TRANSPLANTLINC, HEFT 11 © PABST SCIENCE PUBLISHERS 2005 RALF-JOACHIM SCHULZ, KARIN LOSCHEN, AXEL DIGNASS Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie, Gastroenterologie und interdisziplinäres Stoffwechselzentrum, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow, Berlin ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM UND INDIKATION ZUR DÜNNDARMTRANSPLANTATION 14 TransplantLinc Heft 11 - 2005 Die Therapie des Kurzdarmsyndroms berücksichtigt die individuellen Restfunktionen des Darmes und besteht aus zwei Säulen. Neben der begleitenden medikamentösen Therapie stellt die ernährungstherapeutische Intervention die entscheidende Säule in der Behandlung dar. Ziel ist, die metabolische Stabilisierung des Patienten zu erreichen, ohne gleichzeitig die Restdarmfunktion zu überfordern. Deshalb werden Passagezeiten verlängert, leichter zu resorbierende Nahrungssubstrate in der Nahrung angereichert und Darmmukosa stimulierende Substanzen eingesetzt. Oberstes Gebot ist aber, konsequent nach Diagnosestellung die Sicherung einer ausgeglichenen Energiebilanz ohne Verursachung von Komplikationen durch parenterale Ernährung sicherzustellen. Die Regeneration und Adaptation des Restdarmes benötigt 1-2 Jahre. In diesem Zeitraum ist ein engmaschiges und problemorientiertes Monitoring notwendig, um die Verhältnisse von parenteraler und oraler Nahrungszusammensetzung jeweils genau festlegen zu können. Im Fokus stehen hierbei die Stabilisierung der Darmmukosa zur Vermeidung von Wundheilungsstörungen und bakterieller Translokation durch eine frühzeitige enterale Ernährung unmittelbar nach chirurgischer Intervention und die Wachstumsstimulation durch die Nahrungsangebote aus dem Darmlumen. Zusätzlich sollte eine Hyperalimentation mit Entwicklung einer Steatosis hepatis oder eines Leberfunktionsausfalls durch die individuelle langzeit-parenterale Ernährung vermieden werden. Dazu sind genaue Kenntnisse über die jeweiligen Energieumsätze und die Organfunktionen unerlässlich. Sollten trotzdem die Komplikationen eines drohenden Leberversagens entstehen, eine kontinu- ierliche parenterale Ernährungspflicht weiter bestehen oder keine Möglichkeiten für zentralvenöse Zugangswege zur Langzeitverweilkatheter-Anlage mehr existieren, ist seit kurzem nun die Möglichkeit einer Dünndarmtransplantation gegeben. Schlüsselwörter: Kurzdarmsyndrom, Ernährung, Transplantation Nutrition Management in Short Bowel Syndrome and Indications for Transplantation The therapy of short bowel syndrome takes into account individual residual gastric function and consists of two parallel therapy options. In addition to the complementary drug therapy, nutrition therapy represents the fundamental treatment option. The aim is to stabilize the patient’s metabolism, while not overburdening residual gastric function. For this reason gastrointestinal transit times are extended, nutrition is supplemented with more easily reabsorbable nutritional substrates, and intestinal mucosa stimulating substances are employed. Imperative is that always following diagnosis a stable energy balance is ensured without complications being caused due to parenteral feeding. Regeneration and adaptation of the residual intestine will be necessary every 1-2 years. In this time it is necessary to subject the patient to close problem-oriented monitoring in order to determine the relation of parenteral feeding and oral nutrition. The emphasis is on stabilizing the intestinal mucosa to avoid non-healing wounds and bacterial translocation by employing early enteral nutrition im- ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM mediately following surgical intervention and aiding growth stimulation by way of nutritional substances from the intestinal lumen. Moreover hyperalimentation with development of steatosis hepatitis or loss of liver function as a result of individual long-term parenteral nutrition should be avoided. For this purpose it is essential to have accurate data concerning energy turnover and residual organ function. However the recent development of a small intestine transplant exists, which can be employed in the case of complications of threatening liver failure, if continuous parenteral feeding is compulsory, or if a long-term indwelling catheter system cannot be provided with central venous access. Key words: short bowel syndrome, nutrition therapy, small intestine transplant 1. EINLEITUNG Die Ernährungstherapie beim Kurzdarmsyndrom ist geprägt von der Kombination von medikamentöser Steuerung des Organismus und der Zufuhr von Ernährungssubstraten, die ebenfalls klare therapeutische Ziele verfolgt. Das Hauptziel der medikamentösen und ernährungsmedizinischen Therapie für die Patienten mit Kurzdarmsyndrom ist das Erreichen eines stabilen Allgemeinzustandes und eines Lebensqualitätszustands, der es z.B. ermöglicht, erneut einer Berufstätigkeit nachzugehen. Dies bedeutet eine suffiziente Substitution mit Nährsubstraten und adäquate Bilanzierung des Flüssigkeitshaushalts. Zur Stabilisierung des Kurzdarmsyndroms gibt es mehrere therapeutisch medikamentöse Ansätze1-3. Ein einheitliches Therapieschema ist nicht zu erstellen. Vielmehr ist die Therapie beim Kurzdarmsyndrom geprägt von der Restfunktion des Darmes, dem Zeitpunkt nach operativen Eingriffen, zusätzlicher Erkrankungen (Tumor, Niereninsuffizienz usw.) und der Fähigkeit des restlichen Dünndarms sich zu regenerieren und zu adaptieren. Neuerdings ist es jetzt möglich nach Ausschöpfung aller konservativen, therapeutischen Möglichkeiten die Langzeitparenterale Ernährung und ihre Nebenwir- kungen durch eine Dünndarmtransplantation als letzte Therapieoption zu ersetzen. Gegenstand des folgenden Beitrags ist auch die hierfür zugrunde liegenden Indikationen aufzuzeigen. 2. STADIENORIENTIERTE ERNÄHRUNGSTHERAPIE BEIM KURZDARMSYNDROM Phase der Hypersekretion Unmittelbar nach der Operation kommt es zur Phase der Hypersekretion, während der es zu mehr als 6-8 l Flüssigkeitsverlust pro Tag nach eigenen Erfahrungen kommen kann. Die Resorptionsleistung des Restdarms ist so gering, dass auf eine parenterale Versorgung zum Ausgleich der Flüssigkeits- und Elektrolytverluste sowie zur Energie- und Nährstoffversorgung nicht verzichtet werden kann. Zwecks Anregung der Regeneration und Adaptation des Restdarms sollte neben der PE stets oral oder enteral Nahrung verabreicht werden. Nach Operationen am unteren Gastrointestinaltrakt wird häufig erst bei klinischen Zeichen der Normalisierung der Darmmotilität mit dem Kostaufbau begonnen, obwohl einige Studien bereits auf eine gute Verträglichkeit und geringe Komplikationsrate bei frühem oralen Kostaufbau hinweisen8. Phasen der Adaptation(Stadium II) und Stabilisation (Stadium III) Aufgrund der Fähigkeit zur Adaptation verbessert sich die Nährstoffausnutzung des Darms mit zunehmendem zeitlichem Abstand. Der Übergang von Stadium II zu Stadium III ist fließend und wird von einer zunehmenden Steigerung der Resorptionsleistung mit rückläufigen Diarrhö - Frequenzen geprägt. Eine enterale oder orale Ernährung sollte so früh wie möglich einsetzen. Der Übergang von der enteralen zur oralen Nährstoffzufuhr erfolgt stufenweise und überlappend. Mischkost kann nach Abschluss oder gleichzeitig mit dem enteralen Kostaufbau eingesetzt werden. Als Orientierungshilfe, ab wann postoperativ mit einer oralen Nährstoffzufuhr begonnen werden sollte, kann 15 TransplantLinc Heft 11 - 2005 R.-J. SCHULZ, K. LOSCHEN, A. DIGNASS ABBILDUNG 1: Medikamente mit Verwendung in der Therapie des Kurzdarmsyndroms ABBILDUNG 2: Wichtige Kontrollparameter einer ernährungsmedizinischen Therapie beim Kurzdarmsyndrom 16 TransplantLinc Heft 11 - 2005 • • • • • • • Loperamid H2-Rezeptorantagonist Protonenpumpen-Inhibitoren Octreotide Colestyramin Metronidazol Clonidin • • • • • • • • • Körpergewicht Plasmaproteine Serumelektrolyte Flüssigkeitshaushalt Vitamin- und Spurenelementehaushalt Stuhlvolumen, Stuhlfrequenz Quantitative Stuhlfettbestimmung bzw. Fettresorptionstest Harnausscheidung Knochendichte das Absinken der enteralen Flüssigkeitsverluste auf weniger als 2,5 l/d dienen. Um die Adaptation zu stimulieren und die jejunale Flüssigkeits- und Salzabsorption zu steigern, kann eine Glucosekochsalzlösung (5% Glucose und 0,9% NaCl) oral oder per Sonde bis zum Auftreten von Symptomen (gesteigerte Diarrhö, abdominelle Krämpfe) mit steigendem Volumen verabreicht werden, z.B. Elotrans, Oralpädon. Die Substitution von Wasser, Elektrolyten, Spurenelementen, fett- und wasserlöslichen Vitaminen über den intravenösen Zugang ist obligatorisch1. Parenterale Ernährung überlappend mit einer leicht aufschließbaren, ballaststoff- und fettarmen Kost fördert die Adaptation weiterhin und weist eine gute Verträglichkeit und steigende Resorptionsrate auf. Nährstoffdefinierte Diäten sind gegenüber chemisch definierten Diäten zu bevorzugen, da offensichtlich zum Erhalt des EpidermalGrowth- Factors (EGF) die Anwesenheit von nativem Protein im Darmlumen erforderlich ist. Der Einsatz von MCT sowie verschiedener Di- und Triglyceride9 ermöglicht eine schnellere und bessere Adaptation des Darms als LCT-Fette. Ebenso verbessert der Einsatz von unverdauten enteralen Proteinen im Gegensatz zu Proteinhydrolysaten die Adaptation. Bei erhaltenem Kolon kann Nahrungsfett (LCT) in energetisch wirksamer Menge zugeführt werden (bis zu 25-30 Energie %), da 4 -16 mg p.o. 300 - 600 p.o. 20 - 40mg /Tag 3 x 100µg/Tag s.c. 4 - 16 g p.o. 800 - 1200 mg/Tag p.o. 3 x 150 µg/Tag MCT-Fette den Nachteil einer geringeren Brennstoffdichte bergen (8,3 versus 9,0 kcal/ kg )3. Leicht aufschließbare Kohlenhydrate wie Monosaccharide und Dextrine sind zu bevorzugen, wobei Disaccharide besser als Monosaccharide11 sind. Das Stufenschema zur frühen oralen Ernährung ist zum festen Bestandteil der postoperativen Behandlung nach Eingriffen am Dünn- und Dickdarm geworden. Die Patienten erhalten am 1. Tag Flüssigkeit, am 2. Tag Suppe oder Glutamin und Arginin enthaltende Trinknahrung, am 3. Tag zusätzlich pürierte Kost und am 4. Tag eine Basisdiät. Eine parenterale Substitution erfolgt begleitend und sollte in der Sekretionsphase vollständig den Kalorienbedarf abdecken. Die enterale Nahrung sollte reich an Energie, Makro- und Mikronährstoffen sein7, energiedichte, proteinreiche Nahrung sollte bevorzugt werden. Dieses Stufenschema kann unter Berücksichtigung der Störungen nach erfolgter Resektion der jeweiligen Darmabschnitte durchgeführt werden. Die Kostpläne müssen individuell je nach Stuhlfrequenz, C13-Fettresorptionstest, D-Xylose-Test, Citrullin-Test, abdominalen Missempfindungen usw. gestaltet werden. Der Kostaufbau sollte beginnen mit 600 kcal/d und des Weiteren eine Steigerung um je 200 kcal in mehrtägigen Abständen beinhalten. Angemessen sind 6-7 kleine Mahlzeiten /d (leichte Vollkost, Protein= 20 %, Fett = 30 %, KH = 50% ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM der Tagesenergie). Flüssigkeiten sollten zwischen den Mahlzeiten, d.h. etwa 1 h nach der Nahrungszufuhr, zugeführt werden. Dabei ist zu prüfen, ob der Patient von der Maßnahme profitiert. Als die Adaptation unterstützende Maßnahmen hat sich die zusätzliche Verabreichung von Glutamin (Gabe von L-Glutamin 0,6 g /kg /d), Ballaststoffen (Butyrat), MCTFetten und ω - 3- Fettsäuren bewährt11. Die Verabreichung von Glutamin zeigte bei Ratten mit SDS eine vermehrte Proliferation und eine verminderte Apoptose im Darmepithel; sie begünstigen auf diese Weise die intestinale IGF-1-Produktion, wodurch die Adaptation verbessert wird. Aus α-Linolensäure entsteht im Organismus Eicosapentaensäure, aus welcher Eicosanoide synthetisiert werden, die u. a. entzündungshemmende Wirkung aufweisen11; Voraussetzung hierfür ist ein ausgewogenes Mengenverhältnis hinsichtlich der Zufuhr von Linolsäure (n-6) und Linolensäure (n-3) von mindestens 5 :1. Eine kohlenhydratreiche Ernährung von 5560% und Anteilen an Fett von 20-25%, sowie 10-15% an Proteinen erscheint sinnvoll, in Supplementierung mit Wachstumshormonen und Glutamin um die Adaptation weiterhin zu fördern5. Diese Maßnahmen unterstützen die Ernährungstherapie während der gesamten Indikationsdauer, die in kritischen Grenzfällen lebenslang andauert. Diese individuellen Prinzipien des stadiengerechten Kostaufbaus beim KDS sind in Abbildung 3 zusammengefasst. 3. BEGLEITENDE MEDIKAMENTÖSE THERAPIE DES NAHRUNGSAUFBAUS A) orale Rehydratationstherapie: Die auf Glukosepolymer basierende orale Rehydratationstherapie (ORS) mit 90-120 mmol/l Natrium ist eine etablierte Therapieoption, um das Risiko der Dehydratation und der total parenteralen kontinuierlichen Ernährungspflicht bei Patienten mit Jejunostomie einzuschränken1. Die Patienten sollten vermeiden, normales Trinkwasser zur Rehydratation zu verwenden, und sollten dazu angehalten werden, solche ORS, wenn immer sie durstig sind, einzusetzen. Für Patienten mit Restkolonkontinuität besteht in Form von ORS auch eine Möglichkeit, genügend Natrium mit der Diät für eine Elektrolytstabilisierung zuzuführen. Patienten ohne Jejunum, aber mit Restileum haben durch den ORS-Einsatz trotz der enthaltenen Glukose keine klinischen Probleme in Bezug auf die osmotischen Gegebenheiten. B) Magnesiumsubstitution: Im Verlauf der Therapie des Kurzdarmsyndroms treten klinische Zeichen eines Magnesiummangels auf, obwohl normale Serumspiegel gemessen werden können. Aus diesem Grunde sollte die Magnesiumausscheidung im Urin über 24 Stunden bestimmt werden. Die orale Substitution mit Magnesium ist jedoch schwierig, da dies zu einer Steigerung der Diarrhörate führen kann, und Magnesium muss deswegen oft intravenös substituiert werden. Stadium I./ Hypersekretion (1-2 Wochen) • totale parenterale Ernährung • H2- oder Protonenpumpenhemmer • Octreotid • Flüssigkeitssubstitution (Isotone Lösungen) Stadium II./ Adaptation (4 Wochen-1 Jahr) • Kostaufbau • Nährstoffdefinierte Diät • Glutamin- Wachstumshormon • MCT-Fette • Antidiarrhoika, H2-Blocker, Octreotid Stadium III./ Stabilisation (3-24 Monate) • Mischkost 600 kcal mit Steigerung um 200 kcal tägl., bis zum Zielbedarf • Häufig kleine Mahlzeiten ABBILDUNG 3: Stadiengerechte medikamentöse und ernährungsmedizinische Therapie des Kurzdarmsyndroms 17 TransplantLinc Heft 11 - 2005 R.-J. SCHULZ, K. LOSCHEN, A. DIGNASS C) Kalziumsubstitution: Die orale Kalziumsubstitution ist in der Routinetherapie des Kurzdarmsyndroms mit einer Konzentration von 800-1200 mg/Tag empfohlen. D) Antibiotikagabe bei bakterieller Überbesiedlung: Die Resektion der Ileozökalklappe erlaubt kolonständigen Bakterien, in den Dünndarm überzutreten und verursacht dort eine bakterielle Überbesiedlung. Dies hat eine negative Auswirkung auf die Verdauung und Nahrungsaufnahme zur Folge. Die Therapie sollte mit oralem Metronidazol, Tetracyclin oder anderen Antibiotika durchgeführt werden. E) Reduktion der gastralen Flüssigkeitssekretion: Hochdosis-H2-Antagonisten und Protonenpumpeninhibitoren reduzieren die Magensaftflüssigkeitssekretion und verhindern damit suffizient einen Flüssigkeitsverlust während der ersten sechs Monate postoperativ. F) Motilitätskontrolle: Flüssigkeitsverluste benötigen normalerweise eine Langzeitkontrolle mit motilitätsbremsenden Medikamenten wie Loperamid (4-16 mg/Tag). Wenn diese Medikamente ineffektiv sind, besonders bei Patienten mit erhaltenem Kolon, kann eine Therapie mit Codeinsulfat (15-60 mg 2-3mal/Tag) oder Opiumtinktur nützlich sein. Selten sollten Octreotide (100 µg s. c. 3-mal am Tag 30 min vor den Mahlzeiten) eingesetzt werden. Sie bilden aber besonders in der ersten Phase bei massiver Flüssigkeitssekretion eine sehr suffiziente Therapieoption und sollten bei hohen Flüssigkeitsverlusten eingesetzt werden. Wundheilungsstörungen, wie in einigen Veröffentlichungen mit Octreotiden, konnten in unserem Patientengut nicht bestätigt werden. 18 TransplantLinc Heft 11 - 2005 G) Gallensäurenmodulation: Bislang gibt es keine suffizienten Hinweise zur Indikation einer Gallensäurensubstitution, um eine Steatorrhö zu verringern. Im Gegenteil gibt es sogar Hinweise darauf, dass es die Diarrhö noch verschlimmert. Der Einsatz des Gallensäurenbinders Colestyramin ist bei Patienten mit mehr als 1 m Ileumresektion nicht hilfreich und verstärkt beim dekompensierten Gallensäurenverlustsyndrom die Steatorrhö. H) Substitution mit Wachstumshormon (GH): Nachdem zunächst der Einsatz in den ersten klinischen Studien mit Wachstumshormon (0,1 mg/kg Körpergewicht/Tag) zu einer Erhöhung der Mortalitätsrate geführt hatte, wurde die Diskussion um den Einsatz von Wachstumshormon zur schnelleren Adaptation des Dünndarmgewebes sehr kontrovers diskutiert. Eine kürzlich erschienene Studie4 mit einem Einsatz von 0,05 mg/kg Körpergewicht/Tag konnte nach Substitutionseinsatz von drei Wochen eine signifikante Verbesserung der intestinalen Absorption bei total parenteral ernährungspflichtigen Kurzdarmsyndrompatienten beschreiben ohne eine erhöhte Mortalitätsrate zu verzeichnen. Diese Therapie ist jedoch noch Gegenstand klinischer Validierungen und sollte daher nur in kontrollierten Studien eingesetzt werden. 4. ORALE ERNÄHRUNG BEIM KURZDARMSYNDROM Im Dünndarmlumen läuft unter dem Einfluss von Gallenflüssigkeit und Pankreassaft der Abbau großmolekularer Nährstoffe bis hin zu resorptionsfähigen Spaltprodukten ab. Hier findet die Spaltung von Disacchariden in Monosaccharide, die Spaltung von Oligopeptiden in Aminosäuren sowie die ReVeresterung langkettiger Fettsäuren und die Chylomikronenbildung statt. Weiterhin werden hier Mineralstoffe, Spurenelemente, fettund wasserlösliche Vitamine sowie Elektrolyte absorbiert bzw. resorbiert. Darmresektionen gehen mit einer mehr oder minder großen Beeinträchtigung der Nährstoffausnutzung einher. Bei der Ernährungstherapie von Kurzdarmpatienten ist eine Vielzahl möglicher Störungen zu berücksichtigen, die zu unterschiedlichen Formen von Malnutrition führen können. Das Ausmaß einer verminderten Absorption von Nährstoffen ist abhängig von der Art des resektierten oder nicht intakten Darmabschnittes, ggf. vom Zeitabstand nach erfolgter Operation, dem Vorhanden- oder Nichtvorhandensein der Ileozökalklappe, der Anpassungsfähigkeit des verbliebenen Darmabschnittes, der Integrität des verbliebenen ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM Dünndarms und dem Vorhandensein und der Funktionsfähigkeit des Kolons. Die Resektion von 40% des Dünndarms wird normalerweise gut toleriert, vorausgesetzt, dass das Duodenum und das proximale Jejunum, die distale Hälfte des Ileums und die Ileozökalklappe noch intakt sind. Hier ist in der Regel keine spezifisch nährstoffbezogene Betreuung notwendig. Werden hingegen allein die distale Hälfte des Ileums und die Ileozökalklappe entfernt, kann dies zu massiver Diarrhö und signifikanter Malabsorption führen6. Sind 50 bis 75% resektiert worden, muss eine spezifische Ernährungsberatung stattfinden. Häufig ist eine orale Nahrungsergänzung indiziert und die intestinale Adaptationsleistung muss gefördert werden. Wenn die Ileozökalklappe und das Kolon intakt sind, genügen 100 cm Restdarmlänge meist nach einem Zeitintervall von einem Jahr, um eine normale orale Nährstoffversorgung zu gewährleisten. Sind mehr als 50% des Dünndarms resektiert, sind das 1,5 – 2-fache der zum Erreichen des Idealgewichts errechneten Energiemenge bzw. Nährstoffmenge rein theoretisch notwendig6. In der Praxis ist dies aber nicht möglich, da der Restdarm häufig durch die erhöhten Mengen an Nahrung überfordert wird und letztendlich nur die Diarrhörate gesteigert wird. Notwendig ist die Energiezufuhr in Form von häufigen kleinen Mahlzeiten. Die Ballaststoffzufuhr muss auf weniger als 15g/d gesenkt werden. Kohlenhydrate sind überwiegend in komplexer Form zuzuführen; weil Glucose und Natrium im Darm Wasser binden, sollten zuckerreiche und salzreiche Lebensmittel und Getränke möglichst bei ausgeprägter Diarrhö gemieden werden. Einige Autoren empfehlen, zu den Mahlzeiten nichts zu trinken und den Wasserbedarf eine Stunde nach der Mahlzeit durch isotone Flüssigkeiten zu decken. Dadurch wird die Magenentleerung verzögert. Zuckerreiche Getränke wie Limonaden sowie Fruchtsäfte sollten vermieden werden. Peristaltik bremsende Medikamente (Loperamid und Opium-Tropfen) verbessern die Absorption von Wasser und Nährstoffen. Bei weniger als 25% Restdarmlänge (30 – 50 cm) ist nur eine parenterale Ernährungsform möglich3. Die funktionellen Aufgaben des Jejunums können nach erfolgter Adaptation vollständig vom Ileum übernommen werden. Sind mehr als 50 cm des Ileums resektiert worden, muss halbjährlich Vitamin B12 supplementiert werden. Sind mehr als 100 cm des Ileums resektiert worden, müssen zusätzliche Gallensäurebinder eingesetzt, die Fettzufuhr kontrolliert sowie fettlösliche Vitamine und Calcium supplementiert werden. Hinsichtlich der Abfolge der Ernährungsformen werden 3 Phasen unterschieden: Die Phase der Hypersekretion, die Phase der Adaptation und die Phase der Stabilisation. Generell gilt, dass die zugeführte Nahrung kohlenhydratreich, fettarm, proteinreich und ballaststoffarm sein sollte. Die Kostpläne müssen individuell je nach Stuhlfrequenz, abdominalen Missempfindungen usw. gestaltet werden6. Insgesamt wird eine Kalorienaufnahme von 30-35 kcal/kg Idealgewicht empfohlen7. 5. BESONDERHEITEN BEI DER ERSTELLUNG EINES ERNÄHRUNGSKONZEPTES Fette In der Nahrung enthaltene Lipide werden zu 90-95% im Dünndarm resorbiert. Nach erfolgter Resektion wird bislang generell eine fettarme, kohlenhydratreiche Kost empfohlen, wobei gezeigt werden konnte, dass in der stabilen Phase des Kurzdarmsyndroms bei Jejunostomiepatienten die extreme Fettrestriktion nicht erforderlich ist. Fett, vorwiegend als übliche Nahrungsfette (Öl oder Butter) zugeführt, wurde von diesen Patienten in der stabilen Phase zu 50 –52% absorbiert. Eine Fettzufuhr bei Patienten mit erhaltenem Kolon ist dann limitiert, wenn verstärkt Diarrhöen auftreten. Bei einer Resektion von mehr als 100 cm des terminalen Ileums tritt eine Steatorrhoe auf, da die Gallensäuren nicht resorbiert werden können und demzufolge keine Fettabsorption möglich ist. Hier wäre eine fettarme Diät indiziert, die dem sehr häufig bestehenden Ernährungsmangelzustand im Wege stünde. Um dennoch eine ausreichende Versorgung des Organismus mit Fetten zu gewährleisten, werden Fette mit mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Fette) eingesetzt, die unabhängig von den Gallensäuren absorbiert werden, 19 TransplantLinc Heft 11 - 2005 R.-J. SCHULZ, K. LOSCHEN, A. DIGNASS 20 TransplantLinc Heft 11 - 2005 teilweise wasserlöslich sind und überwiegend oder vollständig über den Blutweg abtransportiert werden. Dadurch lassen sich mit ihnen die fäkalen Fett- und Wasserverluste ausgleichen und der Ernährungszustand zu verbessern. Bei der Verwendung von MCT- Fetten ist zu beachten, dass diese im Vergleich zu "normalen" Fetten etwas weniger Energie aufweisen (8,3 kcal/g vs. 9,3 kcal/g). Sie sollten nicht hoch erhitzt und erst nach der Zubereitung dem Essen hinzugefügt werden. Die Umstellung auf MCT sollte schrittweise erfolgen, da sonst Nebenwirkungen wie Magenbeschwerden, Erbrechen usw. auftreten können. Bei einer moderaten Steigerung werden bis zu 150 g pro Tag ohne Beschwerden toleriert. Der Bedarf an essentiellen Fettsäuren (Linolsäure) muss durch die Zugabe eines entsprechenden Fettes (pflanzliches Öl) gedeckt werden. Bei der MCT-Margarine sind bereits 3% Linolsäure enthalten. Fettlösliche Vitamine werden unter MCT-Gabe ausreichend resorbiert. MCT sollten dann eingesetzt werden, wenn ein Zustand der Mangelernährung infolge ausgeprägter Fettmalabsorption vorliegt14. Beim Kurzdarmsyndrom ist die Deckung des Energiebedarfs zu mindestens 20-25, besser zu 30%, eventuell wird der Fettanteil auf bis zu 40% gesteigert, über Nahrungsfette indiziert. Je nach Ausmaß der Steatorrhö ist eine Reduktion des Fettanteils zunächst selbstverständlich. Unter Berücksichtigung der Verträglichkeit von LCT-Fetten muss eine Reduktion der Fettzufuhr auf 25-30 E% erfolgen. Der Grenzwert von Fett im Stuhl bei einer Jejunumresektion beträgt 15-20 g pro Tag, bei erfolgter Ileumresektion 20–40 g pro Tag. Unter Umständen muss die Nahrung mit MCT-Fetten angereichert werden13. Weiterhin kommt es zur Bildung von Natriumoxalatnierensteinen, da das Calcium im Dünndarm nicht durch resorbierte freie Fettsäuren abgefangen und mit dem Stuhl ausgeschieden wird. Neben einer oxalsäurearmen Ernährung ist bei intaktem Kolon die Restriktion von LCT-Fetten angezeigt. Häufig ist ein Ersatz der Nahrungsfette zu 50 –75 % durch MCT-Fette sinnvoll. Diese führen zu einer Verringerung des Wasserverlustes mit dem Stuhl und tragen zu einer Verbesserung des Ernährungszustandes bei. MCT Fette können bis max. 75 g /d substituiert werden. Wird die Menge überschritten, besteht die Gefahr osmotisch bedingter Diarrhöen. Je nach Ausmaß der Steatorrhoe müssen fettlösliche Vitamine substituiert werden. Nach teilweiser oder kompletter Entfernung des terminalen Ileums treten die nicht absorbierbaren Gallensäuren ins Kolon über und verursachen eine Diarrhö. Nahrungsfette und fettlösliche Vitamine werden nicht ausreichend resorbiert, die Darmperistaltik erhöht und die Wasserrückresorption verringert. Weiterhin werden durch nicht absorbierte, ins Kolon übertretende Hydroxyfettsäuren vermehrte Flüssigkeits- und Elektrolytverluste induziert. Bei chologener Diarrhö sollte Colestyramin verabreicht werden (3x tägl. 4g). Colestyramin bindet als Ionenaustauschharz Gallensäuren (tritt vermehrt bei Ileumresektion aufgrund von vermehrtem Übertritt von Gallensalzen ins Kolon mit der damit verbundenen Hemmung der Wasserrückresorption auf). Eine weitere Komplikation ist die enterale Hyperoxalurie. Infolge chologener Diarrhö ist die Oxalsäureresorption gesteigert. Die vermehrt vorhandenen Fettsäuren bilden mit Kalzium Kalkseifen, die eine Steatorrhö verursachen. Es wird vermehrt freie, mit der Nahrung aufgenommene Oxalsäure resorbiert, weil weniger Kalzium zur Bindung von Oxalsäure zu wasserunlöslichem Calciumoxalat zur Verfügung steht. Mit den Gallensalzen und freien Fettsäuren gelangt auch vermehrt Glycerin ins Kolon. Durch bakterielle Umwandlung entsteht Glycoxalat, das in der Leber Oxalsäure freisetzt. Als diätetische Maßnahme empfehlen wir MCT-Fette und oxalarme Ernährung sowie das Vermeiden von Xylit und Vitamin CExzessen. Kohlenhydrate und Ballaststoffe Monosaccharide und Disaccharide (Dextrine) werden gut toleriert. Mixgetränke mit hohem Glucose- und Oligosaccharidgehalt werden als Zwischenmahlzeiten empfohlen. Aufgrund ihres osmotischen Effekts können jedoch Diarrhöen ausgelöst oder verstärkt werden. Sie werden von den Patienten in unterschiedlichem Maße vertragen. Die Kohlenhydrataufnahme erfolgt im Wesentlichen schon im Jejunum. Ist dieses oder ein Teil davon entfernt worden, gelangt ein ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM Großteil der unverdauten Stärke sowie der Ballaststoffe in den Dickdarm und kann dort bis zu 1000 kcal/d Energie liefern, indem diese durch Fermentation zu kurzkettigen Fettsäuren (Propionate, Butyrate und Acetate) abgebaut werden und so in den Stoffwechsel einfließen. Weiterhin wird auf diese Weise eine verbesserte Eisenresorption gewährleistet 14. Nach erfolgter Resektion der Ileozökalklappe sollte eine Ballaststoffzufuhr minimiert werden, um eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms mit Bakterien aus dem Kolon zu verhindern. Diese Maßnahme ist aber nur eingeschränkt zu empfehlen, da dieser Zustand immer droht und auch durch die restlichen nicht proximal resorbierten Monosaccharide entstehen kann bzw. sich eine D-Lactatazidose entwickelt. Die Aufnahme besonders zuckerreicher Lebensmittel und Flüssigkeiten sollte so niedrig wie möglich sein (siehe auch Fruchtsäfte und Elektrolyte), da sie eine osmotisch bedingte Diarrhö auslösen können. Nach erfolgter Resektion des Jejunums und intaktem Kolon müssen lactosehaltige Lebensmittel auf Toleranz geprüft und ggf. gemieden werden. Ist das Kolon entfernt, ist eine Restriktion nicht nötig. Um einem Calciummangel vorzubeugen, sollten fermentierte Milchprodukte zugeführt werden. Nach teilweiser oder vollständiger Resektion des Jejunums muss die Verträglichkeit von Lactose überprüft werden, da diese Aufgabe nicht durch das Ileum kompensiert werden kann. Hier kann mit Trinkvollmilch ein Ausschlusstest vom Patienten selbst oder funktionsdiagnostisch ein H2-Atemtest durchgeführt werden. Weiterhin kann bei Patienten mit erhaltenem Kolon die Gefahr einer Laktatazidose bestehen. Um eine positive Stickstoffbilanz zu gewährleisten, sollten 80 – 100g Protein pro Tag verabreicht werden. Gefordert wird ergänzend der Einsatz von Pektin, welches im Kolon quellende Eigenschaften aufweist und eine verbesserte Wasserresorption ermöglicht. Aminosäuren und Mukosaregeneration Die Darmmukosa von Jejunum und Ileum ernährt sich zu 45% aus luminalen Substraten und nur zu 38 – 50% vaskulär. Hauptnährstoff des Dünndarms ist Glutamin. Me- tabolischer Stress bedingt ein Missverhältnis von Verbrauch und endogener Synthese hinsichtlich der Glutaminbilanz. Wird diese nicht durch eine exogene Glutaminzufuhr ausgeglichen, wird u. a. die Funktion des Immunsystems und des Gastrointestinaltraktes erheblich beeinträchtigt. Schätzungen zufolge werden bei Entzündungsreaktionen 5g/ Glutamin pro Tag verbraucht. Diese Erkenntnis lässt es sinnvoll erscheinen, postoperativ sofort parenteral und enteral Glutamin zu verabreichen, um durch die Förderung des Darmepithelwachstums eine frühzeitige orale Ernährung zu ermöglichen. Die 5-tägige parenterale Gabe von glutaminhaltigen Dipeptiden (besser löslich und stabiler als freies Glutamin) führte zu einer Erhöhung der DNA-Synthese in den T-Zellen und damit eine Immunsystem aktivierende Wirkung; bei abdominalchirurgischen Eingriffen führten diese Peptide zu einer verbesserten kumulativen Stickstoffbilanz und zu einem verbesserten physiologischen Spiegel an cisLeukotrienen (Lipidmediatoren), der mit einer erhöhten Überlebensrate bei kritisch Kranken in Verbindung gebracht wurde. Die orale Aufnahme von Glutamin erhöht die Zottenanzahl, stimuliert die mukosale Zellproliferation und erhält die Mukosafunktion. Es verhindert intestinale Hyperpermeabilität und bakterielle Translokation13. Patienten mit einer Restdarmlänge von weniger als 60 cm konnten in einer klinischen Studie von einer parenteralen Ernährung abgesetzt werden, wenn subkutan 0,03-0,14 mg/kg/d Wachstumshormon und parenteral 0,16 g/kg/d oder enteral 30g/d Glutamine supplementiert wurden5. Damit durch Zottenhyperplasie und Steigerung der Enzymaktivität in der Dünndarmmukosa die Resorptionskapazität im Restdarm gesteigert wird, ist eine Gabe von intakten Proteinen erforderlich. Anderenfalls wird der ins Darmlumen sezernierte Epidermal-Growth-Factor (EGF) und der Transforming Growth Factor alfa (TGF-a) von vorhandenen proteolytischen Pankreasenzymen zerstört. Dies bedeutet, dass entweder leicht verdauliche eiweißhaltige Lebensmittel gegessen werden sollten oder mit einer nährstoffdefinierten Formeldiät ernährt werden muss. Chemisch definierte Formeldiäten haben genauso wie TPN keine Steigerung der Adaptation zur Folge. 21 TransplantLinc Heft 11 - 2005 R.-J. SCHULZ, K. LOSCHEN, A. DIGNASS 22 TransplantLinc Heft 11 - 2005 Jede Form der postoperativen Ernährung soll den postoperativen Aggressionsstoffwechsel positiv beeinflussen und die bestehende Katabolie kompensieren. Da postoperativ vor allem die kurzlebigen Funktionsproteine abgebaut werden, besteht das Ziel der postoperativen Ernährung in einer ausreichenden Substitution von Proteinbestandteilen, um über eine gesteigerte Syntheseleistung der Leber die Verluste rasch auszugleichen. Die Aufnahme von kurzkettigen Peptiden hat gegenüber freien Aminosäuren den Vorteil, dass Peptide schneller resorbiert werden als freie Aminosäuren und Hydrolysatlösungen einen geringeren osmotischen Wert besitzen. Durch den Ersatz langkettiger- durch mittelkettige Fettsäuren normalisiert sich der Gehalt an Plasmaproteinen beim Eiweißverlustsyndrom. Der Verzehr biologisch hochwertigen Proteins (aufschließbar in essentielle AS) muss erhöht sein. Lebensmittel mit biologisch wertvollen Proteinen haben meist einen relativ hohen Fettanteil; wenn nicht eine ausschließlich orale Aufnahme möglich ist, können industriell hergestellte Eiweißkonzentrate oder Nahrungsergänzungsmittel (enterale Trinknahrungen) zusätzlich verabreicht werden. Es empfiehlt sich, die Energiezufuhr auf 20 Energie% (E%) zu erhöhen. Die Auswirkungen einer kohlenhydratreichen, fettarmen Diät in Verbindung mit Glutamin und Wachstumshormonen zeigten eine verbesserte Absorption von Eiweiß um 39%. Beim Kurzdarm tritt eine Hypoaminoazidemie auf, womit ein Ansteigen des Citrullinspiegels verbunden ist. Der von uns entwickelte Citrullintest ist eine geeignete Methode, den Aminosäurespiegel zu überprüfen und damit eine Aussage über die Resorptionsfähigkeit des Restdarms hinsichtlich von Proteinen zu treffen. Da die endogene Synthese bei metabolischem Stress (immunkompetente Zellen, Gastrointestinaltrakt) den Bedarf nicht decken kann, ist eine adäquate Zufuhr von Glutamin zur Vermeidung von Mangelsymptomen unabdingbar. Indiziert sind 0,5 0,6g Glutamin pro Tag und kg KG, d.h. also beim Erwachsenen durchschnittlich 30 g in Dosen von 3x 10g täglich. Eine Empfehlung ist die Verabreichung von Immunonutrients. Dies ist eine besondere Form der Trinknahrung. Sie enthält neben allen lebensnotwendigen Nährstoffen zusätzlich Substanzen, die das Immunsystem stärken und unterstützen. Zu diesen Substanzen, so genannten Immunonutrients, zählen verschiedene Aminosäuren (Arginin, Glutamin, Glycin), RNSNukleotide sowie Omega-3-Fettsäuren (= Eicosane). Die Aminosäure Arginin unterstützt die Wundheilung und ist am Aufbau von Abwehrzellen beteiligt. Ebenfalls wichtig für die Zellregeneration ist die Zufuhr der RNSNukleotide, die Bausteine jeder Zelle sind. Elektrolyte Eine ausgedehnte Jejunumresektion führt besonders postoperativ zu erheblichen Durchfällen. Langfristig kann jedoch das Ileum die Resorptionsleistungen des Jejunums übernehmen. Die diätetischen Maßnahmen dienen der Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution, der Steigerung der Wasserund Elektrolytresorption, der Verlangsamung der Darmpassage sowie der Schaffung eines Milieus im Darmlumen, das das Wachstum pathogener Keime hemmt1. Bei ausgedehnten Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten steht die negative Wasser-, Natrium- und Magnesiumbilanz im Vordergrund. Diese muss medikamentös eingestellt werden. Je mehr Nahrung und isotone Flüssigkeiten zugeführt werden, desto höher ist der Flüssigkeitsverlust. Hyperosmolare Reisstärke/Elektrolyt- (45g Reispulver in Verbindung mit einer Elektrolytlösung) sowie Glucose/Elektrolytlösungen verringern die Flüssigkeitsverluste und die Salzausschwemmung über den Stuhl. Dadurch wird zusätzlich die Energiezufuhr gesteigert. Weiterhin binden unverdauliche Kohlenhydrate wie Pektin oder Bestandteile des Johannisbrotkernmehls Wasser. Dadurch ist eine Steigerung bis zum Bilanzausgleich möglich. Je weniger gegessen wird, desto mehr Wasser ist zuzuführen. Die Flüssigkeitszufuhr sollte eine halbe Stunde vor, während und eine halbe Stunde nach den Mahlzeiten unterbleiben. Der Flüssigkeitsbedarf sollte in erster Linie über die Nahrung abgedeckt sein. Ist dies nicht möglich, muss intravenös infundiert werden. Es ist nicht ratsam, mehr als 0,5 bis 1 l täglich zu trinken. Generell gilt, dass die Resorption der Mineralstoffe in unterschiedlichem Ausmaß durch Tannine, Phytine, Ballaststoffe, oxalsäurereiche LM, und Tetracykline sowie Zucker- ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM austauschstoffe gehemmt wird. Verbessert wird die Resorption durch Vit. C, Vit. D, in Komplexen mit Citraten oder Ascorbaten sowie durch Mono- und Disaccharide und Aminosäuren. Die hypotonen Flüssigkeiten (Schwarztee und Grüntee, Kaffee) sollten demzufolge möglichst gemieden werden, während viel verdünnte Fruchtsäfte, ungesüßte Kräuter- und Früchtetees, je nach Verträglichkeit reichlich Obst und Gemüse, keine Zuckeraustauschstoffe, oxalsäurearme Lebensmittel (s. Anhang) sowie Mineralwässer, Tafelwässer und Sportgetränke mit erhöhtem Mineralstoffgehalt (angereichert mit Na, K, Cl, K, Ca und Mg) verzehrt werden sollten. a) Calcium Die Resorption ist abhängig von „ Begleitstoffen“ im Chymus. Calcium komplexiert leicht mit Phytat oder Oxalat zu z.B. Calciumphosphat. Calcium wird in den verschiedenen Darmabschnitten gleich gut resorbiert. Calciumkomplexe mit MCT können die Verfügbarkeit „ scheinbar“ erhöhen. Freie Fettsäuren bilden mit Calcium im Kolon unlösliche Kalkseifen und stehen so nicht mehr zur Bindung mit Oxalsäure zur Verfügung. Es erfolgt eine erhöhte Oxalsäureresorption und damit die Gefahr der Oxalatsteinbildung in den ableitenden Harnwegen. Da das Trinken von mindestens zwei Litern Wasser täglich bei Kurzdarmpatienten eher selten möglich ist, muss oxalsäurearm ernährt werden. Deshalb sollten oxalsäurereiche Lebensmittel möglichst gemieden werden. Eine Calciumsubstitution (indiziert sind 600 –1000 mg/Tag) führt zur Bildung unlöslicher Komplexe mit freier Oxalsäure, die bei Überschuss dadurch abgebunden wird. b) Eisen, Zink, Kupfer Mehrere Untersuchungen an kleinen Fallzahlen mit KDS im Erwachsenenalter zeigten keine Spurenelementmangelzustände unter enteraler und oraler Ernährung. In Einzelfällen kann es aber besonders bei M. Crohn-Patienten zu Eisen- und Zink-Mangelzuständen kommen. Eine regelmäßige Substitution bei oral aufgebauten Patienten mit Spurenelementen scheint nicht notwendig zu sein. 6. SPEZIELLE ERNÄHRUNG ABHÄNGIG VOM RESEKTIONSGEBIET IM INTESTINUM Resektion des Jejunums Die Funktion des Jejunums besteht in der Aufnahme von Disacchariden, Fettsäuren und Peptiden. Eine Jejunumresektion mit erhaltenem Ileum verursacht keine permanenten Defizite, da das Ileum alle absorptiven Funktionen übernehmen kann. Bei intaktem terminalen Ileum und Kolon ist die Diarrhö gering. Bei ausgedehnter Jejunumresektion kann es zu Laktose-Intoleranzerscheinungen kommen. Außerdem werden im Jejunum neben Eisen und Folsäure die meisten Spurenelemente (Kupfer, Zink, Mangan, Molybdän, Kobalt, Selen, Fluor und Jod) resorbiert. Allerdings treten deutliche Störungen in der hormonellen Steuerung der Gallen- und Pankreassekretion durch Cholecystokinin (CCK) und Secretin auf. Resektion des Ileums Eine Ileumresektion führt zu einer kürzeren Passagezeit und zu einer vermehrten digestiven Motorik. Die Magenentleerung ist nach der Resektion beschleunigt12. Ab einer Resektion von mehr als 100 cm des terminalen Ileums kommt es zur Steatorrhö und chologenen Diarrhö, weil die Gallensalzrückresorption eingeschränkt ist oder ganz entfällt. Verlust der Ileozökalklappe Die Resektion der Ileozökalklappe führt zu einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms und zu massiven Durchfällen. Die Transitzeit durch den Darm ist stark verkürzt, wodurch die Diarrhö verstärkt wird. Es besteht eine Vitamin B-Malabsorption und auch hier besteht die Gefahr einer DLaktatazidose. Auf eine Flüssigkeitszufuhr in Abstand zu den Mahlzeiten ist besonders zu achten. Weiterhin ist hier ausdrücklich eine ballaststoffarme Kost indiziert. Es muss eine Vitamin B12-Substitution erfolgen. 23 TransplantLinc Heft 11 - 2005 R.-J. SCHULZ, K. LOSCHEN, A. DIGNASS Resektion des Kolons und oder Anlage eines Ileostomas Es ist für den klinischen Verlauf von entscheidender Bedeutung, ob ein Restkolon vorhanden ist oder ein Ileostoma vorliegt. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass eine ausgeprägte Dünndarmresektion deutlich besser und schneller kompensiert werden kann, wenn das Kolon noch Funktionen wie z. B. Flüssigkeitsresorption, Elektrolytresorption und Aufnahme von kurzkettigen Fettsäuren leisten kann. Die Frequenz der Stühle und die Ileostomapflicht tragen erheblich zusätzlich zur Beeinflussung der Lebensqualität bei. 7. ALLGEMEINE VERLAUFSKONTROLLPARAMETER Um ein Kurzdarmsyndrom während der ersten beiden Phasen (Sekretionsphase und Adaptationsphase) erfolgreich führen zu können, bedarf es einer umfangreichen Diagnostik. Abhängig von der Stabilität der klinischen Situation kann es notwendig sein, mehrmals wöchentlich Elektrolyte, Flüssigkeitshaushalt und Nierenfunktionswerte zu kontrollieren. Im Allgemeinen sollte nach festgelegten Schemata die Kontrolle erfolgen, um auftretenden Defiziten rasch entgegentreten zu können. Die wesentlichen Verlaufsparameter sind in Abbildung 2 tabellarisch aufgelistet. Die jeweiligen Zeitintervalle sind aber sehr flexibel und von der klinischen Situation des Patienten abhängig. 8. DÜNNDARMTRANSPLANTATION UND INDIKATION 24 TransplantLinc Heft 11 - 2005 Die Dünndarmtransplantation ist eine therapeutische Option für Patienten mit komplettem intestinalem Ausfall der Resorptionsleistung. In Fällen von KDS-Patienten mit grenzwertiger oraler und enteraler Stabilisierungsmöglichkeit, also erst wenn nach ca. 12 Jahren weiterhin eine total parenterale Ernährungspflicht besteht oder aufgrund der massiven Resektionen bereits feststeht, sollte eine Dünndarm-Transplantation erwogen werden. In den frühen 90er Jahren kam es bezüglich der Durchführbarkeit einer Dünndarmtrans- plantation zu zwei wichtigen Fortschritten in den Behandlungsmöglichkeiten. Die erste war die Kombinationsmöglichkeit mit einer Lebertransplantation15 und 2. die Entwicklung von FK506 (Tacrolimus)16. Während sich die klinischen Erfahrungen auf nur wenige Einzelfälle bis zu den 90er Jahren beschränkten, ist in den letzten Jahren ein erheblicher Zuwachs an klinischer Erfahrung basierend auf über 500 Dünndarmtransplantationen weltweit (2/3 pädiatrische Patienten) zu verzeichnen. Bislang wurde eine Dünndarmtransplantation nur in Situationen durchgeführt, in denen keine andere therapeutische Alternative mehr verfügbar war. Aus diesem Grunde gibt es bislang auch keine randomisierten kontrollierten Studien, die eine Dünndarmtransplantation im Vergleich zu anderen Therapien in Relation setzen können. Indikation Bislang wurden nur Dünndarmtransplantationen in den Fällen durchgeführt, in denen keine andere Option mehr bestand bzw. die Patienten eine lebensbedrohliche Komplikation aufgrund der Langzeit-parenteralen Ernährung entwickelten17. Im Jahr 2000 hat Medicare in den USA die finanzielle Unterstützung der Dünndarmtransplantation bewilligt in Fällen, in denen eine total parenterale Ernährungstherapie keinen Erfolg hat. Die Health Care Finance Administration (HCFA) traf die Entscheidung basierend auf drei unabhängigen Untersuchungen der Literatur: 1. Daten, die initial einem nicht genannten Transplantationszentrums zur Verfügung gestellt wurden. 2. Eine 1999 vom Blue Cross Blue Shield Association’s Technology Evaluation Center durchgeführte Untersuchung. 3. Ergebnisse eines separaten Untersuchungsauftrags des Center for Practice and Technology Assessment at the Agency for Health Care Research Quality (AHRQ). Die Indikationen lassen sich in 3 Gruppen einteilen: 1. Kurzdarmsyndrom 2. Dünndarmmotilitätsausfälle 3. Kongenitale Erkrankungen der epithelialen Mukosa ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM ad 1) Kurzdarmsyndrom verursacht durch eine exzessive Resektion des Dünndarmgewebes stellt logischerweise die Erstindikation für eine Dünndarmtransplantation dar. Nach umfangreichen Resektionen des Dünndarms überleben neuerdings die pädiatrischen Patienten und entwickeln nach einer gewissen Zeit eine gastrointestinale Autonomie. Aufgrund der vielen suffizienten therapeutischen und medikamentösen Möglichkeiten ist die Zahl der pädiatrischen Patienten mit Kurzdarmsyndrom, die als potenzielle Kandidaten für eine Dünndarmtransplantation in Frage kommen, eingeschränkt. Die führende Symptomatik ist das drohende Leberversagen bedingt durch die Langzeit parenterale Ernährung 18. Spezielle Indikationen bei Erwachsenen: Die Hauptindikation für Dünndarmtransplantationen ist ein inadäquat kurzes Restdünndarmsegment nach subtotaler oder totaler Resektion. Crohn-Patienten stellen eine separate Gruppe dar, auch wenn auch bei dieser Gruppe Dünndarmtransplantationen bereits durchgeführt worden sind. CrohnPatienten entwickeln das Problem eines Wiederaufflammens der Erkrankung auch im Transplantat wie kürzlich von SustendoReodica publiziert19. Bislang war die Indikation zur Dünndarmtransplantation nur bei Patienten gegeben, bei denen ein lebensbedrohlicher Zustand durch Komplikation einer Langzeit-parenteralen Ernährung aufgetreten war. In den USA wurde z. B. bislang eine Indikation zur Dünndarmtransplantation bei folgenden Gründen gestellt: 1. Angehendes oder bereits aufgetretenes Leberversagen (erhöhte Serum-Bilirubin- und/oder Leberenzymspiegel, Splenomegalie, Thrombozytopenie, gastrooesophageale Varizen, Koagulopathie, rezidivierendes Stomabluten, Leberfibrose oder Leberzirrhose) 2. Thrombose der großen zentralvenösen Gefäße (zwei Thrombosen in der Subclavia-, Jugularis- oder Femoralvene). Evidenz, die diese Indikation stellt, ist jedoch sehr gering. 3. Häufige Kathetersepsis (zwei Episoden mit systemischer Sepsis abhängig von Infektionen im Kathetersystem pro Jahr, eine Episode einer Kathetersepsis mit Pilzen, septischer Schock oder ARDS (acut respiratory distress syndrome). Evidenz, die diese Indikation stützt, ist sehr gering. 4. Häufige schwere Dehydratation. Komplikationen einer Langzeit-parenteralen Ernährung, die letztendlich zur Indikationsstellung für eine Dünndarmtransplantation führen. Bei Patienten, die eine Leberversagen-assoziierte total parenterale Ernährung entwickeln, sollten Studienergebnisse berücksichtigt werden, die medikamentöse Unterstützung durch Metronidazol, orales Lecithin, Ursodesoxycholsäure oder intravenöse Choline eingesetzt wurden, um die Komplikation der total parenteralen Ernährungspflicht zu stabilisieren oder gar zu bessern. Bis auf diese aufgezählten Therapieoptionen gibt es bislang keine andere Möglichkeit in den Verlauf dieses schweren Krankheitsbildes einzugreifen. Umso wichtiger ist ein detailliertes und engmaschiges Überwachungssystem der metabolischen Situation mit Verlaufskontrollen zur frühzeitiger Diagnosestellung von: a) Dextroseübersättigung b) Fettsäurenmangel durch insuffiziente intravenöse Fettemulsionsangebote c) Eingeschränkte Lipidinfusionen mit Vermeidung einer oberen Grenze von mehr als 2,5 g/kg/Tag. Im klinischen Verlauf hat sich herausgestellt, dass ein Optimum bei ca. 1,5 g/kg Körpergewicht liegt. In Bezug auf die hepatotoxischen Komponenten sollte sogar eine Lipidemulsion unter 1 g/kg Körpergewicht/Tag liegen. Der Einsatz von Carnitin zur Verbesserung der Fettverwertung ist bislang nicht gesichert und derzeit Gegenstand klinischer Studien. Bei Patienten im Endstadium einer Lebererkrankung und einem Kurzdarmsyndrom ist eine kombinierte Dünndarm-Leber-Transplantation oft die einzige Möglichkeit. Eine isolierte Lebertransplantation ist nicht empfehlenswert. Eigene Erfahrungen bei den ersten dünndarmtransplantierten Patienten haben jedoch ergeben, dass Patienten, die vor Dünndarmtransplantation ein drohendes Leberversagen bzw. eine sehr schwere Form 25 TransplantLinc Heft 11 - 2005 R.-J. SCHULZ, K. LOSCHEN, A. DIGNASS 4 DDTX 3,5 3 2,5 mg/dl ABBILDUNG 4: Verlauf der BilirubinKonzentrationen bei einer Patientin mit Kurzdarmsyndrom mit anschließender Dünndarmtransplantation (DDTX) 2 1,5 1 0,5 229 217 205 193 181 169 157 145 133 121 109 97 85 73 61 49 37 25 13 1 0 Messzeitpunkte einer Steatosis hepatis aufwiesen (deutlich erhöhte Bilirubin- und Transaminasenwerte), binnen weniger Wochen zu einer normalen Leberenzym-Konstellation mit normalem Bilirubin zurückkehrten. In Abbildung 4 ist exemplarisch der Bilirubin-Verlauf einer KDSPatientin vor und nach DDTX demonstriert. Bislang ist es nicht klar, ab wann noch Leberveränderungen irreversibel sind. Sicher bilden Faktoren wie bereits abgelaufene Vorschädigungen, bestehende Schäden durch Hyperalimentation über viele Jahre und Gefäßprobleme (beginnende Pfortaderthrombose) Risikofaktoren, die durch total parenterale Ernährung eine Leberdekompensation verursachen. Patienten mit Kurzdarmsyndrom und einem Endstadium der Lebererkrankung, werden auf die Liste für eine kombinierte Darm-Leber-Transplantation gesetzt, haben aber bis vor 6 Monaten eine extrem hohe Mortalitätsrate, da sie wesentlich längere Wartezeiten als alle anderen wartenden Organempfänger haben20,21. Seit ca. 6 Monaten ist in Europa diese Regelung aus diesem Grund geändert worden und jetzt als dringlichste Indikation eingestuft werden. 9. LEBENSQUALITÄT BEI LANGZEITPARENTERAL ERNÄHRTEN PATIENTEN UND PATIENTEN MIT DÜNNDARMTRANSPLANTATION 26 TransplantLinc Heft 11 - 2005 Die Lebensqualität bei Patienten mit Langzeit-parenteraler Ernährung wurde durch mehrere Untersuchungen dargelegt, wobei die einzelnen Autoren zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen22,23. Dies ist sicherlich auch dadurch zu erklären, dass die Patienten in keine Untergruppen zur Analyse für die Kurzdarmsyndrompatienten eingeteilt wurden. Es gibt nur sehr wenige Vergleiche zwischen Patienten mit Dünndarmausfall, die eine total parenterale Ernährung erhielten, und denen mit einer Dünndarmtransplantation. Retrospektive Vergleiche zwischen den kleinen Gruppen von Dünndarm transplantierten Patienten mit Patienten mit Langzeit-parenteraler Ernährung, eingeteilt nach Alter und Erkrankungsdauer, weisen eher darauf hin, dass Patienten mit einer Dünndarmtransplantation eine etwas bessere Lebensqualität haben24. ANHANG Fettarme und oxalsäurearme Lebensmittel aus den 7 Lebensmittelgruppen: 1. Getreideprodukte und Kartoffeln: alle Brotsorten und Getreideflocken außer Haferflocken und Getreidekeimen 2. Gemüse: alle Sorten außer: Kichererbsen, Sojabohnen, fettreiche Soßen, fettreiche Samen und oxalsäurereiche Gemüsesorten: Bohnen, Spinat, Rote Beete, Rote Rüben, Mangold. 3. Obst: alle Sorten außer: Avocados, Oliven, Nüsse und oxalsäurereiche Sorten wie ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM 4. 5. 6. 7. Mango, Rhabarber, Stachelbeeren, Himbeeren (einschl. Nüsse) Getränke: alle Sorten außer: Kakao und kakaohaltige Getränke sowie große Mengen an Kaffee und Tee Milch- und Milchprodukte: fettarme Trinkmilch, Schnittkäse 10% F.i.Tr., Speisequark Magerstufe Fleisch, Fisch und Eier: Muskelfleisch ohne Fett, Filet, Keule, Schnitzel, Leber, Flunder, Heilbutt, Kabeljau, Seelachs, Rotbarsch, Schellfisch, Scholle, Seezunge, Steinbutt Fette und Öle: MCT-haltige Fette Patientenempfehlungen zur Ernährung beim Kurzdarmsyndrom • alle 2 Stunden über den Tag verteilt kleine Mahlzeiten essen • Essen in Ruhe, gut kauen • nur zwischen den Mahlzeiten trinken, nicht mehr als 0,5 –1 l pro Tag • zu jeder Mahlzeit etwas Fetthaltiges essen • bei Fettunverträglichkeit Verwendung von MCT- Fetten • Milchtoleranz prüfen, sonst eher • fermentierte Milchprodukte wie Quark, Käse, Joghurt und Kefir verzehren • einmal wöchentlich gedünsteten oder gekochten Fisch essen • Verträglichkeit von Ei-Gerichten austesten • Möglichst täglich Nudeln oder Kartoffeln essen • Obst und Gemüse in gegartem, eventuell passiertem Zustand essen (Apfelmus, Apfelkompott, geschälter Apfel) • Immer nur ein neues Lebensmittel in den Speiseplan aufnehmen und auf Verträglichkeit testen • Führen einer Liste von allen Lebensmitteln, die gut vertragen werden 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 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Die in diesem Bereich aktiven Leser finden die oft vermisste Möglichkeit, eigene Vorgehensweisen mit denen anderer Arbeitsgruppen zu vergleichen. Die Beiträge wurden in fünf Kapiteln zusammengestellt und umfassen alle aktuellen Bereiche der Transplantationsmedizin: Psychodynamik der Organintegration, Psychosozialer Outcome nach Organtransplantation, Somatische Aspekte des Langzeitverlaufs, Psychosoziale Versorgungskonzepte und die Leberlebendspende. ISBN 3-89967-012-4 Preis: 15,- Euro DR. RALF-JOACHIM SCHULZ 28 TransplantLinc Heft 11 - 2005 Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie, Gastroenterologie und interdisziplinäres Stoffwechselzentrum Charité - Universitätsmedizin Berlin Campus Virchow Augustenburger Platz 1 D-13353 Berlin E-mail: [email protected] PABST SCIENCE PUBLISHERS Eichengrund 28, D-49525 Lengerich, Tel. ++ 49(0) 5484-308, Fax ++ 49 (0) 5484-550, E-mail: [email protected] Internet: www.pabst-publishers.de ERNÄHRUNGSMANAGEMENT BEIM KURZDARMSYNDROM 29 TransplantLinc Heft 11 - 2005