Grammatikalisierung, Degrammatikalisierung und die zyklische

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Melani Wratil
Grammatikalisierung, Degrammatikalisierung und die zyklische
Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
Abstract
This paper offers a diachronic description and analysis of subject-verb agreement and
the representation of pronominal arguments in Welsh. It is argued that the morphological behavior of finite verbs in context of either pronominal or non-pronominal and of
either coordinated or non-coordinated subjects has to be attributed to the special functional development of weak subject pronouns. With the only exception of their 3rd
person singular forms the latter have reached an intermediate stage on the grammaticalization path to verbal agreement markers in Middle Welsh. As quasi-pronominal
markers they evoke inflectional agreement asymmetries in standard Welsh until today.
Through a process of degrammaticalization, however, they have already regained
essential pronominal features in the contemporary Welsh common speech.
1.
Einleitung
Die morphosyntaktische Repräsentation der Kongruenz im Keltischen ist
eindeutig als idiosynkratisches Phänomen zu bezeichnen. In den verschiedenen keltischen Sprachzweigen ist eine morphologisch markierte Kongruenzrelation nämlich höchstens zwischen Kopfkategorien und non-determinativen
Pronomen möglich, so zum Beispiel zwischen finiten Verben und pronominalen Subjekten, zwischen Präpositionen und ihren pronominalen Komplementen, zwischen Konjunktionen und Subjektpronomina und zwischen Possessumnomen und Possessorpronomina, wobei die Art der morphologischen
Kongruenzrepräsentation zwischen den unterschiedlichen Relationen variiert
(vgl. Fife 1993; Borsley et al. 2007). Entsprechende Kongruenzbeziehungen
mit nicht-pronominalen DPs existieren nicht. Innerhalb der traditionellen
Keltologie wird in diesem Zusammenhang insbesondere bei der SubjektVerb-Kongruenz zwischen sogenannten analytischen und sogenannten synthetischen Verbformen unterschieden (vgl. Greene 1973). Als analytische
Verbformen werden dort diejenigen finiten Verben bezeichnet, welche keinerlei spezifische Subjektkongruenzmorphologie besitzen. Diese Formen
werden mit allen nicht-pronominalen Subjekt-DPs und mit bestimmten Subjektpronomina verbunden. Synthetische Verbformen nennt man dagegen
diejenigen finiten Verben, die über flexionsmorphologisch repräsentierte
Subjektkongruenzmarker verfügen. Diese Formen sind mit allen nichtpronominalen Subjekt-DPs strikt komplementär verteilt und kookkurrieren
abhängig von dem jeweiligen Sprachgebiet und der betrachteten Sprachperiode mit entsprechenden kongruenten Subjektpronomina.
Melani Wratil
Im Walisischen, einer britannischen Sprache, welche ebenso wie alle anderen
modernen keltischen Sprachen eine VSO-Grundwortstellung besitzt,1 kongruieren die Hauptverben finiter Sätze nur mit unmittelbar rechtsadjazent angeordneten pronominalen Subjekten der 1. und 2. Person Singular und der 1., 2.
und 3. Person Plural und weisen eine dementsprechende synthetische Morphologie auf (vgl. Hendrick 1994; Borsley et al 2007). Im klassischen Standardwalisischen erhalten postverbale schwache Subjektpronomina dabei
optional eine Nullrepräsentation (Sadler 1988) (vgl. (1)).2
(1) kl. Standardwalisisch
a. Fe brynasom
ni / pro anrhegion.
AFF kauf.PAST.1PL wir
Geschenke
„Wir kauften Geschenke.“
b. Fe brynasant
hwy / pro anrhegion.
AFF kauf.PAST.3PL sie
Geschenke
„Sie kauften Geschenke.“
Die Hauptverben finiter walisischer Sätze sind sonach immer dann analytisch
– also frei von jeglicher morphologischer Subjektkongruenzspezifikation –,
wenn es sich bei ihrem Subjekt um ein Personalpronomen der 3. Person Singular bzw. ein entsprechendes Nullpronomen (vgl. (2a)) oder um eine nichtpronominale DP handelt (vgl. (2b) mit (2c)).
(2) kl. Standardwalisisch
a. Fe brynodd ef / pro anrhegion.
AFF kauf.PAST er
Geschenke
„Er kaufte Geschenke.“
1
Die unmarkierten Deklarativsätze der beiden ebenfalls britannischen Sprachen Kornisch (letzte Aufzeichnungen im 18. Jhd.) und Bretonisch weisen dennoch oberflächenstrukturell meist keine VSO-Abfolge auf. In der Regel befindet sich dort innerhalb der linken Peripherie eine stark thematische Konstituente, welche der präverbal
angeordneten Satzpartikel unmittelbar vorangeht (George 1990; Willis 1998: 6f.).
2
In den folgenden Beispielsätzen sind das syntaktische Subjekt und die jeweilige
Subjektkongruenzmorphologie fett gedruckt. „pro“ indiziert das Vorhandensein eines
Nullsubjekts bzw. Nullobjekts. Die folgenden Glossierungen werden verwendet: 1 =
1. Person; 2 = 2. Person; 3 = 3. Person; AFF = Affirmativmarker ; AUX = Auxiliar; CL =
Klitikum; COND = Konditional; CONJ = konjunktiv (bei Pronomina); CONTR = Kontrastfokus; DET = Determinant; FEM = Femininum; FUT = Futur; IMP = Imperativ; IPFV =
Imperfektiv; ; SBJVII = Konjunktiv II; MASC = Maskulinum; NEG = Negationsmarker;
OBJ = Objekt; PFV = Perfektiv; PL = Plural; PLU.PERF = Plusquamperfekt; PAST = Präteritum; PROG = Progressiv; PRON = Pronomen; PRS = Präsens; PRT = Partikel; REDUP =
redupliziert (bei Pronomina); REL = Relativmarker; SG = Singular; SBJ = Subject; VN =
Verbalnomen
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
b. Fe brynodd y
plant anrhegion.
AFF kauf.PAST DET Kinder Geschenke
„Die Kinder kauften Geschenke.“
c. *Fe brynasant y
plant anrhegion.
AFF kauf.PAST.3PL DET Kinder Geschenke
Auch weisen diese Verben grundsätzlich eine rein analytische Morphologie
auf, sobald deren pronominales oder nicht-pronominales Subjekt als fokussierte Konstituente linksperipher angeordnet ist (vgl. (3a,b) mit (3c)).
(3) kl. Standardwalisisch
a. Hwy a chwalodd
y stafell.
sie PRT zerstör.PAST DET Zimmer
„SIE verwüsteten das Zimmer.“
b. Chwi a ymwelodd
â Glyn.
ihr PRT besuch.PAST zu Glyn
„IHR besuchtet Glyn.“
c. *Chwi a ymwelasoch
â Glyn.
ihr PRT besuch.PAST.2PL zu Glyn
Im Falle der Subjektkoordination kongruieren sie stets nur mit dem jeweils
rechtsadjazenten initialen Subjektkonjunkt. Eine entsprechende synthetische
Morphologie besitzen sie genau dann, wenn letzteres ein Pronomen der 1.
oder 2. Person Singular oder der 1., 2., oder 3. Person Plural ist (vgl. (4a)).
Ansonsten sind sie analytisch (vgl. (4b)). Eine Kongruenzspezifikation, welche eine Übereinstimmung mit dem phi-Merkmalsgehalt der komplexen
Gesamtsubjektphrase indiziert, ist nicht möglich (Borsley 2009) (vgl. (4c)).
(4) kl. Standardwalisisch
a. Fe ddarllenaist ti a fi ‘r papur newydd.
AFF les.PAST.2SG du und ich DET Zeitung
„Du und ich lasen die Zeitung.“
b. Fe welodd y plant a ni ’r gath.
AFF seh.PAST DET Kinder und wir DET Katze
„Die Kinder und wir sahen die Katze.“
c. *Fe ddarllenasom ti a fi ‘r papur newydd.
AFF les.PAST.1PL du und ich DET Zeitung
Melani Wratil
Seit mehr als zwanzig Jahren zählt dieses asymmetrische Verhalten der walisischen Subjektkongruenzkodierung zu einer derjenigen morphosyntaktischen Idiosynkrasien, welche stets aufs Neue eingehend untersucht und analysiert werden. Insofern existiert eine ganze Reihe von Ansätzen, die die
Subjekt-Verb-Kongruenz des Walisischen detailliert beschreiben und vor
dem Hintergrund einer jeweils aktuellen syntaktischen Theorie explizieren.
Sadler (1988) zum Beispiel begründet die im klassischen Standardwalisischen wie auch in den anderen keltischen Sprachen zu beobachtende Inkompatibilität synthetischer Verbformen mit nicht-pronominalen Subjekten auf
der Grundlage der traditionellen Rektions- und Bindungstheorie (Chomsky
1981) mit pronominalen Eigenschaften der synthetischen Verbmorphologie.
Ihrer Ansicht nach verlangt diese im Walisischen von ihrem unmittelbaren
Rektum, dem syntaktischen Subjekt und Repräsentanten der externen ThetaRolle, ebenfalls eine pronominale Spezifikation, weshalb eine Kookkurrenz
von synthetischen Verbformen mit postverbalen Subjektpronomina bzw. –
nullpronomen wie in (1) gestattet, eine Kookkurrenz von synthetischen Verbformen mit postverbalen subjektivischen Operatorspuren wie in (3) und lexikalischen Subjektkonstituenten wie in (2) jedoch ausgeschlossen ist.
Für Rouveret (1994) sind die in (2b) und (2c) illustrierten Antikongruenzerscheinungen dagegen auf die VSO-Grundwortstellung des Walisischen zurückzuführen. Er ist der Meinung, dass speziell in VSO-Sprachen lexikalische Subjektphrasen im Zuge ihrer A-Bewegung lediglich SpecT erreichen
und daher am finiten Verb innerhalb der dominierenden AgrSP keine Subjektkongruenzspezifikation lizenzieren können. Da nun, so argumentiert
Rouveret (1994) im Rahmen der modernen ökonomiebasierten Prinzipienund Parameter-Theorie (Chomsky 1991), pronominale Subjekte keine vollständige DP sondern lediglich eine NumP projizieren, werden deren NumKöpfe im Falle einer zugrundeliegenden VSO-Syntax unmittelbar von AgrS°
attrahiert, wodurch sie dort die spezifische Subjektkongruenzmorphologie
repräsentieren. Bei den postverbalen overten und coverten Subjektpronomina
des Walisischen handelt es sich demgemäß um die zurückgelassenen NPKomplemente dieser Num-Köpfe.
Roberts (2005) analysiert die Kongruenzmorphologie synthetischer Verbformen vor dem Hintergrund der modernen minimalistischen Syntaxtheorie
(Chomsky 1995; 2000) dagegen als kanonische Subjektklitika. Diese werden,
so Roberts (2005), in der Kopfposition der AgrSP-internen PersP verkettet
und attrahieren von dort aus das finite Verbelement, mit welchem sie sich
suffixal verbinden und eine entsprechende synthetische Verbmorphologie
bilden. Aufgrund ihres interpretierbaren Status’ überprüfen sie mittels der
Operation AGREE die nicht-interpretierbaren phi-Merkmale des von ihnen ckommandierten AgrSP-internen Kopfes Num°. Da hierdurch die Lizenzierung sämtlicher relevanten phi-Merkmale der AgrS-Domäne abgeschlossen
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
wird und die walisische NumP kein EPP-Merkmal beherbergt, können keine
weiteren syntaktischen Subjekte mehr dort eingesetzt werden. Derartige
postverbale overte Subjektpronomina wie in (1) sind für Roberts (2005) sonach keine echten Subjekte. Er definiert sie als Echopronomen, welche aus
einer komplett unspezifizierten DP bestehen.
Vor dem Hintergrund der linearisierungsbasierten Head-driven Phrase Structure Grammar (Pollard et al. 1993; Kathol 2000) betrachtet Borsley (2009)
schließlich die Kongruenz im Walisischen generell als ein Oberflächenphänomen. Sie wird seines Erachtens allein durch die lineare Anordnung der in
der Mutterdomäne der jeweiligen Konstituente als Domänenelemente repräsentierten Köpfe (HEAD) und Komplemente (COMPS) determiniert, wobei
letztere auch das syntaktische Subjekt miteinschließen (vgl. Borsley 1989;
Pollard & Sag 1994). Im Falle der Subjekt-Verb-Kongruenz wird, so Borsley
(2009), am finiten Verb nur dann Kongruenz ausgelöst, wenn diesem ein
subjektivisches Pronomen und somit ein funktionales Element, dessen Index
entsprechende phi-Merkmale kodiert, unmittelbar linear nachgestellt ist.
Auch die Ansätze von Bennis (1984), Sproat (1985), Hendrick (1994),
Roberts & Shlonsky (1996), Adger (2000) und Koopman (2000), um nur
einige zu nennen, beschäftigen sich mit der Subjekt-Verb-Kongruenz oder
generell mit der Kongruenz des Walisischen. Diese und die vier oben skizzierten Ausführungen haben gemeinsam, dass sie einen durchaus bedeutsamen Beitrag zur Erforschung der keltischen Morphosyntax leisten, aber dennoch relevante Fragen offen lassen oder gar neue Probleme aufwerfen. So ist
zum Beispiel bei Sadler (1988) nicht klar, wodurch eine über die phiMerkmalsspezifikation hinausgehende Merkmalsübereinstimmung zwischen
regierender Kopfkategorie und regiertem Nominalausdruck motiviert sein
könnte. Bei Roberts (2005) erscheint die Einsetzung weitestgehend redundanter Echopronomen aus ökonomischen Gründen zumindest fragwürdig.
Und Rouveret (1994) und Borsley (2009) prognostizieren, dass derartige
Kongruenzphänomene, wie sie im Walisischen vorkommen, auf VSOSprachen beschränkt sind. Die Beobachtungen zu einigen sehr jungen SVOSprachen (vgl. Kap. 2.2.) zeigen allerdings, dass dies nicht den Tatsachen
entspricht. Weiterhin stimmen diese Ansätze darin überein, dass sie sich den
Kongruenzphänomenen des Walisischen ausschließlich auf synchroner Ebene
nähern. Sie haben daher keine Antworten auf solche Fragen wie: Auf welche
Weise hat sich die spezifische Subjekt-Verb-Kongruenz des Walisischen im
Laufe der Sprachgeschichte entwickelt? Welche syntaktischen und morphologischen Gegebenheiten waren für diese Entwicklung ausschlaggebend und
welche diachronen Prozesse wurden durch sie in Gang gebracht? Mit welchen anderen morphosyntaktischen Wandlungserscheinungen korreliert die
Etablierung einer derart idiosynkratischen Subjekt-Verb-Kongruenz? Und
schließlich: Wie sieht der weitere Verlauf dieser Entwicklung aus? Verhalten
sich Subjekte und finite Verben im modernen und heutigen umgangssprachli-
Melani Wratil
chen Walisischen noch genauso wie im bereits exemplifizierten klassischen
Standardwalisischen? Um derlei Fragestellungen wird es im Folgenden. Dabei wird deutlich werden, dass die Subjekt-Verb-Kongruenz des Walisischen
keine Konstante darstellt, sondern einem zyklischen Wandelprozess unterworfen ist, bei dem sowohl Grammatikalisierung als auch Degrammatikalisierung eine Rolle spielen und in dessen Verlauf postverbale Pronominalelemente verbale Charakteristika annehmen und wieder verlieren.
So werde ich in Kapitel 2 anhand altwalisischer und mittelwalisischer Daten
zeigen, dass die spezifische Subjekt-Verb-Kongruenz, so wie sie das klassische literarische Standardwalisische aufweist, auf einen Grammatikalisierungsprozess zurückzuführen ist, bei dem inkorporierte Subjektpronomen
Eigenschaften einer verbalen Kategorie angenommen, dabei aber pronominale Eigenschaften zurückbehalten haben. In Kapitel 3 widme ich mich der
Entstehung des CompAgreement im frühen modernen Walisischen und der
hieraus resultierenden zunehmenden Etablierung von postverbalen, overten
Subjektpronomina, um schließlich in Kapitel 4 zu erläutern, warum letztere
die subjektivischen Nullpronomen im heutigen modernen Walisischen vollständig verdrängen konnten. Kapitel 5 behandelt den Verlust der morphologisch repräsentierten Subjekt-Verb-Kongruenz und die Entstehung neuer
synthetischer Verbformen im gegenwärtigen umgangssprachlichen Walisischen und lässt damit erkennen, dass aufgrund einer Degrammatikalisierung
ein vermutlich in einer früheren Sprachperiode des Walisischen bereits erlangtes grammatisches Stadium der Subjektrealisierung wiederkehrt.
2.
Die Entwicklung der quasi-pronominalen
Kongruenzmorphologie synthetischer Verbformen im
Mittelwalisischen
2.1.
Altwalisisch: Kongruenz oder Inkorporation?
Ob es überhaupt eine morphologisch repräsentierte Subjekt-Verb-Kongruenz
im Altwalisischen gegeben hat und wie diese gegebenenfalls beschaffen war,
ist nur schwer festzustellen. Dies ist zunächst vor allem darauf zurückzuführen, dass die zur Verfügung stehende relevante Datenbasis außerordentlich
dünn ist. Es gibt nur wenige altwalisische Prosatexte, wobei diese meist lediglich als Glossen lateinischer Schriften dienen und stark an die lateinische
Orthographie, Lexik und Morphosyntax angelehnt sind (Jackson 1953;
Haycock 1981; Koch 1986; Roberts 1988). Die meisten lyrischen Texte des
Altwalisischen finden sich in mittelwalisischen Manuskripten (Roberts 1988;
Willis 1998: 7ff.), und geben daher unter Umständen nur bedingt die ursprüngliche altwalisische Repräsentation der externen Kongruenz wieder.
Oftmals existieren zu diesen Schriftstücken gar keine oder gänzlich unter-
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
schiedliche Übersetzungen. Hinzu kommt, dass die Bandbreite der dort vorzufindenden Subjektrealisierung nicht erschöpfend ist. So gibt es nicht für
jede mögliche Anordnung und phi-Merkmalsspezifikation eines syntaktischen Subjekts auch entsprechende altwalisische Daten. Insofern können die
im Folgenden für das ältere Walisisch aufgestellten Thesen nur als mehr oder
weniger starke Vermutungen gelten.
Bei der Betrachtung der vorliegenden altwalisischen Texte, vorwiegend der
Prosatexte, scheint zumindest ein Umstand höchst beachtenswert zu sein –
nämlich die Komplementärverteilung kongruierender finiter Verbformen und
postverbaler, overter Subjekte. Ist der verbale Kopf eines finiten Satzes demnach eine synthetische Verbform, so erscheint weder ein overtes Subjektpronomen noch eine nicht-pronominale Subjekt-DP in der kanonischen Subjektposition (vgl. (5a,b)). Sobald dort ein overtes Subjekt eingesetzt wird, bleibt
das diesem unmittelbar vorangehende finite Verb grundsätzlich analytisch.
Es besitzt demzufolge wie in (5c) und in (5d) keine spezifische Kongruenzmorphologie und entspricht damit der Verbform der 3. Person Singular.
(5) Altwalisisch3
a. ni choliam hinoid ...
NEG glaub-ich das
„Ich glaube das nicht ...“
(Mesurau a Phwysau 4.32)
b. Amgucant
pel amtanndi...
streit.PAST.sie lang darüber
„Sie stritten lang darüber ...
(Surexit Memorandum)
c. Rodesit Elcu guetig equs ...
geb.PAST Elcu danach Pferd
„Danach gab Elcu ein Pferd ...“
(Canu Aneirin 22)
d. Grefiat guetig nis
minn Tutbulc hai
cenetl
Titel danach NEG+3SG brauch Tudfwlch und_seine Verwandtschaft
in ois oisou
in Alter Alter(PL)
„Tudfwlch und seine Familie brauchen nie mehr einen Titel.“
(Surexit Memorandum)
3
Die Übersetzungen und/oder Glossierungen der folgenden altwalisischen Beispiele
entstammen Quiggin (1912), Williams (1938), Willis (1998) und Borsley et al (2007).
Melani Wratil
Diese fehlende Kookkurrenz von kongruierenden Verbformen und von postverbalen pronominalen Subjekten der 1. und 2. Person Singular sowie der 1.,
2. und 3. Person Plural und nicht-pronominalen Subjekten legt den Schluss
nahe, dass die Kongruenzmorphologie synthetischer Verbformen selbst den
Status eines pronominalen Subjekts besitzt und daher gemäß dem ThetaKriterium die Einsetzung eines weiteren subjektivischen Elements innerhalb
des minimalen Satzes verbietet. Demnach scheint im Altwalisischen eine
Inkorporation von pronominalen Subjekten seitens finiter Verben stattzufinden.4 Derartiges lässt sich, wie Doron (1988) nachweist, mitunter auch in
verschiedenen modernen keltischen Sprachen beobachten. So werden im
modernen Irischen pronominale Argumentsubjekte zum Teil obligatorisch in
die verbale Morphologie integriert. Dies betrifft im indikativischen Modus
das Subjektpronomen der 1. Person Singular und im konditionalen Modus die
Subjektpronomina der 1. und 2. Person Singular und die der 1. Person Plural.
Zusammen mit dem finiten Hauptverb, welches selbst über keinerlei funktionale Kongruenzmorphologie verfügt, bilden sie synthetische Verbformen
(vgl. (6a)). Letztere sind mit rechtsadjazent angeordneten pronominalen Subjekten strikt inkompatibel (vgl. (6b)).
(6) Irisch
a. chuirfinn
isteach ar an phost
stell.COND+PRON(1SG) in
auf DET Stelle
„Ich würde mich auf die Stelle bewerben.“
b. *chuirfinn
mé isteach ar an phost
stell.COND+PRON(1SG) ich in
auf DET Job
4
Erstaunlicherweise kommen in verschiedenen altwalisischen Texten – seltener auch
in verschiedenen mittelwalisischen Texten (vgl. Borsley et al. 2007) – vereinzelt
Konstruktionen vor, in denen eine synthetische Verbform der 3. Person Plural einem
nicht-pronominalen Subjekt der 3. Person Plural unmittelbar vorangeht (vgl. (i)).
(i)
... imguodant
ir degion guragun
tagc ...
sprech-PRÄT-sie DET Adeligen mach-IMP-1PL Frieden
„Die Adeligen sprachen: Lasst uns Frieden machen!“
(Surexit Memorandum)
Laut u.a. Morris-Jones (1931:191) und Evans (1971) repräsentieren derartige Konstruktionen nicht das in der entsprechenden Sprachperiode tatsächlich verwendete
Walisisch. Ihrer Einsicht nach ist die Kookkurrenz von synthetischen Verbformen und
postverbalen nicht-pronominalen Subjekten in allen Fällen das Resultat einer Eins-zuEins-Übersetzung fremder literarischer Texte. Postverbale Konstituenten wie ir degion in (i) sind womöglich als Appositionen zu dem jeweils vorangehenden inkorporierten Subjektpronomen zu definieren und stellen insofern keine Verletzung des ThetaKriteriums dar.
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
Die Annahme von Hale & McCloskey (1984), dass die Komplementärverteilung von synthetischen Verbformen und overten Subjekten im Irischen auf
eine obligatorische Lizenzierung des Nullsubjekts pro zurückzuführen ist,
widerlegt Doron (1988), indem sie zeigt, dass sich die spezifische Morphologie irischer synthetischer Verbformen syntaktisch wie ein pronominales Subjekt verhält. So kann sie zum Beispiel ebenso wie isolierte Subjektelemente
im Falle ihrer Fokussierung eine kontrastive Betonung erhalten (vgl. (7a))
oder aber innerhalb einer Koordinationsverbindung gemeinsam mit anderen
DPs eine komplexe Subjektkonstituente bilden (vgl. (7b)).
(7) Irisch
a. dhéanFA
tu.COND+PRON(2SG)
„DU würdest es tun.“
b. da mbeinn-se
agus tusa ann
wenn sei.COND+PRON(1SG)-CONTR und du da
„Wenn du und ich da wären.“
Ebenso wie im modernen Irischen bleibt auch im Altwalisischen das subjektivische Personalpronomen der 3. Person Singular isoliert. Als schwaches
Subjektpronomen erhält es in seiner postverbalen Positionierung jedoch keine
phonologische Repräsentation (vgl. (8)). Es besitzt damit den Status eines
genuinen Nullpronomens pro, welches aufgrund seiner Komplementärverteilung mit overten inkorporierten und nicht-inkorporierten Subjekten als Subjektpronomen mit der am geringsten markierten Merkmalsspezifikation eines
definiten Personalpronomens ([D +pronominal, +definit, –PS, –PL, ±MASK, –
deiktisch, –betonbar]) identifiziert wird.
(8) Altwalisisch
a. ni-tegid
pro ad serenn
árall
NEG-beweg
zu Konstellation anders
„Er bewegt sich nicht in eine andere Konstellation“
(Computus Fragment)
b. Med a dalhei
pro
Bier PRT verdien-IPV
„Das Bier verdiente er.“
(Canu Aneirin 22)
Demgemäß verfügt das Altwalisische über keinerlei morphologisch markierte
Subjekt-Verb-Kongruenz. Dessen synthetische Verbformen resultieren aus
der Inkorporation ihres pronominalen Subjekts. Da das unbetonte Subjekt-
Melani Wratil
pronomen der entsprechenden analytischen Verbformen, i.e. das schwache
Subjektpersonalpronomen der 3. Person Singular als hinsichtlich der Sprechaktpartizipation seines Referenten am geringsten spezifiziertes Personalpronomen nicht phonologisch realisiert wird, ist das Altwalisische den partiellen
Nullsubjektsprachen zuzuordnen.
2.2.
Homonymieflucht und quasi-pronominale
Kongruenzmorphologie im Mittelwalisischen
Im Mittelwalisischen ist die Komplementärverteilung von synthetischen
Verbformen und postverbalen freien Subjekten nicht mehr durchgängig zu
beobachten. Synthetische Verbformen gehen dort nämlich in einer Reihe von
finiten Konstruktionen entsprechenden subjektivischen Personalpronomina
der 1. und 2. Person Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural unmittelbar
voran (vgl. (9a,b,c)). Auch die analytischen Formen werden zunehmend von
einem postverbalen, phonologisch realisierten Subjektpronomen begleitet
(vgl. (9d)). Da das Walisische über keinerlei flexionsmorphologisch kodierte
Kasusdistinktion verfügt, stimmen sämtliche dieser subjektivischen Pronomina mit ihren jeweiligen postverbal realisierten, objektivischen Gegenstücken formal überein (Evans 1964) (vgl. (9a) mit (9d)).
(9) Mittelwalisisch5
a. ... ny thorreis
i ef.
NEG zerbrech.PAST.1SG ich ihn
„... ich zerbrach ihn nicht.“
(Chwedlau Cymraeg Canol 67.25-26)
b. A ’r llef
hwnnw a debygem
ni …
und DET Geheul dies PRT glaub.IPV.1PL wir
„Und dieses Heulen, glauben wir, ...
(Ystoryaeu Seint Greal 749)
c. ... yna y messurassant wynteu … uchet y gaer.
dann PRT mess.PAST.3PL sie(CONJ) Höhe DET Burg
„... dann maßen sie ... die Höhe der Burg.“
(Breudwyt Maxen 11.2)
5
Die Übersetzungen und/oder Glossierungen der im Folgenden verwendeten mittelwalisischen Beispielsätze gehen vornehmlich auf Willis (1998) zurück.
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
d. Ny welei ef y twrwf …
NEG seh-IPV er DET Tumult
„Er sah den Tumult nicht ...“
(Pedeir Keinc y Mabinogi 22.23)
Allerdings sind die synthetischen Verbformen im Mittelwalisischen noch
nach wie vor mit unmittelbar postverbal angeordneten, nicht-pronominalen
DPs inkompatibel. Befindet sich eine solche in der vom Verb rechtsadjazent
gelegenen Position, so ist letzteres analytisch (vgl. (10a) mit (10b).
(10) Mittelwalisisch
a. Ac ar hynny y trigyassant
pro y nos honno.
und auf das PRT einig.PAST.3PL
DET Nacht dies
„Und auf das einigten sie sich diese Nacht.“
(Historia Peredur vab Efrawc 44.14)
b. Ef a doeth
makwyueit a gueisson ieueinc …
es PRT komm.PAST Gutsherren und Burschen jung
„Da kamen Gutsherren und junge Burschen ...“
(Pedeir Keinc y Mabinogi 4.8-9)
Ebenfalls analytisch sind im Mittelwalisischen finite Verben, deren Subjekt
als fokussierte Konstituente innerhalb der linken Peripherie positioniert ist.
Die Hauptverbelemente in (11a) und (11b) können demzufolge keine ihrem
Subjekt entsprechende synthetische Morphologie annehmen.
(11) Mittelwalisisch
a. Y gwyr a wiscawd
amdanunt
DET Männer PRT ankleid.PAST um.3PL
„DIE MÄNNER zogen sich an.“
(Pedeir Keinc y Mabinogi 29.22)
b. Mi a ’e
heirch
ich PRT CL.3SG(OBJ) such
„ICH suche es.“
(Llyfr Gwyn Rhydderch 479.27)
Doch worauf lässt diese spezifische Distribution synthetischer Verbformen
und pronominaler und nicht-pronominaler Subjekte schließen? Inkorporieren
die synthetischen Verben des Mittelwalisischen noch ebenso wie diejenigen
des Altwalisischen ihre pronominalen Subjekte? Oder verfügen sie bereits
über voll funktionalisierte Subjektkongruenzmarker?
Für letzteres spricht die in (9) illustrierte Kookkurrenz von synthetischen
Verbformen und freien Subjektpronomina. Die komplexen Verbformen in
Melani Wratil
(9a), (9b) und (9c) können ihr syntaktisches Subjekt nicht vollständig selbst
enthalten, da in diesem Fall das nachfolgende Pronominalelement eine Verletzung des Theta-Kriteriums herbeiführen würde. Sonach erscheint es plausibel anzunehmen, dass im Mittelwalisischen ein Grammatikalisierungsprozess stattgefunden hat, bei dem die inkorporierten Subjektpronomina synthetischer Verbformen als morphologisch repräsentierte Subjektkongruenzkodierungen reanalysiert wurden und damit innerhalb des Paradigmas der Subjektpronomina Lücken hinterlassen haben, welche durch entsprechende Nullpronomen bzw., im Falle einer etwaigen deiktischen oder kontrastiven Verwendung, durch entsprechende overte Pronomina gefüllt werden.
Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Hauptverben in (10b) und (11)
analytisch sind. Verfügten die finiten Verben des Mittelwalisischen tatsächlich über voll funktionalisierte Subjektkongruenzflexive, so müssten diese
auch in Kombination mit entsprechenden nicht-pronominalen Subjekt-DPs
und fokussierten Subjekten erscheinen. Gerade die Tatsache, dass jedoch
derartige Subjekte eine synthetische Verbmorphologie unterbinden, muss als
ein deutliches Indiz dafür betrachtet werden, dass einerseits zwar eine
Grammatikalisierung stattgefunden hat, dass diese aber andererseits im Mittelwalisischen nicht in einer ausschließlich verbalen Kategorie mündete.
Demnach haben die inkorporierten Subjektpronomina synthetischer Verbformen im Verlauf ihrer Grammatikalisierung zu funktionalen Subjektkongruenzmarkern in der Tat verbale Merkmale angenommen. Sie haben dabei
aber offensichtlich bislang noch pronominale Charakteristika zurückbehalten.
Die den synthetischen Verbformen unmittelbar nachgeordneten Subjekte
referieren also nicht unabhängig. Vielmehr werden sie, wie die Koindizierungen in (12) verdeutlichen, in ihrer kanonischen Subjektposition als pronominale Anaphern von der vorangehenden quasi-pronominalen Subjektkongruenzmorphologie lokal gebunden. Dies betrifft natürlich nicht nur die
postverbal eingeführten overten Subjektpersonalpronomina sondern auch die
entsprechenden, durch den Reanalysevorgang freigesetzten Nullsubjekte (vgl.
(12b)).
(12) Mittelwalisisch
a. A ’r llef
hwnnw a debygemi
nii …
und DET Geheul dies PRT glaub.IPV.(PRON)1PL wir
„Und dieses Heulen, glauben wir, ...“
(Ystoryaeu Seint Greal 749)
b. Ac ar hynny y trigyassanti
proi y nos honno.
und auf das PRT einig.PAST.(PRON)3PL
DET Nacht dies
„Und auf das einigten sie sich diese Nacht.“
(Historia Peredur vab Efrawc 44.14)
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
Da das finite Verb vormals nur das ihm rechtsadjazent angeordnete Subjektpronomen inkorporierte und sich daher auch nur dieses im Zuge seiner
Grammatikalisierung zu einem quasi-pronominalen Flexiv entwickeln konnte, kann im Mittelwalisischen auch nur das unmittelbar postverbale overte
oder coverte Subjektpronomen von der spezifischen Kongruenzmorphologie
synthetischer Verben gebunden werden. Hieraus ergibt sich im Falle der
Koordination von pronominalen Subjekten eine asymmetrische Konstellation, in der das Verb nur mit dem rechtsadjazenten ersten Konjunkt der komplexen Subjektphrase in einer Kongruenzbeziehung steht, und die, wie die
Beispiele in (4) (hier erneut aufgeführt als (4‘)) illustrieren, noch bis heute zu
beobachten ist.
(4’) kl. Standardwalisisch
a. Fe ddarllenaist ti a fi ‘r papur newydd.
AFF les.PAST.2SG du und ich DET Zeitung
„Du und ich lasen die Zeitung.“
b. Fe welodd y plant a ni ’r gath.
AFF seh.PAST DET Kinder und wir DET Katze
„Die Kinder und wir sahen die Katze.“
c. *Fe ddarllenasom ti a fi ‘r papur newydd.
AFF les.PAST.1PL du und ich DET Zeitung
Derartige Kongruenzasymmetrien lassen sich auch in anderen Sprachen feststellen, in denen Kongruenzmarker zumindest zum Teil pronominal definiert
sind, wie zum Beispiel in verschiedenen oberdeutschen Varietäten. Dort
treten oftmals spezifische Kongruenzaffixe an nebensatzeinleitenden Konjunktionen (CompAgreement) und an in C° gelandeten finiten Verben von
V1- und V2-Strukturen auf (Bayer 1984; Weiß 1998). Die Konjunktionen
stellen eine Kongruenzbeziehung zu dem jeweils unmittelbar nachfolgenden
Subjekt her und sind, wie unter anderem Fuß (2005) und Axel & Weiß
(2011) nachweisen, aus der Reanalyse der entsprechenden ehemals enklitischen Subjektpronomina hervorgegangen. Axel & Weiß (2011) belegen anhand von Untersuchungen zu deren positionaler Eingeschränktheit, dass sie
in bestimmten Dialektalgebieten noch durchaus pronominale Eigenschaften
besitzen. In bestimmten oberpfälzischen Sprachgebieten zum Beispiel lassen
sich in der Tat mitunter Kongruenzmarker mit pronominalen Charakteristika
ausfindig machen. Diese sind, wie Beispiel (13a) zur oberpfälzischen Komplementiererflexion verdeutlicht, im Falle der Subjektkoordination nur für
den phi-Merkmalsgehalt des unmittelbar nachfolgenden pronominalen Subjektkonjunkts spezifiziert. Sie können keine Kongruenz mit einer nicht-
Melani Wratil
pronominalen Subjekt-DP oder mit der komplexen Gesamtsubjektphrase
kodieren (vgl. (13b)).
(13) Oberpfälzisch
a. ...wemma
mia un d’ Almarer af d’ Kiawa
wenn.(PRON)1PL wir und DET Almerer auf DET Kirchweih
geih dadn
geh tu(SUBJII).3PL
„...wenn wir und die Almerer auf das Kirchweihfest gehen würden.“
b. ...wenn d’ Almarer un mia af d’ Kiawa
geih dadn
wenn DET Almerer und wir auf DET Kirchweih geh tu(SUBJII).3PL
„...wenn die Almerer und wir auf das Kirchweihfest gehen würden.“
Die Unverträglichkeit mittelwalisischer synthetischer Verbformen mit nichtpronominalen Subjekt-DPs und sämtlichen präverbal angeordneten, fokussierten Subjektkonstituenten ist somit schlicht darauf zurückzuführen, dass
sowohl lexikalische DPs als auch Variablen den bindungstheoretischen Status
von R-Ausdrücken besitzen. Als solche sind sie innerhalb ihrer lokalen Domäne mit jeglichen bindenden Antezedenten inkompatibel.
Demnach hat sich das Walisische infolge der Grammatikalisierung seiner
inkorporierten Subjektpronomina zu pronominal definierten bzw. quasipronominalen Subjektkongruenzmarkern letztendlich zu einer vollständigen
aber durchaus untypischen Nullsubjektsprache entwickelt. So besitzt das
Mittelwalisische noch nach wie vor das genuine Nullpronomen der 3. Person
Singular, welches allein aufgrund der Abwesenheit spezifischer Kongruenzmarkierungen als merkmalsschwächstes Personalpronomen identifiziert wird
((14)).
(14) Mittelwalisisch
a. … ac nyt argwedwys pro idaw dim.
und NEG schad.PAST
zu.3SG nichts
„... und es schadete ihm überhaupt nicht.“
(Ystoria de Carolo Magno 27.18)
b. E doeth
pro im … y gar wr…
PRT komm.PAST
zu_mir von Mann
„Er kam ... von einem Mann zu mir...“
(Pedeir Keinc y Mabinogi 35.3)
Hinzugekommen sind die Nullsubjekte der 1. und 2. Person Singular und der
1., 2., und 3. Person Plural. Diese sind, anders als das kanonische Subjektnullpronomen pro, bindungstheoretisch als Anaphern definiert und werden
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
als solche durch die A-Bindung seitens ihres lokalen Antezedenten rekonstruiert.
Spätestens an diesem Punkt stellt sich allerdings die Frage, warum die inkorporierten Subjektpronomina im Mittelwalisischen nicht unmittelbar als rein
verbale Kategorien reanalysiert und innerhalb des Pronominalparadigmas
durch rein pronominale Kategorien ersetzt wurden. Immerhin scheint in
Sprachen, in denen Subjektpronomina ausschließlich an finite Hauptverben
klitisieren bzw. von diesen inkorporiert werden, eine derartige, mit einem
vollständigen Kategoriewechsel verbundene Reanalyse das übliche diachrone
Szenario der Kongruenzflexiventwicklung darzustellen (vgl. u.a. Givón 1976;
Bresnan & Mchombo 1986; Poletto 1995; Siewierska 1999; Fuß 2005). Dass
überhaupt eine Grammatikalisierung der inkorporierten Subjektpronomina in
Richtung einer verbalen Kongruenzmorphologie im Mittelwalisischen stattgefunden hat, ist auf die spezifische Selektion morphosyntaktischer Strukturen während des Spracherwerbprozesses zurückzuführen. Diese wird, so u.a.
Wexler & Manzini (1987), Clark & Roberts (1993) und O´Grady (1997),
generell durch das natürliche Bedürfnis nach maximaler Optimalität und
Ökonomie gesteuert. Speziell beim Erwerb von Flexionsmustern mündet sie
in einer generellen Präferenz stärker spezifizierter und distinktiver Formen
gegenüber schwächer spezifizierter und homonymer Formen. Falls also die
E-Sprache einer Elterngeneration Primärdaten zur Verfügung stellt, die mit
verschiedenen morphosyntaktischen Repräsentationen kompatibel sind, dann
wählt der Spracherwerber der Nachfolgegeneration diejenige aus, welche die
größtmögliche Distinktion und Spezifiziertheit innerhalb des entsprechenden
Paradigmas gewährleistet und somit dort Redundanz am effektivsten unterbindet. Demnach lässt sich Halles (1997) im Rahmen der Distribuierten Morphologie (Halle & Marantz 1993) etablierte Subset Principle auf Spracherwerbs- und Sprachwandelprozesse übertragen. Fuß & Wratil (2013) belegen
dies unter anderem durch Untersuchungen zur Entwicklung der verbalen
Kongruenzmorphologie des Bairischen und zum Wandel von Pronominalparadigmen im Mauritius Kreol und im Finnischen. Sie zeigen, dass Sprachwandel in den betrachteten Fällen zu einer größeren Differenziertheit innerhalb des entsprechenden verbalen bzw. pronominalen Paradigmas geführt hat
und formulieren in diesem Zusammenhang das von Halles (1997) Subset
Principle und von Fuß’ (2005) Blocking Principle inspirierte Spezifizitätsprinzip:
Spezifizitätssprinzip – Spracherwerb
Falls die sprachlichen Primärdaten mehrere potentielle phonologische
Exponenten für ein bestimmtes Morphem  aufweisen, dann wird die
Form ins Lexikon aufgenommen, die die größte Teilmenge der in 
enthaltenen morphosyntaktischen Merkmale realisiert.
Melani Wratil
Im Mittelwalisischen wurde durch die Grammatikalisierung inkorporierter
Subjektpronomina eine neue, spezifische und vor allem distinktive Verbmorphologie eingeführt. Somit hat dieser Prozess dadurch, dass er neue verbale
Subjektkongruenzaffixe etabliert hat, das walisische Konjugationssystem
extrem angereichert und spezialisiert. Darüber hinaus hat er, da durch ihn die
kanonische Subjektposition SpecT sowohl für Nullsubjekte als auch für neue,
overte Pronominalelemente zugänglich geworden ist, eine morphologisch
repräsentierte Stark-Schwach-Distinktion unter den postverbal realisierten
pronominalen Subjektelementen ermöglicht. So erscheinen im Mittelwalisischen schwache postverbale Subjektpronomina in Form von anaphorischen
Nullsubjekten und alle starken postverbalen Subjektpronomina in Form von
betonten, isolierten anaphorischen Personalpronomina. Dass die neu eingeführten Subjektkongruenzaffixe nicht als rein verbale Kategorien definiert
sind, sondern durchaus noch pronominale Eigenschaften zurückbehalten
haben, ist dabei ebenfalls durch einen Distinktionsgewinn begründet und
somit als eine Folge des Spezifizitätsprinzips zu betrachten. Die neuen postverbal etablierten Subjektpronomina stellen nämlich, indem sie mit der quasipronominalen Flexionsmorphologie der unmittelbar vorangehenden synthetischen Verbformen innerhalb ihrer lokalen Domäne verbunden bleiben, eine
morphologische Differenz zu den entsprechenden postverbalen Objektpronomina her. Folglich verhilft ihnen die spezielle Entwicklung der Subjektkongruenzflexive im Mittelwalisischen zu einer Homonymieflucht, die deren
Einzug in das Pronominalsystem vermutlich überhaupt erst ermöglicht hat.
So konnte nur aufgrund der Reanalyse inkorporierter Subjekte als quasipronominale Antezedenten mit Hilfe der bereits vorhandenen isolierten Pronomina ein neues eigenständiges Paradigma von Subjektpronomina, welches
das walisische Pronominalsystem mit nicht-synkretischen Formen erweitert,
aufgebaut werden. Da die Morphologie analytischer Verbformen im Mittelwalisischen nach wie vor keine pronominalen Kategorien oder Merkmale
enthält, sind dort einzig und allein die overten Subjektpronomina der 3. Person Singular mit den entsprechenden overten postverbalen Objektpronomina
homonym. Das Paradigma der postverbalen Subjekt- und Objektpronomina
des Mittelwalisischen setzt sich demnach wie folgt zusammen (vgl. (Tabelle
1)).
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
Tabelle 1:
Postverbale
Subjektpronomina
Person einfach
konjunktiv6
1.Sg.
AGRi + proi / mii /
AGRi + minneui
fii
2.Sg.
AGRi + proi / tii / dii AGRi + titheui
3.Sg.m. pro / ef
ynteu
3.Sg.w. pro / hi
hitheu
1.Pl.
AGRi + proi / nii
AGRi + ninneui
2.Pl.
AGRi + proi / chwii
3.Pl.
AGRi + wyi
AGRi + chwitheui
AGRi + wynteui
Postverbale
Objektpronomina
einfach
konjunktiv
Kli+ proi /
(Kli+) mii /
fii
Kli+ proi /
(Kli+) tii / dii
Kli+ proi /
(Kli+) efi
Kli+ proi /
(Kli+) hii
Kli+ proi /
(Kli+) nii
Kli+ proi /
(Kli+) chwii
Kli+ proi /
(Kli+) wyi
(Kli+) minneui
(Kli+) titheui
(Kli+) ynteui
(Kli+) hitheui
(Kli+) ninneui
(Kli+) chwitheui
(Kli+) wynteui
Auf Seiten der Objektpronomina ist, wie Tabelle 1 zeigt, eine zusätzliche
Distinktion möglich. Diese wird durch die Einsetzung eines präverbalen
Objektklitikums, welches mit dem entsprechenden postverbalen pronominalen Objekt koindiziert ist und an ein operationales Kopfelement, wie zum
Beispiel an eine Satzpartikel oder an einen Negationsmarker, enklititisiert,
erreicht. Sie ist nur dann obligatorisch, wenn das postverbale Objektpronomen nicht phonologisch realisiert ist.
Da Rouveret (1994), wie bereits in der Einleitung deutlich wurde, in seinen
Ausführungen zur walisischen Kongruenz den Kopf Num° der pronominalen
Subjekt-NumP walisischer finiter Sätze in AgrS° verortet, das von diesem
determinierte nominale Komplement aber in SpecT vermutet, nimmt er, ähnlich wie dies Tabelle 1 illustriert, für das Walisische ein syntaktisches Subjekt an, welches als Pronomen der 1. oder 2. Person Singular oder der 1., 2.,
oder 3. Person Plural aus zwei zusammengehörigen aber positional getrennten Teilen besteht. Bedingt sind diese Zweiteiligkeit und die damit einhergehende Antikongruenz im Falle der Einsetzung einer nicht-pronominalen Subjekt-DP allerdings für ihn durch das Vorliegen einer VSOGrundwortstellung. In VSO-Sprachen landen Subjekte, so Rouveret (1994),
nämlich in der Spezifikatorposition der von der AgrSP dominierten TP, wes6
Konjunktive Pronomina sind stark kontrastiv markiert. Sie werden verwendet, um
den entsprechenden Referenten von den anderen Partizipanten abzuheben oder abzugrenzen (vgl. MacCana 1990; Willis 1998: 135).
Melani Wratil
halb keine Überprüfung von Merkmalen der Subjekt-Verb-Kongruenz durch
eine Spezifikator-Kopf-Relation innerhalb der AgrSP stattfinden kann, aber
die X°-Bewegung eines pronominalen Kopfelements von SpecT aus in den ckommandierenden funktionalen Kopf Agr° gestattet ist. Demnach sind derartige Kongruenzphänomene, wie sie im Walisischen zu beobachten sind, in
sämtlichen nicht-verbinitialen Sprachen strikt ausgeschlossen.
Eben dies lässt sich jedoch nicht bestätigen. Verschiedene atlantische Kreolsprachen, die eine strikte SVO-Grundwortstellung aufweisen, wie zum Beispiel das Haiti Kreol, das Básuse Saramaccan und das in den Beispielen (15),
(16) und (17) angeführte Kapverde Kreol, verhalten sich im Bereich ihrer
Subjekt-Verb-Kongruenz ähnlich wie das Walisische. Diese Sprachen verfügen über Subjektklitika, die sogar dann ein Proklitikum am finiten Verb bilden, wenn dieses einem betonten Subjektpronomen folgt (vgl. (15a,b,c)) oder
ein solches innerhalb einer Koordinationskonstruktion bereits in dem vorangehenden Konjunkt die Subjektposition ausfüllt (vgl. (15d)).
(15) Kapverde Kreol
a. Ami N
sta ubi vos.
ich CL(1SG) PROG hör Stimme
„ICH höre Stimmen.“
b. Bo bu
ta
pode lenbra.
du CL(2SG) COND könn erinner
„DU könntest dich erinnern.“
c. El e
fika ku povu la.
er CL(3SG) bleib mit Leute da
„ER blieb mit den Leuten da.“
d. El e
bebe se vinhu i e
bai se kaminhu.
er CL(3SG) trink sein Wein und CL(3SG) geh sein Weg
„ER trank seinen Wein und ging seinen Weg.“
De Graff (1993), Veenstra (1996) und Baptista (2002) gehen daher davon
aus, dass es sich bei den proklitischen Subjektelementen um verbale Subjektkongruenzmarker handelt, die im Falle der Abwesenheit einer betonten Subjektkonstituente ein entsprechendes Argumentnullsubjekt identifizieren. Mit
nicht-pronominalen Subjekt-DPs sind diese Subjektklitika strikt komplementär verteilt (vgl. (16a) mit (16b)).
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
(16) Kapverde Kreol
a. João fika ku povu la.
João bleib mit Leute da
„João blieb mit den Leuten da.“
b. *João e
fika ku povu la.
João CL(3SG) bleib mit Leute da
Die morphologisch repräsentierte Kongruenz ist damit in den angegebenen
Sprachen auf Kongruenzrelationen zwischen Kopfkategorien und pronominalen Nominalausdrücken beschränkt. Subjektklitika haben dort folglich die
selbe diachrone Entwicklung durchlaufen wie die ehemals inkorporierten
Subjektpronomina des Walisischen. Sie haben im Verlauf ihrer Grammatikalisierung zu funktionalen Subjektkongruenzmarkern verbale Eigenschaften
angenommen, dabei aber pronominale Merkmale zurückbehalten. Die overten betonten Subjektpronomina und die Nullsubjekte des Haiti Kreol, des
Básuse Saramaccan und des in (17) nochmals illustrierten Kapverde Kreol
besitzen demnach insofern einen anaphorischen Status, als ihre im Zuge der
DP-Bewegung zurückgelassenen Spuren in SpecV von dem quasipronominalen Kongruenzmarker in Agr° mittels C-Kommando lokal gebunden werden (vgl. Wratil 2009).
(17) Kapverde Kreol
a. Amii / proi Ni
sta ti ubi vos.
ich
1SG(PRON) PROG hör Stimme
„ICH / ich höre Stimmen.“
b. Boi / proi bui
ta ti pode lenbra
du
2SG(PRON) COND könn erinner
„DU / du könntest dich erinnern.“
Ebenso wie die Reanalyse der walisischen inkorporierten Subjektpronomina
als flexivische quasi-pronominale Kongruenzmarker geht die Entwicklung
präverbaler quasi-pronominaler Kongruenzmarker im Haiti Kreol, im Básuse
Saramaccan und im Kapverde Kreol mit einem erheblichen Distinktionsgewinn einher. Zum einen konnte durch sie im Bereich der Konjugation ein
vollständig distinktives Subjektkongruenzparadigma etabliert werden. Zum
anderen hat sie innerhalb der entsprechenden Pronominalsysteme die bestehende Homonymie zwischen starken Subjektpronomina und starken Objektpronomina komplett beseitigt. Wie auch die meisten anderen heutzutage als
Kreolsprachen zu identifizierenden und somit extrem jungen Sprachen konnten das Haiti Kreol, das Básuse Saramaccan und das Kapverde Kreol nämlich
bislang noch keine morphologisch repräsentierte Kasuskategorie entwickeln.
Melani Wratil
Dadurch aber, dass deren Subjektklitika bei ihrer Grammatikalisierung zu
funktionalen Kongruenzmarkern nicht sämtliche subjektivischen Eigenschaften verloren haben, setzen sich nun deren Subjektpronomina aus zwei miteinander anaphorisch verbundenen Pronominalelementen zusammen, was
schließlich im Paradigma der starken Pronomina zu einer morphologischen
Differenzierung zwischen Subjekt- und Objektpronomina geführt hat (Wratil
2009) (vgl. (Tabelle 2)).7
Tabelle 2:
Subjektpronomina
Objektpronomina
schwach stark
schwach stark
1. Sing. proi +AGRi mii / amii +AGRi
-m
mi / ami
2. Sing. proi +AGRi boi / aboi +AGRi
-bu
bo / abo
3. Sing. proi +AGRi eli / aeli +AGRi
-(e)l
el / ael
1. Plur. proi +AGRi nosi / anosi +AGRi
-nu
nos / anos
2. Plur. proi +AGRi nhosi / anhosi +AGRi -nhos
nhos / anhos
3. Plur proi +AGRi esi / aesi +AGRi
-(e)s
es / aes
Demnach ist für die auf Kongruenzbeziehungen zwischen finiten Verben und
rein pronominalen Subjekten beschränkte morphologische Kongruenzkodierung nicht etwa eine zugrundeliegende VSO-Grundwortstellung verantwortlich, sondern vielmehr die Abwesenheit des morphologisch repräsentierten
Kasus.8 Diese hat sowohl im Walisischen als auch in den betrachteten Kreolsprachen einen diachronen Prozess in Gang gebracht, der innerhalb des Pronominalsystems die Homonymie zwischen Subjekten und Objekten verhindert.
7
Tabelle 2 stellt das Paradigma der Subjektpronomina im Kapverde Kreol insofern
stark vereinfacht dar, als viele der angegebenen Pronomina noch weitere alternative
Repräsentationen aufweisen. So können sämtliche schwachen Subjektpronomina in
geeigneten Kontexten komplett durch Nullausdrücke ersetzt werden (vgl. Baptista
2002). Die Identifikation der entsprechenden phi-Merkmale erfolgt in diesem Fall
nicht über einen verbalen bzw. quasi-pronominalen Marker ,sondern über deren
Koindizierung mit einer vorangehenden, stark thematischen Konstituente. Weiterhin
werden die starken Subjektpronomina der 3. Person, im Gegensatz zu denjenigen der
1. und 2. Person, längst nicht immer in allen Varietäten des Kapverde Kreol von
einem entsprechenden Subjektklitikum begleitet (vgl. Baptista 2002). Demgemäß
folgt das Kapverde Kreol dem diachronen Trend, SAP-Pronomina früher bzw. konsequenter als Pronomina der 3. Person in einen Grammatikalisierungsprozess zu verwickeln, an dessen Ende deren Nullrealisierung und zugleich eine neue verbale Flexionskategorie steht (vgl. Givón 1976; Mithun 1991; Siewierska 1999).
8
Koch (1983) weist nach, dass das Walisische ebenso wie die anderen britannischen
Sprachen in frühen Sprachperioden ein komplexes Kasussystem mit sechs unterschiedlich repräsentierten Kasus besaß. Im Altwalisischen sind teilweise noch Reste
der flexionsmorphologischen Genitiv- und Dativkodierung zu erkennen.
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
2.3.
V2 und Subjekt-Verb-Kongruenz im Mittelwalisischen
Anders als im klassischen Standardwalisischen und im gegenwärtigen modernen Walisischen weisen im Mittelwalisischen pragmatisch weitestgehend
unmarkierte deklarativische Hauptsätze mehrheitlich keine VSOWortstellung auf. Der größte Teil von ihnen gehört stattdessen den sogenannten abnormalen Sätzen an, in denen, wie etwa auch in den Beispielen (9b)
und (9c), thematische Phrasen innerhalb der linken Peripherie der unmittelbar
präverbal angeordneten Satzpartikel vorangehen (vgl. Lewis 1942; Fife 1988;
Watkins 1988; Poppe 1991). Der kanonische Deklarativsatz des Mittelwalisischen verfügt demnach über eine Struktur wie (18), wo topikalisierte Konstituenten den Spezifikator ihrer jeweiligen TopP bilden und die präverbale
Satzpartikel in der Kopfposition der untersten CP-internen Projektion FinP
angesiedelt ist.9
(18)
[TopP XP ... [FinP
PRT
[AgrSP V …
Da die linke Peripherie durchaus mehrere Konstituenten umfassen kann (vgl.
Poppe 1991: 18ff.), aber lediglich eine Phrase mit Argumentstatus beherbergen darf (vgl. (19a)), ordnet Willis (1998: 58ff.) das Mittelwalisische den
klassischen V2-Sprachen zu. Wie er feststellt, wird V2 bzw. die satzinitiale
Positionierung topikalisierter Konstituenten im Mittelwalisischen sowohl
durch Satznegation (vgl. (19b)) als auch durch das Auftreten des präsentisch
oder imperfektivisch kodierten nicht-kopulativen Verbs bot („sein“) (vgl.
(19c)) in der Regel blockiert (vgl. Willis 1998: 94ff., 130ff.).
(19) Mittelwalisisch
a. Gwalchmei yn ieuenctit y dyd a deuth
y dyffryn …
Gwalchmei in Jugend DET Tag PRT komm.PAST zu Tal
„Früh am Tag kam Gwalchmai zum Tal…“
(Peredur 59.9-10)
b. Ny welei
ef y twrwf
rac tywyllet y nos.
NEG seh.PAST er DET Aufregung für so dunkel DET Nacht
„Er konnte die Aufregung nicht sehen, weil die Nacht so dunkel war.
(Pedeir Keinc y Mabinogi 22.23)
c. Yd oed
gynt yn Rufein marchawc…
PRT sei.PAST einst in Rom Ritter
„Ein Ritter war einst in Rom...“
(Chwedleu Seith Doethon Rufein 135)
9
Details zur internen Struktur der linken Peripherie finden sich u.a. bei Rizzi (1997)
und Benincà & Poletto (2001).
Melani Wratil
Weiterhin beobachtet er, dass sich abnormale Sätze hinsichtlich der flexionsmorphologischen Repräsentation der Subjekt-Verb-Kongruenz außergewöhnlich verhalten. Dort kongruieren nämlich finite Verben grundsätzlich
mit ihren innerhalb der linken Peripherie angeordneten pronominalen (vgl.
(20a)) und nicht-pronominalen Subjekten (vgl. (20b)).
(20) Mittelwalisisch
a. …kymeint ac a edeweis
i yti, mi
soviel wie REL versprech.PAST.(PRON)1SG ich zu.du ich
a ’e
kywiraf.
PRT CL.3SG(OBJ) erfüll.(PRON)1SG
„…alles, was ich dir versprochen habe, werde ich einlösen.“
(Kedymdeithyas Amlyn ac Amic 44.14)
b. …y
deu urenhin a nessayssant
y gyt
am perued
König PRT näher.PAST.(PRON)3PL zusammen in Mitte
y ryt…
DET Festung
„die zwei Könige näherten sich einander in der Mitte der Festung“
(Pedeir Keinc y Mabinogi 5.19-20)
DET zwei
Eben dies müsste aber aufgrund der in 2.2. illustrierten Unverträglichkeit von
mittelwalisischen synthetischen Verbformen mit postverbalen nichtpronominalen Subjekt-DPs und mit A’-bewegten, präverbal positionierten
Subjekten gänzlich ausgeschlossen sein. Willis (1998: 90ff.) führt das unerwartete Auftreten von verbalen Subjektkongruenzaffixen in V2-Strukturen
mit linksperipher angeordnetem Subjekt auf die Art der dort vollzogenen
Phrasenbewegung zurück. Er ist der Meinung, dass topikalisierte Subjekte in
abnormalen Sätzen grundsätzlich overt A-bewegt werden, dabei in SpecAgrS
am finiten Verb Kongruenz auslösen und schließlich in der A-Position SpecC
landen.
Nun ist die Kategorisierung des operationalen Landeplatzes von präverbalen
Subjekten als Argumentposition allerdings nicht unproblematisch. Wie (19a)
zeigt, geht das topikalisierte Subjekt innerhalb der linken Peripherie nämlich
bisweilen topikalisierten Nicht-Argumenten voran. Dessen Lokalisierung
innerhalb der FinP, welche, wie unter anderem Haegeman (1997), Grewendorf (2002: 76ff.) und Poletto (2003) nachweisen, im Gegensatz zu den anderen CP-internen Projektionen in der Tat einen gewissen A-Status besitzt, ist
somit ausgeschlossen. Zudem bleibt gemäß Willis’ (1998) Ansatz gänzlich
ungeklärt, warum finite Verben überhaupt mit bestimmten rechtsadjazenten
pronominalen Subjekten kongruieren, wenn doch, wie dort behauptet wird,
für die Lizenzierung der morphologisch repräsentierten Subjekt-VerbKongruenz die Landung des jeweils kongruenten Nominalausdrucks in Spec
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
AgrS unbedingt erforderlich ist. Insofern ist eher nicht davon auszugehen,
dass der individuelle Ablauf der Phrasenbewegung in die linke Peripherie für
die unterschiedliche flexionsmorphologische Konstitution finiter Verben in
Sätzen mit fokussiertem Subjekt einerseits und in Sätzen mit topikalisiertem
Subjekt andererseits verantwortlich ist. Ausschlaggebend scheint diesbezüglich vielmehr die Identifikation der entsprechenden Subjektleerstelle innerhalb der IP-Domäne zu sein.
Wie Rizzi (1997) nachweist, handelt es sich bei der Topikalisierung im Gegensatz zur Fokussierung um eine nicht-quantifikationale Operation. Demgemäß befindet sich in der Ausgangsposition von linksperipheren topikalisierten Argumenten anders als in der von linksperipheren fokussierten Argumenten keine Variable, welche durch Spurenbindung identifiziert wird, sondern ein anaphorischer Operator. Dieser wird, je nach individuellsprachlicher
Parameterfixierung, durch einen Leeroperator, eine Nullkonstante oder ein
Resumptiv repräsentiert und auf diese Weise unmittelbar mit der Topikkonstituente assoziiert (vgl. Rizzi 1997).
Die Daten in (21) zeigen, dass im Walisischen offensichtlich letztere Strategie zum Einsatz kommt. Befindet sich dort nämlich eine topikalisierte Objektkonstituente in der linken Peripherie, so wird diese innerhalb der IPDomäne in Form eines präverbalen Objektklitikums wieder aufgenommen.
Im Falle der Subjektextraktion beherbergt die IP-Domäne ein entsprechendes
Nullresumptivpronomen, welches bei einer phi-Merkmalsspezifizierung der
1. oder 2. Person Singular oder der 1., 2. oder 3. Person Plural von der quasipronominalen Flexionsmorphologie der jeweiligen linksadjazenten synthetischen Verbform gebunden wird. So „kongruieren“ finite Verben in abnormalen Sätzen rein oberflächlich nicht nur mit topikalisierten pronominalen Subjekten (vgl. (21a)), sondern auch mit topikalisierten nicht-pronominalen Subjekten (vgl. (21b)) und sogar mit allen durch Subjektkoordination entstandenen, komplexen topikalisierten Subjektphrasen (vgl. (21c)).
(21) Mittelwalisisch
a. [kymeint ac a edeweis
i yti]j mii
soviel wie REL versprech.PAST.(PRON)1SG ich zu-du ich
a ’ej kywirafi
proi proj
PRT CL.3SG(OBJ) erfüll.(PRON)1SG
„…alles, was ich dir versprochen habe, löse ich ein.“
(Kedymdeithyas Amlyn ac Amic 44.14)
Melani Wratil
b. …[y
deu urenhin]i a nessayssanti
proi y gyt
Könige PRT näher.PAST.(PRON)3PL
zusammen
am perued y ryt…
in Mitte DET Festung
„…die zwei Könige näherten sich einander in der Mitte der Festung ...“
(Pedeir Keinc y Mabinogi 5.19-20)
DET zwei
c. [ef a hi]i a aethanti
proi y eithed
y gyt
zu sitz(VN) zusammen
er und sie PRT geh.PAST.(PRON)3PL
„Er und sie schickten sich an, sich zusammenzusetzen.“
(Ystoryaeu Seint Greal 3279-3280)
3.
Der Verlust von V2 und die postverbale Repräsentation
pronominaler Subjekte im modernen klassischen Standardwalisischen
3.1.
CompAgreement und postverbale Subjekte im frühen modernen Walisischen
Im frühen modernen Walisischen gehen V2-Strukturen mit satzinitialem
Topik größtenteils verloren. Verantwortlich hierfür ist neben der seit dem
späten Mittelwalisischen stetig wachsende Markiertheit topikalisierter Objekte (Poppe 1991; Willis 1998: 185ff.) auch die vermehrte Verwendung periphrastischer Konstruktionen mit bod („sein“ (ehemals bot)) als Auxiliarelement. So werden dort zunehmend analytische Bildungen der Form „bod
(flektiert) + (Subjekt) + yn / wedi + Verbalnomen“ eingesetzt. Yn und wedi
sind dabei unveränderliche Präpositionen, die in der genannten Konstellation
im späten Mittelwalisischen als Aspektmarker reanalysiert wurden (vgl.
Thorne 1993: 267ff.; Borsley et al. 2007: 303f.). yn („in“) kodiert ursprünglich den progressiven und wedi („nach“) den perfektiven Aspekt.
Im frühen modernen Walisischen nimmt die periphrastische Konstruktion mit
yn in Kombination mit dem präsentisch flektierten bod allmählich das temporale Paradigma des Präsens ein und verschiebt die ehemals synthetischen
Präsensformen in das Futurparadigma (Poppe 1996). Da das flektierte, nichtkopulativ verwendete bod als Hauptverb V2 unterbindet, ist somit das frühe
moderne Walisische durch eine wachsende Anzahl von Konstruktionen gekennzeichnet, in denen das finite Hauptverb der satzinitialen Partikel unmittelbar nachgeordnet ist. Durch eine weitere, den Verlust der V2-Struktur
unterstützende Entwicklung wird diese Partikel schließlich verdrängt bzw. in
nicht-negierten Deklarativsätzen durch Affirmativmarker ersetzt. Im 16.
Jahrhundert nämlich erfahren topikalisierte Subjektpronomina eine phonologische Abschwächung, woraufhin sie an das finite Hauptverb proklitisieren.
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
Die präsententiale Partikel, welche zunächst grundsätzlich den topikalisierten
Ausdruck und das finite Verb voneinander trennte, entfällt infolgedessen in
allen Deklarativsätzen mit pronominalem Subjekttopik (Willis 1998: 140ff.)
(vgl. (22)).
(22) Frühes modernes Walisisch
a. Chwii wyddochi
proi yr ymadrodd a ddanuones Deo i plant
ihr wiss.(PRON)2PL
DET Worte
REL geschickt Gott zu Kindern
yr Israel.
DET Israel
„Ihr kennt die Worte, die Gott zu den Kindern nach Israel geschickt hat.“
(Salesbury: Kynniver Llith a Ban 82.19-20)
b. Ag tyi ddygaisti
proi trays ar Maud …
und du bring.PAST.(PRON)2SG
Gewalt auf Maud
„Und du tatest Maud Gewalt an.“
(Slander Case, Brecon Sessions (1580))
Da das präverbale einfache Subjektpronomen durch Klitisierung nun unmittelbar mit dem initialen finiten Verb verbunden ist, verlieren die genannten
Konstruktionen ihren V2-Status. Um diesen wiederzuerlangen, werden im
späten 16. Jahrhundert reduplizierte Pronomina eingeführt, welche als topikalisierte Subjekte erneut die linke Peripherie markieren. Doch unterliegen auch
diese schließlich einer phonologischen Abschwächung, woraus deren Klitisierung an das finite Verb und, wie (23) illustriert, der wiederholte Wegfall
der unmarkierten Satzpartikel resultiert (Willis 1998: 166ff.).
(23) Frühes modernes Walisisch
a. efoi
ddywod proi lasswyre…
Psalme
er.REDUP sag.PAST
„Er sagte Psalme auf.“
(Yr Enaid a’r Corff 295)
b. ag myfii
brifafi
proi hyn arnad ti
und ich.REDUP beweis.FUT.(PRON)1SG
es auf du
„und ich werde es dir beweisen.“
(Slander Case, Brecon Sessions (1577))
Aufgrund dieses Verlusts der präverbalen operationalen Kategorie, welcher
sich, so Evans (1968: 335ff.), im Folgenden auch auf Deklarativkonstruktionen ausdehnt, deren satzinitiale Topikkonstituente nicht in einem pronominalen Subjekt besteht, werden sämtliche proklitischen Subjekte im 18. Jahrhundert selbst als Satzpartikeln reanalysiert. Als solche indizieren sie, wie Willis
Melani Wratil
(1998: 212ff.) nachweist,10 in der satzinitialen Position von deklarativischen
Hauptsätzen Affirmation. Hinsichtlich ihres nach wie vor morphologisch
repräsentierten phi-Merkmalgehalts stimmen sie mit dem entsprechenden
syntaktischen Subjekt überein und stellen damit zu diesem innerhalb der CPosition eine Kongruenzrelation her. Die Etablierung dieser speziellen Art
von CompAgreement reduziert nun dadurch, dass präverbale pronominale
Elemente von da an nicht mehr als Subjekt auftreten, weiterhin das Vorkommen abnormaler Sätze. Darüber hinaus beeinflusst sie die Repräsentation von
einfachen Subjektpronomina. Letztere treten in ihrer overten Form nämlich
jetzt erstmals massiv in postverbaler Position auf und werden demgemäß dort
– mit Ausnahme des pronominalen Subjekts der 3. Person Singular (vgl.
(24a)) – als overte anaphorische Pronominalelemente von der unmittelbar
vorangehenden quasi-pronominalen Kongruenzmorphologie des finiten
Verbs gebunden (vgl. (24b,c)).
(24) Frühes modernes Walisisch
a. Fe fu
Ef ddwy flyned a hanner yn lled
afiach
AFF sei.PFV er zwei Jahre und halb PRT ziemlich krank
„Er war zweieinhalb Jahre ziemlich krank.“
(Letters of Welsh settlers in the US B2.1.14-15)
b. mi dewesi
ii fy spectol gartre
AFF lass.PAST(PRON)1SG ich mein Brille zu Hause
„Ich ließ meine Brille zu Hause.“
(Y Brenin Llyr 8.22)
c. ... chwi rowchi
chwii ran o ’ch cinio.
AFF lass.(PRON)2PL ihr
Teil von euer Essen
„Ihr gebt ein Teil von eurem Essen.“
(Parry : Ystori Richard Whittington 53.9-10)
Demnach geht der Verlust von V2 im frühen modernen Walisischen mit einer
deutlich abnehmenden Markiertheit postverbaler, phonologisch realisierter
Subjektpronomina einher. Bis zum modernen klassischen Standardwalisischen werden schwache Subjektpronomina im unmarkierten Fall gleichermaßen durch anaphorische Nullsubjekte in Kombination mit der quasipronominalen Flexionsmorphologie synthetischer Verbformen (vgl. 25a))
10
Das mit dieser Reanalyse einhergehende Phänomen des sogenannten Pronoun
Doubling ((24)) lässt zunächst vermuten, dass es sich bei den betreffenden präverbalen Kategorien um neu etablierte Subjektkongruenzmarker handelt. Willis (1998:
216ff.) widerlegt diese Annahme, indem er zeigt, dass deren Vorkommen strikt auf
nicht-eingebettete und nicht-negierte, rein deklarativische Sätze beschränkt ist, aber
dort keinen strikt obligatorischen Charakter besitzt.
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
bzw. – in der 3. Person Singular – durch rein pronominale Nullsubjekte (vgl.
(25b)) oder aber durch overte anaphorische Subjektpronomina in Kombination mit der quasi-pronominalen Flexionsmorphologie synthetischer Verbformen (vgl. (25a)) bzw. – in der 3. Person Singular – durch overte Personalpronomina repräsentiert (vgl. (25b)).
(25) kl. Standardwalisisch
a. Fe chwalasanti
hwyi / proi ‘r / y 11 stafell.
AFF zerstör.PAST.(PRON)3PL sie
DET Zimmer
„Sie verwüsteten das Zimmer.“
b. Fe chwalodd ef / pro y stafell.
AFF zerstör.PAST er
DET Zimmer
„Er verwüstete das Zimmer.“
3.2.
Die Etablierung von mi und fe als deklarativische Affirmativmarker im modernen klassischen Standardwalisischen
Von den präverbalen Affirmativmarkern bleiben am Ende der modernen
klassischen Periode lediglich die beiden Partikeln mi und fe bestehen (vgl.
Thomas 1993). Die Verbreitung der Partikel mi ist, wie Willis (1998: 237ff.)
zeigt, vor allem darauf zurückzuführen, dass der ehemals allein mit Subjekten
der 1. Person Singular kongruierende Marker in C° eine morphologische
Übereinstimmung mit derjenigen Satzpartikel aufweist, welche seit dem
späten 18. Jahrhundert verstärkt vor dem präsentisch und imperfektivisch
flektierten bod auftritt (vgl. (26a)). mi geht infolgedessen im 19. Jahrhundert
sowohl den verschiedenen Person- und Numerusformen von bod, sobald
diese im entsprechenden Tempus bzw. Aspekt erscheinen, voran als auch
allen anderen finiten Verben, solange diese eine phi-Merkmalsspezifikation
der 1. Person Singular besitzen. Da das Vorkommen von mi zu jener Zeit
somit weder strikt von der Verwendung bestimmter Verben als Hauptverben
noch ausschließlich von bestimmten verbalen Flexionsformen abhängig ist,
konnte es letztendlich als unmarkierter, deklarativischer Affirmativmarker,
welcher mit allen finiten Verbformen und sämtlichen pronominalen und
nicht-pronominalen Subjekten kompatibel ist, reanalysiert werden (vgl.
(26b)).
11
Die Form des definiten Artikels richtet sich nach dem Auslaut des vorangehenden
Wortes und nach dem Anlaut des folgenden Wortes.
Melani Wratil
(26) Frühes modernes Walisisch
a. Mi roedd hi yn
discwyl
iddo fo ei chymeryd hi…
PRT sei.IPFV sie PROG erwart(VN) zu.3SG ihn ihr mitnehm sie
„Sie erwartete von ihm, dass er sie mitnimmt ...“
(Slander Case, Bangor Consistory Court (1778))
b. mi aeth
y dyn
ddwy filltyr oddiyma
AFF geh.PAST DET Männer zwei Meilen von_hier
„die Männer gingen von hier aus zwei Meilen“
(Slander case, Flint Sessions (1801))
Die Etablierung von fe als nicht-kongruierender Affirmativmarker ist hingegen maßgeblich durch die Entwicklung des unveränderlichen Präteritalauxiliars ddar(f)u beeinflusst. Bei letzterem handelt es sich um eine fossilisierte
Präteritalform des Verbs darfod („geschehen“), welches bis zum 17. Jahrhundert in Kombination mit einem topikalisierten, impersonalen Subjekt der
3. Person Singular (ef, (e)fe oder (e)fo) und einer nachfolgenden Präpositionalphrase verwendet wurde, um auf die Vorzeitigkeit eines ausgedrückten
Ereignisses zu verweisen (vgl. Willis 1998: 233). Die Präposition i („zu“)
nahm dabei das Agenssubjekt der innerhalb des jeweils nachgeordneten Infinitivs repräsentierten Prädikation zum Komplement und kongruierte mit ihm
(vgl. (27a)).
Im 18. Jahrhundert erodiert die Präposition i dieser Konstruktionen vollständig. Da bereits zu dieser Zeit präverbale Pronomina als Satzpartikeln reanalysiert worden sind, wird daraufhin das ehemalige Präpositionalkomplement als
syntaktisches Subjekt und das ehemals superordinierte Verb ddarfu als dessen defektives Hauptverb reinterpretiert (Thorne 1993: 273f.; Willis 1998:
234). Das frühere topikalisierte impersonale Subjekt, welches nunmehr vornehmlich in seiner erodierten reduplizierten Form fe auftritt, kookkurriert als
satzinitiale Partikel daher seit dem späten 18. Jahrhundert in Anwesenheit des
neu etablierten Präteritalmarkers ddar(f)u sowohl mit nicht-pronominalen als
auch mit pronominalen Subjekten aller phi-Merkmalsspezifizierungen (vgl.
(27b)).
(27) Frühes modernes Walisisch
a. Fo a ddarfu
pro yt
ti dyngu
yn annudo.
es PRT gescheh.PAST
zu.2SG du schwör(VN) Falscheid
„Du schworst einen Meineid.“
(Slander case, Denbigh Sessions (1633))
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
b. Fe ddarfu
rheini ddanfon llawer iawn o anwiredd.
AFF AUX(PAST) jene schick(VN) viele sehr von Unwahrheit
„Jene schickten sehr viele Lügen.“
(Letters from Welsh settlers in the U.S. A4.5. 12-13)
Mittels Extension wird fe schließlich in seiner nicht-kongruierenden Verwendung auf Deklarativkonstruktionen anderer temporaler Kodierungen ausgedehnt und verdrängt dort ebenso wie mi sämtliche auf bestimmte Personenformen restringierte Affirmativmarker (vgl. Willis 1998: 225ff.; Borsley et al.
2007: 326).
So wird im frühen modernen Walisischen, dadurch dass V2 infolge der Etablierung periphrastischer Tempuskodierungen und der Einführung neuer präverbaler Partikeln extrem geschwächt wird, eine wichtige Weiche für die
weitere Entwicklung subjektivischer Pronominalkategorien gestellt. Diese
sind nämlich nun in den unmarkierten deklarativischen Sätzen des klassischen Standardwalisischen distributionell ausschließlich auf die unmittelbar
postverbale Position festgelegt und werden dort anders als noch in der mittelwalisischen Periode vielfach komplett overt realisiert. Bedeutet dies aber,
dass sich im neueren modernen Walisischen womöglich auch deren bindungstheoretischer Status verändert? Gelingt es also den postverbalen pronominalen Subjekten der 1. und 2. Person Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural, sich von der Bindung seitens der Verbalmorphologie zu lösen und
eine rein pronominale Charakterisierung anzunehmen? Eine Voraussetzung
hierfür wäre erwartungsgemäß, dass die Grammatikalisierung der ehemals
inkorporierten Subjektpronomina weiter fortschreitet und die Subjektkongruenzmorpheme synthetischer Verbformen ihrerseits ihre pronominalen Eigenschaften verlieren. Genau diese Entwicklung hat aber, wie die Ausführungen
in den Kapiteln 4 und 5 verdeutlichen, bislang nicht stattgefunden. Erstaunlicherweise konnten dennoch die postverbalen pronominalen Subjekte der 1.
und 2. Person Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural im heutigen Walisischen ihren anaphorischen Status vollständig ablegen.
4.
Die Stärkung der VSO-Struktur und der Verlust von
Nullsubjekten im heutigen modernen Walisischen
4.1.
VSO und der Verlust von Objektklitika im modernen Walisischen
Der zum modernen klassischen Standardwalisischen stetig fortschreitende
Verlust abnormaler Sätzen mündet im heutigen, weitestgehend standardisierten Walisischen in einer stark restriktiven VSO-Wortstellung. Das finite
Hauptverb ist dort demgemäß in aller Regel satzinitial angeordnet und erlaubt
Melani Wratil
lediglich fokussierten Konstituenten eine Voranstellung. Etwaigen Partikeln,
operationalen Markern oder Klitika folgt es mehrheitlich nicht mehr. So
werden die präverbalen Affirmativmarker mi und fe inzwischen zunehmend
als obsolet empfunden und weggelassen (Ball 1987) (vgl. (28a) mit (28b)).
(28) kl. Standardwalisisch
a. Fe ’thj
adwaenanti
hwyi / proi dij / proj.
AFF CL.2SG(OBJ) kenn.(PRON)3PL sie
dich
„Sie kennen dich.“
Modernes Walisisch
b. Maeni
nhwi’n
nabod di.
Sei.(PRON)3PL sie PROG kenn(VN) dich
„Sie kennen dich.“
Auch präverbale Negationsmarker kommen kaum noch vor. Das gegenwärtige moderne Walisische hat das dritte Stadium des Jespersenschen Negationszyklus’ (Jespersen 1917) nämlich so gut wie erreicht und repräsentiert Satznegation nicht mehr, wie noch in der klassischen standardwalisischen Periode, durch ein präverbales, negatives Kopfelement (vgl. (29a)), welches gegebenenfalls ein postverbales negationsverstärkendes Adverb zu sich nimmt
und im Falle einer auftretenden definiten Objektphrase von der dieser unmittelbar vorangehenden Negationspräposition mo12 begleitet wird (vgl. (29b)).
Stattdessen bevorzugt es die Einsetzung des postverbalen phrasalen Negationsoperators ddim in Kombination mit einem satzinitialen weich oder aspiriert mutierten13 finiten Hauptverb oder einem entsprechenden Negationsauxiliar (vgl. Thorne 1993: 348ff.; Borsley et al. 2007: 263ff.) (vgl. (30a)).
ddim wird dort durch die negative Präposition mo ersetzt, sobald das finite
Verbelement nicht periphrastisch gebildet ist und das postverbale Objekt
spezifisch ist (vgl. (30b)) (vgl. Thorne 1993: 219f.; Borsley et al. 2007: 312f.;
King 2008: 139f.).
12
Die Negationspräposition mo ist im frühen modernen Walisischen aus der Kontraktion des Negationsquantors dim („nichts“) und der Präposition o („von“) entstanden.
mo kongruiert ebenso wie o mit nachfolgenden Pronominalelementen (vgl. Thorne
1993: 219f.; Borsley et al. 2007: 312f.).
13
Speziell in den keltischen Sprachen existieren morphophonologische Alternationen
von initialen Konsonanten – sogenannte Mutationen. Man unterscheidet dort zwischen weichen, nasalen und aspirierten Mutationen. Diese werden teils durch bestimmte vorangehende Lexeme, teils durch bestimmte grammatische Kodierungen
oder strukturelle Eigenschaften ausgelöst.
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
(29) kl. Standardwalisisch
a. Ni’thj
adwaenanti
hwyi / proi proj.
NEG CL.2SG(OBJ) kenn.(PRON)3PL sie
„Sie kennen dich nicht.“
b. Ni
welasomi
nii / proi mo
’r gath.
seh.PAST(PRON)1PL wir
von(NEG) DET Katze
„Wir sahen die Katze nicht.“
NEG
(30) Modernes Walisisch
a. Dyni
nhwi ddim yn nabod di
NEGAUX.(PRON)3PL sie NEG PROG kenn(VN) dich
„Sie kennen dich nicht.“
b. Weloni
nii mo
’r gath.
seh-PRÄT-(PRON)1PL wir von(NEG) DET Katze
„Wir sahen die Katze nicht.“
Da Objektklitika, wie zum Beispiel das Klitikum ’th in (28a) und (29a), demzufolge nicht mehr regulär in präverbaler Position enklitisieren können und
somit wie in (28b) und (29b) gänzlich wegfallen, werden Objektpronomina
im modernen Walisischen obligatorisch postverbal phonologisch realisiert.14
Eben dies hat jedoch schwerwiegende Auswirkungen auf die Identifikation
von grammatischen Relationen, solange anaphorische und pronominale Subjekte noch optional eine Nullrepräsentation erhalten.
So signalisiert in (31a) das Klitikum ’u die Existenz eines postverbalen pronominalen Nullobjekts, welches ebenso wie das durch die quasi-pronominale
Kongruenzmorphologie des entsprechenden Hauptverbs gebundene Nullsubjekt eine phi-Merkmalsspezifikation der 3. Person Plural besitzt. In (31b) ist
das Objektpronomen der 3. Person Plural in postverbaler Position als einfaches schwaches Pronomen nhw overt realisiert. nhw kann jedoch dort nicht
eindeutig als direktes Objekt identifiziert werden, weil die Flexionsmorphologie des finiten Hauptverbs lediglich die Anwesenheit eines anaphorischen
Subjekts der 3. Person Plural indiziert und nhw eine diesem durchaus entsprechende morphologische Repräsentation aufweist. So wird in (31b) aufgrund des Fehlens jeglicher morphologisch repräsentierten Kasusdistinktion
14
Eine sehr ähnliche Entwicklung lässt sich wenig später im modernen Walisischen
auch generell bei Infinitiven beobachten. Während noch im klassischen Standardwalisischen das pronominale Objekt eines infiniten Verbs durch ein diesem vorangehendes Klitikum repräsentiert wurde und dabei in postverbaler Position selbst meistenteils covert blieb, ist es im heutigen modernen Walisischen stets overt realisiert und
wird in der Regel nicht mehr von einem entsprechend koindizierten, präverbalen
Klitikum gebunden.
Melani Wratil
tendenziell nhw als Subjekt interpretiert und das durch das finite Hauptverb
lizenzierte Nullsubjekt gar nicht erst rekonstruiert.
(31) kl. Standardwalisisch
a. Fe ’u
canasant
yn aml.
PART KL.3PL(OBJ) sing-PRÄT-(PRON)3PL oft
„Sie sangen sie oft.“
Modernes Walisisch
b. Ganon
nhw yn aml.
sing-PRÄT-(PRON)3PL sie oft
„Sie sangen oft.“ (?„Sie sangen sie oft.“)
In der Konsequenz werden, um Ambiguitäten dieser Art auszuschließen,
postverbale anaphorische und pronominale Subjektpronomina overt realisiert.
Somit leistet der Verlust von präverbalen Objektklitika, welcher wiederum
aus dem Verlust präverbaler, operationaler Marker resultiert, einen nicht
unwesentlichen Beitrag zur durchgehend phonologischen Repräsentation von
schwachen Subjektpronomina. Ebenfalls ausschlaggebend für den Schwund
von Nullsubjekteigenschaften im modernen Walisischen ist, wie in dem folgenden Kapitel 4.2. verdeutlicht wird, der Wandel der verbalen Formenbildung.
4.2.
Die Erosion quasi-pronominaler Kongruenzmarker und der
Wandel des Pronominalsystems im modernen Walisischen
Im heutigen modernen Walisischen können infolge des seit dem frühen modernen Walisischen zu verzeichnenden Zuwachses periphrastischer Bildungen nur noch die nicht-aspektmarkierten Formen der beiden Tempora Präteritum und Futur nicht-periphrastisch gebildet werden (vgl. Borsley et al. 2007:
9ff.). Die Formen des Futurparadigmas entsprechen dabei denjenigen des
ehemaligen Präsensparadigmas und werden, ähnlich wie die prospektivisch
verwendeten Präsensformen des Standarddeutschen, in der Regel eingesetzt,
um auf die Vorhersagbarkeit und den intentionalen Charakter eines zukünftigen Ereignisses zu verweisen. Die nicht-periphrastischen Bildungen des
Imperfekts und des Plusquamperfekts existieren nicht mehr. Im konjunktivischen Modus sind von den nicht-periphrastisch gebildeten Formen lediglich
die konditionalen erhalten geblieben (vgl. Borsley et al. 2007: 9ff.). Die des
Präsenskonjunktivs und -indikativs bestehen jedoch ebenso wie sämtliche
aspektmarkierten Formen im gegenwärtigen modernen Walisischen grundsätzlich aus einer flektierten synthetischen bzw. – im Falle einer Kodierung
der 3. Person Singular – analytischen Form von bod, welche das jeweilige,
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
der ehemaligen Präposition yn (vgl. (32a) mit (33a)) oder wedi (vgl. (32b) mit
(33b)) nachfolgende Vollverbnomen zum Komplement nimmt.
(32) kl. Standardwalisisch
a. Fe siaradafi
fii / proi Cymraeg.
PRT sprech.PRS.(PRON)1SG ich
Walisisch
„Ich spreche Walisisch.“
b. Fe siaradasechi
chii / proi Cymraeg.
PRT sprech.PLU.PERF.(PRON)2PL ihr
Walisisch
„Ihr hattet Walisisch gesprochen.“
(33) Modernes Walisisch
a. Dwi
ii' n
siarad
Cymraeg.
sei.PRS.(PRON)1SG ich PROG sprech(VN) Walisisch
„Ich spreche Walisisch.“
b. Oeddechi
chii wedi siarad
Cymraeg.
sei.PAST-(PRON)2PL ihr PFV sprech(VN) Walisisch
„Ihr hattet Walisisch gesprochen.“
Eine Tendenz zur Periphrase lässt sich auch mittlerweile im präteritalen,
futurischen und im konditionalen Paradigma beobachten (vgl. King 2008:
267ff.). Das Präteritum zum Beispiel wird inzwischen zunehmend regulär mit
Hilfe des präterital flektierten Auxiliarverbs gwneud („tun“) gebildet. Insbesondere im nordwalisischen Sprachgebiet setzt sich zudem der Präteritalmarker ddar(f)u immer stärker durch (vgl. Borsley et al. 2007: 41f.; King 2008:
230). Da ddar(f)u als ehemals impersonal verwendete Präteritalform des
Verbs ddarfod („geschehen“) grundsätzlich unveränderlich ist (vgl. Kap.
3.2.), kann es rechtsadjazente Subjekte weder binden noch identifizieren. Die
postverbalen Subjektpronomina von ddar(f)u-Konstruktionen werden demzufolge ungeachtet ihrer jeweiligen Person- und Numerusspezifikation stets als
unabhängige overte Pronominalelemente realisiert (vgl. (34)). Die Möglichkeit der Nullsubjektlizenzierung ist sonach zumindest in einem beträchtlichen
Teil des walisischen Sprachgebietes im Falle der Präteritalkodierung häufig
blockiert.
(34) Modernes Walisisch (nördl.)
a. Ddaru
hi / chi / nhw weld
y gath.
AUX(PRÄT) sie / ihr / sie seh(VN) DET Katze
„Sie / Ihr / Sie sah / saht / sahen die Katze.“
Melani Wratil
b. *Ddaru
pro weld y gath.
AUX(PRÄT)
seh(VN) DET Katze
Darüber hinaus zeigt die Flexionsmorphologie synthetischer Verbformen im
gesamten walisischen Sprachraum deutliche Erosionserscheinungen. Besonders von diesen betroffen ist in allen Paradigmen der lexikalischen Verben
und des Auxiliars bod die Form der 3. Person Plural. Diese lautet nunmehr
auf den Nasal n aus, womit sie an den Anlaut des ihr neuerdings regulär
nachfolgenden Pronomens nhw phonologisch angeglichen wird (vgl. (35a)
mit (36a)). nhw selbst gehört dabei ebenso wie das Pronominalelement der 2.
Person Plural chi und das der 3. Person Singular Maskulinum fe bzw. fo zu
denjenigen Formen, die aus einer Reduktion der ehemals in präverbaler Position etablierten reduplizierten Pronomina hervorgegangen sind und im 20.
Jahrhundert endgültig in das Paradigma der einfachen Pronomina einzogen
(vgl. Borsley et al. 2007: 325).
Auch die Kongruenzmorphologie der 1. Person Plural unterliegt einer antizipatorischen Assimilation. Sie ist somit ebenfalls durch den finalen Nasal n
gekennzeichnet (vgl. (35b) mit (36b)), woraus sich in dem überwiegenden
Teil der verbalen Paradigmen eine Homonymie zwischen der synthetischen
Form der 1. Person Plural und derjenigen der 3. Person Plural ergibt (vgl.
(36a) mit (36b)).
(35) kl. Standardwalisisch
a. Fe brynasant
hwy / pro anrhegion.
PRT kauf-PRÄT-(PRON)3PL sie
Geschenke
„Sie kauften Geschenke.“
b. Fe brynasom
ni / pro anrhegion.
PRT kauf-PRÄT-(PRON)1PL wir
Geschenke
„Wir kauften Geschenke.“
(36) Modernes Walisisch
a. Prynoni
nhwi / *proi anrhegion.
kauf-PRÄT-(PRON)3PL sie
Geschenke
„Sie kauften Geschenke.“
b. Prynoni
nii / *proi anrhegion.
Geschenke
kauf-PRÄT-(PRON)1PL wir
„Wir kauften Geschenke.“
Die verbale Flexionsmorphologie des Walisischen hat somit an Distinktion
verloren und erlaubt daher nicht mehr durchgängig die eindeutige Identifikation anaphorischer Nullsubjekte (vgl. (36)). Dies ist neben dem Verlust von
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
Objektklitika und der teilweise vermehrten Verwendung des unveränderlichen Präteritalauxiliars ddar(f)u mit dafür verantwortlich, dass sowohl anaphorische als auch rein pronominale Nullsubjekte schließlich gemäß dem
Spezifizitätsprinzip von den entsprechenden phonologisch realisierten einfachen Pronomina komplett verdrängt werden. Letztere realisieren nämlich
aufgrund ihrer vollständigen Identifizierbarkeit bei gleichbleibender Referenz
letztendlich mehr morphosyntaktische Merkmale als ihre nicht-overten Gegenstücke.
Das Paradigma der postverbalen Pronomina hat sonach im heutigen, weitestgehend standardisierten Walisischen gegenüber demjenigen des modernen
klassischen Standardwalisischen eindeutig eine veränderte Gestalt angenommen. Zum einen existieren dort keine Nullargumente mehr, weil sowohl
Nullobjekte, welche von einem präverbalen Klitikum gebunden werden, als
auch anaphorische und pronominale Nullsubjekte verschwunden sind. Zum
anderen beherbergt es neue einfache Pronomen der 2. und 3. Person Plural
und der 3. Person Singular Maskulinum, wobei letztere Form ebenso wie die
der 1. Person Singular bereits in einen Erosionsprozess verwickelt ist und in
der Subjektposition meist nur noch durch einen Vokallaut repräsentiert wird
(vgl. Thorne 1993: 166; King 2008: 266f.) (vgl. (Tabelle 2)).
Tabelle 2:
Postverbale
Subjektpronomina
Person einfach
konjunktiv
1.Sg.
AGRi + (f)ii
AGRi + (f)innaui
2.Sg.
AGRi + tii /
AGRi + tithaui / ditdii
Postverbale
Objektpronomina
einfach konjunktiv
mi / (f)i
ti / di
(f)innau
tithau / dithau
yntau / finthau / fothau
hithau
ninnau
chithau
nhwthau
3.Sg.m. (f)e, (f)o
haui
yntau / finthau / fothau
fe / (f)o
3.Sg.w.
1.Pl.
2.Pl.
3.Pl.
hi
AGRi + nii
AGRi + chii
AGRi + nhwi
hithau
AGRi + ninnaui
AGRi + chithaui
AGRi + nhwthaui
hi
ni
chi
nhw
5.
Pronomeninkorporation und partieller Nullsubjektstatus
im modernen umgangssprachlichen Walisischen
Das Pronominalsystem des modernen umgangssprachlichen Walisischen ist
deutlich reduziert. Eine reguläre Verwendung der kontrastiv markierten konjunktiven Pronomina als pronominale Argumente ist in der heutigen Umgangssprache nicht mehr möglich ((37a,b)). Überreste dieser Pronominalformen existieren lediglich in archaischen und stark idiomatischen Redewen-
Melani Wratil
dungen (vgl. King 2008: 227). Das Paradigma der postverbalen Subjekt- und
Objektpronomina besteht im modernen umgangssprachlichen Walisischen
folglich ausschließlich aus phonologisch repräsentierten einfachen Pronomina. Die emphatische und kontrastive Hervorhebung pronominaler Subjekte
und Objekte wird im modernen umgangssprachlichen Walisischen nur noch
durch deren Positionierung in der linksperipheren Fokusdomäne erreicht.
Ebenso wie im Mittelwalisischen, im klassischen Standardwalisischen und
im standardisierten modernen Walisischen kann das finite Hauptverb dabei
speziell im Falle der Subjektfokussierung keinerlei morphologisch repräsentierte Subjektkongruenzmarkierung annehmen (vgl. (37c,d)). Es ist folglich
auch bei vorangehenden pronominalen Subjekten der 1. und 2. Person Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural stets analytisch. Dasselbe gilt für alle
Hauptverbelemente nicht-pronominaler Subjekt-DPs. Bei ihnen handelt es
sich immer um analytische Verbformen (vgl. (38a) mit (38b)).
(37) Umgangssprachliches Walisisch
a. *Agoresti
titaui
‘r drws.
öffne.PAST.(PRON)2SG du(CONJ) DET Tür
„DU öffnetest die Tür.“
b. *Agoroni
ninnaui ‘r drws.
öffne.PAST.(PRON)1PL wir(CONJ) DET Tür
„WIR öffneten die Tür.“
c. Ti agorodd / *agores(t)
y drws.
du öffne.PAST öffne.PAST.2SG DET Tür
„DU öffnetest die Tür.“
d. Ni agorodd / *agoro(n)
y drws.
wir öffne.PAST öffne.PAST.1PL DET Tür
„WIR öffneten die Tür.“
(38) Umgangssprachliches Walisisch
a. *Maen y chwiorydd yn
mynd i
Abertawe.
sei.3PL DET Schwestern PROG fahr nach Abertawe
b. Mae’r chwiorydd yn
mynd i
Abertawe.
sei DET Schwestern PROG fahr nach Abertawe
„Die Schwestern fahren nach Abertawe.“
Demnach besteht auch im gegenwärtigen umgangssprachlichen Walisischen
eine strikte Inkompatibilität zwischen synthetischen Verbformen und unmittelbar nachfolgenden Subjekt-R-Ausdrücken bzw. –variablen, wobei dies
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
eindeutig Evidenz dafür liefert, dass sich bis heute keine Subjektkongruenzmarker mit ausschließlich verbalfunktionalen Eigenschaften entwickeln
konnten.
Dennoch hat die spezifische Subjektkongruenzmorphologie synthetischer
Verbformen im modernen umgangssprachlichen Walisischen eine Veränderung erfahren. Sie hat dabei aber nicht ihre verbliebenen pronominalen
Merkmale sondern, im Gegenteil, ihre verbalen Eigenschaften verloren. Denn
die quasi-pronominalen Kongruenzmarker sind im Zuge eines Degrammatikalisierungsprozesses als Bestandteile der jeweils nachfolgenden Subjektpronomina reanalysiert worden. Sämtliche postverbalen Subjektpronomina der
1. und 2. Person Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural haben infolgedessen ihre anaphorischen Charakteristika aufgegeben und einen rein pronominalen Status angenommen. Jones (1988: 143ff.) zeigt zum Beispiel, dass
heutzutage bei der Aufeinanderfolge einer synthetischen Vollverbform und
eines pronominalen Subjekts mit initialem Konsonanten keine Geminate
mehr, die auf eine verbale Kongruenzendung schließen lässt, auf phonetischer Ebene existiert. Zusammen mit ihrem konsonantisch anlautenden Subjektpronomina bildet die finite Vollverbform ein phonologisches Wort, welches deutlich eine Silbengrenze vor der konsonantischen phiMerkmalskodierung und somit vor dem rein pronominalen Subjektelement
aufweist (vgl. (39) mit (40)).
(39) Modernes Walisisch
a. Siaradochi
chii Cymraeg.
sprech.PAST.(PRON)2PL ihr Walisisch
„Ihr spracht Walisisch.“
b. Fwydoni
nii ’r gath.
fütter.PAST.(PRON)1PL wir DET Katze
„Wir fütterten die Katze.“
(40) Umgangssprachliches Walisisch
a. Siarado(-)chi Cymraeg.
sprech.PAST-sie Walisisch
„Ihr spracht Walisisch.“
’r gath.
b. Fwydo(-)ni
fütter.PAST-wir DET Katze
„Wir fütterten die Katze.“
Auch auf syntaktischer und morphologischer Ebene sind die pronominalen
Subjekte der 1. und 2. Person Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural mit
der vorangehenden Verbmorphologie verknüpft. Zum einen können sie, wie
die oben genannten Beispiele (37c) und (37d) illustrieren, trotz ihres verän-
Melani Wratil
derten bindungstheoretischen Status nicht die dem finiten Verb rechtsadjazent angeordnete Position verlassen, ohne dass letzteres eine analytische
Flexionsmorphologie suffigiert. Zum anderen sind sie, wie die Gegenüberstellung periphrastischer Bildungen des modernen weitestgehend standardisierten und des modernen umgangssprachlichen Walisischen in (41) und (42)
zeigen, insbesondere mit den weiterhin stetig häufiger verwendeten Formen
des Auxiliars bod (vgl. (41a,b) mit (42a,b)) und bisweilen mit entsprechenden Formen hochfrequenter unregelmäßiger Verben, wie zum Beispiel des
vielfach als Auxiliar eingesetzten Verbs gwneud (vgl. (41c,d) mit (42c,d)),
inzwischen oftmals so stark verschmolzen, dass sie gemeinsam mit ihnen
Portmanteaumorphe ausbilden.
(41) Modernes Walisisch
a. Wyti
tii ‘n
ymweld
â Glyn.
sei.(PRON)2SG du PROG besuch(VN) zu Glyn
„Du besuchst Glyn.“
b.Oeddeni
nii ’n
bwydo ’r gath.
sei.IPV.(PRON)1PL wir PROG fütter(VN) DET Katze
„Wir waren die Katze am Füttern.“
c. Aethosti
tii i
Abertawe.
fahr.PAST.(PRON)2SG du nach Abertawe
„Du fuhrst nach Abertawe.“
d. Gwnaethosti
tii aros.
tu.PAST.(PRON)2SG du wart(VN)
„Du wartetest.“
(42) Umgangssprachliches Walisisch
a. Ti
‘n
ymweld
â Glyn.
sei+du PROG besuch(VN) zu Glyn
„Du besuchst Glyn.“
’n
bwydo ’r gath.
b. O’ni
sei(IPV)+wir PROG fütter(VN) DET Katze
„Wir waren die Katze am Füttern.“
c. Esti
i
Abertawe.
geh(PAST)+du nach Abertawe
„Du fuhrst nach Abertawe.“
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
d. Nesti
aros .
tu(PAST)+du wart(VN)
„Du wartetest.“
Die ehemals anaphorischen Subjektelemente werden also offensichtlich von
ihrem finiten Hauptverb auf Kosten von dessen funktionaler Subjektkongruenzmorphologie als rein pronominale Kategorien inkorporiert. Das moderne
umgangssprachliche Walisische hat demnach infolge eines Exaptionsverfahrens (vgl. Heine 2003) neue synthetische Formen entwickelt. Anders als die
des Mittelwalisischen, des klassischen Standardwalisischen und des standardisierten modernen Walisischen besitzen diese kein quasi-pronominales
Flexiv, sondern beherbergen ebenso wie wahrscheinlich sämtliche synthetischen Formen des Altwalisischen ihr Subjekt vollständig selbst.
Dass es zu dieser Entwicklung kommen konnte und nicht etwa eine Reanalyse der quasi-pronominalen Subjektkongruenzmarker als rein verbalfunktionale Flexionssuffixe stattfand, ist, ähnlich wie ehemals die Etablierung postverbaler, anaphorischer Subjekte im Mittelwalisischen, durch einen Distinktionsgewinn begründet. Sowohl das Pronominalsystem als auch das Konjugationssystem haben im modernen Walisischen infolge der Stärkung des VSOWortstellungsmusters und des Wandels der verbalen Flexionsmorphologie
gegenüber den entsprechenden mittelwalisischen Systemen deutlich an Differenziertheit verloren. Dadurch dass im modernen Walisischen sowohl nichtfokussierte Subjektpronomina als auch nicht-fokussierte Objektpronomina
obligatorisch in postverbaler Position phonologisch realisiert werden, ist dort
die noch im klassischen Standardwalisischen durch Nullsubjektlizenzierung
und präverbale Objektklitisierung zu erreichende Zusatzdistinktion zwischen
diesen Pronominalformen weggebrochen. Weiterhin sind, dadurch dass die
quasi-pronominale Kongruenzmorphologie erodiert ist und teilweise an die
Anlaute der seit dem frühen modernen Walisischen immer häufiger auftretenden Subjektpronomina phonologisch assimiliert wurde, erstmals homonyme Formen innerhalb des verbalen Subjektkongruenzparadigmas entstanden. Eine Grammatikalisierung der quasi-pronominalen Kongruenzmarker zu
ausschließlich verbalen Kategorien in der darauffolgenden Entwicklungsperiode hätte nicht nur den Synkretismus innerhalb des Konjugationssystems
zementiert, sondern auch genau diejenige Homonymie im Pronominalsystem
produziert, die im Mittelwalisischen durch die Beibehaltung pronominaler
Merkmale seitens der ehemals inkorporierten Subjektpronomina vermieden
wurde.
Indem nun im modernen umgangssprachlichen Walisischen die vormals
anaphorischen Subjekte der im Pronominalsystem noch verbliebenen Pronominalmorpheme in ihrer nicht-fokussierten Repräsentation als morphologische Bestandteile des finiten Verbs reanalysiert wurden, konnte innerhalb der
involvierten Paradigmen ein Stück weit Differenziertheit zurückgewonnen
Melani Wratil
werden. Auf der einen Seite sind die Verbformen der 1. und 3. Person Plural
des präteritalen, des konditionalen und des imperfektivischen15 Paradigmas
aufgrund ihres inkorporierten Pronomens jetzt nicht mehr homonym. Auf der
anderen Seite unterscheiden sich die pronominalen Subjekte der 1. und 2.
Person Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural durch ihre erneute starke
Integration in die verbale Morphologie nach wie vor von den entsprechenden
Objektpronomina. Letztere Distinktion wird gegenwärtig durch den Zuwachs
periphrastisch gebildeter Verbformen noch verstärkt. Weil nämlich die inkorporierten Pronomina oftmals zu einem Großteil die Morphologie der immer häufiger eingesetzten Auxiliarverben konstituieren, können sie vielfach
nicht mehr eindeutig morphologisch segmentiert werden.
Obwohl die Subjektpronomina der 3. Person Singular als nach wie vor isolierte Pronominalelemente grundsätzlich nicht in ihr finites Verb integriert
werden, stellen sie dennoch heutzutage eine morphologische Differenz zu
ihren pronominalen Objektgegenstücken her. Denn anders als letztere erhalten sie in postverbaler Position mittlerweile wieder optional eine Nullrealisierung ((43)).
(43) Umgangssprachliches Walisisch
a. Mae hi / pro’n gweithio mewn swyddfa bost.
sei sie
PRT arbeit(VN) in
Büro Post
„Sie arbeitet in einem Postamt.“
b. Gerddodd e / pro i fyny ’r Tafwys.
geh(PAST) er
hinauf DET Themse
„Er ging hinauf zur Themse.“
Das Paradigma der nicht-fokussierten Pronomina im gegenwärtigen modernen umgangssprachlichen Walisischen setzt sich dementsprechend wie folgt
zusammen (vgl. (Tabelle 3)):
15
Imperfektivische Formen existieren nur noch im Konjugationsparadigma von bod.
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
Tabelle 3:
Postverbale
Subjektpronomina
Person
1.Sg.
2.Sg.
3.Sg.m.
3.Sg.w.
1.Pl.
2.Pl.
3.Pl.
Postverbale
Objektpronomina
V+ (f)i
V+ ti / di
(f)e, (f)o / pro
hi / pro
V+ ni
V+ chi
mi / (f)i
ti / di
fe / (f)o
hi
ni
chi
V+ nhw
nhw
Insofern verhält sich das moderne umgangssprachliche Walisische in Bezug
auf die Repräsentation und Identifikation seiner subjektivischen Pronominalelemente wie vormals vermutlich das Altwalisische. Es ist ebenfalls eine
partielle Nullsubjektsprache, die über keine verbalmorphologischen Subjektkongruenzmarker, jedoch über inkorporierte Subjekte der 1. und 2. Person
Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural verfügt und deren Nullsubjekte
die am geringsten markierte Merkmalsspezifikation eines definiten schwachen Pronomens zugewiesen bekommen.
6.
Zusammenfassung
In diesem Aufsatz ist deutlich geworden, dass sich im Walisischen eine durch
Grammatikalisierung und Degrammatikalisierung definierte, zyklische Entwicklung der verbalen Kongruenzmorphologie und der Repräsentation von
pronominalen Subjekten abzeichnet (vgl. Abb.1).
Melani Wratil
Abb.1:
So werden im Altwalisischen die synthetischen Verbformen der 1. und 2.
Person Singular und der 1., 2. und 3. Person Plural durch die Inkorporation
der entsprechenden Subjektpronomina gebildet. Da das subjektivische Pronomen der 3. Person Singular in seiner unbetonten Form dort nicht phonologisch realisiert wird, ist das Altwalisische als partielle Nullsubjektsprache zu
klassifizieren (vgl. Kap. 2.1.). Im Mittelwalisischen grammatikalisieren die
inkorporierten Subjektpronomina schließlich zu quasi-pronominalen Subjektkongruenzmarkern. In der ihnen rechtsadjazent angeordneten Subjektposition hinterlassen sie anaphorische Nullsubjekte. Diese alternieren mit neu
eingeführten, betonten Pronominalausdrücken, welche ebenfalls von der
quasi-pronominalen Kongruenzmorphologie A-gebunden werden und damit
der vollständigen Homonymie mit den entsprechenden overten Objektpronomina entgehen (vgl. Kap. 2.2.). Das Walisische hat damit in der mittelwalisischen Periode seinen Nullsubjektstatus weiter ausgebaut. Infolge des einsetzenden Verlusts von V2-Wortstellungsmustern (vgl. Kap. 3.1.) und der
damit einhergehenden Einführung kongruierender präverbaler Affirmativmarker werden im frühen modernen Walisischen sowohl postverbale anaphorische Subjektpronomina als auch das postverbale, rein pronominale Subjekt
der 3. Person Singular zunehmend overt realisiert (vgl. Kap. 3.2.). Im modernen Walisischen verschwinden Nullargumente aufgrund des Wegfalls von
Objektklitika (vgl. Kap. 4.1.) und einer veränderten verbalen Flexionsmorphologie (vgl. Kap. 4.2.) sogar komplett aus dem Pronominalsystem. Das
moderne
Walisische
gehört
somit
den
vollständigen
NonNullsubjektsprachen an. Durch einen Degrammatikalisierungsprozess werden
die quasi-pronominalen Subjektkongruenzmarker synthetischer Verbformen
im modernen umgangssprachlichen Walisischen als Bestandteile der unmittelbar nachfolgenden, overten Subjektelemente reanalysiert. Letztere erhalten
infolgedessen einen rein pronominalen Status. In dieser Form werden sie von
Die zyklische Entwicklung von pronominalen Subjekten im Walisischen
ihrem finiten Hauptverb inkorporiert und bilden so neue synthetische Verbformen. Als partielle Nullsubjektsprache gestattet das moderne umgangssprachliche Walisische erneut genuine Nullsubjekte der 3. Person Singular.
Bezüglich der Distribution und Konstitution seiner subjektivischen Pronomina besitzt es damit ähnliche Eigenschaften wie ehemals das Altwalisische
(vgl. Kap. 5.).
Die idiosynkratischen Eigenschaften der externen Kongruenz sind also in der
diachronen Entwicklung des Walisischen durch Grammatikalisierungsprozesse herbeigeführt und durch Degrammatikalisierungsprozesse wieder abgeschwächt worden. Die in Kapitel 5. angeführten Daten des gegenwärtig gesprochenen Walisischen lassen durchaus vermuten, dass der beschriebene
Zyklus in zukünftigen Sprachperioden erneut durchlaufen wird. In diesem
Fall würden inkorporierte Pronominalelemente verbale Charakteristika durch
Regrammatikalisierung annehmen und durch Degrammatikalisierung wieder
verlieren. Der Ausbruch aus diesem Zyklus und die dementsprechende Beseitigung von syntaktisch bedingten Kongruenzasymmetrien kann vermutlich
nur durch die Entwicklung distinktiver Kasusmorpheme innerhalb des Pronominalsystems ermöglicht werden.
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