DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Aktuelle Medizin Zur Fortbildung Somatostatin: Neurotransmitter, Gewebsfaktor und Hormon Ein Peptid im Zentralnervensystem und Gastrointestinaltrakt Volker Schusdziarra Aus der Abteilung Innere Medizin I (Direktor: Professor Dr. med. Dr. h. c. mult. Ernst F. Pfeiffer Zentrum für Innere Medizin der Universität Ulm Entdeckung des Somatostatins Im Jahre 1968 berichtete die Arbeitsgruppe um Krulich et al. über einen Faktor aus dem Hypothalamus, der die Freisetzung von Wachstumshormon hemmt. Diese Beobachtung wurde zufällig gemacht anläßlich der Suche nach dem hypothalamischen Faktor, der die Freisetzung des Wachstumshormons stimulieren soll. Ein Jahr später berichteten Hellman und Lernmark über eine Substanz aus den Langerhans'schen Inseln des Pankreas, welche die Insulinsekretion hemmt. Diese Befunde, erhoben an zwei voneinander weit entfernt liegenden Organen, fanden ihre gemeinsame Erklärung durch die Entdeckung des Somatostatins im Jahre 1972 durch R. Guillemin am Salk-Institute. Somatostatin wurde aus den Hypothalami von Schafen extrahiert und seine Aminosäuresequenz aufgeklärt. Darstellung 1 zeigt die Struktur von Somatostatin. Es handelt sich um ein Peptid, das aus 14 Aminosäuren besteht, und das über eine Disulfidbrücke zwischen den Ami- Somatostatin ist ein Peptid, das im zentralen Nervensystem und auch im MagenDarm-Trakt vorkommt. Es ist ein wesentlicher regulierender Faktor für Funktionen der Hypophyse, des Magens und der Bauchspeicheldrüse. Da es eine starke hemmende Wirkung auf exokrine und endokrine Funktionen ausübt, ergeben sich zahlreiche Ansätze, Somatostatin therapeutisch anzuwenden. nosäuren 3 und 14 zu einer Schleife geformt ist. Nachfolgende Untersuchungen haben ergeben, daß außer diesem Peptid mit 14 Aminosäuren noch ein weiteres Somatostatinmolekül mit 28 Aminosäuren existiert. Lokalisation von Somatostatin Somatostatin ist in Nervenzellen des Zentralnervensystems nachweisbar, hier insbesondere im Hypothalamus und in der Eminentia mediana, in der die Portalgefäße, die die Verbindung zwischen Hypothalamus und Hypophysenvorderlappen herstellen, entspringen. Weiterhin findet man somatostatinhaltige Fasern, die in das limbische System ziehen, und andere wiederum verlaufen zum Hirnstamm und zum Rückenmark. Außerdem hat man Somatostatin neben zahlreichen anderen Peptiden in der Retina nachgewiesen. Neben der Lokalisation im Zentralnervensystem findet man somatostatinhaltige Neurone auch im peripheren Nervensystem. So gelang es, dieses Peptid im Nervus trigeminus sowie im Nervus vagus und in den Nervi splanchnici nachzuweisen. Außerdem wurde Somatostatin in den Nervenzellen des Plexus myentericus und Plexus submucosus als Bestandteil der autonomen lnnervation des Gastrointestinaltraktes nachgewiesen. Diese morphologi3chen Befunde deuten darauf hin, daß somatostatinhaltige Nervenfasern möglicherweise an der Übertragung von Sinnesreizen sowie an der Regulation vegetativer Funktionen beteiligt sind. Im Gastrointestinaltrakt und im Pankreas ist Somatostatin in endokrinen Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 51/52 vom 21. Dezember 1984 (33) 3809 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Somatostatin Zellen, den sogenannten D-Zellen, lokalisiert. Diese D-Zellen findet man in den Langerhans'schen Inseln, im Fundus und Antrum des Magens sowie in verteilter Form verstreut über den gesamten Dünn- und Dickdarm. und Hypophysenvorderlappen darstellt, kann so im Zusammenspiel mit dem Releasing-Hormon für das Wachstumshormon eine enge Kontrolle durchgeführt werden. Es existiert hier ein direkter Feedback-Mechanismus, indem Wachstumshormon die hypothalamische Somatostatinfreisetzung lektive Wirkung auf bestimmte Teilfunktionen des Hypophysenvorderlappens ausübt. Gastrointestinaltrakt Der Einfluß einer Somatostatininfusion auf die verschiedenen Funktionen des Magen-Darm- Wirkungsweise von Somatostatin Die Lokalisation von Somatostatin in Neuronen des zentralen und peripheren Nervensystems sowie in endokrinen D-Zellen im Gastrointestinaltrakt und Pankreas bedingt die komplexe Wirkungsweise dieses Peptids. Die Freisetzung aus Nervenendigungen führt zu einer Funktion als Neurotransmitter oder Neuromodulator und macht Somatostatin zum Bestandteil des sogenannten peptidergen Nervensystems. Aus den D-Zellen wird Somatostatin in den interstitiellen Raum oder in das Gefäßsystem abgegeben. Die Freisetzung in den interstitiellen Raum führt zu einer Diffusion des Peptids zu benachbarten Zellen, die in unmittelbarer Umgebung liegen, und so zu einer lokalen oder parakrinen Wirkung von Somatostatin. Die Freisetzung in das Gefäßsystem ist die Voraussetzung für die Funktion als endokrine Substanz und damit klassisches Hormon. Außerdem ist Somatostatin im Lumen des MagenDarm-Traktes sowie im exokrinen Sekret des Pankreas nachgewiesen worden, so daß eine mögliche Wirkung von Somatostatin auf andere Zellen des Gastrointestinaltraktes über diesen Weg ebenfalls denkbar ist*). Funktion von Somatostatin Hypophyse Entsprechend den ursprünglichen Befunden hemmt Somatostatin die Freisetzung von Wachstumshormon. Über die Ausschüttung von Somatostatin aus Neuronen des Hypothalamus in das portalvenöse System, das die Verbindung zwischen Hypothalamus 3810 Darstellung 1: Struktur von Somatostatin steigert. Weiterhin wird die hypothalamische Somatostatinsekretion durch zahlreiche Neurotransmitter beeinflußt, die somit indirekt ihren Einfluß auf die Sekretion von Wachstumshormon ausüben können. Somatostatin hemmt außerdem die Freisetzung von Thyreotropin (TSH). Im Tierexperiment kann gezeigt werden, daß die Neutralisation von Somatostatin durch entsprechende Antikörper zu einem Anstieg nicht nur von Wachstumshormon, sondern auch von TSH führt. Damit wird deutlich, daß zwei Peptide der Hypophyse durch die Sekretion von Somatostatin reguliert werden. Andererseits hat Somatostatin unter physiologischen Bedingungen keinen Einfluß auf die Freisetzung von adrenokortikotropem, luteinisierendem und follikelstimulierendem Hormon (ACTH, LH und FSH). Diese Befunde zeigen, daß Somatostatin nicht ein genereller Hemmfaktor ist, sondern eine se- (34) Heft 51/52 vom 21. Dezember 1984 81. Jahrgang Ausgabe A Traktes sowie des Pankreas ist in Tabelle 1 dargestellt. Auf Grund dieser Untersuchungen hemmt Somatostatin die Motilität des Darmes sowie praktisch alle endound exokrinen Funktionen von Magen und Pankreas. Da die DZellen in unmittelbarer Nachbarschaft von säureproduzierenden Parietalzellen oder Gastrin sezernierenden G-Zellen oder im Pankreas Insulin sezernierenden BZellen lokalisiert sind, liegt die Vermutung nahe, daß die durch die Infusion hervorgerufenen Wirkungen des Somatostatins einen lokalen oder parakrinen Effekt widerspiegeln. Diese Möglichkeit der parakrinen Wirkungsweise ist naheliegend, jedoch momentan nicht experimentell beweisbar auf Grund der methodischen Probleme, die Hormonkonzentrationen und die Sekretionsvorgänge im interstitiellen Raum zu messen. I> *) Siehe auch Gross, R., Durch Darm und Pankreas verursachte Paraneoplastische Syndrome, Deutsch. Ärztebl. 79, Heft 28 (1982) 40 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Somatostat in Andererseits wissen wir, daß Somatostatin in die Zirkulation freigesetzt wird , und es gibt zahlre iche Hinweise dafür, daß Somatostatin neben einer möglichen lokalen oder parakrinen Wirkung auch als klassisches Hormon über den Blutkreislauf seine Einflüsse vermitteln kann. Die Somatostatinkonzentrationen im periphervenösen Plasma steigen nach Einnahme einer Mahlzeit an . Dies kann tierexperimentell und auch am Menschen nachgewiesen werden. Die Somatostatinsekretion aus Magen-Darm-Trakt und Pankreas wird durch zahlreiche Faktoren wie Nahrungsbestandteile, Magensäure, Neurotransmitter, lokale Gewebsfaktoren wie Histamin und Prostaglandine und andere intestinale Hormone reguliert. Diese Daten zeigen , daß die Freisetzung von Somatostatin aus den O-Zellen einer Vielzahl von Regulationsmechanismen unterliegt, welche eine Feinabstimmung der Somatostatinsekretion ermöglichen . Weiterhin konnte gezeigt werden, daß Somatostatininfusionen in physiologischer Dosierung, das heißt in Mengen , die in etwa den Anstieg nach Einnahme einer Mahlzeit imitieren , einen biologischen Effekt auf verschiedene Funktionen innerhalb des Gastraintestinaltraktes und des Pankreas ausüben . Diese Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefaßt. ln tierexperimentellen Untersuchungen führt die Neutral isation von Somatostatin in der Blutbahn durch Antikörper zu einer gesteigerten Sekretion gastrointestinaler und pankreatischer Hormone sowie zu einer raschen Aufnahme von Nahrungsbestandteilen wie Fett und Kohlenhydraten aus dem Darmtrakt in die Blutbahn. Dementsprechend liegt die Vermutung nahe, daß dem Somatostatin, das aus den O-Zellen des Magen-Darm-Traktes und des Pankreas in die Blutbahn freigesetzt wird, eine Art Stoßdämpferfunktion zukommt, über die eine überschießende Reaktion anderer exo- und endokriner Funktionen vermieden wird . Hemmung gasireintestinaler Funktionen durch Somatostatin: ..".. ..".. ..".. ..".. ..".. ..".. ..".. Magensäuresekretion Magenentleerung Pepsinsekretion Darmmotilität Pankreassekretion Gallenblasenkontraktion Absorption von Fett, Eiweiß und Glukose ..".. Splanchnikusdurchblutung ..".. Gastrin ..".. Sekretin ..".. Motilin ..".. Gastric lnhibitory Peptide (GIP} ..".. Vasoactive Intestinal Peptide (VIP) ..".. Neurotensin ..".. Bombesin ..".. Gut-Giukagon ..".. Cholezystokinin (CCK) .."..Insulin ..".. Glukagon ..".. pankreatisches Polypeptid Tabelle 1 Die intravenöse Somatostatininfusion in physiologischer Dosierung hemmt die folgenden Funktionen: ..".. ..".. ..".. ..".. ..".. ..".. ..".. ..".. Magensäure Magenmotilität exokrine Pankreassekretion Gallenblasenkontraktion Triglyzerid-, Glukose- und Xyloseabsorption Insulinsekretion Glukagonsekretion Tabe lle 2 ..".. Die physiologische Rolle des Somatestatins liegt also nicht in einer totalen Hemmung anderer Funktionen , sondern vielmehr darin, eine Feinabstimmung zu bewirken und so das Maximum exo- und endokriner Sekretionsvorgänge einzuschränken und den Übertritt von Nahrungssubstanzen in die Blutbahn zu verzögern. Eine derartige Wirkung trägt dazu bei , daß übermäßige Schwankungen der Konzentration einzelner Hormone und auch der Nahrungsbestandteile im Blut vermieden werden . Somatostatin als pathogenetischer Faktor Somatostatin hemmt die Säuresekretion und stimuliert die Schle improduktion des Magens. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß während einer intravenösen Infusion von Samatastatin StreBulzera in verschiedenen Tiermodellen vermindert werden . Dieses Ergebnis deutet auf die Mögl ichkeit hin , daß ein Somatostatinmangel als pathogenetischer Faktor bei der Entstehung des Ulcus pepticum in Betracht zu ziehen ist. Die Zahl der somatostatinproduzierenden O-Zellen ist beim Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verändert , und auch die Freisatzung von Somatostatin aus Magenschleimhautbiopsien ist bei Patienten mit Ulcus duodeni nicht vermindert. Lediglich bei Patienten mit Ulcus ventriculi konnte eine verringerte Somatostatinfreisetzung gefunden werden . Dies dürfte jedoch die Folge der Subund Hypoazidität bei diesen Patienten sein , da die Magensäure bekanntermaßen einer der stärksten Stimuli für die Somatostatinsekret ion ist. Einen weiteren Hinweis auf eine mögliche pathogenetische Bedeutung des Somatestatins findet man im Rahmen des Hyperinsul inismus und der Adipositas . ln verschiedenen Tiermodellen , die mit einer Adipositas und einem Hyperinsulinismus einhergehen, ist der Somatostatingehalt des Pankreas deutlich vermindert. Ebenso konnte eine verm inderte Freisatzung von Somatostatin nach Nahrungsaufnahme bei adipösen Patienten im Vergleich zu normalgewicht igen Probanden gefunden werden . Da aber andererseits das Insulin ein starker hemmender Ausgabe A 81 . Jahrgang Heft 51 /52 vom 21 . Dezember 1984 (37) 3811 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Somatostatin Faktor der Somatostatinfreisetzung ist, bleibt die Frage nach Ursache und Wirkung zunächst offen, da sowohl der Hyperinsulinismus eine Verringerung des Somatostatingehaltes und der Freisatzung bewirken könnte , als auch umgekehrt eine niedrige Somatostatinsekretion den Hyperinsulinismus begünstigen könnte . Eine eindeutige Zuordnung von Veränderungen des Somatostatinspiegels zu klinischen Befunden läßt sich nur bei dem Krankheitsbild des SomatostatinomSyndroms durchführen . Bei Patienten mit dieser Krankheit wird Somatostatin in hohen Mengen aus einem Tumor, der zumeist im Pankreas gelegen ist, in die Blutbahn freigesetzt. Die Symptome sind in Tabelle 3 aufgeführt . aus diesem Grunde bot sich an , Somatostatin in der Therapie der akuten Pankreatitis einzusetzen. Die Wirkung von Somatostatin bei der akuten Pankreatitis w ird derze it in einer Multicenter-Studie ausgetestet , und es wird sich zeigen müssen , ob die in Einzelfallberichten dargelegten günstigen Befunde sich hier bestätigen lassen und damit den weiteren Einsatz von Somatostatin bei der akuten Pankreatitis rechtfertigen . Befunde bei Somatostatinom-Syndrom: ~ ~ Diabetes mellitus Steatorrhö ~Diarrhö ~ ~ Cholezystolithiasis Anazidität ~exokrine Somatostatin in der Therapie Somatostatin ist therapeutisch überwiegend bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes und der eingesetzt Bauchspeieheld rüse worden . Die Reduktion der Magensäuresekretion, die Förderung der Schleimsekretion und die Reduktion des mesenterialen Blutflusses waren die Gründe, Somatostatin in der Therapie der Ulkusblutung einzusetzen. Neben Einzelfallberichten und unkontrollierten Studien wurde auch in einer kontrollierten randomisierten Untersuchung ein signifikanter Therapieerfolg des Somatostatins bei Ulkusblutung nachgewiesen. Verglichen wurde Somatostatin in dieser Studie mit Cimetidin (Tagamet®), das in wesentlich weniger Fällen die Blutung zum Stehen brachte. Somatostatin in der Prophylaxe des StreBulkus einzusetzen ist zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich nicht gerechtfertigt, da bei den erforderlichen pharmakalogischen Dosierungen die Nebenwirkungen zu groß sind. Am Pankreas hemmt Somatostatin die exokrine Sekretion , und 3812 ~ Pankreasinsuffizienz Malabsorption Tabelle 3 Eine Anwendung des Somatestatins scheint bei verschiedenen Formen von Fisteln gerechtfertigt zu sein . So konnten Dünndarmfisteln nach mehrmaligen Laparotomien (enterokutane Fisteln) sowie Pankreasfisteln innerhalb von Tagen zum Verschluß und zur Abheilung gebracht werden. Inwieweit die Reduktion der Splanchnikusdurchblutung durch Somatostatin bei der Behandlung der akuten Ösophagusvarizenblutung eingesetzt werden kann, scheint auf Grund der vorliegenden Studien fraglich . Untersuchungen an Leberzirrhotikern zeigen, daß Somatostatin nicht in der Lage ist, den portalen Druck und die Leberdurchblutung zu vermindern . Ein therapeutischer Einsatz ist b_ei Vorliegen gastrointestinaler Tumoren , die endokrin wirksame Substanzen sezernieren, sinnvoll . Diese Tumoren, die gut auf die Gabe von Somatostati n ansprechen , sind in Tabelle 4 zusammengefaßt. Die potente antise- Antisekretorische Therapie bei endokrinen Tumoren des Gastrointestinaltraktes Tumor Hemmung der Sekretion von lnsulinom Glukagonom Karzinoid Insulin Glukagon Seroton in? Kallikrein? Vasoactive Intestinal Polypeptide (VIP) Verner-Morrison-Syndrom (VIPom oder WDHA-Syndrom) Tabelle 4 Tierexperimentelle U ntersuchu ngen haben jedoch bereits gezeigt, daß der Zeitpunkt im Verlauf einer Pankreatitis , zu dem Somatostatin als therapeutisches Mittel hinzugegeben wird , von größter Bedeutung für die Wirkung ist , das heißt, er sollte möglichst früh liegen. Dieses Ergebn is könnte den wirkungsvollen Einsatz bei der Behandlung der menschlichen Pankreatitis begrenzen, da in aller Regel Somatostatin erst gegeben w ird, wenn der entzündliche Prozeß bereits längere Zeit bestanden hat. (38) Heft 51 /52 vom 21. Dezember 1984 81 . Jahrgang Ausgabe A kretorische Wirkung des Somatostatins beseitigt hier für den Patienten lästige und zum Teil auch gefährliche Symptome wie HypoFlushDiarrhoen , glykämien, Symptomatik. Es muß jedoch bedacht werden , daß Somatostatin lediglich die Symptome, nicht aber den Tumor in seinem Wachstum beeinflußt. Aus diesem Grund handelt es sich hier um eine palliative, nicht aber um eine kurative Therapie. Das bedeutet, daß Somatostatin in diesen Fällen nur dann zur Anwen- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Somatostatin dung gelangen sollte, wenn eine Operation nicht möglich ist beziehungsweise der Tumor und seine Metastasen nicht vollständig beseitigt werden können. Außerdem können präoperative Phasen überbrückt werden, in denen der Allgemeinzustand des Patienten für die Operation deutlich verbessert werden kann. Ein Nachteil bei der therapeutischen Anwendung des Somatostatins ist seine kurze Halbwertszeit. Dies erfordert eine kontinuierliche intravenöse Applikation des Peptids, um einen ausreichenden therapeutischen Effekt zu erzielen. Somatostatin-Analoga sind inzwischen bei Patienten mit Insulinom oder Vipom und Karzinoid-Syndrom erfolgreich eingesetzt worden, und es gibt inzwischen Somatostatin-Analoga, die zweimal täglich subkutan appliziert werden können und eine ausreichende Wirkung auf verschiedene endokrine Funktionen ausüben. Ein abschließendes Urteil hierüber kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgegeben werden, da zwar schon einiges über die Wirkungen, aber bisher nur wenig über die Nebenwirkungen dieser Substanzen bekannt ist. Zusammenfassend kann folgendes gesagt werden: 1. Somatostatin gehört zu den Peptiden, die dem Zentralnervensystem, dem peripheren Nervensystem und dem endokrinen System des Gastrointestinaltraktes gemeinsam sind. 6. Der therapeutische Einsatz von Somatostatin ist bei bestimmten Indikationen und unter Berückausgeprägten der sichtigung Hemmwirkung an zahlreichen Organen durchaus sinnvoll. Lite ratu r 2. Somatostatin kann auf Grund dieser Lokalisation eine Funktion als Neurotransmitter, lokaler Gewebsfaktor oder Hormon ausüben. 3. Dem hypothalamisch freigesetzten Somatostatin kommt eine physiologische Bedeutung in der Regulation einzelner hypophysärer Funktionen (Wachstumshormon und TSH) zu. 4. Aus dem Gastrointestinaltrakt freigesetztes Somatostatin übt eine Stoßdämpferfunktion bei der Regulation zahlreicher exo- und endokriner Funktionen des Magen-Darm-Traktes aus. 5. Eindeutig gesicherte Hinweise für eine pathogenetische Bedeutung des Somatostatins bei verschiedenen Erkrankungen im Gastrointestinaltrakt und im Stoffwechsel sind bisher nur bei Überproduktion in Form des Somatostatinom-Syndroms gesichert. (1) Arnold, R.; Lankisch, P. G.: Somatostatin and the gastrointestinal tract. Clin. in Gastroenterol. 9 (1980) 733-754 — (2 Malfertheiner, P.; Schusdziarra, V.; Junge, U.: Physiologische pharmakologische und therapeutische Wirkung von Somatostatin auf den Gastrointestinaltrakt. Internistische Welt (1982) 269-295 — (3) Pfeiffer, E. F.; Schusdziarra, V.: What can a clinician extract from the development of somatostatin for therapy? Proceedings 2nd Int. Symp. Somatostatin, 1984 (im Druck) — (4) Reichlin, S.: Somatostatin. New Engl. J. Med. 309 (1984) 1495-1501 und 1556-1563 — (5) Schusdziarra, V.: Somatostatin — a regulatory modulator connecting nutrient entry and metabolism. Horm. Metab. Res. 12 (1980) 563-577 — (6) Schusdziarra, V.: Somatostatin — physiological and pathophysiological aspects. Scand. J. Gastroenterol 18 (Suppl. 82) (1983) 69-84 — (7) Schusdziarra, V.; Grube, D., Seifert, H.; Galle, J.; Etzrodt, H.; Beischer, W.; Haferkamp, 0.; Pfeiffer, E. F.: SomatostatinomaSyndrome. Clinical, morphological, metabolic features and therapeutic aspects. Klin. Wschr. 61 (1983) 681-689. Anschrift des Verfassers: Dr. med. Volker Schusdziarra Klinikum der Universität Ulm Steinhövelstraße 9 7900 Ulm (Donau) FÜR SIE GELESEN Migräneprophylaxe durch Verapamil In einem plazebokontrollierten Doppelblindversuch wurde die Wirksamkeit von Verapamilhydrochlorid (bei uns z. B. lsoptin® ) zur Migräneprophylaxe untersucht. Zwölf Patienten im Alter von 22 bis 60 Jahren erhielten in zwei aufeinanderfolgenden Dreimonatsperioden randomisiert entweder viermal täglich 80 Milligramm Verapamil oder ein Plazebo. Frequenz, Schwere und Dauer der Migräneattacken wurden durch tägliche Protokolle und monatliche Fragebögen quantitativ bestimmt. Zehn der zwölf Patienten hatten unter der Verapamiltherapie seltener Migräne. Die Migränehäufigkeit ging unter Verapamil von 6,7 auf 3,8 Anfälle pro Patient pro Monat zurück (p< 0,05), bei einer mittleren Abnahme der Häufigkeit der Migräneanfälle von 49 Prozent. Auch die Schwere der Attacken nahm ab; der pro Patient errechnete Kopfschmerzindex fiel im Mittel von 0,61 auf 0,44. Nach dieser Untersuchung scheint Verapamil, wie die Autoren schließen, ein wirksames Mittel zur Migräneprophylaxe zu sein. Bis weitere größere Untersuchungen durchgeführt sind, sollte Verapamil zur Migräneprophyläxe begrenzt werden auf Patienten, die (3-Blocker entweder nicht vertragen oder nicht darauf reagieren, auf Patienten mit Migräne und supraventrikulären Tachyarrhythmien sowie auf Patienten mit Migräne und Angina pectoris. dpe Solomon, G. D. et al.: Verapamil Prophylaxis of Migraine, JAMA 250 (1983) 2500-2502, Dr. Glen D. Solomon, Department of Infernal Medicine, US Air Force Medical Center. Scott AFB, IL 62225. USA Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 51/52 vom 21. Dezember 1984 (41) 3813