Klausur zur Analysis I WS 01/02 Prof. Dr. E. Kuwert 2. Februar 2002 Aufgabe 1 (4 Punkte) Berechnen Sie unter a) und b) jeweils die Ableitung von f für x ∈ (0, ∞): √ a) f (x) = esin x b) f (x) = xα log x1 Lösung: √ 1 cos( x) √ 2 x α b) f (x) = −x log x ⇒ 1 f 0 (x) = −αxα−1 log x − xα x = −xα−1 (α log x + 1). a) f 0 (x) = esin √ x (Kettenregel) (Produktregel) Aufgabe 2 (6 Punkte) Beantworten Sie für (i), (ii) und (iii) jeweils die folgenden zwei Fragen. Geben Sie für jede Antwort eine kurze Begründung. a) Ist die Folge (an )n∈N beschränkt? b) Ist die Folge (an )n∈N konvergent? (i) (ii) (iii) n2 + 3n − 7 . 3n + 5 n sin π2 + n2 π an = (mit n ≥ 2). n + cos(n2 π) en an = (wobei e = exp(1)). n an = Lösung: (i) an = n2 + 3n − 7 3n + 5 n + 3 + 7/n n ≥ → ∞. 3 + 5/n 8 b) nein, denn an ist nicht beschränkt. n sin π2 + n2 π (ii) an = n + cos(n2 π) a) nein, denn an = 1 −1 → 1, a2k+1 = → −1. 1 + 1/2k 1 − 1/(2k + 1) b) nein, siehe bei a). a) ja, denn a2k = (iii) an = en /n 1 a) nein, denn mit x = e − 1 > 0 folgt n 2 n−1 2 e /n = (1 + x) /n ≥ x /n = x → ∞. 2 2 n n Alternativ kann der Satz aus der Vorlesung über das Wachstum der Exponentialfunktion zitiert werden. b) nein, denn an ist nicht beschränkt. Aufgabe 3 (3 Punkte) Leiten Sie eine Formel her, die cos(3α) durch cos α und sin α ausdrückt. Lösung: Entweder mit der Eulerschen Formel: cos(3α) = Re (ei3α ) (Eulersche Formel) iα 3 = Re (e ) (Funktionalgleichung) = Re (cos(α) + i sin(α))3 3 (Eulersche Formel) 2 = cos α − 3 sin α cos α. Alternativ mit den Additionstheoremen: cos(3α) = cos(2α + α) = cos(2α) cos(α) − sin(2α) sin(α) 2 (Additionstheorem) 2 = (cos α − sin α) cos α − 2 sin α cos α sin α 3 (Additionstheoreme) 2 = cos α − 3 sin α cos α. Aufgabe 4 (7 Punkte) Betrachten Sie die Funktion cot : (0, π) → R, cot(t) = cos t . sin t Begründen Sie die Existenz und Differenzierbarkeit der zugehörigen Umkehrfunktion arccot : R → (0, π), und zeigen Sie die Formel arccot0 (x) = − 1 . 1 + x2 Lösung: − sin2 t − cos2 t 1 = −1 − cot2 t oder cot0 t = − 2 . 2 sin t sin t cot0 < 0 ⇒ cot(t) ist streng monoton fallend, also injektiv cot0 (t) = t & 0 ⇒ cos t % 1, sin t & 0 ⇒ f (t) % +∞ t % π ⇒ cos t & −1, sin t & 0 ⇒ f (t) & −∞ ⇒ Zwischenwertsatz f : (0, π) → R surjektiv, also umkehrbar Umkehrfunktion differenzierbar, da cot0 (t) 6= 0 (Satz Vorlesung). arccot0 (x) = 1 cot0 (arccotx) =− 1 1+ cot2 (arccotx) 2 =− 1 .. 1 + x2 Aufgabe 5 (3 Punkte) Welche Aussagen sind wahr, welche falsch? a) Die Dezimal-Darstellung einer rationalen Zahl ist eindeutig bestimmt. b) Eine Dezimal-Darstellung einer irrationalen Zahl ist nicht endlich. c) Die Menge der Zahlen, die eine endliche Dezimal-Darstellung erlauben, ist abzählbar. wahr“ kurze Begründung, bei falsch“ Gegenbeispiel ohne Begründung. ” ” Lösung: a) nein, denn zum Beispiel 1, 0 = 0, 999 . . . ist rational. b) ja, denn ein endlicher Dezimalbruch ist eine endliche Summe von Potenzen von 10, also rational. c) ja, denn die endlichen Dezimalzahlen sind Teilmenge von Q, und Q ist abzählbar. Alternativ: Es gibt nur endlich viele Zahlen mit genau n Stellen. Zähle nacheinander die die Zahlen mit einer Stelle, mit zwei Stellen, usw. Aufgabe 6 (4 Punkte) Berechnen Sie die Ableitung (falls existent) der Funktion ( x2 cos x1 x 6= 0 f (x) = 0 x=0 in allen Punkten x0 ∈ R. Lösung: 1 1 1 2 x 6= 0 ⇒ f (x) = 2x cos + x − sin − 2 x x x 1 1 = 2xcos + sin . x x f (x) − f (0) 1 x0 = 0 ⇒ = x cos → 0 mit x → 0, x−0 x 1 da | cos | ≤ 1. Also gilt f 0 (0) = 0. x 0 Aufgabe 7 (3 Punkte) Zeigen Sie anhand der Definition der Stetigkeit (ε − δ Kriterium), dass die Funktion √ f : [0, ∞) → R, f (x) = x im Punkt x0 = 0 stetig ist (wobei f (0) = 0). Lösung: Sei ε > 0 gegeben. Wähle δ := ε2 und schliesse, da die Wurzelfunktion monoton wachend ist, √ √ √ |x| = |x − 0| < δ ⇒ | x − 0| ≤ δ = ε. 3 Bei Aufgabe 8 (4 Punkte) Sei f : [−1, 1] → R differenzierbar und f 0 (0) = 0. Welche der folgenden Aussagen sind wahr, welche falsch? a) f 00 (0) ≤ 0 ⇒ f hat im Nullpunkt ein lokales Maximum. b) f 00 (0) > 0 ⇒ f (0) = min f (x). ⇒ f 00 (0) c) f (0) = min f (x) x∈(−1,1) x∈[−1,1] ≥ 0. Bei wahr“ kurze Begründung, bei falsch“ Gegenbeispiel ohne Begründung. ” ” Lösung: a) falsch, denn f (x) = x3 hat f 0 (x) = 3x2 , also f 00 (0) = 0. Es gilt x3 > 0 für x > 0, also hat f in x = 0 kein lokales Maximum. b) falsch , denn f (x) = x2 − 2x4 hat f 0 (x) = 2x − 8x3 , also f 00 (0) = 2 > 0. Trotzdem gilt f (1) = −1 < 0 = f (0). c) wahr, denn wäre f 00 (0) < 0, so hat f nach Vorlesung in x = 0 ein isoliertes, lokales Maximum, im Widerspruch zur Voraussetzung. Aufgabe 9 (6 Punkte) Skizzieren Sie die folgenden zwei Funktionen mit Angabe von mindestens 3 Funktionswerten: a) f (x) = e−x b) f (x) = sin 2 /2 1 x (x ∈ R) (x > 0). Lösung: siehe Vorlesung. Aufgabe 10 (5 Punkte) Berechnen Sie für die Funktion f : [0, 1] → R, f (x) = x das Integral S(f ) = Z 1 f 0 anhand der Definition, also mit geeigneten Riemannschen Summen. Lösung: Unterteilung 0 = x0 < . . . < xN = 1 mit xk = k/N für k = 0, 1, . . . , N . Stützstellen ξk = k/N für k = 1, . . . , N . Dann gilt ∆xk = 1/N und es ergibt sich für die 4 zugehörige Riemannsche Summe SD (f ) = N X f (ξk ) ∆xk k=1 N X 1 k · = N N k=1 = N 1 X k N2 = 1 N (N − 1) → 1/2 2 N2 k=1 mit N → ∞. Da f stetig auf dem kompakten Intervall [0, 1], ist f Riemannintegrierbar und es folgt Z 0 1 f = lim SD (f ) = 1/2. N →∞ Aufgabe 11 (6 Punkte) Zeigen Sie, dass die rekursiv definierte Folge √ xn+1 = 1 + xn für n ≥ 0, Startwert x0 = 1 konvergiert und bestimmen Sie ihren Grenzwert. Lösung: Wir wollen das Konvergenzkriterium der Monotonie und Beschränktheit verwenden. Es gilt xn = f (xn−1 ) für n ≥ 1 mit der Funktion √ f : [−1, ∞) → R, f (x) = 1 + x. √ f ist monoton wachsend, denn f 0 (x) = 1/2 1 + x ≥ 0 (Alternative: Satz aus Vorlesung über Monotonie der Wurzelfunktion zitieren). Induktion liefert 1 ≤ xn ≤ 2: das ist wahr für n = 0, und induktiv gilt xn+1 = f (xn ) ∈ [f (1), f (2)] ⊂ [1, 2]. √ Weiter gilt, auch per Induktion, xn ≥ xn−1 für alle n. Denn x1 = 2 ≥ 1 = x0 , und induktiv folgt für n ≥ 1 xn ≥ xn−1 ⇒ f (xn ) ≥ f (xn−1 ) ⇒ xn+1 ≥ xn . Somit ist (xn ) monoton wachsend und nach oben beschränkt, also konvergent (Satz Vorlesung). Setze limn→∞ xn =: ξ. Dann gilt ξ ≥ 1, und aus xn+1 = f (xn ) folgt mit n → ∞, da f stetig in ξ ist, p ξ = lim xn+1 = lim f (xn ) = f (ξ) = 1 + ξ. n→∞ n→∞ √ Es folgt ξ = 21 (1 + 5). 5