Stereochemie Die Stereochemie befasst sich mit der Untersuchung von Eigenschaften und Reaktionen chemischer Verbindungen auf Grundlage und unter besonderer Berücksichtigung der räumlichen Struktur. – spezielle „Sicht“ auf die Chemie, keine eigentliche Teildisziplin – abgeleitet von „stereo“ = griech. für körperliche, räumlich – Unterteilung : - statische Stereochemie - dynamische Stereochemie Stereochemie und die Sinne • Der Geruchsinn O O Carvon Limonen Orange (Gummi) Zitrone Kümmel • Der Geschmacksinn COOH NH2 CONH2 bitter COOH Asparagin NH2 CONH2 süß Minze Stereochemie und Arzneimittel Der Contergan-Skandal: „Es gab einmal den Wunschtraum von der harmlosen und völlig ungefährlichen Schlaftablette: Contergan wurde rezeptfrei an Millionen von Frauen - darunter auch viele Schwangere in der Bundesrepublik Deutschland abgegeben. Aus dem Wunschtraum entwickelte sich ein Albtraum. 5.000 Kinder wurden mit schwersten Missbildungen geboren, nur die Hälfte überlebte. Weltweit sind 12.000 Contergan-Opfer registriert. Erst 1961 wurde die Horror-Pille von ihrem rheinländischen Hersteller, der "Grünenthal Chemie", vom deutschen Markt genommen. (aus einer Programmankündigung für eine Dokumentation der ARD 2003) Thalidomid Das grausame Spiegelbild schlafinduzierend teratogen Stereochemie und pharmakologische Wirkung • Thalidomid: Original: schlafinduzierend Spiegelbild: teratogen • Methylphenylbarbitursäure: Original: narkotisch Spiegelbild: krampferregend • Propranolol: Original: ß-Blocker Spiegelbild: Contraceptivum • Penicillamin: Original: Antiarthriticum Spiegelbild: extrem toxisch Stereochemie = nobelpreiswürdig Chemie-Nobelpreis 2001 K. Barry Sharpless für seine Arbeiten über katalytische asymmetrische Oxidationen Ryoji Noyori William S. Knowles für ihre Arbeiten über asymmetrische Hydrierungsreaktionen Stereochemie Das Handwerkszeug Konstitution Definiert die Art und Reihenfolge der in einem Molekül vorhandenen Bindungen und Atome Konfiguration Definiert die räumliche Anordnung der Atome ohne Berücksichtigung der verschiedenen Anordnungen, die durch Rotation um Einfachbindungen erhalten werden. Konformation Bezeichnet die genaue, durch Drehung um Einfachbindungen einstellbare räumliche Anordnung der Atome eines Moleküls. Konstitution Wieviele Atome welcher Art sind wie miteinander verknüpft? • Die Darstellung der Konstitution wird mit Hilfe von Strukturformeln realisiert. • Summenformel reichen zur Darstellung der Strukturformel nicht aus. Es sind Isomere möglich ! Isomerie Isomere sind Verbindungen gleicher Summenformel, die sich jedoch bezüglich Konstitution, Konfiguration oder Konformation unterscheiden. Konstitutionsisomere sind isomere Verbindungen, die sich in ihrer Konstitution unterscheiden. Sie werden unterteilt in: - funktionelle Isomere Positionsisomere Gerüstisomere Tautomere Valenzisomere Funktionelle Isomerie Funktionelle Isomere enthalten bei gleicher Summenformel unterschiedliche funktionelle Gruppen. OH O OH Diethylether O Diisopropylketon n-Butanol Cyclohexylmethanol O OH O Phenylessigsäure H Anisaldehyd OH 2-(p-Aminophenyl)-ethanol O COOH O O H2N O N H 3-Acetyl-2,5-dimethylpyrrol Caprolacton H N Hexensäure NH2 NH2 N Phenylhydrazin Pyridylmethylamin Positionsisomerie Positionsisomere enthalten bei gleicher Summenformel ein identisches Grundgerüst, an dem die Substituenten an verschiedenen Positionen angeknüpft sind. OH OH Isobutanol n-Butanol OH O OH OH O O O HO 2-(2-Hydroxyphenyl)- 2-(4-Hydroxyphenyl)essigsäure essigsäure OH O NH2 OH O Caprolacton Oxepan-4-on NH2 NH2 H2N 2-(p-Aminophenyl)-ethanol 2-Amino-2-phenyl ethanol 1-Naphtylamin 2-Naphtylamin Gerüstisomerie Gerüstisomere Methylbutan Anthracen sind Positionsisomere deren unterschiedlich angeordnete Substituenten keine funktionellen Gruppen bzw. Heteroatome sind. n-Pentan Phenantren Decalin Hexatrien Tetramethylcyclohexan 3-Methylenpenta-1,4-dien Tautomerie Tautomere sind im Gleichgewicht stehende Isomere, die durch Verschieben von σ- und π-Bindungen ineinander überführt werden können. Meist unterscheiden sich tautomere Formen in der Stellung eines Protons und der Lage einer Doppelbindung (prototrope Tautomerie). X X Y H H Y Keto-Enol-Tautomerie O O H H H H Keto-Form Enol-Form OH O Aceton > 99% O Acetessigsäureester O EtO O OH EtO ~ 50% OH O 1,3-Cyclohexadion O O 5% Weitere Tautomerie-Arten Imin-EnaminTautomerie N N H H Imin-Form Lactim-LactamTautomerie O H N Lactim-Form Valenztautomerie (Valenzisomerie) H H Enamin-Form O N H Lactam-Form Übersicht zur Isomerie Isomere Konstitutionsisomere Funktionelle Isomerie Positionsisomerie Gerüstisomerie Tautomerie Valenzisomerie Stereoisomere Konfigurationsisomere Konformationsisomere Enantiomere Sessel/Wanne Diastereomere coplanar eclipsed staggered Konfigurationsisomere Konfigurationsisomere zeigen bei gleicher Konstitution unterschiedliche räumliche Anordnungen ihrer Atome, wobei Rotationen um Einfachbindungen unberücksichtigt bleiben. Beachte: Konfigurationsisomere sind immer auch Stereoisomere. Stereoisomere sind aber nicht zwangsläufig Konfigurationsisomere! Konfigurations- versus Konformationsisomere Konfigurationsisomere Cl H Cl OH H OH Konformationsisomere Konformationsisomere geringe Energiebarriere Cl H OH Konfigurationsisomere H hohe Energiebarriere Cl OH Stereoisomere: Eine Einteilung Einteilung nach Stabilität: • Dynamische Stereoisomere sind in der Lage sich ineinander umzuwandeln. Meist handelt es sich hierbei um Konformationsisomere. • Statische Stereoisomere existieren als „greifbare“ Verbindungen nebeneinander. Dies ist meist bei Konfigurationsisomeren der Fall. Einteilung nach Spiegelbildlichkeit: • Verhalten sich zwei Stereoisomere wie Bild und Spiegelbild, werden sie Enantiomere genannt. • Zwei nicht spiegelbildliche Diastereomere genannt. Stereoisomere werden Statische und dynamische Stereoisomere Konformere als Enantiomere Cl H H Cl H H3C H Cl H H H CH3 H Meist besteht eine Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Konformeren und damit auch zwischen den Enantiomeren. Konfigurationsisomere als Enantiomere Cl HO OH H Cl CH3 Cl H OH CH3 Enatiomere Konformationsisomere stehen in der Regel nicht miteinander im Gleichgewicht. Unter dem Einfluss von chem. Reagenzien ist u.U. Racemisierung möglich. Enantiomere • verhalten sich wie Bild und Spiegelbild. • sind in keiner Weise miteinander zur Deckung zu bringen. • sind chiral. Chiralität ist die notwendige und hinreichende Bedingung für das Auftreten von Enantiomeren. • zeigen in achiraler Umgebung identisches chemisches Verhalten. • zeigen gleiche physikalische Eigenschaften (Schmelzpunkt, Siedepunkt, Brechungsindex, Dichte usw.); Ausnahme: Richtung, in der sie die Schwingungsebene von linear polarisiertem Licht drehen (optische Aktivität). • können Konfigurations- oder Konformationsisomere darstellen. Die optische Drehung Chiralität Jedes Objekt, das mit seinem Spiegelbild nicht zu Deckung gebracht werden kann, besitzt Chiralität. Achirale Objekte sind mit ihrem Spiegelbild identisch. Chirale Objekte: • Gesicht • Schraube • Schallplatte • Schrift • Milchsäure-Moleküle Zentrale Chiraliät • Tritt bei Molekülen auf, die ein Chiralitätszentrum besitzen. • Das Chiralitätszentrum ist meist ein asymmetrisches C-Atom (genauer: asymmetrisch substituiert). Seltener findet man asymmetrisch substituierte N-, Soder P- Atome. • Das Asymmetriezentrum ist tetraedrisch von vier unterschiedlichen Liganden umgeben. d c a a a C C C b d c b b c d Beispiele zentraler Chiralität Br Bromchlorfluormethan Br H Cl H F OH 1-Phenylethanol CH3 H 2-Cyclohexenol OH F Cl HO H H H3C HO H Beispiele zentraler Chiralität an Heteroatomen N-Ethyl-N-methyldihydro1,4-oxazin + CH3 H3C N H3C + N O O ..S Methylphenylsulfoxid O O CH3 H3C CH3 .. S Cl Cl Cl Cyclophosphamid O Cl N P NH N O O P HN O Symmetrie Symmetrieelemente: Symmetrieelemente dienen zur Charakterisierung Einteilung der verschiedenen Formen der Symmetrie. und Man unterscheidet: • Symmetrieachsen Cn Operation: Drehung • Symmetrieebenen σ Operation: Spiegelung • Symmetriezentren i Operation: Inversion • Drehspiegelachsen Sn Operation: Drehspiegelung Achsensymmetrie I Cn : n= 360°/α α ist der Winkel, um den das Molekül um die Symmetrieachse gedreht werden muss, sodass wieder die Ausgangssituation erreicht wird. C1-Symmetrie = Identität = trivial 180° 120° 72° 60° Achsensymmetrie II Ein achsensymmetrisches Molekül ist nicht zwangsläufig achiral !! Me Et H H Et Me Et Me H H Me Et Spiegelsymmetrie Eine Symmetrieebene s ist eine Spiegelebene, die das Molekül so in zwei Hälften teilt, dass jede Hälfe das Spiegelbild der jeweils anderen darstellt. H3C CH3 Cl Cl H H Strukturen mit Spiegelsymmetrie sind achiral aber nicht asymmetrisch! Punktsymmetrie Eine Symmetriezentrum i überführt jeden Punkt in einem Molekül durch Spiegelung in einen identischen Punkt. Strukturen mit Punktsymmetrie sind achiral aber nicht asymmetrisch! Drehspiegelachsen Sn Drehspiegelung: Das Molekül wird an einer Achse um 360/n Grad gedreht und anschließend an einer zu dieser Achse senkrechten Ebenen gespiegelt. Drehspiegelachse S1: Drehung um 360° und anschließende Spiegelung entspricht der Spiegelebene. Drehspiegelachse S2: Drehung um 180° und anschließende Spiegelung entspricht einem Symmetriezentrum. Konfigurationsbestimmung an stereogenen Zentren Die Bezeichnung der absoluten Konfiguration an stereogenen Zentren erfolgt i. A. nach der Konvention, die von R. S. Cahn, C. Ingold und V. Prelog 1951 eingeführt wurde. Durch diese Cahn-Ingold-Prelog- (CIP-) Konvention wurde eine universell anwendbare Nomenklatur stereogener Zentren durch Benennung der vorliegenden Konfiguration mit R (lat. rectus = rechts) oder S (lat. sinister = links) geschaffen. Neben der CIP-Konvention ist v.a. für Zucker, Aminosäuren sowie einige andere Naturstoffe die von Emil Fischer definierte traditionelle Einteilung (Fischer-Konvention) nach D- und L-Konfiguration gebräuchlich. CIP-Konvention Grundidee: Die Bezeichnung der Konfiguration mit R oder S erfolgt auf der Basis der Prioritätsreihenfolge der Substituenten am Chiralitätszentrum. Diese muss mit Hilfe genau definierter Regeln festgelegt werden. Anwendbarkeit: Die CIP-Konvention ist auch bei Molekülen mit mehreren Chiralitätszentren anwendbar. Darüberhinaus ist sie die Grundlage der Konfigurationsbestimmung nach E und Z (cis und trans), z.B. an C-C-Doppelbindungen. CIP-Konvention: Die Vorgehensweise 1. Die Substituenten des stereogenen Zentrums werden mit Prioritäten belegt. Hierbei gilt: • Nichtbindende Priorität. Elektronenpaare haben die niedrigste • Die Priorität der Substituenten steigt mit der Ordnungszahl des direkt am Chiralitätszentrum gebundenen Atoms. • Ist die Ordnungszahl gleich, steigt die Priorität zunehmender Atommasse (bei Isotopen z.B 13C > 12C). mit 2. Sind zwei oder mehr Substituenten nach Anwendung von Schritt 1 noch gleichwertig, werden die Atome in der nächsten Sphäre (= zwei Bindungen vom stereogenen Zentrum entfernt) betrachtet und nach den unter Schritt 1 dargelegten Regeln eingeteilt. CIP-Konvention: Die Vorgehensweise Beispiel für Schritt 1 und 2: Nach Ordnungszahlen der direkt gebundenen Atome einteilen H O Cl H O CH3 H a d O b' Cl H Ob CH3 Betrachtung der zweiten Sphäre H a O Cl c H d O b CH3 Zwischen OH und OCH3 ist in dieser 1. Sphäre keine Entscheidung möglich. CIP-Konvention: Die Vorgehensweise 3. Sind alle Prioritäten zugeordnet, wird das Molekül so betrachtet, dass der Substituent mit niedrigsten Priorität vom Betrachter abgewendet ist. 4. Sinkt die Priorität der drei dem Betrachter zugewandten Substituenten im Uhrzeigersinn, so handelt es sich definitionsgemäß um die R-Konfiguration. Sinkt die Priorität entgegen dem Uhrzeigersinn, so handelt es sich um die SKonfiguration. CIP-Konvention: Die Vorgehensweise Beispiel für Schritt 3 und 4: a H Cl d O O H c b CH3 Drehung a H Cl OH c b OMe Betrachtung der Sustituenten a-c a b OMe Cl OH c R-Konfiguration Anwendung der CIP-Konvention H3C OH CHO HOCH2 * H c CHO HOCH2 b H c Hd H3C H CHO a a H3C CH3 CH2OH OHC "Gas geben" "Gas geben" OHC a CHO CH2OH CHO H3C CH2OH b a a CH3 OHC CH2OH b b R S c CH3 CH2OH H d c c a OHC b d H d CH3 c CH2OH b „Spezialregeln I“ Beim Wechsel in die nächsthöhere Sphäre folgt man immer dem Weg des „höherwertigen“ Atoms. Cl H Br Cl BrBr * I F OH Cl F I H C H H C Br H H C Br Br C H F F H Cl C C C C C C C H H H H D H H H „Spezialregeln II“ Mehrfachbindungen werden gemäß dem u.g. Schema aufgelöst. Die dabei auftretenden Phantomatome haben immer eine niedrigere Priorität als die entsprechenden realen Atome. Regel: Bei der Auflösung wird jedes Atom einer Doppelbindung (Dreifachbindung) mit einem (zwei) Phantom-atomen ergänzt, das der Atomspezies auf der anderen Seite der Mehrfachbindung entspricht. Prioritätenliste Übungen OH Cl H2N CH3 OMe O CH3 OH O D O N O ClCH2 H3C O Me CH3 N + CH2CH3 N O N H O COOH CH3 Et OH Rechte Hand-Regel • Zuordnung der CIP-Prioritäten a, b, c, d für die Substituenten an einem asymmetrischen KohlenstoffAtom. • Die rechte Hand wird so gehalten, dass der Daumen die C*-d-Bindungsachse darstellt und in Richtung des Substituenten d deutet. • Die Finger werden in Richtung der absteigenden Priorität der Substituenten a, b und c gekrümmt. • Ist dies (aus anatomischen Gründen) nicht möglich, so liegt die S-Konfiguration vor. • Gelingt dies, so liegt die R-Konfiguration vor. Axiale Chiralität • Ein Chiralitätszentrum ist keine notwendige Voraussetzung für das Auftreten von Chiralität. Anstelle des Asymmetriezentrums kann auch einen Chiralitätsachse die Chiralität induzieren. • Axiale Chiralität tritt auf bei: Allenen, Spiranen und Biphenyl-Verbindungen. Axiale Chiralität bei Allenen und Spiranen: Axiale Chiralität • Allene und Spirane sind chiral, wenn sie jeweils zwei ungleiche Liganden an den Achsenenden tragen. • Die Substituenten an den beiden Molekülenden liegen (im Gegensatz zu Olefinen) in paarweise zueinander senkrechten Ebenen. • Verlängert man das Cumulen- bzw. Spiransystem, so tritt abwechselnd E/Z-Isomerie und Enantiomerie auf. A A B A B C C C C B B A A C C C A B E/Z-Isomere B A C C C C Enantiomere B B A A B E/Z-Isomere B A C C C A B C C C C B A Axiale Chiralität • Axiale Chiralität tritt auch bei ortho-substituierten Biarylen auf. • Bei den Enatiomeren handelt es sich hierbei um Konformationsisomere, die sich aufgrund der sperrigen ortho-Substituenten nicht ineinander umwandeln können. • Die bei Biarylen auftretende Form von Isomerie wird auch Atropisomerie genannt. Br H2N Br NH2 H3C Cl CH3 Cl Planare Chiralität Verbindungen mit einer Chiralitätsebene findet man v.a. bei den Ansaverbindungen (Henkelverbindungen), bei ArylMetall-Komplexen und den trans-Cycloalkenen. Ansaverbindung Aryl-ChromKomplex trans-Cycloocten Helicität Die Helicität stellt einen Sonderfall der axialen Chiralität dar. Sie tritt v.a. bei Proteinen (α-Helix) und der DNA (Doppelhelix) auf. Verbindungen mit mehreren stereogenen Zentren Moleküle mit n verschiedenen Asymmetriezentren (z.B. asymmetrischen C-Atomen), können maximal 2n Stereoisomere und 2n/2 Enantiomerenpaare bilden. n = 2 : Zwei stereogene Zentren führen zu 4 Stereoisomeren. Diese bilden 2 Enantiomerenpaare. Vertreter der beiden unterschiedlicher Enantiomerepaare sind zueinander diastereomer. NH2 NH2 Enatiomere OH OH Diastereomere Diaste- NH2 OH Diastereomere reomere Enatiomere NH2 OH Diastereomere Diastereomere: • sind Stereoisomere, die sich zueinander nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten. • haben unterschiedliche physikalische Eigenschaften (Dichte, Schmelzpunkt, Dipolmoment, Löslichkeit usw.) • zeigen aufgrund gleicher Funktionalitäten meist ähnliche chemische Eigenschaften (Säure/Base-Stärke, Redox-Verhalten usw.) • sind nicht zwangsläufig chiral. Zentral-chirale Diastereomere zeigen an mindestens einem Chiralitätszentrum die gleiche und an mindestens einem weiteren Chiralitätszentrum die umgekehrte Konfiguation. Mesoformen Von Molekülen mit zwei gleichartig substituierten Asymmetriezentren existieren drei Stereoisomere. Neben den Enantiomeren (R,R) und (S,S) ist die Mesoform (R,S) möglich. Da das (R,S)-konfigurierte Stereoisomer aufgrund der Molekülsymmetrie mit dem (S,R)-Isomer identisch ist, handelt es sich bei dieser Mesoform um eine achirale Verbindung. HOOC OH HO COOH HOOC OH HO COOH HOOC OH HO COOH HOOC OH HO COOH L-(-)-Weinsäure (2S, 3S) D-(+)-Weinsäure (2R, 3R) Enantiomere meso-Weinsäure optisch inaktiv Die Fischer-Konvention • Von Emil Fischer eingeführte Konvention zur Konfigurationszuordnung von Enantiomeren zu den Symbolen D (dextro=rechts) und L (levo=links). • Als Bezugssystem dient Glycerinaldehyd (für Zucker) oder Serin (für Aminosäuren). • Grundlage für die Konfigurationszuordnung ist die Überführung eines dreidimensionalen Kohlenstoff-Tetraeders in eine zweidimensionale Ebenen (Fischer-Projektion). Hierbei gilt: 1. Die längste Kohlenstoffkette wird vertikal angeordnet. 2. Das C1-Atom bzw. das höheroxidierte Kettenende wird oben angeordnet. 3. Die horizontal stehenden Gruppen symbolisieren die nach vorne, d.h. dem Betrachter zugewandten Liganden. (Die Enden der senkrechten Kette zeigen demnach vom Betrachter weg.). Die Fischer-Konvention aus: Roth-Müller-Folkers: Stereochemie der Arzneistoffe Die Fischer-Konvention CHO HO CHO HO H H CHO HO CH3 H CH3 L-Glycerinaldehyd CH3 CHO H OH CH3 CHO H CHO H OH CH3 CHO H OH CH3 D-Glycerinaldehyd CH3 OH CHO HO H CH3 Ableitung der CIP-Nomenklatur aus der Fischer-Projektion KeilstrichProjektion FischerProjektion COOH COOH Milchsäure H OH = H CH3 OH b = CH3 D-Konfiguration H2N H CH2SH L-Konfiguration c H3C OH H a R-Konfiguration COOH COOH Cystein COOH = H2N H CH2SH c = COOH b HSCH2 H2N a H R-Konfiguration Ableitung der CIP-Nomenklatur aus der Fischer-Projektion 90° H HO H3C L-Konfiguration H OH CH3 HOOC H OH H CH3 b c OH OH COOH H3C HOOC S-Konfiguration Austausch COOH CH3 COOH H CH3 HO OH OH COOH a CH3 HOOC H H HOOC CH3 Stereochemie wichtiger Naturstoffe: 1. Monosaccharide • • • • • • Zucker sind Polyhydroxyketone oder -aldehyde. In der Regel handelt es sich um optisch aktive Moleküle. Die stereochemische Nomenklatur erfolgt meist nach der Fischer-Konvention. Natürliche Zucker gehören fast ausnahmslos der D-Reihe an. Je nach Anzahl der C-Atome werden die Zucker in Triosen (3), Tetrosen (4), Pentosen (5) und Hexosen (6) unterteilt. Für die Zuordnung zur D- bzw- L-Reihe ist das höchstnumerierte (unterste) C-Atom ausschlaggebend. CHO ta CHO OH R S HO H S R H H OH R S HO H H OH R S HO H H tü HO ta ta CH2OH D-Glucose H OH CH2OH L-Glucose Stereochemie wichtiger Naturstoffe: 1. Monosaccharide Stereochemie wichtiger Naturstoffe: 1. Monosccharide Stereoisomere Monosaccharide I : • Die korrespondierenden Zucker der D- und L-Reihe sind Enantiomere, d.h. sie sind an allen symmetrischen C-Atomen umgekehrt konfiguriert. • Stereoisomere Zucker unterschiedlichen Namens (z.B. Glucose/Mannose/Galactose) sind Diastereomere. • Diastereomere Zucker, die sich in ihrer Konfiguration an nur einem C-Atom unterscheiden, werden EPIMERE genannt. EPIMERE sind Diastereomere, deren Konfiguration sich an einem von mehreren asymmetrischen C-Atomen unterscheiden. EPIMERISIERUNG ist der Vorgang einer Konfigurationsumkehr an einem von mehreren Chiralitätszentren. Stereochemie wichtiger Naturstoffe: 1. Monosccharide Stereoisomere Monosaccharide II : Diastereomere Zucker, die sich nur in der Konfiguration am C1-Atom unterscheiden werden ANOMERE genannt. Anomere gehören demnach zur Gruppe der Epimere. Die Konfiguration am anomeren C-Atom wird mit α bzw. β bezeichnet. H H OH O H C OH HO C H H C OH H C OH CH2OH CH2O H CH2OH OH OH OH H OH H H CHO OH H OH H α-D-Glucose OH OH CH2O OH H FISCHER-Projektion O H O H OH β-D-Glucose H OH HAWORTH-Projektion Stereochemie wichtiger Naturstoffe: 1. Monosccharide MUTAROTATION: Unter Mutarotation versteht man die Änderung der optischen Drehung aufgrund einer Epimerisierung. Für die Mutarotation von Monosacchariden ist die Gleichgewichtsreaktion zwischen Aldehyd- (bzw. Keto-) und Halbacetalform verantwortlich. H CH2O O OH OH H H H OH OH CH2OH H OH H OH H H OH CH2O O CHO OH OH OH H OH H OH H α-D-Glucose β-D-Glucose [α]D = +112,2 [α]D = +18,7 36 % 64 % [α]D = +52,6 Stereochemie wichtiger Naturstoffe: erythro und threo CHO CHO H C OH HO C H H C OH H C OH CH2OH CH2OH D-(-)-Erythrose D-(+)-Threose NO2 H3C HO H HO N H H H CH3 L-erythro-Ephedrin H NHCOCHCl2 CH2OH D-threo-Chloramphenicol Stereochemie wichtiger Naturstoffe: 2. Aminosäuren COOH H2N H R R H2N COOH • Alle 20 proteinogenen Aminosäuren sind L-konfiguriert. Die LKonfiguration nach Fischer entspricht hier der S-Konfiguration nach CIP (Ausnahme: Cystein; R=CH2SH). • Es sind auch natürlich vorkommende mehreren Chiralitätszentren bekannt Hydroxyprolin). Aminosäuren (Beispiel: mit 4- • Alle α-Aminocarbonsäuren (mit Ausnahme von Gycin; R=H) sind chiral. Proteinogene Aminosäuren Trennung von Racematen Verfahren: • Kristallisation mit anschließender Kristalltrennung (Handauslese) • Bildung diastereomerer Salze mit Hilfe chiraler Säuren (z.B. Weinsäure, Äpfelsäure, Mandel- säure) bzw. Basen (z.B Chinin) Trennung von Racematen • Kovalente Derivatisierung mit chiralen Reagenzien (z.B. Mosher`s Säure, Phenylethylisocyanat). F3C OMe Cl O Moshers Säurechlorid (MTPA-Cl) • • N C O Phenylethylisocyanat (PEI) Bildung diastereomerer Salze mit Hilfe chiraler Säuren (z.B. Weinsäure, Äpfelsäure, Mandelsäure) bzw. Basen (z.B Chinin) Chromatographie an chiralen Phasen (z.B. CelluloseDerivate, Stärke, Cyclodextrine, Proteine, Metallkomplexe). Trennung von Racematen • Biochemische Trennung mit Hilfe von Enzymen. H3C CH3 H S OMe O H3C Pferdeleberesterase H3C CH3 H S O H3C IbuprofenMethylester • OMe IbuprofenMethylester H MeO CH3 CH3 R O CH3 Pferdeleberesterase HO H CH3 CH3 R O CH3 Ibuprofen Kinetische Racematspaltung aufgrund unterschiedlicher Reaktionsgeschwindigkeiten bei der Umsetzung mit chiralen Reagenzien oder Katalysatoren (asymmetrische Synthese). Topizität Topizität befaßt sich mit den räumlichen (topischen) Beziehungen von Liganden (Atomen, Atomgruppen) gleicher Konstitution am selben intakten Molekül. Hierbei differenziert man zwischen den beiden intramolekularen Beziehungen homotop und heterotop. Homotopie Sind zwei identische Substituenten x an einem tetraedrischen C-Atom von zwei ebenfalls identischen, aber von x verschiedenen Substituenten y umgeben, so werden sie als homotop bezeichnet. Sie sind stereochemisch äquivalent und somit nicht unterscheidbar. H Prüfung auf Homotopie: Durch Ersetzen des einen bzw. des anderen Substituenten x im Molekül durch einen Platzhalter D erhält man zwei fiktive Moleküle. Sind diese Moleküle identisch, so sind die betrachteten Gruppen homotop. Cl H H Cl D D identisch Cl Cl Cl H Cl Heterotopie Sind zwei identische Substituenten x an einem tetraedrischen C-Atom von zwei nicht identischen, von x verschiedenen Substituenten y umgeben, so werden sie als heterotop bezeichnet. Sie sind stereochemisch nicht äquivalent und somit unterscheidbar. Prüfung auf Heterotopie: H Durch Ersetzen des einen bzw. des anderen Substituenten x im Molekül durch einen Platzhalter D erhält man zwei fiktive Moleküle. Sind diese Moleküle nicht identisch, so sind die betrachteten Gruppen heterotop. H Cl H D D identisch Cl Cl H Stereoheterotopie Alternative Substitution zweier Liganden Substitutionsprodukte sind identisch. Substitutionsprodukte sind nicht identisch. homotop heterotop Substitutionsprodukte konstitutionell identisch. Substitutionsprodukte konstitutionell nicht identisch. stereoheterotop Substitutionsprodukte spiegelbildlich. enantiotop konstitutop Substitutionsprodukte nicht spiegelbildlich. diasterotop Stereoheterotopie • • • • • Stereoheterotope Liganden werden in die Kategorien enantiotop und diastereotop unterteilt. Enantiotop sind zwei identische Liganden eines tetraedrischen C-Atoms dann, wenn sie von zwei nicht identischen Liganden umgeben sind, die selbst kein Asymmetriezentrum tragen. Trägt mindestens eines der nicht identischen Liganden ein Asymmetriezentrum, spricht man von Diastereotopie. Wird einer von zwei enantiotopen Liganden gegen einen anderen Subtituenten ausgetauscht, so erhält man Enantiomere. (Enantiotopie = Prochiralität). Der Austausch von diastereotopen Liganden führt zu Diastereomeren. Enantiotopie (Prochiralität) H H CH3 HO H CH3 Enantiomere H OH CH3 Diastereotopie NRR' COOH H HH H H X NRR' COOH NRR' COOH X Diastereomere X NRR' COOH Diastereomere X NRR' COOH Prochiralität am trigonalen C-Atom • • • Die beiden Halbräume oberhalb und unterhalb (bzw. links und rechts) eines trigonalen C-Atoms von Aldehyden und unsymmetrischen Ketonen sind heterotop. Bei Anlagerungsreaktionen wird die Carbonylfunktion in ein tetragonales, asymmetrisches C-Atom umgewandelt, wobei zwei stereoisomere Moleküle enstehen können. Die beiden Seiten der Carbonylebenen werden als enantiofacial bezeichnet. HO-R enatiofaciale Halbräume O OR OH Enantiomere R-OH OH OR Die Cram`sche Regel • Die Umsetzung von prochiralen Verbindungen mit enantiotoper Struktur in chirale Produkte führt in achiraler Umgebung stets zu Racematen. • Bei Reaktionen an diastereotopen Gruppen kann das bereits im Molekül vorhandene Asymmetriezentrum die Umsetztung derart beeinflussen, dass bevorzugt eines der beiden möglichen Diastereomere gebildet wird. Cram`sche Regel: Aufgrund der absoluten Konfiguration des stereogenen Zentrums eines chiralen Aldehyds oder Ketons kann bei nukleophilen Additionen an die Carbonylfunktion die absolute Konfiguration des entstehenden (zweiten) stereogenen Zentrums vorhergesagt werden. Bürgi-Dunitz-Winkel Die Cram`sche Regel M G M O R K R K M G O O O M G G R K K R Nu Nu M OH Nu HO Nu G G K M R R M G K Nu OH G M OH R K R Nu K Stereochemie und Konformation Energie Konformationen acyclischer Moleküle Diederwinkel Konformationsbezeichnungen Diederwinkel Stereochemie und Konformation Konformationen von Butan: Stereochemie und Konformation Konformationen ungesättigter acyclischer Moleküle Konformationen des Propen H H H Ethen H CH3 Propen H H H Blickrichtung CHH2 H H CH2 H H H ekliptisch HH in der Halbierenden Stereochemie und Konformation Konformationen mehrfach ungesättigter Kohlenwasserstoffe H Butadien : H H H H H H H H H H s-trans transoid anti-periplanar H s-cis cisoid syn-periplanar H H H H gauche H H Stereochemie und Konformation s-cis/s-trans-Isomerie Die Konformation zweier konjugierter Doppelbindungen wird bei synperiplanarer Anordnung als s-cis, bei antiperiplanarer Anordnung als s-trans bezeichnet. X O O X O O H H O O Stereochemie und Konformation Isomerie bei Carbonsäureamiden Bei der Isomerie von Carbonsäureamiden handelt es sich um E/ZIsomerie (nicht s-cis/s-trans-Isomerie). O R O N R' + R N R'' R'' N-Methylformamid N-Methylacetamid O H O O N CH3 R' H N H H CH3 H3C O N H CH3 H3C N H CH3 Z E Z E 90% 10% 97% 3% Stereochemie und Konformation Rotationsbarrieren Stereochemie und Konformation Die konformative Spannung, die durch Wechselwirkungen von ekliptischen H-Atomen bzw. anderen Substituenten entsteht und zur Destabilisierung v.a. kleiner Ringe führt, wird PitzerSpannung genannt. H H H H H H Stereochemie und Konformation CYCLOPENTAN: Planares Cyclopentan weist eine sehr hohe Pitzer-Ringspannung auf. Aufgrund der tatsächlich eingenommenen envelope-Konformation ist die Spannung allerdings deutlich verringert. Stereochemie und Konformation CYCLOHEXAN: Eine planare Konformation im Cyclohexan würde zu einem Innenwinkel von 120° führen, was wiederum eine beträchtlicher Baeyer-Spannung erzeugen würde. Experimentell weist aber dieses Molekül einen Winkel von 109.5° und keine Ringspannung auf. Das Molekül bevorzugt eine sesselförmige Konformation, in der alle Bindungen gestaffelt vorliegen. Stereochemie und Konformation Konformationen des Cyclohexans: Stereochemie und Konformation Monosubstituierte Cyclohexane: axial äquatorial starke 1,3-diaxiale Wechselwirkungen schwächere WWs = energetisch günstiger Stereochemie und Konformation Disubstituierte Cyclohexane: cis energetisch äquivalent trans diaxiale Konformation ist energetisch ungünstiger Stereochemie und Konformation Überbrückte Ringsysteme: HN Bicyclo[2.2.1] heptan kein endo/exo CH3 Bicyclo[2.2.2] octan Adamantan Tropan H3C H3C CH3 Stereochemie und Konformation endo/exo-Konfiguration: • Bei substituierten verbrückten Ringsystemen gibt es zwei Möglichkeiten der räumlichen Stellung des Substituenten. • endo-Konfiguration liegt dann vor, wenn der Substituent näher bei der längeren der beiden unsubstituierten Brücken liegt. • Falls die unsubstituierten Brücken gleich lang sind, bezeichnet man diejenigen Konfiguration als endo, bei der der Substituent näher bei der funktionellen Gruppe steht. • Die jeweils entgegengesetzte Konfiguration wird als exo bezeichnet. Stereochemie und Konformation endo/exo-Konfiguration: HO OH H EXO CH3 O H H H3C ENDO O H Cl N N N Epibatidin N Cl