4. Thermische Eigenschaften von Kristallen - spezifische Wärme Def.: spez. Wärme bei konst. Volumen: ⎛ ∂E ⎞ ⎛ ∂S ⎞ C V = T⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ ⎝ ∂T ⎠ V ⎝ ∂T ⎠ V S = Entropie, E = innere Energie, T = Temperatur Experimentell: - bei Zimmertemperatur ist C ≈ 3NkB/M bei fast allen Festkörpern (Dulong-Petitsche Regel), N = Anzahl der Atome, M = Masse des Körpers - bei tiefen Temperaturen nimmt C ab, bei Isolatoren mit T3, bei Metallen mit T (anders bei Supraleitern und magnetischen Festkörpern) 4.1. Phononenspektren Beschreibung der Gitterschwingungen durch nichtgekoppelte harmonische Oszillatoren Energie eines harmon. Oszillators: n = Besetzungszahl = 0, 1, 2, ... 1⎞ ⎛ E n = ⎜ n + ⎟ hω 2⎠ ⎝ 65 N E = ∑ En n =1 1⎞ ⎛ E = hω⎜ n + ⎟ 2⎠ ⎝ Gesamtenergie von N Oszillatoren: mittlere Energie eines Oszillators: Gesamtenergie: 1⎞ ⎛ E = ∑ ⎜ n + ⎟ hω(q ) q ⎝ 2⎠ über alle möglichen Frequenzen (bzw. q) aufsummieren mittlere Besetzungszahl <n> durch Bose-Einstein Verteilung gegeben: n = 1 e hω / k BT −1 Grenzfälle: - hohe T: hω < k B T ⇒ n ≈ k BT hω ⎛k T⎞ ⇒ E ≈ hω⎜ B ⎟ = k BT ⎝ hω ⎠ => klassisches Verhalten , jeder Oszillator hat Energie kBT - tiefe T: hω > k BT ⇒ n ≈ e − hω / k BT 66 4.2. Einstein-Modell Annahme: nur eine Frequenz ωE (Einsteinfrequenz) im Gitter N Oszillatoren derselben Resonanzfrequenz besitzen die Energie: E = 3N n hω = => spezifische Wärme: 2 ⎛ hω ⎞ ehω / k T ⎛ ∂E ⎞ ⎟⎟ hω / k T C V = ⎜ ⎟ = 3Nk B ⎜⎜ T k T − 1) 2 ∂ ⎝ ⎠V ⎝ B ⎠ (e B B B Grenzfälle: 3Nhω ehω / k T − 1 3 Freiheitsgrade T → unendlich: CV → 3NkB T → 0: CV ∝ e − hω / k BT (experimentell: T3!) Experimentell bestimmte Molwärme von Diamant und Einstein-Modell (Einstein, Ann. Physik 22, 18,0 1907) 67 4.3. Abzählen der möglichen Frequenzen - Zustandsdichte r für ω schwierig, daher von q ausgehen, q = (q x , q y , q z ) - feste Randbedingungen (stehende Wellen): 1D Kette aus N+1 Atomen der Länge L => Eigenschwingungen sind stehende − iω ( q ) t Wellen u s = u 0 sin( sqa ) e mit den Wellenlängen bzw. q: λ qx 2L π/L 2L/2 2π/L 2L/3 3π/L .... 2L/N .... π/a ⎛π⎞ pro qx : => Volumen pro q-Wertc in 3D: ∆q x q y q z = ⎜ ⎟ ⎝L⎠ Zahl der möglichen q-Werte pro Einheitsvolumen im q-Raum (3D): π π = Na L ⎛L⎞ D(q ) = ⎜ ⎟ ⎝π⎠ 3 für q ≤ π/a, 0 für q ≥ π/a (Zustandsdichte) Die Randbedingungen sind nur für Oberflächeneffekte wichtig, sonst vernachlässigbar, da N sehr groß. 3 (1) 68 - periodische Randbedingungen Medium wird hier als unbegrenzt betrachtet, die Lösungen (=laufende Wellen u s = u 0ei ( sqa − ωt ) ) wiederholen sich nach Länge L, so dass u (sa ) = u (sa + L) Erlaubte q-Werte: q = 0, ± 2π , ± 4π , ± 6π , ... ± Nπ L L L L 2π ∆q = L in 1D: ein q-Wert pro 2π L in 3D: ein q-Wert pro oder 3 V r ⎛L⎞ ⎜ ⎟ = 3 = D(q ) ⎝ 2 π ⎠ 8π ⎛ 2π ⎞ ⎜ ⎟ ⎝L⎠ 3 q-Werte pro Einheitsvolumen im q-Raum Häufige Annahme: kontinuierliche Dichte, da q-Werte sehr dicht liegen. Oft wird Dichtefunktion im Frequenzraum, D(ω), benötigt => D(ω) dω = Anzahl der Zustände im Frequenzintervall dω bei ω durch D(q) ausdrücken: D(ω) dω = D(q )dq = D(q ) dω/dq = Gruppengeschwindigkeit D(q ) dq dω dω = dω / dq dω (2) 69 4.4. Debye-Modell Annahme: ω = vq, d.h. dω/dq = v - in 1D: D(q) = L/π => v = Schallgeschwindigkeit = const. D(ω) = L/πv für ω ≤ vπ / a (nach Glg (1) und (2)) D(ω) = 0 für alle anderen Werte => das Spektrum wird bei ωD ≤ vπ / a abgebrochen, um den richtigen Wert N für die Gesamtzahl der Normalschwingungen zu erhalten. - in 3D: r ⎛L⎞ D(q ) = ⎜ ⎟ ⎝ 2π ⎠ 3 (period. RB, je Polarisationsrichtung) Berechnung von D(ω) für einen isotropen Festkörper (Schallgeschwindigkeit nicht von Ausbreitungsrichtung abhängig): dq entspricht in 3D Volumen einer Kugelschale im q-Raum L3 L3 ω2 2 => D(ω) dω = 3 4πq d q = 2 3 dω 8π 2π v L3 ω2 D(ω) = 2 3 für ω ≤ ωD 2π v (3) ⎛ 6π N ⎞ ωD = v⎜ 3 ⎟ 0 ⎝ L ⎠ Zahl der Freiheitsgrade (pro Polarisation) = Zahl der Schwingungszustände ωD Die Grenzfrequenz ωD berechnet sich aus: N = ∫ dω D(ω) ⇒ 2 1 3 70 3N 2 ω für ω < ωD Debye-Spektrum: 3 ωD gilt für den Beitrag der Schwingungen einer Polarisationsrichtung. D(ω) = Aber: unterschiedliche Schallgeschwindigkeiten für longitudinale und transversale Phononen 3 2 1 = + => Einführung einer mittleren Schallgeschwindigkeit v3 v3T v3L Bsp.: v ≈ 5·103 m/s N ≈ 1023 Atome/cm3 => ωD ≈ 1014 s-1 , entspricht einer Grenzwellenzahl von qD = 2·108 cm-1 = 2 Å-1 Spezifische Wärme des Kristallgitters Gitterschwingungen ergeben temperaturabhängigen Beitrag zur inneren Energie eines ⎛ ∂E ⎞ Kristalls und damit zur spezifischen Wärme: CV = ⎜ ⎟ ⎝ ∂T ⎠ V =const experimentell zugänglich ist CP, Kristall dehnt sich aus. Aber: C P − C V = 9α 2 κVT CP − CV / CV ≈ 3 ⋅ 10− 4 ⇒ CP ≈ CV α = linearer therm. Ausdehnungskoeffizient, κ = Kompressibilität, V = Molvolumen 71 Energie: ∞ 1⎞ 1⎞ ⎛ ⎛ E = ∑ ⎜ n q + ⎟ hωq = ∫ dω D(ω)⎜ n ω + ⎟ hω 2⎠ 2⎠ ⎝ q ⎝ 0 ∞ ∞ hω 1 1⎫ ⎧ = ∫ dω D(ω) ⎨ hω / k T + ⎬ hω = E 0 + ∫ dω D(ω) hω / k T e −1 −1 2⎭ ⎩e 0 0 E0 = Nullpunktsenergie, temperaturunabhängig (für spez. Wärme nur E(T) interessant) B B 1∞ E 0 = ∫ dω D(ω) hω 20 2 ωD ⎛ hω ⎞ ehω / k T ⎟⎟ hω / k T C V = k B ∫ dω D(ω) ⎜⎜ 2 k T − 1) ⎝ B ⎠ (e 0 spezifische Wärme: B B mit Glg (3) erhält man ⎛T⎞ C V = 9 Nk B ⎜ ⎟ ⎝θ⎠ 3 xD x 4e x ∫0 dx (e x − 1)2 mit x = hω / k BT, θ = hωD / k B , x D = hωD / k BT Debye-Funktion (tabelliert) Grenzwerte: Debye-Temperatur hohe Temperaturen T > θ: CV = 3NkB tiefe Temperaturen T < θ: CV → (T/θ)3 für T << θ gute Näherung, da nur akustische Phononen angeregt (ω = vq gute Näherung) 72 73 4.5. Anharmonische Effekte bis jetzt: harmonische Näherung => Potential V(r) = V(r0) + A(r- r0)2 => wichtige Eigenschaften des Festkörpers werden nicht beschrieben! Anharmonisch: V(r) = V(r0) + A(r- r0)2 + B(r- r0)3 ... ermöglicht Beschreibung folgender Effekte: - thermische Ausdehnung - Temperatur- und Druckabhängigkeit der elastischen Konstanten - Dulong-Petit gilt nicht streng (geringfügige Anstieg der spez. Wärme oberhalb von θ) - Phononen wechselwirken, haben endliche Lebensdauer, sind gedämpft - thermisches Gleichgewicht stellt sich ein - Kristall hat endliche Wärmeleitfähigkeit 74 - thermische Ausdehnung: ∞ − V ( x ) / kT dx xe ∫−∞ x := r - r0, V(x) = cx2 + gx3 x = ∞ − V ( x ) / kT dx e 3 g ∫ −∞ gx3 << kT => x = 2 k B T = αT 4c 3gk B linearer thermischer Ausdehnungskoeffizient α= 2 4c Allgemein: g = f (T) => α = f (T) Ausdehnung: L = L0(1 + αT) 75 - Wärmeleitfähigkeit von Isolatoren mittlere Besetzungszahl <n> unterschiedlich bei T1 und T2 => Energiefluss Q Q = −λ dT = −λ grad T dx Wärmeleitzahl => Wärmetransport ist statistischer Prozess (Diffusion) => Gradient! Analog Wärmeleitfähigkeit von Gasen: λ = 1 C v l 3 C = spez. Wärmekapazität, v = mittlere Phononengeschwindigkeit, l = mittlere freie Weglänge der Phononen = v τ τ = mittlere Zeit zwischen 2 Zusammenstößen Folge der Anharmonizität ist, dass die Schwingungen nicht mehr ungestört überlagern, sondern dass anstatt einfacher Superposition WW auftreten => Beeinflussung der inneren Energie, Phonon-Phonon-Streuung (elast. Konstanten des Gitters werden durch ein Phonon periodisch moduliert, ein anderes Phonon „spürt“ diese Modulation und kann gestreut werden), Einstellung des thermischen Gleichgewichts. 76 Zusammenfassung - Beschreibung der Gitterschwingungen durch nichtgekoppelte harmonische Oszillatoren mit Gesamtenergie 1⎞ ⎛ E = ∑ ⎜ n + ⎟ hω(q ) 2⎠ q ⎝ - die mittlere Besetzungszahl <n> durch Bose-Einstein Verteilung gegeben: n = 1 e hω / k T − 1 B - Einstein-Modell der spezifischen Wärme: nur eine Frequenz ωE - Debye-Modell der spezifischen Wärme: ω = vq, (v = Schallgeschwindigkeit = const.) Berechnung von Cv aus Energie: ∞ 1⎞ 1⎞ ⎛ ⎛ E = ∑ ⎜ n q + ⎟ hωq = ∫ dω D(ω)⎜ n q + ⎟ hω 2⎠ 2⎠ ⎝ q ⎝ 0 - Zustandsdichte D(ω) durch Abzählen der möglichen q-Werte unter Berücksichtigung der Randbedingungen (feste oder periodische) - Erklärung der thermische Ausdehnung, Wärmeleitfähigkeit, Phonon-Phonon-WW durch anharmonische Effekte 77