146 3.3 Organische Polymere mit anorganischen Gruppen 3.3 Organische Polymere mit anorganischen Gruppen Ca. 40 Elemente sind in Organische Polymere eingebaut, aber im allgemeinen enthalten Organische Polymere außer C und H nur O, N, S, P und Halogenide. Polymere mit diesen Bestandteilen sind uns vertraut und üblich, wie z.B. Polyvinylether, Polyester, Polyamide, Polyalkylensulfide, Nucleinsäuren oder Polyvinylhalogenide. Sie wurden deshalb bereits in den vorigen Abschnitten behandelt. Anliegen dieses Kapitels sind deshalb die anderen, selteneren anorganischen Elemente in organischen Polymeren. Auch bei dieser generellen Einteilung bleibt es nicht aus, daß an manchen Stellen die Abgrenzung ziemlich willkürlich ist. Anorganische Atome oder Molekülgruppen können als unterschiedliche Strukturen im Polymermolekül vorhanden sein, als seitliche Substituenten an der Kohlenstoffkette (pendant groups) oder kovalent eingebaut in die Hauptkette und als Sonderform davon in koordinativer Bindung als Koordinationspolymere. Bereits die Gruppe der Polymere mit seitlichen Substituenten gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten des Einbaus von anorganischen Atomen oder Molekülgruppen: [CH2 CH] Si Me3 Polytrimethylsilan (radikalisch polymerisiert) [CH2 CH] Polytrimethylsiliciumether (kationisch polymerisiert) O Si Me3 [CH2 CH] Fe [CH2 CH] Mn(CO)3 Polyvinylferrocen (radikalisch, kationisch und mit Ziegler-NattaKatalysatoren polymerisiert) Polymere gleichen Typs mit Titan, Cobalt, Ruthenium und Osmium sind bekannt, die des Ru und Os wurden als Lasertargets vorgeschlagen Polyvinylcyclopentadienylmangancarbonyl benutzt zur Stickstoff-Fixierung) (als Copolymeres Analoge Carbonylverbindungen des Iridium, Wolfram und Chrom sind bekannt. [CH2 CH] Ph2P O Polyvinyldiphenylphosphan als Beispiel auch für andere Vinylphosphane [CH2 CH] PO4R2 Polyvinylphosphorsäureester, als Repräsentant für auch andere Vinyl- und Alkenylester der Phosphor- und Phosphonsäure und Phosphor enthaltende Ester und Amide der Acrylsäure [CH2 CH] P N N F F P P F N F Polyvinylfluorphosphacen 3 Synthese von Makromolekülen, Polyreaktionen [CH2 CH] 147 Rutheniumkomplex des Poly-4-vinylpyridins Ru2+/3 N [CH2 CH] Poly-4-vinylpyridin-Boran BH3 N [CH2 CH] Polyvinylphenylmagnesiumbromid. Ausgangsprodukt für z.B. Polyalkylzinnverbindungen MgBr [CH2 CH] SnR3 [NH Polyvinyltrialkylzinn NHCORCO] Chrom enthaltendes Polyamid Cr(CO)3 Eine vielleicht noch höhere Vielzahl von Möglichkeiten ergeben anorganische Elemente, die kovalent gebunden in der Hauptkette sind. Deswegen soll dieser Typ der organischen Polymeren mit kovalent in der Hauptgruppe gebundenen anorganischen Atomen Hauptanliegen dieses Abschnittes sein. Die wichtigsten Gründe zur Herstellung von Polymeren, die anorganische Atome enthalten, sind ihre vorteilhaften Werkstoffeigenschaften und katalytische Eigenschaften. Das soll aber hier nicht als Einteilungsprinzip benutzt werden. Auch Strukturfragen (linear, verzweigt, vernetzt) sollen hier nicht als Einteilungsprinzip gelten, wie auch nicht Synthesemechanismen, da z.B. Silikone nach verschiedenen Mechanismen (Polykondensation, Polymerisation) hergestellt werden können. Am günstigsten erscheint die Einteilung nach den Heteroatomen in der Hauptkette. Bei Silicium enthaltenden Polymeren kennen wir außer den anorganischen Silikaten, die aber hier nicht behandelt werden, sie sind in den Lehrbüchern für Anorganische Chemie genügend behandelt worden, folgende Polymere: Polysiloxane (Silikone) und Polysilane. 3.3.1 Polyorganosiloxane (Silikone) Unter Poly(organosiloxanen) versteht man in Abgrenzung zu den anorganischen Silikaten Polymere mit der Gruppe Si O R wobei R einen organischen Rest darstellt und somit eine Kohlenstoff-Silicium-Bindung vorliegt. Die Kurzbezeichnung dieser Stoffgruppe ist Polysiloxane, der Name Silikone ist historisch bedingt. Die Synthese derartiger Polymere erfolgt durch Polykondensation der entsprechenden Organosilanole bzw. Organochlorsilane unter Abspaltung von Wasser bzw. Chlorwasserstoff. 148 3.3 Organische Polymere mit anorganischen Gruppen R Si O + H2O R2 Si(OH)2 R Da aber die entsprechenden Silanole durch Hydrolyse von Organodichlorsilanan hergestellt werden, sind auch teilhydrolysierte Zwischenprodukte zur Polykondensation befähigt. R R R R Cl Si OH Cl Si OH Cl Si O Si OH + R R R R Als Substituent R werden vorwiegend Methyl-, Phenyl, und Methylvinylreste in die Poly(organosiloxane) eingeführt. Die Molmassensteuerung und Blockierung der OH-Endgruppen, z.B. mittels einer Methylgruppe, erreicht man durch Zusatz des monofunktionellen Trimethylchlorsilan. Setzt man trifunktionelle Verbindungen ein, wie z.B. Organotrichlorsilan, so erhält man über die entsprechenden Organosilanole vernetzte Produkte. Die technische Darstellung erfolgt in emaillierten Rührgefäßen unter der katalytischen Wirkung von Schwefelsäure. Als Nebenreaktion bei der Polykondensation tritt, insbesondere bei großer Verdünnung, die Bildung größerer Mengen cyclischer Oligomerer mit dem Oligomerisierungsgrad drei bis zehn auf. Zwischen den Oligo(siloxanen) und den Poly(siloxanen) besteht ein Gleichgewicht, welches leicht verschiebbar ist. Die entsprechende Reaktion nennt man Äquilibrierung. Das tetramere Octamethylcyclotetrasiloxan läßt sich allerdings destillativ abtrennen und kann anionisch oder kationisch unter Ringöffnung zu hohen Molmassen polymerisiert werden. Poly(organosiloxane) mittleren Polymerisationsgrades (50 bis 400) mit Methyl- und Phenylgruppen sind flüssig und unter dem Begriff Silikonöle bekannt. Sie zeichnen sich durch gute Temperaturbeständigkeit aus, besonders die gemischten Polymethylphenylsiloxane. Sie finden als Badflüssigkeit und Wärmeüberträger sowie als Entschäumer Anwendung. Polysiloxane sind auch Modifizierungen zugänglich. Hydrolysiert man Siliciumalkoxide SiOR4 + H2O → Si(OH)4 + 4 ROH und kondensiert diese mit Oligo- oder Polysiloxanen so erhält man Materialien mit verminderter Sprödigkeit. Auch die Copolymerisation ist für die Modifizierung der Polysiloxane anwendbar. Hydrolysiert und polykondensiert man R2SiCl2 zusammen mit Ti(OR)4 so erhält man Ti(OR)2-Einbauten in die Polysiloxankette. Ähnliches ist von Sauerstoffverbindungen des B, Al, Ge, Sn, Zr, P und As beschrieben worden. Die Blockcopolymerisation der Polysiloxane mit Polyamiden und Polystyrol ist ebenfalls gut untersucht. Eine andere Möglichkeit der Modifizierung ergibt sich, wenn Si−H-Bindungen vorhanden sind. Über sie kann man Seitengruppen einführen. Leiterpolymere erhält man, wenn man Phenyltrichlorsilan C6H5SiCl3 hydrolysiert. Diese Polymere zeichnen sich durch eine Doppelstrangstruktur aus und bringen einen höheren Schmelzpunkt ein. Daß es sich nicht um vernetzte Polymere handelt, wird durch die Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln bewiesen. Vernetzte Polysiloxane werden, wie oben beschrieben, aus trifunktionellen evtl. zusammen mit difunktionellen Organosiloxanen hergestellt. Sind in den Poly(organosiloxanen) Methylvinylgruppen vorhanden, so können die Vinylgruppen mit Peroxiden radikalisch in Form einer Heißvulkanisation vernetzt werden. Silikonkautschuk zeichnet sich besonders durch seine gute Temperaturbeständigkeit bis 180 °C aus. Zu erwähnen wäre auch seine gute Elastizität bei tiefen Temperaturen. Wegen dieses insgesamt ausgezeichneten Temperaturverhaltens werden Silikone den Hochleistungspolymeren zugerechnet. 3.3.2 Polysilane Diese neue Polymerklasse ist erstmals in den zwanziger Jahren beschrieben, hergestellt durch eine Wurtz-Reaktion, z.B. in Toluol bei über 100 °C. 3 Synthese von Makromolekülen, Polyreaktionen 149 R RR'SiCl2 Si − 2 NaCl R' Die Reste R können Aliphaten und Aromaten sein. Die enstehenden Polymere mit gleichem, kurzen R-Rest sind kristallin und unlöslich in organischen Lösungsmitteln, die langkettigeren sind löslich. Cyclische und lineare Oligomere liegen als Nebenprodukt vor. Die Polysilane, besonders das Polymethylphenylsilan, sind potentiell interessant als positive Photoresists, Halbleiter, für nichtlinare Optik und als Präkeramik. Die definierte Pyrolyse von Polysilanen z.B. von Polydimethylsilan über 1200 °C ergibt ß-Siliciumcarbid, interessant für keramische Anwendungen. Die Herstellung läuft ab 450 °C über den Einbau des Alkylrestes in die Siliciumkette, z.B. H Si CH2 CH3 + 2 Na Aber das sind bereits Polycarbosilane. Die Copolymerisation der Silane untereinander und mit anderen Monomeren ist möglich. Blockcopolymere der Silane mit Styrol sind bekannt und natürlich auch Blockcopolymere Silan Siloxan. 3.3.3 Polycarbosilane Unter Polycarbosilanen versteht man Polymere mit einem −Si−Cx−Si−Gerüst, wobei x gleich eins oder größer sein kann. Die Polycarbosilane, erhalten durch Pyrolyse des Polydimethylsilan, wurden bereits im vorigen Abschnitt erwähnt. Die Copolymeren aus Silanen und Vinylmonomeren sind per Definition ebenfalls Polycarbosilane. Definierte Polycarbosilane mit zwei Methylengruppen erhält man wie folgt R R H2PtCl6 Si CH2 CH2 H Si CH CH2 R R Wie bereits bei den Polysilanen erwähnt, besteht das Hauptanwendungsgebiet als Vorstufe zur Herstellung von SiC. Setzt man Phenylen-di(magnesiumbromid) mit Diphenyldichlorsilan um, erhält man ein „vollaromatisches“ Polycarbosilan. 3.3.4 Polygermane Germanium steht im Periodensystem unter dem Silicium und ist daher bei der Synthese der entsprechenden Polymeren dem Silicium ähnlich. Polygermane werden deshalb wie Polysilane hergestellt: R + Na R2GeCl2 Ge + 2 NaCl R Als Rest R ist eine weite Palette bekannt z.B. Methyl, Phenyl, N-Butyl und N-Hexyl. Eine alternative Herstellungsmethode ist die dehydrogenative Kupplung von Germaniumhydriden mittels Titanoder Zirkonocen. Hohe Molmassen sind herstellbar. Die Eigenschaften der Polygermane sind ähnlich denen der Polysilane. Deshalb sind sie auch in Betracht gezogen worden für mikrolithographische Anwendungen. Aber die Herstellung der Polygermane ist schwieriger und teurer, so daß sich nur wenige Anwendungen gefunden haben. 150 3.3 Organische Polymere mit anorganischen Gruppen Es gibt auch Polygermanoxane und Polycarbogermanoxane Die Herstellung ersterer erfolgt analog wie bei den Polyorganosiloxanen aus z.B. Dichlorodiphenylgermylen mit NaOH, also etwas drastischer. 3.3.5 Polymere abgeleitet von Zinn, Blei und weiteren Elementen der 4. Gruppen Polystannane lassen sich wie bei den Polygermanen beschrieben (s. Kap. 3.3.4) herstellen. Weiterhin gibt es für die Herstellung von Polymeren, die Zinn, Blei und andere Elemente der 4. Gruppen enthalten mehrere Synthesemethoden: Die Reaktion von Dialkyl- und Diarylmetalldihydriden R2MeH2 mit nichtkonjugierten Dienen oder Diinen z.B. n MeH2R2 + CH2=CHRCH=CH2 → [Me(R2)CH2CH2RCH2CH2]n ist beschrieben für Me = Ge, Sn und Pb mit Molmassen für die Polymere bis 100000. Oder die Reaktion von bevorzugt Dicyclopentadienylmetallchlorid Cp2MeCl2 Me = Si, Ge, Sn, Pb, Ti, Zr, Hf aber auch Bi mit bifunktionellen Lewisbasen wie z.B. Diolen, Dicarbonsäuresalzen, Diaminen, Dithiolen, Dioximen, Hydrazinen, Harnstoff, aber auch anderen z.B. Fluoriden: n Cp2MeCl2 + n HOROH → [Me(Cp2)ORO]n Die Reaktion läßt sich auch auf As, Sb, Bi und Mn ausdehnen. Die entsprechenden Polymeren werden eingesetzt als Farbstoffe, photosensitive und biologische Materialien. Für die Synthese der zinnorganischen Polymeren setzt man auch Tributylzinnoxyd mit entsprechenden Säuren um zu folgendem Monomeren. (But)3SnO + CH2=CClCOOH → CH2=CClCOOSn(But)3 Dieses läßt sich radikalisch mit AIBN polymerisieren und copolymerisieren. Zinnorganische Polymere sind als „Antifouling“-Anstriche bekannt. 3.3.6 Bor enthaltende Polymere Bei den Bor enhaltenden Polymeren müssen hier sofort die Carboran-Abkömmlinge genannt werden. Carboran, das aus Decaboran B10H14 und Acetylen C2H2 hergestellt wird, hat die Formel B10C2H12 und die Struktur 2.2 - Dicarboclavodecaboran als Orthoform. Es ist kein Polymeres. Es läßt sich aber in m-Carboran umlagern und in diesem lassen sich die Wasserstoffe am Kohlenstoff durch Lithium ersetzen. Setzt man die so entstandene reaktionsfähige Verbindung mit Siloxanverbindungen um, so erhält man: LiCB10H10CLi + 2 ClSi(R2)OSi(R2)Cl → ClSi(R2)OSi(R2)CB10H10CSi(R2)OSi(R2)Cl Die weitere Polymerbildung kann wie bei der Polysiloxanbildung vorgenommen werden. Auf diese Weise lassen sich gezielt Carboranreste in Polysiloxane einbauen und man erhält so hochtemperaturbeständige Polymere. Der acide Wasserstoff am Kohlenstoff des Carborans ist aber auch durch Vinylgruppen oder Säuregruppen ersetzt worden. So erhält man im ersten Fall Vinylcarboran, das polymerisierbar und copolymerisierbar ist. Im zweiten Fall kann man mit Diolen temperaturbeständige Polyester und mit Diaminen Polyamide herstellen. Es wird hier noch erwähnt, daß auch Borazolreste in organische Polymere eingebaut wurden. 3.3.7 Aluminium enthaltende Polymere Bedeutendste Aluminiumverbindungen der Polymerchemie sind die Methylaluminoxane. Sie werden durch vorsichtige, teilweise Hydrolyse von Trimethylaluminium mit Wasser gewonnen. Es handelt sich um eine Verbindung, in der Aluminium- und Sauerstoffatome alternierend verbunden sind, 3 Synthese von Makromolekülen, Polyreaktionen 151 wobei die eine freie Valenz am Aluminium eine Methylgruppe trägt. Dieses Methylaluminoxan ist eigentlich kein Polymeres. Nach Sinn besteht die Grundstruktur aus oligomerem Al4O3(CH3)6. CH3 Al O Al CH3 CH3 O Al CH3 O Al CH3 CH3 das sich zu größeren Clustern zusammenlagert mit Molmassen bis 1600 g/mol. Der Grund dafür könnte in der koordinativen Ungesättigtheit des Aluminium liegen. Die Methylaluminoxane haben deswegen so große Bedeutung, weil sie die Polymerisationseffektivität von Zirkonkatalysatoren auf 100 Tonnen Ethylen pro Gramm Zirkon steigen läßt. Zum Mechanismus wird angenommen, daß das Methylaluminoxan das Zirkonocen methyliert und so ein aktives Zentrum bildet. 3.3.8 Stickstoff enthaltende ungewöhnliche Polymere An dieser Stelle wären noch die Polysilazane nachzutragen. Setzt man (CH3)2SiCl2 mit Ammoniak um, so erhält man ein Produkt der Formel [(CH3)2SiNH]x. Dabei handelt es sich offensichtlich um Oligomere. In gleicher Weise reagiert H2SiCl2 mit Ammoniak unter Bildung von Oligomeren, für die folgende Formel angegeben wird: H H H N Si N SiH2 H2Si N Si H H SiH2 Auch achtgliedrige Ringe werden angegeben. Erhitzung derartiger Verbindungen über 1200 °C ergibt Si3N4. 3.3.9 Phosphor enthaltende Polymere Außer den Nucleinsäuren, die im Kapitel Biopolymere behandelt sind, werden organische Phosphorverbindungen als Comonomere oder auch als Additive den Polymeren zugesetzt um die Flammwidrigkeit der Organischen Polymeren zu erhöhen. Hierzu gehören die Polyphosphorsäureester auch Polyphosphate genannt die durch Polykondensation von Dichlorphosphaten mit aliphatischen oder aromatischen Diolen hergestellt werden: ROPOCl2 + HOR’OH → [PO(OR)OR’O] + 2 HCl HCl-Akzeptor für diese Reaktion ist Pyridin. Die Polyphosphate sind deswegen von Interesse, weil Polynucleotide auch Polyester der Phosphorsäure sind (siehe auch unter Biopolymeren). Polyphosphonate werden auch hergestellt aus Phosphonyldichloriden mit Diolen: RPOCl2 + HOR’OH → [PO(R)OR’O] + 2 HCl Darüber hinaus erwähnenswert ist die Stoffklasse der Polyphosphazene. Setzt man PCl5 mit NH4Cl bei ca. 120 °C miteinander um, erhält man vorwiegend ringförmige Dichlorphosphazene mit vorwiegend sechser oder achter Ringen, die beim Erhitzen ab 230 bis 300 °C in folgende Polymere übergehen: 152 3.3 Organische Polymere mit anorganischen Gruppen Cl N P Cl ein transparentes, gummiartiges Produkt, das Polydichlorphosphazen. Trotzdem die Polymerisation thermisch durchgeführt wird, wird ein kationischer Mechanismus angenommen. Die Beschleunigung der Polymerisation durch Spuren Wasser würde dafür sprechen. Die kationische Polymerisation mit BF3 ist ebenfalls bekannt. Polymerisationsgrade bis 15000 sind beschrieben worden, die hohen Produkte sind vernetzt. Das Polymere ist elastisch wie Naturkautschuk und hat eine Einfriertemperatur von minus 63 °C und hydrolysiert langsam an feuchter Luft. Beim Erhitzen ab 350 °C tritt Depolymerisation zu ringförmigen, niedermolekularen Produkten auf. Auch Polydifluorphosphazen ist bekannt. Durch Substitution können die Halogenatome des Polymeren ersetzt werden. Dabei ändern sich je nach Substituent die Eigenschaften. Einführung von CH3O und C6H5O Gruppen lassen den elastischen Charakter der Polymeren beibehalten. Dagegen gibt die Einführung von primären und sekundären Aminogruppen wasserlösliche Polymere. Bei unvollständiger Substitution entstehen so Copolymere. Derartige Copolymere sind gegen Hydrolyse beständig. Sie haben gute mechanische Eigenschaften, besser als Silikone und werden benutzt als Dichtungen und Treibstoffleitungen. Polyphosphazenelastomere sind vulkanisierbar mit Schwefel und Peroxiden. Auch eine Direktsynthese für Polyphosphazene durch Erhitzung folgender Verbindung ist bekannt: R R + (H3C)3SiOCH2CF3 (H3C)3Si N P OCH2CF3 N P R R 3.3.10 Arsen, Antimon und Wismut enthaltende Polymere Von diesen Elementen sind weniger Polymere bekannt. Zuerst die Homokettenpolymere: Setzt man Methylarsan mit halogenhaltigen Substanzen z.B. CCl4 um, erhält man ein Polymethylarsan als rotschwarze Kristalle CH3AsH2 + 2 CCl4 → CH3AsCl2 + 2 CHCl3 n/2 CH3AsCl2 + n/2 CH3AsH2 → (CH3As)n + n HCl Auch vom Antimon ist ein analoges Endprodukt bekannt, auf folgendem Wege hergestellt: CH3SbH2 + HgBz2 → (CH3Sb)n + 2 Toluol Man erhält grüne Kristalle. Statt Dibenzylquecksilber kann man auch Jod oder (CH3)2SiCl2 benutzen. Obige beide Substanzen haben Leiterstruktur. Wie bereits bei Zinn und Blei geschildert lassen sich mit Lewisbasen auf Basis von As, Sb und Bi diese Elemente enthaltende Kondensationspolymere herstellen, siehe dort. Aber auch ein anderer Typ ist bekannt, z.B. durch Umsetzung von Dilithiumorganylen mit Phenyldichlorarsin: n Li O Cl + n ClAsCl O As 3.3.11 Selen und Tellur enthaltende Polymere Schwefelatome in organischen Polymeren z.B. in Polysulfiden (Kap. 3.2.1.6) und Polysulfonen (Kap. 3.2.1.8.) werden nicht als ungewöhnlich angesehen. Bei höheren Elementen der 6. Haupt- 3 Synthese von Makromolekülen, Polyreaktionen 153 gruppe ist das aber nicht so, wobei Selen anstelle von Schwefel an vielen Stellen denkbar wäre. Darüber hinaus gestatten Verbindungen wie Se(CH2CH2OH)2 oder Se(CH2CH2NH2)2 die Einführung von Selen in Polyester, Polyamide und Polyurethane. Analog zu den Polyalkylensulfiden kennt man ähnliche Verbindungen vom Selen und Tellur. Gut untersucht ist das Polymethylenselenid. Es wird hergestellt durch Reaktion von Formaldehyd mit Natriumselenid: n CH2O + n Na2Se2 → (CH2Se2)n Eine andere mehr konventionelle Darstellung kondensiert Dibrommethan mit Natriumselenid n BrCH2Br + n Na2Se2 → (CH2−Se2)n Polytrimethylendiselenid entsteht durch Hydrolyse von 1.3-Propandiselenocyanat: n NCSe(CH2)3SeCN → [(CH2)3Se2]n Höhere Hydrocarbondiselenide erhält man auf gleiche Weise aus entsprechend höheren Diselenocyanaten. Auch aromatische Diselenide sind bekannt. o-Dichlorbenzol und Natriumdiselenid ergeben ein Phenylendiselenid. In gleicher Weise sind Dibromanthracenderivate dieser Reaktion zugänglich. Das Interesse an derartigen Polyseleniden erklärt sich daraus, daß sie als Halbleitermaterial attraktiv sind. Ähnliche Verbindungen wie beim Selen sind auch vom Tellur bekannt. Reduziert man Bistrichlortellur(IV)methan mit Kaliummetabisulfit, so erhält man Polymethylenditellurid: H2C(TeCl3)2 + K2S2O5 → (CH2Te2)n eine rotbraune feste Substanz. Höhere aliphatische Ditelluride werden durch Kondensation n Br (CH2)xBr + n Na2Te2 → —[(CH2)xTe2]n hergestellt (x = 2 - 20). Auch aromatische Ditelluride z.B. aus 4.4’Dibromdiphenyl und Na2Te2, also hergestellt durch Kondensation, sind bekannt. 3.3.12 Polymere mit Übergangsmetallen in der Kette und Koordinationspolymere Polymere mit Übergangsmetallen in der Kette sind recht selten wegen ihrer fehlenden Stabilität unter normalen Bedingungen. Aber diese fehlende Stabilität ist wesentlich abhängig von dem Übergangsmetall und den organischen Gruppen. Beispiele für erfolgreiche Synthesen bieten zu ersterem Cu, Co, Ni, Pd und Pt. Ein Nickel-poly-yne läßt sich wie folgt herstellen: CuX n Ni(C CH)2 + n HC C Y C CH [Ni C C Y C CH]n R3N Dieser Synthesetyp ist nicht auf Übergangsmetallverbindungen beschränkt. Anstatt wie oben Nickel in der Kette sind auch folgende andere Einbauten beschrieben: Hg, AsC6H5, SiR2. Ähnliches ist auch vom Platin bekannt, stabilisiert mit Phosphinliganden. Aber auch ein anderer Typ Platin(II)verbindungen gehört zu den Polymeren: [NH2PtCl2NH2R] wobei R aliphatische, aromatische oder heterocyclische Reste darstellen. Anstatt Chlorid ist auch Jodid bekannt. Derartige Polymere werden auch als Antitumormittel benutzt. Mit diesen Verbindungen sind wir aber bereits bei der Gruppe der Koordinationspolymeren angelangt. Koordinationspolymere im engeren Sinne sind dadurch gekennzeichnet, daß sie eine koordinative Bindung mit Metallatomen im Polymeren aufweisen. Dabei kann einmal die koordinative Bindung über die Seitengruppen an der Polymerkette wirken. Beispiele dafür sind die bereits am Anfang dieses Kapitels aufgeführten Copolymere aus Olefinen und Vinylpyridinen, aber auch Vi- 154 3.3 Organische Polymere mit anorganischen Gruppen nylcarbazolen oder anderen stickstoffhaltigen ungesättigten Basen. Wenn man diese mit Metallsalzen wie CoCl2, NiCl2 oder anderen wie z.B. CrCl3 versetzt, erhält man eine koordinative Bindung zwischen den Reaktionspartnern, also ein Koordinationspolymeres, das koordinativ vernetzt ist. Diese Polymeren nehmen eine Zwischenstellung zwischen Duromeren und Thermoplasten ein. Sie sind bei Raumtemperatur schlecht oder nicht löslich, wie das bei vernetzten Polymeren üblich ist. Bei höheren Temperaturen lösen sich die Vernetzungen, zumal unter Verarbeitungsbedingungen, und sie sind wie Thermoplaste verarbeitbar. Auch das in der Einleitung zu diesem Kapitel genannte Polyvinylferrocen bzw. allgemeiner die Polyvinylmetallocene sind in diesem Sinne Koordinationspolymere. Ebenso die Polymeren der Vinylmetallcarbonyle. Aber auch andere Chelatgruppen ergeben Koordinationspolymere dieses Bautyps. Setzt man Polyacrylsäure mit UO22+-Ionen um, so erhält man: (CH2 CH)n C O O O U O O O C (CH2 CH)n vorgeschlagen zur Uranrückgewinnung. - Besonders interessant in dieser Klasse sind Platinverbindungen aus medizinischer Sicht z.B. die Platinverbindung des Poly(bismethylamino)phosphazen. MeHN NHMe P NHMe N N P NHMe Pt Cl Cl Es dient als Tumor inhibierende Substanz bei Mäusen. Ein anderer Typ der Koordinationspolymeren hat die koordinative Bindung in der Hauptkette. Es gibt zwei Synthesemöglichkeiten dieses zu erreichen. Entweder man bringt die koordinative Bindung bereits mit dem Monomeren ein oder knüpft sie bei der Polymerbildung. Erstere Möglichkeit kann man z.B. wie folgt formulieren: OCO R HOOC CoPF6 + HO R OH CoPF6 COOH Das Cobalt in diesem Polymeren ist auch Eisen austauschbar. Dieses Bauprinzip wurde auch mit anderen Zentralatomen z.B. Cu, Ag und anderen koordinierenden Liganden wie Phenantrolin beschrieben. Dreidimensionale Koordinationspolymere vom Typ CuSiF6(4,4 Bipyridin) haben wegen ihrer großen Hohlräume für den reversiblen Einschluß von Gastmolekülen Beachtung gefunden. 3 Synthese von Makromolekülen, Polyreaktionen 155 Also ein vorformierter Metallkomplex bildet über seine funktionellen Gruppen durch Polykondensation oder Polyaddition ein Polymeres. Dafür gibt es eine Reihe von Beispielen: Disubstituiertes Aminoethylferrocen reagiert mit Disäurechloriden zu Polyamiden oder disubstituierte Carboxyferrocene reagieren mit Diolen zu Ferrocenpolyester. Statt Eisen können auch andere Cyclopentadienylverbindungen z.B. wie oben vom Cobalt dafür eingesetzt werden. Auch phosphinsubstituierte Ferrocene sind bei diesem Bautyp eingesetzt worden. Bildet man die koordinative Bindung erst während der Polymerbildung, kann man das wie folgt formulieren: OH RN CH O H H 2+ RN C C NR + Me Me O CH NR OH So reagiert Oxalsäure mit Eisenionen zu einem linearen Polymeren. Dagegen gibt 2.5 - Dihydroxychinolin mit Eisenionen flächenförmige Gebilde, mit Kupferionen steife Aggregate. Auch Verbindungen mit Nickel und Cadmium sind bekannt. Dicarbonsäuren geben mit Uranylionen einen Uranylpolyester. Insgesamt ist dieser Synthesetyp breit angewandt worden, wobei als Übergangsmetalle Cu, Fe, Co, Ni, Rh, Ru, Pd, Pt, Cr, Mo, Mn, Zn, Cd und als Koordinationsdonatoren =O, =S und =RN genannt werden, natürlich in unterschiedlichen Kombinationen. Letztere aus Ketonen, Thiolaten, Azomethinen, Chinolinverbindungen, überhaupt viel unterschiedlichste Amine. Manche haben interessante Eigenschaften z.B. Poly-nickel-pyrimidin-2-thiolat hat Halbleitereigenschaften Eine besondere Gruppe der Koordinationspolymeren vom Bautyp her gesehen sind die Phthalocyanine. Sie gehen auf den Metallporphyrinring zurück: N N Me N N Dieses unterschiedlich substituierte Ringsystem ist uns aus der Biochemie mit Eisen als Zentralatom als Hämoglobin und mit Magnesium als Zentralatom als Chlorophyll bekannt. Als zentrales Metallatom kann auch Co, Ru, Rh, Os, Mn, Si, Ge, Sn, Al und Ga dienen. Am zentralen Metall befindliche OH - Gruppen können unter Abspaltung von Wasser kondensieren und so erhält man Polymere mit Sauerstoffbrücken mit einem Polymerisationsgrad von über 100. Es findet also eine covalente Verbrückung statt. Derartige Polymere haben gute chemische und thermische Stabilität und sind auch in Fasern überführt worden. Aber auch Brücken auf Basis von S, O(CH2)x, —C≡C—, —F→, —C≡N→, —Pyrazin— wurden bekannt. Eine Verbrückung des zentralen Metallatoms muß nicht unbedingt kovalent sein. Sie kann bei einem geeigneten Zentralatom auch eine koordinative Bindung sein, wie zu sehen. Aber auch durch eine Substitution an den Benzopyrrolringen der Metallporphyrine mit funktionellen Gruppen kann man Polymere herstellen, z.B. Polyamide.