2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.0 Vorbemerkungen 2.0 Vorbemerkungen Literatur Grundlegende Aspekte: • Winker, P. (2010). Empirische Wirtschaftsforschung und Ökonometrie. 3. Auflage. Springer. Insbesondere Kapitel 3. Volltext-Download im Rahmen des LRZ-Netzes. • Siehe auch Lehrbücher zur deskriptiven Statistik, hier v. a. Schaich & Schweitzer (1995) sowie Toutenburg & Heumann (2008). Weiterführende Aspekte: • Linz, S. & Eckert, G. (2002): Zur Einführung hedonischer Methoden in der Preisstatistik. Wirtschaft und Statistik 10/2002. 857–863. • Statistisches Bundesamt, Hedonische Preismessung bei Gebrauchtwagen. 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 2 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.0 Vorbemerkungen • Bechtold, S. & Elbel, G. & Hannappel, H.-P. (2005): Messung der wahrgenommenen Inflation in Deutschland: Die Ermittlung der Kaufhäufigkeiten durch das Statistische Bundesamt Wirtschaft und Statistik 9/2005. 989–998 • Brachinger, H. W. (2005): Der Euro als Teuro? Die wahrgenommene Inflation in Deutschland. Wirtschaft und Statistik 9/2005. 999–1013. • Brachinger, H. W. & Fendel, R. & Dreger, C. (2008): Rückkehr der Inflation. Wirtschaftsdienst 88 Nr. 6. 355–370. • Hoffmann, J. & Leifer, H.-A.& Lorenz, A. (2005): Index der wahrgenommenen Inflation oder Verbraucherumfragen? Zu einem Ansatz von Hans Wolfgang Brachinger. Wirtschaftsdienst 85 Nr. 11. 706–714. 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 3 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.1 Verhältniszahlen 2.1 Verhältniszahlen Eine Verhältniszahl ist eine Kennzahl, die durch den Quotienten zweier statistischer Größen gebildet wird. Man kann drei Arten von Verhältniszahlen unterscheiden: 1. Gliederungszahlen/ Quoten 2. Beziehungszahlen 3. Messzahlen/ Maßzahlen 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 4 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.1 Verhältniszahlen 2.1.1 Gliederungszahlen/ Quoten Gliederungszahlen bzw. Quoten drücken Anteile aus, d.h. der Zähler ist jeweils ein Teil des Nenners. Beispiele: • Armutsrisikoquote (→ Kapitel Konzentrationsmessung) • Frauenquote eines Unternehmens: Anzahl weibliche Mitarbeiterinnen im Unternehmen Anzahl Mitarbeiter im Unternehmen • Konsumquote: Konsum der privaten Haushalte gesamtes verfügbares Einkommen der privaten Haushalte 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 5 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.1 Verhältniszahlen • Arbeitslosenquote (nach BA): Anzahl der gemeldeten Arbeitslosen zivile Erwerbstätige + Arbeitslose • Erwerbslosenquote (nach ILO-Standard): Anzahl der Erwerbslosen Erwerbstätige + Erwerbslose Arbeitslos sind nach dem Sozialgesetzbuch Personen, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungs” verhältnis stehen, das 15 Wochenstunden und mehr umfasst, eine versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden suchen und dabei den Vermittlungsbemühungen der Agenturen für Arbeit bzw. der Träger der Grundsicherung zur Verfügung stehen und sich dort persönlich arbeitslos gemeldet haben.“ (Quelle: Bundesagentur für Arbeit) Als erwerbslos gilt im Sinne der durch die EU konkretisierten ILO-Abgrenzung jede Person im Alter von ” 15 bis 74 Jahren, die in diesem Zeitraum nicht erwerbstätig war, aber in den letzten vier Wochen vor der Befragung aktiv nach einer Tätigkeit gesucht hat.“ (Quelle: Statistisches Bundesamt) 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 6 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.1 Verhältniszahlen Arbeitslosenquote versus Erwerbslosenquote (Quelle: Datenreport 2011, Kapitel 5): Jahr 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten Arbeitslosenquote in % 8,4 8,0 8,5 9,3 9,4 11,0 10,2 8,4 7,2 7,8 7,4 Erwerbslosenquote in % 7,4 7,5 8,3 9,2 9,7 10,6 9,8 8,3 7,2 7,4 6,8 7 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.1 Verhältniszahlen 2.1.2 Beziehungszahlen Bei Beziehungszahlen sind Zählergröße und Nennergröße gleichrangig, betreffen aber jeweils unterschiedliche Tatbestände. Beispiele: • Dezilverhältnis (→ Kapitel Konzentrationsmessung) • Staatsverschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung: Bruttoverschuldung des Staates Brutto-Inlands-Produkt (BIP) des Staates Das BIP gibt den Gesamtwert aller innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (i.d.R. ein Jahr) in einem Land produzierten Waren und Dienstleistungen an, die für den Endverbrauch bestimmt sind. (Siehe z.B. Statistisches Bundesamt) 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 8 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.1 Verhältniszahlen 2.1.3 Messzahlen/ Maßzahlen Messzahlen bzw. Maßzahlen drücken eine interessierende Variable in Bezug auf einen Basiswert aus. Zählergröße und Nennergröße sind gleichrangig und betreffen beide gleichartige Tatbestände. Beispiele: • Preismesszahl: Preis eines Gutes zum Zeitpunkt t Preis eines Gutes zum Zeitpunkt 0 • aus der Zeitreihe von Preisen p0, p1, . . . , pt, . . . kann z.B. die folgende Zeitreihe von Preismesszahlen gebildet werden: p1 p2 pt , ,..., ,... p0 p0 p0 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 9 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen 2.2 Indexzahlen Eine Indexzahl ist eine kollektive Kennzahl, die durch Kombination verschiedener Größen gebildet wird. Hier werden v.a. Preis-, Mengen- und Umsatzindizes behandelt, die sich als (gewichtetes) arithmetisches Mittel von Preis-, Mengen- bzw. Umsatzmesszahlen ergeben. 2.2.1 Preisindizes Betrachte n Wirtschaftsgüter und für jedes Gut i, i = 1, . . . , n (i) (i) (i) • die Zeitreihe der Preise p0 , p1 , . . . , pt , . . ., (i) (i) (i) • die Zeitreihe der Verbrauchsmengen q0 , q1 , . . . , qt , . . ., (i) (i) (i) (i) (i) (i) • die Zeitreihe der Umsätze u0 , u1 , . . . , ut , . . . mit ut = pt qt und • die Zeitreihen der Preis-, Mengen- und Umsatzmesszahlen zur Basisperiode 0. 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 10 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen Def. 2.1. Die Größe U0,t = n (i) X u t (i) u i=1 0 = n (i) (i) X p q t t (i) (i) p i=1 0 q0 heißt Umsatzindex. (i) Pn Def. 2.2. i) Mit den obigen Bezeichnungen und g P0,t = ≥ 0, i = 1, . . . , n, n (i) X p t (i) p i=1 0 (i) g = 1 heißt i=1 g (i) Preisindex zur Gewichtsfunktion g (1), . . . , g (n). 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 11 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen ii) Wählt man als Gewichte g (i) = (i) (i) p 0 q0 n X (l) (l) p 0 q0 l=1 , so heißt der zugehörige Index L P0,t Pn (i) (i) Pn (i) (i) i=1 pt q0 = Pn (i) (i) i=1 p0 q0 Preisindex nach Laspeyres. iii) Wählt man hingegen g (i) = (i) (i) p0 qt n X (l) (l) p0 qt l=1 , so heißt der zugehörige Index P P0,t p t qt = Pi=1 (i) (i) n p i=1 0 qt Preisindex nach Paasche. 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 12 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen p L P0,t · P P0,t iv) Die Größe F P0,t = heißt Preisindex nach I. Fisher, die Größe D P0,t = 1/2 (LP0,t + P P0,t) (i) Pn L P0,t und P P0,t haben die Form: • Für q̃ (i) = • Wählt man 1/(t+1) Pt (i) p q̃ t i=1 Pn (i) (i) , i=1 p0 q̃ wobei q̃ (i) gegeben ist durch: (i) q̃ (i) = q0 , i = 1, . . . , n (Warenkorb der Basisperiode) • Preisindex nach Laspeyres: • Preisindex nach Paasche: Preisindex nach Drobisch. (i) q̃ (i) = qt , i = 1, . . . , n (Warenkorb der Berichtsperiode) (i) τ =0 qτ , i = 1, . . . , n, erhält man den Preisindex nach Löwe. (i) (i) q̃ (i) = 1/2 (q0 + qt ) bzw. (i) (i) q̃ (i) = q0 + qt , führt dies auf den Preisindex nach Marshall-Edgeworth. • Der Fall q̃ (i) ≡ 1 wird als Preisindex nach Dutot bezeichnet. 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 13 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen 2.2.2 Der Verbraucherpreisindex Preisindizes des Statistischen Bundesamtes in Deutschland: • (Harmonisierter) Verbraucherpreisindex ((H)VPI) • Index der Einzelhandelspreise • verschiedene Indizes für Erzeugerpreise • Index der Großhandelsverkaufspreise • Indizes für Außenhandelspreise 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 14 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen Der VPI (siehe auch Statistisches Bundesamt): • gesamtwirtschaftliche Kennzahl • misst durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden • zentraler Indikator der Geldwertentwicklung in Deutschland: − Grundlage für Lohnverhandlungen und Wertsicherungsklauseln − Deflationierung in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) • Berechnung der Inflationsrate: VPI(t) − VPI(t − 1) I(t) = VPI(t − 1) 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 15 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen Berechnung des VPI (Laspeyres-Index): • monatlich werden über 300 000 Einzelpreise von Waren und Dienstleistungen eines bestimmten Warenkorbes erhoben • Güter des Warenkorbes werden in ca. 700 Güterarten eingeteilt (i) • für jede Gütergruppe i wird eine durchschnittliche Preismesszahl pt (i) p0 bestimmt • als Gewichte g (i) werden die Ausgabenanteile der Güterarten an den Haushaltsausgaben in der Basisperiode verwendet (sog. Wägungsschema) Anpassungen der Berechnungsgrundlage: • Warenkorb wird ständig angepasst • Wägungsschema wird alle 5 Jahre aktualisiert 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 16 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen 2.2.3 Hedonische Methoden in der Preismessung • Ziel des VPI: Messung der reinen Preisentwicklung • Grund für die Preisveränderung eines Gutes kann die Veränderung der Qualität sein • qualitätsbezogene Preisveränderungen sollen aus VPI herausgerechnet werden • es gibt verschiedene Methoden der Qualitätsbereinigung • hedonische Methoden sind Verfahren der Qualitätsbereinigung, die auf der linearen Regression beruhen: – Zeitvariablenmethode – Imputationsmethode 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 17 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen • Grundidee der hedonischen Methoden: man kann ein Gut in einzelne Qualitätsmerkmale zerlegen, die den Verkaufspreis bestimmen • Quantifizierung des Zusammenhangs zwischen Qualitätsmerkmalen und Verkaufspreis mittels linearer Regression • Verfahren eignet sich besonders für technische Güter, die schnellem Wandel unterliegen • Einsatz hedonischer Methoden bei der Preisindexberechnung des Statistischen Bundesamts z.B. für PCs oder Gebrauchtwagen Imputationsmethode: Idee: Schätze den allgemeinen Zusammenhang zwischen Preis und Qualitätsmerkmalen in einer Periode (t = s) und imputiere“ (d.h. schätze) den Preis, den das Produkt aus ” der anderen Periode (t = 0) bei den Verhältnissen in s hätte. 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 18 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen Zeitvariablenmethode: • Daten (Qualitätsmerkmale x1, . . . , xp und Preise) aus 2 verschiedenen Zeiträumen • Dummy-Variable für den Zeitraum: Dt = • Regressionsanalyse: 0, Basisperiode t = 0 1, Berichtsperiode t = s log(p) = β0 + p X βk x k + γ D t + ε k=1 • prozentuale qualitätsbereinigte Preisänderung zwischen t = 0 und t = s: p̂s,x − p̂0,x = [exp(γ̂) − 1] p̂0,x 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten ∀x = (x1, . . . , xp) 19 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen 2.2.4 Indexverknüpfungen Umbasierung einer Indexreihe: Gegeben sei eine Indexreihe zur Basisperiode 0, z.B. dann ist die Indexreihe zur Periode k gegeben durch: P0,0, P0,1, . . . , P0,t, . . ., P0,t ∀t. Pk,t = P0,k Verkettung von Indexreihen: Gegeben seien 2 Indexreihen, z.B. VPIs mit je verschiedenem Wägungsschema, das in 0 0 t = τ geändert wurde P0,0, P0,1, . . . , P0,τ +1 und Pτ,τ , Pτ,τ +1 , . . .. • Vorwärtsverkettung: P̃0,t = P0,t ,t ≤ τ 0 P0,τ Pτ,t ,t > τ • Rückwärtsverkettung: 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten P̃τ,t = P0,t/P0,τ 0 Pτ,t ,t ≤ τ ,t > τ 20 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen Def. 2.3. (i) (i) (i) i) Seien q0 , q1 , . . . , qt , . . . , i = 1, . . . , n die Zeitreihen der Verbrauchsmengen von Pn (i) n Gütern und g ≥ 0, i = 1, . . . , n, i=1 g (i) = 1, dann heißt Q0,t = n (i) X q t (i) g (i) q i=1 0 Mengenindex zur Gewichtsfunktion g (1), . . . , g (n). ii) Insbesondere ist der Mengenindex nach Laspeyres gegeben als: L Q0,t = n (i) X q t (i) q i=1 0 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten (i) (i) · Pn (l) Pn (i) (i) (i) (i) q · p 0 i=1 t i=1 p0 · qt = Pn (i) (i) = Pn (i) (i) , i=1 p0 · q0 i=1 p0 · q0 Pn p 0 · q0 (l) l=1 p0 · q0 21 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen iii) und der Mengenindex nach Paasche als: P Q0,t = n (i) X q t (i) q i=1 0 · (i) (i) p t · q0 Pn (i) (i) i=1 pt · q0 Pn (i) (i) i=1 pt · qt = Pn (i) (i) . i=1 pt · q0 • Beachte: Es gilt zwar Umsatz = Preis · Menge“, ” aber für Indizes gleichen Typs Umsatzindex 6= Preisindex · Mengenindex“. ” • Vielmehr müssen sich die Indextypen überkreuzen“, z.B.: ” Pn (i) (i) Pn (i) (i) Pn (i) (i) p t · q0 i=1 pt · qt i=1 pt · qt · U0,t = LP0,t · P Q0,t = Pni=1 (i) = Pn (i) (i) . (i) Pn (i) (i) i=1 p0 · q0 i=1 pt · q0 i=1 p0 · q0 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 22 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.2 Indexzahlen • Der Preisindex nach Paasche kann zum Deflationieren von aktuellen Umsatzgrößen n n X X (i) (i) (i) ut = pt qt verwendet werden, denn i=1 i=1 (i) u i=1 t Pn P P0,t Pn (i) (i) i=1 pt qt = Pn (i) (i) i=1 pt qt Pn (i) (i) i=1 p0 qt = n X (i) (i) p 0 qt , i=1 z.B. sog. BIP-Deflator. 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 23 Wirtschafts- und Sozialstatistik 2.3 Wachstumsraten 2.3 Wachstumsraten • Kennzahlen der Wirtschafts- und Sozialstatistik werden oft über die Zeit verglichen • Wachstumsrate: prozentuale Veränderung der Kennzahl Xt in Bezug auf den Wert einer Vergleichsperiode X(t−s) • Standardformel für Wachstumsrate zwischen t − s und t : ∆Xt = Xt − Xt−s Xt−s • Logarithmus-Approximation der Wachstumsrate: ∆Xt ≈ log(Xt) − log(Xt−s) 2 Quoten, Indizes und Wachstumsraten 24