7.4 Fällungs- und Komplexbildungsreaktionen • Ionenaustausch-Reaktionen Bei Ionenaustausch-Reaktionen von Ionenverbindungen tauschen Kationen und Anionen ihre Bindungspartner aus. Die Triebkräfte der Reaktionen liegen in der Bildung von - schwer löslichen Niederschlägen. (a) - Gasen, die aus der Lösung entweichen. (b) - schwachen Elektrolyten, die in geringem Umfang dissoziiert sind. (c) a) Fällungsreaktionen + - + - Ag (aq) + NO3 (aq) + Na (aq) + Cl (aq) + - AgCl ↓ (s) + Na (aq) + NO3 (aq) b) Gasbildungsreaktionen + - + 2- 2 H (aq) + 2 Cl (aq) + 2 Na (aq) + S (aq) + - H2S ↑ (g) + 2 Na (aq) + Cl (aq) c) z. B. Neutralisation + - + - H (aq) + Cl (aq) + Na (aq) + OH (aq) + - H2O (l) + Na (aq) + Cl (aq) • Löslichkeitsprodukt und Fällungsreaktionen Viele Ionenverbindungen sind nur geringfügig in Wasser löslich. Im Gleichgewichtszustand ist die Geschwindigkeit der Auflösung und der Wiederausscheidung gleich groß. + Ag - AgCl (s) + - Ag (aq) + Cl (aq) Cl AgCl T = 25 °C c( Ag+ ) ⋅ c(Cl - ) K= c( AgCl) Da c(AgCl) = konstant, gilt: + - KL = Kc ⋅ c(AgCl) = c(Ag ) ⋅ c(Cl ) Der Zahlenwert für das Löslichkeitsprodukt KL ist eine quantitative Aussage über die Löslichkeit einer Ionenverbindung. Verwendung von KL Schwer lösliche Salze (KL < 1): Angabe der Löslichkeit in Form des Löslichkeitsproduktes Leicht lösliche Salze (KL > 1): Angabe der Löslichkeit in g Salz / 100 g Wasser Fällungsreaktionen Für eine Ionenverbindung ist das Ionenprodukt < KL: Die Lösung ist nicht gesättigt. das Ionenprodukt = KL: Die Lösung ist gesättigt. das Ionenprodukt > KL: Die Lösung ist übersättigt. Es kommt zur Fällung, bis KL erreicht wird. Einige Ionennachweise durch Fällungsreaktionen Nachweis Fällung KL - AgNO3-Lsg. AgCl 1,7 ⋅ 10 - AgNO3-Lsg. AgBr 5 ⋅ 10 AgNO3-Lsg. AgI 8,5 ⋅ 10 2- BaCl2-Lsg. BaSO4 1,5 ⋅ 10 CO3 2- Ba(OH)2-Lsg. BaCO3 1,6 ⋅ 10 2- Pb(NO3)2-Lsg. PbS 7 ⋅ 10 2+ (NH4)2C2O4-Lsg. CaC2O4 1,3 ⋅ 10 3+ NaOH-Lsg. Al(OH)3 5 ⋅ 10 3+ NaOH-Lsg. Fe(OH)3 6 ⋅ 10 2+ K2CrO4-Lsg. PbCrO4 Cl Br - I SO4 S Ca Al Fe Pb * * Zugabe 2 -2 in mol ⋅ L ** 4 -4 in mol ⋅ L -10 -13 -17 -9 -9 -29 -9 -33 ** -38 ** -16 2 ⋅ 10 • Komplexbildung Kationen liegen in wässriger Lösung als AquoKomplexe vor. Andere Komplexe werden durch stufenweisen Austausch von WasserLiganden gegen andere Liganden erhalten. [Cr(H2O)6]3+ + NH3 [Cr(H2O)5NH3]3+ + H2O [Cr(H2O)5NH3]3+ + NH3 [Cr(H2O)4(NH3)2]3+ + H2O [Cr(H2O)(NH3)5]3+ + NH3 [Cr(H2O)6]3+ + 6 NH3 ⋅ ⋅ ⋅ [Cr(NH3)6]3+ + H2O [Cr(NH3)6]3+ + 6 H2O Einfachkeitshalber wird das koordinierte Wasser häufig nicht angegeben. Cr3+ + 6 NH3 [Cr(NH3)6]3+ Cu2+ + 4 NH3 [Cu(NH3)4]2+ Ag+ [Ag(NH3)2]+ + 2 NH3 • Komplex-Verbindungen Ein Komplex-Ion besteht aus einem Metallion oder -atom als Zentralatom, an welchem mehrere Moleküle oder Ionen, die Liganden, angelagert sind. + Ag + Zentralatom 2 NH3 Ligand + [Ag(NH3)2] Komplex (Koordinationsverbindung) KZ = 2 Die Anzahl der direkt an das Zentralatom gebundenen Atome nennt man Koordinationszahl. Die häufigsten Koordinationszahlen sind 2, 4 oder 6. Liganden, die sich mit einem Atom (ihres Moleküls) an das Zentralatom binden, sind einzähnig. Dagegen werden Liganden, die sich mit zwei oder mehr Atomen ihres Moleküls an das Zentralatom binden können, zweizähnig oder mehrzähnig genannt. Solche Komplexe werden als ChelatKomplexe (chele = Krebsschere) bezeichnet. • Bindungsverhältnisse in Komplexen Ein freier Ligand verfügt über wenigstens ein nichtbindendes Elektronenpaar, das er dem Zentralatom zur Verfügung stellen kann. Die Art der Bindung zwischen Zentralatom und Ligand reicht von überwiegend kovalent bis überwiegend ionisch. • Lösung durch Komplexbildung Viele schwerlösliche Ionenverbindungen können durch die Bildung von Komplexen in Lösung gebracht werden. Salze + - AgCl (s) Ag Ag+ + 2 NH3 [Ag(NH3)2]+ AgCl (s) + 2 NH3 [Ag(NH3)2]+ + Cl- + Cl + Durch die Bildung des Komplexes [Ag(NH3)2] wird die Konzentration an Ag+-Ionen in der Lösung stark verringert. Das Ionenprodukt + c(Ag ) ⋅ c(Cl ) ist dann kleiner als das Löslichkeitsprodukt KL. AgCl löst sich fortwährend auf. Metallhydroxide 3+ Al - Al(OH)3 (s) - [Al(OH)4] + 3 OH Al(OH)3 (s) + OH - • Nomenklatur von Komplexen - Anionische Liganden erhalten Endung -o. F - Fluoro CN - Cyano 2Cl - Chloro S2O3 - Thiosulfato OH - Hydroxo - Bezeichnung neutraler Liganden wie folgt: H2O - Aquo NH3 - Ammin - Liganden in alphabetischer Reihenfolge; Anzahl der Liganden durch griechisches Zahlwort 1 mono2 di3 tri4 tetra5 penta6 hexa- - Kationische und neutrale Komplexe mit deutschen Namen des Zentralatoms - Anionische Komplexe mit lateinischen Namen des Zentralatoms und Endung -at Symbol dt. Name lat. Name Anion. Kompl. Fe Eisen Ferrum -ferrat Cu Kupfer Cuprum -cuprat Zn Zink Zinkum -zinkat Ag Silber Argentum -argentat Au Gold Aurum -aurat Pt Platin Platina -platinat Al Aluminium (unbekannt) -aluminat Cr Chrom (unbekannt) -chromat Ni Nickel (unbekannt) -niccolat Co Cobalt (unbekannt) -cobaltat - Oxidationszahl (Ionenladung) des Zentralatoms durch römische Ziffer - Ladung des Komplexes ergibt sich als Summe der Ladungen des Zentralatoms und der Liganden + [Ag(NH3)2] [Ag(NH3)2]Cl 4- [Fe(CN)6] K4[Fe(CN)6] [Co(NH3)3Cl3] Diamminsilber(I)-Komplex Diamminsilber(I)-chlorid Hexacyanoferrat(II)-Komplex Kalium-hexacyanoferrat(II) Triammintrichlorocobalt(III) • Beispiel Wasserhärte – Ionenaustausch- und Komplexbildungsreaktionen Unter der Wasserhärte versteht man die Stoff2+ 2+ mengenkonzentration c(Ca + Mg ) in mmol/L, die in Wasser gelöst vorliegt. Wasserhärte bzw. Gesamthärte Calciumhärte 70 - 85 % Magnesiumhärte 15 - 30 % Carbonathärte bzw. Härtehydrogencarbonat Nichtcarbonathärte bzw. Resthärte (temporäre Härte) (permanente Härte) - Ca(HCO3)2 - Mg(HCO3)2 durch Kochen entfernbar - CaSO4, CaCl2 - MgSO4, MgCl2 nicht durch Kochen entfernbar Härtebereiche von Trinkwasser 2+ Härtebereich 2+ c(Ca +Mg ) °dH 1 weich 0 - 1,3 mmol/L 0-7 2 mittelhart 1,3 - 2,5 mmol/L 7 - 14 3 hart 4 sehr hart 2+ 1 mmol (Ca 2,5 - 3,8 mmol/L 14 - 21 > 3,8 mmol/L 2+ > 21 + Mg ) / L H2O = 5,6 °dH Enthärtung von Wasser Fällung Kalk-Soda-Verfahren Ca(HCO3)2 + Ca(OH)2 2 CaCO3↓ + 2 H2O CaSO4 CaCO3↓ + Na2SO4 + Na2CO3 Trinatriumphosphat-Verfahren 3 Ca(HCO3)2 + 2 Na3PO4 2 Ca3(PO4)2↓ + 6 NaHCO3 3 CaSO4 2 Ca3(PO4)2↓ + 3 Na2SO4 + 2 Na3PO4 Komplexbildung Polyphosphate Ca2+ + (P3O10)5- [Ca(P3O10)]3- Polycarboxylate Ca2+ + EDTA4- [Ca(EDTA)]2-