2.1 Grundwissen 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 23 Dies kann in Figur 2.12 eingezeichnet werden, und zwar im unteren Teilbild als Extrapolation der Parabel des Meissnerzustandes bis zum Schnittpunkt mit der Geraden F=FNL, und im oberen Teilbild durch die skizzierte Konstruktion mit Flächengleichheit (A1=A2). Die Angabe von Bcth folgt aus rein praktischen Gründen, z.B. wenn die Magnetisierungsarbeit (=Fläche unter der Magnetisierungskurve) bestimmt werden soll ist es nützlich, das Integral eines fiktiven SL 1.Art zu verwenden. Somit gilt formell auch für den Supraleiter 2. Art: B2 FNL − FSL (0) = V cth 2µ 0 (2.2) Bisher wurde nur der Unterschied der Helmholtzschen Freien Energie mit und ohne Feld betrachtet. Es galt: Ba FSL ( Ba ) − FSL (0) = V ∫MdBa/ 0 Der Ausdruck rechts vom Gleichheitszeichen beschreibt hierbei die magnetische Dipolenergie im Feld Ba. Um die Freie Energie des Normalleiters zu bestimmen, verwendet man beim SL 1. Art: Ba=Bc=Bcth bzw. beim SL 2. Art: Ba=Bcth. Somit gilt für beide: 2 Bcth 2µ 0 Diese Angabe ist für den SL 1. Art wirklich gültig und für den SL 2. Art per Definition von Bcth erfüllt. FNL − FSL (0) = V Die Freie Energie im Nullfeld hängt ab von der inneren Energie, der Temperatur und der Entropie, weshalb nun auf die Entropie des Supraleiters eingegangen wird. 2.1.3.2 Die Entropie des Supraleiters Ist kein Feld vorhanden, so gilt sowohl für die Freie Energie des Supraleiters als auch für die Freie Energie des Normalleiters: F=U-TS wobei U die innere Energie, T die Temperatur und S die Entropie ist. Das Differential ist dann gegeben mit: dF=dU-TdS-SdT Nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik gilt für dU: dU=δ Q-dW Dabei beschreibt δ Q die zugeführte Wärme und dW die vom System geleistete mechanische Arbeit. In der Regel leistet der Supraleiter keine mechanische Arbeit, weshalb dW = 0 angenommen wird. Somit gilt für die innere Energie: dU=δ Q 2.1 Grundwissen 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 24 Die zugeführte Wärme δQ kann man über die Entropie ausdrücken (2. Hauptsatz der Thermodynamik): δQreversibel dS = ⇒ δQ = TdS ⇒ dU = TdS T Somit läßt sich die Freie Energie angeben als: dF=TdS-TdS-SdT=-SdT bzw. S =− dF dT Dies gilt im Falle des Nullfeldes sowohl für den Supraleiter als auch für den Normalleiter. Es muß nur die entsprechende Freie Energie (FNL bzw. FSL) eingesetzt werden. Es soll dies nun auf die Entropiedifferenz zwischen NL und SL angewendet werden. Es gilt: S NL − S SL ( B = 0) = − d ( FNL − FSL (0)) dT FNL-FSL(0) wurde bereits in Formel 2.2 definiert. Dies eingesetzt ergibt: S NL − S SL (0) = − V d 2 Bcth 2 µ 0 dT Der Verlauf von Bcth ist bekannt. Nun kann qualitativ daraus der Ausdruck für die Entropiedifferenz bestimmt werden. Dies ist in Figur 2.13 gezeigt. Teilbild a) zeigt den gewohnten Verlauf des thermodynamischen kritischen Feldes in Abhängigkeit von der Temperatur. Wie später gezeigt wird, mündet die Tangente an die Kurve bei 2 T=0 waagerecht ein. In Bild b) ist der Verlauf von Bcth angegeben. Der lineare 2 Verlauf von Bcth bei Tc bedingt nun einen parabelförmigen Anstieg von Bcth . Nach 2 einem Wendepunkt geht Bcth für T → 0 wieder in Sättigung über. In Figur c) ist 2 schließlich die Ableitung von Bcth nach der Temperatur mit umgekehrten Vorzei-chen gegeben. Für den parabelförmigen Verlauf von b) bei Tc erhält man bei Ableitung einen linearen Anstieg. Die Kurve in c) durchläuft dann ein Maximum beim Wendepunkt von b). Aus dieser qualitativen Betrachtungsweise kann gefolgert werden: a) T=0: Nach dem Satz von Nernst gilt, daß die Entropie S→ 0 geht, wenn T→ 0 geht. (3. Hauptsatz der Thermodynamik; Bedingung: es muß sich ein Gleichgewicht einstellen). Damit ist die Entropie des Normalleiters und die des Supraleiters Null. Es gilt also: SNL-SSL(0)=0. Die Kurve (Bild c)) muß also für T=0 in den Nullpunkt laufen. Somit ergibt sich die bereits erwähnte waagrechte Tangente sowohl in Bild b) als auch in Bild a) bei T=0. 2.1 Grundwissen 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 25 Fig. 2.13: qualitative Ableitung des Verlaufes der Entropiedifferenz SNL-SSL b) 0<T<Tc: Die Entropiedifferenz SNL-SSL ist in diesem Fall positiv. Dies bedeutet, daß der NL weniger geordnet ist als der SL. Also kondensiert der NLZustand in den geordneteren SL-Zustand. c) T=Tc: Bei Tc ist ein Verschwinden der Entropiedifferenz zw. NL und SL festzustellen. Die Entropie des SL-Zustandes nähert sich der des NLZustandes an. Am Phasenübergang (T=Tc) gilt ∆S=0, weshalb die latente Wärme (=Übergangswärme) nach ∆Qlatent =Tc∆S ebenfalls Null ist. Dies bedeutet, daß der Phasenübergang nicht mit gespeicherter Energie verbunden ist, oder anders ausgedrückt: es liegt kein Phasenübergang 1. Ordnung vor. Um festzustellen, ob es sich um einen Phasenübergang zweiter Ordnung handelt, ist es nötig, die Ableitung der Wärme nach der Temperatur zu bilden. Das Ergebnis ist dann die Wärmekapazität. 2.1 Grundwissen 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 26 2.1.3.3 Die Wärmekapazität eines Supraleiters: Sie ist definiert als: C= dQ dS =T dT dT Im Gegensatz zu Gasen, wo zwischen einer spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck cp bzw. konstantem Volumen cv unterschieden wird, wird hier aufgrund der zu vernachlässigenden Volumenänderung nur eine spezifische Wärmekapazität angegeben. (Die Wärmeausdehnung ist vernachlässigbar, weshalb keine mechanische Arbeit geleistet wird ⇒ cp=cv.) Es soll nun die Differenz der Wärmekapazität zwischen SL und NL angegeben werden. Es gilt: d C SL (0) − C NL = T (S SL (0) − S NL ) dT Dies wird wieder graphisch veranschaulicht (s. Fig. 2.14). (Beachte: Im Gegensatz zu Fig. 2.13 wurde SSL-SNL aufgetragen.) Fig. 2.14: Differenz der Wärmekapazität zwischen SL und NL graphisch abgeleitet. In Bild a) ist die Entropiedifferenz von Fig. 2.13 gegeben. Teilbild b) zeigt qualitativ die Ableitung der Kurve von a). Das Minimum in a) ist in b) als Nulldurchgang erkennbar. Bei T=0 bzw. T=Tc ist in b) die Kurve maximal, da in a) an diesen Punkten die maximale Steigung vorliegt. Die Differenz der Wärmekapazität ist durch Multiplikation von b) mit der Temperaturgeraden gegeben (s. Bild c)). Da die Temperaturgerade durch den Ursprung geht, folgt aus der Multiplikation, daß bei T=0 ∆C=0 ist. Außerdem ist ∆C für T>Tc Null. 2.1 Grundwissen 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 27 Die Wärmekapazität des Normalleiters ist aus der Festkörperphysik bekannt. Sie setzt sich bei Metallen aus dem elektronischen und dem phononischen Anteil zusammen. Für Temperaturen weit unterhalb der Debyetemperatur gilt: CNL=γT+A T ³ wobei γ T den elektronischen und AT³ den phononischen Anteil repräsentiert. Meist bezeichnet man γauch als den Sommerfeldparameter. Zieht man von CNL den phononischen Anteil ab, so erhält man den rein elektronischen Anteil, wie er in Figur 2.15 gezeigt ist (punktiert). Fig. 2.15: Wärmekapazität eines SLs bzw. NLs Nach 2.14 ist der Verlauf von ∆C=CNL-CSL bekannt. Mit dem Verlauf der Wärmekapazität des NL kann daraus die Wärmekapazität des SL (s. Fig. 2.15) angegeben werden. Sie liegt zunächst unterhalb der des NL. Mit zunehmender Temperatur schneidet sie jedoch die Gerade. Wird die kritische Temperatur erreicht, kommt es zu einem Sprung in der Wärmekapazität des SL. Immer wenn ein Sprung in der Wärmekapazität zu verzeichnen ist, und wenn keine latente Wärme auftritt, spricht man von einem Phasenübergang 2. Ordnung. Dieser Sprung ist direkt meßbar, wie das Beispiel in Fig. 2.16 zeigt. Hier ist die spezifische Wärmekapazität von Al sowohl im NL als auch im SL Zustand gezeigt. Den NL Zustand für tiefe Temperaturen erzwingt man dabei durch ein äußeres Magnetfeld, Fig. 2.16: Verlauf der spezifischen Wärmekapazität von Al im NL und SL Zustand. Deutlich ist der Sprung in der spezifischen Wärmekapazität zu erkennen. 2.1 Grundwissen 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 28 das größer ist als das kritische Feld. Im Normalleiter hat das Magnetfeld keinen Einfluß auf die Wärmekapazität. Da die Sprungtemperatur in Aluminium sehr tief liegt (1.2 K), ist hier der phononische Anteil zur spezifischen Wärmekapazität sehr gering. Nach der BCS-Theorie gilt für den Sprung der spezifischen Wärmekapazität bei Tc: ∆C (Tc ) = 1,43 γ Tc wobei γ Tc=CNL(Tc) ist. Tabelle 2.1 zeigt zum Vergleich experimentell bestimmte Werte. Für viele Metalle ist die Übereinstimmung recht gut. Einige zeigen aber Abweichungen. Dies sind die sog. “stark koppelnden” Supraleiter. Tab. 2.1: Sprungverhältnis der Wärmekapazität für unterschiedliche Elemente. Bei Hochtemperatursupraleitern ist ebenfalls ein Sprung in der Wärmekapazität vorhanden. Aufgrund der höheren Temperaturen trägt in diesem Fall der phononische Anteil stärker bei. Das Debyesche T³-Gesetz ist nicht mehr gültig. Figur 2.17 zeigt einen Verlauf der spezifischen Wärmekapazität für zwei HTS-Materialien. Man erkennt einen kleinen Sprung der spezifischen Wärmekapazität bei Tc. Schätzt man den rein elektronischen Anteil ab, so gilt für das Verhältnis: ∆C (Tc ) = 1− 2 γ Tc Die BCS – Theorie ist also wieder in etwa erfüllt. 2.1 Grundwissen Fig.: 2.17: 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 29 Verlauf der spezifischen Wärmekapazität für einen HTS. Auch hier ist ein Sprung in der spezifischen Wärmekapazität des SL zu erkennen. Allerdings wird die Messung durch den phononischen Anteil stark beeinträchtigt. Betrachtet man den Verlauf der spezifischen Wärmekapazität von Fig. 2.16 nochmals, so erkennt man, daß für T nicht zu weit unterhalb von Tc die spezifische Wärmekapazität des SL höher als die des NL ist. Dies ist typisch für einen Phasenübergang 2. Ordnung. Die Kondensationswärme verteilt sich über einen ganzen Bereich. Dies bedeutet, daß ab Tc innerhalb eines Temperaturintervalls eine allmähliche Kondensation der Elektronen zu Paaren stattfindet. Die Ordnung stellt sich erst allmählich ein. Anmerkung: Vergleiche dazu das Schmelzen von Eis (Phasenübergang 1. Ordnung). Hier kommt es bei einer bestimmten Temperatur zu einem Übergang von der festen in die flüssige Phase. Erst wenn die gesamte Masse flüssig ist, erhöht sich die Temperatur weiter. Für tiefere Temperaturen T→ 0 wird die spezifische Wärmekapazität des SL sehr klein. Die Elektronen sind fast alle gebunden. Man spricht davon, daß sie im Grundzustand „ausgefroren“ (=geordnet) sind. Der SL hat keine Entropie mehr und kann deshalb keine Wärme mehr aufnehmen. Hierzu sollen genaue Messungen von metallischen Supraleitern (=Tieftemperatur SL) und oxidische SL (=Hochtemperatursupraleitern) betrachtet werden. 2.1 Grundwissen 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 30 a) metallische Supraleiter: Figur 2.18 zeigt den Verlauf der spezifischen Wärmekapazität für die metallischen Supraleiter Vanadium und Zinn. Aufgetragen ist die spezifische Wärmekapazität des SL normiert auf die Wärmekapazität des NL als Funktion von Tc/T. Man erkennt, daß ein exponentielles Ausfrieren der Elektronen vorliegt. Der Verlauf läßt sich durch eine logarithmische Gerade anpassen. Fig. 2.18: spezifischen Wärmekapazität im SL ohne Feld als Funktion von Tc/T (Buckel) Die logarithmische Gerade läßt sich darstellen als: C∝e − ∆ k BT Bei dieser Messung war ∆≈1,5 kbTc. Die BCS Theorie liefert einen Wert von 1.73. Diese Aktivierungsenergie ∆, die wir später als Energielücke (energy gap) identifizieren, ist also in der Größenordnung der thermischen Energie bei Tc. Ein solches exponentielles Ausfrieren läßt sich nur bei metallischen SL finden. b) Oxidische Supraleiter (HTS): Diese zeigen ein Potenzgesetz beim Ausfrieren: C SL ∝ T α α :1 - 2 Je sauberer der SL, d.h. je weniger Defekte der Einkristall hat, desto mehr nähert sich α dem Wert 1 an. Dieses Verhalten weist auf eine anisotrope Energielücke hin. Sie ist richtungsabhängig im k-Raum. Diese Richtungsabhängigkeit im HTS entspricht einem d x 2 − y 2 − Orbital. Aus diesem Grund spricht man bei den HTS auch von d-Wellen SL. Fig. 2.19 zeigt dies schematisch. Fig. 2.19: Richtungsabhängigkeit der Energielücke im k-Raum. 2.1 Grundwissen 2.1.3. Thermodynamik des Supraleiters 31 Entlang der Knotenlinien gilt, daß die Energielücke = 0 ist. Dies bedeutet, daß sich dort nicht kondensierende Elektronen aufhalten können. Aus diesem Grund erhält man eine schwächere (Potenzgesetz statt exponentielles Verhalten) Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität. Die Elektronen frieren langsamer aus. Bemerkung: Generell gilt, daß je tiefer die Temperatur ist, desto besser sind die supraleitenden Eigenschaften. Dies gilt nicht nur für ein äußeres Magnetfeld, sondern wie in Fig. 2.20 gezeigt auch für den Strom. Es wird dabei analog zum kritischen B-Feld eine sog. kritische Stromdichte jc definiert. Fig. 2.20: Abhängigkeit der kritischen Stromdichte bzw. des kritischen Magnetfeldes von der Temperatur. Die Wirkung des Stromes liegt dabei in seinem magnetischen Selbstfeld, welches den gleichen Einfluß wie ein äußeres Magnetfeld auf den Supraleiter hat. Damit erhält man ein einfaches Bild für die Elektronen im SL. Nebeneinander gibt es in allen SL zwei Sorten von Elektronen, nämlich a) kondensierte, supraleitende Elektronen ohne Widerstand und ohne Entropie, die sog. Supraflüssigkeit. b) unkondensierte, normalleitende Elektronen mit Entropie und mit Widerstand, die sog. Normalflüssigkeit. Da beide Sorten von Elektronen im Metall parallel geschaltet sind, werden die normalleitenden durch die supraleitenden Elektronen kurzgeschlossen. Nur bei hohen Frequenzen, bei denen die Beschleunigungskräfte für die supraleitenden Elektronen merklich werden, ist der Kurzschluß nicht mehr vollständig, und es läßt sich ein Widerstand messen. Dieses sog. 2-Flüssigkeits-Modell wurde ca. 1930 von Gorter und Kasimir vorgeschlagen. Es ist auch heute noch nützlich, z.B. für die Berechnung des Widerstandes von HTS für Mikrowellenfilter. Die BCS-Theorie hat auch gezeigt, daß es tatsächlich 2 Sorten von Elektronen im Supraleiter gibt, die Paare und die einzelnen Elektronen. Doch sind diese nicht so unabhängig voneinander, wie dies von Gorter und Kasimir angenommen wurde. Wir wollen uns zunächst mit der „Supraflüssigkeit“, also den Paaren, näher beschäftigen. 2.2 Supraflüssigkeit 2.2.1. Einführung 2.2 Supraflüssigkeit 2.2.1 Einführung 32 2.2.1.1. Elektronenpaare 1935 erklärte F. London, daß das Kondensat nicht mit klassischer Physik beschreibbar ist, sondern er postulierte eine quantenmechansiche Phänomenologie für die SL. Darin bezeichnete er das Kondensat als eine makroskopische Wellenfunktion mit einer Phase. Dies versteht man besser, wenn man im Vorgriff auf die BCS-Theorie die Eigenschaften von Elektronenpaaren betrachtet. Betrachten wir zunächst ein einzelnes Elektronenpaar mit Elektronen am Ort r1 bzw. r2. Um einen gebundenen Zustand zu erlangen, wird eine anziehende Wechselwirkung benötigt. Diese Wechselwirkung ist nur vom Abstand zwischen den Elektronen (r1-r2) abhängig. Zusätzlich fordern wir noch, daß die Spins antisymmetrisch sein sollen. Dies hat den Vorteil, daß wir eine symmetrische (und dadurch einfachere) Ortswellenfunktion erhalten. Die daraus resultierende 2-Teilchenwellenfunktion läßt sich angeben mit: Y(r1,r2) = y1(r1)y2(r2) Dies ist vergleichbar mit dem 2-Körper Problem der klassischen Mechanik. Entsprechend zu der dort eingeführten Aufteilung in eine Schwerpunktskoordinate rs und eine Relativkoordinate rr, r r r r r r + r r r r r1 , r2 → rs = 1 2 ; rr = r1 − r2 2 kann man hier die Wellenfunktion separieren: (s. z.B. Schwabl QM: Kap. 6.4) Y(r1,r2) = F(rs )y(rr) wobei F(rs ) die Schwerpunkt-Wellenfunktion und y(rr) die Relativ-Wellenfunktion ist. Als Beispiel sei hier das Wasserstoffatom angeführt: Befindet man sich am Ort des Protons (≈Schwerpunkt), so entspricht die relative Wellenfunktion y(rr) dem Orbital des Elektrons. Die Schwerpunktsbewegung eines freien H-Atomes ist gegeben durch: rr r Φ (rs ) = e ik s rs Befindet sich das H-Atom in Ruhe, so ist ks=0. Dann bleibt nur noch: r Φ (rs ) = e iΘ Θ stellt dabei einen beliebigen Phasenwinkel dar. Daher genügt es in der Quantenmechanik nur die Relativkoordinaten zu betrachten. 2.2 Supraflüssigkeit 2.2.1. Einführung 33 Der Supraleiter enthält nun viele solche Paare. Da sie jeweils den Spin 0 besitzen, müssen wir uns fragen, ob sie als Bosonen angesehen werden können. Ein typisches Bosegas ist Heluium 4. Im Kern des 4He sind 4 Fermionen mit Spin 0 gebunden. Die Elektronen bilden eine abgeschlossene Edelgasschale, haben also ebenfalls Spin 0. Der Durchmesser des He-Atoms beträgt ca. 0,05 nm, der mittlere Abstand im flüssigen Helium bei Atmosphärendruck 0,36 nm. Die Nachbarn sind also genügend weit weg, so daß die innere Struktur des He-Atoms keine Rolle spielt und das ganze 6-Teilchen-System nach außen als Boson wirkt. Anders ist es aber für die Paare im Supraleiter. Hier ergibt sich folgende Abschätzung: Da die Elektronen relativ zueinander lokalisiert sind, entspricht Bahndurchmesser ihrer Ortsunschärfe ∆x. Nach der Unschärferelation der ∆x∆p ≈ h ist ∆x ≈ h /∆p. Da der Impuls mindestens gleich seiner Unschärfe ist, benötigt man zur Lokalisierung die Mindestenergie: p 2 (∆p ) ≈ 2m 2m 2 E kin = Diese nennt man auch die Lokalisierungsenergie. Sie ist z.B. im H-Atom dafür verantwortlich, daß das Elektron nicht in den Kern stürzen und dadurch potentielle Energie gewinnen kann. Hier steht zur Lokalisierung nur die geringe Paarbindungsenergie ∆SL ≈kBTc zu Verfügung. Dies ergibt die Abschätzung: ∆p ≈ 2mk B Tc bzw.: ∆x ≈ h 2mk B Tc Setzt man z.B. eine kritische Temperatur von 10 K ein ergibt sich ein Bahnradius von ca. 40 nm. Im allgemeinen bezeichnet man den Druchmesser der Paare als Kohärenzlänge x. In realen SL gilt als Größenordnung für diesen Durchmesser - Metallische SL: - oxidische SL: 10 nm 1,5 nm Das in der Abschätzung erhaltenen Ergebnis ist also innerhalb der gleichen Größenordnung wie die Meßwerte für metallische SL. 2.2 Supraflüssigkeit 2.2.1. Einführung 34 Die Relativ-Wellenfunktion (=Orbital) eines Paars nach der BCS-Theorie ist in Figur 2.21 dargestellt. Fig. 2.21: Relativ-Wellenfunktion eines Paares In Metallen ist die Elektronenkonzentration in etwa: N ≈10 23 cm − 3 V Dies entspricht einem mittleren Abstand von 0,2 nm. Innerhalb eines Kohärenzvolumens ∼ x³ (d.h. das Volumen eines Paares) ergeben sich somit 105 Paare in metallischen SL bzw. 103 Paare in oxidischen SL. Es liegt also eine starke gegenseitige Durchdringung der Paare vor. Die Paare wirken daher für ihre Nachbarpaare nicht als Bosonen, sondern ganz wesentlich als Fermionen, die sich auf der 0,2 nm Skala gegenseitig aus dem Wege gehen, wie im Normalleiter. Torzdem können sie auf der 10 nm-Skala Bose-ähnliches Verhalten zeigen, indem sie alle dieselbe Schwerpunkts-Wellenfunktion einnehmen. Dieser Zustand wird durch das Pauliprinzip sogar begünstigt. Nehmen wir an (s. Fig. 2.22), alle Paare bis auf eines (gestichelt) seien im selben Zustand der Schwerpunktsbewegung, hätten also dieselbe Geschwindigkeit. Dann kreuzt das einzelne Paar die Orte aller anderen, muß also in Zustände mit höherer kinetischer Energie ausweichen, um dem Pauliprinzip zu genügen („Pauli-Abstoßung“). Es ist also energetisch günstiger, wenn sich alle Paare gleich schnell bewegen, also alle dieselbe Schwerpunkts-Wellenfunktion haben. Dies ist tatsächlich der Grundzustand nach der BCS-Theorie oder die „makroskopische Wellenfunktion nach F. London“. Fig. 2.22: Schematische Darstellung der Schwerpunktsbewegung benachbarter Paare. Ein entgegengesetzt laufendes Paar müßte, um nicht den gleichen Zustand wie ein anderes Paar einzunehmen (Pauliprinzip) auf etwas höhere Energien ausweichen. 2.2 Supraflüssigkeit 2.2.1. Einführung 35 Die Bewegung aller Paare ist also gleich, d.h. quantenmechansich müssen alle die gleiche Schwerpunktsbewegung haben. Dies wiederum bedeutet, daß sie alle die gleiche Wellenfunktion und den selben Phasenfaktor rr r Φ (rs ) = e ik s rs aufweisen. Selbst in Ruhe (ks=0 – d.h. kein Stromfluß) muß trotzdem die gleiche Phase vorliegen. r Φ (rs ) = e iΘ Aus diesem Grund ist es möglich von einer makroskopischen Wellenfunktion zu sprechen. Diese läßt sich als kohärenter Zustand darstellen.