Konzept für einen 5-jährigen SteinwildManagementplan in Südtirol Amt für Jagd und Fischerei Bozen Südtiroler Jagdverband Bozen, September 2014 Koordination des Projektes: Amt für Jagd und Fischerei der Autonomen Provinz Bozen Projektträger und Ausführende: Südtiroler Jagdverband Verfasser: Andreas Agreiter Martin Stadler Lothar Gerstgrasser Trevisiol Karin Amt für Jagd und Fischerei Bozen Amt für Jagd und Fischerei Bozen Südtiroler Jagdverband Tierseuchenbekämpfungsinstitut Tre Venezie Bozen Übersetzung in die italienische Sprache: Davide Righetti Grafik: Amt für Jagd und Fischerei, Südtiroler Jagdverband Titelbild: Steinbock am Tribulaun – Johannes Wassermann Amt für Jagd und Fischerei Bozen Inhaltsverzeichnis TEIL I – Ziele, gesetzlicher Rahmen Ziele: Steinwild erhalten, ansiedeln, nutzen ................................................................................. 4 Gesetzlicher Rahmen für ein Steinwildmanagement ................................................................... 5 Konzept für den Umgang mit Steinwild in Südtirol im Zeitraum von 2014 bis 2019 ................. 7 TEIL II – Projektbeschreibung Projektträger Jägerschaft ............................................................................................................... 7 Fang und Auswilderung, aber auch jagdliche Entnahme ............................................................. 7 Zeitablauf ......................................................................................................................................... 7 Richtlinien für die Entnahmen ....................................................................................................... 8 I – Fang und Auswilderung...................................................................................................... 8 II – Jagdliche Entnahme .......................................................................................................... 8 Fang, Immobilisation und Auswilderung von Steinböcken ........................................................ 10 Distanzimmobilisation mittels Narkosegewehr .................................................................. 10 Fang mittels Kastenfalle ........................................................................................................ 10 Veterinärmedizinische Untersuchungen ..................................................................................... 13 TEIL III - Auswilderung - Beschreibung der Gebiete......................................................... 14 Auswilderungsaktionen im Zeitraum zwischen 2015 und 2019 – Zeitplan .............................. 14 I Großraum Ultental – 3-Seen-Gebiet - Hasenöhrl und Gruppo delle Maddalene................. 15 FOTODOKUMENTATION STEINWILDLEBENSRAUM ULTENTAL............................................. 19 II Großraum Mühlbach – Valler Tal – Ahrntal/Zillertaler Alpen ............................................... 21 FOTODOKUMENTATION STEINWILDLEBENSRAUM VALLERTAL & AHRNTAL ...................... 25 III Pragser Dolomiten - Seekofelgruppe ..................................................................................... 27 FOTODOKUMENTATION STEINWILDLEBENSRAUM PRAGSER DOLOMITEN ........................ 30 IV Passeiertal – Sarntaler Alpen ................................................................................................. 32 FOTODOKUMENTATION STEINWILDLEBENSRAUM PASSEIERTAL – SARNTALER ALPEN .... 34 TEIL IV - Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Das Steinwild in Südtirol - natürlich eingewandert oder ausgewildert .................................... 36 Bestandesentwicklung 1988 – 2014 ............................................................................................ 38 Metapopulation der Ötztaler und Stubaier Alpen ...................................................................... 39 Jagdliche Nutzung ......................................................................................................................... 40 Die Steinwildjagd im Alpenraum und deren rechtliche Grundlagen......................................... 43 Die Geschichte und die Wiederansiedelung des Steinwildes .................................................... 47 Verbreitung des Steinwildes in den Alpen .................................................................................. 48 Die Verbreitung des Steinwildes in Italien .................................................................................. 50 Jährlicher Bericht über das Projekt .............................................................................................. 51 TEIL V - Berichterstattung Zusammenfassender Bericht nach Ablauf des 5-Jahresprogramms ......................................... 51 Teil I – Ziele, gesetzlicher Rahmen Ziele: Steinwild erhalten, ansiedeln, nutzen Aufbauend auf die Richtlinien des ISPRA-Leitfaden 91/2013 wird für das Management des Steinwildes ein Konzept festgelegt. Wichtige Elemente dieses Managementplanes sind der Fang mit Aussetzungen in nicht oder wenig besiedelten Lebensräumen und eine beschränkte jagdliche Entnahme in gesicherten Populationseinheiten. Das Konzept ist auf fünf Jahre ausgelegt. Das 5-Jahresprogramm hat folgende Zielsetzungen: 1. Aktive Erweiterung des Verbreitungsgebietes von Steinwild Das Steinwild breitet sich in Südtirol nur langsam aus. Bergstöcke, welche über Täler voneinander getrennt sind, können vom Steinwild auf natürlichem Weg nicht besiedelt werden. Der Fang von jungen Steingeißen und -böcken aus der großen Population am Alpenhauptkamm zwischen Reschen und Brenner und die Auswilderung im Ultental (Gebiet Drei Seen und Maddalene), im Valser Tal sowie im Ahrntal und in den Pragser Dolomiten vergrößern das Verbreitungsgebiet des Alpensteinbockes in Südtirol, beschleunigen das Erreichen von lebensfähigen Populationsgrößen und sichern die Steinwildvorkommen bei seuchenhaften Auftreten von Krankheiten. 2. Beschränkte / jagdliche Entnahme Erhaltung einer vitalen Steinwildpopulation im Gebiet zwischen Reschen und Brenner Trotz einer jagdlichen Nutzung hat sich die Population innerhalb der letzten 25 Jahre mehr als verzehnfacht. Die Gamsräude, eine epidemische Krankheit mit Ausbreitungsrichtung von Ost nach West, hat bereits das Wipptal erreicht und bedroht derzeit die Steinwildvorkommen am Alpenhauptkamm. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass in vitalen Wildbeständen bei einer Räudeepidemie weniger Ausfälle zu verzeichnen sind als in Beständen mit schlechterer Konstitution aufgrund von hohen Besiedlungsdichten. Eine Entnahme, auch in Form einer jagdlichen Erlegung von Individuen mit unterdurchschnittlichem Gesundheitszustand, trägt zur Erhaltung der Vitalität der Steinwildkolonien bei. Die Entnahmen liegen jedenfalls deutlich unter den Wachstumsraten. Nur die Metapopulation zwischen dem Reschen- und Brennerpass erfüllt die ISPRA Kriterien für ein aktives Management. Die geplanten Fangaktionen und die jagdliche Entnahme sollen daher nur in den Kolonien Weißkugel, Texel und Tribulaun erfolgen. Obwohl der jährlich nutzbare Zuwachs bei rund 10 Prozent liegt, soll die jährliche Entnahme 5 Prozent des Frühjahrsbestandes nicht überschreiten. Die jährliche Entnahme setzt sich zu max. 70% aus Abschüssen und mindestens 30% aus Fang- und Auswilderung zusammen. Die gefangenen Tiere werden in Gebieten mit geringer Bestandesdichte ausgewildert. Weiters sollen auch neue Gebiete besiedelt werden. 4 Teil I – Ziele, gesetzlicher Rahmen Für die Beurteilung der weiteren Ausbreitungsmöglichkeiten des Steinwildes in Südtirol wurde bereits im Jahr 2000 ein Lebensraummodell ausgearbeitet, mit dessen Hilfe sich die geeigneten Gebiete abgrenzen lassen. Die Studie wurde gemeinsam mit dem Istituto Nazionale per la Fauna Selvatica durchgeführt. Als Basis wurde das von Tosi und seinen Mitarbeitern (1986) ausgearbeitete Modell herangezogen. Eine detailliere Erklärung und die Ergebnisse der Studie findet sich im Buch „Das Steinwild in Südtirol“ (2000). Potentielle Überwinterungsgebiete des Steinwildes Auswilderung Managementplan 2015 - 2018 Nach den Ergebnissen des Modells könnten in Südtirol theoretisch 6.300 Stück Steinwild überwintern. Gesetzlicher Rahmen für ein Steinwildmanagement Das Steinwild wird in der Berner Konvention im Anhang 3 angeführt. Es handelt sich somit um eine geschützte Tierart, welche im Ausnahmefall bejagt oder in anderer Weise genutzt werden kann. Laut FFH-Richtlinie gehört das Steinwild zu den Arten des Anhanges V. Dieser beschäftigt sich mit Tier- und Pflanzenarten, für deren Entnahme aus der Natur besondere Regelungen getroffen werden können. Sie dürfen im Rahmen von Managementmaßnahmen genutzt werden. Die FFH-Richtlinie erlaubt die Nutzung von Arten des Anhangs V unter der Vorraussetzung, dass die Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustandes gesichert ist. Hierfür sind gegebenenfalls gemäß Art. 14 der Richtlinie besondere Maßnahmen zu ergreifen. Mögliche Maßnahmen im Sinne der Richtlinie können sein: die Festsetzung einer Entnahmequote, die Einführung eines entsprechenden Genehmigungssystems, zeitliche oder örtlich begrenzte Entnahmeverbote oder auch die Installation von Nachzuchtprogrammen in Gefangenschaft. Diese Maßnahmen beinhalten auch die Fortsetzung der Überwachung des günstigen Erhaltungszustandes gemäß Artikel 11. In Italien galt das Steinwild nach dem Gesetz Nr. 968/77 als besonders geschützte Wildart. Im aktuell geltenden staatlichen Jagdrahmengesetz Nr. 157/92 ist das Steinwild als nicht jagdbare Wildart angeführt, es fällt aber nicht mehr unter die besonders geschützten Wildarten (Art.2, Abs.1). 5 Teil I – Ziele, gesetzlicher Rahmen In Südtirol ermöglicht das Landesjagdgesetz Nr. 14/87 eine Bejagung des Steinwildes. Der Art. 4, Abs. 4 besagt: „Der für die Jagd zuständige Landesrat kann die Regulierung des Steinwildes bis zum Aufbau nachhaltig nutzbarer Bestände in jenen Revieren erlauben, wo der Bestand gesichert ist, sofern die Entnahme auf Alttiere sowie auf schwache und kranke Stücke beschränkt bleibt, die wegen ihrer körperlichen Konstitution populationsdynamisch keine Rolle mehr spielen oder eine Gefahr für den Bestand selbst darstellen.“ Auch der ISPRA-Leitfaden 91/2013 schließt eine Entnahme des Steinwildes nicht aus. Es müssen dabei folgende Bedingungen erfüllt werden: - Standardisiertes Monitoring und Festlegung der Bewirtschaftungseinheiten - Gesamt-Population: mindestens 1000 Stück (> 1 Jahr) oder mindestens 500 Stück bei positivem Entwicklungstrend in den drei vorhergehenden Jahren - Dichte in Bewirtschaftungseinheit : > 3,5 Stück/100 ha auf > 5.000 ha (>175 St.) - Entnahme: 50% Fang mit Aussetzungen und 50% jagdliche Nutzung - keine Böcke > 11 Jahre, solange der Anteil dieser Altersgruppe bei den mehrjährigen Böcken geringer als 22 Prozent ist - Entnahme von Jahrlingen nur bei starker Jugendklasse und gleichzeitig hohem Zuwachs, es dürfen keine führenden Geißen mit Kitz entnommen werden - Alle anderen Altersklassen sind im Verhältnis zum Bestand zu entnehmen - begleitendes Monitoring und genetische Untersuchungen Eine Gegenüberstellung der im ISPRA Leitfaden festgehaltenen Anforderung für die jagdliche Entnahme von Steinböcken mit den aktuellen Kennwerten aus den Steinwildkolonien Südtirols ergibt folgendes Bild: Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass nur die Metapopulation zwischen dem Reschen- und Brennerpass (Kolonie Weißkugel, Texel und Tribulaun) die ISPRA-Kriterien erfüllt. Der genutzte Steinwildlebensraum in dieser Population erstreckt sich auf ca. 18.000 ha, die durchschnittliche Dichte liegt bei 6,3 Stück Steinwild pro 100ha Lebensraum. Metapopulation Brenner-Reschen Weißkugel Mittl. Zuwachs in % 2010-2014 Texel Tribulaun 5,0 Eisbrugg Durreck* Sesvenna Ulten Tauern Anforderungen ISPRA 2,0 / / / / Positiver Trend Dichte pro 100 ha 6,8 5,6 7,1 2,4 4,8 / / / mind. 3,5 Anzahl Zählung 2014 (*Zählung 2013) 389 460 300 135 63 30 22 10 Einheit mind. 175 Stück Metapopulation Reschen-Brenner 1.149 Bewertung jagdliche Entnahme positiv 6 Population mind. 500 negativ Teil II - Konzeptbeschreibung KONZEPT FÜR DEN UMGANG MIT STEINWILD IN SÜDTIROL IM ZEITRAUM VON 2014 BIS 2019 Projektträger Jägerschaft Eine Besonderheit des Konzeptes für den künftigen Umgang mit dem Steinwild in Südtirol ist die Einbindung der lokalen Jägerschaft. Die Jägerschaft ist nämlich zu einem Großteil verantwortlich für die Organisation und Durchführung der Fangaktionen. Ebenso wird ein guter Teil der entstehenden Kosten direkt von der Jägerschaft getragen. Das Amt für Jagd und Fischerei als zuständige Behörde koordiniert das Projekt und ist den Jägern bei der Planung und Durchführung behilflich, dasselbe gilt für den Landesveterinärdienst. Fang und Auswilderung, aber auch jagdliche Entnahme In Anlehnung an den ISPRA- Leitfaden für das Management von Schalenwildbeständen sind ausschließlich in der Steinwild-Metapopulation zwischen dem Reschen und dem Brenner Entnahmen vorgesehen. Die Höhe der gesamten Entnahme soll dabei fünf Prozent des Frühjahrsbestandes nicht überschreiten. Im Frühjahr 2014 wurden zwischen dem Reschen und dem Brenner 1.149 Stück Steinwild gezählt. Jene Dunkelziffer an Tieren, welche am Tag der Zählung nicht beobachtet wurden, bleibt für die Festsetzung der Entnahmequote unberücksichtigt. Bei einem Ausgangsbestand von 1.149 Tieren kann die jährliche Entnahme in der Metapopulation zwischen dem Brenner und dem Reschen somit bei 60 Tieren veranschlagt werden. Die Entnahme aus der Metapopulation erfolgt zum einen durch Fang- und Wiederfreilassung an anderen Orten, zum anderen durch Abschuss in Begleitung der zuständigen hauptberuflichen Jagdaufseher. Der Anteil an Tieren, welche für Auswilderungsaktionen gefangen werden, muss sich auf mindestens 30 Prozent der gesamten getätigten Entnahme belaufen, im Gegenzug darf der Anteil jener Tiere, die jagdlich entnommen werden, nicht höher als 70 Prozent der Entnahme sein. Bei einem Frühjahrsbestand von derzeit 1.149 gezählten Stück Steinwild müssen somit jährlich mindestens 18 Tiere für Auswilderungszwecke gefangen werden - gleichzeitig können in der Metapopulation höchstens 42 Tiere über Abschüsse entnommen werden. Für Auswilderungszwecke werden vorwiegend junge oder mittelalte Tiere beider Geschlechter gefangen, zum Abschuss freigegeben werden dürfen schwache Tiere aller Altersklassen. Der Anteil der zu fangenden Tiere wurde im Vergleich zu den ISPRA Leitlinien – hier wird dieser Anteil mit 50% der Entnahme veranschlagt – notwendigerweise herabgesetzt. Der Fang von Steinwild erfordert nämlich einen nicht unerheblichen Zeit- und Personalaufwand. Die Planung und Durchführung der Fangaktionen wird zu einem guten Teil von der lokalen Jägerschaft und somit von Freiwilligen in deren Freizeit bewerkstelligt und wird daher wenig öffentliche Ressourcen in Anspruch nehmen. Es ist somit wichtig, die Einhaltung der Vorgaben nicht zu gefährden. Im Zuge dieses Fünfjahreszeitraumes werden von der Jägerschaft mindestens 80 Stück Steinwild gefangen und in anderen Gebieten des Landes freigelassen. Das Vorkommen des Steinwildes in Südtirol wird sich somit in fünf Jahren wesentlich ausgeweitet haben, gleichzeitig werden zwei stagnierende Kolonien des Landes aufgestockt und abgesichert sein. Zeitablauf Das Konzept bezieht sich auf den Fünfjahreszeitraum von 2014 bis 2018. Bezogen auf den gezählten Frühjahrsbestand können jährlich maximal fünf Prozent der Tiere entnommen werden. Sowohl Fang 7 Teil II - Konzeptbeschreibung als auch die Wiederfreilassung erfolgt wenn möglich in den Wintereinständen, die jagdliche Entnahme erfolgt in den Herbstmonaten. Können in einem Jahr die Vorgaben betreffend den Fang und die Wiederfreilassung von Tieren nicht erfüllt werden, muss im Folgejahr der Rückstand aufgeholt werden, bevor eine jagdliche Entnahme von Tieren ermöglicht werden kann. Im fünften Jahr müssen die Vorgaben betreffend Fang und Wiederfreilassung zur Gänze erfüllt worden sein, bevor die geplanten jagdlichen Entnahmen getätigt werden können. Weiters wird eine Entnahme nur dann genehmigt, sofern der Zuwachs der Population positiv ist. Die Fang- und Abschusszahlen werden jährlich neu festgelegt. Als Grundlage hierfür dient das jeweilige Zählergebnis. Die Aktionen werden vom Amt für Jagd und Fischerei als zuständiger Behörde koordiniert und begleitet, die Durchführung der Aktionen liegt in den Händen der Jägerschaft. 5-Jahresplan für die Steinwildbewirtschaftung Jahr Fang u. Auswilderung 2014 in Vorbereitung (18) 2015 2016 2017 2018 x x x x x x x (x) nur wenn 30% Fang auf 5 Jahre erfüllt Abschuss (jährliche Entnahme - Fang u. Abschuss - max. 5% des gezählten Bestandes) x (42) gezählter Bestand 1149 Die Umsetzung des Konzeptes beginnt im Herbst 2014. Tiere, welche in diesem ersten Herbst jagdlich entnommen werden, werden beim Landesveterinäramt auf eventuelle Krankheiten untersucht. Fangaktionen werden vorwiegend im Frühjahr durchgeführt. Richtlinien für die Entnahmen I – Fang und Auswilderung Die Fangaktionen werden im Frühjahr durchgeführt. Zum einen ist dann der Aufwand am geringsten, zum anderen hat sich die Auswilderung im späten Frühjahr im Wintereinstand bewährt, um weite Abwanderungen gleich nach der Auswilderung zu vermeiden (Nationalpark Hohe Tauern). Es werden vor allem junge oder mittelalte Tiere gefangen, wobei ein leichter Überhang an weiblichen Tieren anzustreben ist. Nicht gefangen werden hochträchtige Tiere, da sie einen Transport nicht überleben (Godli, mündlich). Ebenso werden keine Böcke für Auswilderungszwecke gefangen, die älter als fünf Jahre sind. Ein Jahreskontingent von 18 Tieren könnte sich folgendermaßen zusammensetzen: 8 Geißen von drei bis acht Jahren, 5 Böcke von drei bis fünf Jahren, 5 Jungtiere von ein bis zwei Jahren. II – Jagdliche Entnahme Die Anzahl der Abschüsse in den einzelnen Geschlechter und Altersklassen richtet sich prozentuell am erhobenen Bestandesaufbau. Es werden die jeweils schwächsten, offensichtlich kranke oder verletzte Tiere zum Abschuss freigegeben. Die Auswertung der Zähldaten der vergangenen fünf Jahre zeigt folgende Zusammensetzung des Bestandes in der Metapopulation Brenner-Reschen: 8 Teil II - Konzeptbeschreibung Erhobene Zusammensetzung des Bestandes (2010-2014): ˗ 34% Böcke ˗ 35% Geißen ˗ 31% Jungtiere beider Geschlechter im Alter von 1-2 Jahren Bei einer geplanten jagdlichen Entnahme von 42 Tieren im Jahr 2014 kommt dies einem Abschuss von 14 Böcken, 15 Geißen und 13 Jungtieren gleich. Die Gesamtentnahme in diesem Jahr 2014 setzt sich wie folgt zusammen: Metapopulation Brenner-Reschen Böcke Geißen Jungtiere (1-2 Jahre) Insgesamt 1.149 Stück Steinwild, davon Gezählt 2014 354 Entnahme 2014 (5% des gezählten Bestandes) 381 Gesamtentnahme 60 Stück, davon 20 (34%) 21 (35%) 19 (31%) Fang Jagdl. Entnahme Fang Jagdl. Entnahme Fang Jagdl. Entnahme 5 16 8 13 5 14 3-5 Jahre alt Schwache, 3-10 Jahre alte Tiere 3-8 Jahre alt, nicht hochträchtig Schwache und/oder alte Tiere 12+ Starke Tiere in guter Verfassung Nur schwache, kümmernde Stücke davon Bemerkungen 406 Die Zählergebnisse der vergangenen drei Jahre zeigen weiters die Zusammensetzung des Bockbestandes auf. Der Steinbockbestand in der Metapopulation Brenner-Reschen setzt sich zu 55 Prozent aus 3-5 jährigen Böcken zusammen, 43 Prozent der Böcke sind zwischen 6 und 10 Jahre alt und nur 2 Prozent der mehrjährigen Böcke sind 11 Jahre alt oder älter. Die jagdliche Entnahme aus dem Bockbestand wird sich an dieser Aufteilung richten, d. h. es können in der Metapopulation sechs Böcke im Alter zwischen 3 und 5 Jahren jagdlich entnommen werden sowie 9 Böcke, die zwischen 6 und 10 Jahre alt sind. Abschüsse von offensichtlich kranken oder sehr schwachen Individuen, die nicht den generellen Entnahmekriterien (z.B. ein Bock, der älter als 10 Jahre alt ist) entsprechen werden dann frei gegeben werden, wenn das Überleben aufgrund der körperlichen Verfassung vom hauptberuflichen Jagdaufseher aufgrund folgender Indizien als unwahrscheinlich eingestuft wird: • Krankheit • schwere Verletzungen • starke Abmagerung • deutlicher körperlicher Abbau aufgrund eines sehr fortgeschrittenen Alters Jagdliche Entnahme von Einzelindividuen in Kolonien außerhalb der Metapopulation In allen anderen Kolonien Südtirols ermächtigt der zuständige Landesrat aufgrund des fachlichen Gutachtens des Amtes für Jagd und Fischerei, Hegeabschüsse von Einzelindividuen laut oben genannten Anforderungen. Für diese Stücke besteht Vorzeigepflicht bei den Aufsichtsorganen des Amtes für Jagd und Fischerei. Der Wildkörper muss zur Untersuchung dem Tierseucheninstitut übergeben werden. 9 Teil II - Konzeptbeschreibung Fang, Immobilisation und Auswilderung von Steinböcken Für das Fangen von Steinwild gibt es unterschiedliche Techniken, welche sich im Laufe der Jahre bewährt haben. Distanzimmobilisation mittels Narkosegewehr Die am häufigsten verwendete Methode ist die Distanzimmobilisation mit der HellabrunnerMischung, bei welcher die Tiere im Freiland im Beisein eines Tierarztes mittels eines Narkosegewehres betäubt werden. Der große Nachteil liegt der mit 5-15% relativ hohen Ausfallsrate (Godlin, mündlich) durch Abstürze oder Fehltreffer und der, im Verhältnis zur Fluchtdistanz der Tiere, geringen Schussdistanz. Distanzen von 15-25 m führen am häufigsten zu Treffern. Bei den Geißen müssen tendenziell größere Distanzen (max. 40 m) in Kauf genommen werden als bei den Böcken. Vorteile der Distanzimmobilisation sind die große Mobilität, der mögliche Einfang von mehreren Tieren pro Tag, der selektive Fang und der im Verhältnis zum Fangerfolg geringe Zeit- und Materialaufwand. Fang mittels Kastenfalle Steinwild kann auch leicht in Fallen gefangen werden. Am gebräuchlichsten sind fix installierte Fallen im Gelände oder mobile Kastenfallen, welche im Baukastensystem gefertigt sind. Als Lockmittel für das Steinwild wird Salz ausgelegt. Die Falle muss aus größerer Entfernung einsehbar sein, sodass eine Störung während der Fangaktivität unterbleibt bzw. minimiert werden kann. Die Dimensionen der Fallen sind erfahrungsgemäß weniger wichtig (Godli, mündlich), sofern eine Mindesthöhe von 1,5 Metern eingehalten wird. Viel wichtiger ist ein strategisch günstiger Standort. Die Falle muss nicht massiv ausgerichtet werden, da sich Steinwild nach dem Fang relativ ruhig verhält. Eine rasche Abdunkelung der Falle in Form eines Rollvorhangs oder dgl. sorgt dafür, dass die Tiere auch dann noch möglichst ruhig bleiben, wenn sich Menschen der Falle annähern. Der Fallenfang hat sich gegenüber der Immobilisation im Freiland als deutlich sicherer, aber auch weit aufwendiger erwiesen. Der zeitliche Aufwand kann zwar mit elektronischen Fangmeldungen (Sender) anstelle der täglichen Kontrollen erheblich vermindert werden. Fallen eignen sich für den Einfang von Steinböcken in Kolonien, deren Lebensraum schwer zugänglich ist und wo die Gefahr durch Abstürze bei der Distanzimmobilisation hoch ist. Die Fallen werden entweder fix installiert oder als mobile Kastenfalle im Gelände platziert. Die Vorteile des Fangs mit Kastenfallen sind der weitgehende Verzicht auf Narkosemittel und damit auch eine nicht unbedingte Anwesenheit eines Tierarztes, eine verschwindend geringe Ausfallsrate und die Möglichkeit eines selektiven Mehrfachfanges, sofern die Falle per Fernauslöser bedient wird. Die Nachteile liegen im Material- und Arbeitsaufwand für den Bau der Falle sowie in der „Unbeweglichkeit“ der Fangeinrichtung. Generell können die Fangaktionen während des ganzen Jahres durchgeführt werden. Laut „Piano di conservazione, diffusione e gestione dello stambecco sull’arco alpino italiano“ sollten das Steinwild in den Monaten April und Mai gefangen werden, da sich die Tiere auf der Suche nach Nahrung in niedrigere Lagen begeben. Gauthier (1994a) empfiehlt, Anfang Sommer möglichst junge Tiere umzusiedeln, damit deren Integration in ein Rudel, inklusive Rangaufstieg in späteren Jahren, funktionieren kann – eine altersmäßig gut durchmischte Population stellt sich jeweils selbst ein oder existiert vielleicht bereits. Einzeltiere vergesellschaften sich bevorzugt mit Gleichaltrigen. Die in der Vergangenheit durchgeführten Auswilderungen haben gezeigt, dass es bei den Böcken wenig Sinn macht, 6- bis 7-jährige Tiere noch umzusiedeln. Gauthier (1994a) legt im Gegensatz zu anderen Autoren die obere Altersgrenze bei Böcken sogar bei vier Jahren fest. Ältere, ausgesetzte Böcke 10 Teil II - Konzeptbeschreibung tendieren dazu, an ihren Herkunftsort zurückzuwandern (Nievergelt 1966a, Gauthier 1994a). Die Rückwanderungstendenz besteht allerdings auch bei jüngeren Tieren, wenn zwischen Fang- und Auswilderungsort nur 11 Kilometer liegen (Rossi & Terrier). Das Alter der Geißen sollte zwischen 2 und 8 Jahren liegen. Unerlässlich sind gut besonnte Winterlebensräume im Auswilderungsgebiet. Nievergelt (1973) empfiehlt, Aussetzungen am Fuße des vorgesehenen Winterlebensraumes vorzunehmen. Das Gebiet sollte so gewählt werden, dass die Tiere so schnell wie möglich nach ihrer Auswilderungen ruhige Zonen finden, wo sie sich sicher fühlen. Weiters ist es ratsam (für jede Teil-Aussetzungsaktion) Tiere gleicher Herkunft auszuwählen, weil diese besser zusammenhalten und so den Erfolg sichern. Für den Transport werden die Tiere entweder in Einzelboxen untergebracht, aber auch Pferdeanhänger, welche mit Stroh ausgepolstert sind, haben sich für den Transport von Steinwild bewährt (Godlin, mündlich). Der Transport selbst erfolgt in den frühen Morgen- oder Abendstunden Für eine erfolgreiche Wiederbesiedelung sind Auswilderungen von mindestens 8 bis 10 Tieren (Peracino & Bassano 1991) sinnvoll; besser wären 15 bis 20 Tiere innerhalb von drei Jahren. Die Fachliteratur gibt heute für eine überlebensfähige Population Minimalzahlen von 500 bis 1.000 Individuen an, eine einzelne Kolonie hält Bubenik ab 60 Tieren für gesichert, Peracino & Bassano mit 70 bis 100 Tieren. Erfahrungen haben gezeigt, dass in Kolonien mit bereits vorhandenem Steinwild, mindestens 20 bis 30 Tiere ausgewildert werden sollen (Tosi et al., 1986; Gauthier et al., 1994). Das Geschlechterverhältnis liegt dabei zu Gunsten der weiblichen Tiere d.h. 6 Böcke und 14 Geißen. In Gebieten mit keinem Steinwildvorkommen hingegen sollen für die Gründung einer Population 50 Tiere (24 Böcke, 26 Geißen) ausgewildert werden (Biebach & Keller, 2008). Um die jahreszeitlichen Wanderungen und das Überleben der ausgewilderten Steinböcke zu kontrollieren, sollen die Tiere derart gekennzeichnet werden, dass sie auf große Entfernung individuell erkannt werden können. Sichtmarkierungen mit Ohrmarken verschiedener Farbe haben sich dazu am besten bewährt. Die Farben blau/grün oder violett/orange sind auf Distanz schwer zu 11 Teil II - Konzeptbeschreibung unterscheiden und sollten in Kombination nicht verwendet werden. Etwas günstiger sind die Farben gelb und weiß. Wiederansiedlungen bringen es mit sich, dass nur relativ wenige Tiere den Grundstock einer neuen Population bilden. Dies führt zu Flaschenhälsen, starken Reduktionen in der Populationsgröße, die auch Konsequenzen für die Genetik der Populationen haben. Zum einen geht genetische Vielfalt durch genetische Drift verloren und zum anderen kommt es zu Inzucht, der Verpaarung von verwandten Individuen. Um die genetische Vielfalt und das Ausmaß der Inzucht der Südtiroler Steinwildpopulationen sowie den Einfluss verschiedener Parameter der Steinwildgeschichte auf die Genetik zu untersuchen, sollen von den erlegten und gefangen Tieren Proben genommen werden. 12 Teil II - Konzeptbeschreibung Veterinärmedizinische Untersuchungen Gesundheitsüberwachung des Steinwilds aus den Herkunftsgebieten: Das Jagdaufsichtspersonal macht laufend Aufzeichnungen über den Gesundheitsstatus der Tiere und hält eventuelle kranke oder schwächere Tiere in einem eigenen Protokoll fest. Erlegte Tiere werden durch einen Tierarzt oder durch eine kundige Person begutachtet; zudem werden Lunge, Leber, Milz und Nieren sowie ein Teil des Darmes mit Lymphknoten für weitere diagnostische Abklärungen an das Institut für Tierseuchenbekämpfung eingereicht. Bei den lebend eingefangenen Tieren sind für die vorsorglichen Untersuchungen eine Blutprobe und eine Kotprobe zu entnehmen, sowie eine Haarprobe für genetische Untersuchungen. Kürzlich verendete und aufgefundene Stücke sowie erlegte kranke Tiere sollten, wenn möglich, unaufgebrochen an das Institut weitergeleitet werden. Laut Absprache mit den Tierärztlichen Behörden werden folgende Krankheiten prioritär überwacht: Bruzellose, Tuberkulose, Pestiviren, Paratuberkulose, Q-Fieber, Gamsräude. 13 Teil II - Konzeptbeschreibung Auswilderung - Beschreibung der Gebiete Auswilderungsaktionen im Zeitraum zwischen 2015 und 2019 – Zeitplan Das Projekt sieht den Fang und die Wiederfreilassung von jährlich ca. 18 Stück Steinwild vor. Nach der zusammenfassenden Betrachtung von aktueller Verbreitung des Steinwildes in Südtirol und den noch nicht besetzten und für geeignet befundenen Lebensräumen sollen die Auswilderungsaktionen in den kommenden fünf Jahren in folgenden Gebieten des Landes durchgeführt werden: 2015 – 2016 2017 2018 – 2019 Großraum Ultental – 3-Seen-Gebiet und Gruppo delle Maddalene Pragser Dolomiten – Seekofelgebiet* Mühlbach – Valler Tal sowie Ahrntal/Zillertaler Alpen* *Infolge der zurzeit nicht absehbaren Entwicklung der Gamsräude in Südtirol wird ein viertes Gebiet vorgeschlagen, welches für die Auswilderung von Steinwild als gut geeignet erachtet wird. Es handelt sich um die orografisch linke Seite des Passeiertals und somit um den nordwestlichen Teil der Sarntaler Alpen, d.h. um das Gebiet zwischen dem Jaufenpass im Norden und dem Ifinger im Süden. Im Folgenden sollen Gebietsbeschreibungen die Eignung dieser Gebiete als Steinwildhabitat untermauern. 14 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung I Großraum Ultental – 3-Seen-Gebiet - Hasenöhrl und Gruppo delle Maddalene Auswilderungszeitraum: 2014 – 2015 Geplante Anzahl an auszuwildernden Tieren: 36 Tiere PNS Geografische Lage Das 3-Seen-Gebiet und die Gebirgskette der Maddalene liegen im südwestlichen Teil Südtirols. Es handelt sich hierbei um zwei Gebirgsketten mit insgesamt über 60 km Länge. Eine zusammenhängende Fläche von 9.000 Hektar liegt oberhalb von 2.400 Metern Seehöhe, fast 12.000 Hektar liegen oberhalb von 2.300 Metern Seehöhe. Im hinteren Ultental sind einige Berge vergletschert, die höchste Erhebung im Gebiet ist die Zufrittspitze mit 3.439 Metern. Mit Ausnahme der vergletscherten Bereiche kann im Sommer praktisch das gesamte Gebiet vom Steinwild genutzt werden. 15 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Im Winter ist der zur Verfügung stehende Lebensraum zwar deutlich eingeschränkt, aber in ausreichendem Ausmaß vorhanden. Dies zeigt auch eine kartografische Übersicht, in der über 35° steile Gebiete (in blau) oberhalb von 2.000 Metern mit den für Steinwild-Wintereinstände günstigsten Expositionen von SO bis W (in rot) überlagert worden sind. 16 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Ein Teil des Gebietes liegt im Nationalpark Stilfser Joch mit lokal bereits sehr guten Steinwildbeständen. Gegen Süden grenzt das Val di Rabbi an, hier wurden in den letzten Jahren vom Nationalpark mehrere Stück Steinwild freigelassen. Wie die Auswertungen der Telemetriedaten (siehe untenstehende Abbildung) zeigen, haben gleich mehrere dieser Tiere weite Wanderungen unternommen und sich auch längere Zeit im Ultental sowie im angrenzenden Martelltal aufgehalten. Steinwildkolonie 3-Seen – aktuelle Lage Die Steinwildkolonie 3-Seen geht auf eine Auswilderungsaktion zurück. Im Jahr 1996 wurden auf der Innerfalkomai-Alm oberhalb von St. Pankraz acht Stück Steinwild freigelassen. Das Gebiet war bereits von den damaligen Experten als geeignet für Steinwild eingestuft worden. Es gibt mehrere Anzeichen dafür, dass bereits vor dem Jahr 1996 erste Stücke Steinwild im Ultental aufgetaucht waren. Mündlichen Überlieferungen zufolge haben zwei Jäger am 1. August 1988 acht Stück Steinwild beobachtet, eine weitere Beobachtung bestätigt diesen ersten Nachweis einer spontanen Besiedelung des Gebietes durch das Steinwild. Die Tiere haben das Gebiet aber bereits nach kurzer Zeit wieder verlassen, zumindest gibt es keine weiteren Beobachtungen mehr. Nach der Auswilderung entwickelte sich die Kolonie infolge des sehr geringen Ausgangsbestandes nur sehr zögerlich. Inzwischen ist der Bestand zwar auf geschätzte 30 Stück angewachsen und auch im benachbarten Val di Rabbi sind mehrere Tiere ausgewildert worden, dennoch wird es ohne weitere Auswilderungsaktion noch einige Jahrzehnte dauern, bis das Gebiet vom Steinwild flächig besiedelt sein wird. 17 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Im Winter werden bisher nur drei Wintereinstände (Örtlichkeit Tufer, Flatschberg, Schwarzen) konstant genutzt. Das Ultental würde dem Steinwild aber auf viel größerer Fläche geeignete Wintereinstände bieten, wie in untenstehender Abbildung dargestellt. Hinzu kommen weitere ideale Wintereinstandsgebiete im direkt anliegenden Martell- und Laaser Tal sowie auf den südexponierten Berghängen des Val di Non. Wildbestand und Weidevieh Im gesamten Ultental kommen Gamsen mit lokal unterschiedlichen Dichten vor. Auf der orografisch rechten Talseite sind die Bestände merklich höher als auf der orografisch linken Talseite. Die mehr als 20 Almen im Ultental sind alle bewirtschaftet und mit Weidevieh bestoßen. Es handelt sich vor allem um Kälber und Jungrinderalmen, auf einzelnen Almen wird auch Melkvieh aufgetrieben. Die Bestoßung der Weiden wird von der Forstbehörde überprüft und kann als angemessen angesehen werden. Einige Almweiden, besonders auf der orografisch linken Talseite werden traditionell auch mit Schafen und Ziegen bestoßen. Die Bestoßungsdichte wird als angemessen erachtet. Die Bestoßung der Almweiden mit Kleinvieh könnte in Zukunft möglicherweise geringer werden, zumal im Ultental und Umgebung sowohl der Wolf als auch der Bär vorkommen. Bei Annahme einer gleichbleibenden Bestoßungsdichte kann davon ausgegangen werden, dass es nur zu geringen Konkurrenzerscheinungen zwischen dem Weidebetrieb und der Steinwildkolonie kommen wird. 18 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung FOTODOKUMENTATION STEINWILDLEBENSRAUM ULTENTAL Zufrittspitze M. Gioveretto Tufer M. Tuva Hasenöhrl Orecchia di lepre Arzker Il costone Peilstein Il sasso Schworzer Moarcuck Hochwart Guardia alta Entlang der orografisch linken Talseite des Ultentals zieht sich ein zusammenhängender Gebirgskamm, der bis in die Gletscherregion des Weißbrunnferners reicht (unten). Die orografisch rechte Talseite grenzt im Süden gegen das Val di Rabbi an. 19 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung An beiden Seiten finden sich geeignete Steinwild-Wintereinstände. Sowohl oberhalb von Weißbrunn, als auch… …im Einertal und im Kirchberg (unten) finden sich genügend steile und gut exponierte Gebiete, die als Wintereinstand in Frage kommen. 20 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung II Großraum Mühlbach – Valler Tal – Ahrntal/Zillertaler Alpen Auswilderungszeitraum: 2017 – 2018 Geplante Anzahl an auszuwildernden Tieren: 36 Tiere Val Aurina Val di Valles e dintorni Geografische Lage An der orografisch rechten Talseite des Pustertals erstrecken sich zahlreiche Seitentäler. Mit Ausnahme des engen und sehr steilen Pfunderer Tales handelt es sich hier um typische, vom Gletscher geformte U-Täler. Die zum Teil weiten Talböden des Valler-Tals und des Ahrntals werden von steilen Bergflanken begrenzt, die höchsten Berggipfel liegen auf fast 3.400 m Seehöhe. Das Valler Tal begrenzt die Pfunderer Berge gegen das Wipptal und das Pfitscher-Tal, die Ahrntaler Berge grenzen mit dem Alpenhauptkamm direkt an das Zillertal an. In den Bergen des Valler Tals und deren Umgebung gibt es bis in hohe Lagen weite, üppige und zudem oft sehr steile Weideflächen. Das Steinwild findet hier auf weiter Fläche ideale Ganzjahreslebensräume vor. Auch die orografisch rechte Seite des Ahrntales bietet dem Steinwild gute Lebensräume, wenn auch geeignete Wintereinstände in geringerem Ausmaß vorhanden sind. 21 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Steinwildkolonie Eisbruggspitze – aktuelle Lage Bereits im Jahr 1970 ist erstmals ein junger Steinbock im Gebiet von Luttach/St. Johann beobachtet worden. Der Bock war damals aus dem angrenzenden Zillertal eingewandert. In der Folge blieb jedoch eine spontane Besiedelung des Gebietes aus, auch wenn immer wieder Einzeltiere beobachtet werden konnten. Zwischen 1987 und 1994 wurden in den Revieren Pfunders, Lappach und Pfitsch insgesamt 20 Stück Steinwild ausgewildert. Die rasche Zunahme der kleinen Kolonie bestätigt die hohe Eignung des Gebietes als Steinwildlebensraum. Der derzeitig im Gebiet zwischen Pfunders, Pfitsch, Lappach und Luttach vorhandene Frühjahrsbestand setzt sich aus ca. 150 Tieren zusammen. Aufgrund der weitläufigen idealen Lebensräume wird zurzeit jedoch nur ein relativ geringer Anteil der vorhandenen Lebensräume von den Tieren genutzt. Bisher ist die Kolonie Eisbruggspitze als Steinwild-Verbreitungsinsel anzusehen. Die im Nordosten angrenzenden Kolonien des Zillertals sind zwar nicht weit entfernt, der Austausch unter den Tieren erfolgt bisher vermutlich jedoch nur sporadisch. 22 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Lebensraum – Weidevieh – Konkurrenz Im Gebiet gibt es auf großer Fläche geeignete Winterlebensräumen, zumal das sehr steile Gelände reich strukturiert und zerklüftet ist. Die als zumindest potentiell geeignet erachteten Winterlebenssäume sind in untenstehenden Abbildungen ersichtlich. Die Abbildungen zeigen das oberhalb von 2.000 m liegende Gebiet im Valler Tal (oben) und im Ahrntal (unten). In blau sind jene Flächen dargestellt, die mindestens 35° steil sind, in rot die von Steinwild im Winter am häufigsten Expositionen von Südosten bis Westen. Gebiete, in denen beide Gegebenheiten erfüllt sind, können als potentiell geeignete Winterlebensräume angesehen werden. Insgesamt stehen dem Steinwild allein im Valler Tal und den daran angrenzenden Gebieten ca. 1.000 Hektar potentiell geeignete Winterlebensräume zur Verfügung. Auch im Ahrntal sind ausreichend Winterlebensräume vorhanden. Hier ist eine Besiedelung des Gebietes besonders erstrebenswert, zumal damit die bereits vorhandenen, zahlenmäßig aber geringen Steinwildkolonien der Hohen 23 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Tauern und der Durreck-Gruppe sowie die im Zillertal vorhandenen Kolonien miteinander verbunden würden. Die auf weiter Fläche idealen Lebensräume werden von den Bauern der Umgebung extensiv bewirtschaftet und beweidet. Die Schaf- und Ziegenweide wird nur ausnahmsweise und mit kleinen Herden betrieben. Somit kann Nahrungskonkurrenz in diesem Gebiet zurzeit, nicht zuletzt auch wegen des äußerst reichen Angebots, ausgeschlossen werden. Sonstiges: Lawinen - Gamsräude Die Pfunderer Berge und deren Umgebung bieten dem Steinwild auf weiter Fläche ideale Lebensräume. Zurzeit wird nur ein Bruchteil des zur Verfügung stehenden Lebensraumes vom Steinwild genutzt. An den besonders steilen Grashängen brechen in schneereichen Wintern oft auch große Lawinen ab. In den beiden außergewöhnlich schneereichen Wintern 2012-2013 und 2013-14 wurden ca. 20% der Steinwildkolonie unter Lawinen begraben. Die weit größere Bedrohung für die lokale Steinwildkolonie stellt jedoch die Gamsräude dar, welche seit einigen Jahren die Gamsbestände am Eingang des Pfitschtales befallen hat und dort zu massiven Verlusten geführt hat. Die Räudemilbe ist bereits in den 80er Jahren erstmals im Pustertal aufgetreten. Im Ahrntal werden bis heute immer wieder Einzelfälle bekannt. Im Gebiet des Nationalparks Hohe Tauern und so auch im hinteren Ahrntal werden immer wieder auch Verluste beim Steinwild beklagt. Im Hinblick auf eine mögliche weitere Ausbreitung der Krankheit soll die Auswilderung des Steinwildes in diesem Gebiet erst gegen Ende der Fünfjahresperiode dieses Konzeptes erfolgen. 24 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung FOTODOKUMENTATION STEINWILDLEBENSRAUM VALLERTAL & AHRNTAL Wilde Kreuzspitze Picco della croce Montagne di Fundres Panoramaübersicht über die Valler Berge (links) von Südosten, denen die Pfunderer Berge im Westen anschließen, in denen der Großteil der Steinwildkolonie lebt. Montagne di Fundres Auch die gegen Süden an die Pfunderer Berge angrenzenden Berge (Bildmitte und rechts) bieten dem Steinwild gute Lebensräume. Wilde Kreuzspitze Picco della croce Von Westen betrachtet sind die weitläufigen Weideflächen deutlich ersichtlich. 25 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Äsung und geeignete Steinwild-Winterlebensräume sind im Valler-Tal und dessen Umgebung (oben) ebenso reichlich vorhanden wie an der orografisch rechten Seite des Ahrntales (unten). 26 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung III Pragser Dolomiten - Seekofelgruppe Auswilderungszeitraum: Geplante Anzahl an auszuwildernden Tieren: 2016 18 Tiere Pragser Dolomiten Geografische Lage Die Pragser Dolomiten liegen im südwestlichsten Teil Südtirols. Sie sind zum einen durch weite Almflächen, wie jene der Fanes oder der Sennes Alm, gekennzeichnet, zum anderen geben ihnen schroffe Berge mit oft senkrecht abfallenden Wänden und mit tief eingeschnittenen Tälern ihr charakteristisches Erscheinungsbild. Gegen Süden schließt die massive Gebirgsgruppe der Tofane an die Pragser Dolomiten an, gegen Osten jene des Dürrensteins sowie der Drei Zinnen, im Westen wird dieses Gebiet vom Gadertal begrenzt, welches die Dolomiten in Nord-Süd-Richtung durchzieht. Die höchsten Bergspitzen in diesem Gebiet sind über 3.100 m hoch. 27 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Provincia di BELLUNO Steinwildkolonie Seekofel Bereits in den 1970er Jahren sind in der Provinz Belluno einige Tiere im Seekofelgebiet freigelassen worden, nachdem sich einzelne an einem anderen Ort freigelassene Tiere hier niedergelassen hatten. Die Kolonie erreichte zwar bald eine ansehnliche Dichte, stagnierte dann aber gegen Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Danach fielen alle Tiere der Gamsräude zum Opfer und die Kolonie erlosch. Vor wenigen Jahren wurden in der angrenzenden Provinz Belluno erneut einige Tiere freigelassen, hinzu kamen drei weitere Tiere, welche in Südtirol ausgewildert worden sind. Im Vergleich zu den Tieren der einstigen Kolonie scheinen die heute im Gebiet vorkommenden Steinböcke einen merklich größeren Raum zu nutzen. So sind sie bereits in Wengen oder auch am Dürrenstein beobachtet worden, beides Gegenden, in denen zuvor fast nie Steinwild aufgetaucht war. Diese Gebiete liegen fast 20 km voneinander entfernt. Bei Betrachtung dieser großräumig vorhandenen Lebensräume könnte sich in den Bergen zwischen dem Seekofel im Norden und dem Fanesgebiet im Süden sowie in den angrenzenden Lebensräumen in der Provinz Belluno durchaus eine stattliche Steinwildkolonie entwickeln. An Sommereinständen mangelt es im Gebiet nicht und auch gut geeignete Wintereinstände sind reichlich vorhanden. Sollten die Gamsbestände nach ihrem Wiederaufbau nach der Räude jedoch wieder ähnlich hohe Dichten erreichen, wie dies vor dem Ausbruch der Räude der Fall war, kann eine mögliche Äsungskonkurrenz zwischen den beiden Arten nicht ausgeschlossen werden. 28 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Im Gebiet der Pragser Dolomiten gibt es einige größere Flächen, die als Wintereinstandsgebiet für Steinwild geeignet sind. In blau sind alle Gebiete mit einer Neigung von mindestens 35° dargestellt, die roten Flächen stellen jene Flächen dar, die vom Steinwild aufgrund ihrer Exposition (SO bis W) im Winter bevorzugt werden. Die Überlappungsgebiete sind als potentiell geeignete Winteranstände anzusehen. 29 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung FOTODOKUMENTATION STEINWILDLEBENSRAUM PRAGSER DOLOMITEN Picco di Valandro Picco della croce Croda del Becco Picco della croce Croda Rossa Picco della Sennes Picco della Fanes Picco della Tofane Die Luftansicht der Pragser Dolomiten von Südwesten aus lässt die Weitläufigkeit des Gebietes erahnen,… Croda Rossa Tofane Croda del Becco …der Seekofel ist 13 Kilometer vom Bergstock der Tofane entfernt. Dazwischen erstrecken sich tausende Hektar an von Steinwild nutzbaren Lebensraumes. 30 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung 31 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung IV Passeiertal – Sarntaler Alpen Hinweis: Eine Auswilderung von Steinwild in diesem Gebiet soll im Zeitraum zwischen 2015 und 2019 nur bei unvorhergesehener Ausbreitung der Gamsräude in den Pfunderer Bergen oder in den Pragser Dolomiten erfolgen. Geografische Lage Die Sarntaler Alpen liegen in der Mitte Südtirols. Sie erstrecken sich von Sterzing im Norden über Brixen bis nach Bozen im Süden sowie bis nach Meran im Westen. Im Osten werden sie vom Wipptal sowie vom Eisacktal begrenzt, im Westen vom Etschtal sowie vom Passeiertal. Der Gebirgsstock der Sarntaler Alpen erstreckt sich über eine Fläche von ca. 95.000 Hektar. Einzig am Jaufenpass im hinteren Passeiertal sind die Sarntaler Alpen direkt mit den angrenzenden Gebirgsgruppen der Texelgruppe sowie der Stubaier Alpen verbunden. Das Landschaftsbild in den Sarntaler Alpen wird zum einen von sanften Gebirgsrücken und Almen geprägt, zum anderen aber auch von schroffen und sehr steil abfallenden Bergen. Steinwildvorkommen In den Sarntaler Alpen gibt es bis heute kein Steinwildvorkommen. Dies ist auch auf die ziemlich isolierte Lage der Sarntaler Berge zurückzuführen. Eine natürliche Einwanderung von Steinwild wäre praktisch nur über den Jaufenpass möglich. Die nächstgelegen vom Steinwild genutzten Lebensräume liegen im Ratschingser Tal, es handelt sich hierbei vor allem um Wintereinstände, welche von einigen Tieren genutzt werden. 32 Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Eignung als Steinwildlebensraum Vor allem im nördlichen Teil der Sarntaler Alpen und hier im Speziellen zwischen dem Ifinger und dem Jaufenpass bis nach Mittewald gibt es auf weiter Fläche gut geeignete Steinwildlebensräume. Die höchsten Bergspitzen liegen hier über 2.700 Meter, fast 4.500 Hektar liegen oberhalb von 2.300 Metern Seehöhe, gut 2.200 Hektar liegen oberhalb von 2.400 Metern. Die Sarntaler Alpen sind charakterisiert durch zahlreiche kleine Seitentäler mit sehr steilen und durchwegs felsdurchsetzten Flanken. Auf kleiner Fläche wechseln sich somit sonnenbeschienene Hänge mit Schattenhängen ab. Die Grate sind durchwegs scharf. Mehrere Seitentäler, wie das Fartleistal oder das Pfistradtal in Passeier, der Obern- und Unternberg im Sarntal oder das Flaggerund das Puntleidtal im Osten bieten dem Steinwild geeignete Wintereinstände. Der potentielle Steinwildlebensraum erstreckt sich in Hufeisenform entlang der Bergkette rund um das Sarntal. Der nordwestliche Teil der Sarntaler Alpen ist gekennzeichnet durch sehr steil abfallende und mit Felsen durchsetzte Hänge. Hier gibt es auch zahlreiche Gebiete, die vom Steinwild als Wintereinstand genutzt werden könnten. Im östlichen Teil sind die als geeignet erachteten Winterlebensräume für Steinwild viel verstreuter und auch auf kleinerer Fläche vorzufinden. Gebiete mit einer Neigung von mindestens 35° sind in blau gekennzeichnet, Flächen, die in Südost- bis Westrichtung exponiert sind, sind in rot unterlegt, die Überlagerungsflächen kennzeichnen den zumindest potentiell geeigneten Winterlebensraum für Steinwild 33 FOTODOKUMENTATION STEINWILDLEBENSRAUM PASSEIERTAL – SARNTALER ALPEN Der nördlichste Teil der Sarntaler Alpen vom Jaufenpass aus gesehen. Dies wäre der einzig mögliche Korridor für eine natürliche Einwanderung des Steinwildes in die Sarntaler Alpen von den Ratschinger Bergen aus.. An der Südseite der Passeirerberge grenzen steile sonnenexponierte Grashänge oft an felsdurchsetzes Gebiet. Teil III – Auswilderung - Gebietsbeschreibung Der Hirzer (oben Ostansicht, unten Westansicht) bietet dem Steinwild mehrere kleinräumig geeignete Wintereinstände. 35 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Das Steinwild in Südtirol - natürlich eingewandert oder ausgewildert Die ersten Versuche Steinwild in Südtirol anzusiedeln wurden bereits Ende der der 30er Jahre im Nationalpark Stilfser Joch gestartet. Die vier Tiere stammten aus dem Gebiet des Nationalparks Gran Paradiso und wurden im hinteren Martelltal im Jahre 1939 freigelassen. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges jedoch waren diese Steinböcke verschwunden. Ende der 40er Jahre wurde in Graubünden die Kolonie Terza-Sesvenna gegründet. In den darauffolgenden Jahren wurden während der Sommermonate immer wieder einzelne Tiere dieser Kolonie auf Südtiroler Seite beobachtet. Erst gegen Ende der 60er Jahre tauchten in den Gebieten der heutigen Kolonien Weißkugel und Texelgruppe Tiere auf, die das ganze Jahr über auf Südtiroler Seite blieben. Bis Ende der 70er Jahre häuften sich die Beobachtungen auch in den anderen Teilen des Landes. Die stammten aus den angrenzenden Kolonien in Tirol/Österreich. Um eine raschere Besiedelung der Gebiete zu fördern, wurden von der Südtiroler Landesverwaltung einige Stücke Steinwild ausgewildert. Alle Tiere, mit Ausnahme einer Geiß, stammten aus den Engadiner Beständen. Jedoch waren die Aktionen nicht überall erfolgreich. Es ist erwähnenswert, dass in der heutigen Metapopulation zwischen dem Brenner und dem Reschen nur sechs Stück Steinwild ausgewildert worden sind. Das gesamte Gebiet ist nahezu ausschließlich durch natürliche Kolonisierung wieder besiedelt worden. Wiedereinbürgerungsaktionen von Steinwild in Südtirol Jahr Kolonie Gebiet Böcke Geißen 1977 - 1978 Texel Pfossental 3 3 6 1987 - 1994 Eisbruggspitze Pfunders, Lappach, Pfitsch 8 12 20 1996 Ulten - 3 Seen Ulten Südtirol gesamt Gesamt 4 4 8 15 19 34 In Südtirol gibt es derzeit neun Steinwildkolonien. In sechs davon (Weißkugel, Texel, Tribulaun, Eisbruggspitze, Durreck, Ulten) bleibt der Großteil der Tiere das ganze Jahr über in Südtirol. Bei drei weiteren (Sesvenna, Seekofel, Tauern) handelt es sich vorwiegend um Steinwild aus den Nachbarländern, dessen Sommereinstände in Südtirol liegen. 36 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Nach einem Ausbruch der Gamsräude im Jahr 2004 ist die Steinwildkolonie Seekofel innerhalb kurzer Zeit erloschen. In den vergangenen zwei Jahren wurden dort insgesamt fünf markierte Individuen freigelassen mit dem Ziel, diese Kolonie wieder aufzubauen. Auch die Kolonie am Sellastock ist aufgrund dieser parasitären Krankheit erloschen. Das Steinwild besiedelt in Südtirol zurzeit eine Fläche von rund 35.000 ha. Die Kolonien mit den höchsten Bestandesdichten befinden sich entlang des Alpenhauptkamms an der Staatsgrenze zu Österreich. Sie erstrecken sich über große Teile der südlichen Stubaier Alpen (Kolonie Tribulaun) und der Ötztaler Alpen (Kolonie Weißkugel und Texel). Mittlerweilen bilden die drei Kolonien zwischen Reschen und Brenner eine zusammenhängende Einheit. Die mittlere Bestandesdichte in Südtirol liegt bei 4,2 Tieren pro Quadratkilometer. Kolonie Gezählter Bestand Hektar N/100ha Sesvenna ¹ 65 3682 1,8 Ponte di Ghiaccio - Eisbruggspitze 137 5769 2,4 Tauri - Tauern ¹ 10 1005 0,9 Cima Dura - Durreck 63 1316 4,8 Ultimo - Orecchia di Lepre 16 3851 0,4 PNS -Umbrail - Stelvio k.A. 660 / Palla Bianca - Weisskugel ² 353 5159 6,8 Tessa - Texel ² 479 8552 5,6 Tribulaun ² 312 4413 7,1 1435 34408 4,2 Gesamt ¹ vorwiegend Wechselwild ² Kolonien Weißkugel - Texel - Tribulaun sind zusammenhängend 37 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Bestandesentwicklung 1988 – 2014 Südtirols Steinwildbestände werden seit dem Jahr 1988 regelmäßig erhoben. Das Steinwild ist eine sehr ortstreue Wildart, die vorwiegend in offenen Lebensräumen oberhalb der Waldgrenze lebt und daher leichter als andere Schalenwildarten erfassbar ist. In Südtirol werden die jährlichen Zählungen in der Regel zwischen Ende März und Ende Mai durchgeführt. Zu dieser Zeit halten sich die Rudel zum Großteil noch in den traditionellen Wintereinständen auf oder steigen auf der Suche nach frischem Grün in die tieferen Lagen herab. Eine Zählung während der Setzzeit, also im Juni wird vermieden, da sich die Geißen dann in unzugängliches Gelände zurückziehen und kaum sichtbar sind. Auch im Sommer gestalten sich die Zählungen in vielen Gebieten schwierig. Die Tiere sind in dieser Zeit über ein viel größeres Gebiet verteilt als im Winter und befinden sich größtenteils in den höchsten Lagen. Eine Ausnahme bilden die „Grenzkolonien“, deren Tiere nur während der Sommermonate auf Südtiroler Gebiet vorkommen. Sie werden in der Regel im Juli gezählt. Die verschiedenen Kolonien werden getrennt erhoben. Dabei wird das Zählgebiet in mehrere Zonen eingeteilt. Die Aufteilung des Gebietes wird so gewählt, dass ein Wechsel der Tiere von einer Zone in eine andere entweder ausgeschlossen werden kann oder zumindest kontrollierbar ist. Die gesamte Kolonie wird innerhalb desselben Tages gezählt. Der Bestand wird in folgende soziale Klassen eingeteilt: • Jungtiere beider Geschlechter (1-2 Jahre) • Geißen (älter als 2 Jahre) samt Kitzen • Junge Böcke (3 bis 5 Jahre) • Mittelalte Böcke (6 bis 8 Jahre) • Alte Böcke (aufgeteilt in 9jährig, 10jährig und 11+) • Schwache und kümmernde Stücke Festgehalten wird der jeweilige Frühjahrsbestand, d. h. die gezählten Kitze fließen in die Zusammenfassung nicht ein. Im Jahr 1988 belief sich der gezählte Gesamtbestand in Südtirol auf 122 Tiere. In den folgenden Jahren hat sich das Steinwild stark vermehrt und zunehmend ausgebreitet. Die erfolgreiche Entwicklung der Kolonien und die hohe Zuwachsrate in den Anfangsjahren lassen einerseits auf eine gute Eignung des Gebietes schließen, sind aber sicherlich auch durch weitere Einwanderungen aus den Nachbarländern und letztlich eine Verbesserung der Erhebungsmethoden im Laufe der Jahre bedingt. Steinwildbestand in Südtirol 1600 1400 Jungtiere 1-2 Jahre Böcke Geißen 1200 1000 Gesamtbestand 800 600 400 200 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 0 Die Abbildung zeigt den seit jeher natürlichen Aufbau der Steinwildbestände des Landes mit je einem Drittel Böcke, einem weiteren Geißen sowie einem Drittel Jungtiere. Südtirolweit hat sich der Steinwildbestand in den 25 Jahren verzehnfacht. 38 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Jahr Bestand (Anfang Ende) mittlerer jährlicher Zuwachs 1988 - 1993 122 433 Stück 29,8% 1994 - 2003 569 889 Stück 5,8% 2004 - 2013 967 1.396 Stück 4,4% 1988 - 2013 122 1.396 Stück 11,2% Metapopulation der Ötztaler und Stubaier Alpen Metapopulation der Ötztaler und Stubaier Alpen Während einige Kolonien geografisch getrennte Populationseinheiten bilden, kann im Gebiet zwischen dem Reschen- und Brennerpass von einer zusammenhängenden Steinwild-Metapopulation gesprochen werden. Die Steinwilddichten in dieser Metapopulation, welche sich aus den Kolonien Weißkugel, Texel und Tribulaun zusammensetzt, sind durchwegs ansehnlich, und ein Großteil des potentiellen Lebensraumes ist besiedelt. Auf Südtiroler Seite werden mittlerweile an die 1.150 Stück Steinwild gezählt. In untenstehender Tabelle sind die Zählergebnisse und somit die Bestandesentwicklung seit dem Jahr 1988 ersichtlich. Damals konnten in den drei Kolonien insgesamt 91 Tiere gezählt werden. Die Ergebnisse der Zählungen bestätigen das stabile Wachstum der Population. In den letzten 10 Jahren wurde ein mittlerer jährlicher Zuwachs von 5,3% verzeichnet. 39 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Zählergebnisse Jahr Weißkugel Texel 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 24 28 31 60 78 102 111 117 121 166 166 171 237 253 233 233 274 252 292 254 285 293 296 251 306 353 389 31 61 64 94 97 113 154 185 138 160 158 163 171 182 216 230 249 287 348 361 358 369 361 376 377 479 460 Tribulaun Gesamt 36 33 67 73 105 92 124 143 148 172 167 160 146 181 175 181 189 215 275 249 269 285 282 264 326 312 300 91 122 162 227 280 307 389 445 407 498 491 494 554 616 624 644 712 754 915 864 912 947 939 891 1009 1144 1149 Der Steinbock ist ein ausgesprochenes Hochgebirgstier und erstaunlich gut an die rauen Bedingungen der Berge angepasst. Als eines der wenigen Wildtiere der Alpen bleibt er das ganze Jahr über in der alpinen Zone. Der Steinbock hat sehr enge Lebensraumansprüche, seine Verbreitung im Alpenraum ist deshalb auch nirgends großräumig, sondern punkt- oder linienförmig über den Alpenbogen verstreut. Steinböcke breiten sich entlang von Bergketten aus. Breite, flache Täler unterhalb der Waldgrenze und ausgedehnte Gletscher stellen natürliche Ausbreitungsgrenzen dar. Die Sommer- und Wintereinstände sind weitgehend voneinander getrennt und können unter Umständen mehrere Kilometer voneinander entfernt liegen. Seltener und nur unter besonders günstigen Bedingungen besiedeln die Tiere das ganze Jahr über denselben Standort. Vor allem an die Winterlebensräume stellen Steinböcke hohe Ansprüche. Das Vorhandensein geeigneter Wintereinstände in einem Gebiet ist somit eine grundlegende Voraussetzung für das Vorkommen von Steinböcken. Die Größe des Winterlebensraumes ist beim Steinbock mehr als bei anderen Tieren entscheidender Faktor für die Populationsdichte. Derzeit besiedeln die Steinböcke in den Wintermonaten landesweit ein Gebiet von ca. 70-75 km², was einer Landesfläche von weniger als 1% entspricht. Jagdliche Nutzung Im Jahr 1985 wurde in Südtirol der erste Steinwildabschuss getätigt. Damals konnte im Jagdrevier Schnals eine 18jährige Geiß erlegt werden. In den darauffolgenden Jahren wurden auch in anderen Landesteilen Südtirols einzelne Stücke erlegt. 40 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Nach der aktuellen Landesgesetzgebung ist die Entnahme in den kleinen Kolonien auf erwachsene, zuzüglich der kranken und schwachen Stücke beschränkt, d.h. auf Individuen die nicht mehr zum Wachstum der Population beitragen. In Kolonien mit gutem Bestand wäre zwar eine konstante und regelmäßige jagdliche Nutzung verträglich, aber laut Gesetz sowie laut regionalem Verwaltungsgericht, ist auch in diesem Fall die Entnahme auf adulte, schwache und kranke Individuen zu beschränken. Jüngere Stücke dürfen nur entnommen werden, wenn es sich um schwache und kümmernde Tiere handelt. Der Abschuss von Jahrlingen ist nur bei einer starken Jugendklasse und hohem Zuwachs gerechtfertigt, ausgeschlossen sind führende Geißen mit Kitz. 1600 1400 Abschuss Gezählter Bestand 1200 Stück 1000 800 600 400 200 2012 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 0 Jahr In den vergangenen vier Jahren Jahr Bestand Entnahme % Entnahme vom Bestand belief sich die 2010 1204 25 2,1% Steinwildentnahme auf 3,3 2011 1104 45 4,1% Prozent des gezählten 2012 1244 53 4,3% Steinwildes. Die bisherige 2013 1396 45 3,2% Erfahrung hat gezeigt, dass auch bei einer jährlichen jagdlichen Nutzung der Bestand nicht beeinträchtigt wird und eine stetige Zunahme des Bestandes und eine Ausweitung des genutzten Lebensraumes beobachtet werden konnte. Der Großteil der Abschüsse erfolgt in der Metapopulation zwischen dem Reschen- und Brennerpass. In den kleineren Kolonien Eisbrugg, Durreck, Sesvenna und Ulten wurden hingegen nur einzelne Abschussermächtigungen erteilt. 41 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen 450 400 350 300 250 200 150 100 50 5,5% 4,4% 5,6% 4,5% 6,9% 4,1% 3,7% 2,3% 2,8% 0,5% 3,5% 2,4% 0 Weis s kugel Texe lgruppe Tribul aun gezähl t Eis brugg genehmi gt Du rreck Ses ve nna* getätigt Mittelwert aus den letzten 3 Jahren (*letzten 2 Jahren): Gezähltes Steinwild, Abschussfreigabe und effektiver Abschuss Der jagdlichen Entnahme von Steinwild in Südtirol liegen folgende Überlegungen zu Grunde: Prelievo Gleichgewicht erhalten: Die Anno Palla bianca Tessa Tribulaun Totale zahlenmäßige Entwicklung der 1 1985 0 1 0 Bestände soll kontrolliert werden, 0 1986 0 0 0 insbesondere um 1987 1 0 1 0 2 1988 0 2 0 Konkurrenzerscheinungen mit dem 1989 2 0 1 1 Gamswild vorzubeugen. Es scheint, 3 1990 0 2 1 1991 1 4 3 8 dass das Gamswild bei hohen 10 1992 2 4 4 Steinwildkonzentrationen abnimmt. 18 1993 4 9 5 Erhalt der Vitalität und Gesundheit 42 1994 12 16 14 37 1995 8 18 11 der Bestände: Mit der 40 1996 6 20 14 nummerischen Kontrolle soll der 44 1997 11 17 16 1998 40 12 14 14 Ausbreitung von ansteckenden 31 1999 10 13 8 Krankheiten vorgebeugt werden. Die 2000 36 13 13 10 46 2001 21 11 14 Gamsräude, welche zunächst in den 2002 22 12 14 48 östlichen Landesteilen hohe Verluste 48 2003 21 13 14 62 2004 28 19 15 beim Gamswild verursacht hat, hat 59 2005 24 23 12 mittlerweile in den Gamsbeständen 44 2006 16 16 12 am Brenner erreicht. Es besteht die 47 2007 15 18 14 58 2008 20 20 18 Gefahr, dass diese Krankheit, die 2009 60 17 17 26 auch beim Steinwild hohe Verluste 23 2010 7 8 8 2011 42 9 18 15 verursacht, die Talfurche des 48 2012 14 21 13 Wipptals überschreitet und die 41 2013 15 17 9 941 Totale 308 348 285 Steinwildkolonie am Tribulaun befällt. Auch die Gamsblindheit kommt im Gebiet vor, hohe Dichten begünstigen eine Ausbreitung unter den Tieren. Ausgeglichener Bestandesaufbau: Der Bestandesaufbau soll so in den einzelnen Kolonien so natürlich wie möglich erhalten werden. Jagdliches Interesse: Es gilt auch, die jagdlichen Interessen zu befriedigen. Unter Berücksichtigung der hohen Wertschätzung, welche der Steinbock in der Gesellschaft genießt, 42 pedaina Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen erscheint es sinnvoll, Tiere jagdlich zu nutzen, bevor sie aus natürlichen Gründen verenden und somit verloren gehen. Gleichzeitig wird dabei die Jägerschaft in den “Bewirtschaftung” des Steinwildes mit eingebunden, d.h. den Schutz, das Monitoring und die Überwachung der Tiere. Auf diese Weise wird der Wilderei vorgebaut und diese eingeschränkt. Das Wildern von Steinwild ist nämlich immer noch im gesamten Alpenbogen eine nicht zu verschweigende Realität. Die Steinwildjagd im Alpenraum und deren rechtliche Grundlagen Im Vergleich zur eingeschränkten Steinwildentnahme in Südtirol wird das Steinwild in Graubünden bereits seit fast 40 Jahren jagdlich genutzt. Dabei wird darauf geachtet, die natürliche Bestandesstruktur weitgehend beizubehalten. Alte Tiere haben nämlich innerhalb eines Rudels eine wichtige Leitfunktion. Zunächst ist für jede Kolonie in Graubünden eine Zielsetzung für eine optimale Bestandesgrösse formuliert worden. Prioritär beachtet wurden dabei die Relation Bestand zu Lebensraum und die Bestandesentwicklung. Die Jagd orientiert sich nach den Zielsetzungen der Bestandesentwicklung. Entsprechend dieser Zielsetzung erfolgt kein bzw. ein mäßiger oder gar ein intensiver jagdlicher Eingriff. Der jagdliche Eingriff erfolgt in den einzelnen Geschlechter- bzw. Altersklassen gezielt. Es soll ein dem Einstandsgebiet nach der Anzahl angepasster Bestand mit einer möglichst natürlichen Struktur bezüglich Geschlecht und Altersklassen gefördert werden. Das erfordert deutlich höhere Eingriffe in der Jugendklasse, als in der Mittel- und Altersklasse. Entsprechend der Populationspyramide fallen Abschüsse in den jüngeren Altersklassen höher aus als bei älteren. Die untenstehenden Grafiken zeigen die Altersverteilung der Abschüsse in Südtirol (links) und Graubünden (rechts) auf. Während in Südtirol die Jugendklasse (1 bis 5 Jahre) nur wenig genutzt wird (hauptsächlich schwache und kümmernde Jahrlinge) werden in Graubünden 62% der Tiere in dieser Altersklasse entnommen. Alter Böcke Geißen Böcke Geißen 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Altersstruktur Abschuss 2012 – 2013 Südtirol Struktur der Gesamtstrecke seit 1977 Graubünden In Österreich und in der Schweiz hat sich das Steinwild schon früher ausgebreitet und gehört schon länger zu den Wildarten, die jagdlich genutzt werden. Die starke Zunahme der Kolonien in einigen Gebieten hat die zuständigen Behörden schon vor Jahren dazu veranlasst, einer Bejagung des Steinwildes zuzustimmen. In Italien, Frankreich und Deutschland gehört das Steinwild hingegen zu den geschützten Arten. In der Schweiz werden vom Gesamtbestand jährlich knapp 11%, in Österreich 12%, also in etwa der nutzbare Zuwachs, entnommen in Südtirol mit 3-8% vergleichsweise wenig. 43 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen In Graubünden werden zwischen 8-16% bei 13% Zuwachs entnommen. Gibt es keine außergewöhnlichen äußeren Einflüsse, bleibt der Bestand konstant. Das Geschlechterverhältnis liegt bei 1:1,24 (♂zu ♀). Die Alterstruktur bei den Böcken ist wie folgt aufgebaut: 4% des Gesamtbestandes sind Böcke, die älter als 10 Jahre alt sind, 11% sind Böcke zwischen 6 und 10 Jahren und die ein- bis fünfjährigen Böcke machen 30% des Gesamtbestandes aus. Der Bockanteil am Gesamtbestand liegt somit bei 45 Prozent. In Südtirol (Kolonie Alpenhauptkamm Reschen bis Brenner) wurden in den letzten 10 Jahren im Mittel 5,3% des gezählten Frühjahrsbestandes entnommen, die jährliche Bestandeszunahme lag gleichzeitig bei ca. 55%. Das Geschlechterverhältnis liegt bei 1:1,12 (♂ zu ♀), wobei nur 0,7% des Bestandes aus mehr als 10 Jahre alten Böcken gebildet wird, die 6 bis 10 Jahre alten Böcke machen 14 Prozent des Bestandes aus und 33% werden von ein- bis fünfjährigen Böcken gebildet. Dies entspricht einem Bockanteil von 47 Prozent. Aufbauend auf die Erfahrungen der Steinwildbejagung in Graubünden nimmt der Bestand bei einer Entnahme von 10% des Frühjahrsbestandes leicht zu. Als Planungseinheit für die Jagdplanung des Steinwildes in der Schweiz gilt die Kolonie. Wird in einer Kolonie ein anhaltender Rückgang festgestellt und fällt der Bestand unter eine minimale Bestandesgrösse, wird die Jagd eingestellt. In Österreich ist das Steinwild seit dem Jahr 1978 nach festgelegten Kriterien jagdbar. Es wurde der Abschuss eines Tieres pro 10 km² Revierfläche, in welchen das Steinwild vorkommt, festgelegt. Aktuell werden in Österreich jährlich 450 – 500 Steinböcke erlegt und ist in 5 der 9 Bundesländer jagdbar. Die vom Tiroler Jägerverband vorgesehenen Hegerichtlinien für das Schalenwild schreiben vor, dass der Steinwildabschuss nicht mehr als 12% der gesamten Population ausmachen darf. Weiters sollen bei den Böcken 50-65% der Abschüsse in der Altersklasse von 1-4 Jahren, 5-10% in der Klasse von 5-9 Jahren und 30-40% in der Altersklasse von 10 Jahren und älter getätigt werden. Es werden also die mittelalten Tiere geschont. In Slowenien zählt das Steinwild zu den jagdbaren Wildarten. Gejagt werden vor allem alte männliche Stücke. M etapopulation Ötztaler und Stubaier Alpen 1400 Böcke Geißen Jungtiere Anzahl gezählter Tiere 1200 1000 800 600 400 200 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 0 Jahr Trotz einiger Steinwildabschüsse ist der Bestand kontinuierlich angestiegen. Steinböcke vermehren sich im Unterschied zu anderen Huftieren nur langsam. Die Geißen erreichen zwar mit 2 ½ Jahren die 44 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Geschlechtsreife, setzen in der Regel aber erst ab dem vierten bis sechsten Lebensjahr. Nur in jungen, sich noch ausbreitenden Kolonien führen bereits dreijährige. Im Durchschnitt schwankt die jährliche Geburtenrate in einer wachsenden Population um 18%. Unter Berücksichtigung der natürlichen Abgänge aller Altersklassen liegt der mittlere Bestandeszuwachs in Abhängigkeit von Populationsdichte und Klima zwischen 8% und 13%. Bei kleinen, noch jungen Kolonien, die erst in der Anfangsphase ihrer Entwicklung stehen, ist die Nachwuchsrate höher und der Bestandeszuwachs kann unter günstigen Bedingungen auch über 15% betragen. Hat die Population eine gewisse Größe erreicht, und ist der Lebensraum ausgenutzt, flacht das Anwachsen der Kolonie: die Geißen setzen erst mit einem höheren Alter ab, setzen häufiger aus, die Sterblichkeitsrate steigt. Geburtenrate 18% - Abgänge alle Altersklassen 5 - 10% 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Kitze -15 15 - 10 10 -5 5 = Bestandeszuwachs 8 - 13% Altersklasse 10% Jugendklasse 25% 0 0 5 5 10 10 15 15 Nachwuchsleistung eines Steinwildbestandes von 100 Tieren = 25 Kitze Zuwachserfolg (bei 40 % Kitzmortalität im Winter) = 15 Tiere Fallwildanteil ohne Kitzmortalität (Annahme) = 3 Tiere Folglich realer Zuwachs = 12 Tiere 45 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Der ISPRA-Leitfaden 91/2013 sieht die Möglichkeit einer Entnahme von Böcken ≥ 11 Jahren erst dann vor, wenn diese 22% vom männlichen Gesamtbestand (Böcke ≥ 3 Jahren) ausmachen. Ein solcher Überhang der Alterspyramide erscheint allerdings unnatürlich und deutet auf sehr alte Steinwildbestände mit sinkender Zuwachsleistung hin. Weiters sollen Jahrlinge (männlich und weiblich) bei einer Abschussplanung nur dann freigegeben werden, wenn die Population eine junge Alterstruktur und einen hohen jährlichen Zuwachs aufweist. Die Anzahl der Entnahme in den übrigen Altersklassen soll proportional zu deren Anteil am Gesamtbestand sein. Die obige Grafik stellt einen Bestandesaufbau einer Kolonie mit 100 Tieren in der Schweiz dar. Ungefähr die Hälfte der Tiere ist jünger als sechs Jahre. Der Rest entfällt auf die Mittelklasse und nur 13% der Tiere werden über 10 Jahre alt. Ein ähnliches Bild, jedoch bei einem deutlich höheren Anteil an alten Böcken, ergibt sich in der Population des Nationalparks Stilfser Joch. Im Nationalpark Gran Paradiso überwiegen hingegen die die 6 bis 10 Jahre alten Böcke. M 11+Y M 6-10Y 0,1 0,2 0,3 0,4 0,48 M 3-5Y 0,45 Nationalpark Stilfser Joch 46 M 6-10Y 0,36 M 3-5Y 0 0,23 M 11+Y 0,19 0,5 0,6 0 0,1 0,29 0,2 0,3 Nationalpark Gran Paradiso 0,4 0,5 0,6 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Die Geschichte und die Wiederansiedelung des Steinwildes Etwa 400 Jahre, zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert, brauchte der Mensch, um den zuvor in den Alpen weit verbreiteten Alpensteinbock (Capra ibex) fast völlig auszurotten. Ursache war die intensive Bejagung, die ihrerseits mannigfaltig begründet wurde. Nicht nur das Fleisch des Steinwildes, nahezu alle Teile waren begehrt. Speziell Hörner, Knochen, sowie Bezoarkugeln, aber auch das Blut der Tiere spielten in der traditionellen Volksmedizin eine große Rolle. Der Steinbock galt als wandelnde Apotheke. Der technische Fortschritt der Schusswaffen ermöglichte auch weiten Teilen der nichtadeligen Bevölkerung sich nun das begehrte Wildbret zu erlegen. Gesetzliche Schutzmaßnahmen für die schwindenden Steinwildbestände erfolgten zu spät, im Gegenteil: die wenigen Restbestände waren für die Wilderer nur noch begehrlicher, da die seltenen Steinböcke im Wert stiegen. Gegen Mitte des 19. Jahrhundert hatte das Steinwild seinen Tiefstand erreicht und war beinahe aus dem gesamten Alpenraum verschwunden. Es gab nur noch eine einzige Restkolonie von 50 bis 100 Tieren im italienischen Gran Paradiso, gesetzlich geschützt durch einen Erlass des Königs Viktor Emmanuel II und in der Praxis gegen unerlaubten Abschuss von 150 Wildhütern verteidigt. Innerhalb kurzer Zeit vermehrte sich der Bestand stark und wuchs auf 600-800 Tiere an. Im Jahr 1915 lebten im Aostatal bereits wieder an die 4.000 Steinböcke. Das Gebiet wurde 1922 schließlich zum „Parco Nazionale Gran Paradiso“ erklärt. Von diesem kleinen Restbestand in Aosta stammen alle heutigen Steinwildkolonien ab. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wollte die Schweiz dem italienischen König einige Tiere für Wiedereinbürgerungen abkaufen. Endlose Verhandlungen folgten, die allesamt nicht den gewünschten Erfolg brachten. So wurden schließlich einige italienische Wilderer beauftragt, Steinböcke aus dem Gran Paradiso zu fangen und in die Schweiz zu schmuggeln. Auf diese Weise kamen 1906 die ersten Tiere illegal in den Wildpark Peter und Paul in St.Gallen, der eigens für die Züchtung von Steinwild eingerichtet worden war. In den folgenden Jahren wurden mehrere Steinböcke über die Berge in die Schweiz geschmuggelt. Sie bildeten den Grundstock für die Zucht und waren die Stammeltern der in den folgenden Jahren gegründeten Kolonien. Im Jahr 1911 wurden in der Schweiz die ersten Tiere aus den Gehegen in die freie Wildbahn entlassen. 47 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Verbreitung des Steinwildes in den Alpen Aufgrund der verschiedenen Wiederansiedelungsprojekte und seiner natürlichen Ausbreitung kommt das Steinwild mittlerweile wieder im gesamten Alpenbogen vor. Seine Verbreitung reicht von den Seealpen im Westen über die Karawanken im Osten bis zu den Kalkalpen in der Steiermark. Zurzeit besteht die gesamte Population aus über 47.000 Tieren, aufgeteilt auf 150 bis 160 Kolonien. Abb.1: Verbreitungskarte des Steinwildes in den Alpen im Zeitraum von 2006 bis 2008; die roten Flächen kennzeichnen die italienischen Kolonien, in blau die restlichen Kolonien im Alpenraum und in grün jene Kolonien welche mit den italienischen zusammenhängen. Quellen: Corti R. 2008, Giacometti M. et Carmignola G. 2003, Lampe T. e Reimoser F. 2006 Hinsichtlich der Verbreitung und der Populationsgröße des Steinbockes kann dessen Fortbestand als gesichert bewertet werden. Es gibt aber immer noch zahlreiche potentielle Lebensräume, welche noch „steinwildfrei“ sind. In Frankreich z. B. ist man bemüht, diese Lücken mit der Freilassung von ca. 500 Tieren zu schließen. Seit den sechziger Jahren ist die Steinwildpopulation in den Alpen, mit einem jährlichen Zuwachsprozent zwischen 3% und 6%, kontinuierlich angestiegen. 48 Jahr Steinwildbestand mittlerer jährlicher Zuwachs 1962 1977 1984 1987 1990 1993 2000 2007 6.500 15.000 18.800 23.000 26.500 31.200 39.600 47.700 5,6% 3,2% 6,7% 4,7% 5,4% 3,4% 2,6% Entwicklung des Steinwildbestandes in den Alpen aufbauend auf den historischen Daten Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen 60.000 Steinwildbestand 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Jahr In den 80er Jahren wurde der Steinwildbestand in den Alpen auf 18.000 Tiere, aufgeteilt auf ca. 130 Kolonien, geschätzt. Von diesen befanden sich 56% in der Schweiz und 25% in Italien. Im Jahre 1993 wird der Bestand des Steinwildes im Alpenraum auf ca. 31.000 Tiere geschätzt. Aus der untenstehenden Tabelle ist ersichtlich, wie sich der Steinwildbestand auf die einzelnen Länder aufteilt und sich in 10 Jahren entwickelt hat. Auffallend ist der starke Zuwachs der Population; in den 10 Jahren zwischen 1983 und 1993 hatte sich der Steinwildbestand in den Alpen fast verdoppelt. Land Jahr 1983 Steinwildbestand Kolonien Jahr 1993 Steinwildbestand Kolonien Frankreich 1.281 13 3.300 14 Schweiz 10.206 50 15.100 50 Italien 4.608 26 9.100 36 Österreich 1.782 37 3.200 38 Deutschland 174 3 220 3 Slowenien Summe 139 18.190 4 133 250 31.000 4 145 Wie bereits einleitend erwähnt ist der Steinwildbestand stetig angestiegen und setzt sich mittlerweile aus mehr als 47.000 Tieren zusammen. Von diesen befindet sich ein Drittel in der Schweiz, ebenso viele in Italien, 18% in Frankreich und 14% in Österreich. Im Vergleich zu den anderen Ländern hat die Steinwildpopulation in Italien am stärksten zugenommen. Es ist jedoch zu erwähnen, dass das Steinwild in Österreich und in der Schweiz bejagt wird. Land Jahr Steinwildbestand Kolonien Frankreich 2005 8.700 21 Schweiz 2007 15.720 48 Italien 2004 - 2008 15.780 63 Österreich 2008 6.730 41 Deutschland 2008 400 5 Slowenien 2007 300 5 47.630 148 Summe 49 Teil IV – Das Steinwild in Südtirol und den Alpen Die Verbreitung des Steinwildes in Italien In Italien ist das Verbreitungsgebiet des Steinwildes, im Gegensatz zu den anderen Nationen, relativ fragmentiert. Aktuell gibt es in den italienischen Alpen 63 verschiedene Kolonien mit einem Verbreitungsgebiet von ca. 4.700 km². Der größte Teil davon, nämlich 62% (2.575 km²), befindet sich in den westlichen Alpen. Die mittlere Bestandesdichte, berechnet anhand der aktuellen Verbreitungsflächen (Sommer- und Wintereinstand), beträgt in den Westalpen Italiens 3,2 Tiere pro km², in den Zentralalpen 3,8 Tiere pro km² und in den Ostalpen 2,9 Tiere pro km². Kolonien Fläche [km²] Anzahl Steinböcke Bestandesdichte Westalpen 25 3.144 10.092 3,21 Zentralalpen 24 1.121 4.290 3,83 Ostalpen 14 491 1.401 2,85 Gesamt 63 4.755 15.783 3,31 Die Angaben über die Bestandesdichte wurden mit den Verbreitungsflächen der einzelnen Kolonien errechnet. Dabei wurden die Verbreitungsflächen von verschiedenen Personen und mit unterschiedlicher Methodik kartografiert. Verbreitungskarte und mittlere Bestandesdichte des Steinwildes in den italienischen Alpen 50 Teil V – Jährliche Berichterstattung JÄHRLICHER BERICHT ÜBER DAS PROJEKT Alle durchgeführten Maßnahmen werden protokollarisch erfasst und jährlich ausgewertet. Dem ISPRA werden jährlich zusammenfassende Protokolle übermittelt, welche alle wesentlichen Kenndaten zu den getätigten Maßnahmen enthalten: - Übersicht über getätigte Maßnahmen und eventuelle Abweichungen vom Plan - Getätigter Aufwand für Fang und Auswilderung o Erfahrungsbericht – Erfolg und Misserfolg, Verbesserungsvorschläge - Übersicht über die Kenndaten der gefangenen und ausgewilderten Tiere (Geschlecht und Alter, Art der Sichtmarkierung oder evtl. telemetrischen Markierung, Herkunft) - Wiederbeobachtung der Tiere im Auswilderungsgebiet, Raumverhalten, Verlustmeldungen, Entwicklung der über die Auswilderung aufgestockten oder neu gegründeten Kolonie - Übersicht über die Kenndaten der jagdlich entnommenen Tiere - Ergebnisse von eventuellen veterinärmedizinischen Untersuchungen Ebenso enthalten ist eine jährliche Übersicht über die Entwicklung in allen Steinwildkolonien des Landes. ZUSAMMENFASSENDER BERICHT NACH ABLAUF DES 5JAHRESPROGRAMMS Nach Ablauf der 5-Jahresperiode wird dem ISPRA ein Bericht über den gesamten Zeitraum übermittelt, der auch eine kritische Bewertung des Konzeptes und des Erfolgs enthält. Zusammenfassende Auswertung der getätigten Maßnahmen - Bilanz: Erfolg, Misserfolg, Verbesserungsvorschläge - Getätigter Aufwand - Übersicht über die Kenndaten der gefangenen und ausgewilderten Tiere (Geschlecht und Alter, Art der Sichtmarkierung oder evtl. telemetrischen Markierung, Herkunft) - Entwicklung der Kolonien im Auswilderungsgebiet, Raumnutzung, Verlustmeldungen - Übersicht über die Kenndaten der jagdlich entnommenen Tiere - Ergebnisse von eventuellen veterinärmedizinischen Untersuchungen Darstellung der IST- Situation im Jahr 2019 Erfolgskontrolle: Sind folgende Ziele erreicht worden? - Merkliche Erweiterung des Steinwildvorkommens in Südtirol - Stabilisierung, Aufstockung oder Neugründung von Kolonien mit positiver Bestandesentwicklung - Trotz Entnahme positive Bestandesentwicklung in der Metapopulation Brenner-Reschen - Übersicht über Gesundheitszustand des Steinwildes erfasst 51