen führten jedoch nicht zu einer nennenswerten Dekonzentration des Landbesitzes (Frankema
2009: 206; UNRISD 2010: 63–65).
Überdurchschnittlich hohe Ungleichheitsraten lassen sich auch für die zentralen öffentlichen Güter Bildung und Gesundheit konstatieren (vgl. hierzu die Beiträge von Peters und Tittor in diesem Band). Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts bleibt zahlreichen
benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie z. B. Beschäftigten in der Landwirtschaft und
informellen Ökonomie, nicht erwerbstätigen Frauen, indígenas und afrodecendentes der
Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung und einer qualitativ hochwertigen
Schulbildung verschlossen (zur Diskriminierung der indigenen Bevölkerung vgl. Ernst
in diesem Band). Zwar existieren in allen Ländern öffentliche Gesundheits- und Bildungssysteme, deren Qualität bzw. Deckungsgrad ist jedoch sehr unterschiedlich und
insbesondere in ländlichen Gebieten häufig extrem niedrig. Im Vergleich zu anderen
Regionen des Globalen Südens sind die Analphabetenraten zwar gering und die Einschulungsraten hoch. Die öffentlichen lateinamerikanischen Bildungssysteme zeichnen
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Der Gini-Index ist ein einfaches statistisches Maß zur Darstellung von Ungleichverteilungen. Je näher der Koeffizient sich 1 annähert umso höher ist die Ungleichheit. Zur Messung von Ungleichheit
und den Vor- und Nachteilen verschiedener Instrumente vgl. ECLAC 2009: 60.
Ewout Frankema analysiert in einem umfassenden Datensatz Statistiken aus 110 Ländern der Welt,
zusammenfassend siehe vor allem Frankema 2009: Tab. A. 3.1: 213–217.
Region ist in diesem Zusammenhang nicht geographisch zu verstehen, sondern als Staatengruppe, die
aufgrund spezifischer (post-)kolonialer Erfahrungen über vergleichbare ökonomische Entwicklungswege und Herrschaftsstrukturen verfügt. Zu Region als Kategorie vgl. Bunce 2000: 722 u. Mainwaring/Pérez-Liñán 2007.
Dieser Befund widerspricht der u. a. von Easterly (2007: 756f.) vertretenen These, dass die Konzentration von Landbesitz wesentlich von den geographischen und klimatischen Bedingungen, d. h. von
den Voraussetzungen für cash-crop production abhänge.
Einleitung
sich jedoch insgesamt durch niedrige Qualität sowie starke Segmentierung aus
(Frankema 2009: Kap. 4, ferner Peters in diesem Band). Laut dem Weltbankbericht
„Poverty Reduction and Growth: Virtuous and Vicious Circles“ (Worldbank 2006: Kap.
9) entscheidet das Einkommens- und Bildungsniveau der Eltern bis heute wesentlich
über die Risiken des Schulabbruchs und des Schulversagens lateinamerikanischer Kinder und wirkt sich somit entscheidend auf deren Bildungschancen aus. Ein niedriger
Bildungsstand führe wiederum zu geringen Optionen auf dem Arbeitsmarkt und damit
zu negativen Rückkopplungsschleifen hinsichtlich der Zugangschancen zu den Leistungen der verschiedenen sozialen Teilsysteme. Verweigerte soziale Teilhabechancen großer
Teile der Gesamtbevölkerung seien somit ein grundlegendes Charakteristikum lateinamerikanischer Gesellschaften.
Folge davon ist, dass ein Großteil der BürgerInnen auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts zwar nicht aus der Gesellschaft, aber innerhalb der Gesellschaft ausgeschlossen
bleibt (Kronauer 2006, 1998; Neves 2007: 206–210; Souza 2008). Bei den angesprochenen Disparitäten hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverteilung sowie des
Zugangs zu zentralen öffentlichen und privaten Gütern handelt es sich somit um Formen strukturierter sozialer Ungleichheit. Damit gemeint sind langfristige, über Generationen wirksame Ungleichheitsverhältnisse im Sinne dauerhafter Einschränkungen der
„Möglichkeiten des Zugangs zu allgemein verfügbaren oder erstrebenswerten sozialen
Gütern und/oder sozialen Positionen“ und damit auch der „Lebenschancen der betroffenen Individuen, Gruppen oder Gesellschaften“ (Kreckel 2004: 16).
Über den genauen zeitlichen Ursprung der eklatanten sozialen Ungleichheit innerhalb der Region wird in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen seit Längerem
kontrovers diskutiert. Einige LateinamerikaforscherInnen vertreten dabei die These,
dass die extremen Ungleichheitsraten ein Kontinuum lateinamerikanischer Geschichte
seit der Conquista bzw. ein fatales „Latin American equilibrium“ darstellen (Acemoglu/
Robinson 2006; Engermann/Sokoloff 2006, 2005, 1997; Robinson 2010, 2008). Demgegenüber deuten neuere Datenreihen von WirtschaftshistorikerInnen darauf hin, dass
die gravierende soziale Ungleichheit eher jüngeren Datums ist.6 Diesen Analysen zufolge, die teilweise allerdings auf einer relativ dünnen Datenlage beruhen, unterschieden
sich die nationalen Einkommensungleichheiten lateinamerikanischer Staaten im 19.
Jahrhundert nicht wesentlich von denen europäischer Staaten vor der industriellen Revolution (Williamson 2010).7 Als gesichert kann nach dem jüngeren Forschungsstand
gelten, dass die Ungleichheitsraten vor allem ein Produkt der postkolonialen Staatsbildungs- und ökonomischen Modernisierungsprozesse nach den Unabhängigkeitskämpfen darstellen. Diese Untersuchungen zeigen, dass die Einkommensunterschiede in der
Region Ende des 19. Jahrhunderts rapide anstiegen und sich dann – wenn auch mit wel6
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Vgl. hierzu Baten/Mumme 2010; Bértola et al. 2009; Coatsworth 2008, 2005; Dobado/García 2010;
Frankema 2009; Milanovic/Lindert/Williamson 2008; Prados de la Escosura 2007.
WirtschaftshistorikerInnen setzen hierzu eine Reihe von unterschiedlichen Messinstrumenten ein:
Neben sog. social tables, die die Einkommensdifferenzen unterschiedlicher Berufsgruppen dokumentieren, werden auch Angaben zu Bildungsstand und Differenzen zwischen Körpergrößen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen sowie Angaben zur Landverteilung verwendet.
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Ingrid Wehr
lenartigem Verlauf – bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts auf einem im internationalen
Vergleich überdurchschnittlichen Niveau verfestigten.
Überraschend ist die extreme soziale Ungleichheit insbesondere deshalb, da sich Lateinamerika, wie im Folgenden noch ausgeführt wird, durch lange, wenn auch wechselhafte, demokratische Erfahrungen und vergleichsweise gut verankerte Wohlfahrtsregime auszeichnet. Trotz wachsenden Demokratisierungsdrucks in den letzten drei Jahrzehnten ließen sich die verbesserten politischen Partizipationsmöglichkeiten bisher jedoch nicht in eine verstärkte gesellschaftliche Teilhabe transformieren. Das ungelöste
Spannungsverhältnis zwischen demokratischen Entscheidungsprozessen und strukturierter Ungleichheit in der Region stellt somit nicht nur ein gesellschaftliches Dauerproblem mit hohem Konfliktpotential dar, sondern wirft auch eine Reihe von Fragen für die
vergleichende Lateinamerika- und Ungleichheitsforschung auf, die sich einfachen Erklärungsansätzen entziehen.
Das ungelöste Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und
Ungleichheit als demokratietheoretische Herausforderung
Die hartnäckige Persistenz der extremen sozialen Ungleichheit widersetzt sich modernisierungstheoretischen Erklärungsansätzen. Diese gehen davon aus, dass soziale Ungleichheit ein Übergangsphänomen im Kontext wirtschaftlicher und gesellschaftlicher
Modernisierungsprozesse darstellt. Mit dem technologischen Wandel, so die insbesondere während des Kalten Krieges einflussreiche Kuznets-Hypothese (Kuznets 1955)8,
steige auch die Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitskräften, während gleichzeitig
die nach ungelernten sinke, was in Innovationsphasen zunächst zu wachsenden Ungleichheiten in den Arbeitseinkommen führe. Mit zunehmendem technologischem
Wandel und zunehmender Industrialisierung, so die hoffnungsvollen Prognosen modernisierungstheoretisch inspirierter Modelle, verringerten sich die Einkommensdisparitäten innerhalb der einzelnen Nationalstaaten aufgrund höherer Investitionen in das „Humankapital“. Die eklatanten Einkommensunterschiede in den einzelnen lateinamerikanischen Ländern haben sich im Kontext der Modernisierungsprozesse im Laufe des 20.
Jahrhunderts jedoch nicht wesentlich verringert. Auch zeichnen sich Staaten mit höherem Industrialisierungsgrad oder Entwicklungsstand (gemessen am BIP pro Kopf) keineswegs durch geringere Ungleichheitsraten aus als stärker agrarisch geprägte mit niedrigerem Entwicklungsstand, wie bereits ein Blick auf den hohen Gini-Koeffizienten
Brasiliens und den niedrigen Costa Ricas deutlich belegt (ECLAC 2009: 90). Die Entwicklung der nationalen Einkommensdisparitäten lateinamerikanischer Staaten im 20.
Jahrhundert weist – anders als von Kuznets prognostiziert – keine U-Form, sondern viel-
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Kuznets sah die technologische Entwicklung als grundlegende Ursache der Veränderungen von Einkommensverteilungen an. Zum neueren Forschungsstand und der Kritik an Kuznets vgl. Escobar
1995: 80; Kahhat 2010; Korzeniewicz/Moran 2009: 3–5.
Einleitung
mehr den bereits erwähnten wellenförmigen Verlauf auf insgesamt überdurchschnittlichem Niveau auf (Frankema 2009: 12, Schaubild 2.1).
Die Beständigkeit der extremen Ungleichheitsraten in der Region stellt jedoch insbesondere grundlegende demokratietheoretische Annahmen in Frage. DemokratietheoretikerInnen von Aristoteles über James Madison bis hin zu modernen VertreterInnen der
Politökonomie gehen zumeist von der Prämisse aus, dass demokratische politische Entscheidungsprozesse auch zu einer sozial gerechteren Verteilung von Vermögen und
Einkommen sowie zu verbesserten sozialen Teilhabechancen für die Mehrheit der Bevölkerung führen (Lenski 1966; zusammenfassend Merkel 2010: 57–58.). So bauen etwa verschiedene Varianten von Median-Wähler-Modellen im Anschluss an Meltzer und
Richard (1981) auf der Grundannahme auf, dass Parteien, die ein Interesse daran besitzen, die nächsten Wahlen zu gewinnen, auf die zentralen Bedürfnisse der DurchschnittswählerInnen eingehen müssen. Je ärmer der/die MedianwählerIn, umso größer müsste
folglich auch der Druck auf die Regierung ausfallen, mittels Steuern und Transferleistungen für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen zu sorgen.
Die zentrale Annahme aller Median-Wähler-Modelle, dass PolitikerInnen in extrem
ungleichen Gesellschaften stärkeren Umverteilungsforderungen ausgesetzt sind, als in
Gesellschaften mit geringeren Einkommensunterschieden, lässt sich für Lateinamerika
bisher nicht bestätigen. Zwar zeichnen sich seit Mitte der 1990er Jahre hinsichtlich der
Reduzierung der absoluten Armut durchaus Erfolge ab. So kam es in den letzten zwanzig Jahren zu einer Verringerung der Armut um mehr als 15% und 9,6% bezüglich der
extremen Armut (CEPAL 2010: 19–20). Allgemein fällt die Bilanz hinsichtlich des Abbaus der eklatanten Einkommens-, Vermögens- und Zugangsungleichheiten eher dürftig
aus. Nachdem sich die extremen Einkommensdisparitäten im Kontext der neoliberalen
Strukturreformen noch weiter verschärft hatten, kam es erst in den letzten Jahren – und
lediglich beschränkt auf einige Länder der Region – zu einer allmählichen Reduktion
der Ungleichheit. So fiel der Gini-Koeffizient in der Region seit den 1990er Jahren um
durchschnittlich 4% (ECLAC 2009: 19; López-Calva/Lustig 2010). Im regionalen
Durchschnitt nähern sich die Ungleichheitsraten bei der Verteilung von Einkommen
damit jedoch in etwa wieder dem Stand der 1980er Jahre, d. h. vor der Verschuldungskrise, an und verbleiben international betrachtet nach wie vor ausnahmslos auf überdurchschnittlich hohem Niveau.
Nun könnte man kritisch anmerken, dass die vorgestellten Median-Wähler-Modelle –
zu Recht – aufgrund ihrer einfachen Grundannahmen kritisiert wurden (Anderson/ Beramendi 2008; Hettich/Winer 1999; Huber/Pribble/Stephens 2009: 177–180). Angesichts
der Tatsache, dass drei Viertel der LateinamerikanerInnen weniger als das Durchschnittseinkommen und ca. 40% der Bevölkerung weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens beziehen (ECLAC 2001: 71) und diese extreme Einkommenskonzentration
auch von drei Vierteln der BürgerInnen durchaus als (sehr) ungerecht empfunden wird
(CEPAL 2009: 25), stellt sich jedoch die Frage, wieso die mit den Demokratisierungsprozessen einhergehende Ausweitung der Partizipationsmöglichkeiten nicht auch zu einer
effizienteren politischen Bearbeitung der virulenten sozialen Frage führte.
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Ingrid Wehr
Ein Blick auf die Ungleichheits- und Demokratieforschung in Europa zeigt, dass sich
hier durchaus eine kausale Verbindung zwischen der Expansion des Wahlrechts im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts und dem Abbau von Einkommens- und Vermögensdisparitäten bzw. dem Ausbau von Bildungschancen nachweisen lässt (Acemoglu/ Robinson 2006, 2000; Boix 2003; Huber/Stephens 2001; Lindert 2004). Genau dieser Nexus
fehlt jedoch in Lateinamerika. Mit Ausnahme der Karibik erkämpfte die große Mehrheit
der lateinamerikanischen Staaten ihre Unabhängigkeit bereits zwischen 1810 und 1830.
Die darauf folgenden Staatsbildungsprozesse waren in vielen Fällen mit einem wesentlichen Demokratisierungsschub verbunden. Mit der wichtigen Ausnahme Brasiliens, das
bis 1889 monarchisch regiert wurde, setzten sich auf dem lateinamerikanischen Subkontinent nach der Unabhängigkeit republikanische, präsidiale Regierungsformen durch.
Zeitgleich, teilweise jedoch auch früher als in Europa, kam es in zahlreichen lateinamerikanischen Staaten bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer zwar nicht
kontinuierlichen, sondern durch zahlreiche Brüche gekennzeichneten, aber doch massiven Ausweitung des Männerwahlrechts (Annino 1995; Engermann/Sokoloff 2005; Posada-Carbó 1996; Sabato 1999; zum Ausschluss der Frauen: Caulfield et al. 2005).
Trotz dieser – im Vergleich zu anderen Regionen des Globalen Südens – frühen Entkolonialisierung und langen demokratischen Traditionen kam es im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht zu einem nennenswerten Abbau der extremen nationalen Einkommensdisparitäten oder Zugangsasymmetrien.
Diese problematische Koexistenz von demokratischen Entscheidungsprozessen und
strukturierter sozialer Ungleichheit überrascht umso mehr, als sie sich weder aus institutionellen Defekten oder fehlenden wohlfahrtsstaatlichen Traditionen, noch aus der mangelnden demokratischen Beteiligung bzw. Kultur der BürgerInnen erklären lässt. Ein
Blick auf die gängigen Demokratieindices zeigt vielmehr, dass sich Lateinamerika zu
Beginn des 21. Jahrhunderts gegenüber Afrika und Asien durch einen deutlichen demokratischen Vorsprung auszeichnet, der sich u. a. in der „Sauberkeit“ von korrekten,
überwiegend nicht manipulierten Wahlen (PNUD 2004) und vergleichsweise gut etablierten politischen Partizipationsrechten ausdrückt. So schneiden die lateinamerikanischen Staaten auf dem jährlich erhobenen Freedom-House-Index, der explizit politische
Freiheitsrechte misst, im weltweiten Vergleich gegenüber anderen Regionen des Globalen Südens, aber auch Teilen des Nordens (etwa Osteuropa) relativ gut ab. 9 Es gibt keine ausgeprägten Hindernisse, insbesondere keine Parteienverbote, die KandidatInnenauswahl erfolgt auf demokratischem Weg. Positiv hervorzuheben ist insbesondere die
Einführung rechtlicher Normen, die auf verbesserte politische Partizipationschancen benachteiligter Gruppen (Frauen, indigene und afroamerikanische Bevölkerung) ausgerichtet sind (zu den Partizipationschancen von Frauen vgl. den Beitrag von Oettler, zur
indigenen Bevölkerung siehe Ernst in diesem Band).
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Lediglich Kuba erhielt 2009 noch das Prädikat „unfrei“, neun (26%) der insgesamt 35 Staaten Lateinamerikas (einschließlich der Karibik) wurden auf der Basis der beiden dem Index zugrundeliegenden
Skalen zu politischen und Bürgerrechten als „partly free“ eingestuft. Bei letzterer Kategorie handelt
es sich seit einigen Jahren um die „usual suspects“: Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Paraguay, Venezuela, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Haiti.
Einleitung
In zahlreichen lateinamerikanischen Staaten beschränkt sich die politische Partizipation der BürgerInnen keineswegs auf die regelmäßige Teilnahme an nationalen, bundesstaatlichen oder lokalen Wahlen. Einige Staaten der Region stellen vielmehr regelrechte
Laboratorien für Formen bürgerschaftlichen Engagements an kommunalen Entscheidungsprozessen dar. Lateinamerikanische Erfahrungen mit Modellen des participatory
budgeting, der so genannten Beteiligungshaushalte, werden inzwischen auch in Europa
diskutiert und teilweise auch umgesetzt (Avritzer 2009). Und im Gegensatz zu den Ergebnissen der Wahlforschung zu Industrieländern, die darauf hinweisen, dass die aktive
Beteiligung an Wahlen wesentlich von der sozialen Lage der einzelnen BürgerInnen bestimmt wird (Schäfer 2010), machen arme Bevölkerungsschichten in Lateinamerika
vergleichsweise regelmäßig von ihrem Wahlrecht Gebrauch (Fornos/Power/Garand
2004; Petrovski/Taylor-Robinson 2005). Führen Wirtschaftskrisen in Industrieländern
zu nachlassender Wahlbeteiligung, bewirken sie in Lateinamerika genau das Gegenteil
(Benton 2005). Die niedrige Priorität der sozialen Frage auf den politischen Agenden
der Region lässt sich somit nur bedingt auf politische Apathie der armen Bevölkerungsschichten zurückführen.
Hier könnte man − in Anlehnung an die Prämissen der Transitionsforschung − davon
ausgehen, dass sich die mangelnde Transformation politischer in gesellschaftliche Teilhabe aus den (institutionellen) Defiziten der lateinamerikanischen Demokratisierungsprozesse erklären ließe. Im Gegensatz zu den etablierten Varianten liberaler Demokratien in den Ländern des Nordens hätten sich in Lateinamerika zwar durchaus faire
Wahlverfahren und formale Partizipationschancen für breite Teile der Bevölkerung
durchgesetzt, es mangele jedoch nach wie vor an einer umfassenden Demokratisierung
der anderen demokratischen Teilregime. Demokratische Wahlen und politische Partizipationsrechte seien zwar zentrale Bestandteile demokratischer Systeme, reichten aber
nicht aus, um demokratische Willensbildungsprozesse wirklich an die Interessen der
armen Wählermehrheit zurückzubinden. Hierzu bedürfe es noch der Erfüllung einiger
weiterer Kriterien:
Erstens müsse die vertikale Kontrolle von politischen EntscheidungsträgerInnen über
regelmäßig stattfindende, faire und freie Wahlen noch durch die horizontale Dimension
der Herrschaftskontrolle ergänzt werden, die einer Verselbständigung der arbeitsteilig
organisierten Staatsgewalten entgegenwirke (Gewaltenteilung und accountability).
Zweitens müssten abgesehen von politischen Freiheitsrechten noch weitere inhaltliche Barrieren gegen den Herrschaftsanspruch des Staates in Form nicht-hintergehbarer
„negativer“ Freiheitsrechte errichtet und rechtlich auch durchsetzbar gemacht werden
(Stärkung rechtsstaatlicher Prinzipien).
Drittens müsse gewährleistet werden, dass die demokratisch gewählten Autoritäten
auch tatsächlich die effektive Regierungsmacht innehaben. Akteure wie das Militär, das
nicht direkt demokratisch legitimiert sei oder externe Hegemonialmächte sollten also
nicht die Entscheidungsgewalt über bestimmte Politikbereiche besitzen (Merkel 2010:
31–35).
Diese neoinstitutionalistisch geprägten Interpretationen der Transitionsforschung
kulminieren daher in der Forderung, dass die adäquate Berücksichtigung des WählerIn15
Ingrid Wehr
nenwillens trotz der unbestreitbaren Fortschritte bezüglich der politischen Partizipationsrechte weiterer institutioneller Reformen bedürfte. Nur so ließen sich die von Guillermo O’Donnell als low intensity democracies kritisierten politischen Systeme Lateinamerikas10 auch wirklich reformieren und die Demokratisierungsprozesse vertiefen.
Dieser Sichtweise möchte ich mich hier nur bedingt anschließen. Auch wenn die
nachautoritären politischen Systeme und Institutionen der Länder der Region sicherlich
in vieler Hinsicht reformbedürftig sind, vermögen die identifizierten institutionellen Defizite die hartnäckige Persistenz der extremen sozialen Ungleichheit nicht hinreichend
zu erklären. So zeigt ein komparativer Blick auf die Daten der historischen Ungleichheitsforschung und das Gros der Literatur zur Entwicklungsgeschichte europäischer
Demokratien, dass die gravierenden Einkommensdisparitäten bereits nach den ersten
Wahlrechtsreformen im 19. Jahrhundert langsam, aber deutlich, sanken (Acemoglu/
Robinson 2000, 2006; Bangura 2007; Boix 2003; Huber/Stephens 2001; Rueschemeyer
et al. 1992). Das geschah zu einem Zeitpunkt, zu dem die europäischen Staaten erhebliche Defizite in zahlreichen demokratischen Teilregimen aufwiesen und den Kriterien
der vergleichenden Transformationsforschung zufolge als defekt einzustufen waren.11
„Fehlerhafte“ Institutionen bzw. die Abweichung von der Norm der liberalen, eingebetteten Demokratie allein können somit den mangelnden Nexus zwischen der Ausdehnung des Wahlrechts und der sozialen Ungleichheit in Lateinamerika nicht ausreichend
erklären.
Auch lässt sich die mangelnde Transformation politischer in gesellschaftliche Teilhabe nicht mit fehlenden wohlfahrtsstaatlichen Traditionen erklären, weisen doch gerade zahlreiche lateinamerikanische Staaten ähnlich langjährige sozialpolitische Erfahrungen wie europäische auf. Der moderne Wohlfahrtsstaat wird häufig als eine zentrale
Errungenschaft der westlichen Moderne gepriesen. Dabei übersieht die vergleichende
Wohlfahrtsregime-Forschung aufgrund ihrer einseitigen Ausrichtung jedoch häufig,
dass auch zahlreiche middle income countries außerhalb der (ursprünglichen)12 OECDWelt zwischen den beiden Weltkriegen oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bereits
wohlfahrtsstaatliche Strukturen aufbauten. Dies gilt insbesondere für einige lateinamerikanische Staaten (Brasilien, Chile, Uruguay, Kuba und Argentinien), in denen einzelne sozialpolitische Leistungen bereits in den 1920er Jahren eingeführt wurden (MesaLago 1978). Gesundheits- und Bildungsprogramme wurden im Vergleich zu anderen
Regionen des Globalen Südens ebenfalls früh etabliert und waren nach den rechtlichen
Bestimmungen universell angelegt, auch wenn es zahlreiche Probleme hinsichtlich des
Deckungsgrades und der Qualität der staatlich angebotenen Leistungen gab (Nelson
2004: 23–28; Kaufman/Nelson 2004: 249–257).
10 Zu einer Typologie defekter Demokratien in Lateinamerika vgl. Thiery/Merkel (2010).
11 Acemoglu und Robinson (2006) beleuchten den Zusammenhang zwischen der Ausweitung des
Wahlrechtes und sozialen Umverteilungskämpfen aus spieltheoretischer Perspektive. Vgl. auch Boix
(2003) und kritisch: Ansell/Samuels (2010).
12 Inzwischen gehören auch einige Staaten des Globalen Südens wie etwa Südkorea, Mexiko und Chile
der OECD an.
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Einleitung
Die Sozialausgaben lateinamerikanischer Länder fallen im internationalen Vergleich
– wenn man sie in Relation zum BIP pro Kopf setzt – keineswegs niedrig aus, leisten
jedoch anders als in den Industrieländern des Nordens kaum einen Beitrag zum Abbau
der eklatanten Einkommens- und Vermögensungleichheiten (vgl. hierzu Wehr in diesem
Band). Im Gegenteil, aufgrund der engen Fokussierung auf einige wenige Anspruchsprivilegierte (öffentlicher Sektor und zumeist männliche Lohnarbeiter in den Schlüsselindustrien) und der engen Kopplung sozialpolitischer Ansprüche an ein formales Arbeitsverhältnis und nicht an universelle soziale Staatsbürgerrechte tragen die existenten
sozialpolitischen Maßnahmen häufig sogar zur Reproduktion bestehender Ungleichheitsverhältnisse bei.
Derzeit ist noch nicht abzusehen, ob es angesichts veränderter Kräftekonstellationen
im Kontext des jüngsten „Linksrucks“13 zu einem allmählichen Abbau der Einkommens- und Partizipationsungleichheiten kommen wird. Während einige AutorInnen bereits von einer neuen Inkorporationsphase mit ähnlichem Demokratisierungsschub (Luna/Filgueira 2009 u. Wehr in diesem Sammelband) wie zu Zeiten der importsubstituierenden Industrialisierung in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts sprechen, weisen
andere eher auf die weiterhin fortbestehenden institutionellen und strukturellen Hürden
für Reformprozesse zur Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit in der Region hin (Cameron/Hershberg 2010; Levitsky/Roberts i. E.; López-Calva/Lustig 2010).
Strukturierte soziale Ungleichheit im Kontext (post)kolonialer
Herrschaftsstrukturen und Machtasymmetrien
Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass sich lateinamerikanische Staaten
trotz früher Demokratisierungsanstrengungen und des relativen demokratischen Vorsprungs gegenüber anderen Entwicklungsregionen durch die Beharrungskraft der eklatanten sozialen Ungleichheitsverhältnisse auszeichnen. Im Kontext der so genannten
dritten Demokratisierungswelle (Huntington 1991) seit den 1980er Jahren wurden politische Partizipationsrechte zwar wiederhergestellt bzw. sogar erheblich ausgeweitet. Die
Bilanz der politischen Reformen, die auf mehr soziale Gerechtigkeit zielen, fällt jedoch
ernüchternd aus. Während – zumindest bis zur gegenwärtigen Finanzkrise – einige Fortschritte im Bereich der Armutsbekämpfung gemacht wurden, kam es zu keiner nennenswerten Verringerung der sozialen Ungleichheit. Die große Mehrheit der BürgerInnen Lateinamerikas leidet aufgrund verfestigter Verteilungs- und Zugangsblockaden unter dauerhaften Einschränkungen ihrer Lebenschancen. Entgegen früherer Befürchtungen vieler TransitologInnen und KonsolidierungsforscherInnen haben sich die postautoritären Regime zwar als relativ stabil erwiesen, substanzielle Demokratisierungsprozes13
Inzwischen werden folgende Länder von linken bzw. links-liberalen Präsidenten regiert: Argentinien
(seit 2003), Brasilien (seit 2003), Bolivien (seit 2006), Ecuador (seit 2007), El Salvador (seit 2009),
Guatemala (seit 2008), Nicaragua (seit 2007), Paraguay (seit 2008), Uruguay (seit 2005) und Venezuela (seit 1999). Die Abwahl der Links-Mitte-Regierung in Chile (2010) stellt bisher einen Ausnahmefall dar. Vgl. hierzu Cameron/Hershberg 2010; Levitsky/Roberts i. E.
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Ingrid Wehr
se im Sinne einer Entwicklung hin zu einer breiteren gesellschaftlichen Teilhabe sind
jedoch bisher ausgeblieben.
Die mangelnde Bearbeitung der sozialen Frage trotz wachsenden Demokratisierungsdrucks wirft zahlreiche Fragen auf, die die Forschung bisher nur unzulänglich beantworten konnte. Diese Defizite erklären sich u. a. daraus, dass die sozialwissenschaftliche Forschung das Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Ungleichheit lange
Zeit nachrangig behandelt hat. Dies erklärt sich nicht zuletzt auch aus dem bisher mangelhaftem Dialog zwischen sozial- und wirtschaftswissenschaftlichem Mainstream und
den postcolonial studies. Erst seit einiger Zeit rückt die Frage nach der Beharrlichkeit
dieser Ungleichheitsverhältnisse in Lateinamerika wieder stärker ins Zentrum der Betrachtung. Im Gegensatz zu den eher quantitativ ausgerichteten Arbeiten der WirtschaftswissenschaftlerInnen und WirtschaftshistorikerInnen konzentriert sich eine Reihe
neuerer Arbeiten, die methodologisch im historischen Institutionalismus verortet sind,
auf die Untersuchung grundlegender Herrschaftsstrukturen im Kontext sich wandelnder
politischer Institutionen und Machtkonstellationen (Coatsworth 2005, 2008; de Ferranti
et al. 2004; Engerman/Sokoloff 2005, 2006; Robinson 2008, 2010). Diese Arbeiten gehen im Wesentlichen davon aus, dass das koloniale oligarchische Kräftegleichgewicht,
das via begrenzter Elitenkoordination den Ausschluss großer Teile der Bevölkerungsmehrheit ermöglichte, trotz aller institutionellen Veränderungen und des wachsenden
Demokratisierungsdrucks im 20. Jahrhundert eine erstaunliche Reproduktionsfähigkeit
bewies:
„This perspective emphasizes not the persistence of specific institutions, but rather the
persistence of an underlying political equilibrium which gives rise to strategies of income redistribution and social control“ [...] “even if existing elites are destroyed, specific political and economic institutions may change, the underlying structures and incentives which gave rise to the previous equilibrium may still exist” (Robinson 2008:
183–186).
Arbeiten, die dem Forschungsprogramm des historischen Institutionalismus verpflichtet
sind, betonen, dass sich grundlegende Herrschaftsstrukturen und Exklusionsmechanismen (verzerrendes Wahlrecht, elitäres Eigentumsrecht, Blockade meritokratischer Prinzipien, verfassungsrechtlich abgesicherte Elitenprivilegien) trotz des wachsenden gesellschaftlichen Anpassungsdrucks und eines teilweise umfassenden Institutionenwandels langfristig erhalten haben. In diesem Zusammenhang suchen sie zu erklären wie
staatliche Strukturen, Institutionen und grundlegende Machtkonstellationen in den unterschiedlichen Phasen post-kolonialer Entwicklung verändert werden, um Elitenprivilegien trotz wachsenden Demokratisierungsdrucks zu perpetuieren. Dies impliziert Analysen, die sich auf die an den Verteilungskonflikten beteiligten Akteure und auf die Zusammensetzung und den Wandel der Verteilungskoalitionen konzentrieren. Schließlich
fragen historische InstitutionalistInnen auch nach den Konzepten und Strategien, derer
sich soziale Akteure bedienen, um die bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu verändern und zu einer Verbesserung der Zugangs- und Verteilungsgerechtigkeit beizutragen.
Wesentliche Impulse für die vergleichende Ungleichheitsforschung gingen insbesondere auch von lateinamerikanischen ForscherInnen aus, die sich im Kontext der kontro18
Einleitung
versen Auseinandersetzungen um die Auswirkungen der neoliberalen Strukturreformen
aus verschiedenen Perspektiven mit der Frage der gravierenden sozialen Ungleichheit
auseinandersetzen. Häufig selbst politisch engagiert, konzentrieren sich diese ForscherInnen aus akteurszentrierter Perspektive auf Handlungsmöglichkeiten sozialer Akteure
und Bewegungen und die Analyse der Transformation bzw. Bildung von zivilgesellschaftlichen Koalitionen für den sozialen Wandel (Cheresky 2006; Dagnino/Olvera/
Panfichi 2006; Wehr 2008).
Die Beiträge dieses Sammelbandes haben es sich zur Aufgabe gesetzt, die strukturellen Ursachen und Reproduktionsmechanismen der extremen Ungleichheitsverhältnisse
in unterschiedlichen Politikfeldern (Steuer-, Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Gesundheits-,
Umwelt- und Sozialpolitik im engeren Sinne) zu analysieren und das Spannungsverhältnis zwischen dem wachsendem Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe und den
weiterhin fortbestehenden sozialen Disparitäten genauer zu beleuchten. Neben ökonomischen stehen insbesondere politische, soziale und kulturelle Reproduktionsfaktoren
der Ungleichheit im Zentrum des gemeinsamen Erkenntnisinteresses. Die große Mehrheit der AutorInnen ist sich dahingehend einig, dass die Auseinandersetzung mit den
Reproduktionsursachen sozialer Ungleichheiten in der Region eine längere historische
Perspektive benötigt, als dies bisher in der posttransitologischen Forschung der Fall
war. Der hartnäckige Fortbestand der extremen sozialen Ungleichheit wird daher in unterschiedlichen Epochen seit der Unabhängigkeit (post-koloniale Staatenbildung, die
Phase der importsubstituierenden Industrialisierung, neoliberale Strukturreformen und
Post-Washington-Consensus-Ära) analysiert. Trotz teilweise recht unterschiedlicher Zugänge und der Untersuchung verschiedener Politikfelder (Bildung, Arbeitsbeziehungen,
Umwelt-, Sozial- und Steuerpolitik) stimmen die Beiträge des Bandes auch darin überein, dass sich die gravierenden Ungleichheitsverhältnisse in der Region nicht alleine auf
eindimensionale, etwa ausschließlich klassenzentrierte, Sichtweisen reduzieren lassen.
Komplexe und multiple Ungleichheitsregime bedürfen vielmehr eines theoretischen
Zugangs, der die verschiedenen Ungleichheitsregime (insbesondere Klasse, Ethnie und
Gender) in ihren intersektionalen Zusammenhängen erfassen kann.
Im Fokus der ersten drei Beiträge des Bandes stehen längerfristig wirksame (post)koloniale Legate sozialer Ungleichheit. Olaf Kaltmeier („Hacienda, Staat und indigene Gemeinschaften“) zeigt anhand der Hacienda beispielhaft die Fortdauer postkolonialer Tiefenstrukturen in den lateinamerikanischen Gesellschaften auf. Zentrale These dieses
Beitrags ist, dass die Hacienda als ein Dispositiv zu verstehen ist, das bis heute auf weite Bereiche der politischen Kultur einwirkt. In diesem Zusammenhang sind die Aushandlungsprozesse und Kämpfe um die Hacienda, die vor allem zwischen LandbesitzerInnen, Staat und indigenen Gemeinschaften ausgetragen wurden, von besonderem Interesse. Mit Fokus auf das 19. und 20. Jahrhundert untersucht Kaltmeier die politischkulturellen Grenzverschiebungen der Hacienda von der kolonialen Konstitution und deren Expansion Ende des 19. Jahrhunderts über die Phase der Landkämpfe und Agrarreformen Mitte des 20. Jahrhunderts bis hin zur Fortschreibung in den heutigen Gesellschaften Lateinamerikas.
19
Ingrid Wehr
Tanja Ernst („Postkoloniale Kulturen der Ungleichheit“) thematisiert – ausgehend
von einem mehrdimensionalen, intersektionellen Ungleichheitsverständnis und theoretisch-konzeptionellen Anleihen bei der lateinamerikanischen Debatte zum Postkolonialismus – die Perpetuierung kolonial sowie postkolonial tradierter gesellschaftlicher Besitz- und Machtverhältnisse und ihre Begrenzungen für politische und gesellschaftliche
Teilhabe. Der Beitrag zeigt anhand der empirischen Befunde zu Ungleichheit, Ethnizität
und Demokratie exemplarisch auf, wie Exklusions- und soziale Schließungsmechanismen wirken und trotz des wachsenden Demokratisierungsdrucks und der weltweiten
Präsenz des Gleichheitsdiskurses aufrechterhalten werden. Die Beobachtungen münden
in eine grundsätzliche Kritik des universellen Gültigkeitsanspruches liberal-repräsentativer Demokratiemodelle. Letztere müssen – wie der Beitrag zeigt – in anderen gesellschaftshistorischen Kontexten sowohl aus funktionalen, als auch aus legitimatorischen
Überlegungen in Frage gestellt werden, sofern sie für die Demokratie- und Ungleichheitsforschung fruchtbar gemacht werden sollen.
Andreas Boeckh („Staatsfinanzierung und soziale Gerechtigkeit in Lateinamerika“)
analysiert, ausgehend von dem Befund einer chronischen Unterbesteuerung in vielen
lateinamerikanischen Ländern, das Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Der stark regressive Charakter der Steuern und lange Zeit auch der Staatsausgaben im Sozialbereich
mache deutlich, dass in Lateinamerika die Kosten des Staates und der durch die Unterbesteuerung verursachten häufigen Finanzkrisen von den Schichten getragen wurden,
die dazu am wenigsten in der Lage waren. Die Steuer- und Finanzpolitik ist in Lateinamerika somit eine jener politischen Stellschrauben, mit denen Armut und Einkommensungleichheit generiert wurden und weiter generiert werden.
Anika Oettler („Gender Divisions: Politische Repräsentation und soziale Ungleichheit“) fragt vor dem Hintergrund aktueller theoretischer Strömungen innerhalb der Gender Studies kritisch nach der Bedeutung einer sichtbar erhöhten numerischen Repräsentation von Frauen in der politischen Sphäre. Es wird auf das Paradoxon aufmerksam
gemacht, dass die steigende politische Inklusion von Frauen an den „Schaltstellen der
Macht“ nicht zwangsläufig zu einer verbesserten Durchsetzung von praktischen und
strategischen Genderinteressen führt. In diesem Kontext wird das Panorama lateinamerikanischer Frauenbewegungen und damit das komplexe Geflecht von sozialen Differenzkategorien und Herrschaftsachsen skizziert, aus dem eine spezifische Matrix von
antifeministischen und feministischen Positionen erwächst.
Kristina Dietz („Zum Verhältnis von Gesellschaft, Natur und Demokratie in Lateinamerika“) setzt sich mit den bislang von der Forschung weitgehend vernachlässigten
sozial-ökologischen Ungleichheiten auseinander. Dieser blinde Fleck der Ungleichheitsforschung verwundert insofern, als bereits mit der Kolonisierung Lateinamerikas Praktiken der Aneignung sowie der ökonomischen Wertschöpfung etabliert wurden, in denen die gesellschaftliche Ausbeutung und Unterdrückung mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen verwoben war. Dieses dialektische Verhältnis zwischen Gesellschaft
und Natur zeigt sich heute in der Neuauflage des extraktivistischen Entwicklungsleitbildes mehr denn je. Deshalb, so Dietz, ist für das erklärende Verstehen sozialer Ungleichheitsverhältnisse die Berücksichtigung historisch spezifischer Praktiken gesellschaftlicher
20
Einleitung
Naturaneignung und -nutzung von zentraler Bedeutung. Da soziale Ungleichheitsstrukturen in Lateinamerika immer auch über historisch kontingente Formen der Naturnutzung, -aneignung und -transformation reproduziert wurden und werden, müssen Kategorien sozialer Ungleichheit in die Analyse von Umweltveränderungen wie etwa dem
Klimawandel Eingang finden und die Bedeutung des Politischen im Spannungsverhältnis von sozialer Ungleichheit und Umwelt stärker betont werden.
In einem expliziten Versuch, die vergleichende Kapitalismusforschung, die sich in
der vergangenen Dekade fast ausschließlich mit westlichen Industrieländern beschäftigt
hat, zu dezentrieren, folgen drei Beiträge, die sich aus der Perspektive der Forschung zu
den Spielarten des Kapitalismus mit der Reproduktion sozialer Ungleichheitsverhältnisse in Lateinamerika auseinandersetzen. Andreas Nölke („Die BRIC-Variante des Kapitalismus und soziale Ungleichheit“) wendet den Varieties-of-Capitalism-Ansatz auf die
sich aktuell besonders dynamisch entwickelnde Ökonomie Brasiliens an. Im Zentrum
der Abhandlung steht die Modellierung eines für die großen Schwellenländer charakteristischen Idealtyps der „staatlich durchdrungenen Marktökonomie“. Dabei werden einerseits die klassischen Fragen der vergleichenden Kapitalismusforschung behandelt, also
die Determinanten wirtschaftlicher Innovationen und die Divergenzen zu anderen Kapitalismusmodellen, andererseits aber auch der spezifische Zusammenhang zwischen diesen Modellen und sozialer Ungleichheit thematisiert. Es wird gezeigt, dass Brasilien das
relativ dynamische Wachstum der letzten Jahre trotz gravierender sozialer Ungleichheiten erzielt hat, auch wenn das Wachstum bei geringerer Ungleichheit mit großer Wahrscheinlichkeit noch höher ausgefallen wäre. Gleichzeitig hebt Nölke hervor, dass dieser
wirtschaftliche Erfolg bisher kaum zu einer breiten gesellschaftlichen Teilhabe führte,
sondern auch langfristig fragil bleiben wird, wenn er nicht von einem wesentlich höheren Maß an Umverteilung wirtschaftlicher und damit auch gesellschaftlicher Partizipationschancen begleitet wird.
Der anschließende Beitrag von Ben Ross Schneider, David Soskice und Sebastian
Karcher („Spielarten des Kapitalismus und Ungleichheit im Globalen Süden“) entwickelt zunächst ein Modell des „hierarchischen Kapitalismus“, das sich durch folgende
Kernbestandteile auszeichnet: Arbeitsmärkte mit niedrigen Qualifikationsniveaus und
atomisierten industriellen Beziehungen, Unternehmensstrukturen, die durch Unternehmensgruppen (grupos económicos) und die starke Präsenz multinationaler Unternehmen
geprägt sind, sowie geringe Anreize zur Entwicklung von Innovationen. Im Folgenden
arbeiten die Autoren die Wechselbeziehungen zwischen dieser spezifischen Spielart des
Kapitalismus und den politischen Systemen Lateinamerikas (Präsidialsysteme und aus
Verhältniswahlrecht hervorgehende Parlamente) heraus. Es wird aufgezeigt, wie sich
ökonomische und politische Faktoren gegenseitig verstärken und zu hoher, beständiger
Ungleichheit sowie beschränkten Entwicklungsperspektiven führen.
Aus der gleichen Perspektive beschreibt Sebastian Karcher („Ungleichheit und das
Trilemma lateinamerikanischer Arbeitsmärkte“), wie die Struktur lateinamerikanischer
Arbeitsmärkte Ungleichheit verursacht und verstärkt. In Ländern, in denen die Umverteilungskapazitäten des Staates gering sind und bestehende Sozialprogramme wenig
zum sozialen Ausgleich beitragen, ist die direkte Einkommensverteilung durch Löhne
21
Ingrid Wehr
zentral. Der Beitrag arbeitet mittels makro-komparativer Daten und einzelner Länderstudien die zentralen Charakteristika lateinamerikanischer Arbeitsmärkte heraus (u. a.
hoher Anteil an informeller Arbeit und niedrige Qualifikationsniveaus der Arbeitskräfte) und stellt die negativen Wechselwirkungen zwischen diesen einzelnen Komponenten dar. Abschließend wird anhand neuerer Entwicklungen in Argentinien und der
Dominikanischen Republik aufgezeigt, dass die diagnostizierten Entwicklungsfallen nicht
ausweglos sind. Erfolg versprechend erscheinen vor allem diejenigen Lösungsstrategien, die auf bestehenden institutionellen Stärken eines Landes aufbauen, zumindest
dann, wenn Akteure vorhanden sind, die diese Lösungen auch politisch und ökonomisch
durchsetzen möchten und können.
Eine weitere Reihe von Beiträgen setzt sich mit verschiedenen Aspekten lateinamerikanischer Sozialpolitik auf verschiedenen Politikfeldern sowie aus der Perspektive der
vergleichenden Wohlfahrtsregimeforschung auseinander. Stefan Peters („Bildung als
Privileg“) analysiert die Gründe für die Persistenz der Bildungsungleichheit trotz des
Wandels der Entwicklungsmodelle im Verlauf des 20. Jahrhunderts. In dem Beitrag vertritt er die These, dass sich die Bildungssysteme Lateinamerikas in einer Dauerkrise befinden, die sich nicht nur in unzureichenden Ergebnissen, sondern zusätzlich in der Reproduktion der sozialen Ungleichheiten niederschlägt. Trotz der partiellen Erfolge der
Bildungsexpansion, so Peters, behielten die Bildungssysteme ihren sozial exklusiven
Charakter bisher weitgehend bei und trügen nur sehr bedingt dazu bei, der Mehrheit der
Bevölkerung einen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und sozial anerkannten
Bildung zu garantieren. Diesen Besorgnis erregenden Befund stützt er auf Daten zum
Zugang und Verbleib im Bildungssystem sowie zur Bildungsqualität und führt die Kategorie der hierarchischen Fragmentierung der Bildungssysteme zur Erweiterung der
Analyse der Bildungsungleichheit ein. Basierend auf diesen methodischen Überlegungen analysiert der Beitrag die Kontinuitäten und Veränderungen der Bildungspolitik der
Mitte-Links-Regierungen auf dem Kontinent und zeigt am Beispiel des Plan Ceibal in
Uruguay und der Misiones Educativas in Venezuela die Möglichkeiten und Grenzen
dieser Maßnahmen zum Abbau von sozialen Ungleichheiten auf.
Auch Anne Tittor („Institutionalisierte Ungleichheit im Gesundheitswesen“) arbeitet
heraus, dass die Ungleichheiten im Gesundheitsbereich durch den Aufbau fragmentierter Gesundheitssysteme bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Wie sie
am Beispiel Argentiniens und El Salvadors darstellt, können Verbesserungen für bestimmte gesellschaftliche Gruppen als Zugeständnisse in Zeiten hoher gesellschaftlicher
Konflikte begriffen werden − nicht zuletzt, um politische Loyalitäten zu festigen. Da
wichtige gesellschaftliche AkteurInnen an der Überwindung der Ungleichheiten im Gesundheitsbereich sowie an einer grundlegenden Änderung der neoliberalen Gesundheitsreformen nur begrenztes Interesse hatten, lässt sich im Nachklang der neoliberalen Ära
nur eingeschränkt von einer gesundheitspolitischen Trendwende sprechen, die Ungleichheiten und Exklusion verringern könnte.
Ingrid Wehr („Spielarten von Wohlfahrtsregimen und soziale Ungleichheit in Lateinamerika“) setzt sich aus der Perspektive der vergleichenden Wohlfahrtsregimeforschung
mit den Sozialsystemen Lateinamerikas auseinander. Diese verfügen teilweise über ähn22
Einleitung
lich lange Traditionen wie die europäischen, leisteten jedoch bisher keinen nennenswerten Beitrag zum Abbau der eklatanten sozialen Ungleichheiten in der Region. Im Gegenteil: Die Wohlfahrtsregime der Region stellen Stratifizierungsmaschinen dar, die
aufgrund der Sozialisierung der Kosten und der Konzentration der Leistungen auf eine
schmale Schicht von Anspruchsprivilegierten zur Reproduktion der bestehenden Ungleichheitsverhältnisse beitragen. Der Artikel arbeitet Genese sowie zentrale Charakteristika der Wohlfahrtsregime der Region heraus und weist auf die zentrale Bedeutung
von staatlichen Herrschaftsstrukturen und Verteilungskoalitionen bei der Perpetuierung
sozialpolitischer Inklusions- und Exklusionsprozesse hin. Abschließend diskutiert der
Beitrag die Frage, inwiefern sich unter den gegenwärtigen Linksregierungen substanzielle Transformationsprozesse im sozialpolitischen Bereich identifizieren lassen.
Der anschließende Beitrag von Nico Weinmann und Hans-Jürgen Burchardt („Die
Reise des jungen Offe – ein Besuchs- und Forschungsprogramm für Lateinamerika?“)
vertieft das Thema der vergleichenden Wohlfahrtsregimeforschung aus theoretischer
Perspektive und hat es sich zum Ziel gesetzt, neue analytische Zugänge zu den Reproduktionsbedingungen der sozialen Ungleichheit und deren demokratischer Legitimation
in Lateinamerika zu entwickeln. Anhand der frühen Schriften des Soziologen Claus
Offe betrachten Weinmann und Burchardt Ungleichheit vor allem im Lichte der politischen Herrschaft. Sie greifen auf Offes theoretisch-methodisches Grundprinzip einer relationalen Gesellschaftsanalyse zurück, das gesellschaftliche Makrostrukturen und deren
Subsysteme entlang ihrer Widersprüche und gegenseitigen Dynamisierung in Beziehung zueinander setzt. Gerade Sozial- und Arbeitspolitik erscheinen in dieser Perspektive als zentraler Ausdruck politischer Herrschaft, was neue Einsichten für die Analyse
von Policy-Prozessen bereithält und neue Forschungsperspektiven für Lateinamerika
bietet.
Abschließend setzt sich Emmanuelle Barozet („Ungleichheitsmessung in Lateinamerika: Das Projekt Desigualdades in Chile“) mit den methodischen Problemen der Ungleichheitsmessung in Chile und Lateinamerika auseinander. In einem innovativen Versuch, bisher getrennt laufende Debatten und Konzeptionalisierungen in den Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften zu verbinden, entwickelt Barozet ein neuartiges Messinstrument, das es ermöglicht, soziale Stratifizierungen sowie soziale Mobilität durch den
Rückgriff auf bisher vernachlässigte Kategorien zu beschreiben. Anhand einer ersten
Auswertung des in Chile erhobenen Datensatzes erstellt Barozet eine Radiographie der
chilenischen Gesellschaft, die nachzeichnet, dass die neoliberale Transformation – trotz
mangelnder sozialer Mobilität – zu einer hohen Akzeptanz eklatanter sozialer Ungleichheit führte.
Trotz methodisch verschiedener Zugänge zur Ungleichheitsforschung und der Darstellung unterschiedlicher Ausschnitte gegenwärtiger und vergangener Verteilungskonflikte teilen alle hier versammelten Beiträge einige grundlegende Prämissen. Zum einen
betonen die einzelnen Analysen die zentrale Bedeutung politischer Faktoren bei der
Reproduktion der gravierenden sozialen Ungleichheiten innerhalb der Region. Die extremen Ungleichheitsverhältnisse lassen sich nach Ansicht der AutorInnen keineswegs
vorrangig auf ökonomische Einflussfaktoren zurückführen, auch wenn die Art der Ein23
Ingrid Wehr
bindung in die Weltmärkte und wirtschaftliche Abhängigkeitsprozesse sicherlich eine
Rolle bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit spielen. Zentrale Bedeutung wird hingegen langfristig wirksamen Herrschaftsstrukturen und Machtasymmetrien auf lokaler,
nationaler sowie inter- und transnationaler Ebene zugeschrieben. Die Hartnäckigkeit extremer sozialer Ungleichheit in der Region ist somit keineswegs das Ergebnis der unsichtbaren Hand des Marktes, sondern immer politisch vermittelt und perpetuiert.
Will man den zentralen politischen Reproduktionsmechanismen auf den Grund gehen, ist es ferner notwendig, Perspektiven kritisch zu hinterfragen, die innerhalb des nationalstaatlichen Containers verhaftet bleiben. So gehen die in diesem Band vertretenen
AutorInnen ausnahmslos davon aus, dass die Untersuchung der sozialen Ungleichheitsverhältnisse in Lateinamerika einer Sichtweise bedarf, die regionale ebenso wie interund transnationale Faktoren in die Analyse einbezieht. Dies wirft auch Fragen nach dem
kolonialen Ursprung und der Verwobenheit der multiplen sozialen Ungleichheitsverhältnisse in der Region auf (zum Begriff der verwobenen Moderne vgl. Randeria 1999).
Auch wenn feststeht, dass sich die heutigen Ungleichheitsverhältnisse nicht direkt und
unmittelbar auf das koloniale Erbe zurückführen lassen, so steht doch außer Zweifel,
dass koloniale Legate, verstanden als historisch langfristig wirkende, strukturell tief
verankerte Präfigurationen (Braudel 1972) eine zwar indirekte, aber doch wesentliche
Rolle bei der Ausgestaltung der regionalen Ungleichheitsregime (Walby 2009: Kap. 2)
spielen. Multiple, sich wechselseitig konstituierende, aber nicht unbedingt hierarchisch
angeordnete, oder sich kumulativ verstärkende Ungleichheitsregime beschränken sich
niemals alleine oder auch nur vorrangig auf den nationalstaatlichen Container. Es handelt sich vielmehr um „overlapping, non saturating non-nested systems“ (Walby 2009:
67), die über unterschiedliche zeitliche und räumliche Reichweite verfügen.
Insgesamt will der Band somit sowohl innovative methodische und theoretische Vorschläge zur Analyse der unterschiedlichen Facetten von sozialer Ungleichheit in Lateinamerika vorstellen als auch Erklärungsversuche erarbeiten, die den Beharrungskräften
dieses bemerkenswerten Phänomens aus unterschiedlichen Perspektiven und auf verschiedenen Politikfeldern nachspüren. Wir hoffen hiermit, den theoretisch-konzeptionellen Debatten zum Spannungsverhältnis zwischen Ungleichheit und Demokratie in
Lateinamerika einen konstruktiven Impuls zu geben.
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