Höhere Experimentalphysik 1 Institut für Angewandte Physik Goethe-Universität Frankfurt am Main 9. Vorlesung 20.01.2017 Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Was bisher geschah… • Thermodynamik • Thermodynamische Systeme und Zustandsgrößen • Gleichgewichtszustand und Relaxation • Die Hauptsätze der Thermodynamik • 0. Hauptsatz: • 1. Hauptsatz: • 2. Hauptsatz: • 3. Hauptsatz: Eges = U + Ekin + Epot = konstant bzw. DU=DQ+DW Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Erläuterung zum chemischen Potential Das chemische Potential beschreibt den Einfluss des Stoffaustausches auf die innere Energie des betrachteten Systems und wurde als abstraktes Konzept von Gibbs eingeführt, um allgemein die Neigung eines Stoffes zu beschreiben, sich • mit anderen Stoffen umzusetzen • gleichmäßig zu verteilen • in eine andere Phase umzuwandeln Unterschied in: Temperatur Wärmeaustausch Chemisches Potential Stoffaustausch Druck Volumenänderung Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Das chemische Potential Das chemische Potenzial μi eines Stoffes i ist eine intensive Zustandsgröße der Dimension Energie pro Stoffmenge [J/mol], die angibt, um wie viel sich bei einer quasistatischen Zustandsänderung die innere Energie eines Systems allein aufgrund des Stofftransports erhöht, wenn man dem System z.B. ein Mol des Stoffes i zuführt und dabei die Entropie S, das Volumen V und alle anderen Stoffmengen nj ≠ ni konstant hält. Das chemische Potential μi ist also die partielle Ableitung der inneren Energie nach der Molmenge der Komponente i unter der Bedingung, dass Entropie, Volumen und alle anderen Molmengen nj ≠ ni konstant gehalten werden. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die Gibbssche Fundamentalgleichung Die Gibbssche Fundamentalgleichung ist eine Gleichung, die die Änderung der inneren Energie in Abhängigkeit zu den Änderungen der Entropie, des Volumens und (für Mehrstoffsysteme) der Molmenge der Komponenten setzt. Das vollständige Differential dieser Relation lautet Durch Koeffizientenvergleich erhält man folgende drei Zustandsgleichungen: Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die Gibbsche Fundamentalgleichung Auf diese Weise erhält man drei Gleichungen, die die Abhängigkeiten der drei intensiven Zustandsgrößen Temperatur, Druck und chemisches Potential von den extensiven Zustandsgrößen Entropie, Volumen und Molmengen festlegen d.h. man erhält Definitionen für Temperatur, Druck und chemisches Potential. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Thermodynamische Potentiale Für viele Rechnungen in der Thermodynamik und dem Umstand, dass sich die Variable Entropie nicht messen lässt erweist es sich als zweckmäßig, statt der inneren Energie U(S,V,n,…) andere thermodynamische Potentiale zu betrachten, die genauso wie die Energie Zustandsgrößen sind, aber von anderen „natürlichen Variablen“ abhängen. Diese extensiven Zustandsgrößen sind im thermodynamischen Gleichgewicht extremal. Die Übergänge zwischen den Größen erfolgen mit den LegendreTransformationen Man erhält somit vier thermodynamischen Potentiale, die alle dieselbe Information beinhalten. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die freie Energie F=F(T,V,n) Mithilfe der Legendre-Transformation gelangt man von der inneren Energie U(S,V,n) zu einer neuen Funktion, die von den Variablen T,V,n abhängt. Also soll hier mithilfe der Legendre Transformation T durch S ersetzt werden: =T Nach Bildung des totalen Differentials (dF=dU-SdT-TdS) folgt Die abhängigen Zustandsgrößen ergeben sich aus den partiellen Ableitungen Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die freie Energie Bedeutung: • Bei einem isothermen Prozess leistet das System auf Kosten von der freien Energie Arbeit, und nicht wie beim adiabatischen Prozess auf Kosten der inneren Energie. Aus diesem Grunde wird diese Energie als frei bezeichnet. • Die freie Energie wird also bei konstantem Volumen und konstanter Temperatur minimal Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die Enthalpie H=H(S,p,n) Durch Anwendung der Legendre Transformation kann man in der Relation für das thermodynamische Potential innere Energie U die freie Variable Volumen V durch die freie Variable Druck p ersetzen. Dadurch ergibt sich das neue thermodynamische Potential Enthalpie H=U+pV . So folgt das Differential der Enthalpie Auch hier ergeben sich die abhängigen Zustandsgrößen aus den partiellen Ableitungen: Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die Enthalpie Bedeutung: • griechisch: en „darin, innerhalb” + thalpein „warm machen” bzw. thalpos „Wärme“ • Enthalpie eine Bezeichnung für die abgegebene bzw. aufgenommene Wärmemenge einer Reaktion. • Beispiel: 2 H2 +O2 2 H2O DH=-484 kJ/mol • Die Enthalpie wird bei konstanter Entropie und konstantem Druck minimal Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die freie Enthalpie G=G(T,p,n) Durch die Legendre Transformation kann ebenfalls das thermodynamische Potential freie Enthalpie G = H − TS, das auch Gibbs Enthalpie genannt wird, berechnet werden. Mit Hilfe der Gibbsschen Fundamentalgleichung kann man das Differenzial der freien Enthalpie wie folgt schreiben Die abhängigen Zustandsgrößen erhält man wieder aus den partiellen Ableitungen Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die freie Enthalpie • Die freie Enthalpie ist der Anteil der Enthalpie, der bei reversibler isobarer Führung eines in einem thermodynamischen System ablaufenden Prozesses in jede beliebige Energieform umwandelbar ist. • Die freie Enthalpie wird bei konstantem Druck und konstanter Temperatur minimal Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die Maxwell Relationen Eine thermodynamische Zustandsgröße Z ist eine stetig differenzierbare, kontinuierliche Funktion mehrerer Veränderlicher (z.B. Z(x,y)) für die ganz allgemein gilt, dass die Reihenfolge der Differentiationen für die zweiten Ableitungen beliebig ist (Satz von Schwarz): Wendet man diesen mathematischen Satz auf die thermodynamischen Potentiale an und differenziert die Koeffizienten nach den jeweiligen anderen freien Variablen, so erhält man die so genannten Maxwellschen Relationen Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Die Maxwell Relationen Eine Temperaturänderung infolge einer Volumenänderung ist korreliert mit einer Druckänderung infolge einer Entropieänderung Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Gasgesetze – Ideales Gas • Das ideale Gas ist ein Modellfluid, welches das Verhalten wirklicher Gase bei verschwindend kleinen Dichten, bzw. bei genügend kleinen Drücken approximiert. • Im Modell des idealen Gases werden alle Gasteilchen als Massepunkte angenommen, welche sich frei durch ein Volumen bewegen können. • Die Teilchen dürfen aber untereinander und an der Wand des Volumens stossen. • Die thermische Zustandsgleichung eines idealen Gases ist: R ist die universelle Gaskonstante R=NAkB=8.314 J/(mol K). Der van-der-Waals-Parameter trägt der Tatsache Rechnung, dass gleichartige Gasmoleküle einander anziehen. Der van-der-Waals-Parameter trägt der Tatsache Rechnung, dass gleichartige Gasmoleküle einander anziehen. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Reales Gas Für reale Gase ist zu berücksichtigen, dass 1. Eine schwache Wechselwirkung zwischen den Gasteilchen besteht 2. Die Gasteilchen besitzen ein Eigenvolumen. J. D. van der Waals führte 1873 eine einfache thermische Zustandsgleichung ein, die diese grundsätzlichen Effekte bei einem realen Fluid (Eigenvolumen, Anziehungskräfte zwischen den Molekülen) berücksichtigt. Diese Gleichung lautet: Dabei sind a und b stoffspezifische Konstanten und Vm ist das molare Volumen. Die Konstante a trägt der Tatsache Rechnung, dass gleichartige Gasmoleküle einander anziehen (Kohäsionsdruck). Der Parameter b berücksichtigt, dass die Gasmoleküle keine Massepunkte sind (Kovolumen). Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Gasgesetze Boyle-Mariotte Robert Boyle hat Experimente mit einem u-förmigen Glasrohr durchgeführt. Dieses war an einem Ende geschlossen und am anderen offen. Er füllte es so mit Quecksilber, dass in dem verschlossenem Rohr ein kleines Volumen an Luft übrig blieb. In das offene Ende füllte er weiteres Quecksilber nacheingeschlossene Luft wurde dadurch einem höheren Druck ausgesetzt und das Volumen verringerte sich. Durch Messungen des Drucks und der Volumenverringerung, stellte Boyle fest, dass sich das Volumen halbierte, wenn der Druck verdoppelt wurde. http://t0.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcQihTsSOgHWSGHfzvblG7sQvuFp7YQIZQMnd4p38ll9VCezWT6RGelNzg Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Gasgesetze Gay-Lussac- Drosselversuch Bevor die kinetische Gastheorie bekannt war, lies GayLussac (1778-1850) in seinem Versuch Gase, die das ideale Gasgesetz gut erfüllten, unter Vermeidung jeglichen Wärmeaustausches mit der Umgebung in ein evakuiertes Gefäß einströmen und stellte fest, dass sich die Temperatur des Gases nicht änderte. Die Energiebilanz bei isothermen Prozessen sieht danach für ein ideales Gas wie folgt aus.: für dT=0 Die innere Energie eines idealen Gases ist vom Volumen unabhängig. Bei realen Gasen hingegen hängt die innere Energie im allgemeinen vom Volumen ab. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Eigenschaften des Idealen Gases Hieraus lassen sich verschiedene Gesetzmäßigkeiten ableiten 1. Boyle-Mariotte: P~1/V (T=const) isotherme Zustandsänderung 2. Gay-Lussac: V~T (p=const) isobare Zustandsänderung 3. Amontons: P~T (V=const) isochore Zustandsänderung Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Adiabatische Zustandsänderung Eine adiabatische Zustandsänderung ist dadurch gekennzeichnet, das keine Wärme mit der Umgebung ausgetauscht wird DQ=0. Dies kann z.B. dadurch realisiert werden indem man ein Gas so rasch komprimiert, dass kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet. Die Adiabatengleichung lautet: Adiabatenkoeffizient Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Zustandsänderungen Wärmezufuhr Bei der Wärmezufuhr spielen die äußeren Bedingungen wie z.B. konstanter Druck oder Volumen eine besondere Rolle. Bei konstantem Druck wird beispielsweise gleichzeitig Arbeit in Form der thermischen Ausdehnung des Körpers geleistet, was aufgrund der Energieerhaltung zu einer größeren Wärmeaufnahme pro Temperatureinheit führt. Die Wärmekapazitäten und bestimmen die Temperaturerhöhung bei Wärmezufuhr unter konstant gehaltenem Druck bzw. Volumen. Zwischen den Wärmekapazitäten besteht folgende allgemeine Beziehung Ausdehnungkoeffizient Isotherme Kompressibilität Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Zustandsänderungen Expansion Freie Expansion (DQ=0, DW=0): Die experimentelle Anordnung der freien Expansion ist der Gay-LussacDrosselversuch. Hierbei handelt es sich um einen irreversiblen Prozess. Der Prozess läuft über Nichtgleichgewichtszustände, wobei der Anfangs- und Endzustand Gleichgewichtszustände sein sollen. Bei idealem Gas ist innere Energie unabhängig von V d.h. U(Tb)=U(Ta), Tb=Ta Bei einem realen Gas gilt: Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Zustandsänderungen Expansion Quasistatische, adiabatische Expansion Ein thermisch isoliertes Gas (DQ=0) wird durch das langsame Herausziehens eines Kolben expandiert. Dabei leistet das Gas die Arbeit: Für diesen quasistatischen Prozess ergibt der 2. Hauptsatz Mit für das ideale Gas folgt Daraus resultiert eine Temperaturänderung zu Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Zustandsänderungen Expansion Joule-Thomson-Expansion Die Joule-Thompson-Expansion ist die Grundlage der Gasverflüssigung. Er stellt die adiabatische Entspannung eines Gases vom Anfangszustand Pi, Vi, Ti zum Endzustand Pf, Vf, Tf dar, wobei angenommen ist: Pf<Pi. Bei dieser Expansion wird ein Gas mit einem Druck Pi durch einen porösen Stopfen gepresst. Hinter dem Stopfen hat das Gas dann den niedrigeren Druck Pf. Der Druckunterschied und die dadurch erreichte Strömungsgeschwindigkeit hängen von der Struktur des porösen Stopfens ab. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Zustandsänderungen Expansion Joule-Thomson-Expansion Für eine isobare Zustandsänderung (p=const) folgt aus dem 1. Hauptsatz: =dH Enthalpie Bei einer isobaren Zustandsänderung muss Wärme zugeführt werden, um die nötige Änderung der Enthalpie zu erzielen dh. DQ=dH. Führt man diesen Prozess adiabatisch (DQ=0) durch, so folgt: Prozesse bei Erhaltung der Enthalpie werden isenthalpe Zustandsänderungen bezeichnet und die gedrosselte Entspannung ist eine isenthalpe Zustandsänderung d.h. Hi=Hf! Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Zustandsänderungen Expansion Joule-Thomson-Expansion Zunächst sei ein ideales Gas das Strömungsmedium; aus der allgemeinen Zustandsgleichung folgt: d.h. die Enthalpie ist eine Funktion von T allein, denn die Zahl N der Teilchen soll konstant sein. Somit folgt, dass Hi(Ti)=Hf(Tf) und somit Isenthalpen m im P-T-Diagramm Bei der gedrosselten Expansion eines idealen Gases bleibt dessen Temperatur unverändert. Allerdings gilt für ein reales Gas und Das Vorzeichen der Temperaturänderung hängt vom Vorzeichen der Steigung m der Insenthalpen ab Abkühlung Erwärmung Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Der Carnot-Prozess Eine Wärmekraftmaschine muss stets zwischen einem warmen und einem kalten Bad arbeiten. Die Umformung zwischen Wärme und Arbeit erfolgt am effizientesten über einen periodischen Kreisprozess. Tw Tk Der Kreisprozess besteht aus vier Schritten: 1. Isotherme (T=const=T0) Ausdehnung vom Anfangszustand A mit (PA, VA, TW) auf den Zustand B mit (PB, VB, TW). Dabei ist der Behälter Ideales Gas thermischen Kontakt mit dem Wärmebad TW. 2. Adiabatische (DQ=0) Ausdehnung vom Zustand B mit (PB, VB, TW) auf den Zustand C mit (PC, VC, TK). Dabei ist der Behälter thermisch isoliert, das Gas kühlt sich bei Expansion ab. Die Variablen PC, VC sind so gewählt, dass die Gastemperatur gerade Tk am Ende der Zustandsänderung erreicht. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Der Carnot-Prozess Eine Wärmekraftmaschine muss stets zwischen einem warmen und einem kalten Bad arbeiten. Die Umformung zwischen Wärme und Arbeit erfolgt am effizientesten über einen periodischen Kreisprozess. Tw Tk Der Kreisprozess besteht aus vier Schritten: 3. Isotherme (T=const=T0) Kompression vom Zustand C mit (PC, VC, TK) auf den Zustand D mit (PD, VD, Tk). Dabei ist der Behälter in Ideales Gas thermischen Kontakt mit dem Wärmebad Tk. 4. Adiabatische (DQ=0) Kompression vom Zustand D mit (PD, VD, Tk) auf den Zustand A mit (PA, VA, TW). Bei der adiabatischen Kompression muss sich die Temperatur erhöhen. Die Variablen PC, VC sind so gewählt, dass die Gastemperatur gerade TW am Ende der Zustandsänderung erreicht.