130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 1 KONZERT ERSTES SINFONIE Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu „Die Geschöpfe des Prometheus“ C-Dur op. 43 Adagio – Allegro molto con brio Alfred Schnittke Konzert Nr. 3 für Violine und Kammerorchester Moderato – Agitato – Andante PAUSE Johannes Brahms Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 Un poco sostenuto – Allegro Andante sostenuto Un poco allegretto e grazioso Adagio – Più andante – Allegro non troppo, ma con brio 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 2 werkeinführung Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) Ouvertüre zu „Die Geschöpfe des Prometheus“ C-Dur op. 43 Die Begegnung mit dem Tänzer und Ballettmeister Salvatore Viganò in Wien führte um die Jahreswende 1800/1801 zur ersten ernsthaften Auseinandersetzung Beethovens mit Theatermusik. In Zusammenarbeit entstand das Ballett Die Geschöpfe des Prometheus. Die hierfür komponierte Ouvertüre ist die erste aus Beethovens Feder überhaupt und hat sich schon sehr bald unabhängig von den restlichen Sätzen der Ballettmusik in den Konzertsälen etabliert. Nur wenige Jahre nach ihrer Entstehung erschien sie 1804 bereits als Einzelausgabe beim Leipziger Verlag Hoffmeister & Kühnel. Das Prometheus-Sujet spielte in intellektuellen Kreisen der Zeit eine nicht unbedeutende Rolle, galt doch die mythologische Figur des Menschenbefreiers und Erhellers Prometheus als Symbol der Aufklärung und einer zukünftig freien Gesellschaft. Derlei Hoffnungen waren natürlich mit dem Namen Napoleon verbunden und so kann die Prometheus-Musik durchaus als Huldigung an Bonaparte interpretiert werden. Beethoven selbst griff beim Finale der Eroica, dem Werk, das seine Auseinandersetzung mit Napoleon sicherlich am intensivsten widerspiegelt, auf ein The4 ma aus seiner Prometheus-Ballettmusik zurück. Auf Parallelen der Ouvertüre Parallelen zur zu der nur wenig früher entstandenen 1. Sinfonie ist immer wienur wenig früher der hingewiesen worden. So steentstandenen 1. Sinfonie hen beide Werke in der gleichen Tonart (C-Dur), beginnen mit einer langsamen Einleitung und eröffnen darüber hinaus mit einem Septakkord – eine Ungeheuerlichkeit für damalige Hörgewohnheiten. Nach der feierlich-erhabenen AdagioEinleitung folgt der Allegro-Teil in Sonatensatzform. Fort- 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 3 laufende Achtelketten in den ersten Geigen bestimmen das agile Hauptthema, das dem Finale der Ballettmusik entnommen ist. Einen lieblicheren Kontrast bildet das dreiklangsgeprägte Holzbläserthema im Seitensatz, das jedoch hinter den immer wieder impulsiv aufbrausenden Passagen in Verbindung mit dem Hauptthema zurücksteht. Eine ausgeprägte Coda führt die Ouvertüre zu einem entsprechend freudig jubelnden Schluss, der bereits den Dank und die Freude der von Prometheus mit der himmlischen Flamme zum Leben und Lieben erweckten Menschen am Ballettende vorwegnimmt. Dauer 5' 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner 2 Trompeten, Pauken, Streicher UA: 28. März 1801 5 Alfred Schnittke (1934 – 1998) Konzert Nr. 3 für Violine und Kammerorchester Alfred Schnittke wurde 1934 in Engels, Teil der damaligen Wolgadeutschen Autonomen Sowjetrepublik, geboren als Sohn eines aus Frankfurt am Main stammenden und einer 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 4 werkeinführung Schnittke Wolgadeutschen. 1946 zog die Familie für zwei Jahre nach Wien, wo Schnittke zunächst Akkordeon und Klavier lernte, bald auch ersten Kompositionsversuchen nachging. Das Studium absolvierte er dann am Moskauer Konservatorium. Dort lehrte er bis 1972 Komposition. Wesentliche Anregungen empfing Schnittke während des Studiums in Moskau (1953 – 1958) zunächst von der sowjetischen Moderne, etwa der Musik Dmitri Schostakowitschs, aber auch durch den Webern-Schüler Filip Herschkowitsch, der ihm mit der Zweiten Wiener Schule bekannt machte. In der Folge intensivierten sich seine Annäherung zur westlichen Avantgarde. Von Luigi Nono angeregt, arbeitete er nunmehr mit seriellen Techniken, ein Schritt, den er später als „Selbstverleugnung“ bezeichnete, er experimentierte zudem mit elektronischer Musik. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Stilarten – Schnittke selbst prägte den Begriff Polystilistik – kennzeichnet schließlich seine Handschrift seit Ende der 60er-Jahre. Dieses Zusammenwirken kann auf jeder erdenklichen Ebe6 ne stattfinden, vom einfachen Zitat über Collagetechniken bis hin zum Zusammenprall auf strukZusammenwirken tureller oder auch formaler Ebene, wie z.B. sein 4. Concerto grosso – 5. Sinfonie unterschiedlicher zeigt, das den Spagat wagt, gleichzeitig Stilarten zwei Gattungen anzugehören, und nebenher noch ein Mahler-Klavierquartett integriert. Immer wieder kommt eben in dieser polystilistischen Verfahrenweise auch die Musik von großen Vorgängern wie Beethoven, Tschaikowski, Bruckner, Mozart oder eben Mahler durch Schnittkes Musik hindurch zu 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 5 Wort. Kritikern dieser Technik entgegnete Nicht gestohlen, er: „Ich möchte erwähnen, dass alle Ansondern tiquitäten in meinen Stücken von mir nicht gestohlen, sondern gefälscht wurgefälscht den.“ Im Westen wurde Schnittke vor allem ab Mitte der 70erJahre bekannt, in erster Linie durch Gidon Kremer, der sich sehr für Schnittke und seine Musik einsetzt(e). Schnittke verbrachte fortan die meiste Zeit in Deutschland und Österreich, 1990 erhielt der Komponist die Deutsche Staatsbürgerschaft. Als Schnittke am 3. August 1998 nach einer langen Reihe von Schlaganfällen seit 1985 starb, hinterließ er mehrere Bühnenwerke, acht Sinfonien (eine neunte blieb unvollendet), zahlreiche Konzerte, Concerti grossi, Kammermusikwerke und über 70 Filmmusiken. Alfred Schnittke, in dessen Œuvre die Instrumentalmusik dominiert, schrieb vier Violinkonzerte. Das vorliegende Konzert entstand im Jahre 1978 und wurde mit dem russischen Geiger und Widmungsträger Oleg Kagan im Januar 1979 in Moskau uraufgeführt. Bekannt wurde es dann vor allem durch Gidon Kremer, der bereits die zweite Aufführung 1979 in Berlin übernahm und eine Schallplatte mit dem Werk produzierte. Bei der Komposition hatte sich Alfred Schnittke hinsichtlich der Besetzung an den Werken orientiert, in dessen Umfeld die Uraufführung geplant war (Kammerkonzert von Alban Berg und Klavierkonzert von Paul Hindemith) und entschied sich deshalb für den Einsatz von 13 Bläsern sowie Streichern, die aber erst im dritten Satz hinzutreten. Formal hat das Werk drei Sätze, die ohne Pause aneinandergereiht werden und auch als Sonatensatz mit den drei 7 Teilen Exposition, Durchführung und Reprise gelesen werden können. Den Komponisten beschäftigte das „Gegenspiel des Tonalen und Atonalen“ (Schnittke), das sich im Kleinen, den motivischen Keimzellen etwa, ebenso manifestiert wie im Großformalen, z.B. wenn der dritte Satz mit einem scheinbar aus dem 19. Jahrhundert stammenden tonalen Thema eröffnet wird. Das Werk beginnt mit einer prologartigen Kadenz der Solovioline, die das Material vorstellt, aus dem das ganze Konzert entwickelt ist. Zunächst bewegt sich die melodische Linie in Halbtonschritten fort, nach und nach werden die 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 6 werkeinführung Schnittke Intervalle größer, um am Ende wieder in kleinen Schritten abzusteigen. Die pendelartigen Sekundbewegungen, die in den Trillern eine Dopplung finden, dominieren den Kopfsatz, einen „tonalen“ Gegensatz dazu bilden Töne der leeren Violinsaiten, die am Ende des Prologs orgelpunktartig unterlegt werden, wie sich später auch C-Dur/c-Moll als ein tonaler Schwerpunkt erweisen wird. Spröde und bedrückend wirkt dieser erste Satz durch die Dominanz der flachen Sekundbewegungen und der daraus resultierenden Dissonanzen, die sich erst später, im lebhaften zweiten Satz, aus ihrer engen Oktavlage werden befreien können. Zuvor werden die Bewegungen mikrointervallisch sogar noch verkleinert, so dass die Violine in einem Abschnitt mit tiefen Holzbläserklängen ihren tiefsten Ton, die leere G-Saite, kaum mehr verlassen zu können scheint und nur noch im Vierteltonbereich erhöht. Den Übergang zum zweiten Satz bildet eine choralartige Bläserpassage, die laut Schnittke auf den Einfluss russisch-orthodoxer Kirchenmusik zurückgeht und bei der die Violine in die begleitende Rolle schlüpft. Mit Beginn des Agitato ergreift sie wieder die Initiative und es kommt Bewegung in die Sekundbewegungen des Soloparts. Dieser sprengt durch Oktavierungen mehr und mehr den engen Bewegungsradius, schließlich entspinnt sich ein lebhafter Dialog mit den Bläsern. Die Triller aus dem Prolog tauchen vor einem polyphonen Geflecht der Bläserstimmen wieder auf und der nun angestrebte Höhepunkt des Satzes ist gleichzeitig die Überleitung zum Schlusssatz. Dauer 30' Am Anfang des dritten Satzes steht eine von den Bläsern in2 Flöten (Piccolo) tonierte, beruhigend wirkende Oboe, Englischhorn „Waldmusik“ (Schnittke) nach dem Vorbild deutscher Roman2 Klarinetten (Es-Klaritik. Das brahmsartige sanfte Thenette), Bassklarinette ma wirkt über den stehenden Tönen der Sologeige und jetzt Fagott, Kontrafagott hinzutretenden Streicher wie aus 2 Hörner, Trompete einer anderen, vergessenen Welt. Sie ist zudem das einzig wirklich Posaune, Streicher neue Material des Finalsatzes. UA: 27. Januar 1979 Die ruhige elegische Stimmung 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 7 Waldmusik wird von der Solovioline aufgegriffen und mit Reminiszenzen an die vornach dem Vorbild ausgegangenen Sätze weitergeführt. deutscher Romantik So erscheinen die Klänge der Waldmusik verflochten mit den Sekundbewegungen und Trillern, die ruhige, mitunter weihevolle Stimmung hält bis zum immer leiser werdenden Ende an, wo Schnittke abermals auf den Abschnitt im Tonfall russisch-orthodoxer Kirchenmusik aus dem Kopfsatz zurückgreift, bevor das Werk auf einem stehenden C-Dur-Akkord ausklingt. Johannes Brahms (1833 – 1897) Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 Dreiundvierzig Jahre alt und bereits ein namhafter Komponist war Johannes Brahms, als er nach mehr als sechzehnjährigem Ringen am 4. November 1876 seine erste Sinfonie in Karlsruhe der Öffentlichkeit vorstellen konnte. Schwer hatte das Erbe Beethovens gewogen, der mit seiner Neunten in vieler Augen (v. a. in denen der Wagner-Anhänger) einen vermeintlichen Schlusspunkt innerhalb der Gattung gesetzt hatte. Dem Dirigenten Hermann Levi gestand Brahms diesbezüglich noch zu einer Zeit, als der Kopfsatz zur ersten Sinfonie schon entworfen war: „Ich 9 werde nie eine Symphonie komponieren! Ich werde nie Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer so eine Symphonie einen Riesen hinter sich marschieren komponieren! hört“. Aber auch der Druck von außen – von Freunden, dem Verleger Fritz Simrock und der Öffentlichkeit, die ungeduldig auf eine erste Sinfonie von Brahms warteten – dürfte das Unterfangen nicht vereinfacht haben. Bereits 1854 hatte Brahms den ersten Versuch zu einer Sinfonie unternommen. Wie Beethovens Neunte sollte sie 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 8 werkeinführung Brahms in d-Moll stehen. Es wurde nichts daraus, Teile daraus sind ins Deutsche Requiem sowie ins erste Klavierkonzert eingeflossen. 1862 war dann der Kopfsatz einer „neuen“ Sinfonie, nun in c-Moll, in einer ersten Fassung fertig (noch ohne die langsame Einleitung). Aber das Projekt blieb liegen. Weitere zwölf Jahre mussten vergehen, Weitere bis Brahms sich wieder an das Vorhaben heranwagte, zwischen 1874 und zwölf Jahre 1876 erfolgte die Hauptarbeit an dem mussten vergehen Werk, das auch noch nach der Karlsruher Uraufführung von Brahms einschneidende Veränderungen erfuhr und erst 1877 in einer endgültigen Fassung gedruckt werden konnte. Als die Sinfonie fertig war, ließ man den „Riesen“ Beethoven wieder hinter Brahms aufmarschieren: Hans von Bülow setzte den Begriff von Beethovens „Zehnter“ in die Welt, der seither an dem Werk zu haften scheint – und sei es, um die Bülowsche Einschätzung als falsch zu überführen. Sicherlich gibt es Verbindungen, oft wird in diesem Zusammenhang auf den Schlusssatz verwiesen mit einleitendem Teil und einem (wie in Beethovens Neunter) hymnischen Hauptthema. Doch Brahms selbst soll, auf diese Parallele angesprochen, erklärt haben, es Merkwürdig, sei noch merkwürdiger, „dass jeder Esel es hört“. Auch den Stimmungsverlauf mit seidass jeder Esel ner „Durch-Nacht-zum-Licht-Dramaturgie“ es hört hat man mit Beethovens Neunter verglichen, jedoch hat Brahms, was die Gewichtung der Sätze betrifft, mit dem Kopfsatz einen dem Finale adäquaten Gegenpol geschaffen. Dem Anfangs-Allegro geht eine langsame Einleitung 10 voran, seit Haydn Quelle des musikalischen Materials, aus der heraus sich das Folgende entwickelt. Das ist auch hier der Fall, die Einleitung exponiert als Kernmotiv über dramatisch pochenden Paukenschlägen eine chromatisch aufsteigende, dann wieder absteigende Streicherlinie (espressivo e legato), der die Bläserstimmen in gegenläufiger Bewegung entgegengesetzt werden. Dieses Kernmotiv, zweimal in der Einleitung vorgestellt, kehrt sogleich zu Beginn des Allegro wieder, kündigt das Hauptthema an, das dann in den ersten Geigen erscheint, und ist noch während der Themenvorstellung in den Celli zu hören. Die Einlei- 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 9 tung ist mit der dort zu hörenden Oboenmelodie auch Ursprung des Seitensatzes. Brahms zeigt hier, was alle vier Sinfonien aus seiner Feder auszeichnen wird: eine ungeheure Dichte und Konzentration durch enge motivische Beziehung zwischen allen Teilen. Alles entwickelt sich aus den Anfangstakten, hängt infolgedessen miteinander zusammen. Doch indem der Hörer Zeuge von Umformung, Entwicklung und Ausbildung der einzelnen Keimzellen wird, verlagern sich ursprünglich der Durchführung vorbehaltene Techniken auf alle Formteile. „Der Satz ist voll wunderbarer Schönheiten, mit einer Meisterschaft die Motive behandelt, wie sie Ihm [Brahms] ja so mehr und mehr eigen wird. Alles ist so interessant in einander verwoben, dabei so schwungvoll wie ein erster Erguß; man genießt so recht aus vollen Zügen ohne an die Arbeit erinnert zu werden“, so schrieb Clara Schumann an Joseph Joachim über den ersten Satz bereits zu einer Zeit, als dieser noch nicht einmal die langsame Einleitung hatte. Zwischen den beiden gewichtigen Ecksätzen erscheinen die mittleren Sätze fast episodenhaft. Der zweite Satz erfuhr noch kurz vor der Uraufführung eine umfassende Kürzung, vermutlich um die dem Finale gebührende Geltung nicht zu schmälern. Auch hier taucht das Kernmotiv auf, es ist Teil der ruhigen Streicherthemas und wird durch ein Crescendo vom Pianissimo-Beginn hervorgehoben. Nach der letzten Überarbeitung ist der Satz in dreiteiliger Liedform gehalten, wobei Soloinstrumenten (Oboe, Klarinette, SoloVioline) besonderer Raum verliehen wird. 11 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 10 werkeinführung Brahms An dritter Stelle steht statt des erwarteten beschwingten Menuetts oder Scherzos ein zartes Allegretto ebenfalls in dreiteiliger Form gehalten. Ein Klarinettenthema mit ungeradzahligen Phrasen bestimmt die Eckteile, der Mittelteil hebt sich mit seinem wiegenden 6/8-Takt und seinem kurzzeitigen sinfonischen Aufschwung vom verträumten Charakter der Eckteile ab. Wie bereits beim Kopfsatz stellt Brahms auch dem Finale eine langsame Einleitung (Adagio) voran. Nach den intermezzohaften Zwischensätzen richtet sich dabei die Spannung bereits nach den ersten Takten auf die Frage, was denn nun kommen möge. Denn die Anfangstakte nehmen mit den oktavierten Geigen und den Paukenschlägen zunächst den Charakter der Kopfsatz-Einleitung auf, geben diesen aber sogleich wieder ab. Geheimnisvolle, huschende Pizzicati, scheinbar ohne Metrum, hektische Zweiunddreißigstel-Floskeln sorgen für fast theatralische Effekte und Spannungsaufbau. Später wird sich wieder herausstellen, dass bis hier bereits die Themen des Hauptteils versteckt vorweg genommen wurden. Die Einleitung mündet in ein berühmtes Horn-Solo: Brahms hatte es Clara Also blus Schumann, mit einem Text versehen („Hoch auf’m Berg, tief im Tal grüß ich Dich viel taudas Alphorn sendmal!“) und dem Verweis „Also blus das heut’ Alphorn heut’“ zum 49. Geburtstag geschickt. Erstmals scheint der Satz dabei festen Boden unter den Füßen zu bekommen, wechselt gleichzeitig von c-Moll nach C-Dur. Nach einem kurzen PosaunenChoral kehrt das Horn-Solo wieder und – als sei der Knoten geplatzt – ergießt sich die Einleitung in die hymnische anmutende Streicher-Melodie, die wie oben erwähnt dem Cha12 rakter des Freuden-Hymnus Dauer 40' aus Beethovens Neunter nahe kommt und den Beginn des 2 Flöten, 2 Oboen Hauptteils markiert. Die Gei2 Klarinetten, 2 Fagotte gen stellen dann auch das zweite Thema vor, eine über einen Kontrafagott, 4 Hörner großen Ambitus auf- und ab2 Trompeten, 3 Posaunen führende Melodie. In der Durchführung kehren schließPauken, Streicher lich auch Elemente aus der EinUA: 4. November 1876 leitung (z.B. die Pizzicati) wie- 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 11 der, sie führt zu einem kämpferischen Höhepunkt, der sich nach kurzem Innehalten in die Alphorn-Melodie entlädt, schließlich zur Ruhe kommt und dann mit dem zweiten Thema zur Reprise führt. Ein letzter Höhepunkt dann in der stretta-artigen Coda: Der kurze Posaunenchoral aus der Einleitung strahlt nun im Blech übers Orchester und führt zum triumphalen Ende. Wie sehr Brahms’ erste Sinfonie in ihrer formalen Dichte und Geschlossenheit den Weg in die Zukunft weisen würde, konnte man damals nicht wissen, doch hat man wohl die neuen Anforderungen, die Formale Dichte und ein solch konzentriert gearbeitetes Werk an den Hörer auch stelGeschlossenheit weisen len kann, geahnt. Da darf man den Weg in die Zukunft dem Chirurgen und BrahmsFreund Theodor Billroth die unverhohlene Überheblichkeit verzeihen, die in seiner enthusiastischen Einschätzung des Werks mitschwingt (an Brahms am 10. Dezember 1876): „Verzeih, dass ich Dir erst heute Deine Partitur zurückschicke! Doch ich konnte mich schwer davon trennen! ( . . . ) Den letzten Satz habe ich am vollkommensten bewältigt; er erscheint mit von herrlichster, großartigster Vollendung ( . . . ) Daß der ganzen Symphonie ein ähnlicher Stimmungsgang zugrunde liegt wie der Neunten von Beethoven, ist mir beim Studium immer mehr aufgefallen, doch tritt gerade Deine künstlerische Individualität in diesem Werke besonders rein hervor. ( . . . ) Ich wollte, ich könnte die Symphonie ganz allein hören im Dunkeln, und fange an, König Ludwigs Sonderbarkeiten zu verstehen. Alle die dummen, alltäglichen Menschen, von denen man im Konzertsaal umge13 ben ist und von denen im günstigsten Falle fünfzig Sinn und künstlerische Empfindung genug haben, um ein solches Werk in seinem Kern beim ersten Hören zu erfassen – von Verstehen gar nicht zu reden – ( . . . ) Ich kann nur sagen: Der Herr erleuchte die Herde, welche am nächsten Sonntag sich in den Musikvereinssaal Der Herr versammelt.“ erleuchte die Herde 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 12 Wir schreiben das Jahr 1876 Uraufführung der 1. Sinfonie von Johannes Brahms Was sonst noch geschah Musik Bedřich Smetanas Oper Der Kuss Erste Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth mit UA des kompletten Ring des Nibelungen Politik * Konrad Adenauer Queen Victoria wird Kaiserin von Indien Sioux- und Cheyennekrieger schlagen US-Regiment am Little Bighorn River Literatur Mark Twain Die Abenteuer des Tom Sawyer † George Sand Kunst Pierre-Auguste Renoirs Bal au Moulin de la Galette Eröffnung der Nationalgalerie in Berlin 14 Wissenschaft Robert Koch erkennt Milzbrandund Technik als Krankheitserreger Nikolaus Otto betreibt erstmals Viertaktmotor Und sonst Die Mark wird in allen deutschen Bundesstaaten als Einheitswährung Franziska Tiburtius erste Ärztin in Berlin 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 13 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 14 künstlerPortraitg GIDON KREMER Gidon Kremer, einer der berühmtesten Geiger unserer Zeit, wurde 1947 im lettischen Riga geboren, erhielt vierjährig den ersten Geigenunterricht und bereits mit sechzehn Jahren den Ersten Preis der lettischen Republik. 1965 nahm Kremer ein Studium bei David Oistrach am Moskauer Konservatorium auf und gewann bereits 1967 bis 1970 Preise beim Concours Reine Elisabeth in Brüssel, beim Paganini-Wettbewerb in Genua und beim Moskauer Tschaikowski-Wettbewerb. Der Ruhm des 1978 aus der UdSSR emigrierten Geigers wuchs rasch; Er war auf allen beEiner der berühmtesten deutenden Konzertpodien der Welt zu Gast und konzertierte mit den wichtigsten Orchestern und Dirigenten wie Leonard Bernstein, Herbert von Karajan, Christoph Eschenbach, Nikolaus Harnoncourt, Lorin Maazel, Riccardo Muti, Zubin Mehta, James Levine, Valery Gergiev, Claudio Abbado oder Sir Neville Marriner. Für seine über 100 CD-Einspielungen errang er renommierte internationale Preise. Zu seinen Kammermusikpartnern gehören u. a. Martha Argerich, Mischa Maisky, Oleg Maisenberg, Eduard Brunner, Kim Kashkashian, Isabelle van 16 Keulen, Waleri Afanassjew und Tabea Zimmermann. Kremers Repertoire überschreitet die Grenzen der Standard-Konzertprogramme bei Weitem. Er widmete sich einem breiten Spektrum zeitgenössischer Werke und verhalf wie kaum ein anderer Musiker vielen Komponisten unserer Zeit – besonders jenen des osteuropäischen Raums, aber auch etwa Astor Piazzolla – zu größerer Bekanntheit. 1981 gründete Kremer das Kammermusikfest Lockenhaus, dessen Leitung er 2011 zurücklegte. 1997 rief er das Streichorchester Kremerata Baltica mit jungen Musikern aus dem Baltikum ins Leben, mit dem er international kon- 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 15 zertierte. Er war Künstlerischer Leiter des Festivals in Gstaad (1996 – 1998) und des Basler Festivals les muséiques (2002 – 2006) und gehört dem künstlerischen Beirat der Kronberg Academy an. Seit 2004 veranstaltet er mit der Kremerata Baltica einjährliches Festival in der lettischen Stadt Sigulda. Gidon Kremer, der mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt wurde, veröffentlichte vier teils autobiographische Bücher. Er spielt eine Nicola Amati von 1641. OLA RUDNER Der schwedische Dirigent Ola Rudner begann seine musikalische Laufbahn als hochkarätiger Geiger und war Preisträger des Paganini Wettbewerbes in Genua, Assistent des legendären Sándor Végh und Konzertmeister mehrerer Klangkörper wie der Camerata Salzburg, der Volksoper Wien und der Wiener Symphoniker. 1995 gründete er die Philharmonia Wien, von 2001 bis 2003 war er Chefdirigent des Tasmanian Symphony Orchestra und von 2003 bis 2006 des Haydn-Orchesters in Bozen. Seit 2008 ist er Chefdirigent der Württembergischen Philharmonie Reutlingen. Seit 1997 dirigierte Ola Rudner alle bedeutenden Sinfonie-Orchester Australiens: das Sydney Symphony Orchestra, die Orchester von Melbourne, Queensland, Tasmania, Adelaide sowie Perth. Auch in Skandinavien leitete Ola Rudner nahezu alle großen Sinfonieorchester, darunter das Gothenburg Symphony Orchestra, das Schwedische RadioSinfonieorchester, Oslo Philharmonic Orchestra sowie die Orchester von Trondheim, Bergen, Aalborg, Malmö und Helsingborg. Mit der Philharmonia Wien gastiert Ola Rudner jährlich im Wiener Musikverein. Tourneen führten ihn mit dem Orchester nach Japan, Polen, in die Türkei und ins damalige Jugoslawien. Darüber hinaus ist Ola Rudner ein begeisterter Opern- 17 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 16 künstlerPortraitg dirigent. Er ist gerne und wiederholt eingeladener Gast an den Opernhäusern Australiens, Schwedens und Italiens. Sein Opernrepertoire beinhaltet Werke wie Mozarts Die Hochzeit des Figaro, Così fan tutte, Die Zauberflöte, Idomeneo und Titus, Beethovens Fidelio, Verdis La traviata und Il trovatore sowie sämtliche Operetten von Offenbach, Strauß, Lehár und Kalman. Höhepunkte der vergangenen Saisons waren u. a. Konzerte mit dem BBC Symphony Orchestra in London, dem hr-Sinfonieorchester Frankfurt, dem Oslo Philharmonic Orchestra, dem Orchester der RAI Torino, den Slowenischen und den Luxembourger Philharmonikern, dem Radio-Sinfonieorchester des SWR Stuttgart, dem Hong Kong Philharmonic Orchestra, Mozarteum-Orchester, Orchestra del Teatro La Fenice, Orchestra Fondazione Arena di Verona, dem Orchester der Oper San Carlo in Lissabon, den Warschauer Begeisterter Operndirigent Philharmonikern, dem Orchestra Sinfonica di Roma, den Bremer Philharmonikern, dem London Philharmonic und dem Melbourne Symphony Orchestra, dem Orchestra del Teatro Massimo Bellini di Catania und den Wiener Symphonikern. 2009/10 konzertierte er neben der Arbeit mit der Württembergische Philharmonie auch mit dem National Polish Radio Symphony Orchestra, dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, dem Orchestra Verdi Milano und 18 dem Orchestra Sinfonica di Roma und kehrte u. a. zum Hong Kong Philharmonic Orchestra, zu l’Orchestra Fondazione Arena di Verona und zu den Wiener Symphonikern zurück. 2013 dirigiert er u.a. die Krakauer Philharmoniker, beim Maggio Musicale di Firenze, die Volksoper Wien, das Orchestra Filarmonica dell Teatro Comunale di Bologna, Odense Symphonie Orchester und l’Orchestra Fondazione Arena di Verona, 2014 ist er zu einer zweiten Japantournee eingeladen. Ola Rudner hat bei den Plattenlabels Harmonia Mundi, 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 17 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 18 philharmonieintern Amadeus, BIS, Camerata Tokyo und dem australischen ABC Classics mehrere Tonträger aufgenommen, u. a. nahm er mit dem Tasmanischen Symphonie Orchester RossiniOuvertüren auf, zudem eine Serie von Porträts über zeitgenössische australische Komponisten wie Carl Vine, Elena Katz-Chernin und Brenton Broadstock sowie Arien von Haydn und Mozart mit den Sängern Sara Macliver und Teddy Tahu Rhodes. Mit der Württembergischen Philharmonie spielte er unter anderem Orchesterwerke von Eduard Franck (Audite), Romantische Ouvertüren, Mendelssohns Sinfonien Nr. 3 – 5 und Sommernachtstraum für ARS Produktion ein. Als Anerkennung seiner musikalischen Arbeit in Australien bekam Ola Rudner den Centenary Medal-Preis, und die Republik Österreich verlieh ihm das Silberne Verdienstzeichen. CD des Monats CD des Monats September ist die CD mit den Violinkonzerten von Johannes Brahms und Samuel Barber, gespielt von Ursula Schoch unter Leitung von Pavel Baleff. Sie erhalten die CD für 5 Eur an unserem CD-Stand im Foyer der Listhalle, im Studio der WPR oder im OnlineShop unter www.wuerttembergische-philharmonie.de 20 Jochen Gewecke Promotional Art Fotokunst: Besuchen Sie mein virtuelles Atelier auf www.facebook.com/gewecke.fotokunst und stöbern Sie bei Tag. Oder auch bei Nacht. 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 19 Vorschau Samstag, 21. September 2013, 18 Uhr Reutlingen, Stadthalle Eröffnungskonzert 62. Deutsches Mozartfest „MOZART – WUNDER – KIND“ Werke von und über Mozart Kammer- und Orchestermusik u.a.: Sinfonia concertante Es-Dur KV 364 Sinfonie C-Dur KV 551 (Jupiter) Veronika Eberle, Violine Nils Mönkemeyer, Viola William Youn, Klavier Ola Rudner, Leitung Samstag, 28. September 2013, 17 Uhr Reutlingen, Stadthalle Mich wundert überhaupt nichts mehr ... Ein grosses Musiktheaterprojekt mit 250 SchülerInnen aus Reutlingen und Tübingen 3. Klasse Waldschule Ohmenhausen, 7. Klasse IsoldeKurz-Gymnasium Reutlingen, Komposition Theater-AG der französischen Schule Tübingen Helmut Schmidinger, Leiter der Kompositionswerkstatt, Orchestrierung Patricia Liedtke-Wittenborn, Text, Regie, Ausstattung Johannes Klumpp, Leitung 21 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 20 vorschau Sonntag, 6. Oktober 2013, 18 Uhr Reutlingen, Stadthalle Abschlusskonzert 62. Deutsches Mozartfest „MOZART – WUNDER – KIND“ Mozart, Zaïde KV 344 Konzertante Aufführung mit einem Text von Italo Calvino Julia Stemberger, Sprecherin Mojca Erdmann, Sopran Julian Prégardien, Tenor Paul Armin Edelmann, Bariton Peter Mazalan, Bariton Leif Aruhn-Solén, Tenor Ola Rudner, Leitung Montag, 14. Oktober 2013, 20 Uhr Reutlingen, Stadthalle 2. Sinfoniekonzert Mozart, Klavierkonzert B-Dur KV 595 Bruckner, Sinfonie Nr. 7 E-Dur Francesco Piemontesi, Klavier Salvador Mas Conde, Leitung 22 Wir danken MCM Klosterfrau für die kostenlose Bereitstellung von Ricola-Kräuterbonbons für unser Konzertpublikum! Schüler und Studenten erhalten 10 Minuten vor Konzertbeginn Karten zu 6 Eur auf Plätzen der Preisgruppen 4 und 5. Vor jedem Sinfoniekonzert findet um 19 Uhr im Kleinen Saal eine Werkeinführung statt. Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte sind strikt untersagt. Zuwiderhandlungen sind nach dem Urheberrechtsgesetz strafbar. Programmänderungen vorbehalten. Bitte beachten Sie unseren CD-Verkauf im Foyer. 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 21 Impressum Studio und Orchestermanagement Marie-Curie-Straße 8 D-72760 Reutlingen Telefon 0 71 21/ 8 20 12-0, Telefax 0 71 21/ 8 20 12-28 eMail [email protected] Internet www.wuerttembergische-philharmonie.de Herausgeber Württembergische Philharmonie Reutlingen Intendant Cornelius Grube Redaktion Stefanie Eberhardt Einführungstexte Stefanie Eberhardt M.A. Fotos Archiv der Württembergischen Philharmonie Gestaltung, Layout und Satz Jochen Gewecke, 72116 Mössingen Druck Druckerei Koch, 72764 Reutlingen 23 City Hotel Fortuna Reutlingen/Zentrum, Tel. 0 71 21/924-0 Hotel Fortuna Reutlingen/Tübingen, Tel. 0 71 21/584-0 Albhotel Hotel Fortuna Metzingen/Riederich, Tel. 0 71 23/3 80 30 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 22 HERZLICH WILLKOMMEN IN DER SPIELZEIT DREIZEHN/VIERZEHN. 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 23 WIR BEGRÜSSEN SIE HERZLICH ZUR NEUEN SPIELZEIT UND WÜNSCHEN IHNEN ANREGENDE MUSIKALISCHE ERLEBNISSE! 130916:090921 04.07.13 00:38 Seite 24 Kultur braucht Partner: Dankeschön! unseren Trägern: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden Württemberg unseren Sponsoren: