Die Einstein-Heisenberg – Debatte

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Die Einstein-Heisenberg – Debatte
Beobachtbare und nichtbeobachtbare Gr•ssen
Zum Thema:
Die Physik in der ersten H€lfte des zwanzigsten Jahrhunderts erlebte zwei grosse Durchbr•che: Die
Relativit€tstheorie und die Quantenmechanik. Die beiden wichtigsten Exponenten sind Albert Einstein
und Werner Heisenberg. Beide haben der Nachwelt eine fundamentale physikalische Beziehung
hinterlassen. Von Einstein stammt die ber•hmte Aussage, dass Masse und Energie €quivalent oder
ineinander umwandelbar sind: E = m * c2 . Heisenberg formulierte die f•r die Quantenmechanik und f•r
die Erkenntnistheorie grundlegende Unbestimmtheitsrelation. Man kann Ort und Impuls eines Teilchens
nicht gleichzeitig exakt angeben: x * p >ħ. Heisenberg war ein Vertreter der Kopenhagener
Interpretation der Quantenmechanik, gegen die Einstein viele Gegenargumente vorgebracht hat. Dar•ber
soll in einem sp€teren Teil berichtet werden. Hier soll auf eine Diskussion eingegangen werden, die
Einstein und Heisenberg im Jahre 1926 f•hrten, und die Heisenberg in seinem Buch ‚Der Teil und das
ganze ausf•hrlich beschrieben hat. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob eine Theorie nur
beobachtbare Gr„ssen enthalten darf oder auch solche, die sich der direkten Beobachtung entziehen.
Damit verkn•pft ist auch die Frage zum Verh€ltnis von theoretischer zur experimentellen Physik.
Die Kontrahenten:
Alber Einstein wurde am 14. M€rz 1879 in Ulm geboren. …ber Einstein gibt es so viele Biografien und
Anekdoten wie •ber keinen anderen Physiker, sodass ich mich hier kurzfassen kann. Sein Weg zum Studium am Polytechnikum – der heutigen ETH – f•hrte •ber die Matura in Aarau. Er liess sich als Fachlehrer f•r Mathematik und Physik ausbilden und befreundete sich mit Marcel Grossmann, der ihm sp€ter bei
der Entwicklung der Allgemeinen Relativit€tstheorie behilflich war. 1902 erhielt er eine Stelle am Patentamt in Bern und 1905 – dem annus mirabilis – ver„ffentlichte er f•nf grundlegende Beitr€ge, welche die
Physik revolutionierten: Die Erkl€rung des photoelektrischen Effekts (wof•r er 1922 den Nobelpreis erhielt), eine Bestimmung der Molek•ldimensionen, eine Arbeit zur Brown’schen Molek•lbewegung und
seine Abhandlung zur Elektrodynamik bewegter K„rper, die heute als Spezielle Relativit€tstheorie bekannt
ist. Einstein war zeitlebens ein Einzelg€nger und Querdenker; er war auch nicht Sch•ler eines bestimmten
Lehrers. Allerdings hatte er auch Freunde und F„rderer, so zum Beispiel Max Planck, der ihn nach Berlin
holte. Nach der Machtergreifung der Nazis wanderte er in die USA aus, wo er eine Professur an der
Princton Universit€t erhielt. Im August 1939 verfasste er einen Brief an Pr€sident Roosevelt, der den Bau
der Atombombe empfahl. Sp€ter – als Pazifist – bereute er dieses Schreiben, und zu seinem Freund Linus
Pauling sagte er: „I made a great mistake in my life – when I signed the letter to President Roosevelt …. But there was
some justification – the danger that the Germans would make them.” Einstein verstarb am 18. April 1955 aufgrund
eines blutenden Aortenaneurysmas.
Werner Heisenberg wurde am 5. Dezember 1901 in W•rzburg geboren. Er studierte in M•nchen bei
Arnold Sommerfeld. Er ging dann nach G„ttingen als Assistent von Max Born, wo auch der ein Jahr
€lteren Wolfgang Pauli arbeitete. Beide waren oft bei Niels Bohr in Kopenhagen. Bohr, Born, Heisenberg
und Pauli gelten als die Begr•nder der theoretischen Quantenmechanik. Dazu gesellte sich bald auch Paul
Dirac. Ihre ‚Kopenhagener Interpretation‘ der Quantenphysik gilt bis heute als wegweisend. Heisenbergs
Namen ist mit der Unsch€rferelation verkn•pft, die f•r die Vorg€nge in der Quantenwelt fundamental ist.
Danach kann man zum Beispiel nicht den Ort und die Geschwindigkeit eines Teilchens gleichzeitig
ermitteln. Was zuerst als Begrenzung der Messgenauigkeit bei einem Gedankenexperiment verstanden
wurde, zeigte sich als ein Naturgesetz, sodass man besser von der Unbestimmtheitsrelation sprechen
sollte. 1932 erhielt er den Nobelpreis f•r Physik. Etwas nebul„s ist sein Wirken w€hrend des zweiten
Weltkriegs, bei dem er am deutschen Atombombenprogramm mitarbeitete. Nach dem Krieg jedoch
engagierte er sich stark gegen die Bewaffnung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen. Er war wohl
einer der genialsten Physiker des zwanzigsten Jahrhunderts. Heisenberg verstarb am 1. Februar 1976 in
M•nchen.
Die Debatte von 1926:
Der f•nfundzwanzigj€hrige Heisenberg hatte 1926 die Chance einen Vortrag am physikalischen
Kolloquium in Berlin – der damaligen Hochburg f•r Physik – zu halten. Und es spricht f•r den
zweiundzwanzig Jahre €lteren Einstein, dass er bemerkte, dass hier ein ganz anderes Verst€ndnis der
Physik pr€sentiert wurde, das es ernst zu nehmen galt. Heisenberg begleitete Einstein nach Hause, wo
dieser das Gespr€ch er„ffnete:1 „Was Sie uns da erz„hlen, klingt ja sehr ungew…hnlich. Sie nehmen an, dass es
Elektronen im Atom gibt, und darin werden Sie sicher recht haben. Aber die Bahnen der Elektronen im Atom, die wollen
Sie ganz abschaffen, obwohl man doch die Bahnen der Elektronen in einer Nebelkammer unmittelbar sehen kann. K…nnen
Sie mir die Gr†nde f†r diese merkw†rdigen Annahmen etwas genauer erkl„ren?“ – „Die Bahnen der Elektronen im Atom
kann man nicht beobachten“, habe ich [Heisenberg] wohl erwidert, „aber aus der Strahlung, die von einem Atom bei einem
Entladungsvorgang ausgesandt wird, kann man doch unmittelbar auf Schwingungsfrequenzen und die zugeh…rigen
Amplituden der Elektronen im Atom schliessen. ….. Da es aber doch vern†nftiger ist, in eine Theorie nur die Gr…ssen
aufzunehmen, die beobachtet werden k…nnen, schien es mir naturgem„ss, nur diese Gesamtheiten, sozusagen als
Repr„sentanten der Elektronenbahnen, einzuf†hren.“ – „Aber Sie glauben doch nicht im Ernst“, entgegnete Einstein, „dass
man in eine Theorie nur beobachtbare Gr…ssen aufnehmen kann.“ – „Ich dachte“, fragte ich erstaunt, „dass gerade Sie
diesen Gedanken zur Grundlage Ihrer Relativit„tstheorie gemacht h„tten? Sie hatten doch betont, dass man nicht von
absoluter Zeit reden d†rfe, da man diese absolute Zeit nicht beobachten kann. Nur die Angaben der Uhren, sei es im
bewegten oder im ruhenden Bezugssystem, sind f†r die Bestimmung der Zeit massgebend.“ – „Vielleicht habe ich diese Art
von Philosophie ben†tzt“, antwortete Einstein, „aber sie ist trotzdem Unsinn. …. „aber vom prinzipiellen Standpunkt aus
ist es ganz falsch, eine Theorie nur auf beobachtbare Gr…ssen gr†nden zu wollen.“ …. „Erst die Theorie entscheidet dar†ber,
was man beobachten kann!“ – Sehen Sie, die Beobachtung ist ein sehr komplizierter Prozess. Der Vorgang, der beobachtet
werden muss, ruft irgendwelche Geschehnisse in unserer Messapparatur hervor. Als folge davon, laufen dann in der
Apparatur weitere Vorg„nge ab, die schliesslich auf Umwegen den sinnlichen Eindruck und die Fixierung des Ergebnisses
in unserem Bewusstsein bewirken.“ …. Und nach weiteren Ausf•hrungen meinte Heisenberg: „Der Gedanke,
dass eine Theorie eigentlich nur die Zusammenfassung der Beobachtungen unter dem Prinzip der Denk…konomie sei, soll
doch von dem Physiker und Philosophen Mach stammen; und es wird immer wieder behauptet, dass Sie in der
Relativit„tstheorie eben von diesen Gedanken Machs entscheidend Gebrauch gemacht h„tten.“ … [Einstein]: Ich will zuerst
ein paar Argumente f†r Mach anf†hren. Unser Umgang mit der Welt vollzieht sich doch offenbar †ber unsere Sinne. … In
anderen Worten, die Tatsache, dass es die Welt wirklich gibt, dass unsere Sinneseindr†cken etwas Objektives zugrunde liegt,
kommt bei mach etwas zu kurz.“ Und zur•ck zum Vortrag von Heisenberg meint Einstein: „In den
Nebelkammern beobachten wir die Bahn des Elektrons durch die Kammer. Im Atom aber soll es nach Ihrer Ansicht keine
Bahnen des Elektrons mehr geben. Das ist doch offenbar Unsinn. Einfach durch Verkleinerung des Raumes, in dem das
Elektron sich bewegt, kann doch der Bahnbegriff nicht ausser Kraft gesetzt werden.“ [ Heisenberg]: Einstweilen wissen wir
noch gar nicht, in welcher Sprache wir †ber das Geschehen im Atom reden k…nnen.“ …. [Einstein]: „Gut, das will ich
gelten lassen, wir werden uns ja in einigen Jahren noch einmal dar†ber unterhalten k…nnen.“
Die Nachwirkungen in der Physik:
Einsteins Allgemeine Relativit€tstheorie ist eine Theorie der Gravitation und ist in der Astronomie von
Bedeutung. Die Spezielle Relativit€tstheorie ist eine Verallgemeinerung der Relativit€tstheorie nach Galilei,
die dann zum Zuge kommt, wenn man sich der Lichtgeschwindigkeit n€hert. Die sich ergebende Folgerung von der ‰quivalenz von Masse und Energie spielte – entgegen der weitverbreiteten Meinung – bei
der Entwicklung der Kernenergie und der Atombombe nur eine untergeordnete Rolle. Von praktischer
1
Auszug aus dem Gespr€ch, wie es Heisenberg in seinem Buch ‚Der Teil und das Ganze‘ beschreibt.
Bedeutung war Einsteins Beitrag zur stimulierten Emission von Licht. Dieser Effekt wird in den Lasern
genutzt, die heute verschiedene Anwendungen gefunden haben.
Das Weltbild der Quantenmechanik ist wesentlich schwieriger zu begreifen. Dies beginnt mit dem WellenTeilchen-Dualismus der Natur. Teilchen, seien es Photonen, Elektronen oder gar Atome k„nnen nicht
nur Energie oder Impuls auf andere Teilchen •bertragen, sie k„nnen auch Interferenzerscheinungen
zeigen und damit ihre Wellennatur offenbaren. Dabei bekommt der Messapparatur eine zentrale Rolle zu.
Je nach Aufbau der Apparatur erh€lt man ein anderes Ergebnis. Heisenberg bemerkt: „Wir m†ssen uns
daran erinnern, dass das, was wir beobachten, nicht die Natur selbst ist, sondern Natur, die unserer Art der Fragestellung
ausgesetzt ist.“ Die mathematische Physik liefert in Form der SchrÄdinger-Gleichung ein Hilfsmittel, mit
der die k•nftige Entwicklung des Systemzustandes deterministisch festgelegt ist. Die Messergebnisse aber
sind nur statistisch vorhersagbar. Oder mit den Worten von Heisenberg: „Die theoretische Deutung eines
Experiments erfordert drei deutlich unterschiedliche Schritte. Im ersten wird die experimentelle Ausgangssituation in eine
Wahrscheinlichkeitsfunktion †bersetzt. Im zweiten wird die Funktion rechnerisch im Lauf der Zeit verfolgt. Im dritten wird
eine neue Messung am System vorgenommen, deren zu erwartendes Ergebnis dann aus der Wahrscheinlichkeitsfunktion
berechnet werden kann.“ Die Nachwirkungen von Heisenberg und der Quantenmechanik sind nicht nur f•r
die Grundlagenphysik von grosser Bedeutung. Im Rahmen der Festk„rperphysik bedient man sich gerne
einer bildhaften Quantenphysik. In Halbleitern unterscheidet man zwischen dem Leitungs- und dem
Valenzband und die Halbleiter sind die Basis f•r die modernen, allgegenwertigen Computer, die das t€gliche Leben ver€ndert haben.
Literaturhinweise:
Heisenberg W. Der Teil und das Ganze. M•nchen: Piper 1969
Fischer E.P. Aristoteles, Einstein & Co. M•nchen: Piper 1995
Fischer E.P. Leonardo, Heisenberg & Co. M•nchen: Piper 2002
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