20110622 BPtK-Symposium Psychisch gesund bei der A..., Seiten 1

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Arbeitsbedingte Ursachen psychischer Erkrankungen
Renate Rau
Gliederung
1 Kann Arbeit psychisch krank machen?
2 Welche Arbeitsmerkmale sind gefährlich?
3 Sind die Ergebnisse klar interpretierbar?
Beispiel Depression:
Welche Merkmale der Arbeit stehen mit dem Auftreten von Depression im
Zusammenhang?
4 Was ist zu tun?
1 Kann Arbeit psychisch krank machen?
Psychische Erkrankungen
zählen zu den häufigsten Gründen
für eine Arbeitsunfähigkeit
in den letzten fünf Jahren
(Berichte diverser Krankenkassen)
Welche Bedeutung haben Arbeitsbelastungen für das
Auftreten von psychischen Erkrankungen?
1 Kann Arbeit psychisch krank machen?
Arbeitsunfähigkeitsfälle nach Krankheitsarten 1995-2005,
Indexdarstellung
(1994=100%)
200
%
180
180
160
160
140
140
120
120
100
100
8080
1995 1996 1997 1998 1999
60
Psyche
Psyche
Herz/Kreisl.
Herz/Kreislauf
1995
104,7
104,7
99
99
2000 2001 2002 2003 2004 2005
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
97,7
102,3
111,6
123,3
146,5
165,1
174,4
173,4
174,5
166,5
97,7
102,3
111,6
123,3
146,5
85,4
85,4
87,5
87,5
89,6
89,6
92,7
92,7
86,5
86,5
165,1
174,4
92,7
93,8
92,7
93,8
173,4
174,5
166,5
92,9
92,9
84,8
84,8
81,9
81,9
1 Kann Arbeit psychisch krank machen?
12-Monatsprävalenz affektiver Störungen in der erwerbstätigen Bevölkerung der BRD
Gesamtstichprobe
Männer
Frauen
Chi²
%
N
%
n
%
n
Affektive Störung
insgesamt
9.3
217
7.6
109
12.1
108
13.49 ***
Major Depression
6.5
151
4.9
70
9.2
82
16.98 ***
Dysthyme Störung
2.6
60
2.4
34
2.9
26
0.68
Bipolare Störung
0.8
17
0.5
7
1.3
12
5.04 *
Erwerbstätige Frauen sind z.T. doppelt so häufig von affektiven Störungen betroffen
wie Männer.
Rösler, U.; Jacobi, F. & Rau, R. (2006). Work, mental disorders and major depression in a German National
Representative Sample. Work and Stress, 20, 234-240.
1 Kann Arbeit psychisch krank machen?
Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Gründen für
eine Arbeitsunfähigkeit in den letzten fünf Jahren
(Berichte diverser Krankenkassen)
Welche Bedeutung haben Arbeitsbelastungen für das
Auftreten von psychischen Erkrankungen?
2 Ergebnisse der Literatursuche nach Studien zum Zusammenhang diverser Arbeitsbelastungen mit psychischen Störungen
(Vorliegen von Metaanalysen)
Arbeitsbelastungen
Psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen
Hohe Arbeitsintensität
Depression, Angsterkrankung
Erste Hinweise auf Zusammenhänge mit: Panik
Geringer Tätigkeitsspielraum
Depression, Angsterkrankung
Geringe berufliche Anerkennung
Depression, Angsterkrankung
Erste Hinweise auf Zusammenhänge mit: Panik
Rollenstress (Rollenunklarheit,
-konflikt)
Depression, Angsterkrankung
Geringe soziale Unterstützung durch
Kollegen/Vorgesetzte
Angsterkrankung, Depression, psychische Erkrankungen
Soziale Stressoren am Arbeitsplatz
Depression, Psychische Erkrankungen
Erste Hinweise auf Zusammenhänge mit: Panik
Erste Hinweise auf Zusammenhang mit: Angsterkrankungen, Panik
Schichtarbeit (Nachtschicht)
Depression, psychische Beeinträchtigungen
Überstunden
Psychische Gesundheit  Es bleibt zu erforschen unter welchen Umständen
Überstunden eine Gefährdung darstellen (freiwillig vs. unfreiwillig, Höhe der
Überstunden etc.)
Arbeitsplatzunsicherheit
Angst- und Zwangserkrankungen, Depression
BAuA-Forschungsprojekt F2262 - Ermittlung zentraler Auswahlkriterien für
Philipps-Universität Marburg
3 Sind die Ergebnisse klar interpretierbar?
Beispiel Depression
Forschungsprojekt Nr. F1865 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
„Untersuchung arbeitsbedingter Ursachen für das Auftreten von
depressiven Störungen“
Rau, R., Morling, K. & Rösler, U. (2010). Is there a relationship between major
depression and both objective assessed and perceived job demand and job control?
Work and Stress, 24, 1-18.
Krankheitsmodelle für die Erfassung von Arbeitsfolgen
auf die Gesundheit und die Persönlichkeit
Job Demand-Control Modell (Karasek, 1979)
Tätigkeitsspielraum
gering
Arbeitsintensität
Passiver
Job
Geringe
Beanspruchung
hoch
Fehlbeanspruchung
Aktiver
Job
hoch
hohes Risiko für HerzKreislauferkrankungen,
Depression, Diabetes
mellitus (Typ 2), Schlafstörungen etc.
Effort-Reward Imbalance Modell
3 Sind die Ergebnisse klar interpretierbar? Beispiel Depression
3.1 Ergebnisse bisheriger Studien
Ergebnisse bisheriger Studien:
Arbeitsanalyse
Störung
alternative Erklärungen:
Merkmale Depression
soziale Unterstützung Depression
am Arbeitsplatz
Neigung zur Unterschätzung
eigener sozialer Netzwerke
und dadurch von sozialer
Unterstützung
Handlungs- &
Entscheidungsspielräume
Gelernte Hilflosigkeit
(Möglichkeit durch eigenes
Handeln Situation zu verändern wird unterschätzt oder
nicht wahrgenommen)
Arbeitsintensität
(Überstunden)
Verausgabungsbereitschaft
(overcommitment)
Depression
Depression
Depression
Energieverlust/vermindertes
Interesse an Aktivitäten/
psychomotorische Verlangsamung/ verminderte Denk-,
Konzentrations-, Entscheidungsfähigkeit
Erlebte
Soziale Unterstützung am
Arbeitsplatz
Handlungs-/
Entscheidungsspielräume
Arbeitsintensität
Overcommitment
Neigung, zu hohen (leistungs-) Imbalance von
Anforderungen an sich selbst
Effort / Reward
3 Sind die Ergebnisse klar interpretierbar? Beispiel Depression
3.1 Ergebnisse bisheriger Studien & alternative Erklärungen
Ergebnisse bisheriger Studien:
Arbeitsanalyse
Störung
alternative Erklärungen:
Merkmale Depression
soziale Unterstützung Depression
am Arbeitsplatz
Neigung zur Unterschätzung
eigener sozialer Netzwerke
und dadurch von sozialer
Unterstützung
Handlungs- &
Entscheidungsspielräume
Gelernte Hilflosigkeit
(Möglichkeit durch eigenes
Handeln Situation zu verändern wird unterschätzt oder
nicht wahrgenommen)
Arbeitsintensität
(Überstunden)
Verausgabungsbereitschaft
(overcommitment)
Depression
Depression
Depression
Energieverlust/vermindertes
Interesse an Aktivitäten/
psychomotorische Verlangsamung/ verminderte Denk-,
Konzentrations-, Entscheidungsfähigkeit
Erlebte
Soziale Unterstützung am
Arbeitsplatz
Handlungs-/
Entscheidungsspielräume
Arbeitsintensität
Overcommitment
Neigung, zu hohen (leistungs-) Imbalance von
Anforderungen an sich selbst
Effort / Reward
3 Sind die Ergebnisse klar interpretierbar? Beispiel Depression
3.2 Kritische Wertung des Forschungsstands
Die bisherigen Ergebnisse sprechen dafür, dass zwischen
Merkmalen der Arbeit und der Depression ein Zusammenhang besteht.
Einwand: Alle bisherigen Studien nutzen für die Arbeitsanalyse Fragebögen, die von
den selben Personen ausgefüllt wurden, für die auch die Depression erfasst
wurde.
Während man die Doppelnutzung der “Auskunftsquellen” für die Arbeitsanalyse
und die Beanspruchungserfassung bei Fragen zum Zusammenhang von Arbeit
und somatischen Erkrankungen noch tolerieren kann, ist dies in Bezug auf psychische
Störungen sehr problematisch.
Gerade im Falle von psychischen Störungen ist die Gefahr fehlerhafter
Wahrnehmung aufgrund der Störung unverhältnismäßig hoch.
3.2 Kritische Wertung des Forschungsstandes
Verfahren für die Arbeits- & Beanspruchungsanalyse
objektive Verfahren
bedingungsbezogen
Experten der
Arbeitsanalyse
bewerten Arbeitsmerkmale
z.B.
Handlungsspielraum
Kooperation
Verantwortung…
Personen
bezogen
subjektive Verfahren
bedingungsbezogen
Erfassung physiologischer Daten
Arbeitsplatzinhaber
Verhaltenswerden über Merkmale
beobachtung
ihrer Arbeit u./o.
Organisation befragt
Personen bezogen
Personen werden zu Daten
über sich selber
befragt
Auskünfte sind Ergebnis
einer Selbstbeobachtung
Auskünfte zur Wahrnehmung der Merkmale
Aufgabe
Team/Dyade
Organisation
z.B. Arbeitsintensität,
Handlungsspielraum,
Überstunden
z.B. Teamklima,
Soziale Stressoren
z.B. Abläufe in der
Organisation,
Führung, Konflikte,
Rollenklarheit
individuelle
Leistungsvoraussetzungen
z.B. Qualifikation;
Physis; Motivation)
Beanspruchungsfolgen
kurzfristig langfristig
Stress
Ermüdung
Monotonie
Engagement
Schlafstörung
Erschöpfung
Depression
CHD
Arbeitszufriedenheit
R. Rau (2010). Befragung oder Beobachtung oder beides gemeinsam? – Welchen Instrumenten ist der Vorzug bei
Untersuchungen zur psychischen Belastung und Beanspruchung zu geben? Zentralblatt Arbeitsmedizin, 60, 258–265.
3.2 Kritische Wertung des Forschungsstandes
Datenbasis der meisten Studien
subjektive Verfahren
bedingungsbezogen
Personen bezogen
Der Arbeitsplatzinhaber
Aufgabe
wird über Merkmale seiner Arbeit
u./o. Organisation befragt
wird zu Daten über sich selbst
befragt
Wahrnehmung
Selbstbeobachtung
Team/Dyade
Organisation
individuelle
Leistungsvoraussetzungen
Beanspruchungsfolgen
kurzfristig langfristig
3.2 Kritische Wertung des Forschungsstands
Konsequenzen
a) Analyse und Bewertung der Arbeitsbelastungen muss mit
bedingungsbezogenen objektiven und subjektiven Verfahren erfolgen
Theoretische Basis:
Job Demand/Control Modell (Karasek, 1979)
Effort/Reward-Imbalance Modell (Siegrist, 1996)
Konzept der aktiven Auseinandersetzung mit
Tätigkeiten (Hacker, 1986)
b) Entscheidung darüber, was unter Depression verstanden wird:
depressive Verstimmungen oder affektive Störungen
Major Depression, Dysthymie, bipolare Störungen
Umsetzung: Eingrenzung auf unipolare Störungen und hier auf Major Depression
(bipolare Störungen sind durch eine starke genetische Komponente gekennzeichnet)
c) Die Erfassung depressiver Störungen mit sog. Selbstbeurteilungsverfahren reicht
nicht aus, da damit keine Diagnosen gestellt werden können.
Umsetzung:
Einsatz klassifikatorischer Diagnoseverfahren (ICD/DSM)
3.3 Fragestellung
1. Lässt sich ein Zusammenhang zwischen Merkmalen der Arbeit und dem Auftreten
von Depression auch dann nachweisen, wenn die Arbeitsanalyse auf objektiven
Arbeitsanalyseverfahren beruht?
wenn ja, dann:
wenn nein, dann:
2. Sind die objektiv erfassten Merkmale:
2.1 allein prädiktiv für das Depressionsrisiko?
3. Welche im Rahmen der
subjektiven Arbeitsanalyse
erfassten Arbeitsmerkmale
sind prädiktiv für das
Depressionsrisiko?
2.2
und/oder vermittelt über deren subjektive
Bewertung?
3.4 Methoden
Psychische und Verhaltensstörungen nach Branchen, 2005
Dienstleistungen
10,1
Öff. Verwaltung
9,9
22,5
21,8
9,5
Banken/Versicherungen
21,1
9,0
Verarbeitendes Gewerbe
8,7
Energie/Wasser/Bergbau
Verkehr/Transport
8,0
Handel
7,9
22,8
23,8
21,9
6,4
Land- und Forstwirtschaft
22,0
4,7
Baugewerbe
15
Fehlzeitenreport 2006
24,4
10
5
24,2
0
AU-Fälle
je 100
Versicherte
AU-Fälle
je 100
Versicherte
5
10
15
AU-Tage je Fall
AU-Tage je Fall
20
25
30
3.4 Methoden
Stichprobe
Branche
Berufe/Beschäftigung in
n(
Gesundheitswesen
Pfleger, Ärzte, Verwaltung, Küche
Techniker, Apothekenangestellte,
Sozialarbeiter
255 (56/199)
43.54 (20-63)
öffentlicher
Dienst
Sachbearbeiter in Stadtverwaltung,
Kindergarten, Bibliothek etc.
40 (10/30)
46.53 (22-63)
Banken/
Kundenberater/-bediener,
222 (96/126)
Versicherungen Geschäftsstellenleiter, Kreditanalyse
Sachbearbeiter, Management,
Mitarbeiter Callcenter etc.
42.17 (17-60)
N
)
age
ø Min-Max
517 (162/355) 43.18 (17-63)
3.4 Methode
Erweiterter Untersuchungsansatz
Arbeitsanalyse
Objektiv
Inhaltliche Freiheitsgrade,
Entscheidungsspielraum,
Beteiligungsgrad, Vorbildungsnutzung, Lernerfordernisse
Arbeitstakt, Störungen/
Unterbrechungen, zeitliche
Freiheitsgrade, Widerspruchsfreiheit, Abgabe von Arbeiten
Erfordernis arbeitsbedingter
Kooperation & Kommunikation
Beanspruchungsanalyse
Subjektiv
Kurzfristige Folgen:
Tätigkeitsspielraum
- Frühanzeichen für Risiken
(vitale Erschöpfung,
Schlafstörungen)
- Depressivität (ADS/CES-D)
Arbeitsintensität
Mittelfristige Folgen:
- Cortisol im Speichel
- Blutdruck
soziale Unterstützung
soziale Stressoren
Langfristige Folgen:
Gratifikation
Überstunden
- Major Depression
DSM (DIAX-M-CIDI) Life-Time
Depression?
Beispiel
Objektive
Arbeitsanalyse
Skalen
Merkm alsgruppen
Anzahl Teiltätigkeiten
Tätigkeit A
Tätigkeit B
Anzahl Teiltätigkeiten
sequentielle Vollständigkeit
Organisationsfunktion
Organisationsfunktion
Prinzipieller Ablauf:
Beobachtung der
Arbeitstätigkeit vor Ort
während einer Schicht
Ergänzung der Beobachtung durch gezieltes
Nachfragen (= Beobachtungsinterview)
Information ü. Organisation
Vorhersehbarkeit
Vorhersehbarkeit
Technische und
Organisatorische
Bedingungen
Information ü. Ergebnisse
Rückmeldungen
Rückmeldungen
Störungen/Unterbrechungen
Zykluswechsel
Zykluswechsel
zeitliche Freiheitsgrade
Überstunden
Überstunden
widersprüchl. Anforderungen
Einstufung auf
verankerten Skalen
Erstellen des Tätigkeitsprofils
Ableitung von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen
unter Einbezug arbeitswissenschaftlicher
Erkenntnisse
WICHTIG: Nicht der
Arbeitnehmer wird
bewertet, sondern die
Tätigkeit!
körperliche Abwechslung
körperliche Abwechslung
inhaltliche Freiheitsgrade
Entscheidungen
Entscheidungen
Beteiligungsgrad
Lernpotential
(extern)
Vorbildungsnutzung
Vorbildungsnutzung
Lernerfordernisse
Niveau geistiger Anforderungen
Geist. Anforderungen
Niveau geistiger Anforderungen
Kooperationsumfang
arbeitsbed. Kooperation / Kommunikation
Kooperationsform
Kooperationsform
Kommunikationsinhalte
individuelle Verantwortung
Verantwortung
individuelle Verantwortung
Gruppenverantwortung
-1
-0,6
-0,2
0,2
0,6
1
3.4 Methode
Erweiterter Untersuchungsansatz
Arbeitsanalyse
Objektiv
Inhaltliche Freiheitsgrade,
Entscheidungsspielraum,
Beteiligungsgrad, Vorbildungsnutzung, Lernerfordernisse
Arbeitstakt, Störungen/
Unterbrechungen, zeitliche
Freiheitsgrade, Widerspruchsfreiheit, Abgabe von Arbeiten
Erfordernis arbeitsbedingter
Kooperation & Kommunikation
Subjektiv
Tätigkeitsspielraum
Job Demand/
Control-Modell
Arbeitsintensität
soziale Unterstützung
soziale Stressoren
Depression?
3.4 Methode
Erweiterter Untersuchungsansatz
Arbeitsanalyse
Objektiv
Arbeitstakt, Störungen/
Unterbrechungen, zeitliche
Freiheitsgrade, Widerspruchsfreiheit, Abgabe von Arbeiten
Beanspruchungsanalyse
Subjektiv
Arbeitsintensität
Effort-Reward
Imbalance-Modell
Gratifikation
Depression?
3.5 Ergebnisse zum JDC-Modell
Logistische hierarchische Regressionsanalyse (final model)
Prädiktoren
β
Wald
EXP(B) Vergleich des Major Depression (MD)
Risikos zw. höchster und geringster
Ausprägung der Prädiktoren
02
-.30
2.95 (*)
1.14
1.02
0.74
(z-standardisiert)
Alter
Geschlecht
Objektiv bewertet
Arbeitsintensität
Tätigkeitsspielraum
.25
.06
3.96 *
0.14
Subjektiv bewertet
Arbeitsintensität
Tätigkeitsspielraum
.30
.30
Interaktion Arbeitsintensität
mit Tätigkeitsspielraum
objektiv bewertet A x T
subjektiv bewertet A x T
.07 0.54
.27 3.77 (*)
4.29 *
4.15 *
1.29
1.06
1.35
1.32
0.16
1.08
Pbn mit obj. höchster Arbeitsintensität
haben 4.5-fach höheres MD-Risiko als
die mit geringster A.intensität
MD-Risiko bei höchster erlebter
Arbeitsintensität ist 4.1 mal höher als
bei niedrigster Arbeitsintensität
MD-Risiko bei geringstem erlebten
Tätigkeitsspielraum ist 4.6 mal höher
als bei höchstem Tätigkeitsspielraum
3.4 Ergebnisse
Mediatoreffekt erlebte Arbeitsintensität
Objektiv bewertete
Arbeitsintensität
OR=1.41**
Major Depression
Direkter Effekt
r=.27***
Objektiv bewertete
Arbeitsintensität
Subjektiv bewertete
Arbeitsintensität
OR=1.33*
Major Depression
OR=1.34*
Mediator Effekt
6 Ergebnisse zum ERI-Modell
Logistische hierarchische Regressionsanalyse (final model)
Prädiktoren
β
Wald
EXP(B)
02
-.25
1.43
0.78
1.02
0.78
(z-standardisiert)
Alter
Geschlecht
Objektiv bewertet
Arbeitsintensität
.25
4.12 *
1.29
Subjektiv bewertet
Effort
Gratifikation
.05
.54
0.15
17.00***
1.06
1.72
Vergleich des Major Depression (MD)
Risikos zw. höchster und geringster
Ausprägung der Prädiktoren
Pbn mit obj. höchster Arbeitsintensität
haben 4.5-fach höheres MD-Risiko als
die mit geringster Arbeitsintensität
MD-Risiko bei geringster erlebter
Gratifikation 9.3 mal höher als bei
höchster Gratifikation
3.4 Ergebnisse
subjektiv bewertete Merkmale
0,0
soziale Stressoren
.
Soziale Unterstützung
durch:
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
***
.
Vorgesetzte
***
Kollegen
***
Überstunden
pro Woche
ns
Major Depression auffällig
Psychisch
unauffällig
Gesund
Beachte:
• Die objektiv bewerteten arbeitsbedingten Kooperations- & Kommunikationsanforderungen unterscheiden sich nicht zwischen ps. Gesunden & MD-Fällen.
• Überstunden konnten in der Mehrzahl der Fälle ausgeglichen werden (Abfeiern).
3.5 Ergebnisse
Zusammenfassung


Arbeitsintensität
▲
(objektiv und selbst berichtet)
Tätigkeitsspielraum
▼
(selbst berichtet)
Effort
Arbeitsanforderung X
Leistungsbereitschaft
hohe Verantwortung
Overcommitment
hohe Arbeitsintensität
Zeitdruck
inkonsistente Arbeitsanforderungen
Gratifikation

Bezahlung
Aufstiegschancen
Anerkennung durch
Kollegen/Vorgesetzte
Status
Arbeitsplatzsicherheit

Job
Strain
Soziale Stressoren
Soziale Unterstützung
Belohnung
▼
▲
Soziale Stressoren
Soziale Unterstützung ▼
Überstunden
-
Major Depression
3.6 Diskussion
Psychische Störungen gehen mit der Beeinträchtigung der Wahrnehmung einher.
Daher ist nicht auszuschließen, dass Arbeitsmerkmale aufgrund dieser Veränderungen anders bewertet werden als objektiv gegeben und evtl. von Gesunden realistisch
bewertet.
zumindest für den Zusammenhang von
hoher Arbeitsintensität und Depression kann eine
evtl. bestehende störungsimmanente
Wahrnehmungsverzerrung nicht verantwortlich sein.
Dabei besteht sowohl ein direkter Zusammenhang der objektiv gegebenen
Arbeitsintensität zum Depressionsrisiko als auch ein über die subjektive
Wahrnehmung vermittelter.
X
3.6 Diskussion
Entgegen der Erwartung gibt es keine Beziehung zwischen objektiv gegebenen
Tätigkeitsspielraum und Major Depression.
Dieser Befund steht im Einklang mit Ergebnissen einer schwedischen Studie, die
vergleichbare Methoden angewandt hat (Waldenström et al. 2008).
Daher ist nicht auszuschließen, dass der Befund, dass Beschäftigte mit
Major Depression signifikant weniger Tätigkeitsspielraum erleben, ein
Ergebnis veränderter Wahrnehmung ist.
?
Alternativ wäre auch denkbar, dass objektiv gegebener Tätigkeitsspielraum nicht
genutzt werden kann, obwohl dieser wahrgenommen wird (wegen fehlender Zeit,
fehlender Qualifikation, schlechter Führung)
Das Erleben von Tätigkeitsspielraum (unabhängig von dessen objektiven
Vorhandensein hat aber einen puffernden Effekt auf das Depressionsrisiko).
4 Was tun ?
•
Arbeitsgestaltung nach vorheriger Arbeitsanalyse
Gefährdungsanalyse psychischer Belastung
inkl. Beanspruchungsanalyse
Krankheitsscreening im Vergleich (s. BGS)
•
Personalentwicklung durch Vermitteln von Kompetenzen, z.B.:
- Sehen von Handlungsspielräumen
(falls subj. Tätigkeitsspielraum == obj. Tätigkeitsspielraum)
- Vermeiden von sozialen Stressoren (Führungstraining, Supervision, …)
- „Holen“ von sozialer Unterstützung
•
Organisationsentwicklung
- Zielvereinbarung nach klaren Regeln
- Transparenz (bzgl. Unternehmensentwicklung,
Personalentwicklung…)
- klare Verantwortlichkeiten (damit klare Rollen)
4 Was tun ?
•
Berücksichtigung von Arbeitsstress und
von Auslösern für Arbeitstress in der Psychotherapie
 Ein Großteil der Patienten steht im Arbeitsleben
 arbeitsbedingter Stress kann durch Merkmale der Arbeit, der Organisation
erzeugt werden
ergo:
- eine „einseitige“ Veränderung des Verhaltens des Patienten vermindert diesen
Stress nicht
- die Veränderung des Erlebens (Wahrnehmung der Umwelt inkl. Interaktion)
kann sogar kontraproduktiv sein
Problem „Schuldfrage“
•
Vermittlung arbeitspsychologischen Wissens inkl. Wissen über Arbeitsgestaltung
in der Psychotherapeutenausbildung
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Fragen?
Publikationen im Rahmen des von der BAuA geförderten
Forschungsprojektes F 1865 „Arbeit und Depression“
1. Rösler, U.; Jacobi, F. & Rau, R. (2006). Work, mental disorders and major depression in a German
National Representative Sample. Work and Stress, 20, 234-240.
2. Rau, R., Hoffmann, K., Morling, K. & Rösler, U. (2007). Ist der Zusammenhang zwischen Arbeits
belastung und Depression ein Ergebnis beeinträchtigter Wahrnehmung? In Richter, P., Rau, R. &
Mühlpfort, S. (eds.). Arbeit und Gesundheit: Zum aktuellen Stand in einem Forschungs- und
Praxisfeld. Lengerich: Pabst.
3. Rau, R., Metz, U., Rösler, U. & Stephan, U. (2008). Gesundheitsrisiken bei Unternehmern.
Zeitschrift Arbeits- & Organisationspsychologie.
4. Rösler, U., Stephan, U., Hoffmann, K., Morling, K., Müller, A. & Rau, R. (2008). Psychosoziale
Merkmale der Arbeit, Überforderungserleben und Depressivität. Zeitschrift für Arbeits- &
Organisationspsychologie, 52, 191-203.
5. Rau, R., Morling, K. & Rösler, U. (under review). Is the relation of job demand and job control with
major depression biased by self-reports about work characteristics? Work and Stress.
6. Rösler, U., Gebele, N., Hoffmann, K., Morling, K., Müller, A., Rau, R. & Stephan, U. (in
Begutachtung). Cortisol im Speichel – ein geeigneter physiologischer Indikator für Belastungen am
Arbeitsplatz? Zeitschrift für Arbeits- & Organisationspsychologie.
7. Morling, K., Gebele, N., Rau, R. & Rösler, U. (in prep.). Perceived job characteristics and negative
spillover from work into private life as intervening mechanisms between actual job characteristics and
vital exhaustion. Journal of Occupational Health Psychology.
8. Gebele, N., Morling, K., Rau, R. & Rösler, U. (in Vorb.) Objektive Erfassung von Job Demands und
Decision Latitude mithilfe des Tätigkeitsbewertungssystems und Zusammenhänge mit
Erholungsunfähigkeit. Zeitschrift für Arbeits- & Organisationspsychologie.
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