Höhere Experimentalphysik 1 Institut für Angewandte Physik Goethe-Universität Frankfurt am Main 1. Vorlesung 28.10.2016 Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Ankündigung Übung Die erste Übung findet am 9.11. von 13h bis 14h im Raum 02.304 statt. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Inhaltsverzeichnis 1. Elektrodynamik i. Elektrische Ladung ii. Maxwell-Gleichung iii. Elektrische und magnetische Felder • stationär • zeitabhängig iv. Elektromagnetische Wellen v. Wellenleiter vi. Hohlraumresonatoren Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main 1. Elektrodynamik In der Mechanik gibt es vier Grundkräfte: • Starke • Elektromagnetische • Schwache • Gravitative Fast alle diese Kräfte sind elektromagnetischer Natur, aber nur die elektromagnetische Kraft ist bis heute vollständig verstanden. Im Vergleich zur Gravitation ist die elektrische Kraft etwa 1039 mal größer. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Messung der Kräfte Cavendish Drehwaage @ HEMS Darmstadt Coulombsche Drehwaage Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Vergleich gravitative und elektromagentische Kraft Gravitation • • • • • Kraft entlang Verbindungslinie 1/r2-Abhängigkeit Masse als Quelle anziehend Kraftgesetz • Proportionalitätskonstante g=6.67.10-11 Nm2/kg2 Vergleich: Elektromagnetische Kraft • • • • • Kraft entlang Verbindungslinie 1/r2-Abhängigkeit Ladung als Quelle anziehend und abstoßend Kraftgesetz • Proportionalitätskonstante k=8.99.109 Nm2/C2 Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung Alle Erscheinungen, die im Rahmen der Elektrodynamik besprochen werden, beruhen darauf, dass die Materie vorwiegend aus geladenen Teilchen (z.B. Elektronen und Protonen) aufgebaut ist. Eine Ladung ist notwendig, um ein elektromagnetisches Feld zu erzeugen und nachzuweisen. Aber was ist eigentlich die elektrische Ladung? Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung • Positive und negative Ladung • Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab • Ladungserhaltung: Die Summe der positiven und negativen Ladungen in einem abgeschlossenen System ändert sich nie. • Ladungsinvarianz: Die Ladung von Elementarteilchen ist relativistisch invariant und ändert sich also nicht mit der Geschwindigkeit des Teilchens. • Ladung ist gequantelt • Die Kraft zwischen zwei Ladungen ist proportional zu r-2 Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung Messung der Elementarladung Milikan-Versuch Im Jahre 1910 machte Milikan die wichtige Entdeckung, dass die Ladung nur stückweise vorkommt, d.h. sie ist quantisiert. Zum Nachweis des Elementarquantums benutzte Milikan folgende Versuchsanordnung a) Nobel-Preis, 1923 Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung Messung der Elementarladung Milikan-Versuch In einen Plattenkondensator werden kleine Öltröpfchen gesprüht, die in der Luft unter dem Einfluss der Gravitationskraft und der Stokesschen Reibungskraft mit konstanter Geschwindigkeit v fallen und zwar desto schneller je größer sie sind: Aus der gemessenen Fallgeschwindigkeit lassen sich der Radius und damit auch die Masse des Öltröpfchens bestimmen, da die Viskosität der Luft und die Öldichte bekannt sind. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung Messung der Elementarladung Milikan-Versuch Durch Bestrahlung des Tröpfchens mit Röntgenstrahlung kann nun die Ladung q des Tröpfchens verändert werden. Dies wird deutlich sichtbar, sobald am Kondensator ein elektrisches Feld angelegt wird, welches eine zusätzliche Kraft qE ausübt. Die Größe der elektrischen Kraft kann nun durch Variation von E so gewählt werden, dass die elektrische Kraft die Gravitationsanziehung gerade kompensiert, so dass das Tröpfchen schwebt. Somit folgt aus qE=mg: wobei n=1,2,3,… Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung RH Messung der Elementarladung Quanten-Hall-Effekt • Nobelpreis K. von Klitzig 1985 • 2D Elektronengas (MOSFET) • Bei hohen magnetischen Feldern und tiefe Temperaturen ist der Hall-Widerstand: wobei n=1,2,… „Die Existenz der Stufen im Quanten-Hall-Effekt und vor allem ihre hohe Reproduzierbarkeit ist bis heute nicht vollständig verstanden,...“, Welt der Physik, 2011 Mögliche Erklärung: Quantenphasenübergang Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung Messung der Elementarladung Wert 1.602 176 565 x 10-19 C Standardunsicherheit 0.000 000 035 x 10-19 C Relative Standardunsicherheit 2.2 x 10-8 2010, CODATA, recommended values Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung Energie des Feldes einer Punktladung Das elektrische Feld einer Punktladung ist gegeben durch: Die Energiedichte im Abstand r von der Ladung ist dann: Innerhalb einer Kugelschale mit der Dicke dr und der Fläche A=4pr2 ist die Gesamtenergie: (1) Für eine Punktladung ist die untere Integrationsgrenze r=0 und dies ergibt ein unendliches Integral. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main i. Elektrische Ladung Energie des Feldes einer Punktladung Laut Gleichung (1) enthält das Feld einer Punktladung eine unendliche Menge an Energie, obwohl es eigentlich nur Energie zwischen Punktladungen gibt. Ein Ausweg aus dieser Situation würde darin bestehen, die Elementarladung nicht als Punkt sondern in Wirklichkeit als kleine Ladungsverteilung aufzufassen. Die Frage, ob die Energie im Feld lokalisiert ist, bleibt in der Elektrostatik dennoch unbeantwortet. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main ii. Die Maxwellgleichungen Faraday und Maxwell fanden heraus, dass ein zeitlich veränderliches Magnetfeld automatisch in der Umgebung auch ein elektrisches Feld und - in analoger Weise- führt ein zeitlich veränderliches elektrisches Feld auch zu einem Magnetfeld. Diese symmetrische Kopplung zwischen zeitlich veränderlichen elektrischen und magnetischen Feldern fand ihren mathematischen Ausdruck in den Maxwellgleichungen. Gaußsches Gesetz Gaußsches Gesetz für Magnetfelder Faradaysches Induktionsgesetz Amperesches Gesetz Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main ii. Die Maxwellgleichungen Die wichtigste Konsequenz der Maxwellgleichungen liegt in dem erstmaligen Verständnis der Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen, deren Erzeugung und Nachweis erstmals Heinrich Hertz gelang. Nach der Maxwellschen Theorie sollten sich elektromagnetische Wellen mit der charakteristischen Geschwindigkeit fortpflanzen, in perfekter Übereinstimmung mit der gemessenen Lichtgeschwindigkeit. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main ii. Die Maxwellgleichungen Gaußsches Gesetz - Integralform Das Gaußsche Gesetz stellt die Beziehung zwischen räumlichen Verhalten des elektrischen Feldes und der Ladungsdichteverteilung her, die es hervorruft. Anzahl der Feldlinien durch eine geschlossene Fläche Anzahl der Ladungen, die in der Fläche enthalten sind dividiert durch die Permittivität Elektrische Ladungen produzieren ein elektrisches Feld und der Fluss dieses Feldes durch eine geschlossenen Oberfläche ist proportional zur Gesamtladung innerhalb der Oberfläche. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main ii. Die Maxwellgleichungen Gaußsches Gesetz – differentielle Form Die differentielle Form Ladungsdichte dividiert durch die Permittivität Tendenz des Feldes von einem Punkt wegzufließen. wird bei der Lösung von Problemen genutzt, in denen die räumliche Änderung des elektrischen Feldes an bestimmten Stellen bekannt ist, um die Volumenladungsdichte an diesen Positionen zu bestimmen. Das elektrische Feld, das durch elektrische Ladungen produziert wird, divergiert von positiven Ladungen und konvergiert zu negativen Ladungen. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main ii. Die Maxwellgleichungen Gaußsches Gesetz – Integralform vs. differentielle Form Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen differentieller und integraler Form des Gaußschen Gesetzes: Die differentielle Form behandelt die Divergenz des elektrischen Feldes und die Ladungsdichte an individuellen Punkten im Raum, während die integrale Form das Integral der Normalkomponente des elektrischen Felder über einen Oberfläche beinhalt. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main iii. Elektrostatik Das Coulomb-Gesetz • Die elektrostatischen Kräfte sind Zentralkräfte C. De Coulomb, 1785 • Es gilt das Superpositionsprinzip: Die elektrostatischen Kräfte, die auf eine Probeladung q von mehreren anderen Ladungen q1, q2, …. ausgeübt werden, überlagern sich ungestört Kraftwirkung vieler Ladungen auf ein Teilchen am Punkt 1. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main iii. Elektrostatik Das stationäre elektrische Feld Das elektrische Feld ist eine vektorielle Größe, die direkt proportional zu einer Kraft ist, die auf eine positive Testladung gerichtet ist. field of force Das elektrische Feld kann unabhängig vom magnetischen Feld betrachtet werden d.h. Elektrizität und Magnetismus sind zunächst getrennte Phänomene! Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main iii. Elektrostatik Das stationäre elektrische Feld Im statischen Fall bleiben alle Ladungen fest an einem Punkt im Raum oder wenn sie sich bewegen, dann nur als stationärer Strom. 1. Die Ladungen sind die Quelle des elektrischen Feldes. 2. Das Linienintegral des elektrostatischen Feldes über eine geschlossene Kurve ist null (oder auch das elektrische Feld ist wirbelfrei). Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main iii. Elektrostatik Das stationäre elektrische Feld Der Gaußsche Satz ist eine dem Coulombgesetz äquivalente Darstellung der Elektrostatik. Er gilt nicht nur für die elektrischen Felder ruhender Ladungen, sondern auch für bewegte Ladungen. Während man mit dem Coulombgesetz das elektrische Feld einer Ladung bestimmen kann, erlaubt uns der Gaußsche Satz, aus der Feldverteilung Auskunft über die Ladungsverteilung zu erhalten. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main iii. Elektrostatik Das elektrische Potential Als elektrostatisches Potential j(r0) am Ort r0 wird der negative Wert der Arbeit bezeichnet, um eine positive Einheitsladung in einem elektrischen Feld vom Unendlichen bis nach r0 heranzuführen Potentielle Energie einer Ladung: Potential einer Punktladung: http://www.leifiphysik.de/sites/default/files/medien/coumomb005_ladungenober_gru.gif Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main iii. Elektrostatik Influenz (elektrostatische Induktion) Wird ein beliebiges Stück Metall in das elektrische Feld eines Plattenkondensators gebracht, so werden unter dem Einfluss des Feldes Influenzladungen erzeugt. Sie liefern im Inneren des Metalls ein Feld, das dem ursprünglichen Feld entgegengerichtet und dieses im Inneren des Leiters genau zu null kompensiert. http://www.physikon.de/01/19/02inf1.gif Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main iii. Elektrostatik Faraday‘scher Käfig Die freien Ladungen in einem Leiter bewegen sich immer so, das sie das ursprünglich Feld kompensieren und das Feld im Inneren des Leiters gerade null ist. Daher verschwindet auch der Fluss des Feldes durch eine Fläche, die den Hohlraum umschließt. E=0 Nach gilt Feldfreiheit im Hohlraum des Leiters. So erreicht man im Faradayschen Käfig eine vollständige Abschirmung gegen elektrische Felder. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Beispiel: Van-de-Graaff-Generator Die Feldfreiheit metallischer Hohlräume kann zur Erzeugung hoher Spannungen benutzt werden. Bringt man Ladungen in das Innere einer Hohlkugel, so wandert die Ladung sofort nach außen und der innere Hohlraum bleibt feldfrei, unabhängig wie viel Ladungen die Hohlkugel schon trägt. Dies wird beim Vande-Graaff-Generator durch ein rotierendes isolierendes Band bewerkstelligt bis die Kugel ein höheres Potential als die Ladungsquelle hat. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Beispiele für elektrische Felder und Potentiale • Plattenkondensator: Das elektrische Feld kommt durch Superposition der elektrischen Felder zweier entgegengesetzt geladener Platten gleicher Ladungsdichte. Die Felder im Außenraum kompensieren sich vollständig Das elektrische Feld des Plattenkondensators + + ist + + + + + + + - also unabhängig vom Plattenabstand d. Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Beispiele für elektrische Felder und Potentiale • Plattenkondensator: Da die Platten entgegengesetzt geladen sind ziehen sie sich mit einer Kraft F an. Um die Platten ein Stück auseinander+ E zubewegen muss von außen Arbeit geleistet + werden - + + + + + + + d - d F Da das elektrische Feld unabhängig von d ist, muss sich die Energiedichte entsprechend des Volumens ändern. Mit folgt für die Kraft zwischen den Platten Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Beispiele für elektrische Felder und Potentiale • Plattenkondensator: Das mittlere Feld ist, welches an den Ladungen der Platte angreift ist nur halb so groß wie das Feld zwischen den Platten + Da die Ladungsschicht auf + beiden Platten eine endliche + Dicke hat, fällt die Feldstärke + + nach dem Gaußschen Satz innerhalb dieser Schicht d auf E d E null, so dass auf die Ladungen im Mittel nur E/2 wirkt E/2 Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Beispiele für elektrische Felder und Potentiale • Kugel E=0 Flammensonde Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Beispiele für elektrische Felder und Potentiale • Kugel im leitenden Medium: Es bildet sich eine Ladungswolke aus, die das Feld der Kugel abschirmt. Die Verteilung der Elektronen im Außenraum ist gegeben durch - - E=0 - - - Für hohe Temperatur lässt sich die Exponentialfunktion entwickeln zu und man erhält somit die Ladungsdichte Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Beispiele für elektrische Felder und Potentiale • Kugel im leitenden Medium: Mithilfe der eindimensionalen Poissongleichung - - E=0 erhält man folgende Bestimmungsgleichung für j(x): - - - Diese Gleichung wird gelöst durch wenn für D gilt: Debye-Länge Höhere Experimentalphysik 1 IAP Goethe-Universität Frankfurt am Main Beispiele für elektrische Felder und Potentiale • Homogener Teilchenstrahl (siehe Übung 1): & &