Kapitel 3 Gleichungen Inhalt 3.1 Terme, Gleichungen, Lösungen x2 + y2 3.2 Verfahren zur Lösung von Gleichungen 3x + 5 = 14 3.3 Gleichungssysteme Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 2 3.1 Terme, Gleichungen, Lösungen Was ist ein Term? Vorstellung Ein Term ist etwas, was eine Seite einer Gleichung sein kann. Aber: Wir wollen Gleichungen mit Hilfe von Termen definieren und nicht umgekehrt. Erste Definition: Ein Term ist ein Ausdruck, der aus reellen Zahlen und Variablen zusammengesetzt ist. Damit haben wir eine Frage beantwortet, indem wir zwei neue Fragen stellen: Was ist eine ‚Variable‘? Was heißt ‚zusammengesetzt‘? Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 3 Variable und erste Definition Definition: Eine Variable (auch Unbekannte genannt) ist irgend eine Folge von Buchstaben und Zahlen. Beispiele: x, y, z, X, Y, Z, a, b, c, p, r, x1, f17, SUMME, PRODUKT1-5, MONTAG, Student, ... Vorstellung: Statt einer Variablen können wir eine Zahl einsetzen. Besserer Definitionsanfang: Jede reelle Zahl ist ein Term, jede Variable ist ein Term. (Aber Achtung: Es gibt auch noch andere Terme!) Beispiele: Terme sind 1, 0, p, 65537, x, Y, Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 4 Definition ‚Term‘ 1. Fortsetzung der Definition: Wenn man Terme zueinander addiert, voneinander subtrahiert, miteinander multipliziert oder durcheinander dividiert, erhält man wieder einen Term. Beispiele: x+y, f+m, 5a, fit + fun, (a+b)2, x5+3x2+7, (x+1)/(x–1), jedes Polynom ist ein Term, jede gebrochen rationale Funktion („Polynom durch Polynom”) ist ein Term. 2. Fortsetzung der Definition: Wenn man auf einen oder mehrere Terme ‚in der Mathematik übliche‘ Operationen (Potenzieren, Differenzieren, sin, cos, mod, ...) anwendet, erhält man einen Term. Beispiele: xy, sin(x2), (x5–3x+1)‘, 3000 mod 17, Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 5 Polynome Besonders wichtige Terme sind die Polynome. Definition (dreistufig): (a) Jede Potenz einer Variablen x ist ein Polynom (z.B. x3)- (b) Jedes Produkt eines Polynoms mit einer Zahl ist ein Polynom (z.B. 5x3). (c) Jede Summe von Polynomen ist ein Polynom (z.B. 5x3 + 7x4). Beispiele: x3 + x + 1, x, x1000, 5x8 – 3x2 + 4. Keine Polynome sind 2x, sin(x), ln(x), 1/x, x. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 6 Gleichungen Definition: Eine Gleichung besteht aus zwei Termen, die durch ein Gleichheitszeichen verbunden sind. Beispiele: xy+ 5 = t, x = 1, f+m = k, 7 = 5, x2 + y2 = 1, ... Achtung! In der Regel ist eine Gleichung keine Aussage (d.h. ist nicht wahr oder falsch, Beispiele: x2 = 1, f+m = k, ... Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 7 Lösung einer Gleichung Definition: Eine Lösung einer Gleichung ist ein Satz von reellen Zahlen (pro Variable eine Zahl), so dass diese in die Gleichung eingesetzt, die Gleichung zu einer wahren Aussage machen. Beispiele: Lösungen der Gleichung x2+y2 = 1 sind z.B. die Zahlenpaare (1, 0), (0, 1), (1/2, 1/2). Die Gleichung 3x+5 = 14 hat nur die Lösung 3. Die Gleichungen x2 = –1 bzw. 5 = 7 haben keine Lösung. Bemerkung: Eine Gleichung kann keine Lösung, genau eine Lösung, endlich viele Lösungen oder unendlich viele Lösungen haben. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 8 Variable – Unbekannte Es gibt einen kleinen Bedeutungsunterschied zwischen den Ausdrücken ‚Variable‘ und ‚Unbekannte‘: Bei einer Unbekannten denkt man “das ist eine bestimmte Zahl, die ich eben noch nicht kenne”. (Beispiel: “Platzhalteraufgaben”) Bei dem Begriff ‚Variable‘ denkt man daran, dass die Variablen „variieren“, also viele Zahlen durchlaufen. Prinzipiell kann man alle Zahlen einsetzen. Manche Einsetzungen sind Lösungen, manche nicht. Dieser Aspekt tritt bei Gleichungen des Typs y = mx + b oder x2 + y2 = 1 in den Vordergrund. Es ist wichtig, an beide Aspekte zu denken. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 9 Wie erhält man Lösungen? • Probieren (oder “Finden”): Ich habe einfach Glück und finde auf Anhieb eine Lösung, ... In diesem Fall muss man nur die Probe machen (ist das, was ich gefunden habe, wirklich eine Lösung?) Dies geschieht dadurch, dass man die vermutete Lösung einsetzt. • Systematisches Testen, etwa mit Hilfe einer Wertetabelle • Graphische Lösungsverfahren • Algebraische Lösungsverfahren Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 10 3.2 Verfahren zur Lösung von Gleichungen Wir betrachten vorerst nur Gleichungen in einer Unbekannten x. Definitionen. Lineare Gleichung: Die Unbekannte kommt nur in der ersten Potenz (also nicht in zweiter, dritter, ...) vorkommt. Beispiele: 3x + 5 = 14, 512x – 7 = 13.000 + 11x, ... Quadratische Gleichung: Die Unbekannte kommt in zweiter Potenz (also als x2) vor; kleinere Potenzen dürfen auch vorkommen. Beispiele: x2 = 2, 7x2 + 13x + 2 = 0, 7x + 5x2 = 5 – 1000x2, ... (Kubische Gleichung: Die Unbekannte kommt in 3. Potenz vor.) Wurzelgleichungen: In ihr kommt ein Ausdruck der Unbekannten als Quadratwurzel vorkommt; lineare Summanden sind erlaubt. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 11 Lineare Gleichungen 3.2.1 Satz. Jede lineare Gleichung hat höchstens eine Lösung. Anwendung: Wenn wir eine Lösung einer linearen Gleichung gefunden haben, brauchen wir nicht weiter zu suchen, denn es kann keine andere Lösung geben. Wir sprechen von der Lösung. Beweis. Wir betrachten eine Gleichung des Typs ax + b = 0 (a 0). Angenommen, diese Gleichung hat zwei Lösungen x0 und x1 (also zwei verschiedene Zahlen, die die Gleichung erfüllen). Dann gilt ax0 + b = 0 und ax1 + b = 0. Zusammen folgt ax0 + b = ax1 + b, somit ax0 = ax1, also (da a 0) x0 = x1. ein Widerspruch. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 12 Quadratische Gleichungen 3.2.2 Satz. Jede quadratische Gleichung hat höchstens zwei Lösungen. Anwendung: Wenn wir zwei Lösungen einer quadratischen Gleichung gefunden haben, sind wir fertig. Beweis. Wir betrachten eine Gleichung ax2 + bx + c = 0 mit a 0. Idee: Sei x0 eine Lösung. Wir zeigen, dass jede andere Lösung x1 eindeutig durch x0 bestimmt ist; also gibt es keine dritte Lösung! Da x0 und x1 Lösungen sind, gilt ax02 + bx0 + c = 0 und ax12 + bx1 + c = 0, also ax02 + bx0 = ax12 + bx1. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 13 Beweis (Fortsetzung) Dies formen wir um zu a(x02 – x12) = b(x1 – x0) und (3. binomische Formel!) a(x0 – x1)(x0 + x1) = –b(x0 – x1). Da x0 und x1 verschiedene Lösungen sind, ist x0 – x1 0, also darf man durch x0 – x1 dividieren. Wir erhalten a(x0 + x1) = –b. Da a 0 ist, folgt schließlich x0 + x1 = –b/a oder x1 = –x0 –b/a. Also ist x1 durch x0 (und a und b) eindeutig bestimmt; also ist x1 die einzig mögliche andere Lösung. Bemerkung: Allgemein gilt, dass eine Gleichung n-ten Grades (das ist eine Gleichung, in der xn vorkommt, aber keine höhere Potenz von x) höchstens n Lösungen hat. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 14 Nullstellen 3.2.3 Satz. Sei f ein Polynom, (a) Sei x1 eine Lösung der Gleichung f = 0. Dann kann man f schreiben als f = (x – x1)g, wobei g ein Polynom ist. (b) Sei n der Grad von f. Wenn f die n verschiedene Lösungen x1, x2, …, xn hat, dann gilt f = a(x – x1) (x – x2) … (x – xn) mit a R. (c) Sei f = x2 + px + q ein quadratisches Polynom mit Nullstellen x1 und x2. Dann gilt f = (x – x1) (x – x2). Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 15 1. Lösungsmethode: Systematisches Probieren Grundidee: Man rechnet für einige Werte von x die rechte und die linke Seite aus und „pirscht“ sich so an eine Lösung „heran”. Beispiel 1: Wir wollen die Gleichung 6x – 7 = 101 – 3x lösen. x L.S. R.S. 0 5 10 11 12 –7 23 53 59 65 101 86 71 68 65 Lösung: 12. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 16 Weitere Beispiele Beispiel 2. Wir wollen die Gleichung x2 +3x = 108 lösen. x L.S. R.S. 0 –1 1 20 10 8 9 –10 –12 0 –2 4 460 130 88 108 70 108 108 108 108 108 108 108 108 108 108 Lösungen: 9 und –12. Wichtiger Spezialfall: R.S. = 0. Beispiel: x2 – 10x + 9 = 0. Man schreibt y = x2 – 10x + 9 und sucht die x mit y = 0 (Nullstellen). x y 0 9 1 0 5 10 –16 9 9 0 Also sind die Lösungen 1 und 9. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 17 2. Lösungsmethode: Graphisches Verfahren Rezept: Man fasst L.S. und R.S. als Funktion auf und zeichnet die Graphen. Die Stellen, an denen sich die Graphen schneiden, sind die Lösungen. Klar: An diesen Stellen gilt: L.S. = R.S. Beispiel 1: 3x + 5 = 14. Die Funktion, die der linken Seite entspricht, ist y = 3x + 5, die Gleichung einer Geraden der Steigung 3 mit y-Achsenabschnitt 5. Die Funktion, die der linken Seite entspricht, ist die Funktion y = 14, also die Gleichung einer Parallelen zur x-Achse im Abstand 14. Wenn man beide Geraden zeichnet, sieht man, dass sie sich bei x = 3 schneiden. Also ist 3 die Lösung dieser Gleichung. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 18 Quadratische Gleichungen Beispiel 2. x2 = 10x – 9. Die Funktion, die der linken Seite entspricht, ist y = x2, also die Normalparabel. Die Funktion, die der rechten Seite entspricht, ist y = 10x – 9: die Gleichung einer Geraden mit Steigung 10 und yAchsenabschnitt –9. Die Graphen der beiden Funktionen schneiden sich an den Stellen x = 1 und x = 9; also sind dies die Lösungen. Bemerkung: Man wendet die graphische Lösungsmethode bei quadratischen Gleichungen in der Regel dann an, wenn auf der einen Seite nur x2 steht. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 19 3. Lösungsmethode: Algebraische Methoden Der entscheidende Begriff ist der einer Äquivalenzumformung. Definition: Eine Gleichung geht aus einer anderen durch eine Äquivalenzumformung hervor, wenn beide Gleichungen die gleichen Lösungen haben. D.h.: Jede Lösung der einen ist eine Lösung der anderen, und umgekehrt. Die Idee ist, eine Gleichung durch Äquivalenzumformungen solange umzuformen, bis man zu einer so einfachen Gleichung kommt, an der man die Lösungen direkt ablesen kann. Dazu müssen wir allerdings wissen, was konkret Äquivalenzumformungen sind. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 20 Konkrete Äquivalenzumformungen 3.2.4 Satz. Folgende Operationen sind Äquivalenzumformungen: (0) Vertauschung der beiden Seiten. (1) Addition oder Subtraktion einer Zahl. (2) Multiplikation mit einer Zahl 0 oder Division durch eine Zahl 0. Beweis. (0) Vertauschung: Eine Zahl ist eine Lösung, wenn diese, in die Gleichung eingesetzt, L.S. = R.S. ergibt. Bei Vertauschung der beiden Seiten lautet die Bedingung dann R.S. = L.S.. Also sind genau diejenigen Zahlen Lösungen der „vertauschten“ Gleichung, die Lösungen der Ausgangsgleichung waren. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 21 Beweis (Fortsetzung) (1) Addition: Sei x0 eine Lösung der Gleichung. Dann haben linke Seite und rechte Seite den gleichen Wert, sagen wir: b. Wenn wir zu beiden Seiten eine Zahl a addieren, dann ergibt sich jetzt beim Einsetzen von x0, dass sowohl die L.S. als auch R.S. den Wert a+b haben. Also ist x0 auch eine Lösung der neuen Gleichung. Umgekehrt: Sei x0 eine Lösung der Gleichung, zu der auf beiden Seiten a addiert wurde. Also ergibt sich beim Einsetzen von x0 auf beiden Seiten der gleiche Wert, sagen wir: c. Dann ergibt sich in der Ausgangsgleichung beim Einsetzen von x0 auf beiden Seiten der Wert c –a. Also ist x0 auch eine Lösung der Ausgangsgleichung. Also haben beide Gleichungen genau die gleichen Lösungen. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 22 Beweis (Ende) (2) Multiplikation: Sei x0 eine Lösung der Gleichung. Dann haben L.S. und R.S. den gleichen Wert b. Wenn wir beide Seiten mit einer Zahl a multiplizieren, dann ergibt sich jetzt beim Einsetzen von x0, dass beide Seiten den Wert ab haben. Also ist x0 eine Lösung der neuen Gleichung. Umgekehrt: Sei x0 eine Lösung der Gleichung, deren beide Seiten mit a multipliziert wurden. Das bedeutet, dass sich beim Einsetzen von x0 auf beiden Seiten der gleiche Wert c ergibt. Dann ergibt sich in der Ausgangsgleichung beim Einsetzen von x0 auf beiden Seiten der gleiche Wert c/a (beachte: a 0). Somit ist x0 auch eine Lösung der Ausgangsgleichung. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 23 Addition von x 3.2.5 Satz. Folgende Operationen sind Äquivalenzumformungen: (1) Addition oder Subtraktion eines Vielfachen der Unbekanten x. (2) Addition oder Subtraktion eines Vielfachen von x2. Beweis. (1) Wenn x0 eine Lösung der Gleichung ist, dann haben beide Seiten den gleichen Wert b. Wenn wir zu beiden Seiten ein Vielfaches von x, sagen wir ax addieren, dann ergibt sich jetzt beim Einsetzen von x0, dass beide Seiten den Wert ax0+b haben. Also ist x0 auch eine Lösung der neuen Gleichung. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 24 Beweis (Fortsetzung) Umgekehrt: Sei x0 eine Lösung der Gleichung, zu der auf beiden Seiten ax addiert wurde. Das ergibt sich beim Einsetzen von x0 auf beiden Seiten der gleiche Wert c. Dann ergibt sich aber in der Ausgangsgleichung beim Einsetzen von x0 auf beiden Seiten der Wert c –ax0. Somit ist x0 auch eine Lösung der Ausgangsgleichung. (2) ÜA. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 25 Die Lösung linearer Gleichungen 3.2.6 Satz. Jede lineare Gleichung hat genau eine Lösung. Beweis. Sei ax + b = cx + d eine lineare Gleichung. Nach 3.2.1 hat diese Gleichung höchstens eine Lösung. Zu zeigen: sie hat auch wirklich eine Lösung (Existenz). Dazu wenden wir solange Äquivalenzumformungen an, bis wir eine Lösung gefunden haben. Wir subtrahieren auf beiden Seiten cx und erhalten (a–c)x + b = d. Wir subtrahieren b auf beiden Seiten und erhalten (a–c)x = d–b. Wenn a–c 0 ist, erhalten wir die Lösung x = (d–b)/(a–c). Wenn a = c ist, dann reduziert sich die Gleichung auf b = d, die Gleichung war also gar keine lineare Gleichung. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 26 Quadratische Gleichungen Durch Äquivalenzumformungen nach 3.2.3. und 3.2.4 können wir jede quadratische Gleichung auf die Form ax2 + bx + c = 0 bzw. (indem wir durch a dividieren) auf die Form x2 +px + q = 0 bringen. Der Grundmechanismus für alle Lösungsverfahren für quadratische Gleichungen ist die quadratische Ergänzung. Diese beruht auf der 1. bzw. 2. binomischen Formel. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 27 Ein Beispiel Wir betrachten x2 – 10x + 9 = 0. Wenn die linke Seite x2 – 10x + 25 wäre, dann würden wir schreiben: x2 – 10x + 25 = (x – 5)2, und könnten die Gleichung lösen. Wir addieren auf jeder Seite die Zahl 16 (Äquivalenzumformung) x2 – 10x + 25 = x2 – 10x + 9 + 16 = 16, also (x – 5)2 = 16. Wir „ziehen auf beiden Seiten die Wurzel“ und erhalten x – 5 = 4. Achtung: Die Gleichung x2 = 16 hat zwei Lösungen, 4 und –4. Die Gleichung hat die Lösungen x = –4+5 = 1 und x = 4+5 = 9. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 28 Die p,q-Formel 3.2.7 Satz. Sei x2 + px + q eine quadratische Gleichung. Diese hat die Lösungen x1,2 = –p/2 (p /2)2 – q Insbesondere gilt: Die Gleichung ist genau dann lösbar, wenn p2/4 q ist. In diesem Fall hat sie genau dann nur eine Lösung, wenn p2/4 = q ist, und sonst zwei Lösungen. Beweis. Wir führen die quadratische Ergänzung durch, indem wir auf beiden Seiten p2/4 – q addieren: x2 + px + p2/4 = x2 + px + q + p2/4 – q = p2/4 – q. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 29 Beweis Daraus folgt (x + p/2)2 = p2/4 – q, also x + p/2 = (p/4)2 – q, und somit x1,2 = –p/2 (p/4)2 – q Die Wurzel hat genau dann eine Lösung, wenn p2/4 – q 0, also p2/4 q ist. Die Lösung ist genau dann eindeutig, wenn die Wurzel gleich Null ist, also wenn p2/4 = q ist. Achtung! Der Übergang von x2 = a zu x = a (“auf beiden Seiten die Wurzel ziehen”) ist keine Äquivalenzumformung, sondern eine Verlustumformung. Denn die Lösung x = –a geht dabei verloren. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 30 Wurzelgleichungen Idee: Man isoliert die Wurzel, quadriert dann die Gleichung und rechnet dann weiter. Achtung: Beim Quadrieren gewinnt man eine Lösung (Gewinnumformung). Daher muss man am Ende überprüfen, ob die gefundenen Zahlen wirklich Lösungen der Ausgangsgleichung sind. Beispiel: x – x + 2 = 0. Isolieren der Wurzel: x = x + 2. Quadrieren: x2 = x + 2 Lösen: x1,2 = 2, –1 Probe: nur 2 ist eine Lösung. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 31 3.3 Gleichungssysteme Definition. (a) Ein Gleichungssystem besteht aus mehreren Gleichungen, in denen in der Regel mehrere Variable vorkommen. (b) Ein Gleichungssystem heißt linear, wenn alle Gleichungen in ihm lineare Gleichungen sind. Wir betrachten nur lineare Gleichungssyst. Beispiel: Folgendes Gleichungssystem ist linear 3x + 2y + z = 5 2x + 7y – 3z = 0 x + 2z = 2 Folgendes Gleichungssystem ist nicht linear: x2 + 2z = 1 3x + yz = 0. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 32 Lösungen linearer Gleichungssysteme Probleme: 1. Ist ein gegebenes lineares Gleichungssystem lösbar? D.h.: besitzt es (mindestens) eine Lösung? Eine Lösung besteht dabei aus einem Satz von Zahlen (für jede Unbekannte eine), die Lösung jeder Gleichung des Systems sind. 2. Wie berechnet man die Lösungen? Bemerkung: Es gibt lineare Gleichungssysteme, die keine Lösung haben, solche, die genau eine Lösung haben und solche, die unendlich viele Lösungen haben. Beispiele: x+y=1 x+y=1 x+y=1 x+y=2 x–y=1 2x + 2y = 2 Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 33 Idee der Lösungsverfahren Es gibt verschiedene Lösungsmethoden. Mathematisch laufen letztlich alle auf das Gleiche hinaus. Grundlegende Idee: Forme das Gleichungssystem so um, dass am Ende nur eine Gleichung mit einer Unbekannten übrig bleibt. Einsetzungsverfahren, Gleichsetzungsverfahren, Additions(Subtraktions-)verfahren, Verfahren von Gauß Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 34 Einsetzungsverfahren Rezept: Man löst eine Gleichung nach einer Unbekannten auf, setzt dann dies anstelle der Unbekannten in die anderen Gleichungen ein. So erhält man ein Gleichungssystem, das eine Unbekannte und eine Gleichung weniger hat. Dann kann man auf das neue System dieses Verfahren (oder ein anderes) anwenden. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 35 Beispiel zum Einsetzungsverfahren x+y–z=1 2x + 3y + 4z = 5 x + 2y + z = 2 Wir lösen die erste Gleichung nach z auf und erhalten z = x + y – 1. Dies setzen wir in die zweite und dritte Gleichung ein und erhalten 5 = 2x + 3y + 4(x + y – 1) 2 = x + 2y + x+y – 1, also 9 = 6x + 7y 3 = 2x + 3y Daraus erkennt man die Lösung x = 3/2, y = 0, z = 1/2. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 36 Gleichsetzungsverfahren Rezept: Man löst alle Gleichungen nach einer Unbekannten (oder einem Vielfachen der unbekannten auf). Dann setzt man die erhaltenen Gleichungen gleich und erhält dadurch eine System mit einer Unbekannten weniger und einer Gleichung weniger. Beispiel. Wir benutzen obiges Beispiel. Wir multiplizieren die erste und die dritte Gleichung mit 2 (dabei verändern sich die Lösungen dieser Gleichungen nicht – Äquivalenzumformungen!), und also auch die Lösung des gesamten Systems nicht. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 37 Beispiel Danach sieht das Gleichungssystem so aus: 2x + 2y – 2z = 2 2x + 3y + 4z = 5 2x + 4y + 2z = 4 Nun lösen wir die drei Gleichungen nach 2x auf: 2x = 2 – 2y + 2z 2x = 5 – 3y – 4z 2x = 4 – 4y –2z Wir setzen die erste und zweite, sowie die erste und dritte Gleichung gleich (man könnte auch andere Paare wählen) und erhalten Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 38 Beispiel (Fortsetzung) 2 – 2y + 2z = 5 – 3y – 4z 2 – 2y + 2z = 4 – 4y –2z, also y + 6z = 3 2y + 4z = 2 das heißt y + 6z = 3 y + 2z = 1. Daraus ergibt sich (Gleichsetzungsverfahren) 3 – 6z = 1 – 2z, also 2 = 4z, d.h. z = ½. Damit folgt y = 0 und also x = 3/2. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 39 Additions- bzw. Subtraktionsverfahren Rezept: Wir multiplizieren eine Gleichung so, dass bei Addition oder Subtraktion mit einer anderen Gleichung eine Unbekannte wegfällt. Beispiel. Wieder verwenden wir obige System. Wir multiplizieren die erste und die dritte Gleichung jeweils mit 4 und erhalten 4x + 4y – 4z = 4 2x + 3y + 4z = 5 4x + 8y + 4z = 8 Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 40 Beispiel (Fortsetzung) Jetzt addieren wir die ersten beiden Gleichungen und subtrahieren die zweite von der letzten: 6x + 7y = 9 2x + 5y = 3. Nun multiplizieren wir die letzte Gleichung mit 3 und subtrahieren davon die erste; wir erhalten 8y = 0, also y = 0. Damit ist x = 3/2 und z = ½. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 41 Der Gauß-Algorithmus Rezept: Multipliziere die erste Gleichung so, dass beim Addieren bzw. Subtrahieren von der zweiten Gleichung in dieser (zweiten) Gleichung die Unbekannte x wegfällt. Dann multipliziere die erste Gleichung so, dass bei Addition (bzw. Subtraktion) zu der dritten Gleichung in dieser die Unbekannte x wegfällt. Usw. Nun betrachten wir die (neue) zweite Zeile. Multipliziere diese so, dass bei Addition bzw. Subtraktion mit der dritten Gleichung in dieser die Unbekannte y wegfällt. Multipliziere nun die zweite Gleichung so, dass bei Addition bzw. Subtraktion zur vierten Gleichung in dieser die Unbekannte y wegfällt. Usw. Usw. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 42 Der Gauß-Algorithmus (Fortsetzung) Am Ende hat man ganz unten eine Gleichung mit einer Unbekannten. Man löst diese Gleichung und setzt die Lösung in die zweitunterste Gleichung ein. Dann ist auch dies nur eine Gleichung mit einer Unbekannten. Usw. Bemerkung: C.F. Gauß hat die gesamten vorigen Lösungsverfahren, die oft auch einen ‚guten Blick‘ erfordern, systematisiert. Im Grunde ist sein Verfahren ein perfektioniertes Additions- bzw. Subtraktionsverfahren. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 43 Beispiel 1 Gleichungssystem: –x + 2y + z = –2 3x –8y –2z = 4 x + 4z = –2 1. Schritt: –x + 2y + z = –2 –2y + z = –2 2y + 5z = –4 2. Schritt: –x + 2y + z = –2 –2y + z = –2 6z = –6. Daraus folgt z = –1, y = 1/2, x = 2. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 44 Beispiel 1 – bessere Schreibweise –1 3 1 2 –8 1 –2 4 = = = –2 4 –2 1. Schritt: –1 2 –2 2 1 1 5 = = = –2 –2 –4 2. Schritt: –1 2 –2 2 1 1 6 = = = –2 –2 –6 Daraus folgt z = –1, y = 1/2, x = 2. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 45 Beispiel 2 Gleichungssystem: 2x + y + z = 1 5x + 4y – 2z = –1 3x + 2y – z = 1 1. Schritt: 2 1 –3/2 –1/2 1 9/2 5/2 = = = 1 7/2 1/2 2. Schritt: 2 1 –3/2 1 9/2 –1 = = = 1 7/2 2/3 Lösungen: z = –2/3, y = –13/3, x = 3. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 46 Gleichungssysteme mit Parameter • In vielen Gleichungssystemen steckt noch ein zusätzlicher Parameter (meist t oder a o.ä. genannt). • Je nach dem, wie der Parameter gewählt wird, ist das Gleichungssystem eindeutig lösbar, unlösbar oder hat unendlich viele Lösungen. • Man löst das Gleichungssystem ganz normal, indem man den Parameter als Konstante („wie eine Zahl“) mitschleppt. • Manchmal muss man durch einen Term dividieren. Dazu muss dieser Term ungleich Null sein. Die Fälle, in denen der Term gleich Null ist, untersucht man dann getrennt. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 47 1. Einfaches Beispiel x+y=a 2x + ay = 1 Schematisch: 1 2 1 a = = 3 1 1 1 = a 0 2–a = 5. Also folgt y = 5/(2 – a), falls a ≠ 2 ist. Dann folgt x = 3 – y = (1–3a)(2–a). Im Fall a = 2 ergibt sich 0∙y = 5, ein Widerspruch. Also hat das Gleichungssystem im Fall a = 2 keine Lösung. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 48 2. Einfaches Beispiel Schematisch: 1 2 x + 3y = a+2 2x + (a+3)y = 10 3 = a+2 a+3 = 10 1 3 = a+2 0 3–a = 2a – 6. Also folgt y = (2a + 6)/(3 – a) = –2, falls a ≠ 3 ist. Dann folgt x = a+2 - 3y = a+8. Im Fall a = 3 lauten die Gleichungen x + 3y = 5 und 2x + 6y = 10. Also ist die zweite nur das doppelte der ersten. Es gibt also unendlich viele Lösungen, nämlich (x, (5–x)/3) für x R. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 49 Beispiel mit vier Variablen x, y, z, w Gleichungssystem: x + y + z –w = 0 x + y –z + w = 0 x –y + z + w = 0 –x + y + z + tw = 1 Schematisch 1 1 1 –1 1 1 –1 1 1 –1 1 1 –1 1 1 t = = = = 0 0 0 1 1 1 1 2 –1 –2 –2 t–1 = = = = 0 0 0 1 1. Schritt 2 2 Kapitel 3 2 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 50 Beispiel mit … (Fortsetzung) 2. Schritt 1 1 2 2 3. Schritt 1 1 2 1 2 2 1 2 –2 4. Schritt 1 1 2 1 2 Kapitel 3 –1 –2 –2 t–1 = = = = 0 0 0 1 –1 –2 –2 –(t+1) = = = = 0 0 0 –1 –1 –2 –2 –(t+3) = = = = 0 0 0 –1 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 51 Beispiel mit … (Schluss) Die letzte Zeile lautet (t+3)w = 1. Das bedeutet: Wenn t = –3 ist, dann ist das Gleichungssystem unlösbar. Wenn t –3 ist, dann ist das System eindeutig lösbar: w = 1/(t+3), z = w = 1/(t+3), y = w = 1/(t+3), x = w – y – z = –1/(t+3). Zum Beispiel: Wenn t = –2 ist, dann ist w = z = y = 1, x = –1. Kapitel 3 © Beutelspacher Mai 2004 Seite 52