Trigonometrie 2 Trigonometrie am allgemeinen Dreieck Wir können auch die Seiten und Winkel von allgemeinen Dreiecken mit Hilfe der Trigonometrie berechnen. Die einfachste Variante besteht darin, ein beliebiges Dreieck durch Einzeichnen einer Höhe in zwei rechtwinklige Dreiecke zu unterteilen. Allgemein lassen sich so auch zwei Sätze beweisen: Der Sinusund der Cosinussatz. 1. Unterteilung von allgemeinen Dreiecken in rechtwinklige Beispiel 1: Gegeben ein Dreieck mit b = 4 cm, c = 7.5 cm und = 32°. Berechnen Sie a, β und γ! sin(α) = hc b hc = .................... hc = .................... cm tan(α) = .................... ⇒ p = .................... p = .................... cm c = p+q q = .................... cm q = c–p .......... = .................... ⇒ β = .................... β = ....................° γ = ........................ γ = ....................° .......... = .................... ⇒ a = .................... a = .................... cm Beispiel 2: Gegeben ein Dreieck mit a = 6 cm, β = 20° und γ = 30°. Berechnen Sie b, c und α! α = .............................. α = ....................° .......... = .................... ⇒ hc = .................... hc = .................... cm hc = .................... ⇒ c'+c = .................... c'+c c'+c = .................... cm γ‘= .............................. γ‘ = ....................° .......... = .................... ⇒ b = .................... b = .................... cm c' = .................... ⇒ c' = .................... hc c' = .................... cm c = c’+c–c’ c = .................... cm Seite 1 Trigonometrie 2 2. Der Sinussatz Der Sinussatz hilft uns bei der Berechnung von Seiten und Winkeln in einem allgemeinen Dreieck, wenn eine Seite mit ihrem Gegenwinkel gegeben ist (z.B. a und α). Wir beweisen ihn für spitzwinklige Dreiecke: Wir berechnen die Höhe hc auf zwei Arten: hc = .............................. und hc = .............................. ⇒ .................... = .................... Sinussatz: In einem beliebigen Dreieck verhalten sich die Seiten wie die Sinuswerte ihrer Gegenwinkel: a sin(α) b sin(β) c sin(γ) oder = oder = = b sin(β) c sin(γ) a sin(α) Der Beweis für stumpfwinklige Dreiecke geht analog. € € € Beispiel 3: Gegeben ein Dreieck mit a = 6 cm, b = 4.5 cm und α = 62°. Berechnen Sie c, β und γ! € a sin(a) ⇒ sin(β) = .................... = b sin(b) β = ....................° α+β+γ = .................... ⇒ γ = .................... γ = ....................° c = .................... ⇒ c = .................... a c = .................... cm Sind von einem Dreieck zwei Seiten und der der kleineren Seite gegenüberliegende Winkel gegeben (sog. SSWkleiner) , so gibt es zwei Dreiecke als Lösung. Bei der Berechnung ist in diesem Fall Vorsicht geboten, dass die zweite Lösung nicht vergessen wird! Aufgaben 4. Gegeben ein Dreieck mit a = 6 cm, b = 4.5 cm und β = 20°. Fertigen Sie zur Lösung der Aufgabe zuerst eine gute Zeichung an (in diesem Fall am besten mit Zirkel und Lineal) und markieren Sie beide Lösungsdreiecke. Mit dem Sinussatz lassen sich dann beide Lösungen berechnen. 5.* Beweisen Sie den Sinussatz für stupfwinklige Dreiecke (α > 90°). Lösung: 4. α1 = 27.1°, γ1 = 132.9°, c1 = 9.64 cm; α2 = 152.9°, γ2 = 7.1°, c2 = 1.63 cm. Seite 2 Trigonometrie 2 3. Der Cosinussatz Beispiel 6: Gegeben ein Dreieck mit a = 5 cm, b = 4 cm und c = 8 cm. Berechnen alle Innenwinkel! Hier reicht der Sinussatz nicht mehr aus, denn es ist kein Winkel gegeben. Wir leiten nun den Cosinussatz her, der uns den Zusammenhang zwischen allen drei Seiten und einem Winkel gibt. hc = b·sin(α) p = b·cos(α) Satz von Pythagoras für das Dreieck DBC: a2 = hc2 + q2 a2 = (b·sin(α))2 + (c–b·cos(α))2 a2 = b2·sin2(α) + c2–2bc·cos(α) + b2·cos2(α) a2 = b2·(sin2(α)+cos2(α)) + c2 – 2bc·cos(α) a2 = b2+c2–2bc·cos(α) Entsprechende Gleichungen erhalten wir, wenn wir β oder γ anstelle von α verwenden. Cosinussatz: In jedem Dreieck gilt: a2 = b2+c2–2bc·cos(α) b2 = c2+a2–2ca·cos(β) c2 = a2+b2–2ab·cos(γ) Wir haben den Cosinussatz nur für spitzwinklige Dreiecke bewiesen. Der Beweis für stumpfwinklige Dreiecke geht analog. Lösung zu Beispiel 6: a2 = b2+c2–2bc·cos(α) ⇒ cos(α) = ........................................ α = ....................° b2 = c2+a2–2ca·cos(β) ⇒ cos(β) = ........................................ β = ....................° γ = 180°–α–β γ = ....................° Aufgaben 7. Gege ben ein Dreieck mit b = 4 cm, c = 7 cm und α = 64°. Berechnen Sie a, β und γ! 8. Beweisen Sie den Cosinussatz für stumpfwinlige Dreiecke (α > 90°). Lösung: 7. a = 6.36 cm, β = 34.4°, γ = 81.6°. Seite 3 Trigonometrie 2 Trigonometrische Funktionen Sinus, Cosinus und Tangens erfüllen alle Kriterien von Funktionen: Wir haben zwei Mengen und eine eindeutige Zuordnung. • Die Urbildmenge sind die Winkel zwischen 0° und 90°. • Die Bildmenge sind die reellen Zahlen zwischen 0 und 1 für sin(x) und cos(x), resp. ! für tan(x). In allen ähnlichen Dreiecken, sind die Seitenverhältnisse gleich. Damit gehört zu einem bestimmten Winkel genau ein Sinuswert, genau ein Cosinuswert und genau ein Tangenswert. Es gilt sogar, dass die trigonometrischen Funktionen umkehrbar sind, wenn wir die Urbildmenge nicht vergrössern: Zu jedem Winkel gehört genau ein Sinuswert, aber auch zu jedem Sinuswert ein eindeutig bestimmter Winkel. Diese Tatsache benutzt der Taschenrechner, der Ihnen zu einem Winkel z.B. den Sinuswert liefert, aber auch zu einem Sinuswert den zugehörigen Winkel. 1. Das Bogenmass Bis jetzt haben wir die Gradeinheit (°) für Winkel verwendet. Ein rechter Winkel misst so 90° und ein Vollkreis 360°. Diese Einteilung ist allerdings eher willkürlich. Deshalb erstaunt es nicht weiter, dass noch andere Einheiten für Winkel existieren. Das Neugrad z.B. teilt einen rechten Winkel in 100 Neugrad und somit einen vollen Kreis in 400 Neugrad. Dieses Mass wird oft im Ingenieurbereich verwendet. Für die Mathematik ist das Bogenmass die günstigste Winkeleinheit. Dabei misst ein rechter Winkel π/2 = 1.5708 und ein Vollkreis entsprechend 2π. Für diese Einteilung, die im ersten Moment völlig aus der Luft gegriffen erscheint, sprechen gute mathematische Gründe. Wenn wir einen Winkel zeichnen, so können wir ihn immer mit einem Kreis ergänzen. Zum Winkel gehört dann ein Bogen b, dessen Länge wir berechnen können: Beispiel: α = 42°, r = 2 cm, b = ? b = ................................ b’ b = ................................ cm = ............... cm b Nehmen wir einen anderen Kreis, aber denselben Winkel: α α = 42°, r' = 3.2 cm, b' = ? b' = ............... cm r r’ Bilden wir nun die beiden Quotienten b/r und b'/r': b = ............... r b = ............... ⇒ r Der Quotient ist gleich! Dieses Ergebnis ist nicht zufällig. Kreise können wie ähnliche Dreiecke durch zentrische Streckung in einander überführt werden. Bei den ähnlichen Dreiecken haben wir konstante Seitenverhältnisse gefunden und sie zur Definition von Sinus, Cosinus und Tangens verwendet. Hier nun ist das Verhältnis Bogen zu Radius konstant. Wir nutzen es als Winkelmass. Seite 4 Trigonometrie 2 Definition: Das zu einem Winkel gehörende Verhältnis Bogen b zu Radius r heisst Bogenmass des Winkels . Das Bogenmass ist ohne Einheit, ist also lediglich eine Zahl. Am Einheitskreis mit r = 1 (cm, m, …) finden wir den Winkel im Bogenmass gerade in der Länge des Bogens b. Grad ° 0° Bogenmass 0 30° 45° 60° 90° 180° 270° π/2 = 1.57 360° 2π = 6.28 2. Die trigonometrischen Funktionen am Einheitskreis Die Definition der trigonometrischen Funktionen kann verallgemeinert werden. Wir erweitern die Urbildmenge auf ganz !. Betrachten wir z.B. die Sinusfunktion am Einheitskreis: Wir können den Sinuswert direkt als vertikale Strecke konstruieren und ihn nach rechts übertragen. So erhalten wir Punkt für Punkt den Graphen der Sinuskurve. Diese Konstruktion lässt sich problemlos über x = π und auch über x = 2π hinaus fortsetzen. Bewegen wir uns auf dem Einheitskreis im Uhrzeigersinn, so lassen sich auch Werte für x kleiner als 0 gewinnen. Eigenschaften der Sinusfunktion: ................................................................................................................................................... ................................................................................................................................................... ................................................................................................................................................... ................................................................................................................................................... Aufgaben 9. a) Führen Sie die oben beschriebene Konstruktion für den Sinus auf Millimeterpapier durch. b) Konstruieren Sie die Kurven des Cosinus und des Tangens auf analoge Weise. c) Zählen Sie Eigenschaften der beiden neuen Kurven auf und vergleichen Sie alle drei Graphen miteinander. 10. Bestimmen Sie alle möglichen Winkel α im Bogenmass! a) sin(α) = 0.2 b) cos(α) = 0.2 c) tan(α) = 0.2. Lösung: 10a) 0.2014±2π·n, 2.9402±2π·n, b) 1.3694±2π·n, 4.9137±2π·n, c) 0.1974±π·n. (n immer ganzzahlig) Seite 5 Trigonometrie 2 3. Die harmonische Schwingung y Wir verallgemeinern hier die Konstruktion der Sinuskurve. Statt dem Einheitskreis betrachten wir einen Kreis mit einem beliebigen Radius a, lassen für die Rotation verschiedene Winkelgeschwindigkeiten zu und variieren den Startpunkt S. P a ϕ S Im ersten Schritt wählen wir einen beliebigen Radius a. Der Punkt P soll den Kreis in 2π Sekunden genau einmal durchwandern. Startpunkt zum Zeitpunkt t = 0 ist S. Dann gilt ϕ = t. Der Sinuswert variiert nun zwischen –a und a statt zwischen –1 und 1. Der Radius bestimmt also den grössten und kleinsten Wert, den die Sinusfunktion annimmt. Deswegen heisst a Amplitude der Funktion. Für die Funktion f(t) = a·sin(t) normal: y = sin(t), fett: y = 2·sin(t) gilt dann –a ≤ a·sin(t) ≤ a. Läuft der Punkt P b Mal so schnell, dann gilt ϕ = b·t und damit f(t) = sin(b·t) Eine ganze Schwingung ist nun nach 2π/b Sekunden vorbei. Dies ist die Periode T der Schwingung. Es gilt: T = 2π 2π = b ω normal: y = sin(t), fett: y = sin(2·t) b resp. ω ist die Winkelgeschwindigkeit. Der Kehrwert der Periode € T heisst Frequenz f der Schwingung. f = 1 b ω . = = T 2π 2π Startet schliesslich der Punkt P nicht in S, sondern in einem anderen Punkt auf dem Kreis, so ergibt sich der € Graph durch horizontale Verschiebung aus der normalen Sinusschwingung. Gilt für t = 0, dass ϕ = c, dann ergibt sich f(t) = sin(t+c) normal: y = sin(t), fett: y = sin(t+π/2) c heisst Phasenverschiebung. Seite 6 x Trigonometrie 2 4. Überlagerte Schwingungen Betrachtet man nicht eine einzelne Schwingung, sondern die Kombination von zwei oder mehreren, redet man von einer Überlagerung. Hier sollen zwei Möglichkeiten aufgezeigt werden. 4.1. Die Summe von Sinusschwingungen In der Akustik entstehen Klänge von Instrumenten durch Überlagerung (und damit mathematisch als Summe) mehrerer Sinusschwingungen. Zum Grundton kommen in eine für jedes Instrument typische Art Oberschwingungen dazu. So klingt dann ein bestimmter Ton auf einem Cello nicht wie der gleiche Ton auf einer Flöte. Beispiel: Rechteckskurve Grundschwingung: f0(x) = sin(x) Oberschwingungen: fn(x) = 1 sin((2n + 1) ⋅ x) , n ∈ ". 2n + 1 € g(x) = sin(x)+1/3·sin(3x)+1/5·sin(5x) Aufgaben 11. Erzeugen Sie die Rechteckskurve auf Ihrem eigenen Rechner. 12. Welche Kurve ergibt sich, wenn die Oberschwingungen durch die Funktionen fn(x) = (–1)n+1/n·sin(n·x), n ∈ ", gegeben sind? 4.2. Lissajous–Figuren Die harmonische Schwingung des letzten Abschnitts ist eine Schwingung mit nur einer Schwingungsrichtung. Wenn wir die Zeit t in einem Koordinatensystem horizontal abtragen, so ist die Schwingungsrichtung senkrecht dazu, längs der y–Achse. Überlagern wir diese eine vertikale Schwingung mit einer zweiten, die horizontal schwingt, so entstehen spannende Schwingungskurven, die Lissajous–Figuren heissen. Die Kurven der Lissajous–Figuren sind keine Funktionsgraphen, sondern parametrisierte Kurven. Die beiden Koordinaten x und y eines Kurvenpunktes P(x|y) wird durch zwei Funktionen bestimmt, die von der Zeit t abhängen. t läuft typischerweise von 0 bis 2π. Gezeichnet werden sie auf einem TI–89 mit dem Funktionsmodus ParametricPlot. Seite 7 Trigonometrie 2 Beispiele: Bei allen Funktionen ist die Amplitude und die Winkelgeschwindigkeit gleich 1. Variiert wird nur die Phasenverschiebung. Schwingung für die x–Koordinate Schwingung für y–Koordinate x(t) = sin(t) y(t) = sin(t) x(t) = sin(t) y(t) = sin(t+π/2) = cos(t) x(t) = sin(t) y(t) = sin(t+π/4) Überlagerte Schwingung Weitere Beispiele: Jetzt verändern wir zusätzlich die Winkelgeschwindigkeit. x(t) = sin(t) y(t) = sin(2t) x(t) = sin(2t) y(t) = sin(3t) Aufgabe 12. Erzeugen Sie weitere Lissajous–Figuren auf Ihrem eigenen Rechner, indem Sie Winkelgeschwindigkeiten und die Phasenverschiebungen variieren. Seite 8