Untersuchungen zur Klassifizierung veränderlich fester Gesteine

Werbung
Nickmann, M., Spaun, G. & Thuro, K. (2005): Untersuchungen zur Klassifizierung veränderlich fester Gesteine unter ingenieurgeologischen Aspekten. – In: Moser, M. (ed.): Veröffentlichungen von der 15. Tagung Ingenieurgeologie, 6.-9. April 2005, Erlangen. 482 S., Erlangen (Friedrich-Alexander-Universität), 157-162.
Untersuchungen zur Klassifizierung veränderlich fester Gesteine unter ingenieurgeologischen Aspekten
Investigations about the Classification of weak rocks from the Aspect of Engineering
Geology
M. NICKMANN, G. SPAUN, K. THURO1
Zusammenfassung
Obwohl veränderlich feste Gesteine bei zahlreichen Bauprojekten angetroffen werden, zeigt sich, dass die bisher gebräuchlichen
und genormten Untersuchungen nicht im vollen Umfang geeignet sind, das sehr unterschiedliche unmittelbare und längerfristige
Verhalten dieser Gesteine in der Praxis zu erfassen. Eine falsche Einschätzung kann jedoch zu bedeutenden Problemen bei Stabilität, Gebirgslösung, Abtransport oder Wiedereinbau des gelösten Materials führen. An 40 verschiedenen Gesteinen (Sandsteine,
Tonsteine, Mergel) aus 7 Lokalitäten wurden neben dem Gesteinsverhalten in Wasserlagerungsversuchen und TrocknungsBefeuchtungs-Wechseln auch zahlreiche boden- und felsmechanische Parameter bestimmt. Eine Klassifizierung aufgrund des
Verhaltens im Trocknungs-Befeuchtungs-Wechsel führt zur Abgrenzung von fünf Veränderlichkeitsklassen. Möglichkeiten der
Abgrenzung der veränderlich festen Gesteine von den Lockergesteinen einerseits und den Festgesteinen andererseits werden
diskutiert. Die Ursache der Veränderlichkeit wird in der „Gefügefestigkeit“, einem Zusammenwirken mehrerer Parameter wie
Druckfestigkeit, Kornverteilung, Porenvolumen und Quellfähigkeit gesehen.
Keywords: Wasserlagerungsversuch, Trocknungs-Befeuchtungs-Wechsel, Veränderlichkeitsklassen, Gefügefestigkeit, Kristallisationsversuch, Porenvolumen, Quellfähigkeit, Einaxiale Druckfestigkeit.
Abstract
Although weak rocks often occur in engineering projects in Southern Germany and adjacent regions, there are only a few and
often insufficient testing methods of durability. Several projects clearly demonstrated that the slaking durability of rock varies in
many ways from spontaneous decay to slow disintegration within months to years. The effected tests showed that the usual investigations contained in the international standards (DIN, ASTM, ISRM) are not completely suited to describe the immediate and
the long term behaviour of weak rock in the practice. A wrong estimation may cause important problems concerning stability,
excavation, transport and reuse of the excavated material. In this study 40 different rock types of sandstone, mudstone and marl
from 7 locations were investigated. Not only the behaviour of rock in simple and cyclic slaking tests, but also many different rock
parameters were determined. A classification based on the behaviour in a modified cyclic slaking test results in the separation of
five categories of durability. The separation of weak rocks from strong rocks on the one hand and soils on the other hand could
be possible with the crystallization test (“Kristallisationsversuch”) and with the void content. The slaking durability is not caused
by only one rock parameter, but by a combination of several parameters, called “structural strength” (“Gefügefestigkeit”) such as
uniaxial compressive strength (UCS), indicating the strength of the matrix, the grain size, and here especially the content of clay
minerals, the swelling potential and the void content being a degree for permeability.
Keywords: slaking durability, slaking test, wetting-drying-test, void content, grain size, uniaxial compressive strength, crystallization test, structural strength, swelling potential.
1 Einführung
Veränderlich feste Gesteine nehmen in Süd- und Mitteldeutschland und angrenzenden Regionen wie den Kalkalpen große Teile der oberflächennahen Gesteinsschichten ein. Daher sind sie auch bei Baumaßnahmen – tiefen
Baugruben, Tunnelprojekten und Tagebauen – häufig
am Aufbau des Baugrundes beteiligt. Allerdings wird
i.d.R. der Untersuchungsaufwand zum Verhalten dieser
Gesteine im Zuge der Baumaßnahme äußerst selten der
Häufigkeit und den bautechnisch-ingenieurgeologischen
Problemen gerecht. Das mag u.a. an der Schwierigkeit
liegen, die Methodik aus Fels- und Bodenmechanik auf
diese Gesteine anzuwenden. Häufig wird daher einer
vermeintlichen Kenntnis des Gesteinsverhaltens mehr
Vertrauen geschenkt als der versuchstechnischen Annäherung. So problematisch die Klassifizierung veränderlich fester Gesteine und die Abgrenzung v.a. von den
(bindigen) Lockergesteinen auch sein mögen, so notwendig sind sie für Planung, Bauabwicklung und für
den Bauvertrag. Wird das Verhalten des Gebirges falsch
eingeschätzt, wirkt sich dieses sowohl in der Bauphase
durch Zeit- und Kostensteigerung als auch in der Qualität des Bauwerkes aus. Im Rahmen einer Dissertation
1
Dipl.-Geol. Marion Nickmann, em. Univ.-Prof. Dr. Georg Spaun, Univ.-Prof. Dr. Kurosch Thuro, Lehrstuhl für Ingenieurgeologie der TU München, Arcisstr. 21, 80290 München, [email protected], [email protected].
157
15. Tagung für Ingenieurgeologie
Erlangen 2005
wurde daher das Verhalten veränderlich fester Gesteine
untersucht, um eine in der Praxis brauchbare Untersuchungs- und Klassifizierungsmethode zu erarbeiten und
die Abgrenzung dieser Gesteine von bindigen Lockergesteinen mit fester Konsistenz und von dauerhaft festen Festgesteinen deutlicher zu machen.
1.1 Stellung der veränderlich festen Gesteine
In den im deutschsprachigen Raum geltenden Normen
(DIN EN 14689-1, SIA 199) werden die veränderlich
festen Gesteine zu den Festgesteinen / Fels gestellt. Von
den Festgesteinen i.e.S. unterscheiden sie sich durch
ihre Eigenschaft, ihren Zusammenhalt bei Exposition
gegenüber den Atmosphärilien innerhalb kurzer Zeit
(Tage bis wenige Jahre) zu verlieren. Dieser Festigkeitsverlust ist im Gegensatz zu vielen bindigen Lockergesteinen nicht reversibel, kann also unter den aktuellen Bedingungen nicht rückgängig gemacht werden.
Trotz dieser Zuordnung stellen die veränderlich festen
Gesteine bezüglich ihres Verhaltens ein „Zwischenglied“ zwischen den (bindigen) Lockergesteinen einerseits und den dauerhaft festen Festgesteinen (Festgesteine i.e.S.) andererseits dar, wobei die Gesteinsgruppen
durch geologische Vorgänge ineinander übergehen
können und die Grenzen damit fließend sind (s. Fig. 1).
Diagenese
Metamorphose
Fester Zusammenhang
Bindige
Lockergesteine
reversible Festigkeit
abhängig
von Konsistenz
Umwandlung wasserempfindlicher Minerale
Veränderlich feste
Gesteine
Festgesteine
i.e.S.
Festigkeitsänderung durch
Feuchtigkeitswechsel
keine Festigkeitsänderungen unter
Normalbedingungen
2 Bearbeitete Gesteine und Untersuchungen
2.1 Untersuchte Gesteine
Im Zuge der Untersuchungen wurde ein möglichst großes Spektrum von unterschiedlichen veränderlich festen
Gesteinen und Lockergesteinen getestet. Hauptaugenmerk wurde darauf gelegt, möglichst frisches Material
zu untersuchen, wie es in laufenden Tunnelvortrieben
oder in Steinbrüchen mit laufendem Abbau gewonnen
wird. In Tab. 1 wird eine kurze Zusammenstellung der
bearbeiteten Gesteine und der Projekte gegeben.
Tab. 1: Übersicht über die bearbeiteten Gesteine.
Tab. 1: View of the investigated rock materials.
Projekt / Ort
Tunnel Euerwang, NBS
IngolstadtNürnberg
Tunnel Sandberg, Thüringen
Tunnel Dresden
Bramschstraße
Sondierstollen
Achrain, Vorarlberg
Zementwerk
Leube, Salzburg
Zementwerk
Rohrdorf
Sandgrube
Derching
Geologische
Formation
Eisensandstein, Ornatenton, OxfordMergel
Buntsandstein
Pläner Mergel
Weissach-,
Tonmergelschichten
Schrambach-,
Roßfeldschichten
Stockletten
Obere Süßwassermolasse (OSM)
Gesteine
Sandsteine
Sand-Tonsteine
Mergelsteine
Sandsteine
Tonschluffsteine
Mergelsteine
Tonschluffsteine
Mergelsteine
Mergelsteine,
Kalkmergelsteine,
Sandmergelsteine
Mergelsteine
Sandmergelsteine
Tone, sandige
Tone (Lockergesteine)
2.1 Untersuchungsprogramm
Verwitterung
Verwitterung
Fig. 1: Stellung und Abgrenzung der veränderlich festen
Gesteine.
Fig. 1: Location and separation of weak rocks.
1.2 Arten der veränderlichen Festigkeit
Betrachtet man die Bandbreite der veränderlich festen
Gesteine, so wird ein deutlich unterschiedliches Verhalten erkennbar:
• Unmittelbarer Zerfall nach Wasserzutritt in
kleine Bestandteile (Aggregate oder Einzelkörner) (s. Fig. 5).
• Zerlegung in Aggregate nach Austrocknen und
Wiederbefeuchten (z.B. durch Niederschlag)
innerhalb von Tagen bis Wochen (s. Fig. 4)
• Langsames Zerbrechen in Aggregate innerhalb
von Monaten bis Jahren.
Durch diese stark variierenden Formen der veränderlichen Festigkeit ergeben sich unterschiedlichste Auswirkungen auf das Baugeschehen in Bezug auf Lösbarkeit,
Transportfähigkeit, Stabilität und Wiedereinbaufähigkeit der Gesteine.
Die Untersuchung von veränderlich festen Gesteinen ist
u.a. darum so schwierig, weil es kein normiertes Untersuchungsprogramm gibt. Weder die fels- noch die bodenmechanischen Versuche sind ausreichend und in
vollem Maß auf die veränderlich festen Gesteine zu
übertragen. Außerdem müssen oft besondere Ansprüche an die Versuchsdurchführung oder die Prüfkörperformatierung gestellt werden, wie z.B. trockene Arbeitsweise beim Präparieren von Prüfkörpern oder
schonende Siebung beim Wasserlagerungsversuch (s.
Kap. 4.1). Das in der vorliegenden Arbeit durchgeführte
Untersuchungsprogramm enthält daher Prüfmethoden
sowohl der Fels- als auch der Bodenmechanik:
• Untersuchungen zur Beurteilung der Veränderlichkeit: Wasserlagerungsversuche, TrocknungsBefeuchtungs-Wechsel, Kristallisationsversuche
• Mineralogisch-petrographische Untersuchungen:
Dünnschliffanalysen (Mineralbestand, Gefüge),
Karbonatgehaltbestimmung, Röntgendiffraktometeranalysen, REM-Untersuchungen, Pulverquellversuche
• Gesteinsphysikalische Untersuchungen: Wassergehalt, Dichte, Porenvolumen, Korngrößenverteilung
158
15. Tagung für Ingenieurgeologie
Zur Untersuchung und Bewertung der Veränderlichkeit
wird i.d.R. der sog. „Wasserlagerungsversuch“ nach
DIN 4022 T1 bzw. DIN EN 14689-1 angewendet. Nach
24-stündiger Wasserlagerung werden die Proben anhand
des optischen Befundes in 5 Veränderlichkeitsgrade
eingeteilt (s. Tab. 2). Bei der Durchführung und Auswertung der Wasserlagerungsversuche ergaben sich
folgende Probleme:
• Optischer Befund ist z.T. subjektiv
• Lockergesteine und Festgesteine i.e.S. werden
nicht abgetrennt, sondern sind in den Graden 1
bzw. 5 mit enthalten.
• Grenzziehung dauerhaft fest – veränderlich fest
ist nicht möglich, da die Beanspruchung zu gering ist.
• Schlechte Auflösung bei schwacher Veränderlichkeit (Grad 1) bedeutet unter Umständen zu
gute Einschätzung des Gesteins.
• Wechselweise Beanspruchung (Verhältnisse in
der Natur) findet nicht statt.
• Unterscheidung Fest-/Lockergestein ist nicht
möglich (z.T. identisches Verhalten, s. Fig. 2).
Insgesamt zeigt sich, dass der Wasserlagerungsversuch
nicht geeignet ist, das Verhalten veränderlich fester
Gesteine ausreichend zu erfassen und zu klassifizieren.
Als weiterer Versuch zur Untersuchung der Zerfallsbeständigkeit wurde 2002 der Siebtrommelversuch eingeführt (DGGT 2002), der im Wesentlichen dem Slake
durability test (ISRM, 1997) entspricht. Als Hauptproblem neben dem relativ großen technischen Aufwand
wird die Verwendung von getrocknetem Material gesehen, wodurch der Versuch nicht die natürlichen Bedingungen simuliert. Besonders das Sofortverhalten von
Gesteinen mit starker Veränderlichkeit wird somit nicht
erfasst.
Trägt man die jeweilige Masse des größten verbleibenden Stückes gegen die Wechsel auf, lassen sich fünf
verschiedene Klassen unterscheiden (s. Fig. 2).
100
90
80
verbleibende Masse [%]
3 Derzeitiger Untersuchungsstandard
zwei weiteren Wasserlagerungen mit anschließender
Siebung und Trocknung zugeführt.
70
60
50
40
30
20
10
0
0
4.1 Veränderlichkeitsklassen
Die hier vorgestellte Klassifizierung, die eine bessere
Untergliederung veränderlich fester Gesteine erlaubt,
beruht auf einer Modifizierung des Wasserlagerungsversuches: In Anlehnung an die Untersuchungen von
RUCH (1985) wurde ein dreifacher Trocknungs-Befeuchtungs-Wechsel durchgeführt. Die erste Wasserlagerung erfolgt an einer frischen Probe mit natürlichem
Wassergehalt. Es wird sowohl die Sofortreaktion als
auch der Probenzustand nach 24 Stunden Wasserlagerung festgestellt. Um quantitative Aussagen über den
Zerfall treffen zu können, wird nach jeder Wasserlagerung mittels einer schonenden Siebung die „Korngrößenverteilung“ der entstandenen Aggregate und Körner
ermittelt. Nach Ofentrocknung bei 50°C wird die Probe
2
3
Fig. 2: Zerfallsverlauf bei dreifachem Trocknungs-Befeuchtungs-Wechsel. Es können 5 Klassen abgetrennt
werden. Eckige Markerungen sind Lockergesteine.
Fig. 2: Course of the disintegration in a 3-cyclic wettingdrying-test. It is possible to separate 5 categories of
durability. Angular points are soils.
Fig. 2 zeigt, dass sowohl das Verhalten bei der einmaligen Wasserlagerung als auch der Zerfall bis zum dritten
Wechsel ein diskriminierender Parameter ist. Trägt man
die Massen-% der jeweils verbleibenden größten Stücke
gegeneinander auf, zeigt sich, dass die fünf Klassen
eindeutig abgrenzbare Bereiche bilden (s. Fig. 3).
100
VK 1
90
80
70
60
VK 2
50
40
30
4 Klassifizierung veränderlich fester Gesteine
1
Anzahl der Wechsel
Rest III
• Untersuchungen zur Festigkeit: Einaxiale Druckversuche, Punktlastversuche
Erlangen 2005
VK 3
20
10
0
100
VK 4
90
80
70
60
VK 5
50
Rest I
40
30
20
10
0
Fig. 3: Abgrenzung von 5 Veränderlichkeitsklassen anhand der verbleibenden Massen (Rest I, III) aus Fig. 2.
Fig. 3: Separation of 5 categories of durability by means
of the remaining masses (rest I, III) from Fig. 2.
4.2 Abgrenzung zu den dauerhaft festen Gesteinen
Der vorgestellte modifizierte Wasserlagerungsversuch
reicht nicht aus, um eine Abgrenzung der veränderlichfesten Gesteine zu den Festgesteinen i.e.S. vorzunehmen, da die Beanspruchung mit drei Wechseln noch
immer zu gering ist. Eine Möglichkeit bietet die zusätz159
15. Tagung für Ingenieurgeologie
liche Durchführung eines Kristallisationsversuches nach
Erlangen 2005
DIN 52111, dem ein Gestein der Veränderlichkeits-
Tab. 2: Einteilung der Veränderlichkeitsklassen von veränderlich festen Gesteinen aufgrund des modofizierten Wasserlagerungsversuches. Vergleichend angeführt ist die derzeitige Einstufung nach DIN EN 14689 -1.
Tab. 2: Classification of weak rocks because of the behaviour in a modified cyclic slaking test. It is compared with the
usual classification according to DIN EN 14689-1.
VK
Bezeichnung
Beschreibung
DIN EN 14689-1
VK 0
Nicht veränderlich
Gering veränderlich
Bis zum 3. Wechsel keine Veränderungen feststellbar, keine Reaktion im Kristallisationsversuch.
Bis zum 3. Wechsel keine Veränderungen feststellbar, lediglich leichtes Absanden möglicherweise durch bei der Bearbeitung aufgelockerte Bestandteile (max. 5%).
Bei einmaliger Wasserlagerung keine Reaktion, aber bis zum 3.
Wechsel Rissbildung und/oder beginnender Zerfall bis zu 50%.
Bei einmaliger Wasserlagerung Rissbildung bzw. Abbrechen von
kleineren Kluftkörpern oder Aggregaten (bis max. 10%), Gestein
bleibt aber erhalten. Bis zum 3. Wechsel Zerfall in Aggregate > 2,5%.
Bei einmaliger Wasserlagerung deutliche Desintegration (10-75%),
bis zum 3. Wechsel Zerfall in Aggregate < 2,5%.
Unmittelbarer Zerfall bei einmaliger Wasserlagerung in Aggregate
<25%, bis zum 3. Wechsel <1%.
Nicht veränderlich (Grad 1)
VK 1
VK 2
VK 3
VK 4
VK 5
LG
a)
Langsam veränderlich
Mäßig schnell
veränderlich
Schnell und stark
veränderlich
Unmittelbar und
sehr stark veränderlich
Lockergestein
Veränderlich
(Grad 2 und 3)
Stark veränderlich
(Grad 4 und 5)
b)
Fig. 4: Kalkmergelstein der Schrambachschichten, Veränderlichkeitsklasse 1. a) Beginnende Rissbildung nach ca. 2
Wochen Freilegung, Steinbruch Leube. b) Im Versuch beginnendes Abbröseln nach der 3. Wasserlagerung.
Fig. 4: Marl from „Schrambachschichten“, category 1. a) First fissures formed after 2 weeks, quarry “Leube”. b) In the
laboratory test beginning of disintegration after the 3rd wetting-drying cycle.
a)
b)
Fig. 5: Mergelstein der Stockletten, Veränderlichkeitsklasse 4. a) Starke Desintegration nach wenigen Tagen Freilegung, Steinbruch Rohrdorf. b) Im Versuch Zerfall in kleine Aggregate bis zur 3. Wasserlagerung.
Fig. 5: Marl of “Stockletten”, category 4. a) Strong disintegration after only a few days, quarry “Rohrdorf”. b) In the
laboratory test decay to small lumps until the 3rd wetting-drying cycle.
160
15. Tagung für Ingenieurgeologie
Erlangen 2005
klasse VK 1 zusätzlich unterworfen wird. Übersteht das
Gestein diesen Versuch ohne Verlust, kann es als dauerhaft fest eingestuft werden.
Eine Abgrenzung der veränderlich festen Gesteine von
den Lockergesteinen ist mit dem modifizierten Wasserlagerungsversuch nicht möglich, da sich beispielsweise
überkonsolidierte Tone der OSM ähnlich verhalten wie
veränderlich feste Gesteine der Veränderlichkeitsklasse
4 (s. Fig. 2). Auf Abgrenzungsmöglichkeiten wird in
Kap. 5 eingegangen.
in Fig. 7 nur eine mäßige Korrelation, die v.a. auf die
unterschiedlichen Gesteinstypen (Sandstein mit rel.
hohem Porenvolumen, aber geringer Veränderlichkeit)
zurückzuführen ist.
An der Kurve wird allerdings deutlich, dass das Porenvolumen der getesteten Lockergesteine deutlich höher
ist als das der veränderlich festen Gesteine. Möglicherweise liegt hier eine Möglichkeit der Abgrenzung dieser
beiden Gesteinsarten.
45
y = 3,6905e0,3282x
Aus diesen Ergebnissen lässt sich eine neue, differenziertere Klassifizierung der Veränderlichkeit aufstellen
(Tab. 2), die auch mit den Geländebeobachtungen zu
parallelisieren ist (s. Fig. 4 und 5).
5 Ursache der Veränderlichkeit
Porenvolumen [%]
40
R2 = 0,4822
35
30
25
20
15
10
5
Um den Zusammenhang der Veränderlichkeit mit den
physikalischen Gesteinseigenschaften zu untersuchen,
wurden die ermittelten Gesteinskennwerte mit den Veränderlichkeitsklassen in Beziehung gesetzt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Vielzahl von Gesteinsparametern für die Veränderlichkeit verantwortlich ist, wie sie in Fig. 6 dargestellt ist.
Verfestigungsgrad
Wassergehalt
Porosität
Porengrößenverteilung /
Durchlässigkeit
Beschaffenheit des
Porenhohlraumes
Korngrößenverteilung
mineralogische
Zusammensetzung
Gefüge/
Einregelung
Kornbindungsfestigkeit
Geomechanisches Verhalten
veränderlich fester Gesteine
Physikalische
Eigenschaften
Hygrische Dehnung/
Schrumpfung
Zerbrechungsgrad
Quellfähigkeit
Mikrorisse
Trennflächen
0
0
1
2
3
4
5
LG
6
Veränderlichkeitsklasse
Fig. 7: Beziehung zwischen Veränderlichkeitsklasse und
Porenvolumen.
Fig. 7: Relation between category of durability and the
void content.
Kornbindungsfestigkeit:
Die Kornbindungsfestigkeit drückt den Zusammenhalt
der einzelnen Körner des Gesteins aus. Sie wird beeinflusst durch die vorhandenen Minerale und deren Korngrößen. Stabilisierend wirkt zudem ein evtl. vorhandenes Bindemittel. Ein indirektes Maß für die Kornbindungsfestigkeit wird in der Einaxialen Druckfestigkeit
gesehen, also der Spannung, die für die Zerstörung
dieser Festigkeit aufgewendet werden muss. Trägt man
die Veränderlichkeit gegen die Einaxiale Druckfestigkeit auf, zeigt sich ebenfalls ein Zusammenhang, allerdings wird auch hier eine deutliche Streuung sichtbar
(Fig. 8).
5.1 Bestimmende Parameter
Aus der großen Bandbreite der Parameter wurde für
folgende ein wichtiger Einfluss auf die Veränderlichkeit
festgestellt:
Einaxiale Druckfestigkeit [MPa]
150,0
Fig. 6: Zusammenstellung der die Veränderlichkeit beeinflussenden Parameter.
Fig. 6: Summary of the parameters influencing the durability.
y = 172,18e-0,6053x
R2 = 0,7083
125,0
100,0
75,0
50,0
25,0
0,0
0
1
2
3
4
5
6
LG
Veränderlichkeitsklasse
Beschaffenheit des Porenhohlraumes:
Als bezeichnender Parameter für die Eigenschaften des
Porenhohlraumes kann das Porenvolumen gesehen
werden. Es steuert einerseits den Zutritt des Wassers in
das Gestein und die Wegsamkeiten und ist somit ein
Maß für die Benetzungsgeschwindigkeit und die zutretende Wassermenge. Gleichzeitig deutet ein sehr hohes
Gesamtporenvolumen auf feinkörnige Gesteine mit
hohen Anteilen an Ton und Schluff hin, die eine größere
Veränderlichkeit aufweisen. Allerdings zeigt die Kurve
Fig. 8: Beziehung zwischen Veränderlichkeitsklasse und
Einaxialer Druckfestigkeit.
Fig. 8: Relation between category of durability and
uniaxial compressive strength (UCS).
Besondere Eigenschaften
Besonders bei feinkörnigen Gesteinen spielt das Vorhandensein quellfähiger Tonminerale, ausgedrückt als
Quellvermögen, eine wichtige Rolle für die Reaktion
mit Wasser.
161
15. Tagung für Ingenieurgeologie
Erlangen 2005
Zerbrechungsgrad
Da die vorliegenden Untersuchungen v.a. an ungestörten Proben ohne erkennbare Zerbrechung durchgeführt
wurden, lässt sich der Einfluss des Zerbrechungsgrades
nur pauschal abschätzen. Es ist zu vermuten, dass stark
zerbrochene Gesteine zunächst einen schnellen Zerfall
an den vorgegebenen Trennflächen zeigen und danach
je nach Gestein der weitere Zerfall nur noch sehr langsam fortschreitet. Daher dürften solche Gesteine einen
gesonderten Bereich im Zerfallsdiagramm einnehmen
und eine Sonderklasse bilden (s. Fig. 3).
5.2 Sammelparameter Gefügefestigkeit
Aus den bisherigen Überlegungen lässt sich ein Sammelparameter ableiten, der hier als Gefügefestigkeit
bezeichnet wird. Er wird nach folgender Formel bestimmt:
Auch Gesteine mit mittlerer Druckfestigkeit, aber größerer Korngröße und größerem Porenvolumen (z.B.
Sandsteine) sind wenig veränderlich. Trotz schnellem
Eindringen von größeren Wassermengen kann sich kein
Porenwasserdruck aufbauen, die Gefügefestigkeit wird
nicht überschritten.
6 Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit dem vorgestellten Klassifizierungsschema ein Instrument vorgestellt wird, um die Veränderlichkeit von Gesteinen detaillierter zu testen und einzustufen. Mit einfachen, in
der Praxis der Voruntersuchungen gängigen Versuchen
lässt sich ein deutlich besseres Bild des Gesteinsverhaltens unter Wassereinfluss gewinnen. Den Gang der
Untersuchungen und die abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Baupraxis zeigt Fig. 10.
G= UCS² x KV / PV x Q
mit: UCS:
KV :
PV:
Q:
VK 0
Einaxiale Druckfestigkeit [MPa]
mittlerer Korndurchmesser [mm]
Porenvolumen [%]
Quellfähigkeit (Pulverquellversuch) [%]
+ Kristall.Versuch
VK 1
VK 2
WL-Versuch
modifiziert
VK 3
VK 4
Fig. 9 zeigt die Beziehung zwischen Veränderlichkeitsklasse und der neu definierten Gefügefestigkeit G. Ein
guter Zusammenhang zwischen beiden Größen wird
deutlich.
Gefügefestigkeit (UCS²xKV/PV*Q)
10000
y = 1980,3e-1,7472x
R2 = 0,8471
1000
+ Porenvolumen
VK 5
LG
Langsamer Zerfall
an Mikrorissen,
Bildung von
Kluftkörpern
Schnelle Reaktion
bei Wasserzutritt
Probleme bei
Deponierung/
Wiedereinbau
und langfristiger
Stabilität
Unmittelbare
Stabilitätsprobleme,
Probleme beim
Transport
Fig. 10: Untersuchungsprogramm zur Klassifizierung der
Veränderlichkeit und Schlussfolgerungen.
Fig. 10: Testing program for classification of the durability and its conclusions.
Literatur
100
10
DGGT (2002): Empfehlung Nr. 20 des Arbeitskreises 3.3
–Versuchstechnik Fels – der Deutschen Gesellschaft für
Geotechnik. Zerfallsbeständigkeit von Gestein - Siebtrommelversuch; Bautechnik, 2/2002.
1
0,1
0,01
0,001
0,0001
0
1
2
3
4
5
6
LG
Veränderlichkeitsklasse
Fig. 9: Zusammenhang zwischen Veränderlichkeitsklasse und Gefügefestigkeit.
Fig. 9: Connection between category of durability and
structural strength (“Gefügefestigkeit”).
Die Gefügefestigkeit kann somit als Maß für die Veränderlichkeit der untersuchten Gesteine dienen. Für sie
gelten demnach folgende Grundsätze:
Am stabilsten sind Gesteine, die neben einer hohen
Druckfestigkeit ein geringes Porenvolumen aufweisen.
Der Zutritt des Wassers erfolgt hier langsam und nur in
geringem Maß und kann somit erst langsam bei zahlreichen Wechseln das Gesteinsgefüge aufbrechen. Je größer das Porenvolumen wird, desto schneller kann das
Wasser eindringen. Dadurch werden Wegigkeiten eröffnet, die ein schnelleres Zerbrechen begünstigen. Bei
feinkörnigen Gesteinen entwickelt sich zudem ein Porenwasserdruck, der im Extremfall zum spontanen Zerplatzen eines Gesteins führt.
DIN 4022, Teil 1 (1987-09): Baugrund und Grundwasser.
Benennen und Beschreiben von Boden und Fels.
DIN 52111 (1990-03): Prüfung von Naturstein, Kristallisationsversuch.
DIN EN ISO 14689-1 (2004): Geotechnische Erkundung
und Untersuchung – Benennung, Beschreibung und
Klassifizierung von Fels - Teil 1: Benennung und Beschreibung (ISO 14689-1:2003).
ISRM (1997): Commission on testing methods. Suggested Methods for determining swelling and slakedurability index properties (Part4), 1997.
SIA 199 (1998): Erfassen des Gebirges im Untertagebau; Zürich (SIA).
RUCH, E. (1985): Geotechnische Eigenschaften von
überkonsolidierten Schiefertonen bei unterschiedlichen
Sand- und Karbonatgehalten. - in: Heitfeld, K.-H. ed.
(1985): Ingenieurgeologische Probleme im Grenzbereich
zwischen Locker- und Festgestein; S. 40-58; Berlin
(Springer).
162
Herunterladen