Psychosomatik - Transpersonale Psychotherapie

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Können Gedanken töten?
Teil I: Psychosomatik
E. W. Harnack
Diplom-Psychologe und
Psychotherapeut
www.transpersonale-psychotherapie.de
Psychosomatik: Klarer geht’s nicht
Wo kennen Sie psychosomatische Wirkungen?
Beispiel Rückenschmerz: Die psychischen
Einflussfaktoren erklären Ausmaß und Dauer
chronischer Schmerzen besser als alle bekannten
medizinischen Fakten (Aussage medizinischer
Fachverbände).
Alles nur Einbildung? Oder kann negative
„Einbildung“ (In-Sich-Hineinbilden) sogar
tödlich sein?
Kritische Stimmen:
Das Magengeschwür
Barry Marshall und J. Robin Warren (Nobelpreis
2005): Helicobacter pylori
Steven Hyman: „Es ist völlig klar
geworden, dass psychologische
Faktoren dabei keine Rolle spielen“.
Chronische Gastritis (ca. 45% Prävalenz):
Typ A: Autoimmunkrankheit
5%
Typ C: Schmerzmittel/Reflux
15%
Typ B: Mit H.p.-Infektion
80%
⇒ Magengeschwür/Magenkrebs davon 25%
Eine Antwort auf Kritische Stimmen:
Das Magengeschwür
⇒ Das unüberwindbare Zeitalter der Monokausalität
Offene Fragen:
Wieso bekommen 75% der H. p. Patienten kein
Magengeschwür?
Magenbeschwerden ohne Magengeschwür (nicht-ulzeröse
Dyspepsien) sind nicht mit H. p. assoziiert! ⇒ Womit dann?
Wird jeder, der H. p. ausgesetzt ist, infiziert?
5-10%, sind H. p. infiziert, aber nicht krank: Sind sie im
Stadium vor der Erkrankung oder vor der immunologischen
Ausmerzung des Bakteriums?
Was ist Psychosomatik?
Wir machen noch einige Tests, nur um sicher
zu gehen, dass es nichts Psychosomatisches ist.
Eingebildet krank?
Psychisch krank, aber
körperlich gesund?
Psychisch krank, weil der
Körper krank ist?
Körperlich krank, weil
die Psyche krank ist?
Psychosomatik =
…der psychische Einfluss
auf somatische Vorgänge
Geschichtliches & Theoretisches
Psychosomatik: Eine Wiederentdeckung der
Psychoanalyse
Geschichtliches & Theoretisches
Meilensteine der analytischen Psychosomatik
Georg Groddeck (*1866): Der Symbolgehalt in jedem
organischen Symptom
Victor von Weizsäcker (*1886): Krankheit als Problemlöseversuch in Lebenskrisen
Franz Alexander (*1891): Unbewusste Konflikte →
symbolische Symptome; emotionale Spannungen →
unspezifische Symptome
M. Schur: Theorie der De- und
Resomatisierung
A. Mitscherlich (*1908): Die zweiphasige
Verdrängung
Sifneos (*1920): „Alexithymie“: Unfähigkeit,
Gefühle zu „lesen“
Geschichtliches & Theoretisches
Psychosomatik: Eine Wiederentdeckung der
Psychoanalyse
Das biopsychosoziale Krankheitsmodell (Engel)
Das biopsychosoziale
Krankheitsmodell
Giving-up-given-upcomplex: Erleben von
„Objektverlust“ führt zu
Krankheit
Der Mensch als System
mit organischen,
psychischen und sozialen
Anteilen: Komplexes
statt unidirektionales
Aufeinandereinwirken
Systemhierarchie:
Biosphäre
Gesellschaft, Nation
Kultur, Subkultur
Gemeinde, Gemeinschaft
Familie
2-Personen-Beziehung
Person
Organe
Gewebe
Organellen
Moleküle
Atome
G. L. Engel
Subatomare Teilchen
Geschichtliches & Theoretisches
Psychosomatik: Eine Wiederentdeckung der
Psychoanalyse
Das biopsychosoziale Krankheitsmodell (Engel)
Verhaltensmedizin
Psychophysiologie/Verhaltensmedizin
Klassische Konditionierung:
Der Hund sabbert, wenn er
nur die Glocke hört.
Operante Konditionierung:
Der Hund drückt einen
Knopf, wenn er dafür
belohnt wird.
„Kognitive
Konditionierung“:
Aufbau von Erwartungen
Psychosomatische Wirkfaktoren
1.
Äußerliche Effekte:
2.
Konditionierungseffekte
3.
Verhaltenseinflüsse: Z. B. Bewegung, Ernährung,
Genussmittel/Drogen, Sexualverhalten, soziale
Aktivität
Klassisch, operant, kognitiv
Komplexe/emotionale Effekte
Stress und psychische Akutsituationen
Chronische emotionale Zustände und Konflikte
Persönlichkeitsfaktoren: Cholerisch, resignativ,
optimistisch, alexithym
Psychische Störungen: z. B. Angst, Depression
Placebo und Nocebo:
Ich gefalle oder schade…
Konditionierung:
Konditionierung:
HinweisSchmerzlinderung
+ Wirkstoff gleichzeitig
⇒
Benedetti (1999):
beigegeben
Gabe eines
der Hinweis kann den Wirkstoff ersetzen
Placebos ohne Erwartung einer Wirkung
Erwartung:
Positive Erwartung:
Mosley (2002):
Knie
/ Knorpelgl
ättung
Eine
echte-Arthroskopie
positive Erwartung
löst
versus Schnittwunde
Selbstheilungskräfte aus
McRae (2004): Scheinbare Parkinsonoperation
Zuwendung:
Positive Zuwendung:
Kaptchuk
(2008): Placebo
-Akupunktur
+ positive
Unterstützende,
positiv
aktivierende oder
auch
Zuwendung
ist besserZuwendung
als Placebo
-Akupunktur
nur gedankliche
Anderer
kann
Selbstheilung fördern
Drei Formen
tödlicher psychischer Einwirkung
1) Tod durch eigenes Verhalten:
Der Tod ist Folge eines Verhaltens, das wiederum Ausdruck eines
psychischen Zustandes ist:
• Suizid ohne psychische Störung
• Suizid bei psychischer Störung (v. a.
Depression, Schizophrenien)
• „Suizid auf Raten“ bei psychischer
Störung z. B. bei Anorexia nervosa (Letalität ca. 10%)
• „Suizid auf Raten“ durch sonst.
gesundheitsschädliches Verhalten
(Rauchen, Alkoholabusus etc.)
• sonst. parasuizidales Verhalten (z. B.
Fahren unter Alkohol, „Autorennen“)
Drei Formen
tödlicher psychischer Einwirkung
2) Tod durch psychophysiologische
Wirkungen:
Der Eintritt des Todes wird durch
einen bestimmten psychischen Zustand
(psychophysiologisch) begünstigt
Langfristige psychophysiologische
Wirkungen:
a) Psychosoziale Faktoren des
Immunsystems mit Auswirkungen
z. B. auf Infektionen, Allergien, Krebs
b) Psychosoziale Faktoren des Hormonsystems und des neuronalen
Systems mit Auswirkungen auf z. B. Herz-Kreislauf
Drei Formen
tödlicher psychischer Einwirkung
3) Psychogener Tod:
Der Tod tritt akut und ohne
erkennbare physiologische
Primärursache ein + es liegen
besondere psychische Bedingungen
vor
→ Thema von Vortrag II
Stress und die Folgen
3 Stressphasen nach Selye:
Akuter Stress = Alarmreaktion: Aktivierung des
sympathischen Nervensystems → Ausschüttung der
Stresshormone
Adaptationsphase: Das parasympathische
Nervensystem versucht den Stress abzufangen.
Erschöpfungsphase: Die Adaptation bricht zusammen
Die Wirkung von Stress ist von der Dauer abhängig!
Stress und die Folgen
Aktivierung des „Stressnervensystems“ (Sympathikus) ⇒
Ausschüttung von Stresshormonen (Adrenalin, Noradrenalin, später
auch Cortisol und Somatotropin, Aldosteron)
Immunsystem wird
erst gesteigert
→ Allergien,
dann unterdrückt
→ Infektionen,
Krebs
Veränderte MagenDarm-Aktivität
→ Ulcus
Muskelspannung ↑
• Verengung der
Blutgefäße ⇒ Blutdruck ↑
• Freisetzung von Fett
⇒ Blutfette ↑ ⇒ Risiko
für Arterienverkalkung ↑
• Herzfrequenz ↑
⇒ Herzinfarkt- und
Schlaganfallrisiko ↑
• Zunahme von
Entzündungsprozessen
• Blutzuckerspiegel ↑
Psychoneuroimmunologie
1.
Robert Ader
(mit N.
Cohen,
1975):
Konditionierung der
Unterdrückung des
Immunsystems
bei Ratten
2.
⇒
Konditionierungsgruppe:
Immunsuppressivum +
Zuckerlösung ⇒
Immunsuppression
Injektion eines Antigens
a) Normale Ratten:
Immunantwort
b) Konditionierungsgruppe:
keine Immunantwort
Psychoneuroimmunologie
Studienergebnis
Studie
1. Hemmung des Immunsystems:
•
durch Depression
Stein, Keller, Schleifer
(1985): J Immunology
•
durch Scheidung
Kiecolt-Glaser & Glaser
(1986): Psychosomatics
•
Verlust einer Bezugsperson
Schleifer et al. (1983): JAMA,
374
•
Prüfungen
Kiecolt-Glaser et al. (1986): J
Behav Med, 5
•
durch laute Geräusche und milde Elektroschocks
Weisse et al. (1990) : Brain,
Behavior, and Immunity,
2. Unter kurzfristiger Belastung (1 Std. bis 1 Tag)
steigt die Leukozytenzahl im Blut; unter
Entspannung sinkt sie
Bongartz, W. (1996): Der
Einfluss von Hypnose
und Stress auf das
Blutbild.
3. Menschen, die einen Angehörigen mit Alzheimer
pflegen, zeigen geringere Antikörperreaktion bei
Grippeimpfungen
Kiecolt-Glaser (1996)
Depression
Depression erhöht die Rate von (tödlichen)
Herzinfarkten und Schlaganfällen signifikant (Severus
et al. 2001; Bushet al. 2001; Jiang 2001; Serebruany 2001; Jonas et al. 2000; Wulsin et al.
1999; Anda 1993; )
Depression und Niedergeschlagenheit hemmen
das Immunsystem (Stein et al. 1985; Kiecolt-Glaser & Glaser 1986;
Schleifer et al. 1983)
Depression bewirkt:
1,7fache Sterblichkeit gegenüber Nicht-Depressiven
höhere Rate an Herzkrankheiten
Sterblichkeit 4 Monate nach Herzinfarkt bei 23% statt bei 3%
ohne Depression
Schlaganfälle ereignen sich bei Depressiven 1,73 mal so oft wie
bei vergleichbaren Nicht-Depressiven
Krank durch Depression?
„Jedes Verbindungsglied der Kette
Verlust – Pessimismus – Depression –
Katecholamin-Erschöpfung – EndorphinErschöpfung – Immunsuppression – Krankheit
ist testbar und für jede Verbindung haben wir Beweise
für ihre Wirkungsweise.“
Martin Seligman (Entdecker der Hilflosigkeitsreaktion)
Ärger
Neigung zu Ärger erhöht den Blutdruck und die
Blutfett signifikant (10fach) (Perini 1991; Jenkins 1981; McClelland
1979; Everson 1998; Samova 1995; Markovitz 1991; Kahn 1972; Kawachi 1996; Shekelle
1983; Irribaren 2000)
Schlecht: Häufiges Ärgerempfinden – und dann auch und
besonders zu lange beibehaltener (unausgedrückter) Ärger
⇒
chronisch erhöhter Blutdruck
erhöhte Blutfette
erhöhtes Risiko für Arterienverkalkung
⇒
erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall
Psychofaktor
Effekt
Studie
Psychofaktor
Effekt
Studie
Ärger allgem.
62%
Perini 1991
Defensivität
49%
Rutledge 2000
31%
Jenkins 1981
Ängstlichkeit
47%
Perini 1991
60%
McClelland 1979
39%
Markovitz 1991
44%
Everson 1998
31%
Markovitz 1993
31%
Samova 1995
25%
Jonas 1997
28%
Markovitz 1991
0
Samova 1995
20%
Kahn 1972
Neurotizismus
36%
Spiro 1995
Depressivität
30%
Davidson 2000
Ärger introvertiert
0
Ärger extravertiert
Hoffnungslosigkeit
Markovitz 1993
50%
Everson 1998
23%
Everson 2000
0
Markovitz 1993
22%
Jonas 1997
0
Markovitz 1991
57%
Everson 2000
Gesamteffektstärke
∼ 28%
Krebs
Krebs nimmt bei resignativer Einstellung
(tendenziell) einen schlechteren Verlauf
(Greer et al. 1979; Tschuschke et al. 1994)
Untersuchung von Patientinnen mit unterschiedlichem
Krankheitsumgang 5 Jahre nach einer Behandlung
wegen Brustkrebs:
„Kampfgeist“: 80% blieben gesund!
Verleugnung: 70% gesunde Patientinnen!
„Stoizismus“: 40% blieben gesund!
Hilf- und Hoffnungslosigkeit: 20% gesund!
Psychosoziale Einflussfaktoren bei
Todesfällen im Kleinstkindalter
Anaklitische Depression
Spitz (1946): 37% der Kinder mit Hospitalismus starben
innerhalb von 2 Jahren an Atemwegserkrankungen,
Masern und gastrointestinalen Problemen
Plötzlicher Kindstod bei Stress?
mit 30% der Todesfälle die häufigste Todesursache bei
Kindern zwischen 30 Tagen und 12 Monaten ⇒
Einfluss von Stressfaktoren?
Wie funktioniert Psychosomatik?
Angeborene
körperliche
Stärken und
Schwachstellen
Angeborene
seelische
Stärken und
Schwächen
+
Körperliche
Belastungen
Hormon
-system
chronisch/
akut
Immunsystem
+
+
Stress,
seelische
Belastungen
chronisch/
akut
Nervensystem
Muskelsystem
HerzKreislaufSystem
MagenDarm
Bewegun
gssystem
etc.
Was ist nicht psychosomatisch?
⇒
Die Frage ist nicht, welche Krankheit
psychosomatisch ist, sondern ob wir mit
ihren psychosomatischen Wechselwirkungen
umgehen können!
Komplexes Denken: Multifaktoriell und
multidisziplinär; kein Entweder-Oder!
Die entscheidende Frage:
Wie viel Interdisziplinarität verträgt der
Arzt, wie viel der Patient?
Schlussfolgerungen
Verhalten, Emotionen und Einstellungen
beeinflussen unseren Gesundheitszustand!
Wir können unseren Gesundheitszustand positiv
beeinflussen – solange es nicht zu spät ist!
Es kann dennoch sinnvoll sein, positiv auch auf
bereits entstandene oder chronifizierte
Erkrankungen psychosomatisch einzuwirken.
Es ist nie zu spät, den Umgang mit nicht mehr
behebbaren Körperschäden positiv zu gestalten.
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Meine nächsten Urania-Vorträge:
02.12.2010: Kultur und Psychopathologie
05.01.2011: Können Gedanken töten II
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