Über das Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen

Werbung
742
Fritz Sauter, Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw. 743
Über das Verhalten eines Elektrons im
homogenen elektrischen Feld nach der relativistischen
Theorie Diracs.
Von Fritz Sauter in München.
Mit 6 Abbildungen.
(Eingegangen am 21. April 1931.)
Es werden die Lösungen der Diracgleichung mit dem Potential V = vx angegeben und ihr Verhalten diskutiert. Zu dem Funktionsverlauf, der auch bei
nichtrelativistischer Rechnung auftritt, kommt in der Diracschen Theorie
noch ein Gebiet hinzu, in dem Elektronenimpuls und -geschwindigkeit entgegengesetztes Vorzeichen besitzen. Im Anschluß daran wird für ein Elektron die
Wahrscheinlichkeit berechnet, aus dem Gebiet „positiven Impulses'' in das
mit „negativem Impuls" überzugehen. Es ergibt sich, daß die Durchgangswahrscheinlichkeit erst dann endliche Werte annimmt, wenn die Größe des
Potentialanstieges auf einer Strecke gleich der Comptonwellenlänge vergleichbar
wird mit der Ruheenergie des Elektrons. Die von O. Klein berechneten großen
Werte für die Durchgangswahrscheinlichkeit durch einen Potentialsprung von
der Größenordnung der doppelten Ruheenergie sind in dem Sinne als Grenzwerte
im Falle unendlich steilen Potentialanstieges zu verstehen.
Vor einiger Zeit erschien eine interessante Arbeit von 0. Klein* über
die Eeflexion von Elektronen an einem Potentialsprung. Die nach der
relativistischen Theorie Diracs durchgeführte Eechnung ergab das folgende
Resultat: Läßt man die Höhe P des Potentialsprungs vom Werte 0 an
wachsen, so nimmt auch der Reflexionskoeffizient B von Null an zu bis
zum Werte 1, den er bei P = E— Eo erreicht. (E ist die relativistische
Energie des Elektrons, Eo seine Euheenergie.) Bei weiterem Anstieg von P
bleibt B konstant gleich 1 bis zum Werte P = E + Eo. Läßt man die
Höhe des Potentialsprungs noch weiter zunehmen, so nimmt der Reflexionskoeffizient wieder ab und nähert sich im Grenzfalle P = oo dem Werte
=—
(p = Impuls des Elektrons vor dem Durchgang durch den Potentialsprung). Ein Elektron besitzt also nach der Diracschen Theorie eine endliche
Wahrscheinlichkeit dafür, durch einen sehr hohen, für klassische Begriffe
vollkommen spiegelnden Potentialsprung hindurch zu wandern.
Der
Zustand, in den das Elektron nach diesem Durchtritt gelangt, ist dadurch
gekennzeichnet, daß seine Geschwindigkeit (Gruppengeschwindigkeit) seinem
Impuls entgegengerichtet ist.
Das Auftreten eines „negativen Impulses" ist nicht weiter überraschend, nachdem man ja auch schon gelernt hat, mit dem Begriff der
* O. Klein, ZS. f. Phys. 53, 157, 1929.
„negativen Energien" zu rechnen*. Bemerkenswert ist jedoch der große
Wert, den Klein als Wahrscheinlichkeit für den Übergang vom positiven
zum negativen Impuls gefunden hat. X. Bohr sprach die Vermutung aus,
daß dieser hohe Wert nur durch die Annahme eines Potentia^mw/es,
also eines unendlich steilen Potentialanstieges bedingt ist und daß überhaupt
nur dann endliche Übergangswahrscheinlichkeiten zu erwarten sind, wenn
der Anstieg so steil ist, daß das Potential auf einer Strecke von der Größe
der Comptonwellenlänge hjm c um einen Betrag von der Größenordnung der
Ruheenergie des Elektrons anwächst**.
Diese Vermutung Bohrs nachzuprüfen und zu verifizieren ist das
Ziel der vorliegenden Ausführungen. Zu diesem Zwecke soll der rechteckige Potentialsprung AB'CD (s. Fig. 1). der den Rechnungen von
0. Kleinzugrundelag, durch einenPotentialverlauf ABCD ersetzt werden, bestehend aus zwei Gebieten (I und III)
konstanten Potentials, zwischen denen
sich ein Gebiet (II) linear ansteigenden
Potentials, also konstanten elektrischen
Feldes befindet. Gefragt ist auch in
diesem Falle nach der Übergangswahrscheinlichkeit für ein Elektron aus dem Gebiet I in das Gebiet III.
Zur Beantwortung dieser Frage ist es notwendig, die Diracgleichung
für den Fall eines homogenen elektrischen Feldes zu lösen. Mit der Auffindung dieser Lösungen und ihrer Diskussion befassen sich die ersten drei
Abschnitte der folgenden Ausführungen, während im vierten Abschnitt
das oben gestellte Problem behandelt wird, die Wahrscheinlichkeit für den
Übergang eines Elektrons vom positiven zum negativen Impuls zu berechnen.
1. Lösung der Dirac-Gleichung.
Das Potential V möge in der Form
V = vx
angesetzt werden; dann lautet die Diracsehe Gleichung:
(1)
* Vgl. die Dispersionstheorie, bei der, wie I. Waller (ZS. f. Phys. 61, 837,
1930) gezeigt hat, gerade den Zuständen negativer Energie als Zwischenzuständen
eine besondere Bedeutung zukommt.
** Herrn Prof. H e i s e n b e r g möchte ich für den freundlichen Hinweis
auf diese Hypothese von N. Bohr bestens danken.
744
Fritz Sauter,
mit den Abkürzungen
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
745
Ansatz in (10) ein, so erhält man wegen des Faktors 1 + * ViVi die Beziehung
Durch den Ansatz
geht (2) über in
Multipliziert man diese Gleichung von links mit 1 ± i yiy 4 , so erkennt man,
daß die Ausdrücke in den beiden eckigen Klammern einzeln verschwinden
müssen:
Diese Gleichung mögen noch umgeformt werden: Setzt man
und
wobei offenbar y5 antikommutativ mit y-^yt ist und den Betrag y% = 1
besitzt, so geht (5) nach linksseitiger Multiplikation mit y1 über in
Diese Gleichungen lassen sich leicht lösen. Versteht man unter F(a, y, x)
eine entartete hypergeometrische Funktion, definiert durch die in der
ganzen komplexen Ebene konvergierende Eeihe
Es ist angezeigt, rationelle Einheiten einzuführen; mit
so kann man die beiden Lösungen von (12) in der Form anschreiben:
ergibt sich aus (5 a)
Man könnte diese Gleichung dadurch integrieren, daß man nun für die yv
in üblicher Weise vierreihige Matrizen und für ^ einen Satz von vier Funktionen einführt und das so entstehende Simultansystem von vier Differentialgleichungen erster Ordnung löst. Einfacher läßt sich jedoch die Integration
von (10) durchführen, wenn man die yv nicht spezialisiert, sondern nur ihre
Vertauschungsrelationen benutzt und % als Linearaggregat der yv anschreibt *.
Es empfiehlt sich, % in der Form
anzusetzen, wobei / und g keine yv, enthalten und F einen beliebigen, aus
den yv zusammengesetzten Operator bedeuten möge. Führt man diesen
* F. Sauter, ZS. f. Phys. 63, 803, 1930; 64, 295, 1930.
Man verifiziert leicht auf Grund der Beziehung
daß
wobei der Stern den komplex-konjugierten Wert bedeutet.
Im folgenden wird neben der durch (14) gegebenen Reihenentwicklung
auch eine Integraldarstellung für / und g in erhöhtem Maße Verwendung
finden. Wir leiten dazu eine solche für die Funktion
746
vernalten eines iueKtrons im ftomogenen eieKtriscnen Jteia usw.
Fritz Sauter,
tt!
Führt man diesen Ausdruck in (14) ein, so erhält man die Integraldarstellungen für die Lösungen:
ab*. Wegen (13) gilt für <p die Entwicklung
Für jTT—37-T möge die bekannte Integraldarstellung der Gammafunktionen
eingeführt werden; der Integrationsweg ist hierbei eine Schleife um t = 0,
die in der Eichtung der positiven reellen Achse ins Unendliche geht. Die
Summation läßt sich dann durchführen und ergibt
Man verifiziert leicht, daß diese Ausdrücke die Gleichungen (12) befriedigen.
Das Absolutzeichen bei f ist notwendig, um die durch (14) gegebene
Symmetrie der Funktionen / und g zur Stelle | = 0 und den stetigen Anschluß an dieser Stelle zu gewährleisten*.
2. Reihenenentwicklungen für f und g bei großem k.
Für die physikalische Anwendung ist die Kenntnis des Verlaufes
von / und g in Abhängigkeit von der unabhängigen Veränderlichen notwendig. Die Eeihenentwicklungen, die man aus (14) unter Verwendung
von (13) erhält, konvergieren nur für sehr kleine Werte von | und k so gut,
daß man sich auf die ersten paar Glieder beschränken kann. Für größere
Werte von f und k ist diese Entwicklung zum praktischen Rechnen nicht
geeignet.
Es ist angezeigt, sich über die Größenordnung von k klar zu werden;
definitionsgemäß ist [vgl. (6) und (9)]
Eine symmetrische Form erhält man durch die Transformation
es ergibt sich
Sind die Impulskomponenten in der y- und z-Richtung vernachlässigbar klein
gegenüber E0/c, so hängt k nur von der Größe des Potentialanstieges ab.
Setzt man die Zahlenwerte ein und drückt v/e in Volt/cm aus, so gilt
Der Integrationsweg ist aus Fig. 2 zu ersehen. Die Argumente von s ± —
laufen von 0 bis 2 n.
SB
* Die von W. Gordon [Ann.d. Phys. (5) 2, 1031, 1929] gegebene Integraldarstellung ist für die folgenden Rechnungen nicht bequem.
* Man beachte, daß der Punkt
darstellung (16a) bedeutet.
= 0 eine Singularität für die Integral-
748
Fritz Sauter,
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
Man erkennt, daß auch für die höchsten elektrostatisch herstellbaren Felder
von einigen Millionen Volt/cm k noch immer um einige Zehnerpotenzen
größer als 1 ist. Erst für extrem hohe, praktisch nie realisierbare Felder
von 1016 Volt/cm wird k vergleichbar mit 1. Wir werden uns also im
folgenden nur mit dem Falle k >> 1 eingehender zu befassen haben.
Zur Erzielung rascher Konvergenz erscheint es daher aussichtsreich,
/ und g in Eeihen nach fallenden Potenzen von k zu entwickeln, was auf
Grund der Debyeschen Sattelpunktsmethode geschehen kann. Die zu
entwickelnden Funktionen (17) besitzen den Bau
Den Punkten £ = ± k kommt demnach mathematisch eine Sonder
Stellung zu. Man überlegt sich leicht, daß sie auch physikalisch ausgezeichnet
sind. Wegen (6), (8) und (9) sind es die Punkte, für die
wobei die Funktion G(s) als langsam veränderlich gegenüber den ersten
beiden Faktoren des Integranden angesehen werden kann. Mit der Abkürzung
nimmt F die Form an
Dieses Integral wird in der Weise ausgewertet, daß man einen (Sattel-)
Punkt sucht, an dem der Integrand ein möglichst scharfes Maximum besitzt; führt man dann den Integrationsweg über diesen Punkt und entwickelt den Integranden an dieser Stelle, so erhält man eine rasch abfallende
Eeihe, die man, wenigstens in unserem Falle, nach dem ersten Glied abbrechen kann.
Als Ort der Sattelpunkte erhält man aus
die beiden Punkte
Sie liegen, je nachdem | | kleiner oder größer als k ist, auf der reellen
oder imaginären Achse.
749
gilt; d.h. in diesen Punkten verschwindet, klassisch gesprochen, die
Impulskomponente p x in der Feldrichtung, sie stellen somit die Umkehrpunkte der klassischen Bahn dar, die im Gebiet | | > k liegt, während
| | < k das klassisch verbotene Gebiet darstellt.
Zur Berechnung von (18a) müssen wir uns noch über den Verlauf der
Integrationswege (I.W.) über die Sattelpunkte klarwerden. Man legt sie
bekanntlich mit Vorteil so, daß der Realteil des Exponenten —R(h)
möglichst rasch abnimmt, also so, daß der Imaginärteil von h konstant
bleibt. Schreibt man s in der Form
so wird letzterer gegeben durch
Wir wollen nun die beiden Fälle | f | ^ k getrennt behandeln:
1. 1£1 < k. In diesem Falle liegen die Sattelpunkte auf der reellen
Achse. Die I.-W. werden nach obigem gegeben durch
Ihr Verlauf ist aus Fig. 3 zu entnehmen. (Die reelle Achse a = 0 ist auch
ein Zweig der I.-W.) Die Pfeile bedeuten Abnahme des Eealteiles von h,
also Zunahme des Integranden.
Einen
brauchbaren I.-W., der sich stetig in den
I.-W. der Fig. 2 deformieren läßt, erhält
man, wenn man von + oo geradlinig nach
s2, von dort auf der gezeichneten Kurve
über sx im positiven Sinne um die beiden
Verzweigungspunkte i — herum und wieder
2
geradlinig von s2 nach + oo geht (vgl.
die gestrichelte Kurve in Fig. 3, die der
Deutlichkeit halber neben den richtigen Integrationswegen gezeichnet
wurde. Die geradlinigen Teile des I.-W. laufen auf verschiedenen
750
Riemannsehen Blättern).
an der Stelle
Fritz Sauter,
Den maximalen Wert nimmt der Integrand
an*; die Entwicklung von h(s) in diesem Sattelpunkt lautet
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
751
Nennern auftritt. Der Fall | f | ~ k muß gesondert behandelt werden.
Hier rücken die beiden Sattelpunkte in den Koordinatensprung und man
wird mit Vorteil von der Stelle | £ | = k aus entwickeln. Da wir diese
Entwicklung im folgenden nicht brauchen, möge ihre Ableitung der Kürze
halber unterdrückt werden. Das Resultat lautet
mit
gültig für | P — P | < 1 .
2. | £1 > k.
Es gilt nämlich wegen der oben gemachten Festsetzung über die Argumente
Hier liegen die Sattelpunkte auf der imaginären Achse.
Die I.-W. erhält man wegen
von s ± —
wobei Are sin und Are cos die Hauptwerte der zyklometrischen Funktionen
(zwischen 0 und nfi) bezeichnen.
Zur Berechnung von F müßte man neben e~ A(s) auch G(s) nach
Potenzen von s — s1 entwickeln und gliedweise integrieren. Wir wollen
uns jedoch auf das erste Reihenglied beschränken. (Die Eeihe geht nach
steigenden Potenzen von 1/| 2 , fällt daher bei genügend großen £ 2 ^> 1
sehr rasch ab). Dann kann G (s) als konstant vor das Integral gezogen werden
und es gilt
In gleicher Näherung kann der I.-W. durch seine Tangente im Sattelpunkt
ersetzt werden; dann ist geradlinig von s1-\-i oo nach s x — i <x> zu
integrieren. Man erhält
(s. Fig. 4; die Pfeile haben die gleiche Bedeutung wie in Fig. 3). Einen
brauchbaren I.-W. erhält man in folgender Weise: Von + 00 kommend
i
um den Verzweigungspunkt + — im
positiven Sinne herum und über den
Sattelpunkt sx wieder nach + co
zurück; dann über den zweiten Sattelpunkt s2, um den Verzweigungspunkt
jr wieder im positiven Sinne herum
und zurück nach + 00 (s. die gestrichelte Kurve in Fig. 4). Dieser I.-W.
läßt sich in den der Fig. 2 offenbar stetig überführen, wenn die Wegstücke Sj ->• 00 und 00 -> s2 auf einem und demselben Riemannschen
Blatte liegen.
Zur Bestimmung von F muß man somit die Beiträge des Integrals in
der Umgebung der beiden Sattelpunkte addieren. Laut obiger Festsetzung
gilt
y
'fc2
'
—_ — 1 größer oder mindestens noch
vergleichbar mit 1 ist, da in der Entwicklung (20 a) diese Wurzel in den
* Der Strich I an der Wurzel |T~1 soll in üblicher Weise andeuten, daß ihr
positiver Wert zu nehmen ist.
Zeitschrift für Physik. Bd. 69.
50
752
Fritz Sauter,
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
(das obere Zeichen bezieht sich auf sv das untere auf s2). Für h(s) erhält
man die Entwicklung
Geht man mit den Ausdrücken (20 a) und (20 c) in die Funktionen (17)
ein, so erhält man für das erste Lösungssystem
753
mit
Die I.-W. sehneiden in den Sattelpunkten die imaginäre Achse unter 45°;
setzen wir in der Umgebung des ersten Sattelpunktes
in der des zweiten
wobei w zur Abkürzung für 1/1 — -ß gesetzt wurde. Die entsprechenden
Entwicklungen für das zweite Lösungssystem erhält man daraus auf Grund
der Beziehungen (15):
so können die Integrationen in der betrachteten Näherung geradlinig von
t = — oo nach i = + oo erstreckt werden. Man erhält so
Diese Entwicklung schreitet nach Potenzen von 1/fc2 fort, konvergiert
daher für beliebige Werte von | genügend stark, daß man sich mit der
ersten Näherung begnügen kann. Sie verliert, wie im ersten Falle, ihre
Gültigkeit bei Annäherung von | 11 an die Stelle k, in welchem Grenzfalle
die Entwicklung (20 b) anzuwenden ist.
3. Diskussion der Lösungen.
Zuerst möge der Verlauf der Funktionen / und g untersucht werden.
Wie aus (14) zu entnehmen ist, sind sie symmetrisch bzw. antisymmetrisch
zum Punkte £ = 0, und zwar ist
die eine von den beiden Funktionen gerade, wenn die andere
ungerade ist.
Ihren Verlauf
kann man aus den Entwicklungen (21) und (22) ersehen.
Für f < — k und
£ > + k stellen sie eine
Schwingung mit veränderlicher Frequenz und Amplitude dar, wie in
Fig. 5 schematisch angedeutet ist. (Die Funktionen sind wesentlich
komplex, Fig. 5 dient daher nur zur rohen Orientierung über den Funktionsverlauf.) Im Zwischengebiet fällt ihr absoluter Betrag vom Punkte J = — k
angenähert nach einer e-Potenz ab bis zum Werte 1 oder 0 [vgl. (14)] und
steigt dann wieder exponentiell an.
50*
754
Fritz Sauter,
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
Es muß bemerkt werden, daß dieser exponentielle Abfall der
Funktionen gegen den Punkt | = 0 hin nur durch die spezielle Wahl unserer
Lösungssysteme bedingt ist. Würde man einen I.-W. benutzen, bei dem
der zweite Sattelpunkt
bedeutet. Der Verlauf von % wird schematisch durch die Fig. 6 dargestellt:
Für negative Werte von £ ist das Argument von Z^ reell, die Funktionen
daher periodisch; für positives £ ist das Argument komplex, % stellt sich
dar als Überlagerung eines exponentiell ansteigenden und eines exponentiell
abfallenden Astes (Aufspaltung von Z ^ in die beiden Hankeischen
Funktionen H « und H $ ) .
Um den Übergang vom relativistischen zum nichtrelativistischen Fall
durchzuführen, berücksichtigen wir, daß
in Fig. 3 den wesentlichen Beitrag zum Integranden liefert, so würde man
einen exponentiellen Anstieg der Funktionen gegen den Nullpunkt hin
erhalten. Ein solcher I.-W. wird z. B. durch eine Schleife gegeben, die wie
in Fig. 2 aus dem Positiv-reell-Unendlichen kommt, jedoch nur um einen
der beiden Verzweigungspunkte herumführt.
Eine geeignete Linearkombination unserer beiden Lösungssysteme muß daher den erwähnten
Anstieg geben. Die punktierte Kurve in Fig. 5 soll diese Möglichkeit
schematisch andeuten.
Es dürfte nicht unangebracht sein, diese Verhältnisse mit denen der
nicht relativistischen Wellenmechanik zu vergleichen. Die Schrödingergleichung lautet für das eindimensionale Problem*
Durch den Ansatz (E = nichtrelativistische Energie)
erhält man, wenn man noch für x die neue Veränderliche
einführt, für % die Differentialgleichung
Ihre Lösung lautet bekanntlich
wenn Z(x) eine beliebige Lösung der Besseischen Differentialgleichung
* Im folgenden soll py = p2 = 0 gesetzt werden.
und (9)
Dann ist wegen (6)
755
daß also
Das Koordinatensystem der Fig. 5 ist daher um die Strecke k gegen das
von Fig. 6 nach links verschoben, dem Punkt | = 0 von Fig. 6 entspricht
der Punkt A ( | = — fc) von Fig. 5. Der Übergang zum nichtrelativistischen Fall bedeutet den
Grenzübergang lim fc ->• oo, also lim Eo -> oo
und damit auch lim fc ->• oo. Bei diesem Übergang rücken also die Punkte 0 und B der
Fig. 5, die ja, bezogen auf das nichtrelativistische System mit A als Ursprung, die Abszissen fc
und 2 fc haben, ins positiv Unendliche. Die
rechte Hälfte der Fig. 5 fällt somit fort und
die linke Hälfte wird auf die ganze Strecke von — oo bis + oo auseinandergezogen, wodurch offenbar der Funktionsverlauf der Fig. 5 entsteht.
Während demnach das Gebiet £ < 0 dem Gültigkeitsbereich der
Schrödingerschen Wellenfunktionen entspricht, besitzt das Gebiet | > 0
kein nichtrelativistisches Analogon. Dieses Gebiet ist, wie sogleich gezeigt
werden soll, dadurch charakterisiert, daß der wellenmechanische Vektor
des Impulses dem der Geschwindigkeit entgegengerichtet ist.
Bekanntlich entspricht in der Dir aeschen Theorie der dreidimensionalen
Geschwindigkeit uv der Operator icyt (v = 1, 2, 8). Den wellenmechanischen
Erwartungswert dieses Operators erhält man in der Form
Hierbei bedeutet ip die zu y> adjungierte Wellenfunktion, die der Gleichung
756
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
Fritz Sauter,
genügt. Um eine Beziehung zwischen der durch (23) gegebenen Größe [wj
und dem Erwartungswert [px] des Impulses in der Feldrichtung zu gewinnen,
multiplizieren wir die Gleichung (2) von links mit Ij) yi yv die Gleichung (2 a)
von rechts mit y1 y 4 ip und addieren; es ergibt sich
Bei unendlich scharf bestimmtem Impuls in der y- und z-Richtung verschwinden die Glieder mit d/dyxmd d/dz [die durch (4) gegebene Abhängigkeit von y und z fällt aus den quadratischen Ausdrücken ^y^y^y^ 3y>
heraus]. Da wir einen stationären Zustand von der Energie E betrachten,
kann man die Zeitdifferentiationen ausführen und man erhält
757
darstellt, da
Für die Anwendung im nächsten Kapitel möge hier noch der Wert
für die Geschwindigkeit [u^ in seiner Abhängigkeit von den Teilfunktionen / und g ausgerechnet werden. Hierzu führen wir für ip den
aus (4) und (11) sich ergebenden Ausdruck
ein; man überzeugt sich leicht in der gleichen Weise wie im ersten Abschnitt,
daß der entsprechende Ausdruck für 1/j gegeben wird durch
yh bedeutet die zu y5 [siehe (7)] adjungierte Größe
Der zweite Term läßt sich wegen (23) in der Form
anschreiben.
Zur Deutung des ersten Ausdruckes berücksichtigen wir,
h
d
daß der Impulsoperator in der Diraeschen Theorie durch „—'^*^x
gegeben wird; der erste Term von (24) stellt daher den symme frisierten Erwartungswert des Impulses [px] dar, noch multipliziert mit dem Faktor
Ini
- j — ; (24) läßt sich daher in der Form anschreiben
Diese Gleichung besagt somit, daß für E > v x [oder wegen (8) für f < 0]
Impuls und Geschwindigkeit das gleiche Vorzeichen tragen, während sie
für E < v x (oder f > 0) entgegengesetzt gerichtet sind, wie zu beweisen
war. Man beachte übrigens, daß (25) die wellenmechanische Übersetzung
des relativistischen Zusammenhangs zwischen Impuls und Geschwindigkeit
Bildet man nun die Dichte y> y4 \p, so erhält man
wobei
einen konstanten Operator bedeutet")".
Analog ergibt sich
[wj ist bei dem betrachteten stationären Zustand auch räumlich konstant,
wie man auf Grund von (12) leicht nachweisen kann. Dies folgt ja auch
schon aus der Divergenzbedingung für den Strom Sv = e [wj, da wir einen
stationären Zustand betrachten, bei dem die Stromkomponenten in der
y- und 2-Richtung konstant sind (ebene Welle!).
Den Wert von (28) berechnet man wegen dieser Konstanz am einfachsten
für die Stelle £ = 0. Stellt man die allgemeinen Funktionen y> als Linearkombination aus den beiden Teilfunktionen xp1 und ip2 zusammen, also
und daher
t Vgl. F. Sauter, ZS. f. Phys. 64, 295, 1930; der Operator A wurde dort
als Normierungsoperator bezeichnet.
758
Fritz Sauter,
so bestätigt man wegen (14) leicht, daß
ist, da ja / x (0) = §-2(0) = 1, / 2 (0) = ^(0) = 0. Die aus den beiden
Teillösungen tp1 und ip2 resultierenden Ströme setzen sich demnach ohne
Interferenz zum Gesamtstrom in der »-Richtung zusammen.
4. Durchgang eines Elektrons durch ein Gegenfeld.
Wir wenden uns nun dem in der Einleitung angeführten Problem zu,
die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, daß ein Elektron aus dem Gebiet
mit positivem in das mit negativem Impuls* übertritt. Zu diesem Zwecke
betrachten wir den in Fig. 1 durch den Linienzug ABCD dargestellten
Potentialverlauf:
Wir müssen nun die Diracgleichungen für die drei Fälle getrennt lösen und
die drei Wellenfunktionen dann in den Punkten xx und x% stetig aneinander
anschließen. Die Integration kann für alle drei Fälle nach der gleichen
Methode erfolgen, wodurch der Anschluß wesentlich erleichtert wird.
Wir machen den Ansatz
wobei y5 durch (6) und (7) gegeben ist. Führt man nun als neue Veränderliche
wie oben
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw. 759
k ist durch (9) definiert, £x und £2 ergeben sich aus (8) durch Einführung
der Werte x1 und x2 an Stelle von x. Die Lösungen des zweiten Gleichungspaares (33) [das mit (12) identisch ist] schreiben wir unter Verwendung
der beiden Konstanten a und ß in der Form (29a), wobei fv gx und f2, g2
durch (14) gegeben sind. Für das erste und dritte Gebiet erhält man natürlich ebene Wellen von der Form e*' 9 u 2 ' , wobei gx und q2 durch die
Gleichungen
bestimmt sindj. Berechnet man aus (33) das Koeffizientenverhältnis, so
ergeben sich mit den willkürlichen Konstanten av und br die Lösungen
v = 1 gilt für das Gebiet I, v = 2
Wir erreichen stetigen Anschluß
xx und x2 bzw. | x und f2, wenn wir
aneinander anschließen. Dies führt
für III.
der Wellenfunktionen an den Stellen
dort die Funktionen / und g einzeln
zu den Gleichungen
Hierbei wurde zur Abkürzung wegen (14)
ein, so erhält man genau wie im ersten Abschnitt für / und g die Gleichungen
gesetzt und (15) benutzt. Das Gleichungssystem (36) zur Bestimmung der
sechs Größen av, bv, a, ß ist noch unbestimmt: zu den mathematischen
Stetigkeitsbedingungen muß noch eine physikalische Bedingung hinzutreten, die das Verhalten der Wellenfunktion im Unendlichen festlegt.
•f qv hängt mit dem gewöhnlichen Impuls pv durch die Beziehung
* Unter „positivem" bzw. „negativem" Impuls soll verstanden werden,
daß der Impuls und die Geschwindigkeit gleich- bzw. entgegengerichtet sind.
Im ersten Falle ist die kinetische Energie positiv, im letzteren negativ.
qr = V— cpy zusammen. Wegen |!,.| > k ist q,. reell und wir setzen fest:
rB
q> > 0.
760
Fritz Sauter,
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
Es soll, wie schon des öfteren betont wurde, die Wahrscheinlichkeit
ermittelt werden, daß ein Elektron aus dem Gebiet I mit positivem Impuls
in das Gebiet III mit negativem Impuls übertritt. Wir müssen also von
links her einen einfallenden Teilchenstrom annehmen, der zum Teil durch
das Gebiet II hindurchtritt und im Gebiet III weiterläuft (von links nach
rechts), zum Teil an den Trennungsflächen bei xt und x2 reflektiert wird
und einen rücklaufenden Strom im Gebiet I darstellt. Die Lösung muß
also so gewählt werden, daß in III nur ein Strom in der Eichtung von links
nach rechts fließt und keiner in der umgekehrten Eichtung. Die Stromkomponente in der z-Eichtung für eine durch den Ausdruck (32) dargestellte
Wellenfunktion wurde im dritten Abschnitt ermittelt [Gleichung (28)].
Angewendet auf die durch (35) dargestellte ebene Welle ergibt sich
Setzt man in (36 b) a2 = 0, so lautet die Auflösung dieser beiden
Gleichungen nach a und ß wegen
während die Teilchendichte durch (27) gegeben wird.
Für v = 1 erhält man daher wegen i1 < — gx einen einfallenden
Strom von der Stärke
wobei
761
[siehe (37) und (13)]
Geht man mit diesen Ausdrücken in (36 a) ein und löst sie nach o, und bv
so erhält man
Wir wollen der Einfachheit halber symmetrische Verhältnisse zum Punkt
| = 0 annehmen:
und einen reflektierten Strom
Dann wird
für v = 2 stellt wegen f2 > q2
Man erhält dann
den geforderten auslaufenden Strom dar, während der einlaufende Strom
in diesem Gebiete verschwinden muß. Man erhält somit als physikalische
Bedingung a2 = 0.
Berechnet soll der Durchlaßkoeffizient
Nun benutzen wir die im zweiten Abschnitt gegebenen, für £2 > k2
gültigen Entwicklungen (22) für Fo und Gof; wegen
werden; der Eeflexionskoeffizient ist entsprechend durch
gegeben, wobei natürlich B -{- D = 1 ist.
•f Durch Verwendung der Entwicklungen (22), die nur für den Fall gelten,
daß | 11 nicht zu nahe an k liegt — für 111 ~ h wären Reihen von der Form (20 b)
anzuwenden —, wird die Gültigkeit des Resultats auf die Fälle hoher Geschwindigkeit des ein- und auslaufenden Elektrons beschränkt. Für kleine Geschwindigkeiten verliert jedoch das Problem an Interesse, da hier wegen (45) oder (46)
das „Kleinsche Paradoxon" ohnedies verschwindet.
762
Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
Fritz Sauter,
gilt
763
von rund 1016 Volt/cm entsprechen. Die Stelle fe2 ~ 1 hat ihre besondere
physikalische Bedeutung; in diesem Falle gilt
oder
Man erhält damit
und
Dies steht in Übereinstimmung mit der in der Einleitung angegebenen
Vermutung von N. Bohr, daß man erst dann endliche Wahrscheinlichkeiten
für den Übergang eines Elektrons in das Gebiet mit negativem Impuls
erhält, wenn der Potentialanstieg v — auf einer Strecke von der Comptonmc
Wellenlänge hjmc von der Größenordnung der Ruheenergie wird.
Felder von dieser Stärke experimentell herzustellen, ist natürlich unmöglich. Man könnte jedoch eventuell daran denken, daß solche Felder
im Innern eines Atoms unter Umständen auftreten können; in einem reinen
Coulombfeld würde die durch (43) gegebene kritische Stelle ungefähr bei
Daraus bestimmt sich wegen (38) und (39) der Durchlaßkoeffizient
und der Reflexionskoeffizient
Dieses Eesultat gilt bis auf Glieder höherer Ordnung in l//c2 und wurde
unter der Voraussetzung k2 ^> 1 abgeleitet.
Es zeigt sich also, daß für alle elektrischen Felder, für die fc2 ^> 1 ist,
also für alle praktisch herstellbaren Felder (s. oben) der Durchlaßkoeffizient
verschwindend klein ist, daß also praktisch alle Elektronen reflektiert
werden; Übergänge in das Gebiet negativen Impulses treten demnach in
diesem Falle nur extrem selten auf f.
Der Wert des Durchlaßkoeffizienten D hängt nach (41) für den Fall
hoher Elektronengeschwindigkeit und symmetrischen Potentialverlaufs in
erster Näherung nur von der Feldstärke, also nur von der Steilheit des
Potentialanstieges ab. Für D erhält man erst dann endliche Werte, wenn
kz von der Größenordnung 1 wird. Diesem Falle würden (s. oben) Felder
f Dieses Resultat ist natürlich unabhängig von der obigen Annahme
symmetrischer Verhältnisse. Im allgemeinen Falle werden die Endformeln
jedoch sehr unübersichtlich.
Abstand vom Kraftzentrum liegen; auch nach dem Gamowschen Kernmodell müßten ähnlich hohe Felder im Atom existieren. Es wäre jedoch
verfehlt, daraus irgendwelche Schlüsse auf das Verhalten eines Elektrons
in unmittelbarer Nähe von Kernen ziehen zu wollen, da ja die D i r a c sche Theorie (schon wegen Nichtberücksichtigung des Kernspins) in so
kleinen Entfernungen vom Kern ihre Gültigkeit verliert.
Der Vollständigkeit halber wollen wir noch den von 0. Klein* behandelten Fall eines Potentialsprunges, also des Grenzfalles bei unendlich
steilem Potentialanstieg betrachten. Die Rechnung kann dann so verlaufen,
daß man die für die Gebiete I und III gültigen Wellenfunktionen (35)
direkt aneinander anschließt, v ist dann als eine mathematische Hilfsgröße
anzusehen, die aus dem Resultat automatisch herausfällt. Um zu den Bezeichnungen von Klein zu kommen, muß man
* O. K l e i n , I . e .
764 Fritz Sauter, Verhalten eines Elektrons im homogenen elektrischen Feld usw.
setzen, wobei P dann die Höhe des Potentialsprunges, E die Energie vor
dem Durchgang durch das Gegenfeld und p und p die Impulse vor und
nach dem Durchgang messen. Man erhält dann nach einfacher Rechnung,
die hier der Kürze halber unterbleiben soll:
Die in der Einleitung gegebenen Formeln erhält man daraus für den Grenzfall
eines sehr hohen Potentialsprunges (lim P -> oo)
Um das Analogon zu dem oben behandelten Fall symmetrischen Potentialverlaufs zu erhalten, muß man | x = — 1 2 und somit P = 2 E setzen und
erhält damit
Es ist mir ein Bedürfnis, Herrn Professor A. Sommerfeld für sein
Interesse an der Durchführung dieser Untersuchungen bestens zu danken.
Mein Dank gebührt ferner der Österreichisch-Deutschen Wissenschaftshilfe für die Gewährung eines Stipendiums.
Herunterladen