DEUTSCHES ÄRZTEBLATT ÜBERSICHTSAUFSATZ ,s-get mem gei Neeteentigerfla 11311MMINISIBIIIM11111111 Empfehlungen zur standardisierten Tumortherapie Maligne intraokulare Tumoren Norbert Bornfeld, Wolfgang Höpping, Winfried Alberti, Achim Wessing, Gerd Meyer-Schwickerath und Eberhard Scherer Aus der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde und der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie des Universitätsklinikums der Gesamthochschule Essen 1 Allgemein 2.1.2 Genetik Maligne intraokulare Tumoren sind vorwiegend auf die Uvea und die Retina beschränkt; maligne Tumoren der Sklera sind extrem selten. Wegen der erheblichen Unterschiede in bezug auf Erkrankungsalter, Symptome und Therapie werden maligne Tumoren der Uvea und Retina getrennt dargestellt. Das Retinoblastom tritt in einer erblichen und in einer nichterblichen Form auf. Charakteristisch ist, daß bei der hereditären Variante sehr oft multiple, separat wachsende Tumoren bestehen, während bei der nichterblichen Form sich nur ein Tumor entwickelt. Deswegen werden neben den familiären Retinoblastomen alle sporadisch auftretenden Retinoblastome, die bilateral auftreten, als genetische Neumutationen und somit als erblich angesehen. Der Erbgang ist autosomal-dominant mit hoher Penetranz. 2 Maligne Tumoren der Retina 2.1 Retinoblastom 2.1.1 Epidemiologie Beim Retinoblastom handelt es sich um einen seltenen malignen Tumor der Netzhaut bei Kindern in den ersten Lebensjahren. Nach jüngeren Statistiken wird die Häufigkeit pro Geburtsrate mit 1:16 000 angegeben. Obwohl dieser Tumor nur etwa ein Prozent aller kindlichen Malignome ausmacht, hat er wegen seiner genetischen Aspekte, des Auftretens nichtokularer maligner Zweittumoren und der relativen Häufigkeit spontaner Remissionen großes Interesse gefunden. 2784 Zwei bis drei Prozent der Kinder weisen eine Deletion des langen Arms des Chromosoms 13 q/14 auf. Diese Kinder bieten das Bild einer Dysmorphie mit zerebraler und statomotorischer Retardierung und anderen Fehlbildungen. 2.1.3 Diagnose und Klinik Da Retinoblastome auch bei großer Tumorausdehnung vorwiegend intraokular wachsen, können sie über längere Zeit symptomlos bleiben. Das Auge bleibt äußerlich unverändert. Den Eltern bleibt die Beeinträchtigung des (64) Heft 41 vom 8. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A Sehvermögens ihres Kindes verborgen oder macht sich allenfalls durch eine Schielstellung bemerkbar. Bei Kindern aus Familien mit bekanntem Retinoblastom ist häufig bereits in den ersten Lebenstagen eine Früherkennung der vererbten Erkrankung möglich und damit zu einem Zeitpunkt, wenn klinische Symptome noch fehlen. Bei unbehindertem Einblick auf den Augenhintergrund kann die Diagnose durch einfache Ophthalmoskopie gestellt werden. Sekundäre Veränderungen wie Glaskörpertrübung und Netzhautablösung können jedoch schon sehr früh die ophthalmoskopische Diagnose erschweren, so daß die Echographie und das Computertomogramm herangezogen werden müssen. 2.1.4 Therapie Es sind zwei grundsätzlich verschiedene Behandlungsstrategien zu diskutieren: die operative Entfernung des Tumors durch Enukleation des Auges und die bulbuserhaltende Therapie, die eine Inaktivierung des Wachstums und eine Erhaltung von Sehvermögen anstrebt unter der Voraussetzung, daß hierdurch kein Risiko quoad vitam eingegangen wird. Eine konservative Therapie ist nur dann sinnvoll, wenn vor Therapiebeginn noch funktionierende Netzhaut vorhanden ist. Bei einseitiger Erkrankung muß fast immer das befallene Auge enukleiert werden, bei den doppelseitig erkrankten meistens das stärker befallene Auge. *) Im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft sowie der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren (ADT), bearbeitet von Professor Dr. Dr. h. c. mult. Fritz Linder, Heidelberg, und Professor Dr. med. Horst Sack, Essen. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT lntraokulare Tumoren Als Therapieverfahren, die auch kombiniert eingesetzt werden, stehen die perkutane Strahlentherapie mit einer geeigneten Strahlenquelle (Linearbeschleuniger), Licht- und Kryokoagulation, Kontaktbestrahlungen mit radioaktiven Nukliden wie 60 Co, 125 Jod und 106 Ruthenium zur Verfügung. Chemotherapie wird bei Metastasen und als adjuvante Maßnahme bei bestimmten histologisch definierten Risikogruppen eingesetzt, bei denen der Tumor die Ebenen der Netzhaut durchwachsen und die Aderhaut, Sklera oder den Sehnerven infiltriert hat. Das Retinoblastom gilt im allgemeinen als strahlensensibel, obwohl bei vielen Patienten nach perkutaner Strahlentherapie mit 40 Gray wegen nicht sicherer Tumorinaktivierung eine zusätzliche Koagulationsbehandlung notwendig ist. Eine erfolgreiche alleinige Koagulation ist unter bestimmten Kriterien auch bei Vorliegen der hereditären Form, das heißt multiplen Tumorherden möglich. Auf diese Weise können die Strahlentherapie und damit das Risiko radiogener nichtokularer ZweittuMoren vermieden werden. Beim bilateralen Retinoblastom hängt die Erhaltung der Sehkraft von der Größe und Lokalisation des Tumors in der Netzhaut und der Qualität der Behandlung des nicht enukleierten, meist weniger betroffenen Auges ab. Tumoren von 4 PD (Papillendurchmesser) lassen sich zu 95 Prozent heilen. Ein Auge mit einem Tumor, der mehr als die Hälfte der Netzhaut einnimmt, hat nur noch eine minimale Behandlungschance. Bei Patienten mit bilateralem Befall konnten wir in etwa 80 Prozent ein Auge erhalten, hiervon wiederum etwa 80 Prozent mit einem brauchbaren Sehrest. 2.1.5 Metastasen Die meisten Metastasen werden innerhalb von 12 Monaten nach Diagnosestellung entdeckt, nach dem 5. Lebensjahr sind Metastasen extrem selten. Am häufigsten sind neben dem ZNS die Orbita, das periorbitale Gewebe und die Schädelknochen betroffen. Die Behandlung erfolgt mit Polychemotherapie und Strahlentherapie. Gewöhnlich läßt sich eine Remission erzielen, die allerdings meistens nur kurzfristig ist. In unserem Krankengut von über 500 Patienten mit Retinoblastomen entwickelten 35 Metastasen. Drei von 17 dieser Kinder, die von uns behandelt wurden, leben länger als vier Jahre. 2.1.6 Prognose Die 5-Jahres-Überlebensrate der Patienten mit Retinoblastom liegt bei 80 bis 90 Prozent. Sie ist abhängig von der Ausdehnung des Tumorwachstums zum Zeitpunkt der Enukleation des Auges. Ist der Tumor ausschließlich auf die Retina beschränkt, beträgt die Überlebensrate 97 Prozent. Sie sinkt auf 76 Prozent bei Einbruch in die Aderhaut und beträgt nur noch 39 Prozent, wenn die Schnittfläche des Sehnervenstumpfes nach der Enukleation infiltriert ist (eigene Ergebnisse). 2.1.7 Wichtige allgemeine Hinweise zum Retinoblastom Dem erstkonsultierten Arzt fällt die schwierige Schlüsselfunktion zu, an einen seltenen malignen Augentumor zu denken, der außerhalb seiner Praxiserfahrung liegt. Frühsymptome des Retinoblastoms äußern sich völlig uncharakteristisch und scheinbar harmlos. Bei sogenanntem „Babyschielen" müssen zumindestens Papille und Macula lutea mit dem Augen- Spiegel als normal befundet werden. Jeder helle Schimmer hinter der Pupille eines Kindes, über den die Eltern berichten, sollte ernst genommen werden. Jede unklare intraokulare Enzündungssymptomatik in den ersten Lebensjahren muß geklärt werden. Kinder geheilter Retinoblastompatienten müssen in den ersten Lebensmonaten in Narkose augenärztlich untersucht werden, um ein Retinoblastom im Frühstadium zu entdecken. Wegen der eindeutigen genetischen Ursache bestimmter Formen des Retinoblastoms ist eine genetische Beratung der Eltern und später der geheilten Patienten dringend notwendig. Patienten mit Retinoblastomen besitzen ein relativ hohes Risiko, nach längerer Latenzzeit einen nichtokularen Zweittumor zu entwickeln. Die Mehrzahl dieser Tumoren sind osteogene und Weichteil-Sarkome, die vorwiegend im Bestrahlungsfeld, aber auch ohne Bestrahlung entstehen könn'en. 2.2 Andere maligne Tumoren der Retina Andere maligne Tumoren der Retina, wie zum Beispiel Karzinome des retinalen Pigmentepithels sind sehr selten, so daß auf die Spezialliteratur verwiesen wird. 3 Maligne Tumoren der Uvea 3.1 Maligne Melanome der Uvea Maligne Melanome der Uvea sind die häufigsten primären malignen intraokularen Tumoren des Erwachsenenalters. Ihre jährliche Inzidenz wird auf eine Neuerkrankung je 200 000 Einwohner geschätzt. Das typische Erkrankungsalter ist das 6. Lebensjahr- Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 41 vom 8. Oktober 1986 (65) 2785 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Intraokulare Tumoren zehnt. Melanome der Uvea sind im Gegensatz zum Retinoblastom praktisch nie multikokulär. 3.1.1 Symptome Tumoren in der Nähe des hinteren Augenpols führen frühzeitig zu einseitigen Störungen des zentralen Sehvermögens wie Visusverlust oder Metamorphopsien. Tumoren der Fundusperipherie oder des Ziliarkörpers hingegen bleiben lange Zeit unbemerkt. Nicht selten werden kleine Tumoren, deren differentialdiagnostische Abgrenzung gegen Naevi schwierig sein kann, zufällig gefunden. Andererseits finden sich histologisch in zehn Prozent von blinden, schmerzhaften Augen bisher nicht diagnostizierte maligne Melanome der Uvea. Maligne Melanome der Iris sind selten. Sie werden häufig vom Patienten selbst als einseitige Farbänderung der Iris (eventuell mit Pupillenverziehung) bemerkt. 3.1.2 Diagnose Die Diagnose eines malignen Melanoms der Uvea kann in der Regel mit Hilfe der üblichen augenärztlichen Untersuchungsmethoden wie indirekte Ophthalmoskopie, Spaltlampenuntersuchung und Diaphanoskopie ausreichend sicher gestellt werden. Zusätzliche Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Fluoreszenzangiographie und in seltenen Fällen der sogenannte Radiophosphortest mit Nachweis einer verstärkten Speicherung von 32 P im Tumor dienen der Sicherheit der Diagnose. Mit Hilfe dieser nichtinvasiven Methoden wird heute in Zentren mit einem erfahrenen Team eine diagnostische Treffsicherheit von 98 Prozent erreicht, so daß invasive Methoden nur noch in Ausnahmefällen benötigt werden. 2786 3.1.3 Therapie 3.1.5 Nachsorge In den letzten Jahren hat sich die Behandlungsstrategie bei Patienten mit malignen Melanomen der hinteren Uvea erheblich gewandelt. Bisher war die Enukleation des Auges die bevorzugte Behandlung. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel an dem Wert der Enukleation, da sich dadurch die Überlebensprognose der Patienten nicht verbessert und möglicherweise eine Metastasierung induziert wird. Auch nach zunächst erfolgreicher bulbuserhaltender Therapie von malignen Melanomen der Uvea können Tumorrezidive bis zu mehreren Jahren nach Abschluß der Therapie auftreten. Eine konsequente Nachsorge ist deshalb außerordentlich wichtig. Die Zusammenarbeit mit einem Zentrum ist dabei anzuraten, da der erstkonsultierte Arzt wegen der Seltenheit des Tumors in der Regel nur über eine begrenzte Erfahrung verfügen wird. Da bei Vorliegen einer Metastasierung dem Patienten zur Zeit keine kurative Therapie möglich ist, werden in den meisten Zentren bei der Nachsorge bei Beschwerdefreiheit keine Untersuchungen zum Ausschluß von Metastasen durchgeführt. Nach Enukleation ist deshalb eine Kontrolle der Orbita in der augenärztlichen Praxis ausreichend. Die bulbuserhaltenden Therapieformen sind deshalb zunehmend in den Vordergrund getreten. Dazu gehören die Behandlung mit radioaktiven Applikatoren (Betaund Gammastrahlern), die Photokoagulation, die Tumorexzision oder die perkutane Bestrahlung mit seltenen Strahlenarten wie Protonen oder Heliumionen. Die Enukleation bleibt unbehandelbaren Tumoren (Tumorgröße über 10 mm, fehlender Funduseinblick, Sekundärglaukom, fehlgeschlagener Versuch einer bulbuserhaltenden Therapie) vorbehalten. Der Enukleation sollte nach heutiger Auffassung eine Vorbestrahlung des Auges mit 5 x 4 Gray wöchentlich bis 20 Gray vorangehen, um das Risiko einer Tumorzelldissemination zum Zeitpunkt der Operation zu verringern. 3.1.4 Prognose Die 5-Jahres-Überlebensrate nach primärer Enukleation von Patienten mit uvealem Melanom beträgt ca. 40 bis 90 Prozent. Sie ist vom Zelltyp, der Größe und Lokalisation des Tumors abhängig. Bei Melanomen der Iris sind Metastasen eine Rarität. Bis zu 10 Prozent der Patienten mit malignen Melanomen der Uvea entwickeln im Laufe des Lebens einen malignen nichtokularen Zweittumor. (66) Heft 41 vom 8. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A 3.2 Andere maligne Tumoren der Uvea Andere maligne Tumoren der Uvea sind Raritäten (siehe Spezialliteratur). 3.3 Metastasen der Uvea Metastatische Tumoren der Uvea sind sehr viel häufiger als man bisher angenommen hat. Mammaund Bronchialkarzinome sind die häufigsten Primärtumoren, während andere Tumoren seltener okulare Metastasen verursachen. In der Häufigkeit stehen unbekannte Primärtumoren an dritter Stelle, teilweise mit initialer alleiniger Manifestation in der Aderhaut. Bei 20 Prozent der Patienten wird ein Befall beider Augen beobachtet. Der gleiche Anteil von Patienten weist mehrere Tumoren in einem oder beiden Augen auf. Unbehandelt führen Metastasen in der Uvea zu progredienter Visusverschlechterung bis hin zur Er- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Intraokulare Tumoren AUSSPRACHE 11111111111111111111111111111111111111111111111 „Künstliches Fieber" blindung durch eine zunehmende Netzhautablösung oder durch ein Sekundärglaukom. Da Metastasen der Uvea in der Regel auf Bestrahlung ansprechen, besteht die Therapie in einer perkutanen Bestrahlung mit dem Linearbeschleuniger (Photonen) über ein temporales Feld. In geeigneten Fällen kann auch eine Kontaktbestrahlung mit einem radioaktiven Applikator durchgeführt werden. Bei der Mehrzahl der Patienten kann damit eine weitere Visusverschlechterung oder eine Erblindung während der Finalphase des Tumorleidens verhindert werden. Eine Visusverbesserung kann bei etwa einem Drittel der Patienten erreicht werden. Literatur (Auswahl) Albert', W.; Halama, J.: Tumoren des Auges, In: Strahlentherapie Radiologische Onkologie E. Scherer (Hrsg.) Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York (1986, im Druck) — Bedford, M. A.: Farbatlas der Tumoren des Auges. Bearbeitet von R. Rochels. Schattauer Verlag: Stuttgart, New York (1980) — Harmer, M. H.; Oosterhuis, J. A. (Hrsg.): TNM classification of ophthalmic tumours, International Union Against Cancer: Genf (1985)— Höpping, W.; Alberti, W.; Havers, H.; Passarge, E.; Zeller, G.; de Sutter, E.: Das Retinoblastom. In: 0. E. Lund und Th. N. Waubke (Hrsg.): Die Augenerkrankungen des Kindesalters, Bücherei des Augenarztes, Bd. 106 F. Enke: Stuttgart (1985) 199-217 — Meyer-Schwickerath, G.; Bornfeld, N.; Höpping, W.: Tumoren des Auges. In: Gross, R. und Schmidt, C. G. (Hrsg.): Klinische Onkologie, G. Thieme: Stuttgart, New York (1985) 25.1-25.16 — Naumann, G. 0. H.: Pathologie des Auges. Springer: Berlin, Heidelberg, New York (1980) — Reese, A. B.: Tumors of the eye. Third edition. Harper & Row: Hagerstown, Maryland, New York, San Francisco, London (1976) — Shields, J. A.: Diagnosis and mangement of intraocular tumors. C. V. Mosby: St. Louis, Toronto, London (1983) — Vogel, F.: Genetik des Retinoblastoms. In: W. Hammerstein und W. Lisch (Hrsg.): Ophthalmologische Genetik, Bücherei des Augenarztes, Bd. 105 F. Enke: Stuttgart (1985) 337-348 — Yanoff, M.; Fine, B. S.: Ocular pathology. Harper & Row: Hagerstown, Maryland, New York, San Francisco, London (1982) — Weitere Literatur bei den Verfassern Anschrift für die Verfasser: Dr. med. Norbert Bornfeld Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde Universitätsklinikum der Gesamthochschule Essen Hufelandstraße 55, 4300 Essen 1 in der Krebstherapie Zu dem Beitrag von Dr. med. Jochen Lange und Mitarbeitern in Heft 4/1986, Seiten 186 bis 188 Stellungnahme I Die Verfasser Lange, Eisler, Zänker und Siewert haben sich ganz offensichtlich nicht ausreichend über die einschlägige deutsche Literatur informiert. Ich empfehle, die Arbeit meines Lehrers Otto Goetze aus dem Jahre 1931 nachzulesen, erschienen in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie, Band 234. Sie werden da einiges finden, zum Beispiel die Blutleere bei der Hyperthermie an den Extremitäten. Ich habe noch einen Patienten kennengelernt, der nach einer derartigen Hyperthermierung eines Sarkoms am Unterschenkel noch 15 Jahre lebte, den ganzen Krieg als U-Boot-Fahrer mitmachte und dann an Lungenmetastasen starb. Ich habe überhaupt den Eindruck, daß die deutsche Literatur bei den heutigen Veröffentlichungen immer etwas zu kurz kommt. Vielleicht sollte man da doch immer etwas gründlicher nachschauen. Dr. med. Hans Schwabe Ltd. Medizinaldirektor Chefarzt i. R. Karl-Brater-Straße 28 8860 Nördlingen Stellungnahme II Die ausgewählten Literaturbeispiele beziehen sich mehrheitlich auf den Einfluß der „Hyperthermie". Dadurch entsteht der falsche Eindruck, daß es sich bei ihr um „künstliches Fieber" handele. Ihre prinzipiellen Unterschiede betreffen nicht nur die pathophysiologischen Mechanismen, sondern gerade auch ihre Bedeutung für die spezifischen und unspezifischen Abwehrvorgänge der Individuen. Bei der „Hyperthermie" handelt essich bekanntlich um eine passive, auf äußerer Überwärmung beruhende Störung der Thermoregulation, während „Fieber" durch einen aktiven, energetisch aufwendigen metabolischen Prozeß zustande kommt, der die normale Temperaturregelung auf ein höheres Niveau verstellt (1). Die „Sollwertverstellung" wird durch meist körperfremde, exogene Pyrogene eingeleitet, die jedoch nicht unmittelbar, sondern erst durch Vermittlung eines von ihnen induzierten Zeltprodukts (endogenes Pyrogen) das Thermoregulationszentrum im vorderen Hypothalamus stimulieren, woran der ArachidonsäureMetabolismus beteiligt ist (2, 4). Bei einer „Überwärmung" fehlen Induktoren und Mediatoren, insbesondere das endogene Pyrogen (3), das nach neuen Erkenntnissen mit Interleukin-1 nahezu identisch zu sein scheint und deshalb neben der „Sollwertverstellung" der Körpertemperatur auch ein breites Spektrum von spezifischen und unspezifischen Abwehrreaktionen stimuliert (4). Man darf deshalb erwarten, daß „künstliches Fieber" eher zur Überwindung von Infektions- und Tumorkrankheiten beitragen kann als eine „Hyperthermie". Hier bieten sich mehrere Möglichkeiten an, deren Erprobung allerdings noch aussteht. Literaturauswahl (1) Hensel, H.: Physiol. Rev. 53 (1973) 948 — (2) Siegert, R.: Med. Klin. 72 (1977) 1787 — (3) Siegert, R.; Philipp-Dormston, W. K.; Radsak, K.; Menzel, H.: Infect. Immun. 14 (1976) 1130 — (4) Dinarello, C. A.: Rev. Infect. Dis. 6 (1984) 51. em. Professor Dr. med. Rudolf Siegert Heinrich-Heine-Straße 31 3550 Marburg/Lahn Die Autoren haben die Gelegenheit zu einem Schlußwort nicht wahrgenommen. Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 41 vom 8. Oktober 1986 (67) 2787