3. Vektoren 3.1 Definition, Einheitsvektoren, Komponenten, Rechenregeln, Vektorraum Neben skalaren (Zahlen mit Maßeinheit wie Masse, Energie, Druck usw.) werden in der Physik vektorielle Größen ("Pfeile" mit Richtung und Länge) verwendet: Ortsvektor, Geschwindigkeit, Verschiebung, Kraft, Feldstärke usw. † Bahnkurve einer Kanonenkugel mit Ortsvektor, Momentangeschwindigkeit und Schwerkraft (Skizze V) † Verschiebungsvektor: r1 + r12 = r 2 (Skizze V) Grafisch werden Vektoren durch frei verschiebbare Pfeile "von A nach B" veranschaulicht, Vektoren sind also Größen, die Betrag und Richtung besitzen. Vereinbarung zur Schreibweise: Vektoren unterstrichen, a, Betrag (Länge) des Vektors a ohne Unterstrich, a = a . Im dreidimensionalen Raum sind drei Zahlen (Betrag und zwei Winkel → sphärische Koordinaten r bzw. ϕ und q; Skizze V) zur eindeutigen Bestimmung eines Vektors ausreichend. Im kartesischen Koordinatensystem werden die senkrechten Projektionen auf die Koordinatenachsen verwendet (Komponenten des Vektors): x = r cos ϕ sin θ, y = r sin ϕ sin θ, z = r cos θ. Definition: Vektoren im dreidimensionalen Raum sind geordnete Zahlentripel, die sich auf ein Koordinatensystem beziehen ⎛x⎞ ⎛ a1 ⎞ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ r = ⎜ y ⎟ , a = ⎜ a 2 ⎟ usw. ⎜z⎟ ⎜a ⎟ ⎝ ⎠ ⎝ 3⎠ 1 Bem.: geordnete Zahlentripel Zahlentripel sind genau dann Vektoren, wenn sie sich bei Drehung des Koordinatensystems gemäß a ' = D a transformieren ( D - Drehmatrix, vergleiche 4. Vorlesung). Ein Zahlentripel aus Temperatur, Druck und Volumen eines Gases bildet beispielsweise keinen Vektor. In der linearen Algebra werden Vektoren ohne Bezug auf ein Koordinatensystem ad hoc als (geordnetes) n-Tupel von Zahlen definiert, für die bestimmte Rechenregeln gelten. Definition: ⎛ a1 ⎞ ⎜ ⎟ a =⎜ M ⎟= ⎜a ⎟ ⎝ n⎠ n ∑a e ∈ℜ i i n oder C n , d.h., die Zahlen ai sind reell oder komplex. i =1 Die Vektoren werden als Elemente eines, zunächst endlichdimensionalen, Vektorraums aufgefasst (vgl. Vorlesung Lineare Algebra). • Komponentendarstellung von Vektoren a = a1 e1 + a 2 e 2 + a 3 e3 Komponentendarstellung von a bzgl. e1, e2, und e3. Für Vektoren sind die Addition und die Multiplikation mit einer Zahl definiert: Vektoren werden addiert ("Kräfteparallelogramm, Addition ist kommutativ) und mit Zahlen multipliziert, indem man ihre Komponenten addiert bzw. mit Zahlen multipliziert. • Einheitsvektoren (EHV) sind Vektoren vom Betrag (der Länge) 1: Für einen beliebigen Vektor a mit Betrag a ist e= 1 a a der Einheitsvektor in Richtung von a. Einheitsvektoren sind besonders gut zur Kennzeichnung von Richtungen geeignet. Im dreidimensionalen Raum lassen sich Koordinatensysteme bequem durch drei Einheitsvektoren 2 ⎛ 1⎞ ⎛ 0⎞ ⎛ 0⎞ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ e x = e1 = ⎜ 0 ⎟ , e y = e 2 = ⎜ 1 ⎟ bzw. e z = e3 = ⎜ 0 ⎟ ⎜ 0⎟ ⎜ 0⎟ ⎜1⎟ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ festlegen (Rechtssystem, Dreibein, Skizze V). Aus der Vorlesung lineare Algebra die Begriffe lineare Unabhängigkeit von Vektoren, Basis und die Axiome des linearen Vektorraums wiederholen. 3.2 Produkte von Vektoren Es gibt zwei physikalisch sinnvolle Möglichkeiten für einfache Vektorprodukte: das sogenannte innere und das äußere Produkt zweier Vektoren. 3.2.1 Skalarprodukt (inneres Produkt) - Physikalische Motivation: Die bei Verschiebung eines Körpers K um Δr durch eine durch eine in seinem Schwerpunkt angreifende Kraft F verrichtete Arbeit ist proportional zu ⎧ F cos ϕ ΔA ~ ⎨ ⎩ Δr (Kraft F zieht Körper K in Richtung Δr , ϕ ist der Winkel zwischen den beiden Vektoren F und Δr , F cos ϕ ist also die senkrechte Projektion des Vektors F auf den Vektor Δr , Skizze V) . Wir definieren ΔA = F Δr cos ϕ =: F ⋅ Δr , für infinitesimal kleine Verschiebung dr schreiben wir dA = F ⋅ dr . Allgemein ist das Skalarprodukt aus den Vektoren a und b die Zahl n a ⋅ b := a b|| = a || b = a b cos (eingeschlossenen Winkels) = ∑ a i bi , es gilt i =1 b a = . b|| a || 3 • Skalarprodukt in Komponentenschreibweise, Summenkonvention Mit Hilfe der senkrecht aufeinander stehenden EHV in x, y und z-Richtung (kartesisches Koordinatensystem) ⎛ 1⎞ ⎛ 0⎞ ⎛ 0⎞ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ ⎜ ⎟ e x = e1 = ⎜ 0 ⎟ , e y = e 2 = ⎜ 1 ⎟ bzw. e z = e3 = ⎜ 0 ⎟ ⎜ 0⎟ ⎜ 0⎟ ⎜1⎟ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ haben wir a = a1 e1 + a 2 e 2 + a 3 e3 , also 3 ⎧0, i ≠ j a ⋅ b = ( a1 e1 + a 2 e 2 + a 3 e3 ) ⋅ ( b1 e1 + b 2 e 2 + b 3 e3 ) = ... ei ⋅ e j = ⎨ ... = a1b1 + a 2 b 2 + a 3b3 = ∑ a i bi i =1 ⎩1, i = j Summenkonvention Zur Vereinfachung der Schreibweise hat Einstein vorgeschlagen, über doppelt vorkommende Indices von 1 …. n zu summieren, ohne das Summenzeichen anzugeben: 3 a ⋅ b = ∑ a i bi = a i bi . i =1 Bequem ist auch die Einführung des Kronecker-Symbols ⎧ 0, i ≠ j δij := ei ⋅ e j = ⎨ . 1 , i = j ⎩ Dann haben wir statt der ganzen Schreiberei oben einfach a ⋅ b = a i ei ⋅ b k e k = a i b k ei ⋅ e k = a i b k δik = a i b i . 4 † Überzeugen Sie sich von der Richtigkeit der Relationen δii = δ nn = 3 , δij δ jk = δik , c k a i a j b k δij = a 2 (c ⋅ b) . • Weitere ausgewählte Eigenschaften des Skalarprodukts - a ⋅ b = b ⋅ a , speziell gilt e ⋅ e = 1 für alle EHV. - Betrag, Norm, Länge des Vektors a : a ≡ a := a ⋅ a im R 3 = a12 + a 22 + a 32 - Orthogonalität: Zwei Vektoren a und b heißen orthogonal, wenn a ⋅ b = 0 . 3.2.2 Vektorprodukt (Kreuzprodukt, äußeres Produkt) - Physikalische Motivation: Geladenes Teilchen im Magnetfeld Aus dem Experiment ergibt sich, das die auf das Teilchen wirkende → Lorentz-Kraft FL betragsmäßig proportional zu q ⎧ FL ~ ⎨ ⎩ v B⊥ = v ⊥ B (Skizze aus V) und senkrecht zu beiden Vektoren v und B gerichtet ist (senkrecht auf der von v und B aufgespannten Ebene steht; rechte Handregel üben). Dabei bezeichnen q die Ladung, v die Geschwindigkeit des Teilchens, B die magnetische Induktion und ⊥ die Komponenten der Vektoren senkrecht zum jeweiligen Partner. 5 † Weitere Beispiele: Drehmoment M = r × F , Drehimpuls L = r × p . - Allgemeine Definition des Vektorprodukts aus zwei Vektoren a und b: a × b = a b sin( des eingeschlossenen Winkels) e . (Skizze aus V) Hier ist e der senkrecht auf a und b stehende EHV (Rechtssystem, rechte Hand Regel). Der Betrag des Vektorprodukts ist gleich der Fläche des durch a und b definierten Parallelogramms a × b = a b sin ϕ (zeigen). • Vektorprodukt in Komponentendarstellung EINSCHUB: 4. Matrizen und Determinanden Eine Matrix A ist ein Schema von m × n Zahlen aij bestehend aus i = 1, 2, ... , n Zeilen und j = 1, 2, ... , m Spalten ⎛ a11 a12 L a1n ⎞ ⎜ ⎟ ⎜ a 21 a 22 L a 2 n ⎟ . A = (a ij ) = ⎜ M M M M ⎟ ⎜ ⎟ ⎜a ⎟ ⎝ m1 a m 2 L a mn ⎠ (Matrix "vom Typ m × n") Im Folgenden seien die Matrixelemente aij reelle Zahlen sowie m und n endlich. 6 4.1 Rechenregeln Gleichheit von zwei Matrizen: A = B , wenn aij = bij für alle i, j. Summe zweier Matrizen gleichen Typs: C = A + B mit cij = aij + bij für alle i, j, wobei A + B = B + A → Addition von Matrizen kommutativ. Multiplikation einer Matrix mit einer Zahl: α A = (α a ij ) (alle Elemente mit α multiplizieren). T T Die zu A transponierte Matrix A mit a ij = a ji entsteht durch Vertauschung der Zeilen und Spalten von A . Offensichtlich können Vektoren als Matrizen aufgefasst werden, z.B. im R3 ⎛ a1 ⎞ ⎜ ⎟ T Spaltenvektor a = ⎜ a 2 ⎟ Zeilenvektor a = (a1 , a 2 , a 3 ) ⎜a ⎟ ⎝ 3⎠ 4.2 Multiplikation von Matrizen Sei A = (a ij ) eine Matrix vom Typ mA × nA und B = (b ij ) eine Matrix vom Typ mB × nB . Nur wenn A genauso viele Spalten wie B Zeilen hat (nA = mB), ist das Produkt beider Matrizen definiert, wobei gilt C = A × B = (c ij ) , c ij = a ik b kj Summenkonvention! Also werden paarweise die Elemente der i-ten Zeile von A mit den Elementen der k-ten Spalte von B multipliziert und addiert. M.a.W.: Das Matrixelement cij ist das Skalarprodukt aus dem i-ten Zeilenvektor von A und dem j-ten Spaltenvektor von B . Die Produktmatrix hat mA Zeilen und nB Spalten. 7 Im Gegensatz zur Addition ist die Multiplikation von Matrizen i.a. nicht kommutativ! ⎛ 3 6⎞ ⎛ 3⎞ ⎛ 3⎞ ⎟⎟ A = (1 2), B = ⎜⎜ ⎟⎟ , A ⋅ B = (3 + 8) = (11) , B ⋅ A = ⎜⎜ ⎟⎟ ⋅ ( 1 2 ) = ⎜⎜ 1×1−Matrix ⎝ 4 8⎠ ⎝ 4⎠ ⎝ 4⎠ ■ 2×2−Matrix Für nichtquadratische Matrizen verhindert oft schon die Bedingung n A ≠ n B die Vertauschbarkeit. Dennoch kommutieren auch quadratische Matrizen i.a. nicht. ⎛1 2⎞ ⎛ 5 6⎞ ⎟⎟ , B = ⎜⎜ ⎟⎟ A = ⎜⎜ ⎝ 3 4⎠ ⎝ 7 8⎠ ■ ⎛ 5 + 18 10 + 24 ⎞ ⎛ 23 34 ⎞ ⎛ 5 + 14 6 + 16 ⎞ ⎛ 19 22 ⎞ ⎟⎟ ⎟⎟ = ⎜⎜ ⎟⎟ , B ⋅ A = ⎜⎜ ⎟⎟ = ⎜⎜ A ⋅ B = ⎜⎜ ⎝ 7 + 24 14 + 32 ⎠ ⎝ 31 46 ⎠ ⎝15 + 28 18 + 32 ⎠ ⎝ 43 50 ⎠ Da multiplikativ vertauschbare Matrizen etwas Besonderes sind, definiert man: Def.: Die Matrizen A und B heißen vertauschbar (kommutieren), wenn [A, B] := A ⋅ B − B ⋅ A = 0 gilt. 2 n - Potenzen A ,..., A können nur für quadratische Matrizen A gebildet werden. Dabei gilt ∞ A := A ⋅ A = (a ik a kj ) , e := ∑ 2 A n =0 1 n d At At A usw. (Beachte: e = Ae ) dt n! Das Skalarprodukt zweier Vektoren lässt sich als Matrixmultiplikation darstellen, z.B. T T a = (a 1 , a 2 , a 3 ) = A , b = (b1 , b 2 , b 3 ) = B , a ⋅ b = a i b i = A ⋅ B = A ⋅ B . 8 4.3 Determinante einer quadratischen n × n - Matrix Determinante der quadratischen Matrix A ist die Zahl Def.: Det ( A ) ≡ A = a11 a12 a 21 a 22 L a 2 n M L a1n M M M := a11 A11 − a12 A12 + a13 A13 − / + ... a1n A1n a n1 a n 2 L a nn mit den Unterdeterminanten Aik . Aik ist die Determinante n-1 ten Grades, die aus der Determinante von A durch Streichung ihrer i-ten Zeile und ihrer k-ten Spalte entsteht. Diese rekursive Definition führt die eine Determinante n-ten Grades auf eine Summe von Determinanten n-1 -ten Grades zurückführt. Falls n = 1, ist die Determinante das Matrixelement selbst. ■ Nach dieser Definition berechnet sich z.B. die Determinante einer quadratischen Matrix 3-ten Grades wie folgt a 11 a 12 a 13 a 21 a 22 a 23 = a 11 a 31 a 32 a 33 a 22 a 23 a 32 a 33 − a 12 a 21 a 23 a 31 a 33 + a 13 a 21 a 22 a 31 a 32 = = a 11 (a 22 a 33 − a 23a 32 ) − a 12 (a 21a 33 − a 23a 31 ) + a 13 (a 21a 32 − a 22 a 31 ) . Für derartige Determinanten 3. Ordnung (und nur für diese!) ist die häufig verwendete Sarrus´sche Regel gültig: a 11 a 12 a 21 a 22 a 31 a 32 a 13 a 23 a 33 a 11 a 12 a 21 a 22 a 31 a 32 Terme mit positivem (negativem) Vorzeichen entstehen aus dem wie oben erweiterten Schema durch Produktbildung entlang und parallel zur Haupt- (Neben-) Diagonalen (durchgezogene bzw. unterbrochene Linien), man verifiziert leicht das obige Ergebnis. 9 ZURÜCK ZU KAPITEL 3: • Vektorprodukt in Komponentendarstellung Das Vektorprodukt von a , b œ R3 ist der Vektor (Komponentendarstellung) e1 e2 e3 c = a × b = a1 b1 a2 b2 a3 = b3 = e1 a2 b2 a a3 − e2 1 b1 b3 a a3 + e3 1 b1 b3 a2 = e1 (a 2 b 3 − a 3b 2 ) − e 2 (a1b 3 − a 3b1 ) + e3 (a1b 2 − a 2 b1 ) b2 Beachte, dass a × b ⊥ a , b und a × b = − b × a gilt. Zur weiteren Vereinfachung der Schreibweise können wir das ε- oder Levi-Civita-Symbol verwenden ⎧ + 1, wenn i, j, k zyklisch zu 1,2,3 (123, 231, 312) ⎪ ε ijk := ei ⋅ (e j × e k ) = ⎨− 1, wenn i, j, k antizyklisch zu 1,2,3 (213, 132, 321) . ⎪ 0, ansonsten (z.B. mindesten zwei gleiche Indices) ⎩ Man findet dann 3 c = a × b = ∑ ε ijk a i b j e k = ε ijk a i b j e k oder ci = (a × b)i = ε ijk a j b k i , j,k 10