3 Elektrostatik Das in der letzten Vorlesung vorgestellte Helmholtz-Theorem stellt eine formale Lösung der MaxwellGleichungen dar. Im Folgenden werden wir alternative Methoden kennenlernen (bzw. wiederholen), die uns einen tieferen Einblick in die Struktur der Lösungen geben. Im ersten Teil der Vorlesung werden wir uns mit statischen Problemen beschäftigen, so dass wir uns zunächst nicht mit dem Problem der Zeitabhängigkeit der Felder befassen müssen. Die Gesetze der Elektrostatik gelten, wenn Felder zeitlich konstant sind d.h. keine Ströme fließen d.h. ∂ ≡0 ∂t j=0 Dann reduzieren sich die Maxwell Gleichungen zu ∇·E = 3.1 1 0 und ∇ × E = 0. Elektrostatische Felder symmetrischer Ladungsverteilungen Für symmetrische Ladungsverteilungen ρ kann man das elektrische Feld direkt aus den MaxwellGleichungen ableiten. Beispiel: Feld einer Punktladung Aus Symmetriegründen hängt das Feld einer Punktladung nur vom Abstand ab: ⇒ E(r) = E(r) 1. Feldkomponente in eϑ -Richtung: z ϑ ϑ + dϑ r unendlich Aus ∇ × E = 0 folgt mit Hilfe des Stokes’schen Theorems: I E · dγ = 0 Schleife Z ϑ Z ∞ Z ϑ+dϑ Z r = Eϑ (r)rdϑ + Er (r0 )dr0 + Eϑ (∞)r∞ dϑ + Er (r0 )dr0 ϑ+dϑ r ϑ ∞ Die Beiträge der Wegstücke in r-Richtung heben sich gegenseitig auf. Das Wegstück im Unendlichen trägt nicht bei, da Eϑ (∞) → 0 (schneller als ⇒ Eϑ (r) = 0. 1 r 2 ). 2. Feldkomponente in eϕ -Richtung: y unendlich ϕ + dϕ ϕ r x analog zur ϑ-Komponente: Mit ∇ × E = 0 Z ϕ+dϕ Z ∞ Z 0 0 0= r sin ϑdϕEϕ (r) + Er (r )dr + ϕ r ϕ r∞ sin ϑdϕEϕ (∞) + ϕ+dϕ Z r Er (r0 )dr0 ∞ Auch hier heben sich die Beiträge der Wegstücke in r-Richtung gegenseitig auf und der Weg im Unendlichen liefert keinen Beitrag. ⇒ Eϕ (r) = 0 3. Feldkomponente in er -Richtung: Verwende Gauss’sches Gesetz: Z Z Z 1 Q E · df = ∇ · EdV = ρdV = 0 V 0 ∂V V I Z E · df = Er (r)r2 dΩ = 4πEr (r)r2 ∂V df q ∂V r Q 1 ⇒ Er (r) = 4π0 r2 Er fällt also im Unendlichen wie V 1 ab. r2 Insgesamt ergibt sich also das bekannte Feld der Punktladung zu E(r) = Q 1 . 4π0 r2 Beispiel 2: Zylindersymmetrie Betrachten Sie einen unendlich langen, zylindrischen Leiter mit Radius R, dessen Ladung zur Leiteroberfläche gemäß ρ0 exp( r−R 0≤r≤R d ) (1) ρ(r) = 0 0>R Auch hier benutzt man das Faraday’sche Gesetz (∇ × E = 0), um zu zeigen, dass Eϕ = 0 = E z . Die Radialkomponente ermittelt man mit Hilfe des Gauss’schen Gesetzes: 1. 0 ≤ r ≤ R: Wähle konzentrischen Zylinder im Innern des Leiters als Gauss’sches Volumen. R R R Mantelfäche Er (r)df + Deckel Ez (r)df − Boden Ez (r)df R h R 2π Rr R h R 2π 0 = 0 dz 0 dϕrEr (r) = 0 dr0 0 dz 0 r0 dϕρ0 exp( r −R d ) r R ⇒ Er (r)2πrh = 2πhρ0 d exp(− d ) (r − d) exp( d ) + 1 r Weg für ⇒ Er (r) = r1 ρ0 d exp(− R d ) (r − d) exp( d ) + 1 Eϕ 2. r > R z R Weg für Ez h Oberflächenintegral wie unter 1. Ladung erstreckt sich nur bis r = R R ⇒ Er (r)2πrh = 2πhρ0 d exp(− R d ) (R − d) exp( d ) + 1 R ⇒ Er (r) = r1 ρ0 d exp(− R d ) (R − d) exp( d ) + 1 r ρ (r) Er(r) 0 ρ(r) Er (r) 0.5 1 r/R 1.5 2 3.2 Elektrostatisches Potential R In Analogie zur mechanischen Arbeit ( F ·s) definiert man das elektrostatische an einem Punkt r (relativ zum Potential an einem Referenzpunkt O) durch: Z r φ(r) = − E · d` Potential O Ist das eine nützliche Definition? Ja: ∇×E =0 ⇒ ⇒ ⇒ Für jeden Weg: Rr O Z any open I surface S ∂S (∇ × E) · df = 0 E · df = 0 E · d` ist unabhängig vom Weg. (Beweis: Wähle zwei unterschiedliche Wege von O nach r. Man kombiniert sie zu einem geschlossenen RWeg, indem R man von r nach RO via Weg R II zurückkehrt. Dann: E E E E · d`.) · d` + · d(−`) = 0, i.e. · d` = I II I II Andererseits: φ(b) − φ(a) = Z b ∇φ · d` a = − Z b a E · d` ⇒ E = −∇φ Das Potential genügt dem Superpositionsprinzip. Beachte: Wir haben die Information, die in den drei Vektorkomponenten von E in einer einzelnen skalaren Größe zusammengefaßt. Das entspricht natürlich vollkommen der Aussage des Helmholtz-Theorems: Die Rotationsfreiheit von E zieht nach dem Helmholtz-Theorem die Darstellung des elektrischen Feldes als E = −∇U nach sich. Rolle des Referenzpunkts: Normalerweise wählt man O außerhalb der Ladungsverteilung, d.h., im Allgemeinen ist das Unendliche dafür gut geeignet, da man fordert, daß φ(∞) = 0 (siehe Helmholtz Theorem). Einheit des elektrostatischen Potentials: [φ] = V = J/C. 3.2.1 Laplace- und Poisson-Gleichung Aus der Kombination von Gauss’schem Gesetz ∇·E = 1 ρ 0 und aus E = −∇φ ergibt sich als Bestimmungsgleichung für das elektrostatische Potential die sog. ∆φ = − 1 ρ. 0 Bei Abwesenheit von Ladungen (ρ = 0) geht die Poisson-Gleichung in die über. 3.2.2 Poisson-Gleichung, Laplace-Gleichung Berechnung des Elektrostatischen Potentials Zur Berechnung des elektrostatischen Potentials stehen uns drei verschiedene Methoden zur Verfügung: Z r a) φ(r) = − E · dγ bei bekanntem Feld E. O b) Lösung der Poisson-Gleichung c) Auswertung des Helmholtz-Integrals. Im folgenden werden Beispiele für diese Lösungsmethoden gegeben. Berechnung des Potentials einer Punktladung bei bekanntem elektrischem Feld Wir haben gezeigt, daß das Feld einer Punktladung im Koordinatenursprung durch E= 1 1 e 4π0 r2 r gegeben ist. Dann ist das Potential dieser Punktladung durch φ(r) − φ(O) = − Z r O 1 1 e · dγ 4π0 r2 r gegeben. Wählt man als Referenzpunkt einen Punkt im Unendlichen, der mit r durch einen Weg in r-Richtung verbunden ist, so findet man das Potential der Punktladung als Z r 1 1 1 1 φ(r) = − dr = . 4π0 ∞ r2 4π0 r Berechnung des Potentials durch direkte Lösung der Poisson-Gleichung Beispiel: Potential der homogen geladenen Kugel Aus der Symmetrie der Ladungsverteilung folgt, daß das Potential der homogen geladenen Kugel nur vom Abstand vom Kugelmittelpunkt abhängt. In Kugelkoordinaten lautet die Poisson-Gleichung: 1 d 1 2 d ∆φ(r) = 2 r φ(r) = − ρ(r). r dr dr 0 Diese Differentialgleichung kann für die Bereiche r < R und r > R getrennt integriert werden: r > R: (r2 φ0 )0 = 0 r < R: (r2 φ0 )0 = − ρ0 2 r 0 C1 + C2 r 1 C3 ⇒ φ(r) = − ρ0 r 2 − + C4 60 r ⇒ φ(r) = − Im Unendlichen soll das Potential verschwinden ⇒ C2 = 0. Der Term C3 r entspricht dem Potential einer Punktladung am Ort r = 0, da ∆ 1 = 4πδ(r). r Da die Ladungsverteilung keine solche Punktladung enthält, muss C3 = 0 gelten. (Diese spuriose Lösung entstand durch Multiplikation beider Seiten der Poisson-Gleichung mit r2 .) Damit ergibt sich ( (r > R) − Cr1 , φ(r) = Qr 2 C4 − 8π0 R3 (r < R) wobei die Gesamtladung der Kugel Q = 4π/3ρ0 R3 ist. Die verbleibenden Integrationskonstanten ergeben sich aus der Anschlußbedingung an das Potential bei r = R: Die Ladungsverteilung zeigt bei r = R einen Sprung. Dementsprechend muß auch die rechte Seite der Poisson-Gleichung ein solches Sprungverhalten aufweisen. Wenn (r 2 φ0 )0 einen Sprung hat, dann hat (r2 φ0 ) einen Knick. Dem entsprechend sind φ und φ0 stetig. Das spiegelt auch die Tatsache wider, dass elektrische Felder an Grenzflächen ohne Oberflächenladung stetig sind. Aus der Stetigkeitsbedingung folgt: − Q C1 = C4 − , R 8π0 R und C1 Q = − 2. 2 R R Damit ergibt sich das Potential der homogen geladenen Kugel zu ( Q (r > R) 4π0 r φ(r) = . Q r2 3 (r < R) 4π0 R 2 − 2R2 Berechnung des Potentials einer homogen geladenen Kugelschale mit Hilfe des Helmholtz-Integrals Die Ladungsverteilung der homogen geladenen Kugelschale ist ρ(r) = σ0 δ(R − r). Nach dem Helmholtz-Theorem ist das elektrostatische Potential dann durch Z 1 σ0 U = φ(r) = δ(R − r0 )dV 0 4π0 |r − r 0 | gegeben. Bei kugelsymmetrischen Problemen kann man die z-Achse so wählen, daß r 0 auf der z-Achse zu liegen kommt. Dann ist p |r − r 0 | = r2 + r0 2 − 2rr0 cos ϑ. Die ϑ-Integration liefert dann Z π sin ϑdϑ 0 1 = |r − r 0 | Z 1 −1 √ dx |r + r0 | − |r − r0 | . = rr0 r2 + r0 2 − 2rr0 x Die ϕ-Integration liefert nun nur noch einen Faktor 2π und die δ-Distribution legt den Wert von r 0 = R fest. Die Fallunterscheidung für r >< R wird aufgrund des Terms |r − R| erforderlich. Somit ergibt sich das Potential zu: ( σ0 R (r < R) 0 φ(r) = . Q 1 4πσ0 R2 = (r > R) 0 r 4π0 r Beachte: Das Feld dieser Ladungsverteilung weist bei r = R einen Sprung von σ 0 auf. 3.3 3.3.1 Elektrostatische Energie Energie einer Anordnung von Punktladungen Energie für die Bewegung eines Teilchens im elektrischen Feldes Kraft auf eine Ladung q in einem elektrostatischen Potential: F = qE Arbeit, die verrichtet wird, um die Ladung von a nach b zu bringen: W = Z b a Z (−F ) · d` = −q b a (E) · d` = q(φ(b) − φ(a)) Arbeit, die Ladung aus dem Unendlichen an den Ort r zu bringen: W = qφ(r) Energie, die in einer Anordnung von Ladungen gespeichert ist qn from infinity n-1 charges Arbeit, die verrichtet werden muß um die n-te Ladung qn aus dem Unendlichen an ihre endgültige Position zu bringen: Wn = qn φ(r n ) Potential, das von den n − 1 bereits vorhandenen Ladungen am Ort r n erzeugt wird: n−1 1 X qi φ(r n ) = 4π0 i |r n − r i | Energie, die in dem Ensemble von n Ladungen gespeichert ist: W = n X Wj j−1 n 1 X X qi qj 4π0 j=1 i=1 |rj − r i | = j 1 1 X qi qj 4π0 2 |r i − r j | = i6=j 3.3.2 Energie, die in einer kontinuierlichen Ladungsverteilung gespeichert ist W = 1 1 2 4π0 Z dV Z dV 0 ρ(r)ρ(r 0 ) |r − r 0 | Beachte: Hier kann man den Beitrag, der von einer Ladung in ihrem eigenen Potential stammt, r = r 0 , nicht ausschließen. Man nennt diesen Beitrag auch Selbstenergie. Der Beitrag der Selbstenergie zur Gesamtenergie ist vernachlässigbar klein, wenn die Ladungsverteilung hinreichend verdünnt ist. Mit φ(r) = 1 4π0 Z kann die elektrostatische Energie auch als 1 W = 2 Z dV 0 ρ(r 0 ) |r − r 0 | dV ρ(r)φ(r) geschrieben werden. 0 ρ = 0 ∇ · E ⇒ W = 2 Z dV (∇ · E)φ ∇ · (Eφ) = (∇ · E)φ + E · (∇φ) und ∇φ = E ⇒W = 0 2 Z ∇ · (Eφ) + E 2 dV Benutze Gauss’sches Theorem: 0 ⇒W = 2 Z ∂V φE · df + Z dV E 2 Wenn sich im Unendlichen keine Ladungen befinden, kann man das Integrationsvolumen ins Unendliche ausdehnen. Dann gilt: W = 0 2 Z dV E 2 . Mit einem elektrischen Feld ist also stets eine Energiedichte u= 0 2 E 2 verknüpft. Diese Energiedichte ist nicht linear in den Feldern. Daher ist die Energiedichte zweier sich überlagernder Felder nicht allein durch die Summe der individuellen Energiedichten gegeben. Homogen geladene Kugel Das Feld der homogen geladenen Kugel ist radialsymmetrisch mit ( Qr (r < R) 4π0 R3 . Er (r) = Q (r > R) 4π0 r 2 Daraus ergibt sich eine Feldenergiedichte von u(r) = Q2 32π 2 0 r2 R6 1 r4 (r < R) . (r > R) Damit beinhaltet die Ladungsanordnung einer homogen geladenen Kugel eine Gesamtenergie von Z 3 Q2 U = u(r)dV = . 50 R Läßt man die Kugel bei gleichbleibender Gesamtladung zu einer Punktladung schrumpfen, so erkennt man, daß die Selbstenergie einer Punktladung unendlich anwächst. Klassischer Elektronenradius Setzt man die elektrostatische Energie eines Elektrons mit seiner Ruhemasse gleich, U = m e c2 = so ergibt sich der 3 e2 , 50 Re klassische Elektronenradius zu Re = 3 e2 ' 1.7 × 10−13 cm. 50 me c2