Tan Dun / Martin Grubinger

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»In der Musik von Tan Dun
wird offensichtlich,
dass der Klang eine Stimme
der Natur ist, in der wir
leben und der wir zu lange
nicht zugehört haben.«
John Cage
SK: Do, 13.12.2012, 20 Uhr | Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Tan Dun Dirigent | Martin Grubinger Schlagzeug
Martin Grubinger Percussionensemble
Tan Dun „Atonal Rock n’ Roll: Of Youth“ – Ouvertüre für Orchester
Tan Dun „The Tears of Nature“ – Konzert für Schlagzeug und Orchester
Maki Ishii „Thirteen Drums“ für einen Schlagzeuger
Tōru Takemitsu „Rain Tree“ für drei Schlagzeuger
Keiko Abe „The Wave“ Concertino für Solo-Marimba und vier Schlagzeuger
DAS ORCHESTER DER ELBPHILHARMONIE
NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Donnerstag, 13. Dezember 2012, 20 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Dirigent:
Solist:
Tan Dun
Martin Grubinger Schlagzeug
Tan Dun
(*1957)
„Atonal Rock n’ Roll: Of Youth“
Ouvertüre für Orchester
(2012)
Europäische Erstaufführung
„The Tears of Nature”
Konzert für Schlagzeug und Orchester
(2012)
Uraufführung, Auftragswerk des NDR
I. Misterioso
II. Misterioso
III. Misterioso
Pause
Maki Ishii
(1936 – 2003)
„Thirteen Drums“
für einen Schlagzeuger
(1985)
Tōru Takemitsu
(1930 – 1996)
„Rain Tree“
für drei Schlagzeuger
(1981)
Keiko Abe
(*1937)
„The Wave“
Concertino für Solo-Marimba und vier Schlagzeuger
(2000)
Martin Grubinger jun.
Martin Grubinger sen.
Wolfgang Auinger
Rainer Furthner
Sabine Pyrker
Ein Sonderkonzert des NDR Sinfonieorchesters in Kooperation
mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Tan Dun
Martin Grubinger
Dirigent und Komponist
Schlagzeug
Der überaus vielseitige Komponist und Dirigent
Tan Dun hat mit seiner stark konzeptionell ausgerichteten Musik, die sich grenzüberschreitend zwischen Klassik, Multimedia, östlichen
und westlichen Musiktraditionen bewegt, in der
internationalen Musikszene unauslöschliche
Spuren gesetzt. Dafür erhielt er u. a. den
Grawemeyer Award für klassische Komposition
sowie den Grammy Award und den Academy
Award (Oscar) für die Filmmusik zu „Crouching
Tiger, Hidden Dragon“. Als Dirigent hat Tan Dun
u. a. mit dem Concertgebouw-Orchester, dem
London Symphony, dem New York Philharmonic,
den Berliner Philharmonikern, dem Philadelphia
Orchestra, dem Orchestre National de France,
dem BBC Symphony Orchestra, der Filarmonica
della Scala, den Münchner Philharmonikern
und dem Orchestra dell’Accademia Nazionale
di Santa Cecilia zusammengearbeitet.
Der in Salzburg geborene Martin Grubinger
studierte am Bruckner-Konservatorium in Linz
und am Mozarteum in Salzburg. Er hat sich in
außergewöhnlicher Weise darum verdient
gemacht, das Schlagwerk als Soloinstrument
in den Mittelpunkt des klassischen Konzertbetriebs zu stellen. Eine wichtige Rolle spielen
dabei Auftragskompositionen wie Rolf Wallins
„Das war schön!“, Anders Koppels Concerto
Nr. 3 „Linzer“, Avner Dormans „Frozen in Time“,
Friedrich Cerhas Konzert für Schlagzeug und
Orchester, das 2012 mit den Wiener Philharmonikern unter Peter Eötvös eingespielt wurde,
oder das im heutigen Konzert uraufgeführte
Schlagzeugkonzert von Tan Dun. Seine groß
besetzten Percussion-Projekte wie „The Percussive Planet“ (auch als Live-Mitschnitt auf
DVD erhältlich) oder „Caribbean Showdown“
dokumentieren Grubingers Vielseitigkeit. Im
Jahr 2010 erschien die CD „Drums ’n’ Chant“.
Im Jahr 2000 fand in Stuttgart die Uraufführung
seiner „Water Passion after St. Matthew“ statt,
ein Auftragswerk der Internationalen Bachakademie Stuttgart. Seine erste, von Google
und YouTube in Auftrag gegebene „Internet
Symphony“ erreichte über 15 Millionen Menschen. Sein „Paper Concerto“ wurde vom Los
Angeles Philharmonic anlässlich der Eröffnung
der Walt Disney Hall uraufgeführt. Seine Multimedia-Komposition „The Map“, uraufgeführt von
Yo-Yo Ma und dem Boston Symphony, wurde
bereits in 30 Ländern gespielt. Sein „Orchestral
Theatre: The Gate“, uraufgeführt vom NHK
Symphony Orchestra, verarbeitet Einflüsse
der Peking-Oper, der klassischen Oper und
des Puppentheaters. Weitere wichtige Urauf4
führungen der letzten Zeit waren „Four Secret
Roads of Marco Polo“, entstanden für die
Berliner Philharmoniker, und das Klavierkonzert
„The Fire“, uraufgeführt von Lang Lang und
dem New York Philharmonic. Vom IOC wurde
Tan Dun beauftragt, Musiken für die Olympischen Spiele 2008 in Peking zu schreiben.
Sein Musiktheaterwerk „Marco Polo“, ein Auftragswerk des Edinburgh Festival, wurde u. a.
an der Nederlandse Opera unter Pierre Audi
gezeigt. Weitere Musiktheaterwerke sind
„The First Emperor“, uraufgeführt mit Plácido
Domingo und unter der Leitung von James
Levine an der New Yorker Met, „Tea: A Mirror
of Soul“, uraufgeführt in der Suntory Hall in
Tokio, sowie „Peony Pavilion“, das in der Regie
von Peter Sellars 50 Aufführungen u. a. in
Wien, Paris, London und Rom erlebte.
2008/09 war Martin Grubinger „Artist in
Residence“ am Gewandhaus Leipzig; es folgten
Residenzen bei der Camerata Salzburg, der
Philharmonie Köln, der Philharmonie München
und am Wiener Konzerthaus. Darüber hinaus
überzeugte Martin Grubinger bei Auftritten
mit dem NHK Symphony Orchestra, dem Oslo
Philharmonic, dem Gewandhausorchester
Leipzig, dem NDR Sinfonieorchester, der NDR
Radiophilharmonie, den Münchner, Dresdner
und Hamburger Philharmonikern und dem
Orquesta Sinfónica de Castilla y León. 2011 gab
der Multipercussionist sein USA-Orchesterdebüt beim Kansas City Symphony. In der
Saison 2011/12 folgten weitere Debüts bei
den Wiener Philharmonikern, den Bamberger
Symphonikern, dem Orquesta Sinfónica de
Euskadi und dem Orchestra dell’ Accademia
Nazionale di Santa Cecilia sowie eine Konzertreise nach Taiwan und Korea. Auch auf Tourneen
war Martin Grubinger mit vielen bedeutenden
Orchestern zu hören, darunter das City of Birmingham Symphony unter Andis Nelsons und
die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen.
Highlights der Saison 2012/13 sind das Debüt
beim Los Angeles Philharmonic unter Christoph
Eschenbach, ein Auftritt mit dem TonkünstlerOrchester Niederösterreich bei der großen
TV-Gala des Open Air Grafenegg, die Rückkehr
zum Gewandhausorchester Leipzig unter
Riccardo Chailly sowie eine Residenz beim
Bergen Philharmonic. Im Sommer 2013 wird
er „Artiste étoile“ beim Lucerne Festival sein.
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NDR SINFO NIEO RCHE S T ER
Wanderer zwischen den Welten
Schlagzeug-Kompositionen asiatischer Komponisten
In der durchgeistigten europäischen Kunstmusik fristete das Schlagzeug lange ein Schattendasein. Diese Zeiten sind passé. Was das
Schlagzeug sein kann, wird in unseren Tagen
neu definiert. Die Schlagzeugliteratur und
Spieltechnik haben sich rapide entwickelt.
Immer mehr Konzertbesucher entdecken eine
Klangwelt für sich, in der der athletische Einsatz
des Spielers, die physisch Präsenz und Wucht
der Klänge und der Farbenreichtum des Instrumentariums sich zu einer faszinierenden,
körperlich-sinnlichen Musik verbinden. „Das
Schlagwerk gibt das Lebensgefühl unserer Zeit
am besten wider“, lautet etwa Martin Grubingers
Credo. Er sieht sich und seine Schlagzeugerkollegen in der Rolle von Pionieren, die mit
ihren bunten, schnellen, präzisen und körperlichen Klängen eine junge Zuhörerschaft in
den von der Farbe grau dominierten Konzerthäusern zusammentrommeln könnten. Dabei
ist Grubingers Anspruch voll auf der Höhe der
klassischen Kunstmusik. Den Pianisten Arcadi
Volodos oder den Geiger Gidon Kremer nennt
er als musikalische Vorbilder und bekennt
sich zu einem für einen „Trommler“ wahrhaft
erstaunlichen Ideal: „Ich versuche auch in
den Trommelstücken eine melodische Linie
und Phrasierungen herauszubringen. Die Musik
muss singen.“
Zu den Besonderheiten dieser sich neu herausbildenden musikalischen Welt zählt das Überschreiten von Grenzen. Solche zwischen Kontinenten und solche zwischen Genres. Den
Hochmut einer Alten Welt gibt es unter Schlagzeugern nicht. Ihr Instrumentarium stammt
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zum überwiegenden Teil aus den Ländern Afrika
und Asiens, wo Schlagzeugklänge eine uralte
Tradition haben. Und das Schlagzeug ist fester
Bestandteil von Rock- oder Jazz-Gruppen. Ein
Perkussionist hat so eine fast zwangsläufige
Nähe zu allem, über das man im klassischen
Musikbetrieb lange die Nase gerümpft hat.
Typisch für den Schlagzeuger Martin Grubinger
ist ein leidenschaftliches – sehr deutlich auch
politisch gemeintes – Bekenntnis zu Mulikulturalität, Weltoffenheit und Toleranz. Auch das
Programm des heutigen, ausschließlich aus
Werken asiatischer Komponisten zusammengesetzten Konzerts legt über diese internationale Dimension der Musik für Schlagzeug ein
sprechendes Zeugnis ab.
„Die Musik von Tan Dun ist genau diejenige,
die wir heute brauchen, wo der Osten und der
Westen zu unserer einen gemeinsamen Heimat
verschmelzen“, brachte einmal John Cage die
Bedeutung seines chinesischen Kollegen auf
den Punkt. „Ich bin stets beeindruckt von der
Ausdehnung seiner musikalischen Vorstellungskraft“, schwärmte auch der Japaner Tōru
Takemitsu. „Durchaus avantgardistisch ausgerichtet, offenbart uns seine Musik die Stimme
der menschlichen Seele.“ – Im Sommer 2012
wurde Tan Dun u. a. für seine Verdienste um
die grenzüberschreitende Verbindung europäischer und asiatischer Traditionen sowie
aufgrund seiner spartenübergreifenden Weltbedeutung der renommierte Bach-Preis der
Hansestadt Hamburg überreicht. Für sein
Gastdirigat in der Laeiszhalle hatte der NDR
bei Tan ein neues Konzert für Schlagzeug
Tan Dun
und Orchester in Auftrag gegeben. Weil Martin
Grubinger sich verletzt hatte, musste die
Uraufführung damals entfallen; im heutigen
Konzert wird sie nachgeholt.
Ebenso poetisch wie rätselhaft ist der Untertitel, „Tears of nature“ (Tränen der Natur), den
Tan Dun seinem neuen Konzert gegeben hat.
Die Suche nach dem Ursprung dieses Titels
führt 14 Jahre zurück zu Tans erstem „Schlagzeug“-Konzert. In Verbindung mit seinem Water
Concerto für Wasser-Perkussion und Orchester
von 1998 hatte Tan erklärt: „Wasser gleicht
Tränen der Natur“. Gewidmet war das Water
Concerto dem Andenken von Tōru Takemitsu.
Und das mit gutem Grund, hatte Takemitsu
der Karriere des jungen Kollegen doch kurz vor
seinem Tod noch einen kräftigen Schub gegeben: Als Träger des Glenn-Gould-Prize 1996
durfte der japanische Altmeister einen jungen
Künstler für den Nachwuchspreis vorschlagen:
Seine Wahl fiel auf Tan Dun.
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Drei Konzerte für Perkussions-Instrumente und
Orchester hatte Tan bis dato komponiert: das
Water Concerto (1998), das Paper Concerto
(2003) und das Earth Concerto für Stein- bzw.
Keramik-Instrumente (2009). Sie alle gehören
zu Tans „Organic Music“, bei der die Solisten
nicht klassische Musikinstrumente, sondern
Naturmaterialien zur Klangerzeugung nutzen.
In Tans neuem Schlagzeug-Konzert bilden solche Naturklänge lediglich noch den Rahmen:
Mit Steingeklapper steigen Solist und Orchesterschlagzeuger ins Geschehen ein, und mit
Wassertropfen-Klängen endet die Coda des
dritten Satzes. Der Raum dazwischen gehört
einer Tour de force des Solisten durch einen
Parcours klassischer Schlaginstrumente:
Pauken, Marimba, diverse Trommeln, Vibraphon
und Glockenspiel. Doch nicht nur der Solist
hat eine Kollektion von Instrumenten zu bedienen, hinzu kommen vier Orchesterschlagzeuger,
die u. a. Kuhglocken, Autobremstrommeln,
tibetanische Klangschalen und ein Aquaphon
anschlagen, reiben, streicheln oder betröpfeln.
Die auffälligste Gemeinsamkeit zwischen Tan
Dun und seinem Mentor Takemitsu ist sicher
ihr weiter Musikbegriff: Auch Tan deckt in seinem Schaffen von der experimentellen Avantgarde bis zum populären Großformat sämtliche
Facetten zeitgenössischen Komponierens ab.
Es gibt aus seiner Feder von John Cage inspirierte Klangkunst wie das Ritual „The Pink“,
bei dem die Erregungskurve eines Liebesaktes
mit den Klängen raschelnden, reißenden und
knisternde Papiers nachgebildet wird. Am anderen Ende des Spektrums stehen massen8
Tan Dun mit Wasser-Percussion
kompatible Werke wie die Oscar-prämierte
Filmmusik zu „Crouching Tiger, Hidden Dragon“,
eine „Internet Symphonie“ oder die „Buddha
Passion“. Für diese aufwändigste seiner „organischen Musiken“ schuf Tan aus Orchesterklängen und Naturgeräuschen wie Wind und
Steinschlag die Klangkulisse für das größte
Tourismus-Event der Provinz Henan: eine monumentale Freiluft-Show von 1000 Kung-fukämpfenden und singenden Shaolin-Mönchen.
Seine neue Ouvertüre „Atonal Rock n’ Roll:
Of Youth“ schrieb Tan Dun als Auftragskomposition für das 15-jährige Bestehen des Beijing
Music Festivals, das sich in diesem Jahr anlässlich des 100. Geburtstages von John Cage
der besonderen Beziehung zwischen den beiden Komponisten und der damit verbundenen
gegenseitigen Beeinflussung östlicher und
westlicher Avantgarde widmete. Als Student
in New York war Tan häufiger Gast in Cages
Apartment, wo die beiden nicht nur über chinesische Philosophie und Musik sprachen,
sondern ihre Liebe zu allem Experimentellen
auch in der Zubereitung von Pilzen auslebten ...
Während des Festivals im Oktober 2012 präsentierte Tan kürzlich nicht nur eine eigene
Variante des legendären Cage-Stücks „4’33“,
sondern am 21. Oktober auch seine neue, rund
12-minütige Ouvertüre für Orchester mit ungewöhnlicher Beteiligung eines Rock-Drumsets.
Hatte Tan etwa schon in seinem Violinkonzert
„The Love“ (2009) den Blick zurück auf die
jugendlichen Erlebnisse seiner Studienzeit in
New York gelenkt, so spiegelt auch „Atonal
Rock n’ Roll“ Stimmungen und Ideen dieser
entscheidenden, für ihn persönlich vor allem
auch von der Beschäftigung mit westlicher
Avantgarde gekennzeichneten Lebensphase.
„Man sagt ja, dass ein Mensch mit 15 Jahren
seine Jugend erreicht hat“, kommentiert Tan
Dun. „Das ist eine Zeit der Träume, Leidenschaften, Revolutionen und Innovationen. Ich
verwende Rock n‘ Roll, um diese Träume und
Leidenschaften zu porträtieren. Die Atonalität
wiederum, die im 20. Jahrhundert entwickelt
wurde, zollt der Idee von Revolution und Innovation Tribut.“ Das Hauptmotiv der Ouvertüre
ist nichtsdestotrotz eine Melodie der traditionellen Peking-Oper. „Das Werk ist ein Geschenk
für das Beijing Music Festival – da kann ich
doch nicht in Mozarts, Beethovens oder
Tschaikowskys Stil schreiben! Stattdessen muss
ich das Werk auf zeitgenössisch chinesische
Weise entwerfen.“
Für seine alle erdenklichen Stile, Formate und
Medien mit einbeziehende Kunstauffassung
hat Tan im Übrigen eine einfache und griffige
Formel gefunden: 1 + 1 = 1. Aus Vielheit soll
Einheit werden, dies besagt Tans Credo – das
er in Worten, Musik und als T-Shirt-Aufdruck
verbreitet. Dementsprechend verarbeitet der
Hamburger Bach-Preisträger 2011 in seiner
Musik nicht nur musikalische Stil-Fundstücke
aus aller Herren Länder, von Puccinis OpernGestus über die Gypsy Kings bis zur Musik der
ethnischen Minderheiten Chinas, sondern er
produziert auch immer wieder für die globalen
Massenmedien: Sein sinfonisches Mosaik
„2000 Today: A World Symphony for the Millenium“ etwa, das zum Jahreswechsel 1999/2000
von der BBC in Auftrag gegeben und der
Datumsgrenze folgend von 55 Radiostationen
rund um den Globus ausgestrahlt wurde,
hörten weltweit rund 1 Milliarde Menschen.
***
Was Grubinger damit meint, die „melodische
Linie“ beim Trommeln herauszubringen, zeigt
das Stück „Thirteen Drums“ für 13 unterschiedlich hohe (aber nicht auf einen bestimmten Ton
gestimmte) Trommeln des japanischen Komponisten und Dirigenten Maki Ishii. Über einem
treibenden Puls liegt hier eine melodische
Linie akzentuierter Trommelschläge. Der 2003
verstorbene Ishii war – ähnlich wie Takemitsu
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Kenzaburo Oes Novelle „Der kluge Regenbaum“
(1980). Das tropische Mimosengewächs, dessen
Blätter sich bei Regen zusammenziehen und
Wasser speichern, so dass es auch nach dem
nächtlichen Schauer unter dem Baum immerfort regnet, erscheint dort als Metapher für den
ewigen Kreislauf des Wassers – eine Thematik,
der Takemitsu auch in zahlreichen weiteren
Kompositionen nachspürte.
Unter dem Blätterdach eines Regenbaums
und Tan – ebenfalls ein Wanderer zwischen den
kontinentalen und stilistischen Welten: Er studierte in Berlin u. a. bei Boris Blacher und zeigte
sich zunächst stark von der europäischen Avantgarde beeinflusst, bevor er nach Japan zurückkehrte, um sich hier verstärkt der traditionellen
Musik seines Heimatlandes zuzuwenden.
„Ich würde mich gerne in zwei Richtungen auf
einmal entwickeln, als Japaner, was die Tradition, als Westler, was die Neuerungen betrifft.“
Wie kaum ein zweiter Komponist stand auch
Tōru Takemitsu für eine Synthese aus Ost und
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West ein. Traditionelle japanische Ideen von
Meditation und Statik verbinden sich in seinem
Werk mit Konzepten der europäischen Moderne.
Insbesondere die Musik der Franzosen Claude
Debussy und Olivier Messiaen hat auf Takemitsu
stets inspirierend gewirkt, woher letztlich der
für seine Tonsprache entscheidende Parameter
der Klangfarbe rührt. Es war seine Vision, Klänge
als „lebende Wesen“ freizulassen – ein Credo,
das geradezu auf die Komposition von Werken
für Schlagzeug ausgerichtet scheint. Takemitsus
Percussion-Trio „Rain Tree“ (1981) basiert
auf der Beschreibung eines Regenbaums in
Eine ganz ähnliche symbolische Bedeutung
haben in Keiko Abes kompositorischer Poetik
die Wellen: Sie verwischen die Spuren vorübergehender Begegnungen im Sand, rufen jedes
Mal eine Art Wiedergeburt des Erlebnishorizonts
hervor und weisen doch durch ihren seit
Jahrtausenden ewig gleichen Klang auf etwas
Unveränderliches, eine überzeitliche Einheit
hin. Viele Werke Abes tragen das Wort „Wave“
im Titel – so auch das Marimba-Concertino
„The Wave“ für Solo-Marimba und vier Schlagzeuger, die ein ganzes Arsenal verschiedener
Schlagwerk-Instrumente bedienen. Die japanische Perkussionistin Keiko Abe ist die Grande
Dame des Marimbaphons. Niemand hat in den
vergangenen Jahrzehnten so viel zur Entwicklung dieses Instruments beigetragen wie sie.
Die Erweiterung des Umfanges zum modernen,
fünf Oktaven umfassenden Konzert-Marimbaphon geht auf ihre Zusammenarbeit mit einem
großen Instrumentenhersteller zurück. Als
Auftraggeberin und Interpretin zahlreicher
Neukompositionen hat sie wesentlich zur Weiterentwicklung des Repertoires und der Spieltechnik dieses Instruments beigetragen.
Und wer es unter den Marimbaspielern heute
Keiko Abe am Marimbaphon (1988)
zu internationalem Renommee gebracht hat,
ist durch ihre Schule gegangen: Evelyn Glennie
und auch Martin Grubinger zählen zu ihren
Meisterschülern. In ihrer kompositorischen
Arbeit geht Abe meist von der Improvisation
aus, Grundlage vieler ihrer Werke sind einfache Lieder. Das im Jahr 2000 entstandene
Concertino „The Wave“ wird indes mit einem
energetischen Diskurs zwischen den Instrumenten mit festgelegter Tonhöhe und denjenigen ohne melodische Stimmung eröffnet.
Kontrastierend folgt darauf ein feierlicher Choral, der von der Pauke und frei schwebenden
Becken gestützt wird. Die anschließende
Kadenz lässt ausreichend Raum, die ganze
musikalische und dynamische Bandbreite des
Schlagzeugs zu präsentieren. Ein von drängenden Triolen beherrschter Abschnitt beendet
das Werk.
Ilja Stephan / Julius Heile
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Konzertvorschau
NDR Sinfonieorchester
DIE NÄCHSTEN KONZERTE
IN LÜBECK
L4 | Fr, 18.01.2013 | 19.30 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Michael Gielen Dirigent
Mihoko Fujimura Mezzosopran
Damen des NDR Chores
Knabenchor Hannover
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 3 d-Moll
DAS NÄCHSTE KONZERT MIT
MARTIN GRUBINGER
L5 | Fr, 15.02.2013 | 19.30 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Lawrence Foster Dirigent
Arcadi Volodos Klavier
Gabriel Fauré
Pélleas et Mélisande –
Suite op. 80
Maurice Ravel
Klavierkonzert G-Dur
Paul Dukas
Sinfonie C-Dur
L6 | Fr, 22.02.2013 | 19.30 Uhr
Lübeck, Musik- und Kongresshalle
Sakari Oramo Dirigent
Alina Pogostkina Violine
Hector Berlioz
Les Francs-juges –
Ouvertüre op. 3
Jean Sibelius
Violinkonzert d-Moll op. 47
Richard Strauss
Also sprach Zarathustra –
Sinfonische Dichtung op. 30
KA3 | Fr, 14.06.2013 | 20 Uhr
Hamburg, Kampnagel
Andrés Orozco-Estrada Dirigent
Martin Grubinger Percussion
HK Gruber
„into the open ...“
for percussion and orchestra
Sergej Rachmaninow
Sinfonische Tänze op. 45
Nikolaj Rimsky-Korsakow
Capriccio espagnol op. 34
Michael Gielen
Andrés Orozco-Estrada
Arcadi Volodos
Alina Pogostkina
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13
Impressum
Saison 2012 / 2013
Foto: Comstock
Herausgegeben vom
NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK
PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK
BEREICH ORCHESTER UND CHOR
Leitung: Rolf Beck
Redaktion Sinfonieorchester:
Achim Dobschall
Redaktion des Programmheftes:
Julius Heile
Den Einführungstext schrieb Dr. Ilja Stephan
für das Schleswig-Holstein Musik Festival.
Die Ergänzungen von Julius Heile sind
Originalbeiträge für den NDR.
Fotos:
Chris Lee (S. 4)
Felix Broede (S. 5, S. 13 links)
James Salzano (S. 7)
Tan Dun Online (S. 8)
picture alliance | KEYSTONE (S. 10)
picture alliance | akg-images (S. 11)
Jacques Lévesque (S. 12 links)
Uwe Arens | Sony Classical (S. 12 rechts)
Werner Kmetitsch (S. 13 rechts)
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NDR Variationen
5 Konzerte zum Verschenken
Ob Mahlers Dritte, hochvirtuose barocke Kastratenpartien,
Grenzen sprengende Jazz-Klänge, sechzehnstimmige, das Publikum umhüllende
Chorklänge, „Alice in Wonderland“, phänomenale Nachwuchssolisten,
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NDR | Markendesign
Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg
Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.
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Zur Auswahl stehen Konzerte aus folgenden Reihen:
NDR Sinfonieorchester in der Laeiszhalle | NDR Sinfonieorchester auf Kampnagel
NDR Chor | NDR Das Alte Werk | NDR das neue werk | NDR Podium der Jungen
NDR Jazz | NDR Kammerkonzerte | NDR Familienkonzerte
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