Kapitel 3 Analytische Geometrie Inhalt 3.1 Punkte und Geraden (3 | –5), y = 4x +7 3.2 Kegelschnitte x2 + y2 = r2 3.3 Räumliche Geometrie (x | y | z) Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 2 Koordinaten und Gleichungen • Ziel der analytischen Geometrie: Geometrische Objekte (Punkte, Geraden, Kreise, ...) werden durch Zahlen („Koordinaten“) und Gleichungen, die diese Zahlen in Verbindung bringen, beschrieben. • Vorteil: Man kann geometrische Aussagen einfach ausrechnen. Der Nachweis geometrischer Aussagen wird zu einer (vielleicht komplizierten, aber im Prinzip) einfachen Rechnung. • Nachteil: Man weiß am Ende nur, dass etwas richtig ist, nicht warum dies richtig ist. • Die analytische Geometrie wurde von René Descartes (1596 -1650) eingeführt. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 3 3.1 Punkte und Geraden • Ein Punkt (der Ebene) wird durch ein Paar reeller Zahlen beschreiben, und umgekehrt. • Zum Beispiel sind P = (1 | 0), Q = (5 | –1), R = (0 | –1000) Punkte. • Die erste Komponente eines Punkts heißt die x-Koordinate (Abszisse), die zweite Komponente heißt die y-Koordinate (Ordinate) des Punktes. • Für einen beliebigen Punkt schreiben wir P = (x | y). • Wir zeichnen die Punkte im Koordinatensystem. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 4 Schreibweisen • P = (3, 2) Der Punkt P wird mit dem Zahlenpaar (3, 2) identifiziert. Da Paare von Zahlen in Klammern geschrieben und mit Komma getrennt werden, schreibt man (3, 2) für den Punkt mit den Koordinaten 3 und 2. Mathematisch sauber. • P = (3 | 2) Lehrer sind darauf gekommen, dass die Kommaschreibweise schlecht ist, wenn die Koordinaten selber Kommazahlen sind: Wie sieht denn (3,1 , 2,5) aus? Also schreibt man statt des Kommas einen Strich („Stab“). • P = (3; 2) Ein fauler Kompromiss: man will weder ein Komma schreiben (s.o.) noch ein neues Symbol (Stab) einführen. Der Punkt des Strichpunkts wird aber sehr leicht übersehen ... • P(3, 2), P(3 | 2), P(3;2) Seltsam. Diese Bezeichnung sagt: „Ich bin ein Punkt mit den Koordinaten 3 und 2 und heiße P.“ Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 5 Geraden • Man beschreibt eine Gerade dadurch, dass man angibt, welche Punkte (x | y) zu ihr gehören. Dies geschieht durch eine Gleichung. • Wir legen fest: Für alle reellen Zahlen m und b ist die Menge {(x | y) y = mx + b, x R} eine Gerade (Gerade mit der Gleichung y = mx+b). Ferner ist für jede reelle Zahl c die Menge {(x | y) x = c, y R} eine Gerade (Gerade mit der Gleichung x = c). • Man nennt m die Steigung und b den y-Achsenabschnitt. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 6 Einsetzen • Ein Punkt mit den Koordinaten (u v) liegt genau dann auf der Geraden mit der Gleichung y = mx + b, falls Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 7 Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 8 Die Gerade durch zwei Punkte 3.1.1 Satz („Zweipunkteform“). Seien P1 = (x1| y1) und P2 = (x2 | y2) zwei verschiedene Punkte. (a) Wenn x1 = x2 ist, so ist die Gerade mit der Gleichung x = x1 die Gerade durch P1 und P2. (b) Wenn x1 x2, so hat die Gerade durch P1 und P2 die Steigung m und den Achsenabschnitt b mit m = (y2 – y1)/(x2 – x1) und b = y1 – x1m = y1 – x1(y2 – y1)/(x2 – x1). Beispiele: Die Gerade durch die Punkte (0 | 0) und (u | v) hat die Gleichung y = v/ux. Die Gerade durch (1 | 3) und (5 | 7) hat die Gleichung y = x + 2. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 9 Beweis der Zweipunkteform Beweis. (a) folgt aus Definition „Geraden mit der Gleichung x = c“. (b) Keine Gerade mit einer Gleichung vom Typ x = c geht durch die Punkte. Eine Gerade mit der Gleichung y = mx+b geht genau dann durch P1 und P2, wenn y1 = mx1+ b und y2 = mx2 + b gilt. Daraus folgt mx1–y1 = mx2–y2, also m = (y2 – y1)/(x2–x1) . Wegen b = y1 – mx1 folgt daraus die Gleichung für b. Also ist die Gerade mit diesem m und diesem b die eindeutig bestimmte Gerade, die durch P1 und P2 geht. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 10 Parallele Geraden 3.1.2 Satz. Seien y = m1x+b1 und y = m2x+b2 die Gleichungen zweier verschiedener Geraden. (a) Die Geraden sind genau dann parallel, wenn m1 = m2 ist, das heißt, wenn die beiden Geraden gleiche Steigungen haben. (b) Wenn m1 m2 ist, dann ist der Punkt ((b2 – b1)/(m1–m2) | m1(b2 – b1)/(m1–m2) + b1)) der Schnittpunkt der beiden Geraden. Beispiel. Die Geraden mit den Gleichungen y = –2x+3 und y = 2x–1 sind nicht parallel und haben den Schnittpunkt (1 | 1). Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 11 Beweis des Satzes über Parallelität Beweis. Wir beweisen (a) und (b) gemeinsam. Angenommen, es gibt einen Punkt (u | v), der auf beiden Geraden liegt. Da (u, v) auf der ersten Geraden liegt, ist v = m1u + b1. Da (u, v) auf der zweiten Geraden liegt, ist v = m2u + b2. Gleichsetzen: m1u + b1 = m2u + b2, also (m1–m2)u = b2–b1. 1. Fall: m1 = m2. Dann ist b2 – b1 = (m1–m2)u = 0u = 0, also b1 = b2. Also sind die Geraden gleich: ein Widerspruch. 2. Fall: m1 m2. Also u = (b2 – b1)/(m1–m2). Daraus erhalten wir v = m1u + b1 = m1 (b2 – b1)/(m1–m2) + b1. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 12 Abstand Definition. Seien P1 = (x1| y1) und P2 = (x2 | y2) zwei Punkte. Dann ist der Abstand von P1 und P2 definiert als (x2 – x1)2 + (y2 – y1)2 . Beispiele. (a) Der Abstand von (1 | 1) und (9 | 1) ist 8. Dies sagt uns der gesunde Menschenverstand, aber auch die Formel. Allgemein: Der Abstand von (a, b) und (c, b) ist c–a (falls a < c). (b) Der Abstand von (0 | 2) und (3 | 6) ist (3 – 0)2 + (6 – 2)2 = 5 (c) Ein Punkt (x | y), der den Abstand r von (0 | 0) hat, erfüllt die Gleichung x2 + y2 = r2. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 13 Abstand eines Punktes von einer Geraden 3.1.3 Satz. Sei g die Gerade mit der Gleichung y = b (“waagrech- te” Gerade), und sei P = (u | v) ein Punkt. Dann ist Q = (u | b) derjenige Punkt auf g, der den geringsten Abstand von P hat; alle anderen Punkte auf g haben einen größeren Abstand von P. Beweis. Sei X = (x | b) ein beliebiger Punkt auf g. Dann ist der Abstand von X zu P gleich (x – u)2 + (b – v)2 . Dabei sind u, v, b fest, und nur x ist variabel. Deshalb wird der Ausdruck am kleinsten, wenn x = u ist; für alle anderen Werte von x ist der Ausdruck größer. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 14 Senkrechte Geraden Zwei Geraden mit den Gleichungen y = m1x+b1 und y = m2x+b2 stehen aufeinander senkrecht, falls m1m2 = –1 ist. (m2 ist das negativ Reziproke – der negative Kehrwert – von m1.) Zum Beispiel stehen Geraden mit den Steigungen 1 und –1 und Geraden mit den Steigungen 10 und –0,1 aufeinander senkrecht. Geraden mit der Steigung 0 stehen senkrecht auf Geraden mit der Gleichung x = c. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 15 Berechnung des Lots 3.1.4 Satz. Sei g eine Geraden mit der Steigung m 0, und sei P = (u | v) ein Punkt. Dann hat das Lot durch (u | v) auf die Gerade g die Gleichung y = –1/mx + (v + u/m). Beweis. Sei h das Lot auf g durch P. Dann hat h die Steigung –1/m, da h senkrecht auf g steht. Also hat h die Gleichung y = –1/mx+b. Was ist b ? Da h den Punkt P = (u, v) enthält, gilt v = –1/m u+b, also b = v + 1/m u = v + u/m. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 16 3.2 Kegelschnitte Definition. Kegelschnitte sind Kreis, Ellipse, Parabel und Hyperbel. Man kann Kegelschnitte auf mindestens drei Weisen beschreiben: • Durch eine Gleichung (algebraische Beschreibung) • Als geometrischen Ort mit gewissen Eigenschaften (geometrische Beschreibung) • Als Schnitt einer Ebene mit einem Kegel Wir werden die beiden ersten Beschreibungen studieren. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 17 Der Kreis Ein Kreis ist der Ort aller Punkte, die von einem festen Punkt, dem Mittelpunkt einen festen Abstand r haben (geometrische Beschreibung). Wenn man die Punkte berechnet, die von dem Punkt M = (u | v) den Abstand r haben, ergibt sich K = {(x | y) (x–u)2 + (y–v)2 = r2} als Gleichung des Kreises um den Mittelpunkt M mit Radius r (algebraische Beschreibung). Insbesondere lautet die Gleichung des Kreises um den Nullpunkt: x2 + y2 = r2, oder x2/ r2 + y2/ r2 = 1. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 18 Gleichung der Tangenten an den Kreis 3.2.1 Satz. Sei K der Kreis mit Mittelpunkt M = (0 | 0) und Radius r, und sei P = (x1 | y1) ein Punkt auf K. Dann hat die Tangente t an K in P die Gleichung y = –x1/y1 x + r2/y1 oder, besser zu merken, xx1 + yy1 = r2. Beispiel. Die Tangente im Punkt (1/2 | 1/2) hat die Gleichung y = –x + 2. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 19 Beweis des Satzes über die Gleichung der Tangenten Beweis. Wir wissen: Die Tangente t steht senkrecht auf dem Radius MP und geht durch P. Daher berechnen wir zunächst die Gleichung des Radius: Dies ist die Gerade durch M und P; sie hat die Steigung m = y1/x1. Nun wenden wir 3.1.4 an, um die Senkrechte t zu dieser Geraden im Punkt (x1, y1) zu berechnen. Diese Gerade hat Steigung –x1 / y1 und y-Achsenabschnitt b = y1 + x1/m = y1 + x1 x1/y1 = (y12+ x12) /y1 = r2 /y1 . Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 20 Die Ellipse Seien a und b positive reelle Zahlen. Wir definieren Ea,b = {(x | y) x2 / a2 + y2 / b2 = 1} und nennen Ea,b die Ellipse mit Mittelpunkt (0 | 0) und Halbachsen a und b (algebraische Beschreibung) Man nennt die Gleichung x2 / a2 + y2 / b2 = 1 die Ellipsengleichung. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 21 Die Gärtnerkonstruktion Die Ellipse ist die Menge aller Punkte ist, bei denen die Summe der Abstände von zwei festen Punkten (den „Brennpunkten“) immer gleich groß ist (geometrische Beschreibung). Gärtnerkonstruktion: Man schlägt zwei Pflöcke ein und bindet daran die beiden Enden einer Schnur fest. Dann spannt man die Schnur und beschreibt die sich ergebende Kurve ( Ellipse). Definition. Sei Ea,b eine Ellipse mit a b. Dann definieren wir die positive reelle Zahl e durch e2 = a2–b2. Dann nennt man die Punkte (e | 0) und (–e | 0) die Brennpunkte der Ellipse. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 22 Satz zur Gärtnerkonstruktion 3.2.2 Satz. Sei e eine positive reelle Zahl. Dann ist die Menge der Punkte X mit der Eigenschaft, daß die Summe der Abstände von X zu P = (e | 0) und Q = (–e | 0) konstant ist, eine Ellipse mit Brennpunkten P und Q. Bemerkung. Es gilt auch die Umkehrung. Beweis. Wir zeigen, dass die Punkte mit konstanter Abstandssumme die Gleichung einer Ellipse erfüllen. Genauer: Sei konstante Abstandssumme = 2a. Dann ergibt sich eine Ellipse mit Hauptachsen a und b, wobei b bestimmt ist durch b2 = a2–e2. Sei (x | y) ein Punkt mit Abstandssumme 2a. Wir zeigen: Dieser Punkt liegt auf der Ellipse. (Methode: „Einfach“ ausrechnen!) Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 23 Beweis Es gilt: (x–e)2 + y2 + (x–(–e))2 + y2 = 2a, also (x–e)2 + y2 = 2a – (x+e)2 + y2. Quadrieren: (x–e)2 + y2 = 4a2 + (x+e)2 + y2 –4a(x+e)2 + y2, also –4xe = 4a2 – 4a(x+e)2 + y2, d.h. a2 + xe = a(x+e)2 + y2. Quadrieren: a4 + 2a2xe + x2e2 = a2(x2 + e2 + 2xe + y2), also: a4 – a2e2 = a2x2 + a2y2 – x2e2. Mit e2 = a2–b2 folgt a4 – a2(a2–b2) = a2x2 + a2y2 – x2(a2–b2), also a2b2 = a2y2 + x2b2. Division durch a2b2: 1 = y2 / b2 + x2 / a2. Also liegt der Punkt tatsächlich auf der angegebenen Ellipse. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 24 Tangenten an die Ellipse Auch eine Ellipse kann Tangenten besitzen (Geraden, mit der Ellipse genau einen Punkt gemeinsam haben). Natürlich ist ihre Konstruktion eine ganz andere als beim Kreis. 3.2.3 Satz. Wir betrachten eine Ellipse mit den Brennpunkten Q und P. Sei X ein beliebiger Punkt der Ellipse. Dann kann man die Tangente in X auf folgende Weise konstruieren: Sei g die Winkelhalbierende des Winkels QXP. Dann ist die Senkrechte t zu g im Punkt X die Tangente an die Ellipse im Punkt X. Insbesondere geht durch jeden Punkt der Ellipse eine Tangente. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 25 Beweis Beweis. Zu zeigen: t trifft die Ellipse nur im Punkt X. Angenommen, t hat noch einen zweiten Punkt Y ≠ X mit der Ellipse gemeinsam. Dann ist QX + PX = 2a = QY + PY. Wir betrachten den Punkt P‘, so dass t das Mittellot von PP‘ ist. Dann: QY+P‘Y = QY +PY u. QX+P‘X = QX+PX. Die Punkte P, X, Q‘ liegen auf einer gemeinsamen Geraden (t ist die Winkelhalbierende von Q‘XQ und steht senkrecht auf der Winkelhalb. g von QXP.) Also liegt Y nicht auf PQ‘. D.h. QY + PY = Q‘Y + PY > Q‘X + PX = QX + PX. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 26 Die Parabel Definition: Sei a eine reelle Zahl. Wir definieren Pa = {(x | y) y = ax2} und nennen Pa die Parabel, deren Symmetrieachse die y-Achse ist (algebraische Beschreibung). Man nennt die Gleichung y = ax2 die Parabelgleichung. Bemerkung. Die Gleichung einer allgemeinen Parabel (deren Symmetrieachse eine Parallele zur y-Achse ist), lautet y – y0 = a(x–x0)2. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 27 Geometrische Beschreibung einer Parabel 3.2.4 Satz. Wir betrachten die Parabel mit der Gleichung y = ax2. Dann gibt es einen Punkt F (den „Brennpunkt“) und eine Gerade g (die „Leitgerade“) , so dass gilt: Jeder Punkt der Parabel hat gleichen Abstand von F wie von g. Bemerkung. Es gilt auch die Umkehrung. Achtung: Das gilt nicht für jeden Punkt oder jede Gerade! Die Aussage ist vielmehr, daß es einen solchen Punkt und eine solche Gerade gibt. (Diese sind sogar eindeutig festgelegt!) Es ist ein kleines (mathematisches) Wunder, dass es einen solchen Punkt und eine solche Gerade gibt! Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 28 Beweis Beweis. Der Brennpunkt und die Leitgerade fallen vom Himmel: Sei F = (0 | 1/4a), und sei y = –1/4a die Gleichung von g. Sei P ein beliebiger Punkt der Parabel. Dann gilt P = (x | ax2). Wir zeigen, dass P gleichen Abstand von F und g hat. Abstand von P zu g ist gleich dem Abstand von P = (x | ax2) zu (x | –1/4a), also gleich ax2+1/4a. Abstand von P = (x | ax2) zu F = (0 | 1/4a) ist gleich x2 + (ax2–1/4a)2 = x2 + a2x4 – x2/2 + 1/(16a2) = a2x4 + x2/2 + 1/(16a2) = (ax2 + 1/4a)2 = ax2 + 1/4a. Also sind tatsächlich beide Abstände gleich. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 29 Tangenten an die Parabel Tangente an die Parabel: Gerade, die die Parabel in genau einem Punkt trifft. 3.2.5 Satz. Wir betrachten eine Parabel mit Brennpunkt F und Leitgerade g. Sei X ein beliebiger Punkt der Parabel. Dann kann die Tangente t im Punkt X wie folgt konstruiert werden: Sei X‘ der Fußpunkt des Lots von X auf g. Dann ist die Winkelhalbierende des Winkels FXX‘ die Tangente im Punkt X. Insbesondere geht durch jeden Punkt einer Parabel eine Tangente. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 30 Anwendungen Anwendung 1. Ein Lichtstrahl, der parallel zur Symmetrieachse (also senkrecht zur leitgeraden) auf eine Parabel trifft, wird so reflektiert, dass er durch den Brennpunkt geht. (Beweis: (a) Er wird in einem Punkt X so reflektiert, wie er an der Tangente in X reflektiert würde. (b) Ausfallswinkel = Einfallswinkel.) Anwendung 2. (Licht-)strahlen, die parallel zur Symmetrieachse auf eine Parabel treffen, werden so reflektiert, dass sie sich im Brennpunkt treffen. Anwendung 3. Die Strahlen, die auf eine Sat-Schüssel treffen, werden so reflektiert, dass sie durch den Brennpunkt gehen. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 31 Die Hyperbel Definition: Wir definieren nur eine spezielle Art von Hyperbeln. Seien a und b positive reelle Zahlen. Wir definieren Ha,b = {(x | y) x2 / a2 – y2 / b2 = 1} und nennen Ha,b eine Hyperbel (algebraische Beschreibung). Die Gleichung x2 / a2 – y2 / b2 = 1 heißt die Hyperbelgleichung. Bemerkung. Es gibt viele Hyperbeln. Die von uns definierten haben die x-Achse und die y-Achse als Symmetrieachse. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 32 Geometrische Beschreibung der Hyperbel 3.2.4 Satz. Die Menge der Punkte X mit der Eigenschaft, daß die Differenz der Abstände von X zu zwei Punkten P und Q („Brennpunkte“) konstant ist, ist eine Hyperbel. Bemerkung. Es gilt auch die Umkehrung. Beweis. Sei 2a die konstante „Abstandsdifferenz“. Sei e die Zahl mit e2 = a2 + b2. Wir definieren P = (0 | –e) und Q = (0 | e). Wir zeigen, dass jeder Punkt (x | y) mit konstanter Abstandsdifferenz 2a zu P und Q auf der Hyperbel Ha,b liegt. Methode: „Einfach“ ausrechnen! Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 33 Beweis 2a = (x–e)2 + y2 – (x+e)2 + y2, d.h. 2a + (x+e)2 + y2 = (x–e)2 + y2. Quadrieren: 4a2 + (x+e)2 + y2 +4a(x+e)2 + y2 = (x–e)2 + y2, also 4a(x+e)2 + y2 = –4a2 – 4xe, d.h. a(x+e)2 + y2 = –a2 – xe. Quadrieren: a2(x2 + 2xe + e2 + y2) = a4 + 2a2xe + x2e2, also: a2x2 + a2e2 + a2y2 = a4 + x2e2. Mit e2 = a2+b2 folgt a2x2 + a2(a2+b2) + a2y2 = a4 + x2(a2+b2), also a2b2 = b2x2 + a2y2. Indem man durch a2b2 dividiert, erhält man 1 = x2 /a2 + y2 / b2 das heißt die Gleichung der Hyperbel. Also liegt (x | y) auf Ha,b. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 34 3.3 Räumliche Geometrie In der 3-dimensionalen Geometrie gibt es drei Typen von Objekten: Punkte, Geraden, Ebenen Was sind Punkte? Definition. Im 3-dimensionalen Raum wird ein Punkt durch ein Tripel von reellen Zahlen dargestellt: P = (x | y | z). Zum Beispiel ist (0 | 0 | 0) ein Punkt (Nullpunkt), aber auch (5 | –2 | 6), (100000 | 0 | p). Entsprechend hat das Koordinatensystem drei Achsen (x-Achse, yAchse, z-Achse). Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 35 Ebenen • Erinnerung: Geraden in der Ebene: y = mx + b und x = c. Die zwei Geradengleichungstypen kann man zusammenfassen zu ax + by + c = 0. • Definition. Für alle reellen Zahlen a, b, c und d ist die Menge {(x | y | z) ax + by + cz + d = 0, x, y, z R} eine Ebene (Ebene mit der Gleichung ax + by + cz + d = 0). Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 36 Beispiele Beispiele. (a) Die Ebene mit der Gleichung z = 0 ist die Menge aller Punkte (x | y | 0), also die bekannte x,y-Ebene. Entsprechend beschreibt y = 0 die x,z-Ebene und x = 0 die y,zEbene. (b) Jede Ebene mit der Gleichung ax + by + cz = 0 (d.h. mit d = 0) geht durch den Nullpunkt (0 | 0 | 0). (c) Wie können wir uns die Ebene mit der Gleichung x + y + z = 1 vorstellen? Dazu berechnen wir die Schnittpunkte mit den Achsen. Den Schnittpunkt mit der x-Achse erhalten wir, indem wir y = 0 und z = 0 setzen. Dies ergibt x = 1. Also ist dies der x-Achsenabschnitt. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 37 Durch drei Punkte geht eine Ebene Durch je drei Punkte (die nicht auf einer gemeinsamen Geraden liegen), geht genau eine Ebene. Beispiel: Seien (1 | 1 | 0), (1 | 0 | 1), (0 | 1 | 1) die Punkte. Wir suchen die Ebene mit der Gleichung ax + by + cz + d = 0, auf der diese Punkte liegen. Einsetzen des ersten Punktes: a + b + d = 0. Einsetzen des zweiten (dritten) Punktes: a + c + d = 0 (b + c + d = 0). Aus den beiden ersten Gleichungen folgt b – c = 0, also b = c. Aus den beiden letzten Gleichungen folgt a – b = 0, also a = b. Also d = – 2a; die Gleichung lautet ax + ay + az –2a = 0. Division durch a ergibt die Form x + y + z – 2 = 0. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 38 Parallele Ebenen • Satz. Zwei Ebenen mit den Gleichungen ax + by + cz + d = 0 und a‘x + b‘y + c‘z + d‘ = 0 sind genau dann parallel, wenn a‘ = ka, b‘ = kb und c‘ = kc für eine feste Zahl k gilt. • Wir beweisen nur eine Richtung: Sei a‘ = ka, b‘ = kb, c‘ = kc. Wir zeigen: Die Ebenen sind parallel (d.h. disjunkt oder gleich). Die Ebenengleichungen lauten ax + by + cz + d = 0 (also auch akx + bky + ckz + dk = 0) und akx + bky + ckz + d‘ = 0. Angenommen, die Ebenen sind nicht disjunkt. D.h. es gibt (mindestens) einen Punkt (x | y | z) auf beiden Ebenen. Dann folgt aus den Gleichungen: dk – d‘ = 0, also d‘ = dk. Also sind die Ebenen gleich. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 39 Nichtparallele Ebenen schneiden sich in einer Geraden Satz: Im 3-dimensionalen Raum gilt: Zwei Ebenen sind entweder parallel oder sie schneiden sich in einer Geraden. Es ist also nicht möglich, dass sich zwei Ebenen in nur einem Punkt treffen. Beweis in einem Spezialfall. Die erste Ebene habe die Gleichung ax + by + cz + d = 0, die zweite die Gleichung z = 0 (x,y-Ebene). Dann sind die gemeinsamen Punkte die Punkte der Form (x | y | 0), die die Gleichung ax + by + d = 0 erfüllen. Dies ist die Gleichung einer Geraden in der x,y-Ebene. Kapitel 3 © Beutelspacher Januar 2004 Seite 40